BGB § 611

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LG Mannheim, Urteil vom 22.02.2002 - 1 S 315/01 *

Zum Sachverhalt: Die Kl. verlangt Telefonentgelt. Die Kl. ist Telekommunikationsdienstleister. Zwischen ihr und der Bekl. besteht ein Telefondienstauftragsverhältnis, auf Grund dessen die Bekl. über den Telefonanschluss mit der Rufnummer ... verfügt. Die Bekl. hat zwei Internetzugänge über die TLAG. Mit dieser hat sie eine Flatrate, das heißt ein pauschales Nutzungsentgelt vereinbart so dass für die Nutzung des Internets grundsätzlich keine zusätzlichen Entgelte zu Gunsten der Kl. oder der TLAG anfallen. In der Telefonrechnung vom 20.01.2001 stellte die Kl. für 21 Verbindungen zum Service 0190x insgesamt 2.412,18 DM in Rechnung. Die Bekl. zahlte diesen Anteil der Rechnung nicht. Der 16-jährige Sohn der Bekl. nutzte das Internet. Die Kl. bestreitet Identität und Inhalt der aufgerufenen Seite mit Nichtwissen. Die Kl. hat beantragt, die Bekl. zur Zahlung zu verurteilen. Die Klage wurde abgewiesen. Die Berufung der Kl. hatte Erfolg.



Entscheiungsgründe: Der der Kl. zuerkannte Anspruch ergibt sich aus § 611 I BGB. Zwischen den Parteien bestand unstreitig ein Telefondienstvertrag (§ 611 BGB), nach dem die Kl. verpflichtet war, der Bekl. Zugang zu ihrem Telefonnetz zu eröffnen, sowie den Aufbau beliebiger abgehender und ankommender Telefonverbindungen zu bewerkstelligen und der die Bekl. verpflichtete, das vereinbarte Entgelt gemäß den Tarifen der Kl. zu zahlen.

Die Kl. ist aktivlegitimiert. Sie macht nämlich mit ihrer Klage Ansprüche geltend, die dadurch entstanden sind, dass über den von ihr zur Verfügung gestellten Anschluss Telefonate geführt wurden. Dass die Telefonate, die zu den hier streitgegenständlichen Gebühren geführt haben, über den Telefonanschluss der Bekl. geführt wurden, bestreitet auch die Bekl. nicht.

Welche Nummer hierbei angewählt wurde, ist für den Anfall des Entgeltanspruchs unerheblich. Es kommt nicht darauf an, ob die angewählte Telefonnummer von der Kl. vergeben wurde. Telefongebühren für den Betreiber, mit dem der Telefonbenutzer in vertraglicher Verbindung steht (hier: die Kl.) fallen auch dann an, wenn ein Gespräch mit einem Kunden eines anderen Telefondienstleisters geführt wird. Auch hier hat der Telefondienstleister, mit dem der Kunde in vertraglicher Verbindung steht, also die Kl., die Verbindung hergestellt und zur Verfügung gestellt. Letzteres wird auch von der Bekl. nicht bestritten.



Ebenfalls kommt es für den Anfall des Entgeltanspruchs der Kl. nicht darauf an, auf Welche Art die Telefonverbindung hergestellt wurde.

Dass diese unstreitig durch die Nutzung eines aus dem Internet heruntergeladenen Programms erfolgte, steht dem Anfall der streitgegenständlichen Gebühren nicht entgegen. Die Kl. hat nämlich keinen Einfluss darauf, wie ein Kunde Telefonverbindungen herstellt. Sie ist auch nicht dafür verantwortlich, dass Anbieter im Internet Programme zum Herunterladen zur Verfügung stellen, mit denen, möglicherweise für den Kunden nur schwer erkennbar, Telefonverbindungen über teure 0190er Nummern hergestellt werden können. Hier liegt die Verantwortlichkeit und die Pflicht zur Kontrolle allein bei dem Kunden, der für die von seinem Anschluss aus geführten Telefonate gem. Nr. 4 der AGB der Kl. haftet.

Der Umstand, dass der Bekl. der technische Ablauf des Zustandekommens der Gespräche nicht bekannt war, entlastet sie nicht. Sie kann der Kl., die ja insoweit keine Möglichkeit der Kontrolle oder Einflussnahme hat, nicht entgegenhalten, dass über von ihr, der Bekl., installierte technische Möglichkeiten Telefonverbindungen abgerufen werden. Hierüber hätte sich die Bekl. informieren müssen.

Dass die Bekl. mit der rechtlich selbstständigen TAG für den Internetzugang eine Pauschale (Flatrate) vereinbart hatte, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Die streitgegenständlichen Telefonate stellten, wie ausgeführt, keine Nutzung des Internets dar; sie wurden lediglich durch ein aus dem Internet heruntergeladenes Programm zu Stande gebracht.



Die Bekl. kann gegenüber dem Anspruch der Kl. auf die streitgegenständlichen Telefongebühren auch nicht einwenden, dass die angewählten 0190er Nummern zu dem Zweck angewählt worden seien, (möglicherweise) sittenwidrige Telefonsexgespräche zu führen (vgl. BGH, NJW 2002, 361 ff.).

Grundlage des kl. Anspruchs ist nämlich in erster Linie der zwischen den Parteien geschlossene wertneutrale Vertrag über Telefondienstleistungen in Verbindung mit der Preisliste der Kl. Dass dieser Vertrag auch die Möglichkeit eröffnete, "Telefonsex" über bestimmte Telefonnummern zu betreiben, macht ihn nach seinem Gesamtcharakter nicht sittenwidrig (BGH, NJW 2002, 361). Dies gilt auch, soweit die Möglichkeit eröffnet wird, wenn derartige Telefonsexgespräche durch Minderjährige geführt werden. Insoweit hat der Telefonanschlussinhaber im häuslichen Bereich für den Schutz Minderjähriger Sorge zu tragen. Hieran ändert auch nichts, dass die neben anderen Telefondiensten unter 0190er Nummern angebotenen Telefonsexdienste hohe Gebühren auslösen, von denen ein Teil den "Telefonsex"-Dienste-Anbietern zufließen. Die Wertneutralität der vertraglichen Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber deckt auch die für die 0190er Nummern berechneten Gesamtpreise ab (vgl. BGH, NJW 2002, 361 m.w. Nachw.).

Der Anfall der berechneten Gebühren durch Gespräche, die über den Telefonanschluss der Bekl. geführt wurden sowie die Höhe der berechneten Gebühren sind unstreitig. Die Bekl. war daher nach Vorgesagtem zur Zahlung dieser Gebühren zu verurteilen.



* Quelle: NJW-RR 2002, 995 f