BGB § 1684; GG Art. 6

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OLG Köln, Beschluss vom 05.12.2002 - 4 UF 173/02

... Die Eltern waren nicht verheiratet. Das AG - FamG - hat dem Ast. ein Umgangsrecht mit der im März 2000 geborenen Tochter K zugesprochen und insoweit eine Umgangspflegschaft angeordnet. Die Beschwerde der Ag., die einen Ausschluss des Umgangsrechts erstrebt, hatte keinen Erfolg. ...

Das FamG hat zu Recht dem Ast. ein Umgangsrecht mit seiner Tochter K zugesprochen und eine Umgangspflegschaft angeordnet. Zu Recht hat das FamG es nicht mit dem Kindeswohl für vereinbar gehalten, das Umgangsrecht des Ast. bis auf weiteres auszuschließen. Der Ausschluss des Umgangsrechts stellt den schwerstmöglichen Eingriff in dieses Elternrecht dar. Er ist immer dann erforderlich, wenn das Kindeswohl nachhaltig gefährdet wird bzw. die konkrete Gefahr besteht, dass die Entwicklung des Kindes in eine ungünstige Bahn einzutreten droht. Aus Gründen der Rechtsklarheit muss die Zeitdauer in diesen Fällen für einen solchen Ausschluss festgelegt werden. Dabei kann nach § 1684 IV 2 BGB das Umgangsrecht "für längere Zeit" oder "auf Dauer" eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch der zeitweise Ausschluss des Umgangsrechts bereits einen tief greifenden Eingriff in das unter dem Schutz von Art. 6 II GG stehende Elternrecht darstellt. Es liegt zudem grundsätzlich im Interesse des Kindes und dient seinem Wohl, wenn die Beziehung zu einem Elternteil durch persönliche Kontakte gepflegt wird. Der Ausschluss des persönlichen Umgangs mit einem Elternteil darf daher nur angeordnet werden, um eine konkrete, gegenwärtig bestehende Gefährdung der körperlichen und/oder geistig-seelischen Entwicklung des Kindes abzuwenden (st. Rspr. des Senats: so u. a. Beschl. v. 26.06.2002 - 4 UF 22/02; vgl. auch Oelkers, FuR 2002, 492 [494], m. Nachw. zur Rspr.). Es dient grundsätzlich der Selbstfindung und psychischen und stabilen Entwicklung eines Kindes, beide Elternteile zu erleben. Deshalb ist in das Gesetz in seiner nunmehrigen Fassung auch ein Recht des Kindes auf Umgang korrespondierend mit einer entsprechenden Pflicht des jeweiligen Elternteils aufgenommen worden. Nur ausnahmsweise, das heißt bei Voraussetzungen, die von üblicherweise auftretenden Schwierigkeiten deutlich abweichen, kann daher nach dem jetzt geltenden Recht der Umgang eines nicht sorgeberechtigten Elternteils mit seinem Kind als dessen Wohl gefährdend verstanden werden. Die immer wieder anzutreffende Unwilligkeit des sorgeberechtigten Elternteils zum Kontakt und dessen Wunsch, das Kind möge seinen jetzigen Lebenspartner als Ersatz des fehlenden anderen Elternteils annehmen sowie (Rück)Gewöhnungsschwierigkeiten des Kindes bei den ersten Kontakten bzw. nach längerer Trennung genügen demnach nicht, einen Elternteil vom Umgang auszuschließen. Bei den vorerwähnten Gegebenheiten handelt es sich um häufig anzutreffende Schwierigkeiten. Der Gesetzgeber, dem dies durchaus bewusst war, hat gleichwohl den Umgang des Kindes auch mit dem nicht sorgeberechtigten Elternteil als in der Regel kindeswohlfördernd verankert (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2000, 46, m. w. Nachw.).



Nach diesen Grundsätzen ist auch ein zeitweiliger Ausschluss von Umgangskontakten zwischen dem Ast. und seiner Tochter nicht gerechtfertigt. Insbesondere hat die Ag. auch mit der Beschwerde keine gravierenden Gründe vorgebracht, die eine andere als die familiengerichtliche Entscheidung rechtfertigen könnten.

Nicht stichhaltig erscheint dem Senat der Vortrag der Ag., dass sich der Ast. bisher nicht habe um seine Tochter kümmern wollen. Die sich nach Aktenlage ergebenden Umstände sprechen eher gegen diesen Vorwurf. Auch wenn der Ast. zunächst - (möglicherweise) auch in Folge der auftretenden Schwierigkeiten in der Beziehung zwischen ihm und der Ag. - eine Abtreibung in Betracht zog, so rechtfertigt dies allein nicht die Annahme, dass der Ast. seiner Tochter gleichgültig gegenüber steht. So erscheint es dem Senat auf Grund der Beziehungskrisen nachvollziehbar, dass sich der Ast. dann während der Schwangerschaft nicht mehr nach seiner früheren Lebensgefährtin und dem Verlauf der Schwangerschaft erkundigte. Hinzu kam deren ablehnende Haltung ihm gegenüber.

Andererseits hat der Ast. nach der Geburt seiner Tochter eine Geburtsanzeige aufgegeben, was deutlich macht, dass er, wenn auch nicht in unmittelbarem Kontakt mit der Ag., durchaus das Schicksal seines Kindes im Auge behielt. So setzte sich der Ast. auch relativ kurze Zeit nach der Geburt mit der Ag. in Verbindung, um Kontakt mit seiner Tochter aufzunehmen. Im August 2000 fand ein solcher erster Kontaktversuch statt. Dass es zu weiteren Kontaktversuchen nicht kam, lag in erster Linie an der Ag. Dies veranlasste den Ast. sodann, bereits im September 2000, zu einem Zeitpunkt also, als seine Tochter gerade ein halbes Jahr alt war, vorliegendes Verfahren einzuleiten. Dessen Verlauf zeigt deutlich, dass der Ast. nicht aus Desinteresse am Schicksal seiner Tochter zu dieser keinen Kontakt hat, sondern dass vielmehr die Ag. versucht, jeglichen Umgang des Ast. mit seiner Tochter zu verhindern.



Ein auch nur vorübergehender völliger Ausschluss des Umgangsrechts ist auch nicht deswegen erforderlich, um eine Kindesgefährdung abzuwenden. Vielmehr spricht gerade das Ergebnis der vom AG durchgeführten Beweisaufnahme eindeutig dafür, dass es gerade dem Kindeswohl dient, wenn nunmehr möglichst kurzfristig eine Umgangsregelung mit dem leiblichen Vater von K getroffen wird. Das Gutachten der Sachverständigen vom 30.10.2001 zeigt deutlich auf, dass es für die seelische und geistige Entwicklung von K, wie gerade im Normalfall üblich, von großer Bedeutung ist, dass sie ihren leiblichen Vater kennenlernt und in einem natürlichen Entwicklungsprozess begreifen lernt, dass es neben dem nunmehrigen Ehemann der Ag., der durchaus neben der Ag. die nächste Bezugsperson sein kann und soll, den Ast. als ihren leiblichen Vater gibt. Entgegen der Auffassung der Ag. ist das genannte Gutachten ausführlich begründet und in sich schlüssig. Die Sachverständige hat sich im Einzelnen mit den Beteiligten auseinander gesetzt und insbesondere festgestellt, dass es dem Ast. ernst mit seinen Bemühungen um natürliche Kontakte mit seiner Tochter ist.

Entgegen der Auffassung der Ag. kann der Sachverständigen auch nicht deswegen eine einseitige, zum Nachteil der Ag. gereichende Haltung vorgeworfen werden, weil sie das Verhalten der Ag. durchaus kritisch sieht. Auch dies ist im Einzelnen begründet und in sich schlüssig. Die Sachverständige hat im Einzelnen die Person der Ag. geschildert und diese für den Senat nachvollziehbar und überzeugend gewürdigt. Dabei kann es auch für den Senat keinem Zweifel unterliegen, dass die Ag. aus einer tief greifenden Abneigung gegenüber dem Ast. alles versucht, um Umgangskontakte zwischen ihm und seiner Tochter zu verhindern. Insbesondere der Gang des vorliegenden Verfahrens belegt dies eindeutig. Plausible Gründe, wonach die Wahrnehmung von Umgangskontakten des Ast. mit seiner Tochter als für diese gefährdend anzunehmen wäre, können in der Person des Ast. selbst nicht erkannt werden.



Unter Abwägung aller Umstände ist die Sachverständige vielmehr in ihrem Gutachten für den Senat überzeugend zu der Auffassung gelangt, dass es für K nicht nur wünschenswert, sondern dringend geboten sei, einen regelmäßigen Umgang mit ihrem Vater zu haben, auch wenn die Mutter dies nicht uneingeschränkt unterstütze bzw. alles daran setze, um einen regelmäßigen Umgang zu verhindern. Dem schließt sich der Senat an.

Das Wohl des Kindes kann nicht an dem gemessen werden, was den sorgeberechtigten Elternteil zumutbar ist. Die Verfeindung der Eltern und die daraus resultierende ablehnende Haltung des sorgeberechtigten Elternteils allein rechtfertigt keinen Ausschluss des Umgangsrechts, auch wenn es möglich ist, dass sich die Spannungen der Eltern auf das Kind übertragen (vgl. Oelkers, FuR 2002, 492 [494], m. w. Nachw).

Nach dem geltenden Recht steht es dem die Sorge allein ausübenden Elternteil nicht zu, lediglich durch die Formulierung einer hartnäckigen Ablehnung aller Umgangskontakte den nicht sorgeberechtigten Elternteil und das betroffene Kind um ihre Rechte auf Begegnung zu bringen (vgl. OLG Bamberg, FamRZ 2000, 46 [47]).

Die Überzeugung des Senats von der Notwendigkeit einer sofortigen behutsamen Anbahnung von Umgangskontakten wird weiter dadurch gestützt, dass die jugendamtsberichte vom 27.09 2000 und vom 17.09 2002 ebenfalls zu dem Ergebnis kommen, dass es nur sachgerecht ist, im Interesse des Kindes möglichst schnell dem Ast. ein Umgangsrecht einzuräumen. Auch die jugendamtsberichte weisen ausdrücklich auf die starke Abneigung der Ag. gegenüber dem Ast. und die hierdurch begründete Ablehnung eines Umgangsrechts des Ast. mit seiner Tochter hin. Der Senat hat keinen Anlass, dem Jugendamt eine einseitige Parteinahme zu Gunsten des Ast. zu unterstellen.

Nach Auffassung des Senats geht auch der Vorwurf der Ag. ins Leere, das AG habe sich in keiner Weise mit dem Vorschlag der Verfahrenspflegerin von K befasst. Überzeugend führt die familiengerichtliche Entscheidung an, dass es keine stichhaltigen Gründe für einen Ausschluss des Umgangsrechts gibt.



Die Auffassungen der Kindesmutter und der Verfahrenspflegerin sind weitgehend identisch. Von daher reichte es aus, dass das AG dargelegt hat, warum es nicht dem Begehren der Ag., sondern dem des Ast. gefolgt ist. Allein dadurch, dass sich die Verfahrenspflegerin von K der Auffassung der Ag. anschloss, wurden die dargelegten Argumente nicht stichhaltiger.

Schließlich vermag die ärztliche Stellungnahme von Frau Dr. E vom 14.10.2002, welche die Ag. mit Schriftsatz vom 22.10.2002 zu den Akten gereicht hat, den Senat nicht davon zu überzeugen, dass die eingeräumte Umgangsrechtsregelung eine Gefährdung des Kindeswohls darstellt. Zum einen spricht gegen eine solche Gefährdung das überzeugende Sachverständigengutachten. Zum anderen kann einer vorübergehenden Irritation der Tochter K gegenüber ihrem leiblieben Vater "als Fremdem" dadurch begegnet werden, dass die Ausgestaltung des Umgangsrechts behutsam vollzogen wird. Dem trägt gerade der Umstand Rechnung, dass das AG eine Umgangspflegschaft angeordnet hat.

Die Umgangspflegerin wird im Einzelnen zu prüfen haben, wie die Tochter K am wenigsten belastend die ersten Kontakte mit dem Ast. aufnimmt. Dabei wird sie entsprechend der Reaktion des Kindes Art und Umfang der Kontakte bestimmen. Ziel der Umgangspflegschaft ist es, dass der Umgang mit dem Vater allmählich zu einem selbstverständlichen Kontakt wird, der dann auch von dem Ast. alleine ausgeübt werden kann. Dabei wird die Ag. gerade auch im Interesse des Wohls ihres eigenen Kindes darauf zu achten haben, dass sie den Umgang gegenüber K positiv begleitet. Sie wird sich vor Augen zu halten haben, dass gerade sie es war, die durch ihr Verhalten den über lange Zeit fehlenden Kontakt zwischen dem Ast. und K verursacht hat.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass es gerade dem Kindeswohl entspricht, wenn K Umgang mit ihrem leiblichen Vater hat. Daher war die Beschwerde der Ag. zurückzuweisen.



* Quelle: NJW 2003, 1878 f