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Grätscht ein Spieler von hinten mit gestrecktem Fuß gegen einen bereits mit dem Ball in Richtung Tor laufenden Gegner und dabei
mit einer solchen Fußhaltung und Wucht, dass er diesen in Höhe des mittigen Wadenbeins trifft mit der Folge eines offenen Bruchs
von Waden- und Schienbein mit Aufsplitterung des Knochens nach vorne, dann lässt sich diese Aktion wegen ihres hohen
Verletzungsrisikos auch dann nicht mehr als lediglich im Grenzbereich zwischen Härte und Unfairness liegend entschuldigen, wenn
der Angreifer dabei gemeint hatte, es bestehe noch eine realistische Chance, an den Ball zu kommen.
Zum Sachverhalt: Der Kl. macht gegen den Bekl. Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüche wegen einer erheblichen
Verletzung seines rechten Unterschenkels geltend: Er erlitt einen Schien- und Wadenbeinbruch mit Knochenaufsplitterung, weil der
Bekl. von hinten in sein Bein hineingegrätscht war. Das LG hat die Klage abgewiesen, weil nicht erwiesen sei, dass der Bekl. nicht
den Kl. sondern den Ball zu treffen versuchte. Die Berufung des Kl. gegen dieses Urteil hatte, wenn auch nicht in vollem Umfange
der Höhe nach, so doch zum Grund des Anspruchs Erfolg.
Aus den Gründen: 1. Nach ganz herrschender Meinung unterliegt die Haftung für Verletzungen bei einem Fußballspiel besonderen
Voraussetzungen, um dadurch dem Umstand gerecht zu werden, dass hier alle Beteiligten einvernehmlich einen mit üblicherweise
auch körperlichem Einsatz geführten Wettkampf betreiben, der - wie den Spielern auch bewusst ist - die erhöhte Gefahr der
Zufügung gegenseitiger Verletzungen in sich birgt. Es muss daher zum einen ein (objektiver) Regelverstoß vorliegen und zum
anderen bei der Frage, ob er schuldhaft begangen worden ist, die Besonderheit des Wettkampfsports berücksichtigt werden. Denn
Hektik und Eigenart des Fußballspiels als blitzschnelles Kampfspiel fordern von dem einzelnen Spieler oft Entscheidungen und
Handlungen, bei denen er in Bruchteilen einer Sekunde Chancen abwägen und Risiken eingehen muss, um dem Spielzweck
erfolgreich Rechnung zu tragen. Bei einem so angelegten Spiel darf der Maßstab für einen Schuldvorwurf nicht allzu streng
bemessen werden. Liegt das regelwidrige Verhalten noch im Grenzbereich zwischen der einem solchen Kampfspiel eigenen
gebotenen Härte und einer unzulässigen Unfairness, so ist ein haftungsbegründendes Verschulden nicht gegeben (OLG Hamm,
NJWE-VHR 1998, 213= VersR 1999, 1115; VersR 1998, 68 jeweils unter Bezugnahme auf BGH, VersR 1976,591).
2. Der Regelverstoß ist erwiesen, im übrigen aber auch unstreitig. Denn der Bekl. hat bei seinem Hineingrätschen in die
Laufrichtung des Kl. tatsächlich nicht den Ball getroffen, sondern den rechten Unterschenkel des Kl. in Höhe der Mitte des Schien-
und Wadenbeins. Nach der für das ausgetragene Fußballspiel geltenden Regel 12 des Deutschen Fußballbundes - die auch für
Freundschaftsspiele gilt - darf ein Spieler aber nur gegen den Ball, nicht gegen den Gegner treten. Dieser Tritt ist - ebenso unstreitig
- auch Ursache für die schwere Verletzung des Kl. gewesen. Damit steht fest, dass der Bekl. durch einen (objektiven> Regelverstoß
die Körperverletzung desKl. verursacht hat.
3. Bei der Frage des Verschuldens hat das LG auf der oben dargestellten rechtlichen Grundlage zunächst zutreffend die Frage
aufgeworfen, ob der Angriff des Bekl. darauf gerichtet war, den Ball zu treffen und dadurch der Kontrolle des ballfährenden Kl. zu
entziehen, dabei aber absichtslos fehlgegangen ist oder ob eine Spielsituation vorgelegen hatte, bei der es aus Sicht des Bekl. als
aussichtslos erscheinen musste, den Ball zu treffen und sein Angriff daher tatsächlich nur noch dem Kl. selbst gelten konnte in der
Absicht, ihn dadurch an der weiteren. Ballführung zu hindern (also schlagwortartig: Sollte - regelkonform - der Ball vom Gegner
oder sollte - regelwidrig - der Gegner vom Ball getrennt werden). Dabei hat das LG auch konsequent die Prüfung der Frage ins
Zentrum seiner Feststellungen gestellt, ob der Kl. den Ball beim Angriff des Bekl. praktisch noch am Fuß oder aber bereits so weit
vorgelegt hatte, dass die "Grätsche" des Bekl. gar keine realistische Chance mehr bieten konnte, den Ball zu treffen und deshalb nur
noch geeignet gewesen war, den Kl. durch einen Tritt zu Fall zu bringen, ein Vorhaben, das auch unter den Maßstäben des
Wettkampfspiels nicht nur als Verstoß gegen die Wettkampfregel, sondern auch als grobe Verletzung des Fairnessgebots anzusehen
wäre und daher in jedem Fall hätte unterbleiben müssen. Dem LG ist auch dahin Recht zu geben, dass die Beweisaufnahme
jedenfalls nicht zweifelsfrei den Nachweis dafür erbringen konnte, bei der konkreten Spielsituation habe beim Angriff des Bekl.
keinerlei Aussicht mehr bestanden, den Ball noch zu erreichen, ohne dabei den Kl. zu verletzen.
4. Diese allein auf die Frage nach der Lage des Balls ausgerichtete Prüfung wird nach Ansicht des Senats aber der konkreten
Situation nicht völlig gerecht, da hierdurch besonderen Umständen des Sachverhalts nicht genügend Beachtung geschenkt ist, die
für das Überschreiten der Grenze zwischen gerade noch (trotz objektivem Regelverstoß) erlaubter Härte und unzulässiger grober
Unfairness sprechen. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass das so genannte "Abgrätschen" des ballspielenden Gegners zwar eine
übliche und durchaus auch erlaubte Technik ist, soweit sie dem Ball und nicht dem Gegner gilt. Sie ist aber auch bei einer solchen
lediglich dem Ball geltenden Absicht dennoch mit einem hohen Verletzungsrisiko behaftet, da es hierbei leicht - etwa im Übereifer,
wegen Fehleinschätzung der Situation, insbesondere von Bewegungsrichtungen, wegen mangelhafter Kontrollmöglichkeit des
eigenen grätschenden Körpers oder auch eigener technischer Unfertigkeiten - auch oder sogar ausschließlich zu einem Tritt gegen
die Beine des Gegners kommen kann. Dies insbesondere dann, wenn das Grätschen nicht gegenüber einem stehenden, den ruhenden
Ball kontrollierenden Gegner erfolgt, sondern - wie unstreitig hier - gegenüber einem Gegner, der sich bereits im Lauf befindet und
sich den Ball nun vielleicht beim Ansetzen der Grätsche zwar noch nicht um eine vom Angreifer nicht mehr erreichbare Strecke
vorgelegt hat, jedoch aber, da ja in Bewegung Richtung Tor befindlich, dies jeden Sekundenbruchteil ausführen kann und wird; dies
zu verhindern, ist ja gerade der Sinn der Grätsche.
Es ist bereits aus diesem Grund - über die Aussage in den oben zitierten Entscheidungen hinaus - ernsthaft zu überlegen, ob dem in
einer solchen Situation von hinten oder zumindest von seitlich hinten kommenden Spieler nicht generell die Unterlassung einer
derart gefährlichen Aktion zu gebieten und deshalb die Ausführung in solchen Fällen generell als grober Verstoß gegen die Gebote
der Fairness anzusehen wäre, unabhängig davon, ob aus seiner Sicht vielleicht tatsächlich doch noch eine realistische Chance
bestehen könnte, den Ball und nicht den Gegner zu treffen. Diese Überlegung kann aber letztlich dahin stehen, weil hier noch
weitere Besonderheiten zu beachten sind.
Der Bekl. hat dieses Grätschen mit gestrecktem Fuß (diese Behauptung des Kl. ist nicht bestritten und sogar von eigenen Zeugen
des Bekl. bestätigt worden) von hinten (getroffen ist die Wade) und dabei mit einer solchen Wucht ausgeführt, dass ein offener
Bruch von Waden- und Schienbein eingetreten ist mit Aufsplitterung der Knochen nach vorne. Die Fusshaltung des Bekl. bei dieser
Aktion war überdies so hoch, dass das Wadenbein mittig betroffen worden ist, eine Tritthöhe, bei der die Annahme schwer fällt, es
sollte der - unstreitig - auf dem Boden befindliche Ball und nicht der weglaufende Gegner selbst am Bein getroffen werden.
Lassen diese Umstände nicht ohnehin bereits die Überzeugung zu, dass tatsächlich nicht der Ball, sondern nur noch der Gegner
angegriffen werden sollte, so ist doch zumindest die Annahme gerechtfertigt, dass ein derart von hinten in Richtung auf einen mit
dem Ball nach vorne weglaufenden Gegner geführter Angriff auch aus Sicht des wettkampfgestressten und übereifrigen Spielers ein
derart hohes Verletzungsrisiko in sich birgt, dass er keinesfalls mehr als sich bloß im Grenzbereich zwischen Härte und Unfairness
liegend entschuldigt werden kann. Hinzu kommt, dass es sich ja auch lediglich um ein Freundschaftsspiel gehandelt hat, bei dem
zwar sicher jeder Mitspieler sein Bestes geben will, dabei aber zumindest stillschweigend ein gewisser Vertrauenstatbestand dahin
besteht, es werde wegen der vergleichsweise geringeren Bedeutung nicht so sehr "zur Sache gegangen" und im Zweifel auch mal
eher der Fuß zurückgezogen wie bei einem mehr ergebnisorientierten regulären Wettkampfspiel und bei dem daher an die Gebote
der Fairness und damit auch an den Maßstab der gebotenen und erforderlichen Sorgfalt höhere Anforderungen gestellt werden dürfen.
Eine Haftung des Bekl. ist daher zu bejahen, ohne dass es auf die vom LG als offen angesehene Beweisfrage ankäme, ob aus Sicht
des Bekl. überhaupt eine realistische Chance darauf bestanden hatte, den Ball ohne Verletzung des Kl. zu erreichen. Die Art und
Weise seiner Aktion, mit der er diese (vermeintliche) Chance nutzen wollte, beinhaltete ein derart hohes Gefahrenmoment, dass sie
unbedingt hätte unterbleiben müssen und daher auch unter den besonderen Bedingungen eines Fußballspiels als unentschuldbar
angesehen werden muss.