BGH, 15.01.2004, IX ZB 96/03, GG, Art, 12 I, Inso, 63, InsVV, 2 II, Insolvenzverwalter, Verguetung, Mindestverguetung, Aufwand, Zeitaufwand, Personal, Beruf, Berufsausuebung, Freiheit, verfassungskonform, angemessen, Stundensatz, free,Giessen, Wetzlar, Marburg, Limburg, Frankfurt, Berlin, Hamburg, Muenchen, Koeln, Leverkusen, Bochum, Dortmund, Essen, Dresden, Leipzig, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Daenemark, Irland, Grossbritannien, Nordirland, Griechenland, Portugal, Spanien, Finnland, Oesterreich, Schweden
GG Art. 12 I, Inso § 63, InsVV § 2 II

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BGH, Beschluss vom 15.01.2004 - IX ZB 96/03 *

Tatbestand: Der Schuldner betrieb bis 1995 ein Stahl- und Metallbauunternehmen und ist seit Aufgabe dieser Tätigkeit als angestellter Stahl- und Metallbauer beschäftigt. Das AG hat mit Beschluss vom 7. 3. 2002 das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet und den weiteren Bet. zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Verfahrenskosten sind dem Schuldner bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet worden, da er über keinerlei verwertbares Vermögen verfügt. Zur Tabelle festgestellt wurden Forderungen von 672 888,17 Euro. Angesichts der geringen monatlichen Bruttoeinkünfte ist wegen bestehender Unterhaltsverpflichtungen pfändbares Einkommen nicht vorhanden. Der Insolvenzverwalter beantragte für seine Tätigkeit eine Vergütung von 2350 Euro nebst Auslagen (176,25 Euro) und Umsatzsteuer (404,20 Euro), und machte dabei geltend, dass der in

§ 2 II InsVV vorgesehene Mindestbetrag von 500 Euro angesichts des entstanden Bearbeitungsaufwands bei weitem nicht kostendeckend sei. Ferner belegten statistische Auswertungen des Kanzleibetriebs, dass sich seit Einführung der Möglichkeit einer Stundung der Verfahrenskosten die Zahl der bearbeiteten Verfahren im Jahre 2002 im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum durch "Stundungsverfahren" mehr als verdoppelt habe und erhebliche Verluste erwirtschaftet worden seien. Das AG hat die Vergütung gem. § 2 II InsVV auf 500 Euro zuzüglich Auslagen und Mehrwertsteuer (insgesamt 788 Euro) festgesetzt. Hiergegen legte der Insolvenzverwalter sofortige Beschwerde ein und legte bei der Begründung des Rechtsmittels den entstandenen Personal- und Sachaufwand im Einzelnen wie folgt dar: Der zuständige Sachbearbeiter habe unter anderem ein Gespräch mit dem Schuldner über dessen wirtschaftliche Situation geführt und dessen Wohnung aufgesucht (viereinhalb Stunden), die überreichten Unterlagen gesichtet und ausgewertet (drei Stunden), die notwendigen Verzeichnisse und Übersichten erstellt und den Bericht für den Insolvenzverwalter vorbereitet (zweieinhalb Stunden), den Arbeitgeber des Schuldners angeschrieben und den Rücklauf der angeforderten Unterlagen, insbesondere der Lohnabrechnungen überwacht (eine Stunde), diese ausgewertet und pfändbare Beträge ermittelt (eine Stunde), Fragen des Schuldners zum Insolvenzverfahren besprochen und beantwortet (eineinhalb Stunden), mit einem Gläubiger, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch einen Titel erwirkt hatte, und mit einer Krankenkasse wegen irrtümlich



geltend gemachter Masseforderungen korrespondiert, wofür vom Schuldner ergänzend Informationen und Unterlagen einzuholen gewesen seien (zweieinhalb Stunden). Ferner habe der Sachbearbeiter ein ausführliches Telefonat mit dem Schuldner wegen der Anmeldung deliktischer und damit die Restschuldbefreiung ausschließender Forderungen eines Gläubigers führen müssen (dreiviertel Stunde), die Termine und Fristen im laufenden Insolvenzverfahren überwacht (dreiviertel Stunde), den erfahrensabschluss nebst Schlussrechnung vorbereitet und die Sch1ussrechnung nebst aller weiterer Belege ausgedruckt (eine Stunde), den Schlussbericht für den Insolvenzverwalter vorbereitet und die notwendigen Schlussverzeichnisse erstellt sowie die öffentliche Bekanntmachung zum Verfahrensabschluss entworfen (eindreiviertel Stunden). Darüber hinaus seien in der Kreditorenabteilung des Insolvenzbüros mehrere Angestellte ausschließlich damit beschäftigt gewesen, zunächst die ihnen vom Sachbearbeiter gemeldeten Gläubiger in das Programm einzugeben, die Gläubiger anzuschreiben und zur Forderungsanmeldung aufzufordern, die eingehenden Anmeldungen vorzuprüfen und bei Zweifelsfragen den Sachbearbeiter und gegebenenfalls den Insolvenzverwalter zu befragen. Sodann hätten sie die Forderungsanmeldungen in das Programm eingegeben, die Insolvenztabelle dem AG übermittelt, gegebenenfalls den Schriftwechsel mit den Gläubigern geführt, etwa wenn Forderungsanmeldungen nicht nachvollziehbar gewesen oder Originaltitel nicht vorgelegt worden seien, die Gläubiger bestrittener Forderungen über das Ergebnis des Prüfungstermins informiert und Nachfragen beantwortet. Im vorliegenden Verfahren sei hierfür ein Zeitaufwand von siebzehneinhalb Stunden entstanden. Daneben sei mit jedem Insolvenzverfahren das Sekretariat der Insolvenzabteilung befasst, wo das Verfahren aktenmäßig geführt und die für die Korrespondenz mit dem Gericht und den Verfahrensbet. anfallende Schreibarbeit erledigt werde. Nach Verfahrensabschluss habe das Sekretariat Akten und Dateien zu archivieren und Unterlagen herauszugeben. Dafür sei ein Zeitaufwand von fünfeinhalb Stunden erforderlich gewesen. Der in der Telefonzentrale entstandene zeitliche Aufwand für die Entgegennahme und Weitervermittlung von Anrufen habe sich auf rund eine Stunde beschränkt. Die Tätigkeit des Insolvenzverwalters selbst betreffe die Kommunikation mit dem Sachbearbeiter und der Gläubigerabteilung, die Korrektur der vom Sachbearbeiter vorgefertigten Berichte sowie die persönliche Wahrnehmung des Termins zur ersten Gläubigerversammlung, des Forderungsprüfungstermins - wobei es typischerweise auch dazu kommen könne, dass ein zweiter Forderungsprüfungstermin stattfinde - und des Schlusstermins. Der sich daraus, insbesondere für die Wahrnehmung der drei Termine ergebende Zeitaufwand habe vier Stunden betragen. Den gesamten Personalaufwand bezifferte der Insolvenzverwalter wie folgt:



Sachbearbeiter 20,25 Stunden á 36,96 Euro = 748,44 Euro
Gläubigerabteilung 17,5 Stunden á 22,83 Euro = 399,53 Euro
Sekretariat 5,5 Stunden á 18,40 Euro = 101,20 Euro
Telefonzentrale 1 Stunde á 17,39 Euro = 17,39 Euro
Summe:1266,56 Euro

Den Sachkostenaufwand gab der Insolvenzverwalter für seine Kanzlei mit 57,92 % des reinen Personalkostenaufwands an (733,59 Euro). Für seine persönliche Tätigkeit berechnete er einen Stundensatz von 150 Euro (4 Stunden á 150 Euro = 600 Euro), so dass sich Gesamtkosten von 2600,15 Euro errechneten, die den Betrag der beanspruchten Vergütung von 2350 Euro überträfen. Insgesamt habe es sich um ein vergleichsweise einfach zu bearbeitendes Verfahren gehandelt, bei dem die festgestellten 45 Gläubiger anhand der vom Schuldner eingereichten Unterlagen problemlos zu ermitteln gewesen seien.

Das LG hat das Rechtsmittel zurückgewiesen. Hiergegen richte sich die Rechtsbeschwerde, mit der der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsantrag weiter verfolgt. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg.



Entscheidungsgründe: II. § 2 II InsVV, der bei massearmen Insolvenzverfahren für den Regelfall eine Mindestvergütung des Verwalters von nur 500 Euro vorsieht, ist für Insolvenzverwalter, die bis zum 31. 12. 2003 bestellt wurden, noch anwendbar. Für später bestellte Insolvenzverwalter wird die Vorschrift den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht mehr gerecht.

1. Gesetzliche Gebührenregelungen sind am Maßstab des Art. 12 I GG zu messen, weil die Berufsausübungsfreiheit untrennbar verbunden ist mit der "Freiheit, eine angemessene Vergütung zu fordern" (BVerfGE 54, 251 [271] = NJW 1980, 2179; BVerfGE 88, 145 [159] = NJW 1993, 2861). Eingriffe in die Freiheit der Berufausübung sind nur dann mit Art. 12 I GG vereinbar, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt ist und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (BVerfGE 83, 1 [16] = NJW 1991, 555; BVerfGE 94, 372 [390] = NJW 1996, 3067). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen deshalb nicht weiter gehen, als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern. Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfGE 54, 301 [313] = NJW 1981, 33; BVerfG, NJW-RR 2000,1241).

2. Durch die Vorschriften zur Insolvenzverwaltervergütung wird in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen. Der Frage, ob die Tätigkeit des Insolvenzverwalters vom Gesetzgeber als eigenständiger Beruf ausgestaltet ist (vgl. Uhlenbruck, Ins0, 12. Aufl., § 63 Rdnr. 4; AG Hamburg, ZVI 2003, 238 [242]; Haarmeyer1WutzkelFörster, InsVV, 3. Aufl., Vorb. § 1 Rdnrn. 40, 44), kommt hierbei keine ausschlaggebende Bedeutung zu, weil die Verwalter vom Staat im Rahmen ihrer beruflichen Betätigung in Anspruch genommen werden und insofern der Schutzbereich von Art. 12 1 GG berührt wird (vgl. BVerfGE 54, 251 [270 ff.] = NJW 1980, 2179).

Gemäß § 63 I Ins0 hat der Verwalter Anspruch auf Vergütung seiner Geschäftsführung und auf Erstattung angemessener Auslagen. Die Norm ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die dem Verwalter zustehende Vergütung insgesamt einen seiner Qualifikation und Tätigkeit angemessenen Umfang erreichen muss. Dies ist auch die Vorgabe an den verordnungsgeber, die sich nicht nur aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm, sondern aus dem gegebenenfalls mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze zu erschließenden Inhalt der gesetzlichen Regelung insgesamt ergibt (vgl. BVerfGE 19, 17 [30]; BVerfGE 58, 257 [277] = NJW 1982, 921; BVerfGE 80, 1 [20 f.] = NVwZ 1989, 850). Weicht die auf der Grundlage von § 65 Ins0 erlassene insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung hiervon ab, ist sie deshalb nicht nur verfassungswidrig, sondern bereits nicht von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Die Gerichte sind an die Vergütungsregelung einer Verordnung dann nicht mehr gebunden, wenn sie zu unangemessenen Folgen führt (BVerfG, ZIP 1989, 382 [383]; BGHZ 152, l$ [25] = NJW 2003, 212 = NZI 2002, 683 = NZM 2002,1042).



3. Die in § 2 II InsVV vorgesehene, für massearme Verfahren zum Tragen kommende Mindestgebühr von 500 Euro vermag den soweit maßgeblichen, für Verfahren dieser Art im Durchschnitt entstehenden Bearbeitungsaufwand derzeit bei weitem nicht mehr auskömmlich zu entgelten und stellt deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar.

a) Der Verordnungsgeber verfolgt bei der weitgehend pauschalierten Ausgestaltung der Gebührenregelung mit den Zielsetzungen Rechtssicherheit, Kalkulierbarkeit der Ausgaben, leichtere Handhabbarkeit, Entlastung der Gerichte sowie Begrenzung der Staatsausgaben zwar legitime Gemeinwohlzwecke. Die Durchführung von Insolvenzverfahren ohne verwertungsfähige Masse soll nicht durch zu hohe Vergütungssätze belastet und das Ziel einer Restschuldbefreiung nicht gefährdet werden (vgl. hierzu die Amtl. Begr. z. InsVV [unter A Nr. 4 und zu §§ 13, 14], abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vorb. § 1 nach Rdnr. 79, und Einzelbegr. beim anschließenden Textabdruck). Dieses Anliegen ist aus sozialstaatlichen Erwägungen berechtigt (Art. 20 I GG). Bei einer Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe erweist sich die Regelung jedoch nunmehr als unverhältnismäßig, weil sie die betroffenen Insolvenzverwalter übermäßig belastet. Insolvenzverwalter nehmen im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben wahr, die einen erheblichen zeitlichen Einsatz verlangen und mit nicht unbeträchtlichen Haftungsrisiken verbunden sind. Die hierfür vom Staat bestellten, in der Regel freiberuflich tätigen Personen sollen nach dem gesetzlich geregelten Anforderungsprofil durch besondere Geschäftskunde qualifiziert sein (vgl. § 56 I Ins0) und sind darauf angewiesen, eine auch ihre persönlichen Bedürfnisse deckende Vergütung zu erhalten (vgl. BGHZ 116, 233 [238] = NJW 1992, 692). Wenn der Staat für Aufgaben, deren Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, Staatsbürger beruflich in Anspruch nimmt, dann erweist es sich - unabhängig davon, ob die Aufgabenerfüllung freiwillig oder gezwungenermaßen erfolgt - als übermäßige, durch keine Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigte Einschränkung der freien Berufsausübung, den derart Belasteten eine angemessene Entschädigung vorzuenthalten (BVerfGE 54, 251 [271] = NJW 1980,2179). Dementsprechend ist eine Mindestvergütung für masselose Verfahren, die dazu führt, dass ein insgesamt auskömmliches Vergütungsaufkommen des Verwalters bei weitem nicht mehr gewährt wird, unverhältnismäßig.



b) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet es allerdings nicht, die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters in jedem konkreten Einzelfall kostendeckend und angemessen zu vergüten. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung der für Insolvenzverwalter geltenden Vergütungsregelung ist im Grundsatz auch die Möglichkeit einer Querfinanzierung zu berücksichtigen, weil die gesetzlich vorgesehene Berechnung nach der Insolvenzmasse (§ 63 I 2 Ins0, § 2 I InsVV) keine exakt nach dem konkreten Tätigkeitsaufwand berechnete Vergütung gewährleistet, sondern systembedingt auf einen gewissen Gesamtausgleich gerichtet ist.

aa) Wertorientierte Gebührenvorschriften wie zum Beispiel die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte sind ihrem Prinzip nach auf eine gemischte Kalkulation angelegt und sehen bei niedrigen Gegenstandswerten häufig eine Vergütung vor, die weder dem Arbeitsaufwand noch den entstehenden allgemeinen Geschäftskosten gerecht wird. Das Rechtsanwaltsgebührensystem muss lediglich gewährleisten, dass der Rechtsanwalt aus seinem Gebührenaufkommen insgesamt nach einer Mischkalkulation sowohl seinen Kostenaufwand als auch seinen Lebensunterhalt bestreiten kann (BVerfGE 83, 1 [14] = NJW 1991, 555; BVerfGE 85, 337 [349] = NJW 1992,1673; BVerfG, NJW2003, 737 [738]).

bb) Die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung enthält - weitergehend als beispielsweise die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte mit nur vereinzelten Rahmengebühren - kein geschlossenes Regelungskonzept, das ausschließlich nach Streitwerten und Gebührensätzen bemessene Pauschalvergütungen vorsieht. Sie sucht vielmehr einen Mittelweg zwischen geschlossenem und offenem System, in dem in einem ersten Schritt die Regelvergütung an objektive Kriterien angeknüpft (§§ 1, 2 InsVV) und sodann nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine Erhöhung gewährt (§ 3 I InsVV) oder ein Abschlag (§ 3 11 InsVV) vorgenommen wird. Die insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung bietet deshalb ausreichend Spielraum, im Einzelfall angemessene Beträge festzusetzen, wobei Regelvergütung und Abweichungen hiervon gegebenenfalls verfassungskonform auszulegen sind (vgl. zur Verordnung über die Vergütung des Konkursverwalters [VergVO] BVerfG, ZIP 1989,382 [383]).



cc) Es ist rechtlich nicht geboten, für jeden konkreten Einzelfall eine ausreichende - sowohl die Geschäftskosten (vgl. § 4 InsVV) als auch einen der Qualifikation des Verwalters angemessenen Gewinn berücksichtigende - Vergütung zu gewährleisteten (so aber Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vorb. § 1 Rdnrn. 47, 49, 50; Haarmeyer, in: Arbeitskreis f. Insolvenz- u. Schiedsgerichtswesen e.V. [Hrsg.], Kölner Schrift z. Ins0, 2. Aufl., S. 488 f.) und dem Verwalter den allgemeinen Einwand einer im Vergleich zum konkret erforderlichen Aufwand unangemessenen Vergütung zu ermöglichen. Die in § 3 InsVV vorgesehenen Möglichkeiten, von den Regelsätzen des § 2 InsVV abzuweichen, beziehen sich auf besondere tätigkeitsbezogene Umstände des konkreten Verfahrens. Hierdurch kann ein besonderer, zusätzlicher Aufwand berücksichtigt und ausgeglichen werden. Die Regelung dient nicht dazu, die zuvor anhand der jeweiligen Insolvenzmasse zu treffende Pauschalierung zu entwerten, die zu Gunsten des Verwalters bewirkt, dass in massereichen Verfahren eine deutlich höhere Vergütung vorgesehen ist, ohne dass hier zwangsläufig ein dementsprechender Mehraufwand für den Verwalter zu Grunde liegen muss.

c) Bei der Beurteilung der Frage, ob § 2 IIInsVV für das durchschnittliche Verfahren ohne nennenswerte Insolvenzmasse eine auskömmliche Mindestvergütung gewährt, kann der Gesichtspunkt der Querfinanzierung allerdings nur mehr eingeschränkt Berücksichtigung finden, weil sich das Verhältnis von massereichen zu massearmen Verfahren mit dem Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26. 10. 2001 (BGBl I, 2710), durch das mit Wirkung vom 1. 12. 2001 die Vorschriften zur Stundung der Verfahrenskosten gem. §§ 4a ff. Ins0 eingeführt wurden, grundlegend verändert hat.



Durch die Möglichkeit einer Kostenstundung ab 1. 12. 2001 ist die Zahl massearmer Insolvenzverfahren stark angestiegen (vgl. AG Hamburg, ZVI 2003, 186 [1879; Frind, ZIns0 2003, 341; Heyrath, ZIns0 2003, 214 [215]; Syrbe, ZIns0 2002, 667 [668]; Graeber, NZI 2003, 328 [329]; Blersch, ZVI 2003, 193). Dies belegt die "INDat-Auswertung" für das erste Quartal 2002 (ZVI 2002, 135), nach der die Eröffnungen von Verbraucherinsolvenzverfahren um 38,8 %, die von Regelinsolvenzverfahren über das Vermögen natürlicher Personen um 441 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum angestiegen sind. Entsprechendes lässt sich auch den Angaben des Statistischen Bundesamts entnehmen. Danach hatten die Insolvenzgerichte im Jahre 2001 noch 49 000 Insolvenzen, im Jahr 2002 dagegen über 84 000 Insolvenzfälle zu bewältigen, wovon es sich bei knapp 38 000 Verfahren um Unternehmensinsolvenzen und bei rund 46 000 um Insolvenzen von Verbrauchern, ehemals Selbstständigen und sonstigen natürlichen Personen handelte (Statistisches Jb. für die Bundesrep. Deutschland 2002, S. 136, u. Statistisches ib. 2003, S. 140). Als Folge dessen stellen die massearmen Verfahren nunmehr die überwiegende Zahl der gesamten Verfahren dar (vgl. z. B. Gräber, NZI 2003, 328 [329]; AG Göttingen, NZI 2003, 445 = ZVI 2003, 243; AG Hamburg, ZVI 2003, 186 [187]; vgl. auch den Aufruf deutscher Insolvenzrichter und -rechtspfleger, Zlns0 2002, 949). Beim AG Neuruppin ist die Zusammensetzung der Regelinsolvenzverfahren untersucht worden mit dem Ergebnis, dass 67 % der Verfahren auf Grund einer Stundung der Verfahrenskosten eröffnet wurden (Syrbe, ZIns0 2002, 667 [668]). Ähnliche landesweite Zahlen gibt es für Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen. Eine bei den Amtsgerichten Offenbach, Hanau und Friedberg durchgeführte Erhebung hat zudem ergeben, dass die hinsichtlich der Vergütung lukrativeren Insolvenzverfahren mit einer Masse über 30 000 Euro nur noch einen geringen Bruchteil der Gesamtverfahren ausmachen, so dass bei einer Zahl von insgesamt 120 Verwaltern, die von diesen Gerichten eingesetzt werden, jeder Verwalter rechnerisch nur rund alle zwei Jahre mit der Bearbeitung eines solchen Verfahrens befasst wird (Mäusezahl, ZVI 2003, 49 [51]).



Wegen dieser Verschiebung von besser vergüteten Verfahren zu massearmen Verfahren ist für Insolvenzverwalter die Möglichkeit, nicht gedeckte Kosten und Gewinnausfälle durch die Übernahme gewinnträchtiger Verfahren zu kompensieren, nicht mehr in ausreichendem Maße gegeben (vgl. Graeber, NZI 2003, 328 [329]). Auch ist eine an diesem Prinzip ausgerichtete gleichmäßige Verteilung der Verfahren nicht gewährleistet und vom Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. AG Hamburg, ZVI 2003, 238 [239 f.]; AG Husum, ZVI 2003, 143 [144]).

Demzufolge muss ein wirtschaftlicher Ausgleich im Wesentlichen bereits innerhalb der in massearmen Verfahren anfallenden Vergütungen erreicht werden. Nicht für jedes, wohl aber für den Durchschnitt dieser Verfahren insgesamt muss eine auskömmliche Vergütung zu erzielen sein. Nur so lässt sich eine ausreichende Vergütung der Verwalter sicherstellen, die nur oder ganz überwiegend masselose Kleinverfahren abwickeln und sich darauf spezialisiert haben (vgl. Hertling, INDat-Report H. 4-5/2003, 16; ders., INDat-Report H. 6/2003, 19; ders., INDat-Report H. 7/2003, 16). Diese Verwalter können solche Verfahren zwar infolge ihrer Spezialisierung besonders kostengünstig abwickeln, sind aber andererseits auch darauf angewiesen, aus diesen Verfahren eine auskömmliche Vergütung zu bekommen.



d) Die Mindestvergütung von 500 Euro ist so niedrig bemessen, dass sie den entstehenden durchschnittlichen Bearbeitungsaufwand bei weitem nicht auskömmlich entgelten kann.

aa) Diese Einschätzung entspricht der Rechtsprechung vieler Insolvenzgerichte. Diese erkennen den Insolvenzverwaltern bei im Einzelnen unterschiedlicher Begründung eine höhere Vergütung zu (LG Flensburg, NZI 2003, 382 = ZVI 2003, 237; AG Dresden, ZIns0 2003, 605; AG Göttingen, NZI 2003, 445 = ZVI 2003, 243; AG Hamburg, ZVI 2003, 186; ZVI 2003, 238; AG Husum, ZIns0 2002, 1135; AG Lüneburg, ZVI 2003, 92; AG Neubrandenburg, NZI 2003, 328; AG Potsdam, NZI 2003, 387 = ZVI 2003, 185). Soweit Insolvenzgerichte - wie das BeschwGer. im Streitfall - den Verwaltern nach wie vor nur die gesetzlich vorgesehene Mindestvergütung bewilligen, wird dies überwiegend mit dem Verweis auf eine umfassend zu berücksichtigende Mischkalkulation oder die vom Verordnungsgeber getroffene Regelung begründet; die verfassungsrechtlich bedeutsame Frage der Auskömmlichkeit der Vergütung wird nicht näher erörtert (vgl. LG Bielefeld, ZVI 2003, 488; LG Bremen, NZI 2002,672).
bb) Die Rechtsprechung der Insolvenzgerichte, die den Verwaltern höhere Vergütungssätze zubilligt, verweist auf Befragungen von Insolvenzverwaltern. Vom AG Neuruppin sind 17 Verwalter über den tatsächlichen Zeitaufwand für ein Stundungsverfahren mit circa 20 Gläubigern (insgesamt 126 Regelinsolvenzen) befragt worden. Als Ergebnis wurde eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 44 Stunden und ein tatsächlicher Kostenaufwand von 2389,09 Euro je Verfahren bekannt gegeben (Syrbe, ZIns0 2002, 667 [668]). Eine vergleichbare Befragung von 20 Verwaltern/Treuhändern im Amtsgerichtsbezirk Braunschweig hat eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 43 Stunden und einen Kostenaufwand von 2006,81 Euro ergeben (Heyrath, ZIns0 2003, 214 [215]: 153 Regelinsolvenzen, 100 Verbraucherinsolvenzen). Das AG Dresden hat ebenfalls eine Umfrage bei einer nicht genannten Zahl dort tätiger Verwalterkanzleien durchgeführt. Es ergab sich "bei teilweise allerdings erheblichen Streubreiten" ein durchschnittlicher Zeitaufwand des Verwalters von neuneinhalb Stunden und einer Fachkraft von "etwa" 25 Stunden (ZIns0 2003, 605 [6061). Das AG Hamburg hat bei einer Umfrage zu den durchschnittlichen Kosten der im Jahr 2002 bearbeiteten masselosen Verfahren einen Kostenaufwand für Regelinsolvenzen (IN-Verfahren) von 1403,49 Euro, Verbraucherinsolvenzen (IK-Verfahren) von 1023,75 Euro inklusive Auslagen und Umsatzsteuer bei einer Spanne von 1333,33 bis 3000 Euro (IN-Verfahren) bzw. 569,25 bis 2500 Euro (IK-Verfahren) ermittelt und daraus unter Abzug der gesondert festzusetzenden Auslagenerstattung eine Pauschalvergütung von 1200 Euro (IN) bzw. 800 Euro (IK) festgesetzt (AG Hamburg, ZVI 2003, 238 [2429; Frind, ZIns0 2003, 639 [642 f.]). Befragt wurden 37 Verwalter/Treuhänder, von denen sich 26 (ca. 70 %) an der Umfrage beteiligt haben. Dass die Kosten pro Verfahren unter denen liegen, die in anderen Amtsgerichtsbezirken ermittelt wurden, führt das Gericht auf die in Hamburg im Jahre 2002 begonnene "Pool-Bildung" zurück, bei der sich jeweils fünf bis sechs Verwalter zur Abwicklung von massearmen Verfahren zusammengeschlossen und einen vom Gericht einzusetzenden Verwalter oder Treuhänder benannt haben. Durch Synergieeffekte und kostengünstige ausgelagerte Büroräume (keine "Adressenlagen") habe der Zeit- und Personalaufwand verringert werden können. Diese Verfahrensweise betone das Bemühen von Seiten der Verwalter und des Gerichts, die Verfahren kostengünstig abzuwickeln (Frind, ZIns0 2003, 639 [642 f.]). Diese Erhebungen sind zwar nur eingeschränkt aussagekräftig, zumal sie ausschließlich auf den Angaben der in eigenen Interessen betroffenen Insolvenzverwalter beruhen. Gleichwohl vermögen sie in ihrer Gesamtschau einen plausiblen und ausreichenden Eindruck von der erheblichen Differenz zwischen dem Tätigkeitsaufwand und der Vergütung von Insolvenzverwaltern bei massearmen Verfahren zu vermitteln. Die dabei festgestellten Kosten, die den Verwaltern bei der Verfahrensbearbeitung entstehen, liegen so deutlich über dem als Mindestbetrag festgesetzten Vergütungsbetrag, dass dieser selbst bei beträchtlichen Abschlägen immer noch deutlich überschritten wird.



cc) Das Ergebnis dieser Praxisbefragungen ist hinreichend nachvollziehbar; denn die bei der Abwicklung von Kleinverfahren im Laufe der Zeit gewonnenen Erfahrungswerte zeigen, dass die durchschnittlich erforderliche Bearbeitung dieser Verfahren mit der geregelten Mindestvergütung bei weitem nicht finanziert werden kann.

(1) Bei der Bemessung des erforderlichen Aufwands ist eine möglichst kostengünstige Verfahrensweise unter Ausnutzung effizienter und rationaler Büroabläufe zu Grunde zu legen. Soweit einzelne Insolvenzverwalter eine auf die Verwaltung großer Unternehmensinsolvenzen ausgerichtete Kanzleistruktur haben, können damit verbundene Mehraufwendungen keine Berücksichtigung finden, weil sie für die Erledigung masseloser Kleinverfahren nicht notwendig sind. Dies gilt entsprechend für die Arbeitsteilung zwischen dem Insolvenzverwaltet und seinen Hilfskräften. Demgemäß ist auch die Darstellung des Insolvenzverwalters im Streitfall nur eingeschränkt aussagekräftig. jedenfalls umfasst die Tätigkeit des Verwalters in masselosen Verfahren aber ein Gespräch mit dem Schuldner sowie die Sichtung und Auswertung der übergebenen Unterlagen, die Vorbereitung und Durchführung von Berichts- und Prüfungsterminen nebst Erstellung der erforderlichen Verzeichnisse und Berichte, den Schriftverkehr mit Gläubigern und die Überprüfung der Forderungsanmeldungen.

(2) Bei der Kalkulation einer im Durchschnittsfall angemessenen Vergütung bieten die Stundensätze, die in der zum 1. 1. 2004 in Kraft getretenen Zwangsverwalterverordnung vom 19. 12. 2003 (BGBl 1, 2804) festgesetzt sind, einen tragfähigen Anhaltspunkt. Auf der Grundlage der Regelung, die § 19 I ZwVwV für den Fall einer nach Zeitaufwand zu bemessenden Vergütung trifft, kann als Anhaltspunkt für den Mindeststundensatz eines qualifizierten Mitarbeiters ein Betrag von 35 Euro und für Tätigkeiten, die der Insolvenzverwalter persönlich übernehmen muss, ein Betrag von 95 Euro angesetzt werden. Der Mindestsatz von 35 Euro soll gem. § 19 1 ZwVwV dann zu Grunde gelegt werden, wenn die Zwangsverwaltungstätigkeit überwiegend aus einfachen Aufgaben besteht, die hauptsächlich von Mitarbeitern und Hilfskräften erledigt werden können. Der Höchstsatz dagegen soll gelten, wenn überwiegend die Tätigkeit des hochqualifizierten Verwalters oder gleich qualifizierter Mitarbeiter erforderlich wird (Begr. z. Entwurf der Zwangsverwalterverordnung [unter B zu§ 19]).



(3) Nach den von den Insolvenzgerichten getroffenen Feststellungen werden etwa zwei Drittel der Tätigkeit von einem Mitarbeiter, ein Drittel vom Verwalter bewältigt. Danach würde die Mindestvergütung von 500 Euro gerade für einen Zeitaufwand von neun Stunden ausreichen. Die bei der Abwicklung masseloser Insolvenzen gewonnenen Erfahrungswerte zeigen jedoch, dass in dieser Zeit die vom Verwalter geforderte Tätigkeit auch bei Ausnutzung aller Einsparungsmöglichkeiten und bei Optimierung der Büroabläufe nicht annähernd zu leisten ist.

Selbst die auf diese Verfahren spezialisierten Kanzleien mit einer darauf besonders ausgerichteten Büroorganisation können eine durchschnittliche Kostendeckung nicht erreichen (vgl. Hertling, INDat-Report H. 4 -5/2003, 16; ders., INDatReport H. 7/2003, 16; Mäusezahl, ZVI 2003, 49 [51]). Die vorliegenden Erhebungen und Ermittlungen der Insolvenzgerichte deuten vielmehr darauf hin, dass ein Aufwand von mindestens 20 Stunden erforderlich ist, um ein durchschnittliches massearmes Verfahren abzuwickeln. Ob und inwieweit es davon abweichende Ausnahmefälle gibt (vgl. dazu Hertling, INDat-Report H. 6/2003, 19), ist nicht entscheidend; denn es ist eine generalisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. BVerfGE 101, 331 [354] = NJWE-FER 2000, 117). Jedenfalls für die Gesamtheit der hauptsächlich mit der Bearbeitung massearmer Verfahren befassten Verwalter ist mit der in der Verordnung vorgesehenen Vergütung nicht einmal eine annähernde Kostendeckung zu erreichen.

(4) Die Unangemessenheit des vorgesehenen Mindestbetrags wird auch deutlich bei einem Vergleich mit der Vergütung, die ein Verwalter bei einem Insolvenzverfahren mit einer - ohne entsprechende Stundungsmöglichkeit zur Kostendeckung im Allgemeinen für erforderlich angesehenen und als Kostenvorschuss geforderten - Masse von 3000 Euro beanspruchen kann: Hier gebührt ihm gem. § 2 1 Nr. 1 InsVV eine Vergütung von 1200 Euro, ohne dass greifbare Anhaltspunkte für einen gegenüber masselosen Verfahren höheren Bearbeitungsaufwand ersichtlich wären.



4. § 2 II InsVV ist allerdings nicht als von Anfang an verfassungswidrig anzusehen, weil dem Verordnungsgeber ein Prognosespielraum bei der Bemessung eines angemessenen und geeigneten Mindestvergütungssatzes zustand und für eine von Anfang an offensichtlich untragbare Fehleinschätzung Hinreichendes nicht ersichtlich ist.

a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber einen vom Gericht nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum, wenn komplexe, in der Entwicklung begriffene Sachverhalte Gegenstand der Gesetzgebung sind. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stehen, ist ein angemessener Zeitraum zu gewähren, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln einer Regelung abzuhelfen (BVerfGE 83,1 [21 f.] = NJW 1991,555; BVerfGE 101, 331 [350 f.] = NJWE-FER 2000, 117). Ein Gesetz kann nicht allein deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil es auf einer Prognose über den Verlauf einer späteren tatsächlichen Entwicklung beruht, die sich nachträglich als falsch herausstellt (BVerfGE 25, 1 [13] = NJW 1969, 499; BVerfGE 30, 250 [263] = NJW 1971, 1603). Ein Prognose und Anpassungsspielraum, den das BVerfG auch für den Erlass gesetzlicher Vergütungsregelungen, wie zum Beispiel für Rechtsanwälte (BVerfGE 83, 1 [21 f.] = NJW 1991, 555) oder Berufsbetreuer (BVerfGE 101, 331 [350f.] = NJWE-FER 2000, 117; BVerfG, NJW-RR 2000, 1241 [12421) anerkannt hat, ist dem Verordnungsgeber bei der Regelung der Mindestvergütung von Insolvenzverwaltern ebenfalls zuzubilligen. Dass es sich hierbei nicht um ein Gesetzgebungsverfahren, sondern um Rechtssetzung der Exekutive handelt, steht dem nicht entgegen. Trotz der abweichenden Anforderungen an das Verfahren der Normsetzung ergeben sich daraus für die Einschätzungsprärogative des Normgebers keine wesentlichen Unterschiede.



Mit Einführung der in der Insolvenzordnung vorgesehenen Entschuldung natürlicher Personen sind Verfahrensabläufe geschaffen worden, die in dem bis dahin geltenden Recht keine Entsprechung finden. Auch wenn die Anforderungen an den Insolvenzverwalter im Wesentlichen abstrakt gesetzlich vorgegeben waren, erforderte die Festlegung einer angemessenen und vertretbaren Vergütungsbemessung durch den Verordnungsgeber eine Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des sich aus diesen Vorgaben in der Praxis entwickelnden Umfangs und der Qualität der geforderten Tätigkeit. Dafür lagen vergleichbare Erkenntnisse nicht vor. Dies zeigt sich auch daran, dass die Insolvenzverwalter in der späteren Entwicklung unterschiedlich auf die sich stellenden neuen Anforderungen an Verfahrensorganisation und Büroabläufe reagiert haben und die Angaben aus dem Kreis der Verwalter über den erforderlichen Bearbeitungsaufwand und die entstehenden Kosten stark voneinander abweichen (vgl. Frind, ZInsO 2003, 639 [643]; Hertling, INDat-Report H. 4 -5/2003, 16; ders., INDat-Report H. 7/2003, 16).

b) Da dem Verordnungsgeber ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Bemessung der Mindestvergütung zustand, unterliegen die Regelungen zunächst nur der Kontrolle auf Prognosefehler: Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen nicht vertretbar, also so offensichtlich verfehlt sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können (BVerfGE 30, 292 [3171 = NJW 1971, 1255; BVerfGE 37, 104 [118] = NJW 1974, 1127; BVerfGE 95, 1 [231 = NJW 1997,383; BVerfG, NJW-RR 2000,1241 [1242]).

Dafür ist Hinreichendes nicht ersichtlich. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat zwar in ihrer Stellungnahme zu § 2 II des Verordnungsentwurfs vom 29. 12. 1997 (ZInsO 1998, 19) angeregt, die Mindestvergütung auf 4000 DM festzusetzen, da die Tätigkeit des Insolvenzverwalters mehr als bisher eine besondere Spezialisierung voraussetze und erhebliche Vorhaltekosten anfielen (ZInsO 1998, 26 [30]). Auch lässt sich der amtlichen Begründung der Verordnung nicht entnehmen, welche Erwägungen der Regelung über die Mindestvergütung zu Grunde lagen und warum der Verordnungsgeber, der bei der Festsetzung der Regelsätze von der bisherigen Praxis zur Konkursverwaltervergütung ausgehen wollte (Amtl. Begr. [unter A 4, und zu § 2 II], abgedr. bei Haarmeyer1WutzkelFörster, Vorb. § 1 nach Rdnr. 79), den Mindestbetrag nur auf 1000 DM festgesetzt hat. Nach der Rechtsprechung zur Konkursverwaltervergütung war für ein durchschnittliches Normalverfahren mindestens der vierfache, bei der aufwendigeren Tätigkeit des Verwalters im Gesamtvollstreckungsverfahren jedenfalls der fünffache Regelsatz festzusetzen (vgl. Haarmeyer1WutzkelFörster, Vergütung in Insolvenzverfahren, 2. Aufl., § 3 VergVO Rdnrn. 12, 15). Insofern wäre es angesichts des gem. § 3 11 VergVO geltenden Mindestbetrags von 400 DM konsequent gewesen, die Mindestvergütung mit einem Betrag von 1600 DM anzusetzen (vgl. hierzu LG Flensburg, NZI 2003, 382 = ZVI 2003, 237 [238]; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vergütung, § 3 VergVO Rdnr. 13; dies., InsVV, § 2 Rdnr. 39; Blersch, in: Breutigam/Blersch´/Goetsch, InsolvenzR, § 2 InsVV Rdnr. 13). Gleichwohl lässt sich nicht ersehen, dass die Einschätzung hinsichtlich der Mindestgebühr, die bis dahin in der Praxis keine nennenswerte Rolle spielte und deren Bedeutung und Trageweite sich erst später gezeigt hat, offensichtlich verfehlt war.



5. Der dem Verordnungsgeber zuzubilligende Zeitraum für eine Überprüfung und Anpassung ist erst mit Ablauf des Jahres 2003 verstrichen. Auf einer Prognoseentscheidung beruhende Normen werden frühestens verfassungswidrig, wenn die dem Gesetzgeber zustehende Zeit, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln einer Norm abzuhelfen, abgelaufen ist (BVerfGE 83, 1 [22] = NJW 1991, 555; BVerfGE 101, 331 [351] = NJWE-FER 2000,117). Bis Ende des Jahres 2001 waren die Auswirkungen der Regelung zur Mindestvergütung noch gering. Der Verordnungsgeber konnte zunächst davon ausgehen, dass auch Verbraucherinsolvenzverfahren nur mit einer die Kosten deckenden Masse eröffnet würden und der Insolvenzverwalter eine auskömmliche Vergütung erhalten werde (vgl. Landfermann, in: HK z. Ins0, 1. Aufl., Vorb. §§ 304 -314 Rdnrn. 11 ff., 18). Demgegenüber war seit Einführung der § § 4 a ff. InsO mit erheblichen Auswirkungen auf die Vergütungsregelung zu rechnen, weil ein deutlicher Anstieg der zu bearbeitenden massearmen Insolvenzverfahren zu erwarten war. Dem Verordnungsgeber oblag deshalb ab diesem Zeitpunkt eine verstärkte Beobachtungspflicht.

Im Verlaufe des Jahres 2002 sind die Auswirkungen der neuen Bestimmungen in ihrer Tragweite nach und nach deutlich geworden, als die ersten Gerichtsentscheidungen zur Frage der Angemessenheit und Auskömmlichkeit der Vergütung veröffentlicht wurden (vgl. LG Bremen, NZI 2002, 672) und Insolvenzgerichte begannen, den Insolvenzverwaltern höhere als die vorgesehenen Vergütungssätze zu gewähren (vgl. AG Husum, ZIns0 2002, 1135 [11361). In der Folgezeit gab es sodann eine Flut derartiger Entscheidungen und zahlreiche Veröffentlichungen im Schrifttum, in denen nahezu einhellig festgestellt wird, dass die Mindestsätze zur Abgeltung des bei solchen Verfahren durchschnittlich anfallenden Tätigkeitsaufwands völlig unzureichend sind (vgl. z. B. Keller, ZVI 2002, 437 [4431; Syrbe, Zlns0 2002, 667; Kuhmann, ZVI 2002, 357; Frind, ZIns0 2003, 341 [345]; Haarmeyer, Zlns0 2003, 122 [123]; Blersch, ZVI 2003, 193; Mäusezahl, ZVI 2003, 49 [5 1]).

Deshalb bestand jedenfalls seit Mitte des Jahres 2003 für den Verordnungsgeber dringende Veranlassung, die Regelung zur Mindestvergütung hinsichtlich ihrer Angemessenheit und Auskömmlichkeit zu überprüfen. Der Gesetzgeber ist zu einer Überprüfung der Auswirkungen seiner Regelung verpflichtet und hat diese nachzubessern und zu korrigieren, wenn sich eine Fehlprognose herausstellt (BVerfGE 16, 147 [187] = NJW 1963, 1243; BVerfGE 56, 54 [78] = NJW 1981, 1655; BVerfGE 65, 1 [55] = NJW 1984, 419; BVerfGE 73, 118 [181f.1 = NJW 1987, 239). Diese Verpflichtung traf auch den Verordnungsgeber. Er hätte bis Ende 2003 die notwendigen Feststellungen treffen und seine Regelungen anpassen können und müssen. Dies hat er unterlassen.



6. § 2 II InsV-V ist wegen seines insoweit eindeutigen Regelungsgehalts einer verfassungskonformen Anpassung in Form einer Anhebung des vorgesehenen Mindestbetrags nicht zugänglich. Eine Norm ist nur dann für verfassungswidrig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist diese geboten (BVerfGE 83, 201 [214 f.] = NJW 1991, 1807; BVerfGE 88,145 [166] = NJW 1993,2861).

Eine dementsprechende verfassungskonforme Handhabung ist für die in Rede stehende Norm jedoch nicht möglich. Nach § 2 II InsVV soll die Vergütung "in der Regel mindestens 500 Euro" beantragen. Der Verordnungsgeber hat damit zum Ausdruck gebracht, dass dieser Mindestbetrag den Regelfall eines masselosen Verfahrens vergüten soll, bei dem ansonsten nach der Systematik von § 2 I InsVV eine nach der Masse zu bestimmende Vergütung nicht gewahrt werden könnte. Eine generelle Anhebung dieses Regelsatzes im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung ist ausgeschlossen, weil nach dem Willen des Verordnungsgebers die neu festgesetzten Regelsätze maßgeblich sein sollen, ohne dass schon für ein Normalverfahren Multiplikatoren angewandt oder Zuschläge gewährt werden (vgl. Amtl. Begr. z. InsVV, [unter B zu § 2], abgedr. bei Haarmeyer/Wutzke/Förster, Vorb. § 1 nach Rdnr. 79).

§ 2 II InsVV begrenzt zwar den Regelsatz nach oben hin nicht, sondern bezeichnet ihn ausdrücklich als Mindestbetrag. Dies lässt indes für einen regeltypischen Normalfall eines massearmen Verfahrens nur dann einen Spielraum für eine Erhöhung der Vergütung, wenn eine solche gem. § 3 1 InsVV wegen konkreter Besonderheiten des Einzelfalls Zuschläge rechtfertigt. Eine generelle Anpassung für das normale Durchschnittsverfahren lässt sich mit Hilfe eines solchen Zuschlags nicht erreichen (a. A. Blersch, ZVI 2003, 193 [197f.]), weil ein solcher nur bei tätigkeitsbezogenen Besonderheiten in Betracht kommt, die das konkrete Verfahren von dem Normfall typischer vergleichbarer Verfahren abheben. Dies trifft nur zu, wenn die individuellen Verhältnisse im Einzelfall die Geschäftsführung als entweder besonders schwierig oder aufwendig erscheinen lassen, so dass aus diesem Grund ein Missverhältnis zur Regelvergütung entstehen würde (vgl. zu § 25 ZwVerwV a. E, B GHZ 152, 18 [27] = NJW 2003, 212 = NZI 2002, 683 = NZM 2002, 1042; zu § 4 VergVO BVerfG, ZIP 1989,382 [383]).



7. Eine Anrufung des BVerfG gem. Art. 100 1 GG kommt nicht in Betracht, weil sich dessen Verwerfungsmonopol nur auf nachkonstitutionelle Gesetze im formellen Sinne, nicht aber auf Verordnungen bezieht (vgl. BVerfGE 1, 184 [189 ff.]; BVerfGE 68, 319 [3261 = NJW 1985, 2185).

8. Demzufolge ist die Regelung der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung über die Mindestvergütung der Insolvenzverwalter ab 1. 1. 2004 verfassungswidrig. Dies hat zur Folge, dass für Insolvenzverwalter, die ab diesem Zeitpunkt bestellt werden, die Begrenzung der Mindestvergütung auf 500 Euro nicht mehr gilt. Für die zeitliche Abgrenzung ist der Stichtag der Bestellung des Insolvenzverwalters maßgeblich. Dies erfordern Praktikabilität und Rechtsklarheit.

Die Bestellung des Insolvenzverwalters erfolgt im Eröffnungsbeschluss (§ 27 11 Nr. 2 Ins0). Sein Amt beginnt mit der Annahme (Graeber, in: MünchKomm-Ins0, § 56 Rdnrn. 99 f.). Diese hat unverzüglich zu erfolgen. Denn die Aufnahme der Tätigkeit des Insolvenzverwalters muss sofort beginnen, nämlich mit der Inbesitznahme und Aufzeichnung der Masse (§§ 148 ff. Ins0). Ist die Bestellung noch im Jahr 2003 erfolgt, wird deshalb typischerweise auch die Aufnahme der Tätigkeit in diesem Jahr erfolgt sein. Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters wird einheitlich gewährt und bemisst sich nicht nach einzelnen Zeitabschnitten seiner Tätigkeit. Sein Anspruch auf Vergütung entsteht bereits mit der Arbeitsleistung, nicht erst mit der Festsetzung durch das Gericht (BGHZ 116, 233 [2421 = NJW 1992, 830). Deshalb ergibt sich seine Vergütung für eine Tätigkeit, zu der er vor dem Jahr 2004 bestellt wurde, aus der zu diesem Zeitpunkt geltenden und verfassungsrechtlich noch hinnehmbaren Regelung.

9. Der Verordnungsgeber wird unverzüglich mit Rückwirkung zum 1. 1. 2004 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen haben. Geschieht dies nicht bis spätestens 1. 10. 2004, werden die Gerichte unter Berücksichtigung der aus §§ 2, 3 InsVV ersichtlichen Grundstruktur eine angemessene Mindestvergütung festzulegen haben (vgl. BVerfGE 54, 251 [276] = NJW 1980, 2179). Diese ist nicht nach dem Arbeitsund Kostenaufwand im Einzelfall, sondern an dem durchschnittlich erforderlichen Arbeits- und Kostenaufwand in masselosen Verfahren zu bemessen. Eine Berechnung nach Stundensätzen kommt nicht in Betracht.

10. Da der Insolvenzverwalter im Streitfall vor dem 1. 1. 2004 zum Verwalter bestellt wurde, bleibt sein über den gesetzlichen Mindestsatz hinausgehender Vergütungsantrag und damit auch sein Rechtsmittel im Ergebnis ohne Erfolg.



* Quelle: NJW 2004, 941 ff