OLG Zweibrücken, 17.10.2002, 4 U 59102, UWG, 1, BGB, 12, 262, 826, MarkenG, 15, 5, 2, Registrierung, Internet-Domain, Nutzung, berechtigt, Eigeninteresse, Inhaber, Marke, sittenwidrige, Schaedigung,
Nichtbenutzung, Unternehmensgegenstaende, Branchennaehe, Verwechslungsgefahr, Internetauftritt, free, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum,
Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich,
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BGB §§ 12, 823
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OLG Zweibrücken, Urt. v. 17.10.2002 - 4 U 59/02 *
Tatbestand: Die Kl. und Herr B sind Gesellschafter einer GbR, die unter der Firmenbezeichnung "C" Software für technische
Anwendungen herstellt und ihre Leistungen auch im Internet anbietet. Unter dem Kunstwort "1"_(abgeleitet von der
Produktbezeichnung J") beabsichtigen die Kl. und B Produkte im Internet anzubieten. Die Buchstabenfolge J" haben sich die Kl.
und B als Wortmarke beim Deutschen Patent- und Markenamt - angemeldet am 25. 1. 2001, eingetragen am 20. 8. 2001 -schützen
lassen. Der Bekl. ist Inhaber einer Agentur-Gruppe-Werbung. Die Internet-Domain J... .de" ist bei der Denic eG für den Bekl.
registriert. Die Internetregistrierung wurde am 23. 4. 1999 über die S-AG beantragt und die Domain durch dieselbe konnektiert, d.
h. ins Internet gestellt. Der Kl. zu 1 bot dem Bekl. mit E-Mail vom 13. 9. 2000 an, die Domain "i... .de" zu einem Preis von 750 DM
zu erwerben. Der Bekl. lehnte ab, weil er diese Domain für einen Kunden, namentlich der Firma seiner Ehefrau, verwende und seit
längerer Zeit zur Verfügung stelle. Danach forderten die Prozessbevollmächtigten der Kl. den Bekl. zur Freigabe der
Internet-Domain J... de" auf und verboten in Form einer strafbewehrten Unterlassungserklärung jegliche Weiterbenutzung. Die Kl.
haben beantragt, den Bekl. zu verurteilen, die bei der Denic eG registrierte Internet-Domain J... de" an sie und B zu übertragen. Das
LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe: 1. Es liegt kein "Domain-Grabbing" seitens des Bekl. vor - ein Übertragungsanspruch analog §§ 262, 826
BGB, § 1 UWG scheidet aus.
Unter einem "Domain-Grabbing" ist die sittenwidrige Blockade einer Internet-Domain zu Lasten eines Marken- bzw. Titelinhabers
zu verstehen. Der Begriff erfasst die spekulative und ohne eigenes Nutzungsinteresse verfolgte Registrierung von Marken, Zeichen,
Firmen oder sonstigen Namensschöpfungen als Internet-Domain, um sie dem eigentlich Berechtigten zu verkaufen oder gegen
Nutzungsentgelte zu überlassen (OLG Frankfurt a. M., NJWE-WettbR 2000, 160 = MDR 200, 1268; OLG Frankfurt a. M., MDR
2001, 532; 2001, 696). Dabei setzt ein "Domain-Grabbing" zweierlei voraus:
Objektiv bedarf es einer schädigenden Handlung, die regelmäßig durch die Registrierung/Reservierung des Domain-Namens erfolgt
und die nur dann schädigend sein kann, wenn der Marken- bzw. Rechtsinhaber ebenso bekannt ist, wie die "auszubeutende" Marke
selbst. Subjektiv ist eine schikanöse, vorsätzlich sittenwidrige Schädigungsabsicht erforderlich, die darauf gerichtet ist, die Domain
als Handelsware gegenüber dem Rechtsinhaber zu verwerten. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Im Zeitpunkt der Registrierung bzw. der die Registrierung begründenden Handlung, namentlich der Anmeldung der Domain "i... de"
am 23. 4. 1999 bei der S-AG, war die Marke der Kl. weder angemeldet noch eingetragen; sie konnte der Allgemeinheit und dem
Bekl. nicht bekannt sein. Schon deshalb war die Handlung des Bekl. (Anmeldung zur Registrierung) nicht geeignet, die Kl. zu
schädigen. Im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf kann die Domain Registrierung/Reservierung aber auch nicht auf das Ziel gerichtet
gewesen sein, den Kl. und späteren Markeninhabern die Nutzung ihrer Marke als Domain unmöglich zu machen oder diese nur
gegen ein Entgelt zu gestatten. Es spricht nichts dafür, dass der Bekl. schon bei der Reservierung der Domain die Absicht gehabt
hat, diese Adresse als Handelsware gegenüber einem ihm noch nicht bekannten lntteressenten zu bewerten. Die Bezeichnung ist
keine Kennzeichnung einer Dienstleistung oder eines Warenoberbegriffs, die generell das Vorhandensein einer erheblichen Anzahl
von Interessenten für die Zukunft hätte erwarten lassen.
Zudem ist die Schädigungsabsicht des Registrierenden bzw. des Domain-Name-Inhabers stets auszuschließen, wenn auf seiner Seite
ein berechtigtes Eigeninteresse vorliegt, welches insbesondere durch die eigene private oder geschäftliche Nutzung der Domain zum
Ausdruck kommt. Wie das LG zutreffend und umfassend ausgeführt hat, liegt ein solches Eigeninteresse im hier zu entscheidenden
Fall vor. Es folgt daraus, dass der streitgegenständliche Domain-Name "i....de" von der Firma der Ehefrau des Bekl. (Modeverkauf)
benutzt wird. Dass diese Nutzung nicht von Beginn der Registrierung an erfolgte, sondern wie die Kl. einwenden, erst ein Jahr
später einsetzte, ist dabei nicht von Belang, weil es der Dispositionsfreiheit des Domain-Namen-Inhabers überlassen bleiben muss,
wann er mit der Nutzung seiner Domain beginnt oder die Nutzung Dritten überlässt. Erst wenn weitere Indizien hinzutreten, die
eine sittenwidrige Schädigungsabsicht stützen, kann die Nichtnutzung der Domain ein Anzeichen dafür sein, dass es dem
Domain-Namen Inhaber nicht um die Nutzung, sondern ausschließlich um den Verkauf der Domain geht. Solche weiteren
Anzeichenliegen jedoch nicht vor. Bei dem Domain-Namen handelt es sich gerade nicht um einen solchen, der auf Grund seiner
allgemeinen Begriffsbedeutung eine Verkaufserwartung des Bekl. hätte begründen können. Außerdem hat der Bekl. das
Kaufangebot der Kl. in Höhe von 750 DM von Anfang an abgelehnt, weil er den Domain-Namen auch weiter für seinen Kunden,
hier seine Ehefrau, bereithalten wollte. Im Übrigen weist die Registrierungsanmeldung vom 23.04.1999 aus, dass der Bekl. offenbar
nur an der Registrierung von Domains interessiert war, die mit seiner Geschäftstätigkeit und der seiner Ehefrau in Zusammenhang
stehen. Ein unlauteres Verhalten des Bekl. ist in alledem nicht zu erkennen. Da auch sonst keine Indizien vorliegen, welche die
Annahme einer Schädigungsabsicht des Bekl. stützen würden, bleibt auch die vorübergehede Nichtnutzung der Domain unerheblich.
2. Den Kl. steht kein Anspruch aus §§ 5 II 2 MarkenG zu. Es besteht wegen der fehlenden Branchennähe der Parteien keine Verwechslungsgefahr.
Der Branchennähe kommt - wie das LG zutreffend ausführt - im Rahmen des § 15 MarkenG eine ähnliche Funktion zu, wie der
Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit des NJW-RR 1998, 999, LG Wiesbaden, MMR 2001, 59; § 14 II Nr. 2 MarkenG (BGH,
NJW 1993, 404 - Columbus; Ingerl/Rohnke, MarkenG, § 15 Rdnr. 43; Fezer, MarkenR, 2. Aufl. [2002], § 15 Rdnr. 17). Es
entspricht der ständigen Rechtsprechung des BGH, dass selbst bei identischen Bezeichnungen mit hoher Kennzeichnungskraft die
Verwechslungsgefahr dann zu verneinen ist, wenn im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Branchen nicht davon ausgegangen
werden kann, dass der Verkehr Verwechslungen der bezeichneten Unternehmen erliegen oder wenigstens irrtümlich nicht
bestehende wirtschaftliche Zusammenhänge zwischen ihnen annehmen werde (Fezer, § 15 Rdnr. 72). So stellt sich die Situation hier
dar: Zwischen dem Tätigkeitsfeld der Kl. (erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, und zwar Software zum Design und
für Konstruktion, Produktionsverfahren, insbesondere Maschinensteuerung) und dem Geschäft der Ehefrau des Bekl. (Mode An-
und Verkauf) besteht absolute Branchenferne. Die Unternehmensgegenstände und Kunden der Parteien sind hier derart verschieden,
dass der Verkehr, wenn er über die Domain "i... de" auf die Firma der Ehefrau des Bekl. stößt, nicht der Fehlvorstellung unterliegen
wird, es liege eine Expansion der Kl. in einen anderen Geschäftsbereich vor (BGH, NJW 1993, 404 Columbus; OLG Frankfurt a.
M., NJW-RR 2001, 547 WRP 2000, 772 - ALCON.de; Fezer, § 3 Rdnr. 325). Ebenso wenig würde der Verkehr irgendwelche
geschäftlichen Zusammenhänge zwischen den Parteien vermuten (BGH, NJW 1993, 404 - Columbus; OLG Frankfurt a. M.,
NJW-RR 2001 ,547). Die fehlende Branchennähe wird auch nicht dadurch überwunden, dass beide Parteien im Internet auftreten
(Völker/ Weidert, WRP 1997, 658), denn es stellt, wie schon das LG zutreffend ausführt, keine neue, auf das Internet beschränkte
Erfahrung dar, dass Namensgleiche in Nachschlagewerken neben-, über- oder untereinander aufgeführt werden. Auch bei einem
Eintrag in einem Telefonbuch, Branchenverzeichnis oder einem Wirtschaftslexikon tritt diese Situation regelmäßig ein, ohne dass
hierdurch eine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr zwischen Branchenfremden ernsthaft erwogen wird (OLG Frankfurt
a. M., NJW-RR 2001, 547 = WRP 2000, 772 - ALCON.de). Entgegen der Ansicht der Kl. vermag allein die Tatsache, dass die
Dienstleistung des Bekl. über das Internet unter Zuhilfenahme von Software und EDV-Instrumenten angeboten wird, keine
Verwechslungsgefahr zu begründen. Andernfalls kämen alle Leistungsanbieter im Internet, die - wie das regelmäßig der Fall ist -
Software und EDV Instrumente einsetzen, als Markenrechtsverletzer in Betracht. Auch mögliche Zuordnungsschwierigkeiten oder
Fehlverweise im Internet, etwa bei dem Einsatz von Suchmaschinen, können die fehlende Anspruchsvoraussetzung einer
kennzeichnungsrechtlichen Verwechslungsgefahr nicht ersetzen.
3. Es besteht auch kein Anspruch aus § 12 BGB. Denn soweit es wie hier - nur um die Benutzung von
Unternehmenskennzeichnungen im geschäftlichen Verkehr geht und nicht um den Namen als Identitätskennzeichnung, müssen
besondere Anforderungen an die Schutzwürdigkeit der Interessen des Berechtigten gestellt werden. Der namensrechtliche Schutz
geschäftlicher Kennzeichen nach § 12 BGB darf nicht zum Nachteil freier gewerblicher Betätigungen überspannt werden. Es muss
berücksichtigt werden, dass der Namensschutz seiner Entstehung nach vornehmlich dazu bestimmt war, den Namen als
Identitätsbezeichnung einer Person zu schützen. Soweit ein weitgehender Schutz erstrebt wird, der weniger
persönlichkeitsrechtlichen als vermögensrechtlichen Interessen des Namensträgers dient, ist es daher sachgerecht, besondere über
die markenrechtliche Verwechslungsgefahr hinausgehende Unlauterkeitsgesichtspunkte zu fordern (Fezer, § 15 Rdrir. 68). Solche
sind vorliegend nicht gegeben.
* Quelle: NJW-RR 2003, 1270 f