BGB § 626
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ArbG Marburg, Urteil 15.06.2001 - 2 Ca 371/00 *
... Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.7.2000,
sondern durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 beendet worden ist. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
T A T B E S T A N D: Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen drei fristlose Kündigungen, hilfsweise ordentliche
Kündigungen. Außerdem begehrt er die Weiterbeschäftigung bei der Beklagten und hat einen Wiedereinstellungsanspruch
als kaufmännischer Leiter mit Wirkung zum 1.7.2001 geltend gemacht. Der Kläger ist bei der Beklagten als kaufmännischer
Leiter seit dem 15.10.1999 beschäftigt und direkt dem Geschäftsführer unterstellt. Zwischen den Parteien herrscht Einigkeit,
dass der Kläger als leitender Angestellter bei der Beklagten eingestellt und tätig wurde. Der Kläger ist zum Zeitpunkt der
ersten Kündigung 36 Jahre alt und ledig gewesen. Die Beklagte beschäftigte ca. 105 Arbeitnehmer. Das Gehalt des Klägers
belief sich auf 140.000,00 DM brutto jährlich in 12 monatlichen Raten à 11.666,66 DM brutto. Daneben bezog der Kläger
noch variable Gehaltsbestandteile. Ein Betriebsrat besteht bei der Beklagten nicht. In § 11 des Arbeitsvertrags der Parteien
vom 22.9.1999 ist eine ordentliche Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halbjahresende vereinbart.
Die Beklagte firmierte als GmbH. Erst kurz vor Abschluss des Prozesses wurde sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Zum Zeitpunkt des GmbH-Stadiums existierte in München eine Firma TEDAS AG. Diese war mit der jetzigen Beklagten
nicht identisch. Der vormalige Geschäftsführer der Beklagten und jetzige Vorstandsvorsitzende B. war auch
Vorstandsmitglied bei dieser Firma TEDAS AG in München. Zwischen den Parteien fanden im Jahre 2000 Verhandlungen
wegen einer Vorstandstätigkeit des Klägers bei der Firma TEDAS AG in München statt. Zwar kam eine vertragliche
Einigung nicht zustande, da die Parteien sich nicht über eine Vertragslaufzeit einigen konnten. Gleichwohl ist der Kläger
vorab schon als Vorstand bei der Firma TEDAS AG in München neben dem Vorstand B. bestellt worden. Streitig ist, ob der
Kläger alleine handlungsbevollmächtigt war.
Um Sozialversicherungsbeiträge zu sparen, wünschte der Kläger, so schnell wie möglich nicht mehr als Angestellter bei der
Beklagten, sondern als Vorstand bei der Firma TEDAS AG München bezahlt zu werden. Zwischen den Parteien ist streitig,
ob der Vorstand B. dem Kläger eine solche Umbuchung seiner Gehaltszahlungen untersagt hat. Jedenfalls wies der Kläger
die sowohl für die Beklagte wie auch für die Firma TEDAS AG in München tätige Buchhalterin P. an, ihm nunmehr statt
des Gehalts bei der Beklagten ein Vorstandsgehalt über die Firma TEDAS AG zu zahlen. Zu einer solchen Auszahlung ist es
jedoch nicht gekommen.Der Geschäftsführer der Beklagten erfuhr am 4.7.2000 durch den Steuerberater von der Aktion.
Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 18.7.2000 fristlos, hilfsweise
ordentlich zum 30.6.2001. Zur Begründung stützte sich die Beklagte auf den Vorwurf des groben Vertrauensbruches. Die
Beklagte habe zum damaligen Zeitpunkt einen Börsengang geplant und sich in Anbetracht dieser Umstände keine
unzuverlässige Person in der Position des Kaufmännischen Leiters leisten können, der eine solche Manipulation
vorgenommen hat. Zur Begründung der hilfsweisen ordentlichen Kündigung berief sich die Beklagte auf betriebsbedingte
Gründe. Die Funktion des Kaufmännischen Leiters sei ab sofort ersatzlos gestrichen worden. Der Geschäftsführer habe
diese Position mit übernommen. Allerdings war die Belastung für den Geschäftsführer dann doch zu hoch. Nach acht
Wochen wurde ein neues Vorstandsmitglied, Uwe K., gewonnen. Dieser sollte aufgrund unternehmerischer Entscheidung
zukünftig die Aufgaben des Klägers übernehmen.Durch Beschluss des Aufsichtsrats vom 26.7.2000 wurde der Kläger
außerdem bei der Firma TEDAS AG München von seiner Funktion im Vorstand abberufen.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien dann durch eine weitere, zweite außerordentliche Kündigung am
4.9.2000 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.6.2001. Zur Begründung dieser Kündigung warf die Beklagte dem Kläger ein
massives Fehlverhalten im Zusammenhang mit einem Verkehrsverstoß des Klägers mit seinem Dienstwagen einerseits und
den polizeilichen Ermittlungen andererseits vor. Die Beklagte besass einen Fuhrpark mit einer ganzen Anzahl von
Dienstwagen. Zumindest ein Teil der Dienstwagen war einem bestimmten Mitarbeiter zugeordnet und stand diesem zur
Verfügung. Allerdings war nicht auszuschließen, dass auch andere Mitarbeiter diesen Dienstwagen fuhren, wenn der
allgemeine Fahrzeugpool erschöpft war.
So hatte der Kläger auch einen ihm zugewiesenen Dienstwagen der Marke BMW. Am 3.5.2000 wurde der Kläger um 9.16
Uhr auf der Autobahn bei Butzbach in Richtung Frankfurt wegen eines Verkehrsverstoßes von der Polizei geblitzt. Er hielt
bei einer Geschwindigkeit von 150 km/h nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand von 62,5 m zum vorausfahrenden
Kraftfahrzeug ein. Aus diesem Anlass suchte am 4.7.2000 der Polizeihauptmeister M. die Beklagte auf. Ca. drei Wochen
vor dem Besuch des Polizisten erhielt der Kläger vom Geschäftsführer B. ein Anhörungsschreiben wegen dieses
Verkehrsverstoßes mit seinem Dienstwagen mit dem Kennzeichen MR-TE 330. Der Kläger war der Leiter des Fuhrparks.
Er sollte die Angelegenheit regeln. Dies geschah aber nicht. Vielmehr hat der Kläger, um Schaden von sich abzuwenden, bei
diversen Mitarbeitern um die Übernahme des zu erwartenden Strafmandates und die Übernahme der zu erwartenden Punkte
im Verkehrsregister in Flensburg nachgesucht und dabei den Mitarbeitern 100,00 DM pro anfallenden Flensburg-Punkt
angeboten. Es hatte sich aber kein Mitarbeiter zur Übernahme bereit erklärt. Da von Seiten der Beklagten bzw. des Klägers
keine Benennung des Fahrers erfolgte, suchte am 4.7.2000 der Polizeihauptmeister M. die Firma auf. Über diesen Besuch
bei der Firma fertigte er unter dem 4.7.2000 eine Kurzmitteilung an das Regierungspräsidium Kassel, das unter anderem
folgenden Inhalt hatte:
"Am 4.7.00 wurde die Halteranschrift, Firma TEDAS, Software Center 3, 35037 Marburg, aufgesucht. Zunächst wurde der
Fuhrparkleiter (Vorstandsmitglied) aufgesucht:
Dieser gab an, dass in ihrer Firma keinerlei Zuteilung der Fahrzeuge erfolgen würde. Die Fahrzeuge ständen allen
Bediensteten, sowie auch deren Familienmitgliedern für Privatfahrten zur Verfügung. Eine Registrierung der Fahrten würde
angeblich nicht stattfinden. Dieser Umstand sollte auch nicht geändert werden, da es 'nie zu Problemen kommen würde'. Der
Fahrzeugführer zur Tatzeit war dem Leiter (Herrn B.) nicht bekannt. Auch den anderen anwesenden Bediensteten war der
Fahrzeugführer nicht bekannt. Aufgrund des o.a. Umstandes, sowie der Größe der Firma konnte der verantwortliche Führer
nicht ermittelt werden. Aufgrund der angegebenen Umstände sollte die Auferlegung eines Fahrtenbuches unbedingt in
Betracht gezogen werden, um in Zukunft eine Ahndung zu ermöglichen."
Unstreitig erklärte der Kläger dem Polizisten, dass er den Fahrer auf dem Tatphoto nicht erkenne. Die ebenfalls befragte
Sekretärin P. erkannte auf dem Photo zwar den Kläger. Gleichwohl erklärte sie dem Polizisten wahrheitswidrig, dass sie den
Fahrer nicht kenne. So zog der Polizeihauptmeister M. unverrichteter Dinge wieder von dannen. Als Ergebnis dieser
Vorgänge erhielt die Beklagte vom Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf mit Schreiben vom 21. Juli 2000 wegen
des Verkehrsverstoßes "Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes" die Androhung eines Fahrtenbuches für ihre Wagen. Im
Schreiben ist ausgeführt:
"Bei dem Verkehrsverstoß handelt es sich um einen einmaligen Verstoß gegen die Straßenverkehrsvorschriften. Aus diesem
Grunde wird von der Anordnung eines Fahrtenbuches abgesehen. Es wird Ihnen jedoch für den Wiederholungsfall eine
entsprechende Anordnung hiermit ausdrücklich angedroht. Ich bitte Sie, Vorsorge zu treffen, dass ein solcher Fall nicht eintritt."
Am 21.8.2000 erfuhr der Geschäftsführer der Beklagten von diesen Vorgängen. Er sprach deshalb die zweite
außerordentliche Kündigung aus. Zur Begründung der Kündigung warf die Beklagte dem Kläger zum einen vor, den
ermittelnden Polizisten belogen zu haben. Außerdem habe der Kläger die Sekretärin angewiesen, zu lügen und ihn trotz des
Erkennens auf dem Photo zu verleugnen. Die Beklagte warf dem Kläger damit vor, dass er seine Vorgesetztenstellung
ausgenutzt habe, um Untergebene zur Falschaussage bei der Polizei anzustiften. Insgesamt sei durch diesen Vorfall und die
gesamte Vorgehensweise des Klägers das Vertrauensverhältnis der Parteien ebenfalls nachhaltig gestört worden.
Schließlich kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ein drittes Mal durch außerordentliche Kündigung vom
8.2.2001 fristlos, hilfsweise durch ordentliche Kündigung zum 31.12.2001. Zur Begründung berief sich die Beklagte auf den
Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs. Der Kläger hatte im Zuge des Verfahrens Vergütungsansprüche seit Juli 2000
eingeklagt. Er hatte dabei den nach den Regeln des Annahmeverzugs anzurechnenden anderweitigen Verdienst mit 4.000,00
DM monatlich zu niedrig angegeben. Die Beklagte warf dem Kläger vor, dass er ab Oktober 2000 gewusst habe, dass sein
Gehalt tatsächlich bei 12.500,00 DM brutto gelegen habe. Bei den Beträgen von 4.000,00 DM habe es sich nur um
Abschlagszahlungen gehandelt.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen alle drei außerordentlichen Kündigungen, wie auch alle drei ordentlichen
Kündigungen des Arbeitsverhältnisses. Außerdem begehrt er die Weiterbeschäftigung im Arbeitsverhältnis und
gegebenenfalls die Wiedereinstellung als Kaufmännischer Leiter ab dem 1.7.2001.
Zur ersten außerordentlichen Kündigung vom 18.7.2000 behauptet der Kläger, dass der Geschäftsführer B. schon im
Dezember 1999 sein ausdrückliches Einverständnis damit erklärt habe, dass der Kläger nach der Bestellung zum Vorstand
sein Gehalt von der GmbH auf die Aktiengesellschaft umstelle, um seine Altersversorgung flexibler zu gestalten. Der
Steuerberater sei eingeschaltet worden wegen der Vergabe einer Lohnsteuernummer für die AG. Dem Geschäftsführer B.
sei dies alles bekannt gewesen. Er habe nicht widersprochen. Außerdem habe eine Anweisung des Geschäftsführers nicht
bestanden, ohne Abstimmung mit ihm nichts zu unternehmen. Somit sei die Umbuchung des Gehalts mit dem
Geschäftsführer abgesprochen und genehmigt gewesen. Im Übrigen sei kein Schaden für die Beklagte entstanden. Der
Kläger habe sich keinerlei Vermögensvorteile zu Lasten der Beklagten verschaffen wollen und tatsächlich verschafft. Zur
hilfsweisen ordentlichen, betriebsbedingten Kündigung vom 18.7.2000 zum 30.6.2001 bestreitet der Kläger entsprechende
betriebsbedingte Gründe. Die Aufgaben des Klägers als Kaufmännischer Leiter der Beklagten seien nicht weggefallen. Dies
zeige schon der Umstand, dass bereits nach wenigen Wochen der Geschäftsführer B. mit der Führung der kaufmännischen
Geschäfte überfordert gewesen sei.
Der Kläger hält die zweite außerordentliche Kündigung vom 4.9.2000 und die damit auch ausgesprochene hilfsweise
ordentliche Kündigung zum 30.6.2001 ebenfalls für nicht gerechtfertigt. Der Kläger behauptet, dass es ihm jedenfalls
zunächst unklar gewesen sei, ob er der Fahrer seines Dienstwagens zur Tatzeit gewesen sei. Er habe entsprechende
Eintragungen in seinem Kalender nicht gefunden bzw. entsprechende Kalenderunterlagen nicht mehr besessen. Nur um
Schaden abzuwenden und quasi vorsorglich habe er dann Mitarbeitern das Angebot zur Übernahme des Strafmandats und
der Punkte gemacht. Nachdem er dann gegenüber dem ermittelnden Polizisten M. die Frage verneint habe, ob er den Fahrer
des Fahrzeugs auf dem Photo erkenne, sei der Polizist M. dann zu der Sekretärin P. gegangen und habe diese gefragt.
Der Kläger bestreitet, dass er die Sekretärin in irgendeiner Weise beeinflusst habe oder sie sogar unter Ausnutzung seiner
Vorgesetztenstellung aufgefordert habe, ihn auf dem Photo nicht zu erkennen. Entgegen der Beklagtenbehauptung sei Frau
P. im Verlauf des Gesprächs mit dem Polizisten nicht zu ihm gegangen, habe ihm ihre Kenntnis mitgeteilt und gefragt, wie
sie sich verhalten solle. Er habe auch dann in einem solchen Vier-Augen-Gespräch keine entsprechende Anweisung gegeben,
ihn nicht zu erkennen. Ein solches Gespräch habe es nicht gegeben. Vielmehr habe Frau P. den Polizisten aus eigenen
Stücken belogen ohne eine Anstiftungshandlung des Klägers. Nach dem Gespräch sei die Sekretärin dann lachend zu ihm ins
Zimmer gekommen und habe ihm gesagt: ,,M., so etwas mache ich aber nicht noch mal." Der Kläger bestreitet, dass er
Druck ausgeübt habe oder sich insoweit vertragswidrig verhalten habe. Das Vertrauensverhältnis sei durch den Vorfall
weder beeinträchtigt noch gestört.
Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass auch die dritte außerordentliche Kündigung vom 8.2.2001 weder zur fristlosen noch
durch die hilfsweise ordentliche Kündigung zur fristgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt habe. Die
Kündigungen seien schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil der Vorwurf des versuchten Prozessbetruges falsch sei. Bei der
falschen Angabe des anzurechnenden anderweitigen Erwerbes bzw. Gehaltes habe es sich um ein Versehen seines damaligen
Prozessbevollmächtigten gehandelt. Dieses Versehen sei ihm nicht zuzurechnen. Im Übrigen sei der Rechenfehler der
Klägerseite in der Antragstellung bzw. in der Begründung von der Beklagten durchaus erkannt worden bzw. seien erkennbar
gewesen. Wegen der Unwirksamkeit der Kündigung ist der Kläger weiter der Ansicht, dass ihm nach erstinstanzlichem
Obsiegen ein allgemeiner Weiterbeschäftigungsanspruch zustehe. Für den Fall einer sozial gerechtfertigten ordentlichen
betriebsbedingten Kündigung vom 18.7.2000 zum 30.6.2001 wegen Wegfalls der Aufgabe des Kaufmännischen Leiters
durch unternehmerische Entscheidung zum Kündigungszeitpunkt macht der Kläger einen Wiedereinstellungsanspruch als
kaufmännischer Leiter mit Wirkung zum 1.7.2001 geltend. Der Kläger beruft sich darauf, dass schon nach ca. acht Wochen
die Beklagte ihre unternehmerische Entscheidung wieder rückgängig gemacht habe, die Position des Klägers ersatzlos zu
streichen und die Aufgaben des Kaufmännischen Leiters dem damaligen Geschäftsführer zu übertragen. Der Kläger verweist
auf den Vortrag der Beklagten, wonach diese Aufgaben dann dem neu eingestellten Vorstand K. übertragen worden seien.
Damit habe sich noch während des Laufs der Kündigungsfrist der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers erübrigt. Damit
liege kein ausreichender betriebsbedingter Kündigungsgrund bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mehr vor.
Der Kläger beantragt 1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung
vom 18.7.2000 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, 2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende
Arbeitsverhältnis durch die ordentliche und fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 18.7.2000 nicht zum 30.6.2001
beendet wird, 3.festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche
Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 nicht beendet worden ist, 4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien
bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche und fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 nicht zum
30.6.2001 beendet wird, 5.die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzprozesses zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen, 6. die Beklagte hilfsweise für den
Fall, dass die betriebsbedingte Kündigung wirksam sein sollte, zu verurteilen, den Kläger mit Wirkung vom 1.7.2001 zu den
Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 22.9.1999 als Kaufmännischen Leiter wieder einzustellen, 7.festzustellen, dass
das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 8.2.2001 nicht beendet worden ist,
8.festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche und fristgerechte Kündigung vom 8.2.2001
nicht zum 31.12.2001 beendet wird. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte besteht weiter darauf, dass das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Umbuchung seines Gehalts
auf die Firma TE DAS AG München eine gravierende Vertragsverletzung mit entsprechendem Vertrauensverlust dargestellt
habe. Der Kläger sei vom Geschäftsführer ausdrücklich zweimal aufgefordert worden, entsprechende Anweisungen zu
unterlassen. Außerdem sei er als Vorstandsmitglied nicht alleine handlungsbevollmächtigt gewesen. Die Beklagte geht auch
weiter davon aus, dass der Arbeitsplatz des Klägers durch unternehmerische Entscheidung und Umorganisation ersatzlos
weggefallen sei.
Schließlich ist die Beklagte der Ansicht, dass das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seiner Verkehrsübertretung
einerseits und seiner Verhaltensweise bei der Ermittlung des Polizisten M. andererseits eine schwerwiegende
Vertragsverletzung dargestellt habe, die wiederum eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gerechtfertigt
habe. Der Kläger habe seinen Dienstwagen nahezu ausschließlich alleine genutzt. Er habe sich auf dem Tatphoto erkannt.
Durch die Weitergabe der Ermittlungsunterlagen schon vor dem Besuch des Polizisten sei er entsprechend über die Sache
informiert gewesen. Aus diesem Grunde habe er auch versucht, die zu erwartende Geldbuße nebst den zu erwartenden
Punkten an Mitarbeiter zu verkaufen. Die Beklagte bleibt auch bei der Behauptung, dass der Kläger unter Ausnutzung seiner
Vorgesetztenstellung die Sekretärin P. angewiesen habe, gegenüber der Polizei falsch auszusagen. Letztendlich sei mit
dieser Verhaltensweise das Vertrauen der Parteien maßgeblich erschüttert, zumal durch das Verhalten des Klägers nicht
auszuschließen gewesen sei, dass ihr für ihren Fuhrpark entsprechende Fahrtenbuchpflichten auferlegt worden seien.
Schließlich sei eine entsprechende ernstzunehmende Androhung erfolgt.
Die Beklagte hält auch die dritte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung vom 4.9.2006 für gerechtfertigt. Sie
behauptet, dass der Kläger wider besseres Wissen bei der Geltendmachung von Annahmeverzugsansprüchen falsche
Angaben über sein anderweitiges Einkommen gemacht habe. Spätestens im Oktober 2000 habe ihm klar sein müssen, dass
die von ihm und seinem Prozessvertreter angegebenen Zahlen falsch sind. Gleichwohl sei über einen längeren Zeitraum eine
Korrektur nicht erfolgt. ...
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen Karin P. und K.. Insoweit wird verwiesen auf die
Sitzungsniederschrift vom 16.2.2001 (BI. 175f.d.A.). Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch die Einvernahme des
Polizeihauptmeisters M.. Insoweit wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift vom 15.6.2001 (BI. 247 d.A.).
Das Gericht hat weiter auf Antrag der Parteien die Bußgeldakte des Regieungspräsidiums Kassel zu der
Verkehrsübertretung vom 3.5.2000 beigezogen. Auch insoweit wird Bezug genommen auf diese Bußgeldakte.
E NT S C H E I D U N G S G R Ü ND E: Die Klage ist zulässig, aber im wesentlichen nicht begründet. Das
Arbeitsverhältnis der Parteien wurde zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 18.7.2000, sondern durch die
außerordentliche Kündigung vom 4.9.2000 beendet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
A. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der
Feststellungsanträge gemäß § 256 ZPO bzw. gemäß § 1 KSchG. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der
Feststellung darüber, ob bzw. inwieweit die ihm gegenüber von der Beklagten ausgesprochenen Kündigungen
rechtswirksam sind oder nicht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund der Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers sowie aufgrund der
Beschäftigtenzahl der Beklagten das Kündigungsschutzgesetz gemäß §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Der
Kläger hat die Klage rechtzeitig innerhalb der Klagefrist des § 4 KSchG bzw. der §§ 13, 4 KSchG erhoben. Auch die
Klageerweiterungsanträge sind rechtzeitig innerhalb dieser Klagefrist erhoben worden.
B. Die Klage ist jedoch nur hinsichtlich des Klageantrages zu 1) begründet. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil nur dann aus wichtigem Grund unter Einhaltung
einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung
des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Im vorliegenden Falle ist das
Gericht zum Ergebnis gekommen, dass die im Zusammenhang mit der außerordentlichen Kündigung vom 18.7.2000 von der
Beklagten angeführten Kündigungsgründe nicht ausreichen, um diese außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Allerdings steht nach dem Vortrag der Parteien und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest,
dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 das Arbeitsverhältnis der Parteien zu diesem Zeitpunkt
beendet hat.
Durch die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 4.9.2000 kann dahingestellt bleiben, ob die weitere
außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 8.2.2001 und die außerdem ausgesprochenen ordentlichen
Kündigungen vom 18.7.2000, vom 4.9.2000 und vom 8.2.2001 begründet waren oder nicht.
Aufgrund der außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 4.9.2000 war auch der
Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers sowie der Antrag des Klägers auf Wiedereinstellung mit Wirkung zum 1.7.2001 abzuweisen.
I. Die außerordentliche Kündigung vom 18.7.2000 ist rechtsunwirksam. Ausreichende Kündigungsgründe im Sinne des §
626 Abs. 1 BGB lagen nicht vor.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der Geschäftsführer B. der Beklagten entsprechend dem Klägervortrag von den
Handlungen des Klägers im Zusammenhang mit der Umleitung seiner Gehaltszahlungen von der Beklagten auf die Firma
TEDAS AG München wusste und mit dieser Vorgehensweise einverstanden war. Selbst wenn der Beklagtenvortrag als
richtig unterstellt wird, wonach ausdrücklich entgegenstehende Anweisungen durch den Geschäftsführer gegeben waren,
liegt aus der Sicht des Gerichts kein Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor.
Gegebenenfalls wäre eine ordentliche Kündigung aus diesem Grunde gerechtfertigt gewesen.
Auf die Begründetheit einer hilfsweisen ordentlichen Kündigung in diesem Zusammenhang kommt es jedoch nicht an, da das
Arbeitsverhältnis ohnehin zur Überzeugung des Gerichts durch die überholende zweite außerordentliche Kündigung vom
4.9.2000 beendet worden ist.
Soweit das Handeln des Klägers im Zusammenhang mit der Umlenkung seiner Gehaltszahlungen auf die Firma TEDAS AG
München ohne Wissen und Wollen des Geschäftsführers der Beklagten oder gar gegen dessen ausdrücklichen Willen
erfolgte, handelte der Kläger sicherlich unkorrekt.
Zwischen dem Kläger und der Firma TEDAS AG München war noch kein endgültiger Vertragsabschluss zustande
gekommen, da die Parteien sich über die Laufzeit des Vorstandsvertrages noch nicht geeinigt hatten. Dem Kläger muss
allerdings zugute gehalten werden, dass er gleichwohl schon als Vorstand bei der Firma TEDAS AG München bestellt war.
Hinzu kommt, dass der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe gegen die ausdrückliche Anordnung des Geschäftsführers
B. insoweit verstoßen, von der Beklagten nicht nachgewiesen worden ist und nicht unter Beweis gestellt wurde. Das
Beweisangebot der Parteivernehmung durch Vernehmung des Klägers ist von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung
vom 8.12.2000 zurückgezogen worden.
Gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung bzw. der Einhaltung der Kündigungsfrist spricht nach Ansicht des
Gerichts im vorliegenden Falle die Tatsache, dass der Kläger mit seiner Vorgehensweise eine Schädigung der Beklagten
bzw. der Firma TEDAS AG München weder verursacht hat noch verursachen wollte.
Da das Gericht mangels entsprechendem Beweisantritt davon ausgehen muss, dass jedenfalls eine ausdrückliche gegenteilige
Anweisung des Geschäftsführers B. nicht existiert hat, war die Verhaltensweise des Klägers nicht so grob vertragswidrig,
dass das Vertrauensverhältnis der Parteien endgültig zerstört und eine weitere Zusammenarbeit bis zum AbIauf der
Kündigungsfrist unzumutbar gewesen wäre.
Dies ist der Grund, weshalb das Arbeitsverhältnis nach Ansicht des Gerichts unter Berücksichtigung der Voraussetzungen
des § 626 Abs. 1 BGB über den 18.7.2000 hinaus fortbestanden hat.
II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist jedoch durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 fristlos
zum 4.9.2000 beendet worden.
Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit seinem Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung am 3.5.2000 und den
nachfolgenden Ermittlungen des Regierungspräsidiums bzw. der Polizei ist so grob vertragswidrig, dass eine weitere
Zusammenarbeit der Parteien für die Beklagte unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles über den Zeitpunkt der
außerordentlichen Kündigung hinaus nicht mehr zuzumuten war.
1. Das Gericht muss davon ausgehen, dass die außerordentliche Kündigung unabhängig vom Ergebnis der Beweisaufnahme
schon aufgrund der unstreitigen Tatsachen gerechtfertigt war.
Den Kläger trafen als leitenden Angestellten und als Leiter des Fuhrparks der Beklagten erhöhte Sorgfalts- und
Treuepflichten. Er genoss sowohl als leitender Angestellter wie auch als Leiter des Fuhrparks eine besondere
Vertrauensposition. Diese drückte sich unter anderem auch in dem entsprechenden Gehalt des Klägers aus.
Die Beklagte musste sich darauf verlassen, dass der Kläger in dieser Vertrauensposition, insbesondere auch als
Fuhrparkleiter, sich entsprechend bewährt und bei persönlichen Betroffenheiten und Verfehlungen nicht versucht, diese von
sich abzuwälzen und damit gegebenenfalls der Beklagten zu schaden.
Genau das hat der Kläger aber getan. Er hat mit seinem Verhalten, dem Leugnen seiner Täterschaft und der mangelnden
Aufklärung die Beklagten in einem nicht zu tolerierenden Maße geschädigt. Der Kläger hat damit bewiesen, dass er nicht
geeignet ist, in einer solchen Vertrauensperson als leitender Angestellter bzw. als Fuhrparkleiter weiter zu arbeiten.
Der Kläger hatte in diesen Positionen die berechtigten Interessen der Beklagten mit besonderer Sorgfalt und in besonderer
Weise zu wahren. Dies gerade hat der Kläger aber nicht getan.
Der Kläger selbst räumt ein, dass ihm der Geschäftsführer B. etwa drei Wochen vor den Ermittlungen des
Polizeihauptmeisters M. das Anhörungsschreiben des Regierungspräsidiums wegen seiner Verfehlung mit seinem
Dienstwagen zur weiteren Veranlassung übergeben hat.
Gleichwohl hat der Kläger nichts unternommen. Er hat insbesondere gegenüber dem Regierungspräsidium nicht seine
Täterschaft eingeräumt.
Der Kläger behauptet zwar, dass ihm zu diesem Zeitpunkt unklar gewesen sei, ob er tatsächlich der Fahrer war. Er habe
keine entsprechenden Kalenderunterlagen besessen, da er offenbar einen elektronischen Kalender führte.
Der Kläger hat allerdings auch keinerlei Darlegungen darüber gemacht, welche Bemühungen er angestellt hat, um
festzustellen, wer zu dieser Zeit mit seinem Dienstwagen gefahren ist. Diese Einlassung des Klägers ist im Übrigen nicht
glaubwürdig. Es handelt sich dabei aus der Sicht des Gerichts um eine reine Schutzbehauptung, die keinesfalls den
Tatsachen entsprochen hat.
Zum einen ist festzuhalten, dass der betreffende Dienstwagen eindeutig nur dem Kläger zugeordnet war. Damit war die
Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger selbst der Fahrer war, entsprechend hoch. Der Kläger hatte drei Wochen Zeit, um sich
kundig zu machen, was er am 3.5.2000 um 9.16 Uhr getan hat bzw. wer mit seinem Wagen gefahren ist.
In Anbetracht dieser Umstände ist es nach Ansicht des Gerichts ausgeschlossen, dass der Kläger diese angeblich zunächst
herrschende Unklarheit nicht entsprechend beseitigt und Klarheit geschaffen hat. Dafür gibt es keinerlei vernünftigen Grund.
Der Kläger hat im Übrigen bewiesen, dass er schon damals ganz genau wusste, der Fahrer und damit der Verursache der
Verkehrsordnungswidrigkeit gewesen zu sein. Der Kläger hat nämlich selbst eingeräumt, dass er versucht hat, diese
Verkehrsordnungswidrigkeit nebst den Punkten an Mitarbeiter "zu verkaufen". Er hat eingeräumt, dass er Mitarbeitern
angeboten habe, bei entsprechender Falschaussage gegenüber der Polizei 100,00 DM pro fälligen Punkt in der
Verkehrssünderkartei in Flensburg zu zahlen.
Die vom Gericht vernommene Zeugin Karin P. hat dies außerdem bestätigt. Sie hat als Zeugin ausgesagt, dass der Kläger
diversen Arbeitskollegen mitteilte, er sei geblitzt worden, und sie aufgefordert hat, gegen entsprechende Bezahlung die
Straftat und die Punkte zu übernehmen.
Schon diese Vorgehensweise hält das Gericht für äußerst bedenklich. Die Beklagte muss sich darauf verlassen, dass ihr
Kaufmännischer Leiter in jeder Hinsicht korrekt handelt und auch gegenüber den Mitarbeitern entsprechend korrekt auftritt
und sie zu korrektem Verhalten veranlasst. Dies gilt ebenso für den Kläger in seiner Funktion als Fuhrparkleiter. Gerade
auch der Fuhrparkleiter muss im Interesse der Firma auf eine korrekte Handhabung der Dienstwagen und auf eine korrekte
Vorgehensweise bei Verfehlungen achten.
Im vorliegenden Falle hat aber der Kläger gegenüber den Mitarbeitern sowohl als leitender Angestellter wie auch als
Fuhrparkleiter genau das Gegenteil demonstriert. Indem der Kläger versucht hat, seine Arbeitskollegen und Untergebenen
zu einer falschen Eigenbeschuldigung und damit zu einer Unehrlichkeit anzustiften, hat er nach Ansicht des Gerichts bereits
seine vertraglichen Pflichten grob verletzt. Erschwerend kommt hinzu, dass er auch noch versucht hat, diese Falschaussage
der Arbeitskollegen durch eine finanzielle Zuwendung zu befördern.
Im Gegensatz zur Ansicht des Klägers ist das aus der Sicht des Gerichts kein Kavaliersdelikt, sondern eine schwerwiegende
Vertragsverletzung, die geeignet ist, das Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger in seiner Position als leitender
Angestellter und der Beklagten nachhaltig zu erschüttern. Eine solche Vorgehensweise ist nach Ansicht des Gerichts deshalb
im Zweifel auch schon für sich genommen geeignet, die außerordentliche Kündigung zu stützen.
Der Kläger hat weiterhin dann bei den nachfolgenden Ermittlungen des Polizeihauptmeisters M. am 4.7.2000 trotz der
Vorlage der entsprechenden Photos den ermittelnden Beamten in zweifacher Hinsicht belogen.
Er hat wider besseres Wissen behauptet, die Fahrzeuge einschließlich des Tatfahrzeuges stünden allen Bediensteten und
ihren Familienangehörigen für Privatfahrten etc. zur Verfügung. Außerdem hat er dem ermittelnden Beamten gegenüber
behauptet, dass ihm der Fahrzeugführer zur Tatzeit nicht bekannt war.
Da der Kläger bereits geraume Zeit vorher versucht hat, diese Verkehrsordnungswidrigkeit an Arbeitskollegen "zu
verkaufen", war diese Vorgehensweise im Rahmen des Arbeitsverhältnisses aus der Sicht des Gerichts besonders verwerflich.
Der Kläger und sein Prozessvertreter haben in der mündlichen Verhandlung eingewandt, dass sich niemand im Rahmen eines
Ermittlungsverfahrens selbst beschuldigen muss. Dem ist in dieser Allgemeinheit nicht zu widersprechen.
Der Kläger hat bei diesem Einwand jedoch unterschlagen, dass er sowohl seine Verkehrsordnungswidrigkeit wie auch seine
falschen Aussagen im Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis und im Zusammenhang mit den polizeilichen
Ermittlungen gegen seinen Arbeitgeber getätigt hat.
Der Kläger hat also übersehen oder übersehen wollen, dass es nicht darum geht, dass jeder Beschuldigte zumindest ein
Aussageverweigerungsrecht hat. Vielmehr bestand seine arbeitsvertragliche Pflicht im vorliegenden Falle darin, von seinem
Arbeitgeber allen ungerechtfertigten Schaden abzuwenden.
Diese Pflicht besteht besonders auch deshalb, weil der Arbeitgeber dem Kläger und den anderen Mitarbeitern die
Dienstwagen auch zu Privatnutzung zur Verfügung gestellt hat. In einem solchen Falle kann der Arbeitgeber zu Recht von
den Mitarbeitern verlangen, dass sie sich im Falle eines Rechtsverstoßes ihm gegenüber korrekt verhalten und sich zu den
entsprechenden Fehlhandlungen zu bekennen, um Schaden vom Arbeitgeber selbst und den anderen Arbeitskollegen
abzuwenden. Wenn der Arbeitgeber schon Dienstwagen zur Verfügung stellt, dann hat der Arbeitnehmer auch die Pflicht,
bei Verkehrsverstößen diese Dinge ordnungsgemäß zu regeln und nicht die Last solcher Verkehrsverstöße durch
entsprechendes Lügen und Bestreiten der Firma aufzulasten.
Dies gilt für alle Mitarbeiter, aber besonders für die Mitarbeiter in leitenden Stellungen bzw. für den Kläger als Leiter des Fuhrparks.
Mit seiner Vorgehensweise hat der Kläger die Beklagte in die Gefahr gebracht, dass der Beklagten wegen mangelnder
Aufklärung des Verkehrsverstoßes für ihren Fuhrpark die Pflicht zur Führung von Fahrtenbüchern auferlegt wurde.
Der Kläger hat diese Gefahr billigend in Kauf genommen, nur um sich selbst vor einem Bußgeld und vor zwei oder drei
Punkten zu retten.
Das Gericht hält diese Art der Vorgehensweise, insbesondere in Verbindung mit dem Versuch, Mitarbeiter zur
Falschaussage durch Geldzahlungen anzustiften, für besonders verwerflich.
Letztendlich hat die Beklagte dann zwar nicht die Pflicht zur Führung von Fahrtenbüchern direkt auferlegt bekommen. Der
Landrat des Landkreises Marburg-Biedenkopf hat jedoch im Schreiben vom 21. Juli 2000 der Beklagten für den
Wiederholungsfall eine entsprechende Anordnung ausdrücklich angedroht. Damit ist die Beklagte durch den Kläger
erheblich in Gefahr gebracht und geschädigt worden.
Schon unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts hält das Gericht einen wichtigen Grund für eine außerordentliche
Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB gegeben. Gerade auch die Abwägung der Gesamtumstände und der Umstände
des Einzelfalles zeigen, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien durch die Unwahrhaftigkeit des Klägers und
sein eigensüchtiges, gegenüber der Beklagten rücksichtsloses Verhalten so zerrüttet war, dass der Beklagten eine weitere
Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist am 30.6.2001 nicht mehr zumutbar war.
Die außerordentliche Kündigung vom 4.9.2000 war deshalb schon aus diesem Grund rechtswirksam.
2. Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass nach der Aussage der Zeugin P. der Kläger die Zeugin
außerdem angestiftet und dazu bestimmt hat, ebenfalls den ermittelnden Beamten M. zu belügen, um den Kläger zu decken.
Der vom Gericht vernommene Zeuge K. hat bestätigt, dass die Zeugin P. zu ihm kam, um nach der Rücksprache der Zeugin
mit dem Kläger bei ihm Rat einzuholen, wie sie sich verhalten solle.
Der Kläger hat zwar die Richtigkeit dieser Zeugenaussage bestritten. Das Gericht hält jedoch die Aussage der Zeugin P. und
die Aussage des Zeugen K. unter Abwägung aller Umstände für jedenfalls im Wesentlichen glaubhaft und richtig.
Diese Überzeugung des Gerichts wird auch durch die Aussage des Polizeihauptmeisters und Zeugen M. nicht erschüttert.
Die Zeugenaussage M. zeigt, dass sich der Zeuge an die Einzelheiten seiner Ermittlungen am 3.5.2000 nicht mehr erinnerte.
Dies hat er immer wieder betont.
Diese entsprechende Einschränkung des Zeugen M. ist für das Gericht auch nachvollziehbar und glaubhaft. Der Zeuge hat
zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ermittlungen in dieser Verkehrsordnungswidrigkeit für ihn eine Routineangelegenheit
waren, wie sie durchaus öfters vorkommen. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich der Zeuge M. nach knapp einem
Jahr nicht mehr an diverse Einzelheiten erinnern kann.
Aus diesem Grunde können letztendlich auch gewisse Widersprüchlichkeiten zwischen der Zeugenaussage P. und der
Zeugenaussage M. dahin gestellt bleiben. Die Zeugenaussagen sind allerdings nicht so Grund verschieden, wie der Kläger es
in der mündlichen Verhandlung und Zeugeneinvernahme meinte. Der Zeuge hat zum Beispiel sich noch vage daran erinnert,
dass er zunächst in das Zimmer des Klägers durch die Sekretärin geführt wurde. Dann aber soll ihn der Kläger in ein anderes
Zimmer auf der anderen Seite des Flures geführt haben. Dies würde mit der Aussage P. übereinstimmen, wonach der Kläger
die Zeugin P. aufforderte, zu dem Polizisten in das Konferenzzimmer zu gehen.
Interessant ist auch, dass der Kläger dem Zeugen ein Schriftstück vorlegte oder vorlegen ließ, wonach die Dienstfahrzeuge
der Beklagten von einer größeren Anzahl von Mitarbeitern benutzt werden können, gegebenenfalls auch von
Familienangehörigen für Privatfahrten.
Der Zeuge erklärte, dass er sich an dieses Schreiben - im Gegensatz zu den anderen Vorkommnissen - deshalb so genau
erinnert, weil ihm dies sehr ungewöhnlich vorkam.
Die Tatsache, dass der Kläger ein solches Schreiben schon parat hatte und selbst vorlegte oder vorlegen ließ, zeigt, dass sich
der Kläger durchaus auf den Auftritt des Polizisten vorbereitet hatte, auch wenn der Zeuge für diesen Tag nicht angemeldet
war. Das Unterbreiten dieses Schreibens gegenüber dem Zeugen stellte eine weitere bewusste Irreführung des Zeugen dar.
Der Kläger wollte damit von der persönlichen Zuordnung der Dienstfahrzeuge ablenken und seine falsche Version der Dinge
bestärken. Dies ist dem Kläger auch gelungen.
Wie bereits ausgeführt, ist diese Unwahrhaftigkeit des Klägers aus reinem Eigennutz zu Lasten der Interessen der Beklagten
für sich genommen schon ausreichend, um die außerordentliche Kündigung vom 4.9.2000 zu rechtfertigen.
Die durch die Zeugin P. unter Abwägung aller Widersprüchlichkeiten und unter Berücksichtigung des weit zurückliegenden
Ereignisses gleichwohl glaubhaft und überzeugend dargelegte Anstiftung zur Falschaussage durch den Kläger stellt
letztendlich nur noch einen weiteren Grund für die Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung vom 4.9.2000 dar.
Es ist damit festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten zum
4.9.2000 endete.
III. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung der Beklagten vom 4.9.2000 war der Antrag des
Klägers auf Prozessbeschäftigung wie auch der Antrag des Klägers auf Wiedereinstellung zum 1.7.2001 ebenfalls abzuweisen.
IV. Wegen dieser Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 4.9.2000 konnte das Gericht dahingestellt bleiben lassen, ob die
weitere außerordentliche Kündigung vom 8.2.2001 wegen versuchten Prozessbetruges und die drei weiteren ordentlichen
Kündigungen zum 30.6.2001 bzw. zum 31.12.2001 gerechtfertigt und wirksam waren.
V. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er im Wesentlichen unterlegen ist, § 92 ZP0. Die gemäß § 61
Abs. 1 ArbGG im Urteil vorzunehmende Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 12 Abs. 7 ArbGG in Verbindung mit
§ 3 ZPO.
Das Gericht hat den Gegenstandswert aller außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen zusammen gemäß § 12 Abs. 7
ArbGG auf drei Monatsgehälter festgesetzt. Dies folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Hessischen
Landesarbeitsgerichts schon daraus, dass alle drei außerordentlichen Kündigungen und alle drei hilfsweisen ordentlichen
Kündigungen in einem unmittelbaren zeitlichen und letztendlich auch sachlichen Gesamtzusammenhang stehen. Den
prozessualen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers und den Antrag auf Wiedereinstellung hat das Gericht mit einem
Monatsgehalt gewertet.
* Quelle: eigene