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LG Giessen, Urt. v. 04.03.1996 - 4 O 411/92
Der Kläger verlangt Schadenersatz aus einem Verkehrsunfall vom 8.8.89. Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 27.2.1995 (Bl. 182
ff/Bd. II d. A.) hat die Kammer dem Kläger 29.000,- Schmerzensgeld zuerkannt und die - im übrigen zwischen den Parteien dem
Grunde nach unstreitige - volle Haftung der Beklagten für sämtliche (weiteren) Schäden festgestellt. Wegen der
Sachverhaltsdarstellung wird im wesentlichen auf den Tatbestand dieses Urteils (Bl. 184 bis 186/Bd. II d. A.) Bezug genommen.
Mit der verbleibenden Klage begehrt der Kläger Ersatz seines Verdienstausfallschadens, den er von 1990 bis zum 31.10.195 erlitten
habe, weil er unfallbedingt in seinem Beruf als selbständiger Maler und Lackierer berufsunfähig sei; der Kläger berechnet seinen
Verdienstausfall mit 134.729,58 DM (vgl. im einzelnen die zusammenfassende Darstellung und Berechnung des Klägers im
Schriftsatz vom 15.11.1995, Bl. 203-220/Bd. III d.A.). Ferner begehrt er nunmehr die Erstattung zusätzlicher Kosten für die
privatärztliche Behandlung bei Dr. B., D., in Höhe von 9.081,63 DM und 8.428,- DM mit dem Vortrag, die für ihn zuständige AOK
übernehme diese Kosten nicht, gleichwohl seien diese "Spritzen und Behandlungen" erforderlich, weil Dr. B. "Spezialarzt für
HWS-Verletzungen" und es sich bei ihm "um einen der wenigen Ärzte (handele), die Chirotherapie zur Behandlung von
Halswirbelsäulenverletzungen vornehmen" (vgl. im einzelnen Schriftsatz vom 15.11.1995, Bl. 220-225 d. A. und Schriftsatz vom
28.2.1996, Bl. 246, 247 d. A.).
Der Kläger beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 152.239,21 DM nebst 4% Zinsen von
54.623,48 ab Klagezustellung bis 31.8.1994, zuzüglich 4 % Zinsen von 110.800,97 DM ab 14.9.1994 bis 31.10.1995 zuzüglich 4 %
Zinsen von 152.239,21 DM ab Zustellung dieses Antrages zu zahlen. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten trotz des bereits vor dem Teilurteil eingeholten und dort entsprechend verwerteten gegenteiligen
Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Dvorák vom 31.1.1994 (Bl. 38-49/Bd. II d. A.) und seiner ergänzenden Stellungnahmen
vom 22.8.1994 (Bl. 104-106/Bd. II d. A.) und vom 23.11.1994 (Bl. 145,146/Bd. II d. A.) weiterhin die Berufsunfähigkeit des
Klägers und beantragen die Einholung eines diesbezüglichen weiteren Sachverständigengutachtens (Schriftsatz vom 22.1. 1996, Bl.
232/Bd. II d. A.). Darüberhinaus tragen sie im Hinblick auf den klägerseits geführten Sozialrechtsstreits wegen
Berufunfähigkeitsrente (SG Düsseldorf Az: S VJ 183/93) und die diesbezüglichen Unterlagen (vgl. Anlage zu Bl. 203 ff/Bl. III d.
A.) vor, die im dortigen Prozeßvergleich wegen eines "Versicherungsfalls vom 12.10.1991" zuerkannte Rente wegen
Berufsunfähigkeit beziehe sich nicht auf den streitgegenständlichen Verkehrsunfall vom 8.8.1989, ferner ergebe sich aus der
Einzahlung von "Pflichtbeiträgen" in die Rentenversicherung des Klägers bis zum 31.8.1991, daß der Kläger auch nach dem
Verkehrsunfall noch erwerbsfähig war (vgl. im einzelnen Schriftsatz vom 26.1.1996, Bl. 233 f./Bl. III d. A.). Schließlich bestreiten
die Beklagten die Erforderlichkeit der privatärztlichen Behandlung bei Dr. Böhm mit dem Vortrag, die medizinisch notwendigen
Maßnahmen würden von der gesetzlichen Krankenversicherung des Klägers getragen (vgl. im einzelnen Schriftsatz vom 22.1.1996,
Bl. 232/Bd. III d. A.).
Entscheidungsgründe: Die verbliebene Klage ist wegen des Verdienstausfalls begründet, wegen der zusätzlichen privatärztlichen
Behandlungskosten indessen unbegründet.
Im Hauptanspruch kann der Kläger Ersatz seines Verdienstausfallschadens für die Jahre 1990 bis 31.10.1995 in Höhe der geltend
gemachten 134.729,58 DM verlangen.
Die Kammer bleibt dabei, daß der Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls vom 8.8.1989 in seinem Beruf als
selbständiger Maler und Lackierer vollständig berufsunfähig und im übrigen zu 60% in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist (vgl. S.
5-7 d. Teilurteils vom 27.2.1995, Bl. 186-188/Bl. II d. A.). Sie sieht im Hinblick auf das detaillierte, nachvollziehbare und deswegen
überzeugende Gutachten nebst ergänzender Stellungnahmen von Prof. Dvorák nicht den geringsten Anlaß, dem - in keinerweise
näher erläuterten - Antrag der Beklagten auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nachzugehen (§ 412 Abs. 1 ZPO).
Der dem Kläger in der Zeit von 1990 bis zum 31.10.1995 unfallbedingt entgangene Verdienst beträgt 134.729,58 DM. In dem
zusammenfassenden Schriftsatz vom 15.11.1995 wird detailliert und - bis auf kleinere, nach den Gesamtumständen jedoch nicht
erhebliche Rechenfehler zuungunsten des Klägers - nachvollziehbar dargelegt, daß dies der nach den Gesamtumständen des Falles
mit Wahrscheinlichkeit zu erwartende Verdienst in dem genannten Zeitraum ist (§ 252 S. 2 BGB). Die Beklagten greifen diese
Darlegungen des Klägers nicht substantiiert an. Die Mutmaßung, nach den Unterlagen des Sozialgerichtsprozesses gehe es nicht um
den streitgegenständlichen Verkehrsunfall, sondern um einen anderen "Versicherungsfall vom 12.8.1991", liegt neben der Sache,
weil das Datum "12.8.1991" schlicht der Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers hinsichtlich der Berufsunfähigkeitsrente ist, vor
dem aufgrund der einschlägigen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften Berufsunfähigkeitsrente nicht gewährt werden darf,
wenn bei Antragstellung - wie hier - mehr als drei Monate verstrichen sind. Dieser Gesichtspunkt folgt einfach aus der
sozialversicherungsrechtlichen Rechtslage und ergibt sich für die Beklagten keineswegs erst aus dem Schriftsatz des Klägers vom
28.2.1996, so daß der Antrag der Beklagten, diesen Schriftsatz nicht ohne ausreichende Gelegenheit rechtlichen Gehörs zu
verwerten, insoweit ohne Belang ist. Gleiches gilt für den Einwand der Beklagten, der Ausweis von "Pflichtbeiträgen" bis Ende
August 1991 in der Rentenversicherung zeige, daß der Kläger auch nach dem streitgegenständlichen Unfall noch erwerbstätig
gewesen sei. Denn zum einen ist in diesem Rechtsstreit seit langem unstreitig, daß der Kläger im Jahr 1990 noch erwerbstätig war;
freilig mußte er den Arbeitsversuch im ersten Halbjahr 1990 auf ärztliches Anraten abbrechen. Zum anderen zahlt der Kläger als
selbständiger Handwerksmeister ohnehin freiwillig in die Rentenversicherung ein, so daß sich aus der Belegung weiter Beiträge bis
zur Antragstellung auf Berufsunfähigkeitsrente keineswegs ergibt, der Kläger sei tatsächlich weiter erwerbstätig gewesen; vielmehr
liegt es - wie auch die stets gleichbleibende Höhe der Beitragszahlungen für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.8.1991 zeigt - nahe, daß
der Kläger aufgrund eines fiktiven Einnahmenansatzes freiwillig weiterhin Beträge gezahlt hat, um die Höhe der erwarteten
Berufsunfähigkeitsrente zu verbessern.
Den Ersatz der zusätzlichen Kosten für die privatärztliche Behandlung bei Dr. Böhm in Düsseldorf in Höhe von insgesamt
17.509,63 DM kann der Kläger nicht ersetzt verlangen. Der Kläger hat nicht substantiiert und nachvollziehbar dargetan, daß diese
privatärzliche Behandlung erforderlich und deswegen durch den Verkehrsunfall vom 8.8.1989 im Rechtssinne verursacht ist. Der
bloße Hinweis darauf, Dr. Böhm sei "Spezialarzt für HWS-Verletzungen", genügt insofern nicht. Vielmehr ergibt sich aus dem
unstreitigen Umstand, daß die gesetzliche Krankenversicherung des Klägers die Übernahme dieser Kosten abgelehnt hat, ein
bedeutsames Indiz gegen die medizinische Erforderlichkeit dieser privatärztlichen Behandlung. Auf diesem Hintergrund leuchtet es
auch nicht ein, wenn der Kläger - insoweit widersprüchlich - im Schriftsatz vom 28.2.1996 vorträgt, die "Krankenkasse in Viersen"
habe ihm Dr. B. gerade empfohlen. Ferner ist aufgrund des wagen Vortrages des Klägers, er erhalte bei Dr. B. "Spritzen und
Behandlungen" nicht erkennbar, worin die besondere Art der Behandlung bei Dr. Böhm, die vielleicht den Ersatz der
entsprechenden Kosten rechtfertigen könnte, denn nun liegen sollte. Insgesamt ist es dem Kläger auch im Schriftsatz vom 28.2.1996
nicht gelungen, der bereits seitens der Beklagten im Schriftsatz vom 22.1.1996 ausgebrachten Rüge fehlender Nachvollziehbarkeit
des Vortrages zur Erforderlichkeit der privatärztlichen Behandlung bei Dr. B. substantiiert entgegenzutreten.
Im Nebenanspruch kann der Kläger gesetzliche Prozeß- bzw. Verzugszinsen verlangen (§§ 291, 288, 284 BGB).
Da beide Parteien teils obliegen und teils unterliegen, haben sie die Kosten des Rechtsstreits anteilig zu tragen (§ 92 Abs. 1 ZPO).
Obwohl die Zuvielforderung des Klägers insgesamt - auch mit Blick auf sein vollständiges Obsiegen in dem Teilurteil vom
27.2.1995 - nur geringfügig ist, scheitert die Überbürdung sämtlicher Kosten auf die Beklagten daran, daß die Zuvielforderung
einen Gebührensprung ausgelöst hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 711 ZPO.