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Am Ende der Tagung stand ein Minimalkonsens. Dieser beinhaltet, dass Bundesgesetze weiterhin im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden sollen. Dies ist nichts neues. Es ergibt sich unmittelbar aus Artikel 82 I GG. Danach sind die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustandegekommenen Gesetze im Bundesgesetzblatt zu verkünden. Entsprechendes gilt grundsätzlich auch für Rechtsverordnungen. Darüber hinaus gab es keinen Widerspruch dagegen, dass das, was im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wird, kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt im Internet für jedermann zur Verfügung zu stellen. Die Geister scheiden sich jedoch an der Frage, wie mit den zu konsolidierenden bzw. konsolidierten Neufassungen (Gesamtgesetzestext mit eingearbeiteten Änderungen) verfahren werden soll.
Nachfolgen sollen die sich gegenüber stehenden Ansichten dargestellt werden.
Von wem die Gegenposition eingenommen wird, läßt sich leicht ausmachen. Es gibt zirka 25 Verlage in der Bundesrepublik Deutschland, die gegen Entgelt überarbeitete Gesetzestexte herausgeben. Aus dieser Richtung werden die maßgeblichen Gegenargumente vorgetragen.
Die Bundesregierung scheint ihren Meinungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen zu haben. Sie verhält sich zurückhaltend. Sie hat im Rahmen der Tagung auf
§ 63 III der Bundeshaushaltsordnung hinweisen lassen. Danach dürfen Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Ausnahmen können im
Haushaltsplan zugelassen werden. Notwendig ist somit eine Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers, wenn nicht zugleich eine gesetzliche Grundlage für die
kostenlose Veröffentlichung von Rechtsvorschriften im Internet geschaffen wird.
In Frankreich sind urheberrechtliche Bedenken gegen eine Veröffentlichung konsolidierter Rechtsvorschriften im Internet erhoben worden. Sie wurden jedoch nicht aufrecht erhalten. Auch während des 8. EDV-Gerichtstages waren keine Argumente zu hören, aus denen sich ergibt, dass eine kostenlose Veröffentlichung der Rechtsvorschriften im Internet aus urheberrechtlichen Gründen bedenklich sein könnte.
Seitens der Verlage wurde die Auffassung vertreten, eine kostenlose Veröffentlichung von Rechtsvorschriften im Internet in konsolidierter Form erfolge ohne Not, ohne Sinn und ohne Verstand (Schäfer, Nomos-Verlag). Es sei alles wohl geregelt. In den vergangenen Jahrzehnten habe die Privatwirtschaft gute Dienste bei der Veröffentlichung konsolidierter Gesetzestexte geleistet. Es sei kein Fehler, diese privatwirtschaftliche Organisation beizubehalten. Zweifellos sei die Konsolidierung der Gesetzestexte durch private Verlage kostengünstiger. Wenn jedoch die privaten Modelle wirtschaftlich funktionierten, gebe es keine Veranlassung, dieses System zu ändern.
Die Veröffentlichung konsolidierter Gesetzestexte im Internet erfordere darüber hinaus kostenlose Investitionen durch den Bund. Ein solcher Finanzaufwand sei bei einem funktionierenden System nicht notwendig.
Von einer Gefahr für die Rechtsentwicklung und ordnungspolitischen Grundsatzfragen war die Rede. Es war jedoch nicht klar auszumachen, worin denn die Gefahr
für die Rechtsentwicklung bestehen könnte. Welche ordnungspolitischen Grundsatzfragen einer Veröffentlichung konsolidierter Rechtsbestimmungen im Internet
entgegenstehen sollen, war ebenfalls nicht in Erfahrung zu bringen.
Frau Bundesministerin der Justiz Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin machte in ihrem Grußwort an den 8. EDV-Gerichtstag darauf aufmerksam, dass der Staat darauf achten müsse, nicht in den privaten Wettbewerb der Verlage einzugreifen.
Die Interessen der Nicht-Internet-Benutzer müßten berücksichtigt werden. Es bestehe gar die Gefahr der Erschwerung des Zugangs zum Recht durch die vorgeschlagene Verfahrensweise. Die Gegner sehen gar eine Gefahr für das gesamteRechtsinformationssystem. Eine Gefahr für die Rechtsentwicklung bestehe insbesondere darin, dass Gesetzestexte nicht in derSprache des Volkes abgefasst seien. Die kostenfreie Veröffentlichung der Gesetzestexte sei gefährlich, weil der Bürger die Gesetze nicht verstehe.
Wirtschaftliche Gesichtspunkte wurden in den Vordergrund gerückt. Dabei wurde in erster Linie darauf hingewiesen, dass die Konsolidierung von
Gesetzestexten Mehrwert erzeuge. Es sei das Recht der „Privaten", diesen Mehrwert abzuschöpfen.
Es sei zwingend, die entsprechenden Märkte zu erhalten und nicht zu zerschlagen. Falls sich z. B. der Bund dazu entschließe, Gesetzestexte in konsolidierter Form
im Internet zu veröffentlichen, werde dies ein Verlagssterben und eine Auflösung des Marktes zur Folge haben. Dies werde auch Folgewirkungen zeichnen. Es
bestehe ein Zusammenhang mit dem Wegfall derPreisbindung. Die Konzentration werde zunehmen. Es werde weniger Verlage geben. Auch im juristischen Bereich
werde dies eine Abnahme der Vielfalt zur Folge haben. Dies gelte insbesondere auch für die Veröffentlichung von
Die Sprecher der Verlage brachten vor, die Qualität der Daten könne nicht sichergestellt werden. Es könne Probleme bei derAktualisierung der Gesetzestexte geben.
Die Überarbeitung der Altfassungen sei nicht sichergestellt. Das Bundesgesetzblatt enthalte häufig Fehler, weshalb die Redaktionen Verlage oft Hinweise in
Richtung des Verlages des Bundes geben müßten. Nur auf diese Weise sei sichergestellt, dass die im Bundesgesetzblatt veröffentlichen Fehler korrigiert würden. Es
sei ein Verdienst der Verlagsredaktionen.
Die Notwendigkeit der Diskussion ergebe sich allein daraus, dass der Bundestag seinen Aufgaben nicht nachkomme. Auch aus der Richtung der Verlage wurde die Auffassung vertreten, es sei die Pflicht des Bundestages, konsolidierte Gesetze zu beschließen. Die derzeitige Gesetzgebungspraxis sei unbefriedigend. Aus der derzeitigen Änderungspraxis folge der Zwang zur Konsolidierung. Diese Aufgabe habe die Privatwirtschaft gerne übernommen. Seit Jahren habe dieses System gut funktioniert. Ein Änderungsbedarf bestehe nicht. Etwas anderes möge gelten, wenn der Bundestag seinerseits seine Aufgaben erfülle.
Die Befürworter frei zugänglicher und konsolidierter Gesetzestexte im Internet vertreten ihre Positionen ebenso vehement und mit Nachdruck. Sie sind von der rechtlichen Argumentation der Gegner, insbesondere von dem Hinweis auf § 63 III BHO, nicht überzeugt. Sie vertreten die Auffassung, dass es darum gehe, die öffentliche Grundversorgung sicherzustellen. Bei konsolidierten Gesetzestexten handele es sich nicht um einen Vermögensgegenstand bzw. ein Wirtschaftsgut. Zugleich handele es sich um ein öffentliches Gut.
Schon daran ist zu erkennen, dass schwere Geschütze aufgefahren worden sind. Aus der Sicht der Befürworter streiten für eine Veröffentlichung konsolidierter
Rechtsbestimmungen im Internet das Rechtsstaatsprinzip, das Gleichheitsgebot, dasDemokratieprinzip und das Öffentlichkeitsprinzip. Grundvoraussetzung einer
jeden Demokratie sei die Transparenz. Die Veröffentlichung konsolidierter Rechtsbestimmungen im Internet werde zur Folge haben, dass das Recht für den Bürger
zugänglicher und verständlicher.
Der derzeitige Zustand sei unbefriedigend. Die Veröffentlichungspraxis im Bundesgesetzblatt führe zu keiner ausreichenden Information. Mit der Verkündung von Änderungsbestimmungen werde die geltende Gesetzeslage keineswegs klarer, sondern eher unklarer. Von der derzeitigen unbefriedigenden Situation seien alle Nutzer von Rechtsinformationen betroffen. Hier sei nicht nur der Bürger angesprochen. Die Defizite beträfen Gerichte, Staatsanwaltschaften, Notariate und die Rechtsanwaltschaft. Aus der Richtung der versammelten Richterschaft gab es Beschwerden darüber, dass es bei den Gerichten aus den bekannten finanziellen Gründen schwierig sei, die geltenden Gesetzesbestimmungen aufzufinden. Es sei nur schwer überprüfbar, ob die sodann verfügbaren Texte aktuell seien. Dies könne zu einer unterschiedlichen und mit demGleichheitsgebot nicht zu vereinbarenden unterschiedlichen Rechtsanwendung führen.
Die Befürworter sind der Meinung, die Veröffentlichung konsolidierter Gesetzestexte entsprechen demWirtschaftlichkeitsgebot. Für alle Teile der Justiz, aber auch für den freien Bürger sei es notwendig, raschen Zugriff auf die das Recht repräsentierenden Gesetze zu haben. Auf autorisierte, lesbare und im Internet veröffentlichte staatliche Texte könne jedermann sofort zugreifen. Die damit verbundene Kosteneinsparung könne noch nicht abgeschätzt werden. In vielen Bereichen werde jedoch langwierige Sucharbeit überflüssig bzw. vermindert. Die insoweit freiwerdenden Ressourcen könnten anderweitig genutzt werden. Es liege auf der Hand, dass Kostenvorteile zu erwarten
In die bestehende Verbreitungslücke seien die Verlage getreten. Solange die Lücke bestanden habe, sei es durchaus legitim gewesen, dass Verlage mit öffentlichen
Leistungen Geld verdienen. Die Verlage müßten sich darauf verweisen lassen, dass sie über lange Jahre hinweg eine wichtige Funktion ausgeübt hätten. Nun könne
jedoch die Lücke mit einer anderen Informationstechnik geschlossen werden. Die Verlage müßten sich daher darauf konzentrieren, echten Mehrwert zu schaffen.
Dieser werde auch gerne bezahlt.
Es sei ein grundlegender Wandel eingetreten. Dieser Entwicklung dürfe sich der Staat nicht verschließen. DieInformationstechniken böten völlig neue Möglichkeiten. Diese dürften nicht ungenutzt bleiben, um das Recht zu verbreiten.
Die Nutzerinteressen müßten in den Vordergrund gestellt werden. Die bestehenden Rechtsinformationsmonopole dürften sich diesem Unterfangen nicht entgegenstellen. Die bestehenden schnellen Wege zur Veröffentlichung konsolidierter und autorisierter Gesetze müßten genutzt werden.
Dabei sei der Autorisierungsgedanke von besonderer Bedeutung. Die von den privaten Verlagen veröffentlichten Texte seien nicht autorisiert. Dieses Autorisierungsdefizit könne kompensiert werden, wenn der Staat seine Rechtsbestimmungen unmittelbar in konsolidierter Form kostenfrei im Internet veröffentliche.
Für den Staat sei damit kein wirtschaftlicher Mehraufwand verbunden. Für ihn sei es wesentlich einfacher, im Bundesgesetzblatt verkündete Gesetzestexte zu konsolidieren. Dort sei der gesamte Datenbestand vorhanden. Darüber hinaus könne nicht in Abrede gestellt werden, dass der Staat selbst über konsolidierte Gesetzestexte in digitalisierter Form verfüge. Die Texte seien bereits da. Der zusätzliche Konsolidierungsaufwand, der von den Verlagen betrieben werde, sei überflüssig.
Die wirtschaftlichen Argumente der betroffenen Verlagsgesellschaften seien nicht von besonderem Gewicht. Vielmehr sollten auch die Verlage froh darüber sein, wenn der Staat ihnen kostenlose Gesetzestexte in konsolidierter Form zur Verfügung stelle. Dies habe auch für die Verlage wirtschaftliche Vorteile.
Selbstverständlich solle nichts daran geändert werden, dass auch weiterhin Gesetze im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Darin könne sich jedoch im Interesse des Bürgers die Verkündungsfunktion nicht erschöpfen. Wenn es eine einfache technische Möglichkeit gebe, Recht zu verbreiten und für alle zugänglich zu machen, müsse diese Möglichkeit genutzt werden.
Die Veröffentlichung staatlich autorisierter und konsolidierter Gesetzestexte führe zweifellos zu einer Verbesserung derRechtssicherheit. Zugleich könnten die bestehenden Unzulänglichkeiten vermindert werden.
Ein weiteres Argument der Befürworter für eine kostenlose Veröffentlichung von konsolidierten Gesetzestexten im Internet ist, dass auf diese Art und Weise Rechtsstreitigkeiten vermieden werden könnten. Der Bürger werde besser informiert sein. Ein aufgeklärter Bürger werde jedoch weniger streiten. So werde auch die Veröffentlichung von Gesetzesbestimmungen zu einer Entlastung der Justiz führen.
Die Argumentation, wonach die kostenfreie Veröffentlichung der Gesetzestexte in dieser Form gefährlich sei, weil der Bürger die Gesetze nicht verstehe, sei
fragwürdig. Es sei ja nicht sichergestellt, dass der Bürger, Gesetzestexte, die er bezahlt habe, besser verstehe.