BGH, 26.06.2003 - I ZR 296/00, BGB, 12, Domainrecht, Namensrecht, Registrierung, fremd, Name, Domain-Name, Namensanmassung, Verletzung, Pseudonym, namensrechtlich, Schutz, Verwender, Verkehrsgeltung, free, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich, Schweden
BGB § 12

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- Stand: 17. April 2005 - Volltextsuche - Datenschutz - Sicherheit - News and more! - Suchmaschinen - Google (Test 2/2003 - gut - 2,1)

BGH, Urteil 26.06.2003 - I ZR 296/00 *

Tatbestand: Die Parteien streiten um den Domain-Namen "maxem.de", der für den Bekl. registriert ist. Der Kl. heißt mit bürgerlichem Namen Werner Maxem. Er ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei Maxem , Klaft und Theisen in Düsseldorf. Der Bekl. verwendet "Maxem" seit 1991/92 als Aliasnamen für die Kommunikation in Netzwerken, insbesondere im Internet. Den Aliasnamen hat er aus dem Vornamen seines Großvaters und den Anfangsbuchstaben des Vornamens seines Vaters und des eigenen Vornamens gebildet (Max, Erhardt, Matthias). Seit 1998 unterhält der Bekl. unter "www.maxem.de" eine private Homepage. Auf der ersten Seite dieser Homepage, auf der ein Ritter aus einer Märchenwelt abgebildet ist, wird der Betrachter mit dem Text „ Welcome to EverQuest! You have entered West Freeport." begrüßt. Maxem ist auch der Name, unter dem sich der Bekl. im Internet an einem privaten Rollenspiel ("Multiuser-Rollenspiel") beteiligt. Der Kl. möchte sich und seine Anwaltskanzlei unter "maxern.de" im Internet präsentieren. Er ist der Ansicht, der Bekl. verletze sein Namensrecht. Er hat beantragt, den Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, den Namen "Maxem" in Form einer E-Mail-Adresse und Internet-Homepage zu nutzen. Der Bekl. ist der Klage entgegengetreten. Er steht auf dem Standpunkt, ihm stünden an dem Namen "Maxem", den er als Aliasnamen führe, ebenfalls Rechte aus § 12 BGB zu.

Das LG hat die Klage abgewiesen (LG Köln, MMR 2000, 437 = ZUM 2001, 250). Das BerGer. hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen (OLG Köln, MMR 2001, 170 = CR 2000, 696). Die Revision hatte im Wesentlichen Erfolg und führte zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils.



Entscheidungsgründe: I. Das BerGer. hat einen namensrechtlichen Unterlassungsanspruch des Kl. verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt: In der Verwendung des Domain-Namens "Maxem" sei zwar ein Namensgebrauch zu sehen. Der Namensgebrauch sei jedoch nicht unbefugt, weil der Bekl. ein Recht habe, diesen Namen zu führen. Der Bekl. verwende den Namen "Maxem" als Pseudonym, also als einen von seinem bürgerlichen Namen verschiedenen Wahlnamen, der seiner Kennzeichnung im Internet diene. Er verwende den Namen nicht nur als Internetadresse, sondern trete auf seiner Hornepage unter diesem Namen auf, ohne einen direkten Hinweis auf seinen bürgerlichen Namen zu geben. Wesentlich für die Namensfunktion sei die individualisierende Unterscheidungskraft zur Kennzeichnung einer Person. Auf Verkehrsgeltung komme es nur an, wenn das gewählte Pseudonym von Haus aus nicht unterscheidungskräftig sei. Der Namensgebrauch sei aber auch deshalb nicht unbefugt, weil die Verwendung des Namens durch den Bekl. keine schutzwürdigen Interessen des Kl. verletze. Es bestehe keine Gefahr, dass der Kl. auf Grund des Namensgebrauchs in irgendeiner Weise mit dem Bekl. in Verbindung gebracht werde. Der Ausdruck aus einer handelsüblichen Telefonbuch-CD zeige, dass es noch eine nicht unerhebliche Anzahl von Personen gebe, die ebenfalls diesen Namen trügen. Der Kl. habe unter seinem Namen auch nicht eine solche Bekanntheit erlangt, dass die durch die Homepage des Bekl. angesprochenen Personen einen Bezug zum Kl. herstellten. Zwar habe der Kl. ein ideelles oder wirtschaftliches Interesse daran, einen seinem bürgerlichen Namen entsprechenden Domain-Namen zu verwenden. Solange sich der Kl. jedoch nicht auf eine Zuordnungs- und Identifikationsverwirrung stützen könne, werde ein solches Interesse von § 12 BGB nicht geschützt. Der Kl. könne sich auch nicht auf ein besseres Recht an demNamen "Maxem" berufen. Der Schutz des bürgerlichen Namens genieße keinen Vorrang vor dem Schutz des Pseudonyms. Ohne Bedeutung sei es daher, dass der Kl. seinen Namen zeitlich vor dem Bekl. erworben habe. Schließlich lasse sich ein Schutz des Namens des Kl. auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Domain-Grabbing aus Treu und Glauben herleiten; denn der Bekl. habe den Namen "Maxem" nicht gewählt, um den Kl. zu behindern oder ihn wirtschaftlich unter Druck zu setzen.



II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben zu einem wesentlichen Teil Erfolg. Entgegen der Auffassung des BerGer. greift der Bekl. mit der Registrierung und Verwendung der Internet-Adresse "maxem.de" in das Namensrecht des Kl. nach § 12 BGB ein (dazu 1). Dieser Gebrauch ist unbefugt, weil dem Bekl. keine eigenen Rechte an dem Namen "Maxem" zustehen (dazu 2). Der Unterlassungsanspruch des Kl. bezieht sich indessen allein auf den Domain-Namen "maxem.de" und damit auch auf sämtliche davon abgeleiteten E-Mail-Adressen; dagegen wird das Interesse des Kl. nicht durch jede Verwendung des Namens oder Namensbestandteils "maxem" im Rahmen einer E-Mail-Adresse tangiert (dazu 3).

1. Entgegen der Ansicht des BerGer. liegt in der Verwendung der Internet-Adresse "maxem.de" durch den Bekl. ein Eingriff in das Namensrecht des Kl.

a) Dem Kl. als dem Träger des bürgerlichen (Nach-)Namens "Maxem" steht an diesem Namen ein Namensrecht aus § 12 BGB zu. Aus diesem Recht kann der Kl. unter anderem gegen jeden unbefugten Gebrauch seines Namens - also gegen jede Namensanmaßung - vorgehen.

b) Lässt ein nichtberechtigter Dritter diesen Namen als Internet-Adresse registrieren, liegt darin eine Namensanmaßung, gegen die der berechtigte Träger dieses Namens aus § 12 BGB vorgehen kann.



aa) Verwendet ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen als Domain-Namen, ist darin eine Namensanmaßung, nicht dagegen eine Namensleugnung zu sehen (BGHZ 149, 191 [198 f.] = NJW 2002, 2031 = GRUR 2002, 622 -shell.de). Eine - stets rechtswidrige - Namensleugnung würde voraussetzen, dass das Recht des Namensträgers zur Führung seines Namens bestritten würde (Schwerdtner, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 12 Rdnrn. 167 u. 170; Weick /Habermann, in: Staudinger, BGB 1995, § 12 Rdnr. 248). Auch wenn jeder Domain-Name aus technischen Gründen nur einmal vergeben werden kann, fehlt es bei der Registrierung als Domain-Name an einem solchen Bestreiten der Berechtigung des Namensträgers.

Anders als die Namensleugnung ist die Namensanmaßung an weitere Voraussetzungen gebunden. Sie liegt nur dann vor, wenn ein Dritter unbefugt den gleichen-Namen gebraucht, dadurch eine Zuordnungsverwirrung auslöst und schutzwürdige Interessen des Namensträgers verletzt (vgl. BGHZ 119 ' 237 [2451 = NJW 1993, 918 = GRUR 1993, 151 - Universitätsemblem, in. w. Nachw.). In der Senatsrechtsprechung ist anerkannt, dass diese Voraussetzungen im Falle der Verwendung eines fremden Namens als Internet-Adresse im Allgemeinen vorliegen (BGHZ 149, 191 [199] = NJW 2002, 2031 GRUR 2002, 622 - shell.de).

bb) Schon jeder private Gebrauch des fremden Namens durch einen Nichtberechtigten führt zu einer Zuordnungsverwirrung (vgl. Weick /Habermann, in: Staudinger, § 12 Rdnr. 262). Hierfür reicht aus, dass der Dritte, der diesen Namen verwendet, als Namensträger identifiziert wird. Nicht erforderlich ist dagegen, dass es zu Verwechslungen mit dem Namensträger kommt (vgl. BGHZ 124, 173 [181] = NJW 1994i 245 - röm.- kath.). Eine derartige Identifizierung tritt auch dann ein, wenn ein Dritter den fremden Namen namensmäßig im Rahmen einer Internet-Adresse verwendet. Denn der Verkehr sieht in der Verwendung eines unterscheidungskräftigen, nicht sogleich als Gattungsbegriff verstandenen Zeichens als Internet-Adresse einen Hinweis auf den (bürgerlichen) Namen des Betreibers des jeweiligen InternetAuftritts. Zwar wiegt diese Verwirrung über die Identität des Betreibers für sich genommen nicht besonders schwer, wenn sie durch die sich öffnende Homepage rasch wieder beseitigt wird. Aber auch eine geringe Zuordnungsverwirrung reicht für die Namensanmaßung aus, wenn dadurch das berechtigte Interesse des Namensträgers in besonderem Maße beeinträchtigt wird.



Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben. Wird der eigene Name durch einen Nichtberechtigten als DomainName unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain ".de" registriert, wird dadurch über die Zuordnungsverwirrung hinaus ein besonders schutzwürdiges Interesse des Namensträgers beeinträchtigt. Denn die mit dieser Bezeichnung gebildete Internet-Adresse kann nur einmal vergeben werden. jeder Träger eines unterscheidungskräftigen Namens hat das berechtigte, in der Regel mit einer größeren Zahl gleichnamiger Namensträger geteilte Interesse, mit dem eigenen Namen unter der im Inland üblichen und am meisten verwendeten Top-Level-Domain ".de" im Internet aufzutreten. Zwar muss jeder Namensträger hinnehmen, dass ein anderer Träger dieses Namens ihm zuvorkommt und den Namen als InternetAdresse für sich registrieren lässt. Er braucht aber nicht zu dulden, dass er auf Grund der Registrierung durch einen Nichtberechtigten von der Nutzung seines eigenen Namens ausgeschlossen wird.

2. Der Gebrauch des Namens "Maxem" in der beanstandeten Internet-Adresse "maxem.de" ist unbefugt, weil dem Bekl. entgegen der Ansicht des BerGer. keine eigenen Rechte an diesem Namen zustehen. Der Umstand, dass der Bekl. den Namen "Maxem" seit einigen Jahren im Internet und zuvor in anderen elektronischen Netzwerken als Aliasnamen benutzt, führt nicht zu einer eigenständigen namensrechtlichen Berechtigung, die den Bekl. gegenüber dem Kl. als Gleichnamigen ausweisen würde. Hierfür wäre erforderlich, dass der Bekl. mit dem Aliasnamen Verkehrsgeltung erlangt hätte, vergleichbar mit einem Schriftsteller oder Künstler, der unter einem Pseudonym veröffentlicht oder in der Öffentlichkeit auftritt. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben.

a) Im Schrifttum ist umstritten, ob dem Decknamen oder Pseudonym schon mit der Aufnahme der Benutzung ein eigenständiger Namensschutz zukommt oder ob ein solcher Schutz voraussetzt, dass der Namensträger unter diesem Namen im Verkehr bekannt ist, also mit diesem Namen Verkehrsgeltung besitzt. Diese Frage ist mit einem Teil des Schrifttums im letzteren Sinne zu beantworten (vgl. Weickl Habermann, in: Staudinger, § 12 Rdnr. 22; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 12 Rdnr. 47; Palandt1Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 12 Rdnr. 28; a. A. Krüger-Nieland, in: RGRK, BGB, 12. Aufl., § 12 Rdnr. 31; anders wohl auch Bamberger, in: BambergerlRoth, BGB, § 12 Rdnr. 21). Auch in der Rechtsprechung des RG und des BGH ist ein umfassender Namensschutz für einen Künstlernamen nur in Fällen gewährt worden, in denen sich dieser Name im Verkehr durchgesetzt hatte (RGZ 101, 226 [228 f.] - 4 Uessems; BGHZ 30, 7 [8 f.] = NJW 1959, 12169 = GRUR 1959, 420 - Caterina Valente).



Stünde jedem Decknamen sofort mit Benutzungsaufnahme ein namensrechtlicher Schutzzu, würde dies zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzes derjenigen Namensträger führen, die für ihren eigenen bürgerlichen Namen Schutz beanspruchen. Denn dann könnte der Träger des Aliasnamens gegenüber Trägern desselben bürgerlichen Namens bereits mit Aufnahme der Benutzung die Grundsätze des Rechts der Gleichnamigen für sich in Anspruch nehmen. Dadurch würde der Namensschutz erheblich beeinträchtigt, weil jeder Nichtberechtigte sich auf den Standpunkt stellen könnte, er verwende nicht einen fremden Namen, sondern einen eigenen Aliasnamen.

b) Das BerGer. hat nicht festgestellt, dass der Bekl. sich mit dem Namen "Maxem" im Verkehr durchgesetzt hätte. Auch seinem Vorbringen lässt sich eine Verkehrsdurchsetzetzung nicht entnehmen. Der Bekl. verwendet diesen Namen allein für seinen Internetauftritt; dort kommt dem Namen mehr die Funktion eines Spitznamens als die eines den bürgerlichen Namen verdrängenden Pseudonyms zu. Der Bekl. trägt selbst vor, dass es in der "Cybergemeinde" weitgehend üblich sei, statt des eigenen Namens einen Alias- oder Spitznamen zu verwenden.

3. Der Unterlassungsanspruch des Kl. bezieht sich indessen allein auf die Verwendung des Namens "Maxem" als Internet-Adresse unter dem Top-Level-Domain ".de". Nur insoweit wird der Kl. in seinen schutzwürdigen Interessen berührt, weil ihm durch die Registrierung seines Namens als Internet-Adresse zu Gunsten des Bekl. dieser Namensgebrauch streitig gemacht wird. Mit dem Verbot, den Domain-Namen "maxem.de" zu benutzen, ist gleichzeitig die Verwendung von E-Mail-Adressen untersagt, die sich aus dieser Internet-Adresse ableiten (z. B. "maxem@maxem.de"). Dagegen besteht keine Veranlassung, dem Bekl. den Gebrauch des Namens "Maxem" in anderer Form zu untersagen. Denn es ist nicht ersichtlich, inwieweit die Interessen des Kl. berührt sein sollen, wenn der Bekl. beispielsweise die E-Mail-Adresse "maxem@Iach,de" verwendet.

III. Das Berufungsurteil kann danach keinen Bestand haben, soweit die Klageabweisung hinsichtlich der Nutzung des Domain-Namens "maxem.de" bestätigt worden ist. In diesem Umfang ist das Urteil des LG abzuändern und der Bekl. dem Klageantrag entsprechend zur Unterlassung zu verurteilen.



* Quelle: NJW 2003, 2978 ff