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LG Köln, Urteil vom 17.12.1996, 3 O 477/96
Die Verfügungsklägerin beabsichtigt, den sog. Domain-Namen "Kerpen.de" in dem weltweiten Datennetzwerk "Internet" zu
verwenden. Das dezentral aufgebaute Netzwerk ermöglicht die Übermittlung von jedem an das Netz angeschlossenen Computer an
jeden anderen angeschlossenen Computer. Die zielgerichtete Datenübertragung erfolgt an die aus mehreren Bestandteilen
zusammengesetzte Adresse des jeweils angeschlossenen Computers. Möglich sind sowohl - in mehrere Untergruppen aufgeteilte -
Zahlenkombinationen, als auch in einzelne Abschnitte ("Sub Domains") aufgeteilte Buchstabenkombinationen. Die in Deutschland
angeschlossenen Computer sind üblicherweise dem übergeordneten Bereich "de" zugeordnet. Die weitere "Adresse" besteht dann
aus mindestens einer zusätzlichen Buchstabengruppe, die durch einen Punkt von dem nachgestellten "de" abgetrennt wird.
Die Vergabe und Verwaltung der dem übergeordneten Bereich ("Toplevel Domain") "de" zugeordneten
Zahlen/Buchstabenkombinationen erfolgt durch den Adressenverbund DE-NIC/die NTG Netzwerk- und Telematik GmbH in
Karlsruhe. Diese lehnt die von einem Benutzer gewünschte Adressbezeichnung nur ab, wenn diese Bezeichnung bereits vergeben ist.
Den Antrag der Verfügungsklägerin auf Vergabe der Adresse "Kerpen.de" lehnte die DE-NIC mit der Begründung ab, dass diese
Bezeichnung bereits an die Verfügungsbeklagte vergeben sei.
Die Verfügungsklägerin sieht in der Reservierung des Domains "Kerpen.de" ihr Namensrecht verletzt. Sie bewertet dies als einen
Fall des "offenkundigen Zeichenklaus" und verweist darauf, dass sich clevere Provider das vorherrschende Prioritätsprinzip bei der
Vergabe der Adressbezeichnungen missbräuchlich zunutze machten, um sich die Bezeichnungen großer juristischer Personen des
privaten und des öffentlichen Rechts zuweisen zu lassen.
Die Verfügungsklägerin habe keine Chance gehabt, ohne die Mitwirkung der Verfügungsbeklagten in die Reservierungsposition zu
gelangen, da die Verfügungsbeklagte am 30.09.1996 erfolgreich aufgrund der Vergabepraxis die Verlängerung ihrer Reservierung
beantragt habe. Soweit die Reservierung nun auf eine Privatperson namens Kerpen laufe, bestreitet die Verfügungsklägerin die
Existenz dieser Person. ...
Die Kammer hat der Verfügungsbeklagten mit Beschluss vom 02.10.1996 im Wege der einstweiligen Verfügung antragsgemäß
verboten, die Bezeichnung "Kerpen.de" als Adresse im Internetverkehr zu nutzen, und der Verfügungsbeklagten aufgegeben, die
Reservierung dieses Domains-Namens freizugeben. ...
Die Verfügungsbeklagte verweist darauf, dass eine Reservierung längstens 6 Monate bestehe und die Verfügungsklägerin die Möglichkeit gehabt habe, bei Ablauf der Reservierung der Verfügungsbeklagten Ende September 1996 in die Reservierungsposition zu gelangen. Überdies laufe die Reservierung nun auf einen bei der Firma angestellten Herrn . Ferner bestehe auch kein Verfügungsgrund. Die Verfügungsbeklagte verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass in Absprache mit Herrn Kerpen sie der Klägerin angeboten habe, bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage, die Domain "Kerpen.de" kostenlos auf deren Server zu nutzen. Schließlich sei auch das Namensrecht der Verfügungsklägerin nicht verletzt. ...
Entscheidungsgründe: Der Widerspruch der Beklagten gegen die einstweilige Verfügung der Kammer vom 02.10.1996 ist
begründet. Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte keinen diesbezüglichen Anspruch. Dies ergibt sich in der
vorliegenden Fallkonstellation bereits daraus, dass die Reservierung der begehrten Adressbezeichnung nicht mehr von der
Beklagten, sondern von Herrn Kerpen gehalten wird. Die Verfügungsbeklagte hat dies durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft
gemacht. Anhaltspunkte für einen Missbrauch, insbesondere der bestehenden Absicht der Verfügungsbeklagten, sich selbst die
Reservierung wieder übertragen zu lassen, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht. Die Kammer sieht aber auch
darüber hinaus in der Reservierung und in dem Gebrauch des Kürzels "Kerpen.de" keine Verletzung des Namensrechts der
Verfügungsklägerin.
Denn die Bezeichnung "Kerpen.de" im Internet erfüllt keine Namensfunktion im Sinne des § 12 BGB. An eine derartige Wirkung
könnte gedacht werden, wenn der ans Internet angeschlossene Benutzer in der Verwendung der gewählten Buchstabenkombination
einen Hinweis auf die Person des Namensträgers, hier: die Stadt Kerpen sehen müßte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn die
Zahlen- und Buchstabenkombinationen sind frei wählbar. Sie können insbesondere auch ohne erkennbaren Zusammenhang mit dem
Namen des Benutzers stehen und sind daher vergleichbar mit einer Telefonnummer, einer Bankleit- oder Postleitzahl. Die Kammer
verkennt bei dieser Wertung nicht den Umstand, dass in der Praxis die frei wählbare Buchstabenkombination durchaus als Kenn-
zeichnungselement verwendet wird und oftmals im Zusammenhang mit Namen und Funktion des Benutzers steht. In diesem
Kontext kann die gewählte Kombination auch eine Orientierungshilfe zur Auffindung des tatsächlichen Benutzers geben. Der gut
und treffend gewählte Domain-Name (Beispiel: "Stadt Kerpen") mag insoweit auch zweifelsfrei auf den angeschlossenen Benutzer
schließen lassen. Gleichwohl kommt diese Funktion weder durchgängig zur Anwendung, noch wird sie zwingend durch gesetzliche
oder rechtsgeschäftliche Vorgaben gefordert. Wäre beispielsweise vorgegeben, dass den Adressen angeschlossener Städten oder
Gemeinden eine bestimmte Kennung voranzugehen hätte, so dürfte jeder im Internet Arbeitende auch erwarten, dass hinter der
entsprechenden Adresskennung auch der bezeichnete städtische Namensträger steht. ... Streitwert: 15.000,-- DM.