BGB § 1685

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OLG Koblenz, Beschluss v. 31.08.1999, 15 UF 166/99 *

Das Umgangsrecht der Großeltern mit ihren Enkelkindern ist trotz bestehender Bindungen und unbegründeter Einwendungen des sorgeberechtigten Elternteils zeitweilig auszuschließen, wenn es dem Kindeswohl aus anderen Gründen nicht förderlich ist.

Nach dem Tod der Mutter ist der Ag. alleiniger Inhaber des Sorgerechts für die drei ehelichen Kinder S (geb. 1988), D (geb. 1994) und M (geb. 1996). Das AG - FamG - hat den beiden Ast. (Großeltern mütterlicherseits) ein Umgangsrecht mit den drei Enkelkindern zugesprochen. Auf die Beschwerde des Ag. wurde der Umgangsrechtsantrag der beiden Ast. für die Zeit bis zum 30. 6. 2001 zurückgewiesen. Den Ast. kann für einen vorübergehenden Zeitraum kein Umgangsrecht mit ihren Enkelkindern eingeräumt werden. Diese Entscheidung trifft der Senat auf Grund des in der mündlichen Verhandlung vom 24. 8. 1999 gewonnenen Eindrucks in Verbindung mit den schriftsätzlich dargestellten Standpunkten der Verfahrensbeteiligten, dem vom FamG eingeholten Gutachten der Diplom-Psychologin D und den Stellungnahmen des beteiligten Jugendamtes vom 31. 7. 1998, 21. 9. 1998 und 19. 4. 1999.

Nach der durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz mit Wirkung vom 1. 7. 1998 neu geschaffenen Bestimmung des § 1685 I BGB haben Großeltern ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient. Diese Vorschrift steht in engem Zusammenhang mit der Regelung in § 1626 III 2 BGB, wonach zum Wohl des Kindes in der Regel nicht nur der Umgang mit beiden Elternteilen, sondern auch der Umgang mit anderen Personen gehört, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist (zum Zusammenhang dieser beiden Bestimmungen vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, EheR, 3. Aufl., § 1685 Rdnr. 1). Ziel der Neuregelung war die Sicherung des Umgangs zwischen Kind und bestimmten Dritten, um dem Bedürfnis des Kindes nach diesem Umgang genügen zu können; die über die Kleinfamilie hinausgehenden Sozialbeziehungen des Kindes sollten gestärkt werden (Rauscher, FamRZ 1998, 329 [331 und 336]).



Grundvoraussetzung für die Einräumung eines Umgangsrechts mit den in § 1685 BGB genannten Personen ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut, dass der Umgang dem Wohl des Kindes dient. Der Gesetzgeber hat diesen Personen zwar eigene subjektive Rechte verliehen, aber in erster Linie nicht um ihrer selbst willen, sondern um des Kindes willen, dessen Wohl der Umgang förderlich sein soll. Das Umgangsrecht der in § 1685 BGB genannten Personen muss daher im Wesentlichen als ein treuhänderisches und dienendes Recht charakterisiert werden (Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1685 Rdnr. 1). Auch bei Großeltern kann nicht typisiert davon ausgegangen werden, dass der Umgang mit diesen dem Wohl des Kindes dient, wobei die Feststellungslast insoweit der den Umgang Begehrende trägt (Rauscher, FamRZ 1998, 329 [337]). Während Vater und Mutter als elementare Bezugspersonen für die Entwicklung eines Kindes erforderlich sind und das Fehlen einer dieser Bezugspersonen jedenfalls einen schmerzlichen Mangel bedeutet, steht und fällt die Bedeutung anderer Personen für die Entwicklung des Kindes mit der vorhandenen Bindung (Rauscher, FamRZ 1998, 329 [337]). Bei der Entscheidung über die Einräumung eines Umgangsrechts an dritte Personen ist die Entwicklung des Kindes unter allen seinen Lebensaspekten seelisch, körperlich und erzieherisch in den Blick zu nehmen (Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1685 Rdnr. 1). In Anwendung dieser Grundsätze gilt im vorliegenden Fall Folgendes:



Bis zum Tod der Mutter der Kinder bestanden offensichtlich intensive Kontakte zwischen den Ast. und allen drei Enkelkindern, wie dies auch in den zu den Akten gereichten Fotografien zum Ausdruck kommt. Hiernach erscheint ein Umgang der Kinder mit den Großeltern grundsätzlich wünschenswert, zumal nach dem Tod der Mutter Kontakte zu deren Eltern für die weitere Entwicklung der Kinder - wie auch die Sachverständige ausführt - förderlich wären.

Auch die strikte Ablehnung jeglichen Kontakts zwischen den Ast. und den Kindern durch den Ag. steht trotz des Vorrangs des in Art. 6 II GG verankerten Elternrechts (vgl. hierzu Rauscher, FamRZ 1998, 329 [337]) der Gewährung eines Umgangsrechts für die Ast. nicht entgegen. Dem Elternrecht gebührt nämlich nur dann Vorrang, wenn ernstzunehmende Gesichtspunkte vorgebracht werden, die aus Gründen des Kindeswohls gegen die Gewährung eines Umgangs sprechen (vgl. Rauscher, FamRZ 1998, 329 [337]). Solche Gesichtspunkte hat der Ag. nicht aufgezeigt. Soweit er geltend macht, nach dem Tod seiner Frau sei ein dieser gehörendes Schmuckstück in Händen der Ast. gesehen worden, rechtfertigt dies nicht den erhobenen Diebstahlsvorwurf, da nicht auszuschließen ist, dass die verstorbene Ehefrau des Ag. das Schmuckstück vor ihrem Tod ihren Eltern überlassen hat. Die Vorwürfe, die Ast. hätten ihn "belogen und betrogen", hat der Ag. in keiner Weise belegt. Soweit er nach dem Tod seiner Frau leere Cognacflaschen gefunden haben will, folgt hieraus nicht, dass diese Flaschen von der Ast. geleert worden waren. Der Hinweis auf den Willen der Kinder schließlich vermag die Umgangsverweigerung bereits deshalb nicht zu rechtfertigen, weil der Kindeswille, wie der Senat in Übereinstimmung mit der Sachverständigen festgestellt hat, offensichtlich durch die feindselige Einstellung des Ag. gegenüber den Ast. beeinträchtigt ist.



Dennoch vermag der Senat - jedenfalls derzeit - nicht festzustellen, dass ein Umgang mit den Ast. für das Wohl der Kinder förderlich ist. Insoweit kann die strikte Weigerung von S, die Großeltern zu besuchen, nicht außer Acht gelassen werden. Zwar hegt der Senat Zweifel, ob die hierfür gegebene Erklärung, die Ast. habe sie einmal so geschlagen, dass sie mit dem Kopf gegen eine Tischplatte gefallen sei, zutrifft. Jedoch wurde bei der Anhörung des Kindes deutlich, dass es sich auf Grund der feindseligen Einstellung des Ag. gegenüber den Ast. in einem schweren Loyalitätskonflikt befindet. Der Ag. ist nach dem Tod der Mutter die einzige Bezugsperson der Kinder. Um sich dessen Zuneigung zu bewahren, sind sie daher bestrebt, sich an seinen Wünschen zu orientieren. Dies gilt im vorliegenden Zusammenhang um so mehr, als der Ag. es offensichtlich darauf anlegt, die Kinder in die Ablehnung der Großeltern mit einzubeziehen, wie sich daran zeigt, dass er ausweislich des Berichts des Jugendamts vom 21. 9. 1998 gegenüber dessen Vertreter auf einer Anwesenheit der Kinder während des Gesprächs über das Begehren der Ast. bestanden hat und auch nach den Ausführungen der Sachverständigen anlässlich deren Befunderhebung keine Rücksicht auf die anwesenden Kinder nahm. Der Senat ist der Überzeugung, dass eine Durchsetzung des Umgangsrechts vor diesem Hintergrund bei S psychische Schäden hervorrufen würde, zumal sie zerbrechlich und körperlich nicht altersgemäß entwickelt erscheint.

Die gleichen Bedenken gelten um so mehr hinsichtlich der beiden jüngeren Kinder, die auf Grund ihres Alters von 4 und 21/2 Jahren noch weniger als S in der Lage sind, sich entgegen dem Widerstand des Ag. auf einen Umgang mit den Ast. einzulassen.



Der Senat ist sich bewusst, dass er mit seiner Entscheidung letztendlich der unverständlichen Verweigerungshaltung des Ag. zu einem - vorläufigen - Erfolg verhilft. Jedoch ist § 1685 BGB eine ausschließlich am Kindeswohl orientierte Bestimmung, und es ist in Fällen irrational überhöhter Spannungen für das Kindeswohl besser, mit den Eltern in Frieden zu leben, auch wenn der Preis ein vorübergehender Verzicht auf Besuche bei den Großeltern ist (vgl. Rauscher, FamRZ 1998, 329 [337]; in diesem Sinne ebenfalls Johannsen/Henrich/Jaeger, § 1685 Rdnr. 5).

Gem. §§ 1685 III, 1684 II 2 BGB ist der Ausschluss des Umgangsrechts zeitlich zu beschränken, weil aus heutiger Sicht nicht festzustellen ist, dass das Kindeswohl durch einen Umgang mit den Ast. auf Dauer gefährdet wäre. Es erscheint durchaus denkbar, dass mit größerem zeitlichem Abstand zu dem Verlusterlebnis des Todes der Mutter und zunehmendem Alter der Kinder sich eine andere Entscheidungsgrundlage bietet, zumal auch derzeit nicht abzusehen ist, wie sich die Einstellung des Ag. gegenüber den Ast. auf Dauer weiterentwickelt.



* Quelle: NJW-RR 2000, 883