BGB § 826

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LG Limburg, Urteil vom 16.10.1996 - 3 S 368/95 -

Auf die Berufungen der Parteien wird das am 2.11.1995 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wetzlar (32 C 1879/94) abgeändert und der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.3.1994 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in Höhe eines Betrages von 3.787,73 DM erledigt hat. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen der Parteien werden zurückgewiesen. ...

Die Klägerin handelt mit Lederwaren. Sie hat von dem Beklagten als früheren Geschäftsführer der Firma FV GmbH die Bezahlung von drei Warenlieferungen aus dem Zeitraum Juni bis September 1992 in Höhe von 3.802.73 DM zuzüglich Mahnkosten, insgesamt 5.829,41 DM verlangt. Zur Begründung ihrer Forderung hat die Klägerin vorgetragen, sie habe die Filiale N. der Firma FV zu einem Zeitpunkt mit Waren beliefert, als diese Firma bereits zahlungsunfähig und überschuldet gewesen sei. Im Wege des Durchgriffes müsse daher der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen.

Die Klägerin hat ihre Forderung zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht. Ein entsprechender Vollstreckungsbescheid wurde dem Beklagten am 26.3.1994 zugestellt. Am 31.3.1994 ging bei dem Mahngericht ein nicht unterzeichnetes Exemplar eines Widerspruchs ein, an das eine Kurzmitteilung unterzeichnet "i.A. K.", die Ausfertigung des Mahnbescheides, die beglaubigte Kopie eines Protokolls der außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Firma FV sowie ein unbeglaubigter Handelsregisterauszug über diese Firma beigefügt waren (Bl. 12 - 16 d.A.). Nach Anschreiben durch das Mahngericht hat der Beklagte mit Schreiben vom 26.4.1994 mitgeteilt, er lege Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid ein (Bl. 21 d.A.).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Einspruch sei nicht rechtswirksam erhoben worden, so dass der Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten werden müsse. Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Forderungsberechtigung der Klägerin bestritten.



Durch das angefochtene Urteil, auf das zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat das Amtsgericht den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 24.3.1994 in Höhe von 3.787,73 DM aufrechterhalten und im übrigen die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Beklagte habe rechtswirksam Einspruch gegen den Mahnbescheid erhoben (§ 694 Abs. 2, 700 ZPO). Es sei unmaßgeblich, dass das "Widerspruchs"-Schreiben von dem Beklagten nicht unterzeichnet worden sei, weil sich die Unterschrift auf einem Begleitschreiben befinde. Es sei davon auszugehen, dass die unterzeichnende Person Kleineberg zur Einlegung des Widerspruchs bevollmächtigt gewesen sei. Der Beklagte sei allerdings nach § 433 Abs. 2 i.V.m. § 826 BGB verpflichtet, die gelieferten Waren zu bezahlen. Er habe die Anlieferung der Waren nicht ausreichend bestritten. Als Geschäftsführer der Firma FV GmbH sei er verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die finanzielle Situation der Gesellschaft hinzuweisen. Nachdem er dies unterlassen habe, müsse er für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen. Die weiter im Vollstreckungsbescheid aufgeführten Nebenforderungen seien nicht nachvollziehbar dargelegt.

Beide Parteien haben gegen das Urteil Berufung eingelegt. Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Amtsgericht hätte den Einspruch des Beklagten nicht zulassen dürfen, da er den strengen Anforderungen der Rechtsprechung an die bestimmenden Schriftsätze (§ 130 ZPO) nicht genüge. Nachdem ihre Forderung zwischenzeitlich durch den früheren Mitgesellschafter des Beklagten ausgeglichen worden ist, beantragt die Klägerin festzustellen, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat.

Der Beklagte verfolgt mit seiner Berufung sein erstinstanzliches Ziel der Klageabweisung weiter. Er bestreitet nach wie vor, dass die Firma FV die streitgegenständlichen Warenlieferungen erhalten hat. Außerdem sei die Gesellschaft nicht überschuldet gewesen, weil Warenvorräte in ausreichendem Maße bestanden hätten. Zumindest ihm selbst sei von einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nichts bekannt gewesen.

Die Rechtsmittel der Parteien sind statthaft und zulässig, das des Beklagten als unselbständige Anschlussberufung. Sie sind jedoch nicht begründet.



Zu Recht hat das Amtsgericht den Einspruch des Beklagten gegen den Vollstreckungsbescheid zugelassen (§ 700 Abs. 3, 340 Abs. 2 ZPO). Die Kammer folgt zwar der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein bestimmender Schriftsatz von dem Urheber unterzeichnet werden muß (vgl BGHZ 101, 139 = NJW 87, 2588 ff., Ablichtung Bl. 110 ff. d.A.). Der Bundesgerichtshof hat es jedoch auch zugelassen, dass sich die Unterschrift auf einem Begleitschreiben befindet, wenn zweifelsfrei festgestellt werden kann, dass der Unterzeichnende die Verantwortung für den Inhalt des beigefügten - nicht unterzeichneten - Schriftsatzes trägt (BGH NJW 86, 1760). Maßgeblich ist, ob sich Erklärungsinhalt und Urheber bei Eingang des Schriftsatzes zweifelsfrei erkennen lassen (vgl. LG Hamburg NJW 86, 1997, 1998). Diese Anforderungen sind hier erfüllt.

Einspruch und Widerspruch können im Mahnverfahren auch von einem Bevollmächtigten eingelegt werden (§ 703 ZPO). Dieser muß seine Vollmacht nicht nachweisen, sondern sie lediglich versichern. Die Versicherung ist hier durch die Unterzeichnung der Person Kleineberg mit dem Zusatz "i.A." in ausreichendem Maße dargelegt (vgl. Baumbach-Hartmann, ZPO, 54. Aufl., Rdn. 2 zu § 703). Es ist außerdem bestimmbar, was der oder die bevollmächtigte Kleineberg mit ihrer Unterschrift erklären wollte. Die Kurzmitteilung war mit dem Widerspruchsformular, dem Gesellschafterbeschluss und dem Handelsregisterauszug fest verbunden, so dass sich ohne weiteres ersehen läßt, dass der Vollstreckungsbescheid angefochten werden sollte. Dies hat letztendlich auch das Mahngericht Stuttgart so gesehen.



Zu Recht, und mit zutreffender Begründung, hat das Amtsgericht auch den Beklagten im Wege der Durchgriffshaftung zur Zahlung der streitgegenständlichen Warenlieferungen verurteilt. Es lagen Verbindlichkeiten der Firma FV GmbH vor, weil die Klägerin substantiiert dargelegt hat, wann sie diese Gesellschaft mit welchen Waren beliefert hat. Das pauschale Bestreiten des Beklagten mit Nichtwissen ist unerheblich, da er als ehemaliger Geschäftsführer der Gesellschaft in der Lage und damit auch verpflichtet war, sich über diese Warenlieferungen zu informieren (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., Rdn. 20 zu § 138). Es liegt auch eine sittenwidrige Schädigung vor, weil der Beklagte bei Abschluss der Kaufverträge seinen Offenbarungspflichten nicht nachgekommen ist. Wenn der Geschäftsführer eines Unternehmens weiß oder zu mindestens wissen muß, dass seine Gesellschaft zur Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht in der Lage ist, so muß er dies dem Vertragspartner bei der Bestellung anzeigen. Wegen der beschränkten Haftung der GmbH ist es hier sogar ausreichend, dass die Erfüllung der Verbindlichkeiten wegen der Überschuldung der Gesellschaft schwerwiegend gefährdet wird (vgl. BGH WM 91, 1548, 1551 ff. m.w.N.).* Aus den Darlegungen der Klägerin ergibt sich, dass diese überschuldet war, weil den Verbindlichkeiten keine relevanten Aktivposten gegenüberstanden. Die Darlegung des Beklagten in seiner Berufungsbegründung, es hätten Warenbestände im Wert von 500.000,-- DM vorgelegen, ist unerheblich, da gerichtsbekannt Textilien in aller Regel unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden und damit nicht als Aktivposten verbucht werden können. Der Beklagte hat auch selbst eingeräumt, dass er für sein Unternehmen in der Zukunft einen negativen Geschäftsverlauf erwartete, so dass er verpflichtet war, die Lieferanten auf die angespannte finanzielle Situation seines Unternehmens hinzuweisen. Nachdem er dies unterlassen hat, er für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft einstehen. Nach der Zahlung hat sich daher die Hauptsache in dem vom Amtsgericht ausgesprochenen Umfang erledigt, weswegen das erstinstanzliche Urteil aufzuheben war (vgl. Zöller ZPO 18. Aufl., Rn 50 zu § 91 a).

Die von der Klägerin weiter geltend gemachten Mahnkosten und Anwaltsgebühren sind trotz des Hinweises durch das Amtsgericht nicht näher substantiiert worden, so dass die Kammer auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verweisen kann. ...



* Hervorhebung durch Redaktion