LG Konstanz, 28.07.2004, 11 S 31/04, BGB, 156, 312b, d IV Nr. 5, 357, 823 I, 1004, eBay-Bewertungssystem, unwahre, Tatsachenbehauptung, negativer, Einfluss, Geschaefte, eBay-Handel , Widerruf -
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BGB §§ 156, 312b, d IV Nr. 5, 357, 823 I, 1004
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LG Konstanz, Urteil v. 28.07.2004 - 11 S 31/04 *
Tatbestand: Der Kl. macht gegen die Bekl. einen Zahlungsanspruch nach Rückabwicklung eines Kaufvertrages sowie
Widerruf und Unterlassung einer Äußerung geltend. Der Kl. schloss mit der Bekl. am 28. 7. 2003 einen Kaufvertrag über
eine B & 0 Beosystem 2300 Stereoanlage. Der Kaufvertrag kam über den Marktplatz eBay bei einer Internetauktion zu
Stande. Der Kaufpreis betrug 1525 Euro inkl. Versandkosten. Der Kl. nahm an der Internetauktion unter dem Namen "v",
die Bekl. unter dem Namen "x" teil. Die Bekl. nutzt nunmehr den Namen "h". Die Bekl. betreibt in M. unter der Firma "A"
einen Warenhandel und nimmt als sog. "Powerseller" an Internetauktionen über eBay teil. "Powerseller" sind nach den von
eBay aufgestellten Kriterien nur solche Verkäufer, die auf dem Marktplatz eBay in den vergangenen drei Monaten jeweils
mindestens ein durchschnittliches Handelsvolumen in Höhe von 3000 Euro erreicht haben. Die streitgegenständliche
Stereoanlage traf in der ersten Augustwoche 2003 beim Kl. ein, der sich sogleich per E-Mail an die Bekl. wandte und
Beschädigungen an der Stereoanlage mitteilte. Es handelte sich bei den festgestellten Beschädigungen um einen Bruch der
Glasabdeckung sowie um eine Beschädigung an der Verkleidung der Lautsprecherboxen. Die eingeschaltete
Transportversicherung der Deutschen Post lehnte eine Schadensregulierung unter Hinweis auf unzureichende Verpackung
ab. Der Kl., bei dem sich die Stereoanlage nach wie vor befindet, widerrief mit Schreiben vom 2. 9. 2003 gegenüber der
Bekl. den Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises bis 19. 9. 2003. Die Auktionsplattform eBay gibt
ihren Nutzern gem. § 6 Nr. 2 ihrer AGB die Möglichkeit, sich nach Durchführung einer Transaktion gegenseitig zu
bewerten. Der Kl. schrieb am 19. 8. 2003 eine Beschwerde im Bewertungsprofil für "h": "Totalschaden w. und zur.
Verpackung/Transp. Vers. lehnt Reg. ab. Rechtsanwalt einges.". Die Bekl. antwortete: "Echter Unfug. ... Wohl eine große
Kunst" mit mir nicht zufrieden zu sein". Die Bekl. bewertete außerdem den Kl. im Bewertungsprofil für "v" am 8. 9. 2003
mit der Beschwerde: "Hat wegen Kaufreue Transportschaden vorgetaeuscht. AUFPASSEN!!!" und ergänzte: "Meine Bew.
stimmt völlig, gebe gern Auskunft, alles so zutreffend." Die Bekl. wurde mit Schreiben vom 17. 09. 2003 aufgefordert, die
Äußerungen zu widerrufen und in Zukunft zu unterlassen. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie ein Widerruf der
beanstandeten Äußerungen ist nicht erfolgt. Das AG hat der Klage stattgegeben. Das LG hat die Berufung der Bekl.
hinsichtlich des Widerrufs- und Unterlassungsanspruchs überwiegend und hinsichtlich des Anspruchs auf Rückabwicklung
des Kaufvertrags - insoweit unter Zulassung der Revision - in vollem Umfang zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe: Soweit das AG die Bekl. verurteilt hat, die Antwort im eBay-Bewertungsprofil für "h" vom 19. 8.
2003 17.40 Uhr zu widerrufen, beruht das erstinstanzliche Urteil auf einem Rechtsfehler (§§ 513 I 1 Alt. 1, 546 ZPO).
Insoweit war das amtsgerichtliche Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Im Übrigen beruht die erstinstanzliche
Entscheidung weder auf einer Rechtsverletzung, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen
eine andere Entscheidung. Somit war die Berufung im Übrigen zurückzuweisen.
1. Ein Anspruch des Kl. auf Widerruf der Antwort im eBay-Bewertungsprofil für "h" vom 19. 8. 2003 besteht nicht. Der Kl.
schrieb am 19. 8. 2003 eine Beschwerde im genannten Bewertungsprofil mit dem Inhalt, dass der Totalschaden wegen
unzureichender Verpackung entstanden sei, die Transportversicherung eine Regulierung abgelehnt habe und ein
Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei. Darauf antwortete die Bekl.: "Echter Unfug ... wohl eine große Kunst, mit mir nicht
zufrieden zu sein." Bei der angegriffenen Äußerung handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, die dem Beweis
zugänglich wäre, sondern um eine Meinungsäußerung. Daher kommt ein Widerruf nicht in Betracht.
2. Zu Recht hat das AG entschieden, dass der Kl. einen Anspruch auf Widerruf und zukünftige Unterlassung der im
Bewertungsprofil für "v" vom 8. 9. 2003, 23.05 Uhr abgegebenen Erklärungen nach den §§ 823 1, 1004 BGB analog hat.
Insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil, denen sich das BerGer. nach eigener
Prüfung anschließt, verwiesen werden. Soweit die Bekl. erklärt hat, der Kl. habe aus Kaufreue einen Transportschaden
vorgetäuscht, liegt eine Tatsachenbehauptung vor, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Kl. in seiner Ausprägung im
Rahmen der Individualsphäre verletzt.
Das AG ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass diese Verletzung widerrechtlich erfolgt ist. Dabei hat es eine
ausreichende Würdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und
eine Güter- und Interessenabwägung vorgenommen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 823 Rdnr. 95). Auch
insoweitkann daher auf die Ausführungen im amtsgerichtlichen Urteil verwiesen werden. Von Relevanz ist dabei
insbesondere die vom AG ausgeführte Tatsache, dass entsprechende Bewertungen geeignet sind, negativen Einfluss auf
weitere Geschäfte über "eBay" zu nehmen. Das AG ist bei seiner Entscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass die
Äußerung der Bekl. als unwahr zu behandeln ist. Die Bekl. hat im Schreiben vom 20. 8. 2003, also vor der
streitgegenständlichen Bewertung, dem Prozessbevollmächtigten des Kl. gegenüber erklärt, dass es sich unter beidseitigem
Einvernehmen um einen Transportschaden handelte. Dem entsprach auch die der Bekl. bekannte Niederschrift der Postfiliale
Konstanz, die ebenfalls einen Transportschaden festhielt. Im Hinblick darauf traf die Bekl. als Äußernde einer ehrenrührigen
Tatsachenbehauptung, deren Wahrheit zum Zeitpunkt der Äußerung ungewiss war, eine erweiterte Darlegungslast, auf
Grund welcher tatsächlichen Erkenntnisse und Grundlagen sie ihre Äußerungen getätigt hat (vgl. Palandt/Sprau, § 823
Rdnr. 101). Da sie dieser Darlegungslast nicht nachgekommen ist, sondern ihre Behauptung offenbar "ins Blaue hinein"
aufgestellt hat, hat sie den Sachvortrag des Kl., dass es sich hierbei um eine unwahre Tatsachenbehauptung handelte, nicht
ausreichend bestritten. Ihre Behauptung ist daher als unwahr zu behandeln. Der Kl. hat somit einen Anspruch auf Widerruf
der Bewertung und im Hinblick auf die durch die Rechtsgutverletzung indizierte Wiederholungsgefahr zudem einen
Anspruch auf Unterlassung entsprechender Äußerungen in der Zukunft. 3. Das AG hat zu Recht entschieden, dass dem Kl.
ein Anspruch gegen die Bekl. auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Rückgewähr der Kaufsache nach den §§
346 1, 357 1, 355 1, 312 d I 1, 348 BGB zusteht. Auch insoweit kann zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der
amtsgerichtlichen Entscheidung, denen sich das BerGer. nach eigener Prüfung anschließt, verwiesen werden.
Der Kl. hat den vorliegenden Kaufvertrag, der unter die Regelung des § 312 b 1 und II BGB über Fernabsatzverträge fällt,
wirksam nach den §§ 312 d I, 355 I BGB widerrufen. Das Widerrufsrecht war nicht nach § 312 d IV Nr. 5 BGB
ausgeschlossen. Der vorliegende Kaufvertrag wurde nicht in Form einer Versteigerung nach § 156 BGB geschlossen.
Vielmehr kam der Kaufvertrag durch Angebot und Annahme zu Stande, wobei offen bleiben kann, ob die Willenserklärung
der Bekl. als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Kl. als dessen Annahme zu qualifizieren ist oder ob die
Willenserklärung der Bekl. eine vorweg erklärte Annahme des vom Kl. abgegebenen Höchstgebots darstellte. Mangels
Zuschlags scheidet jedenfalls ein Vertragsschluss nach § 156 BGB aus (vgl. AG Kehl, NJW-RR 2003,1060; LG Hof, Urt. v.
26. 4. 2002 - 22 S 10/02; a. A. wohl Wendeborst, in: MünchKomm, 4. Aufl., § 312 d Rdnr. 46).
Der Zeitablauf allein stellt keinen Zuschlag i. S. von § 156 BGB dar. Vielmehr handelt es sich dabei nur um den Ablauf einer
Annahmefrist i.S. von § 148 BGB. Ein Zuschlag i.S. von § 156 BGB würde ein willentliches Handeln durch einen
Auktionator voraussetzen. Ein solches liegt bei der vorliegend zu entscheidenden Konstellation nicht vor. eBay stellt
lediglich die Plattform zur Verfügung, die zu einem entsprechenden Vertragsschluss führen kann, will aber gerade nicht in
den Vertragsschluss zwischen den Parteien eingreifen (vgl. § 9 der AGB von eBay).
Auch eine analoge Anwendung des § 312 d IV Nr. 5 BGB kommt nicht in Betracht. Inwiefern die Einschränkung einer
verbraucherschützenden Regelung durch die analoge Anwendung einer Ausnahmevorschrift überhaupt möglich ist, kann
offen bleiben, da sich eine planwidrige Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie nicht feststellen lässt. In der
Drucksache 14/3195 des Deutschen Bundestags wird ausdrücklich auf den Zuschlag und dessen Endgültigkeit als
entscheidendes Wesensmerkmal einer Versteigerung abgestellt. Im Übrigen ist der Grund für die Einschränkung des
Verbraucherschutzes nicht, dass bei einer Versteigerung keine Schutzbedürftigkeit der Verbraucher besteht, sondern dass
echte Versteigerungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht behindert werden sollen. eBay hat sich aber gerade durch die
gewählte Konstruktion der vertraglichen Beziehungen gegen ein echtes Versteigerungsmodell entschieden. Im Ergebnis
bestehen daher keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Regelungslücke.
Zudem bestehen auch nicht unerhebliche Unterschiede zu einer echten Versteigerung, die eine analoge Anwendung ebenfalls
ausschließen. Bei Versteigerungen i. S. des § 156 BGB wird der Zuschlag in der Regel kurz nach dem höchsten Gebot
erteilt. Bei eBay hingegen ist der Zeitablauf entscheidend. Ein Überbieten ist danach nicht mehr möglich. Selbst wenn andere
Bieter noch ein höheres Gebot abgeben wollten, wäre dies nicht mehr möglich. Bei einer Versteigerung i. S. des § 156 BGB
wartet der Auktionator hingegen solange, bis kein höheres Gebot mehr eingeht, um somit das möglichst beste Ergebnis zu
erzielen. Eine Versteigerung i. S. des § 156 BGB ist daher gerade dadurch gekennzeichnet, dass es in der Regel kein
zeitliches Limit gibt, an welches der Zuschlag geknüpft wird.
* Quelle: NJW-RR 2004, 1635 ff