VGH Mannheim, Beschluss, 16.06.2003 - 10 S 430/03, FeV, 11 VIII, 14 I, Richtlinie 95/46/EG, Art. 2, 7, Fahrerlaubnis, Entzeihung, Ungeeignetheit, regelmaeßig, Konsum, Cannabis,
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FeV §§ 11 VIII, 14 I; Richtlinie 95/46/EG Art. 2, 7
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VGH Mannheim, Beschluss vom 16.06.2003 - 10 S 430/03 *
Tatbestand: Der Ag. entzog der Ast. die Fahrerlaubnis unter Anordnung des Sofortvollzugs. Der hiergegen gerichtete Eilantrag
blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe: Der Senat geht davon aus, dass das Landratsamt gem. § 46 III i. V. mit § 11 VIII FeV von der Nichtvorlage
der mit Schreiben vom 10. 7. 2002 angeforderten ärztlichen Begutachtung auf die Nichteignung der Ast. schließen durfte. Denn die
Anordnung des Landratsamts zur Beibringung eines ärztlichen Gutachtens vom 10. 7. 2002 erweist sich nach der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung entgegen dem Vorbringen der Ast. als rechtmäßig. (Wird ausgeführt.)
Wie sich auch aus dem Wortlaut des § 14 I 1 Nr. 2 FeV ergibt ("wenn Tatsachen die Annahme begründen"), ist die Anforderung
eines Gutachtens bereits bei Anhaltspunkten gerechtfertigt, die bei vernünftiger, lebensnaher Einschätzung die ernsthafte Besorgnis
begründen, der Betreffende konsumiere täglich oder nahezu täglich Cannabis.
Solche konkreten Anhaltspunkte ergaben sich hier zunächst aus den Angaben des Zeugen C vom 4. 4. 2002 (AS 43 und 45 der
Ermittlungsakte der StA Konstanz, Az. 63 Js 8429/02). Die Ermittlungsakte hatte dem Landratsamt vor der Gutachtensanforderung
vorgelegen, weil das Landratsamt diese bei der StA angefordert und auch erhalten hatte. Die Beiziehung der Ermittlungsakte
entsprach der Amtsermittlungspflicht der Landratsamts (§§ 24 I und 26 I 2 Nr. 3 BadWürttVwVfG); die StA ist ihrer Verpflichtung
im Wege der Amtshilfe nach § 5 I Nr. 4 BadWürttVwVfG nachgekommen (vgl. KöppIRamsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 26 Rdnr. 36).
Im Hinblick auf die von der Ast. angeführte Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum
Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABIEG Nr. L 281, S.
31) ist darauf hinzuweisen, dass die Überlassung der Strafakte an das Landratsamt als "Verarbeitung personenbezogener Akte" i. S.
von Art. 2 lit. b dieser -Richtlinie jedenfalls nach Maßgabe von Art. 7 lit. e dieser Richtlinie zulässig ist. Danach ist die Verarbeitung
der personenbezogenen Daten rechtlich möglich, wenn dies für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen
Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt und dem für die Verarbeitung Verantwortlichen übertragen wurde.
Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren, die sich aus der Teilnahme von ungeeigneten Fahrern am Straßenverkehr für hochrangige
Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer ergeben, liegen im öffentlichen Interesse im Sinne dieser Bestimmung.
Der Zeuge C hatte bei seiner Vernehmung ausgesagt, dass die Ast. nach seinem Wissen Haschisch gekauft und konsumiert habe und
im Zeitpunkt des Kennenlernens im September/Oktober 2001 des Öfteren am Abend einen oder mehrere Joints geraucht habe.
Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung kommt es auf die Frage, ob dieser Zeuge die Niederschrift seiner Aussage
unterschrieben hat, nicht an. Denn es geht nicht um die Verwertung dieser Aussage in einem Strafverfahren, sondern maßgeblich ist,
dass das Landratsamt - auch - auf Grund dieser Aussage hinreichenden Anlass zur Annahme hatte, die Ast. konsumiere Cannabis in
einer Weise, die nach Maßgabe von Nr. 9.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung Zweifel an ihrer Fahreignung begründete.
Dass sich der Zeuge C bei seiner Vernehmung am 4. 4. 2002 in dieser Weise eingelassen hat, ist von der Ast. im Verfahren nicht
substanziiert bestritten worden.
Auch die Tagebuchaufzeichnungen der verstorbenen Schwester der Ast. belegten zum Zeitpunkt der Gutachtensanforderung einen
häufigen und intensiven Cannabiskonsum, der die Besorgnis einer nahezu täglichen Einnahme stützte. Ebenso wie das VG geht der
Senat davon aus, dass das Landratsamt diese - sich aus der zum Zeitpunkt der Vorlage beim Landratsamt noch vollständigen
Ermittlungsakte der StA ergebenden - Anhaltspunkte bei seiner Entscheidung über die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens
heranziehen durfte. Die Mutter der Ast. hatte sich als (Mit-)Erbin der verstorbenen Schwester der Ast. zunächst mit der Verwertung
der Tagebuchaufzeichnungen durch die StA einverstanden erklärt. Selbst für den Bereich der Strafrechtspflege besteht kein
umfassendes Verbot, tagebuchähnliche Aufzeichnungen zu verwerten (vgl. BVerfG, NJW 1990, 563). Auch im Strafprozess kommt
es hinsichtlich der Verwertbarkeit unter anderem darauf an, ob und inwieweit die Angaben zu persönlichen Lebenssachverhalten die
Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berühren. Ungeachtet der Tatsache, dass die Tagebuchaufzeichnungen von der
Fahrerlaubnisbehörde nicht im Hinblick auf die Autorin, sondern in Bezug auf eine andere Person verwertet wurden, ist zu
beachten, dass der in den Aufzeichnungen dokumentierte Cannabiskonsum der Ast. zu erheblichen Gefahren für die Sicherheit des
Straßenverkehrs führt. Berührter Belang im Sinne der Anforderungen des BVerfG ist hier der Behörde obliegende Schutz von
hochrangigen Rechtsgütern einer großen Zahl von Verkehrsteilnehmern, die darauf vertrauen, dass die zuständige Behörde sie vor
Gefahren im Zusammenhang mit ihrer Teilnahme am Straßenverkehr so weit wie möglich schützt.
Entgegen der Beschwerdebegründung sind den Tagebuchaufzeichnungen auch aussagekräftige Hinweise auf den Cannabiskonsum
der Ast. zu entnehmen. (Wird ausgeführt.)
* Quelle: NJW 2003, 3004 f