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- Stand: 19. September 2003 - Volltextsuche - Datenschutz - Sicherheit - News and more! - Suchmaschinen - Google (Test 2/2003 - gut - 2,1)
BVerwG, Urteil vom 08.03.2002 - 3 C 46/01 (VG Berlin) *
Tatbestand: Die Bet. streiten darüber, ob die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen
DDR (Bundesbeauftragte) auf Grund des Stasi-Unterlagen-Gesetzes befugt ist, vom Staatssicherheitsdienst gesammelte Unterlagen,
die Informationen über den Kl. enthalten, für die Forschung zum Zwecke der Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit, für Zwecke der
politischen Bildung und zur Verwendung durch die Medien herauszugeben. Nach eigenen Angaben verfügt die Bundesbeauftragte
über etwas mehr als 7 000 Blatt Unterlagen, die den Kl. betreffen, wovon sie ca. 2500 Blatt für herausgabefähig hält. Sie hat im
erstinstanzlichen Verfahren versichert, keine Unterlagen herausgeben zu wollen, die ausschließlich private Daten über den Kl.
enthalten oder aus Mitschnitten von Telefonaten des Kl. auf Tonbändern sowie aus davon gefertigten Wortlautprotokollen bestehen.
Sie hat angekündigt, die übrigen Unterlagen auf entsprechende ihr vorliegende Anträge hin zur Verfügung zu stellen. Der Kl. sieht
dies als unzulässig an und beansprucht umfassenden Schutz vor Verwendung sämtlicher ihn betreffenden Informationen, die auf
Grund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspähung durch den Staatssicherheitsdienst gesammelt wurden. Die im Streit
befindlichen Unterlagen und Informationen betreffen das Leben und Wirken des Kl. über Jahrzehnte hin bis zur Herstellung der
Einheit Deutschlands; der Kl. war in dieser Zeit in verschiedenen hervorgehobenen Funktionen tätig; unter anderem war er
Ministerpräsident eines Bundeslandes, Abgeordneter und Fraktionsvorsitzender im Deutschen Bundestag, Bundeskanzler der
Bundesrepublik Deutschland und Bundesvorsitzender einer Partei.
Der im Dezember 2000 erhobenen vorbeugenden Unterlassungsklage des Kl. hat das VG durch das angefochtene Urteil vom 4. 7.
2001 stattgegeben und im Übrigen die Erledigung des Rechtsstreits festgestellt, soweit der Kl. zunächst auch die Unterlassung der
Zugänglichmachung von Tonbändern und Mitschnitten von ihm geführter Telefongespräche und von Wortlautprotokollen solcher
Telefonate begehrt hatte (NJW 2001, 2987). Mit der Revision, die auf Abänderung des Urteils und Klageabweisung zielt, macht die
Bekl. Folgendes geltend: Dem Kl. stehe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. § 32 1 Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG
sei dahin zu verstehen, dass Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über den Kl., durch deren Herausgabe bzw.
Verwendung dessen schutzwürdige Interessen, insbesondere sein Persönlichkeitsrecht nicht verletzt würden, von ihr auf -
vorliegende - zulässige Anträge hin herausgegeben werden müssten. Gegenstand des Rechtsstreits seien aber nur noch Unterlagen
mit solchen Informationen, die weder seine Privatbzw. Intimsphäre beträfen, noch aus anderen Gründen geeignet seien,
überwiegende schutzwürdige Interessen des Kl. zu verletzen. Nach den Maßstäben des angefochtenen Urteils verbleibe für die
Vorschrift des § 32 1 Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG kein Regelungsinhalt und damit kein Sinn, was der Gesetzgeber weder gewollt
habe noch ihm unterstellt werden dürfe; der gesetzlichen Erwähnung der hervorgehobenen Personengruppe hätte es nicht bedurft,
wenn man - wie es das VG tue davon ausgehe, dass eine Herausgabe sie betreffender Informationen wegen des Betroffenen- bzw.
Dritten-Einwands entweder überhaupt nicht oder ohnehin deswegen zulässig sei, weil der jeweils Betroffene zugleich Mitarbeiter
oder Begünstigter i.S. des § 32 1 Nr. 3 StUG sei. Vom VG vernachlässigt bzw. übersehen worden sei, dass der tragende Gedanke
des Stasi-UnterlagenGesetzes derjenige eines inhaltlichen Ausgleichs zwischen den Zielen der politischen, historischen und
juristischen Aufarbeitung und dem gebotenen Schutz des Einzelnen vor unbefugter Verwendung seiner persönlichen Daten sei.
Diesem Gedanken sei auch § 32 StUG verpflichtet, was es ausschließe, sämtliche personenbezogenen Informationen von Personen
der Zeitgeschichte etc. der Aufarbeitung vorzuenthalten, soweit die Personen zugleich Betroffene oder Dritte gewesen seien. Zwar
sei zuzugeben, dass durch die Gesetz gewordene Fassung, die auf einem in letzter Stunde eingebrachten Änderungsantrag (BT-Dr
12/1563) beruhe, eine zuvor beabsichtigte im Sinne der Bekl. eindeutige - Regelung an Klarheit verloren habe, was aber keineswegs
zur vom Kl. und dem VG vorgenommenen Auslegung berechtige. Gehe man - statt der Gesetz gewordenen Fassung - von der
Entwurfsfassung aus, die den vorerwähnten Ausgleichsgedanken am deutlichsten ausdrücke (§ 26 in BT-Dr 12/1540), so werde die
Annahme des Gesetzes deutlich, dass es auch Personen der Zeitgeschichte etc. gebe, die nicht Betroffene oder Dritte seien. Der
richtige Ansatz liege deshalb darin, zu untersuchen, ob eine Verwendung einer Information überwiegende schutzwürdige Interessen
von Personen der Zeitgeschichte etc. zu beeinträchtigen geeignet sei oder nicht. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe: Die Revision der Bekl. ist unbegründet. Die Entscheidung des VG, die Bundesbeauftragte dürfe die noch
streitgegenständlichen Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über den Kl. auf Grund des StasiUnterlagenGesetzes vom
20. 12. 1991 (BGBl 1, 2272, zuletzt geändert durch Gesetz v. 17. 6. 1999, BGBl 1, 1334 [1336]) nicht für die Forschung, die
politische Bildung oder die Verwendung durch die Medien zur Verfügung stellen, verletzt kein Bundesrecht (§ 137 1 VwG0).
1. Nicht mehr im Streit ist die fehlende Befugnis der Bundesbeauftragten, Tonbänder des Staatssicherheitsdienstes mit abgehörten
Telefongesprächen des Kl. oder davon' gefertigte Wortlautprotokolle Antragstellern aus Forschung, politischer Bildung und Medien
zur Verfügung zu stellen. Die vom VG entsprechend dem Antrag des Kl. getroffene Feststellung, dass der Rechtsstreit insoweit
durch die Erklärungen der Bekl. erledigt sei, wird mit der Revision nicht angegriffen. Darüber hinaus erfasst das Klagebegehren
keine Informationen, die ausschließlich das Privatleben oder die Privatsphäre des Kl. betreffen, da auch diese Informationen auf
Grund der Unterlassungserklärung der Bundesbeauftragten nicht in den Klageantrag einbezogen sind.
2. Rechtsgrundlage des hiernach noch vom Kl. geltend gemachten und vom VG anerkannten Unterlassungsanspruchs ist § 4 1 1
StUG. Danach haben öffentliche und nicht öffentliche Stellen nur Zugang zu den Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen DDR und dürfen sie nur verwenden, soweit das Stasi-Unterlagen-Gesetz es erlaubt oder anordnet. Die
Bundesbeauftragte bedarf mithin für die von ihr beabsichtigte Freigabe der von der Stasi gesammelten Informationen über den Kl.
einer Ermächtigungsnorm.
Zwar ist in § 4 I 1 StUG nicht ausdrücklich von einem Anspruch Betroffener oder Dritter die Rede, die nicht legitimierte
Weitergabe personenbezogener Informationen zu unterlassen. Schon der in § 1 I Nr. 2 StUG niedergelegte Zweck des Gesetzes,
den Einzelnen davor zu schützen, dass er durch den Umgang mit den vom Staatssicherheitsdienst zu seiner Person gespeicherten
Informationen in seinem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt wird, verbietet jedoch die Auslegung des § 4 I 1 StUG im Sinne einer
objektiv-rechtlichen Befugnisnorm ohne Anspruchscharakter. In dieselbe Richtung weist § 5 I 1 StUG, der die Verwendung
bestimmter personenbezogener Informationen zum Nachteil Betroffener und Dritter für unzulässig erklärt und damit die Absicht des
Opferschutzes ebenfalls hervorhebt. Dem lässt sich nur durch die Anerkennung eines Unterlassungsanspruchs derjenigen Rechnung
tragen, über die personenbezogene Informationen u . nerlaubterweise freigegeben werden sollen.
3. Die Bundesbeauftragte leitet ihre Befugnis zur Freigabe der noch streitigen Unterlagen aus § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG her,
für die Verwendung durch Presse, Rundfunk und Film ergänzt durch § 34 StUG. Zutreffend hat das VG erkannt, dass diese
Bestimmungen die Freigabe nicht rechtfertigen. Sie sind zwar prinzipiell einschlägig, schließen aber für den hier zu beurteilenden
Fall das Zurverfügungstellen dieser Unterlagen eindeutig aus.
a) § 32 I StUG regelt die Freigabe von Unterlagen für die Forschung zum Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der
Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie für Zwecke der politischen Bildung. § 34 StUG erklärt diese Regelungen für die
Verwendung von Unterlagen durch Medien für entsprechend anwendbar. Diese eingeschränkte Bezugnahme bedeutet, dass auch
den Medien Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nur zu den in § 32 I StUG genannten Zwecken zur Verfügung gestellt werden
dürfen. Auch sie müssen folglich in ihrem Antrag auf Freigabe bestimmter Unterlagen dartun und belegen, dass ihr Vorhaben die
politische und historische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes bezweckt.
Die Bekl. hat keinerlei Angaben darüber gemacht, welche Anträge auf Zurverfügungstellung der den Kl. betreffenden Unterlagen ihr
vorliegen und wie diese begründet sind. Das VG hat dazu auch keine Feststellungen getroffen. Es erübrigt sich daher, hier
Erörterungen darüber anzustellen, welche Prüfungspflichten der Bekl. hinsichtlich der Ernsthaftigkeit des angegebenen Vorhabens,
der Eignung der herauszugebenden Informationen für die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie hinsichtlich
der Gewährleistung der Zweckbindung obliegen. Zugleich ist es ausgeschlossen, mit Hinweis auf die Zweckbindung die
Befürchtung des Kl. zu zerstreuen, die Freigabeanträge für die seine Person betreffenden Unterlagen dienten weniger der
Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit als der Durchleuchtung seiner eigenen Vergangenheit als Politiker und Mensch. Eine weitere
Aufklärung ist zu diesem Punkt jedoch nicht angezeigt, da das VG die Freigabebefugnis der Bekl. zu Recht aus anderen Gründen
verneint hat.
b) § 32 I StUG unterscheidet die Freigabe von Unterlagen, die keine personenbezogenen Informationen enthalten (Nr. 1), von
Unterlagen, in denen die personenbezogenen Informationen anonymisiert sind (Nr. 2), von Unterlagen mit personenbezogenen
Informationen über bestimmte in drei Spiegelstrichen benannte Personengruppen (Nr. 3) sowie von Unterlagen mit anderen
personenbezogenen Informationen (Nr. 4). Die Bat. sind darüber einig, dass hier nur eine Freigabe auf der Grundlage der Nr. 3 in
Betracht kommt, weil nur Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über den Kl. im Streit sind und für eine Freigabe nach
Nr. 4 jedenfalls die dafür ausdrücklich vorgeschriebene schriftliche Einwilligung der betreffenden Person, also des Kl., fehlt.
Hiervon ist auch das VG.ohne nähere Erörterung ausgegangen. Der erkennende Senat sieht keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung.
Zwar sind dem Senat die zur Freigabe vorgesehenen Unterlagen nicht im Einzelnen bekannt. Fest steht aber, dass sämtliche
Unterlagen vom Staatssicherheitsdienst gespeicherte Einzelangaben zur Person des Kl. enthalten. Dies genügt zur Bejahung des
Merkmals der personenbezogenen Informationen.
Das Stasi-Unterlagen-Gesetz definiert den an vielen Stellen verwendeten Begriff der personenbezogenen Informationen nicht. Schon
vom Wortsinn her liegt aber auf der Hand, dass es sich um Informationen handeln muss, die Aussagen über eine konkrete natürliche
Person enthalten. Dies wird bestätigt durch die den Gesetzeszweck wiedergebenden und damit für die Auslegung der übrigen
Vorschriften besonders wichtigen Bestimmungen des § 1 I Nr. 1 und 2 StUG, wo auf den Einzelnen und die zu seiner Person vom
Staatssicherheitsdienst gespeicherten Informationen abgestellt wird. Es steht außer Zweifel, dass die den Gesetzeszweck im
Einzelnen umsetzenden Normen mit dem Begriff der personenbezogenen Informationen eben diese in § 1 I StUG genannten
Informationen meinen. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass zumindest das Merkmal "personenbezogen" im Kontext des
Datenschutzes, dem auch die hier in Rede stehenden Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes dienen, einen bei Erlass dieses
Gesetzes bereits feststehenden und allgemein bekannten Bedeutungsgehalt hatte. § 3 I BDSG definiert personenbezogene Daten als
Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Auch wenn das
Stasi-UnterlagenGesetz von Informationen statt von Daten spricht, drängt sich die Einsicht auf, dass wegen des identischen
Merkmals der Personenbezogenheit im Wesentlichen eine inhaltliche Übereinstimmung vorliegt.
Dem Begriff der personenbezogenen Informationen speziell im Rahmen des § 32 I Nr. 3 StUG - möglicherweise auch noch
eingeschränkt auf den 1. Spiegelstrich - eine andere (engere) Bedeutung beizulegen, verbietet sich aus systematischen Gründen. Ein
für die Regelungen des Gesetzes derart zentraler Begriff bedarf einer durchgehend einheitlichen Auslegung. Dies gilt umso mehr, als
selbst die Nr. 3 des § 32 I StUG ganz heterogene Personengruppen (Opfer und Täter) nebeneinander stellt, wobei das verbindende
(und vor die Klammer gezogene) Merkmal das Vorhandensein von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen ist. Bei einer
solchen Normgestaltung ist für begriffliche Differenzierungen im Blick auf eine einzige Personengruppe kein Raum.
c) Der 1. Spiegelstrich des § 32 I Nr. 3 StUG nennt als Personen, zu denen Unterlagen mit personenbezogenen Informationen
zweckgebunden zur Verfügung zu stellen sind, Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen sowie Amtsträger in
Ausübung ihres Amts. Es steht außer Zweifel, dass der Kl. in mehrfacher Hinsicht zu diesem Personenkreis gehört. Er war und ist
eine Person der Zeitgeschichte; er war als Parteivorsitzender Inhaber politischer Funktionen und er war in vielfacher Funktion
Amtsträger und ist es als Bundestagsabgeordneter auch heute noch. All dies wird von niemandem in Frage gestellt.
4. a) Gleichwohl verneint das VG zu Recht eine Veröffentlichungsbefugnis der Bekl., weil die genannte Vorschrift die Weitergabe
personenbezogener Informationen in Bezug auf den genannten Personenkreis nur zulassen soweit sie nicht Betroffene oder Dritte
sind. Wer Betroffener ist, wird in § 6 III StUG ausdrücklich definiert. Danach sind Betroffene Personen, zu denen der
Staatssicherheitsdienst auf Grund zielgerichteter Informationserhebung oder Ausspähung einschließlich heimlicher
Informationserhebung Informationen gesammelt hat. Dies gilt grundsätzlich nicht für Mitarbeiter und Begünstigte des
Staatssicherheitsdienstes. Dazu stellt das VG fest, dass der Kl. systematisch Objekt zielgerichteter Informationserhebung oder
Ausspähung gewesen ist und dass die zur Weitergabe vorgesehenen Unterlagen im Wesentlichen aus diesen Aktivitäten der Stasi
resultieren, so dass der Kl. nach der Definition des § 6 III 1 StUG Betroffener ist. Für etwa nicht in diese Kategorie fallende
Unterlagen stuft das VG den Kl. als Dritten i. S. des § 6 VII StUG ein. Auch die Revision bezweifelt nicht, dass der Kl. dem
Wortlaut nach unter die Definition des Betroffenen und hinsichtlich der restlichen Unterlagen unter die des Dritten fällt. Gleichwohl
meint sie, die Ausschlussregelung des § 32 I Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG für Personen, die Betroffene oder Dritte sind, könne keine
Anwendung finden. Dem kann nicht gefolgt werden.
Die Auffassung der Bekl. ist schon vom Wortlaut der Norm her nicht nachvollziehbar. In der Auslegung der Bekl ' müsste die
Vorschrift lauten: Freizugeben sind Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber
politischer Funktionen oder Amtsträger in Ausübung ihres Amtes, selbst wenn sie Betroffene oder Dritte sind. Dies ist das genaue
Gegenteil des Gesetzeswortlauts.
Die Behauptung der Bekl., der entsprechende Wille des Gesetzgebers ergebe sich aus dem Gesetzgebungsverfahren, ist
unzutreffend; das Gegenteil ist der Fall. Es ist falsch, dass die Einschränkung zu Gunsten Betroffener und Dritter erst einen Tag vor
dem endgültigen Gesetzesbeschluss durch einen Änderungsantrag (BT-Dr 12/1563) eingefügt worden sei, der eine ganz andere
Zielrichtung verfolgt habe. Richtig ist, dass die entsprechende Regelung bereits in der Beschlussempfehlung des zuständigen
Innenausschusses - wenn auch in einer satzbaumäßig etwas abgewandelten Konstellation enthalten war (BT-Dr 12/1540, S. 35 [§
26]). Im einschlägigen Ausschussbericht heißt es dazu ausdrücklich, die Änderung, diene dem verstärkten Schutz des
Persönlichkeitsrechts der Person, über die in den Unterlagen~Informationen enthalten seien (BT-Dr 12/1540, S. 62). Darüber hinaus
hat der Ausschuss sogar in der der Beschlussempfehlung vorangestellten allgemeinen Beschreibung des Gesetzentwurfs
festgehalten, die gesetzliche Regelung enthalte als Schwerpunkt die Öffnung der Unterlagen für die wissenschaftliche Forschung
und politische Bildung mit Ausnahme der Daten Betroffener und Dritter (BT-Dr 12/1540, S. 2). Dies fällt umso mehr ins Gewicht,
als der mitberatende Rechtsausschuss eine einschränkungslose Verwendung von Informationen über Personen der Zeitgeschichte
außer über deren Privatsphäre zum Zwecke der Aufarbeitung und Forschung vorgeschlagen hatte (BT-Dr 12/1540, S. 52). Ein
Änderungsantrag der Gruppe Bündnis 90/Die Grünen, der ebenfalls auf die generelle Freigabe von "Informationen über Personen
der Zeitgeschichte, außer über deren Privatsphäre" zielte (BT-Dr 12/1554, S. 2), wurde vom Plenum des Bundestags abgelehnt
(Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 12. Wahlperiode, 57. Sitzung, S. 4724). Es kann hiernach nicht der geringste Zweifel
bestehen, dass der Gesetzgeber die in § 32 1 Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG benannten Personen ganz bewusst von der Weitergabe
ihrer personenbezogenen Daten freigestellt hat, wenn sie Betroffene oder Dritte waren.
Für ihre abweichende Auslegung führt die Bekl. zum einen an, anderenfalls mache die Benennung herausgehobener
Personengruppen in der genannten Vorschrift keinen Sinn. Ob dies tatsächlich zutrifft, hat das VG offen gelassen und bedarf auch
hier keiner weiteren Klärung. Selbst wenn dies der Fall wäre, die ausdrückliche Benennung bestimmter Personengruppen in § 32 1
Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG also im praktischen Ergebnis ohne Relevanz sein sollte, rechtfertigt dies nicht, eine Vorschrift im
offensichtlichen Widerspruch zu ihrem eindeutigen Wortlaut und zum eindeutigen Willen des historischen Gesetzgebers auszulegen.
Schließlich macht die Bekl. geltend, ohne die von ihr vertretene Auslegung lasse sich der in § 1 I Nr. 3 StUG niedergelegte
Gesetzeszweck nicht verwirklichen, die historische, politische und juristische Aufarbeitung der Tätigkeit des
Staatssicherheitsdienstes zu gewährleisten und zu fördern. Auch dies überzeugt nicht. Die Unterlagen mit personenbezogenen Daten
über die in § 32 1 Nr. 3 Spiegelstrich 1 StUG genannten Personen stellen nur einen Ausschnitt aus dem Katalog der insgesamt in §
32 1 StUG aufgeführten und für eine Freigabe zur Aufarbeitung der StasiTätigkeit in Betracht kommenden Unterlagen dar. Es ist
nicht zu erwarten und auch von der Bekl. nicht dargetan, dass gerade mit der Freigabe der personenbezogenen Informationen über
die im 1. Spiegelstrich genannten Personengruppen der Aufarbeitungszweck des Stasi-Unterlagen-Gesetzes insgesamt steht oder
fällt. Dies gilt umso mehr, als selbst nach dem jetzigen Standpunkt der Bundesbeauftragten wesentliche Teile dieser Informationen
in Anwendung der am Ende des § 32 1 Nr. 3 StUG stehenden Abwägungsklausel in jedem Fall von einer Freigabe auszunehmen
wären. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 1 1 StUG mehrere nicht ohne weiteres kongruente Gesetzeszwecke
nebeneinander aufzählt. Entscheidet sich der Gesetzgeber dafür, in einem bestimmten Regelungsbereich einem dieser
Gesetzeszwecke eindeutig den Vorrang einzuräumen, so ist dies von den Gerichten zu respektieren.
b) Fehl geht auch der Versuch, den Status des Kl. als Betroffener deshalb zu verneinen, weil sich die Ausspähungsmaßnahmen des
Staatssicherheitsdienstes im Wesentlichen gegen ihn als Verfassungsorgan, beispielsweise als Bundeskanzler, gerichtet hätten; das
Handeln der Inhaber solcher Ämter ist nach dieser Auffassung Handeln der Körperschaft und rechtlich nicht solches der jeweiligen
Amtsinhaber (vgl. Arndt, NJW 2001, 2948 [2949]); Gleiches gelte für die Ausspähung in der Funktion als Parteivorsitzender (vgl.
Arndt, NJW 2001, 2948 [2950]). Damit werden zu Unrecht Zurechnungskategorien, die in gänzlich anderen Zusammenhängen wie
etwa dem der Staatshaftung (Art. 34 GG) entwickelt worden sind, in den Bereich des Opferschutzes übertragen. Dabei fehlt
hinsichtlich der Tätigkeit des Parteivorsitzenden ohnehin jeder Anknüpfungspunkt, denn eine generelle Zuordnung seines Handelns
zu der von ihm vertretenen Institution findet rechtlich auch im Übrigen nicht statt. Selbst ein Amtsträger in Ausübung seines Amtes
kann aber gegenüber rechtswidrigen Ausspähungsmaßnahmen und der Preisgabe der dadurch gewonnenen Informationen nicht
ausschließlich als Teil der Institution ohne eigene persönliche Betroffenheit angesehen werden. Derartige - richtige und erst recht
manipulierte - Informationen können für einen Politiker in einem demokratischen Staat existenzvernichtende Folgen mit schwer
wiegenden Auswirkungen auf die Privatsphäre haben. Schon das verbietet im Bereich des vom Gesetz erstrebten Opferschutzes eine
ausschließliche Zuordnung der über einen Amtsträger gesammelten Informationen zu dem Amt ohne Rücksicht auf die das Amt
wahrnehmende Person. Es kommt hinzu, dass bei herausgehobenen Amtsträgern die amtliche und die parteipolitische Funktion in
engster Verbindung zueinander stehen, so dass eine trennscharfe Unterscheidung, in welcher Funktion etwa eine abgehörte
Äußerung getan worden ist, häufig kaum möglich ist.
5. Hiernach verbietet das Stasi-Unterlagen-Gesetz der Bundesbeauftragten die angekündigte Freigabe der Stasi-Unterlagen mit
personenbezogenen Daten des Kl. Es bedarf daher keiner abschließenden Klärung der von den Bet. im Prozess kontrovers
erörterten Frage, ob die von der Bekl. vertretene Auslegung dieses Gesetzes mit dem Grundgesetz, insbesondere mit dem durch
Art. 2 1 i. V. mit Art. 1 GG gewährleisteten Recht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar wäre. Der Senat beschränkt sich
daher - auch im Hinblick auf die von der Bundesbeauftragten öffentlich erhobene Forderung, im Falle ihres Unterliegens das
Stasi-Unterlagen-Gesetz entsprechend ihren Vorstellungen zu ändern auf folgende Hinweise: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht
nach Art. 2 I GG in der Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umfasst die Befugnis jedes Einzelnen, über
die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (vgl. BVerfGE 78, 77 [841 = NJW 1988, 2031).
Zwar muss der Einzelne Einschränkungen dieses Rechts im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Solche Beschränkungen
bedürfen aber nach Art. 2 I GG einer gesetzlichen Grundlage und müssen dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit genügen. Dieses
verlangt, dass eine Grundrechtsbeschränkung von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls gerechtfertigt wird, das gewählte Mittel
zur Erreichung des Zwecks geeignet und erforderlich ist und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und
dem Gewicht der rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt ist (vgl. BVerfGE 78, 77 [85] = NJW 1988,
2031). Inwieweit sich in diesem Rahmen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum eingeschränkten
Persönlichkeitsschutz von Personen der Zeitgeschichte und von Amtsträgern in Ausübung ihres Amtes auf den hier in Rede
stehenden Regelungskomplex übertragen lassen, bedarf zumindest sorgfältiger Prüfung. Die genannte Rechtsprechung betrifft das
Spannungsverhältnis zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Einzelnen und dem Recht der Presse, sich Informationen über die
Allgemeinheit interessierende Tatsachen zu beschaffen und diese an die Allgemeinheit weiterzugeben. Hier geht es dagegen um die
Frage, ob der Staat rechtsstaatswidrig erworbene Informationen, auf die er allein Zugriff hat, ohne Zustimmung des Betroffenen an
Dritte weitergeben darf. Es kommt hinzu, dass das Stasi-Unterlagen-Gesetz zumindest bislang kaum ein funktionsfähiges
Instrumentarium erkennen lässt, mit dem die strikte Zweckbindung zur Verfügung gestellter personenbezogener Daten für die
Aufarbeitung der Stasi-Tätigkeit gewährleistet werden könnte. Vor allem bei der Überlassung solcher Informationen an die Medien
ist kaum zu verhindern, dass sich deren Interesse weniger auf die ausspähen Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes als auf die durch
diese Ausspähung gewonnenen Erkenntnisse richtet.
* Quelle: NJW 2002, 1815 ff