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Der Verfügungsbekl. beantragte im Juli 1996 bei dem für die Bundesrepublik Deutschland zuständigen Deutschen
Network-Information-Center (DE-NIC) in Karlsruhe die Registrierung der Internet-Adresse (Domain) "braunschweig.de". Beim
Internet handelt es sich um ein weltweites Datennetzwerk, das aufgebaut ist, um die Datenübermittlung von jedem beliebigen an das
Netz angeschlossenen Rechner an jeden beliebigen anderen Rechner mit Netzwerkzugang zu ermöglichen. Dafür muß jedem
angeschlossenen Rechner eine eindeutige "Adresse" zugeordnet werden, die technisch gesehen aus einer in mehreren Untergruppen
aufgeteilten Zahlenkombination besteht. Um die Adressen für die Benutzer besser merkbar zu machen, werden alternativ
Buchstabenkürzel verwendet, die ebenfalls in einzelne Abschnitte, sogenannte Domains und Sub-Domains aufgeteilt sind. Auch für
diese Buchstabenkürzel gilt, dass jedem Rechner eine eindeutige Adresse zugeordnet ist. Für die in der Bundesrepublik Deutschland
verwandten Adressen wird üblicherweise die Kennzeichnung "de" zugefügt.
Die antragstellende Organisation (Provider) beantragt beim DE-NIC in Karlsruhe die Registrierung eines Domains. Der DE-NIC
prüft dann lediglich, ob die gewünschte Adresse bereits vergeben ist. Die Verantwortung für die Beachtung des Namensrechts und
für andere rechtliche Folgen aus der Reservierung oder Registrierung eines Domain-Namens liegt dann bei dem jeweiligen
Antragsteller. Die Vergabe verläuft nach dem Motto: "First come, first served'. Der DE-NIC verwendet jedoch in seinen Hinweisen
zum Antrag für deutsche Internet-Domains folgende, als wichtig gekennzeichnete Information: "Die antragstellende Organisation ist
bei der Wahl des Domain-Namens selbst für die Einhaltung des Namensrechtes verantwortlich. Eventuell auftretende Konflikte mit
eingetragenen oder geschützten Namen sind zu beheben. Der Ast. versichert, durch den Antrag keine Rechte Dritter wissentlich zu
verletzen. Nachdem der Verfügungsbekl. sich von DE-NIC die Domain Braunschweig.de zuweisen ließ, stellte er sein
Informationssystem unter dieser Adresse im Netz zur Verfügung. Die Verfügungskl. erfuhr etwa Mitte August 1996 davon, dass der
Verfügungsbekl. die Internet-Adresse "braunschweig.de" belegt hatte. Der eine Fahrschule betreibende Verfügungsbekl.
veröffentlichte im Internet eine Homepage mit folgendem Text:"Braunschweig on Internet, Firmen in BS, Kultur, Adressen. Jetzt ist
Braunschweig online im Internet. Hier haben Sie alle Möglichkeit, Ihre Firma zu präsentieren oder sich hier eine E-Mailbox
einrichten zu lassen.Klicken Sie auf das gewünschte Interessengebiet und schon kommen Sie weiter. Sollten Sie Interesse haben hier
im Internet vertreten zu sein, setzen sie sich mit uns in Verbindung.'Es folgen zwei Telefonnummern des Verfügungsbekl. Mit
Schreiben vom 3. 9. 1996 forderte die Verfügungskl., die ihrerseits die Adresse der Stadt Braunschweig unter "braunschweig.de"
bei DE-NIC registrieren lassen wollte, den Bekl. auf, die Nutzung der Internet-Adresse einzustellen. Nach einem Telefonat vom 13.
9. 1996 setzte die Verfügungskl. dem Verfügungsbekl. mit Schreiben vom 16. 9. 1996 eine Frist. Daran entspann sich eine
Korrespondenz mit den Prozeßbevollmächtigten des Verfügungsbekl. Nach weiterer Aufforderung vom 30. 9. 1996 teilte der
Verfügungsbekl. mit Schreiben vom 18. 10. 1996 mit, dass er seine Internet-Seiten aus dem Netz entfernt habe und bat um eine
14-tägige Überlegungsfrist. Er bot der Verfügungskl. an, die Leitseiten der Stadt zum Selbstkostenpreis in seine
Internetadresse einzuspeichern. Noch am 10. 12. 1996 teilte der Provider des Verfügungsbekl. der Verfügungskl. mit, dass die
Domain "braunschweig.de" nicht freigegeben werde.Auf Antrag der Verfügungskl. wurde dem Verfügungsbekl. im Verfahren der
einstweiligen Verfügung untersagt, die Internetadresse "braunschweig.de" weiterzuverwenden und aufgegeben, diese Adresse zur
weiteren Nutzung durch die Ast. freizugeben. Der Einspruch des Verfügungsbekl. hatte keinen Erfolg.
1. Die Kl. kann gem. § 12 S. 2 BGB verlangen, dass der Bekl. die weitere Benutzung der Adresse "braunschweig.de" unterläßt und
sie für die Nutzung durch die Verfügungskl. freigibt.
Durch die Verwendung "braunschweig.de" macht der Verfügungsbekl., der den bürgerlichen Namen X führt, vom Namen der
Verfügungskl. Gebrauch, ohne von ihr dazu ermächtigt zu sein oder aus anderen Rechtsgründen eine Berechtigung zur Führung
eines fremden Namens herleiten zu können. Gegen diese unbefugte, widerrechtliche Verwendung des Namens Braunschweig kann
sich die Verfügungskl. nach § 12 S. 2 BGB wehren, denn auch öffentlichrechtliche Körperschaften sind gegen eine unbefugte
Benutzung ihres Namens im privatrechtlichen Verkehr durch § 12 BGB geschützt (BGH, GRUR 1964, 38 - Dortmund grüßt ...;
Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 18. Aufl., § 16 Rdnr. 20; LG Mannheim, NJW 1966, 2736 (2737)). Dieser Namensschutz
umfaßt auch die sogenannte Zuodnungsverwirrung, d.h. Fälle, in denen durch die Namensnennung eine Verbindung zwischen dem
Namensträger und Produkten oder Unternehmen suggeriert wird, die in Wahrheit nicht besteht (Schwerdner, in: MünchKomm, § 12
Rdnrn. 105, 108). Dieser Tatbestand geht dem persönlichkeitsrechtlichen Kern des Namensrechts entsprechend über den Bereich
der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr weit hinaus (BGH, GRUR 1955, 122; Baumbach/Hefermehl, 18. Aufl., § 16 Rdnr.
61; Kur, CR 1996, 590 (593)).
Der Verfügungsbekl., der unter dem Namen "braunschweig.de" kommerzielle Werbung betreiben will und Internetseiten
weitervermieten will, erweckt dadurch, dass "braunschweig.de" ohne weiteren Zusatz von ihm verwandt wird, den Anschein, dass
die Stadt Braunschweig als Namensträgerin im Internet tätig werde und Informationen von der Stadt Braunschweig stammten. Der
Einwand des Verfügungsbekl., dass es auch natürliche Personen gebe, die den Namen Braunschweig führten, ist in diesem
Rechtsstreit unerheblich, denn der Verfügungsbekl. führt diesen Namen nicht. Sein Namensrecht erstreckt sich allein auf den Namen
X.
Die Anmeldung der Internetadresse unter einem fremden Namen ist mit einer bösgläubigen Markenanmeldung i.S. von § 50 I
MarkenG zu vergleichen. Danach ist eine Markenanmeldung als bösgläubig anzusehen, wenn dahinter die Absicht steht, einen
Dritten am Gebrauch dieser Bezeichnung zu hindern, oder zu erschweren. Dabei ist nicht unbedingt erforderlich, dass der Dritte die
fragliche Bezeichnung schon in Benutzung genommen hat, es genügt, dass er beabsichtigt, die Bezeichnung zu benutzen. Erfährt ein
Dritter davon und meldet er die fragliche Bezeichnung als Marke an, um den anderen zu der geplanten Benutzung zu hindern oder
ihn zu Geldzahlungen zu zwingen, so ist dies als bösgläubig i.S. von § 50 I Nr. 4 MarkenG anzusehen (vgl. Helm, GRUR 1996, 593
()). Diese dort entwickelten Grundsätze können auch auf die bösgläubige Verletzung eines Namensrechts durch Anmeldung eines
dem Anmeldenden nicht zustehenden Namens im Internet angewandt werden. Auch insbesondere die Erklärung in dem Schriftsatz
vom 14. 1. 1997, mit dem der Vergleich widerrufen wurde, dass sich die Verfügungskl. weigere, "an der vergleichsweisen
Erledigung der Gesamtauseinandersetzung mitzuwirken" und das Verlangen des Verfügungsbekl., dass ihm zur Nutzung
Internetseiten eingeräumt werden sollen, zeigt, dass es dem Verfügungsbekl. darum ging, durch die missbräuchliche Benutzung des
Namens Braunschweig wirtschaftlich ihm nicht zustehende Vorteile zu erlangen.
Die Stadt ist auch nicht gehindert, einerseits den Internetzugang "bs.online.com" durch Dritte benutzen zu lassen, und sich nur den
Internetnamen "braunschweig.de" zu reservieren. Aus der Bezeichnung .com ist für den Nutzer ersichtlich, dass es sich hier um
kommerzielle Anbieter aus Braunschweig handelt, während der Internetbenutzer erwartet, unter der Bezeichnung
"braunschweig.de" die Stadt Braunschweig mit Informationen über Touristik und kulturelle Angebote und eine Darstellung der
Stadt wiederzufinden. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich schon daraus, dass der Bekl. die in Streit stehende Adresse
bis heute nicht gelöscht hat.
2. Es besteht auch ein Verfügungsgrund. Ohne den Erlass einer einstweiligen Verfügung würde das Namensrecht der Verfügungskl.
für einen nicht unerheblichen Zeitraum gravierend beeinträchtigt. Die Dringlichkeit ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die
Kl. über einen längeren Zeitraum hinweg Verhandlungen mit dem Verfügungsbekl. geführt hat, und nicht sofort zum Mittel der
einstweiligen Verfügung gegriffen hat. Auch bei jemandem, der wie der Verfügungsbekl. eine Anmeldung einer Internetadresse
unter einem fremden Namen vornimmt, konnte die Verfügungskl. hier über einen längeren Zeitraum versuchen, mit Verhandlungen
den Streit gütlich beizulegen. Die Dringlichkeit entfällt dann nicht, wenn für das Zögern ein sachlicher Grund vorliegt, der
insbesondere bei Verhandlungen mit dem Bemühen, eine Sache außergerichtlich beizulegen, angenommen werden kann (vgl.
Mellulis, Hdb. d. Wettbewerbsprozesses, 2. Aufl., Rdnr. 171). Die Angebote verschiedener Provider, schon im Jahre 1995 und
Anfang 1996 für die Verfügungskl. eine Internetadresse einzurichten, hindern die Annahme der Dringlichkeit nicht. Diese Frage
stellt sich erst ab Kenntnis der Eintragung durch den Verfügungsbekl. etwa Mitte August 1995.
Dabei muß berücksichtigt werden, dass in einer Stadtverwaltung die Entscheidungswege länger sind als in einem
Wirtschaftsunternehmen und zum anderen es einer Stadt gut ansteht, zu versuchen, sich mit ihren Bürgern gütlich zu einigen, ohne
sogleich das durchschlagende Instrument der einstweiligen Verfügung zu benutzen. Auch die von dem Verfügungsbekl.
vorgenommene Hinhaltetaktik, die sich aus seinen gesamten Verhandlungen einschließlich der Abschluss des Vergleichs und dessen
Widerruf ergibt, läßt die Dringlichkeit vom August 1996 bis zur Beantragung der einstweiligen Verfügung am 14. 11. 1996 nicht
entfallen. Die einstweilige Verfügung war deshalb zu bestätigen.