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Ein Vertragsschluss aufgrund der Bestellungsaufgabe durch den Kl. am 20.10.2001 um 7.53 Uhr scheidet aus, da durch diese
Erklärung nicht ein von der Bekl. zuvor abgegebenes Angebot angenommen wurde. Bei der Ausschreibung der
streitgegenständlichen Fernsehgeräte auf der Internetseite der Bekl. handelt es sich um eine sog. "invitatio ad offerendum", also um
eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes auf Abschluss eines Vertrages durch einen potenziellen Kunden. Zwar enthielten die
Internetseiten, auf denen die streitgegenständliche Ware angeboten wurde durch deren eingehende Beschreibung und die
Darstellung der Versand- und Zahlungsbedingungen alle wesentlichen Vertragsbestandteile, dennoch besteht bei dieser Art
Warenanpreisung kein grundsätzlicher Unterschied zu einer Schaufensterauslage oder einer Zeitungsannonce. Dass die Ware über
ein elektronisches Medium angepriesen wird, führt zu keiner abweichenden Beurteilung auch nicht die Tatsache, dass der potenzielle
Kunde nur noch die auf der entsprechenden Internetseite eingeblendete Schaltfläche "Kaufen" anklicken muss (AG Butzbach, Urt. v.
25.09.2001 - 51 C 231/01 [70]).
Letztlich erschließt sich dies hieraus, und dies ist bei einer nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte vorzunehmenden Auslegung des Erklärungsinhaltes der Internetpräsentation der Bekl. zu berücksichtigen, dass nach dem Anklicken der Schaltfläche durch den Kunden die Bekl. ihrerseits, die den Kunden und dessen wirtschaftliche Verhältnisse nicht beurteilen kann, dass der Anbieter der Ware zum einen die Bonität des Kunden prüfen wird und zum anderen - und dies ergibt sich auch aus der besonderen Eigenart der hier zu erörternden Geschäfte - der Anbieter der Waren auch zu überprüfen hat, ob der vorhandene Warenbestand ausreicht, ihm mithin möglich ist, ohne Probleme einen zu schließenden Kaufvertrag auch jederzeit zu erfüllen, oder ob er bei eventuellen Zulieferern der Ware neue Ware ordern muss.
Mit einer derartigen Überprüfung muss der Kunde rechnen, zumal die Internetpräsentation nach dem eigenen Vortrag der
Klägerseite keine Angabe des zum Zeitpunkt der Bestellung der Waren noch vorhandenen Warenbestandes ausweist und das vom
potenziellen Kunden zur Abgabe einer Bestellung online auszufüllende Bestellformular die Option enthält, die Menge der bestellten
Ware gesondert festzulegen. Der Kunde muss - zumal bei dem hier streitgegenständlichen Preis der Ware - damit rechnen, dass kurz
nach Erscheinen der entsprechenden Internetpräsentation die Ware auch von anderen potenziellen Kunden in einem derartigen
Umfang bestellt wird, dass der bei der Bekl. vorhandene Warenbestand nicht ausreicht, sämtliche Besteller zu beliefern. Auch den
Kl. hat der ausgesprochen günstige Preis der angepriesenen Ware hier offensichtlich dazu bestimmt, gleich zehn der
streitgegenständlichen Fernsehgeräte zu bestellen. Er musste daher damit rechnen, dass auch andere potenzielle Kunden auf die Idee
kommen Gleiches zu tun. Dies ergibt sich auch aus der besonderen Eigenart der vorliegenden Geschäftsanbahnung via Internet,
dessen Besonderheit darin besteht, dass der potenzielle Interessent einer solchen Ware nicht allein darauf angewiesen ist, selbst,
zeitaufwändig in der unüberschaubaren Vielzahl von derartigen Angeboten zu suchen, sondern auch die Möglichkeit besteht, diese
Aufgabe durch eine preisvergleichende Suchmaschine erledigen zu lassen, bei der der Interessent mit wenig Aufwand eine Übersicht
über die via Internet verfügbaren günstigsten Anpreisungen der gewünschten Ware erhält. Das nicht nur dem Gericht sondern auch
dem Kl. nach seinem eigenen Vortrag bekannte Zurverfügungstehen derartiger Suchmaschinen hat zur Folge, dass der Kl. zumindest
damit rechnen musste, dass die von ihm begehrte Ware bereits im Zeitpunkt seiner Bestellung bereits nicht mehr verfügbar ist, bzw.
dass die Bekl. nunmehr ihrerseits den vorhandenen Warenbestand zu prüfen hat.
Schließlich folgt dies auch aus den unstreitig dem streitgegenständlichen Geschäft zu Grunde gelegten Allgemeinen
Geschäftsbedingungen der Bekl., an deren wirksamer Einbeziehung das Gericht keinen Zweifel hat, zumal der Kl. nach seinem
eigenen Vortrag auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme hatte und nicht vorgetragen hat, dass ihm die Kenntnisnahme infolge eines
von der Bekl. zu vertretenden Fehlers nicht tatsächlich möglich war. In Nr. 2 dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist
bestimmt, dass die Angebote der Bekl. lediglich eine unverbindliche Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes darstellten, weiter
geregelt wird, dass der Kunde seinerseits ein verbindliches Angebot abgibt, dessen Annahme sich die Bekl. für einen Zeitraum von
maximal sieben Werktagen vorbehält. Zweifel an der Wirksamkeit dieser Regelung im Übrigen habe das Gericht ebenfalls nicht.
Die dementsprechend als Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags anzusehende Bestellung des Kl. durch seine E-Mail vom
20.10.2001 ist nicht durch die am gleichen Tage ca. eine Stunde später seitens der Bekl. an den Kl. übersandte E-Mail angenommen
worden, so dass es auch hierdurch nicht zum Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags gekommen ist, denn aus dem Inhalt dieser
Erklärung lässt sich auch durch Auslegung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht die Annahme des
zuvor durch den Kl. abgegebenen Angebotes entnehmen. Hierbei ist es für das Gericht nicht von Bedeutung, wie diese Erklärung, in
der der Kl. die Annahme seines Angebotes erblickt, technisch zustande gekommen ist, ob es sich um eine automatisierte, durch
Datenverarbeitung erzeugte Erklärung handelt oder um eine Erklärung, die auf einer konkreten Einzelfallbearbeitung durch einen
Erfüllungsgehilfen der Bekl. basiert; beides müsste sich die Bekl. zurechnen lassen. Unerheblich ist auch, ob es sich dabei um eine
nunmehr durch die Gesetzesregelung des ' 312 e I 1 Nr. 4 BGB bei Verträgen im elektronischen Geschäftsverkehr geforderte
elektronische Bestellungsbestätigung handelt. Es kommt allein auf den konkreten Inhalt der Erklärung an und ' 312 e I 1 Nr. 4 BGB
trifft nur eine Regelung über den erforderlichen Mindestinhalt der Bestellungsbestätigung, was keine Veranlassung zu dieser
Auslegung bietet, einen etwa darüber hinausgehenden Erklärungsinhalt auf die Mindestanforderungen des ' 312 e I 1 Nr. 4 BGB zu reduzieren.
Mit der in der E-Mail der Bekl. vom 20. 10. 2001 abgegebenen Erklärung hat sich jedoch die Bekl. dem konkreten Wortlaut nach
dahin erklärt, dass die Bestellung des Kl. eingegangen sei und nunmehr eine weitere Bearbeitung seiner Bestellung umgehend
erfolge. Theoretisch lässt dieser gewählte Wortlaut - wenngleich auch nur mit einiger Fantasie - ein Verständnis in zweierlei
Richtung zu, nämlich einmal in der Richtung, dass die Bekl. nunmehr mit der konkreten Abwicklung des Auftrages (Bereitstellung
der Ware, Versand, Buchung etc.) beginne - was eine Annahme des Antrages impliziert - und zum anderen in der Richtung, dass die
Bekl. prüft, ob sie sich auf die dem Antrag innewohnenden Vertragsbedingungen einlässt. Grundsätzlich kann eine Annahme eines
auf Abschluss eines Vertrages gerichteten Antrages nur in einer Erklärung der vorbehaltlosen Annahme des Antrages erblickt
werden (Palandt/Heinrichs, ' 148 BGB Rdnr. 1; Staudinger/Bork, ' 146 Rdnr. 1). Unter Berücksichtigung der oben bereits
ausgeführten besonderen Verkehrssitten des elektronischen Geschäftsverkehrs kann der in der E-Mail der Bekl. vom 20.10.2001
enthaltenen Äußerung nach Treu und Glauben jedoch kein dahingehender Erklärungsinhalt entnommen werden, dass der Antrag des
Kl. vorbehaltlos angenommen würde.
Der Kl. musste insbesondere in Hinblick auf die von ihm bestellte Menge und den von ihm angebotenen Kaufpreis damit rechnen,
dass die Bekl. sein Angebot einer erneuten Überprüfung unterzog und dass diese Prüfung nicht innerhalb einer knappen Stunde
erledigt ist. Gerade wenn wegen eines ausgesprochen günstigen Preises mit einer Vielzahl von Kaufanträgen zu rechnen ist, musste
der Kl. damit rechnen, dass die Bekl. prüft, ob der bei ihr vorhandene Warenbestand ausreichend ist, um alle eventuell zu
schließenden Verträge zu erfüllen. Sie musste fernerhin, wenn dies nicht der Fall ist, eine Auswahl unter den vorliegenden
Kaufanträgen treffen.
Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem von dem Kl. vorgetragenen Umstand, dass die Bekl. in einem anderen Falle dem
Besteller mitgeteilt habe, dass die Antwort, die Bestellung zu bearbeiten, keine Annahme bedeute. Es ist sicherlich richtig, dass dies
für den Antragenden eine eindeutiger zu verstehende Aussage ist, ihr Fehlen führt jedoch nicht zu der Annahme, dass auch etwas
anderes als eine Prüfung des Angebotes zugesagt wurde. Die Erklärung der Bekl. in der E-Mail vom 20.10.2001 lässt eine derartige
Auslegung nach dem oben Gesagten nicht zu.
Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung der Frage, ob eine wirksame Anfechtung der Willenserklärung durch die Bekl.
vorliegt, keiner weiteren Erörterung; hierauf kommt es nicht an, wenn schon die Erklärung der Bekl. selbst nicht als
Annahmeerklärung auszulegen ist. Es bedarf daher insbesondere keiner Auseinandersetzung mit dem Urteil des LG Gießen vom
13.02.2002 (1 S 463/01), das in einem ähnlich gelagerten, dieselbe Bekl. betreffenden Falle eine wirksame Anfechtung wegen
Erklärungsirrtums (' 119 I Alt. 2 BGB) angenommen hatte, ohne zuvor den Inhalt der Erklärung der Bekl. im Einzelnen zu erörtern.
* Quelle: NJW -RR 2003, ...