11.02.2004 - VIII ZR 195/03, Vermieter, Haftung, Vermieterhaftung, Pflichtverletzung, Vertragsschluss, culpa in contrahendo, Vorauszahlungen, Nebenkosten, Betriebskosten, Hoehe, tatsaechliche, Kosten, unterschreiten, deutlich, Heizung, Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Abfall, free, Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich, Schweden, Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakien, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern
MHRG § 4 I; BGB § 556 II 2

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BGH, Urteil vom 11.02.2004 - VIII ZR 195/03 *

Tatbestand: Mit Vertrag vom 4. 5. 1998 mietete die Bekl. ab 1. 6. 1998 die im Eigentum der Kl. stehende Dachgeschosswohnung mit einer Größe von circa 100 qm . Die Grundmiete betrug zunächst 1690 DM monatlich, ab 1. 6. 2001 sollte sie sich in zwei Stufen erhöhen. Die Bekl. verpflichtete sich darüber hinaus, monatlich 200 DM Vorauszahlungen auf die von ihr übernommenen Betriebsund Heizkosten zu leisten. Unter dem 1. 2. 2002 rechneten die Kl. die Betriebs- und Heizkosten für die Jahre 1999 und 2000 ab. Für das Jahr 1999 ergab sich ein Nachzahlungsbetrag von 3011,01 DM für das Jahr 2000 ein solcher von 3029,14 DM. Da die Bekl. trotz Aufforderung keine Zahlung leistete, haben die Kl. diese Beträge nebst Zinsen mit ihrer Klage geltend gemacht. Im Laufe des Verfahrens hat die Bekl. das Mietverhältnis zum 31. 5. 2002 gekündigt. Beide Vorinstanzen haben einen Anspruch der Kl. verneint. Die zugelassene - Revision hatte (im schriftlichen Verfahren) Erfolg und führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.



Entscheidungsgründe: II. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Annahme des LG, die Kl. hätten bei Vermietung der Wohnung vorvertragliche Nebenpflichten schuldhaft verletzt und seien der Bekl. daher aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) zum Schadensersatz verpflichtet.

1. Vereinbaren die Parteien eines Mietvertrags, der Mieter habe bestimmt bezeichnete Nebenkosten zusätzlich zur Kaltmiete zu tragen, steht es den Parteien frei, sich auf Vorauszahlungen auf diese Nebenkosten zu einigen. Sie können von Vorauszahlungen auch gänzlich absehen. § 4 I 1 MHRG, der auf den am 4. 5. 1998 geschlossenen Mietvertrag der Parteien anwendbar ist (gleichlautend jetzt § 556 II 2 BGB), untersagt es lediglich, Vorauszahlungen in unangemessener Höhe, nämlich unangemessen überhöht (Langenberg, in: Schmidt-Futterer, MietR, 8. Aufl., § 556 Rdnr. 275), festzusetzen. Ist es dem Vermieter aber unbenommen, dem Mieter die auf ihn umzulegenden Nebenkosten insgesamt zu kreditieren, kann es ihm nicht zum Nachteil gereichen, wenn er Vorauszahlungen verlangt, die in ihrer Höhe die tatsächlichen Kosten nicht nur geringfügig, sondern auch deutlich unterschreiten. Die Verwendung des Begriffs "Vorauszahlungen" drückt dabei nach allgemeinem Verständnis lediglich aus, dass dem Mieter bei der Abrechnung die vorausbezahlten Beträge gutzubringen sind. Dieser Begriff legt aber nicht die Annahme nahe, die Summe der Vorauszahlungen werde den voraussichtlichen Abrechnungsbetrag auch nur annähernd erreichen, und begründet für den Mieter keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand (OLG Stuttgart, NJW 1982, 2506; krit. Langenberg, in: Schmidt-Futterer, § 556 Rdnr. 392).

Da die Vereinbarung von Vorauszahlungen nicht an eine bestimmte Höhe gebunden ist, solange nur die aus § 4 I 1 MHRG sich ergebende Obergrenze beachtet wird, ist in der Regel kein Fehlverhalten des Vermieters bei der Vereinbarung niedriger oder sehr niedriger Vorauszahlungen zu sehen. Der Vermieter ist demnach nicht grundsätzlich verpflichtet, Vorauszahlungen auf die umlegbaren Nebenkosten so zu kalkulieren, dass sie etwa kostendeckend sind. Dies erscheint auch deshalb sachgerecht, weil zu den in Frage kommenden Nebenkosten regelmäßig, wie auch hier, Heizkosten und andere Kosten zählen, die in ihrer Höhe verbrauchsabhängig sind, wesentlichen Schwankungen unterliegen können und daher vom Vermieter weder vorherzusehen noch zu beeinflussen sind.



2. Eine Pflichtverletzung des Vermieters im Zusammenhang mit der Vereinbarung von Vorauszahlungen bei Vertragsschluss ist deshalb nur dann zu bejahen, wenn besondere Umstände gegeben sind (OLG Düsseldorf, NZM 1998, 916 = ZMR 1998, 692 = WuM 2000, 591 [unter 2 a]; LG Karlsruhe, WuM 1998, 479; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearb. 2003, § 535 Rdnr. 73; Palandt/Weidenkaff, BGB, 63. Aufl., § 535 Rdnr. 95; vgl. aber LG Arnsberg, NJW-RR 1988, 397). Solche besonderen Umstände können etwa zu bejahen sein, wenn der Vermieter dem Mieter bei Vertragsschluss die Angemessenheit der Nebenkosten ausdrücklich zugesichert oder diese bewusst zu niedrig bemessen hat, um den Mieter über den Umfang der tatsächlichen Mietbelastung zu täuschen und ihn auf diese Weise zur Begründung eines Mietverhältnisses zu veranlassen (vgl. LG Frankfurt a. M., WuM 1979,24).



3. Derartige Umstände, die einen Vertrauenstatbestand für die Bekl. hätten begründen können, liegen im Streitfall nicht vor. Zwar hat die Bekl. vorgetragen, sie habe sich bei der Anmietung der Wohnung gedanklich eine finanzielle Obergrenze für die Gesamtbelastung gesetzt, die mit dem Mietzins zuzüglich der Vorauszahlungen erschöpft gewesen sei. Dass sie das den Kl. mitgeteilt und diese bei ihr die Vorstellung erweckt hätten, mit den Vorauszahlungen würden die Nebenkosten im Wesentlichen abgegolten, hat sie aber selbst nicht behauptet. Auch im Übrigen sind Umstände, die auf ein pflichtwidriges Verhalten der Kl. hindeuten könnten, nicht ersichtlich. Eine vorvertragliche Aufklärungspflicht (vgl. Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, § 535 Rdnr. 135) haben die Kl. somit nicht verletzt. Auf die Frage, ob und inwieweit ein Schadensersatzanspruch des Mieters in den genannten Fällen auf Freihaltung von den die Vorauszahlungen überschreitenden, dem Vermieter tatsächlich entstandenen Betriebskosten (vgl. Palandt1Weidenkaff, § 535 Rdnr. 95; vgl. d. Nachw. bei Langenberg, in: Schmidt-Futterer, MietR, 7. Aufl., § 546 Rdnr. 362 [Fußn. 628-631]; ders., ebda., 8. Aufl., § 556 Rdnrn. 390, 394 f.; Weitemeyer, in: Einmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Aufl., § 556 Rdnr. 43) oder auf Auflösung des Mietverhältnisses und Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen gerichtet ist (so noch Langenberg, in: Schmidt-Futterer, 7. Aufl., § 546 Rdnr. 362), kommt es nach alledem nicht mehr an.

III. Demnach ist das Berufungsurteil aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da es weiterer Feststellungen zu den von der Bekl. erhobenen Einwänden gegen die Ordnungsmäßigkeit der Abrechnungen bedarf. Die Ausschlussfrist des § 556 III 3 BGB für die Geltendmachung von Nachforderungen ist nach Art. 229 § 3 IX EGBGB im Streitfall noch nicht anzuwenden.



* Quelle: NJW 2004, 1102 f