AG Marsberg, 09.10.2002, C 143/02, BGB, 476, 437, 434, 440, 323, 326, Gebrauchwagenkauf, Mangel, Fehler, Beweislast, Bastlerfahrzeug, Verbraucherrechte, Haftung, Ausschluss, Ruecktritt, Verzug,
Gebrauchsvorteile, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg,
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BGB §§ 476, 437, 434, 440, 323, 326
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AG Marsberg, Urteil vom 09.10.2002 - C 143/02 *
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 206,07 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 24. Juli 2002 Zug um Zug
gegen Übergabe des Pkw Opel Ascona C, Fahrgestell-Nr.: ..., amtliches Kennzeichen: ... , zu zahlen. Es wird festgestellt, dass sich
die Beklagte in Annahmeverzug befindet. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden
gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 495 a, 313
Abs.1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe: Die Klage ist nur teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung eines
Teils des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges gemäß § 437 Nr. 2, erste Alternative BGB in Verbindung mit
§§ 434 Abs. 1, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB.
Der Kläger ist wirksam vom Kaufvertrag gemäß §§ 437 Nr. 2, erste Alternative, 323, 326 Abs. 5 BGB zurück getreten. Der vom
Kläger erworbene Gebrauchtwagen war mangelhaft. Ein Mangel liegt nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB vor, wenn die Sache von der
vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht.
Vereinbart war hier unstreitig, dass der Beklagte das Fahrzeug durch den TÜV bringen sollte. Darin ist die Abrede zu sehen, dass
der Wagen bei der Übergabe fahrtüchtig sein muss. Das Vorbringen der Beklagten, dass der Kläger es übernommen haben soll,
etwaig vorhandene Mängel selbst zu beseitigen, ist allenfalls für diejenigen Mängel beachtlich, die ihm schon bei Vertragsschluss
bekannt waren, § 442 BGB. Eine davon abweichende Regelung stellt eine unzulässige Beeinträchtigung des Verbraucherrechts
gemäß § 475 BGB dar. Damit sind hier nicht einmal diejenigen Mängel erfasst, die im TÜV-Protokoll aufgeführt sind, da
Vertragsschluss unstreitig der 15.04.2002 war und das Fahrzeug erst am 16.04.2002 untersucht worden ist. Die Norm ist auch
anwendbar, da es sich vorliegend um einen Verbrauchsgüterkauf handelt.
Es muss auch davon ausgegangen werden, dass der Sachmangel, der letztlich im Kabelbrand zum Ausdruck kam, bereits bei
Gefahrübergang, also bei Übergabe des Fahrzeugs, vorhanden war. Die beweispflichtige Beklagte hat jedenfalls einen späteren
Zeitpunkt nicht bewiesen.
Zeigt sich ein Mangel innerhalb der ersten 6 Monate seit Übergabe der Sache, trägt grundsätzlich der Verkäufer die Beweispflicht
dafür, dass der Mangel erst nach Gefahrübergang aufgetreten ist, § 476 BGB. Eine Ausnahme von dieser Vermutung im Sinne des §
476 zweiter Halbsatz BGB liegt nicht vor. Danach greift die Beweisvermutung nicht, wenn sie mit der Art der verkauften Sache
nicht vereinbar ist. Hier bedarf es einer Prüfung, ob nicht insbesondere bei Gebrauchtwaren ein Auftreten eines Mangels nur eine
einfache Verschleißerscheinung darstellt, die keinen Rückschluss darauf zulässt, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.
Bei gebrauchten Gegenständen mag es zwar diverse Teile geben, bei denen natürlicher Verschleiß zu verzeichnen ist; bei der
Installation und Benutzung von Kabeln spielen natürliche Verschleißerscheinungen aber nur eine nebensächliche Rolle, sodass von
einem Ausnahmefall hier nicht ausgegangen werden kann. Der Aspekt des Kabelbrandes ist insbesondere nicht nur für gebrauchte
Kfz spezifisch.
Die vertragliche Vereinbarung, dass es sich bei dem Fahrzeug um ein Bastlerfahrzeug handelt, läßt die Gewährleistungsrechte
wegen § 442 BGB ebenfalls nicht entfallen. Denn auch diese Formulierung stellt eine unzulässige Verminderung der
Verbraucherrechte nach § 475 BGB dar. Es ist zwar grundsätzlich möglich, dass die Vertragsparteien ausdrückliche Mängel oder
Eigenschaften des Fahrzeugs benennen und so das Vorliegen eines Mangels eingrenzen können; der pauschale Hinweis, es handele
sich um ein Bastlerfahrzeug, genügt diesen Anforderungen aber nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das
Fahrzeug durch den TÜV gebracht werden sollte.
Der Kläger war aufgrund des bestehenden Mangels zum Rücktritt berechtigt. Sein Rücktrittsrecht wurde insbesondere nicht
dadurch ausgeschlossen, dass zuvor keine Nacherfüllung nach § 437 Abs. 1 BGB verlangt wurde. Mit Schreiben vom 22.07.2001
hat die Beklagte seine Ansprüche nämlich zurückgewiesen, sodass er auf einen Nacherfüllungsanspruch nicht verwiesen werden kann.
Allerdings ist der Einwand der Beklagten erheblich, dass im Rahmen der durchzuführenden Rückabwicklung des Kaufvertrages
entsprechende Nutzungsvorteile für die gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen sind. Wie im Rahmen des Termins festgestellt
werden konnte, betrug der Tachoendstand 52.746 km und der Tachostand zum Zeitpunkt der TÜV-Abnahme 46.880 km, sodass
5.866 km mit dem Fahrzeug zurückgelegt wurden. Dem Kläger ist zwar zu-zugeben, dass nach einer in der Rechtsprechung
verbreiteten Auffassung zwischen 0,4 und 1 % des Anschaffungspreises pro 1000 km als Gebrauchsvorteil berücksichtigt werden.
Diese Formel erscheint dem Gericht allerdings im Zusammenhang mit dem Alter und der noch verbleibenden Nutzungsdauer des
Fahrzeuges nicht angemessen. Es ist anerkannt, dass auch bei anderen Sachen als Fahrzeugen Gebrauchsvorteile nach der Gleichung
"Kaufpreis durch voraussichtliche Gesamtnutzung bzw. Nutzungszeit beim Käufer" ermittelt werden können. Da die Laufzeit des
Fahrzeugs angesichts seines Alters begrenzt war, erscheint es dem Gericht deshalb nach § 287 ZPO sachgerecht, einen
Gebrauchsvorteil von 5 Cent je Kilometer in Ansatz zu bringen (vergleiche unter anderem OLG Hamburg, Versicherungsrecht L
981, 138 und OLG Zweibrücken, DAR 1986, 89; zwischen 0,10 - 0,20 DM/km). Bei den gefahrenen Kilometern ergibt sich ein
Gebrauchsvorteil von 293,30 EUR, den sich der Kläger anrechnen lassen muss.
Beklagte befindet sich angesichts ihrer Weigerung, das Fahrzeug zurückzunehmen, in Annahmeverzug. Ein entsprechendes
Feststellungsinteresse des Klägers folgt schon aus § 756, 765 ZPO.
Die geltend gemachten Nebenforderungen folgen aus §§ 284 ff. BGB. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO; die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 713 ZPO.
* Quelle: eigene