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OLG Frankfurt, Beschluss vom 22 August 2000 - 20 W 288/00
... Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss statthafte weitere Beschwerde (§14 Abs. 3 S.2 KostO) ist auch ansonsten
zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die von dem Amtsgericht für die beantragten Eintragungen in das Grundbuch erhobenen Gebühren rechtfertigen sich sowohl der
Höhe als dem Grunde nach aus den in der Kostenrechnung vom 26.1.2000 (Az: 9-D1-2777-015) genannten Vorschriften der
Kostenordnung. Gleiches gilt im Hinblick auf die geforderte Katasterfortschreibungsgebühr, die ihre Grundlage in § 1 des Gesetzes
über die Wiedereinführung der Katasterfortschreibungsgebühren vom 20.10.1959 (Hess. GVBI. S.65) hat.
Dies wird von der Kostenschuldnerin auch nicht in Frage gestellt, die allein einwendet, die Erhebung von Gebühren, die den
tatsächlichen Aufwand für die Grundbuchberichtigungen übersteigen würden, der im Zusammenhang mit der Verschmelzung zweier
Genossenschaften entstehe, verstoße gegen die Richtlinie 69/3357 EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern
auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/3037/EWG des Rates vom 10.06.1985 geänderten Fassung.
Die Kostenschuldnerin hat daher angeregt, das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWG-Vertrag beim EuGH einzuleiten.
Nach Auffassung des Senats verstoßen die Vorschriften der KostO bezüglich der Eintragung der Volksbank . . . als
Rechtsnachfolgerin der Volksbank . . .(§ 60 Abs. 1 KostO) sowie die Berichtigung der Grundbücher der Volksbank gemäß § 67, 30
KostO (Namensänderung) nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, auch wenn es sich um Gebühren handelt, die den
tatsächlichen Aufwand möglicherweise übersteigen.
Dem stehen auch nicht die von der Kostenschuldnerin angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 2.12.1997
("Fantask", ZIP 1998,206 = NVwZ 1998, 883 = NZG 1998, 274 = WM 1998, 2193 und vom 29.09.1999 "Modelo" = ZIP
1999,1651 = NZG 1999,1049 = FG Prax 1999, 240 = NJW 2000, 939 = RIW 2000, 310) entgegen.
Im "Fantask-Fall" ging es um die Eintragungskosten für die Ersteintragung von Kapitalgesellschaften und für Kapitalerhöhungen.
Der EuGH sah in der dänischen Gebührenregelung (Grundgebühr + zusätzliche Abgabe i. H. v. 4% des gezeichneten oder
zugeführten Kapitals) einen Verstoß gegen das Verbot indirekter Steuern nach Art. 10 der Richtlinie, da sich die Eintragungsgebühr
nicht am tatsächlichen Aufwand für die Vornahme der Eintragung orientiere. Hieran anschließend hat das Bayerische Oberste
Landesgericht (BayObLG NJW 1999, 652 = FG Prax 1999, 36 = ZIP 1999, 364 = BB 1999, 490 = Rpfleger 1999,195 = WM
1999,1622 = NZG 1999, 156 = RIW 1999, 301 = DB 1999, 209) und ihm folgend auch der Senat (Beschluss vom 29.03.1999 -
20W 567/98 = OLGR Frankfurt 1999, 260 und Juris) entschieden; dass § 26 KostO gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht
verstoße. Beide Entscheidungen betrafen die Handelsregistereintragung einer Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat darüber hinaus gehend auch die GmbH & Co. KG als Kapitalgesellschaft im Sinne von
Art. 3 der Richtlinie angesehen (BayObLG DB 1999, 211 = NZG 1999,159 = JurBüro 1999, 205 = WM 1999,1345 = ZIP 1999,
363; noch anders Senatsbeschluss vom 28.03.2000 - 20W 125/2000). Im "Modelo- Fall" ging es um die Notarkosten für die
öffentliche Beurkundung der Erhöhung des Kapitals sowie der Änderung der Firma und Verlegung des Sitzes einer
Kapitalgesellschaft. Der EuGH sah in der Portugiesischen Regelung (Grundgebühr + degressive veränderliche Gebühr, berechnet
nach dem Wert des Geschäfts) ebenfalls einen Verstoß gegen das Verbot indirekter Steuern, weil nach portugiesischem Recht die
Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft zwingend eine notarielle Beurkundung vorsehe, die portugiesischen Notare Beamte
seien, die einen Teil der Gebühren an den Staat abführen müssten und sich die Abgabe nicht am tatsächlichen Aufwand orientiere.
Abweichend von den oben zitierten Entscheidungen geht es im vorliegenden Fall weder um eine Handelsregistereintragung einer
Kapitalgesellschaft oder ihr gleichzustellenden Personenvereinigung noch findet die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der
Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 hier überhaupt Anwendung. Eine Vorlageverpflichtung nach Art. 177 EWG-Vertrag
kommt daher nicht in Betracht, denn es geht nicht um eine Auslegung von Gemeinschaftsrecht.
Art. 4 der Richtlinie enthält ein Verzeichnis der Vorgänge, die die Erhebung der Gesellschaftssteuer auslösen und der Vorgänge, die
die Mitgliedstaaten einer solchen Steuer unterwerfen können. Voraussetzung dafür, ob der durchgeführte Verschmelzungsvorgang
und -entscheidend - die hierdurch ausgelösten Grundbucheintragungen unter die Richtlinie fällt, ist folglich, dass er unter eine der
Fallgestaltungen subsumiert werden kann, die in Art. 4 beschrieben sind, auf den Art.10 lit. a und b der Richtlinie verweist (EuGH
WM 1999, 343= RIW 1999, 229). Dazu kommt das in der Art. 10 lit. c der Richtlinie ausgesprochene Verbot, Abgaben auf die
Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität zu erheben, der eine Gesellschaft aufgrund - ihrer
Rechtsform unterworfen werden kann. Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt ist festzustellen, dass der gebührenauslösende
Vorgang weder unter Art. 4 noch Art. 10 c der Richtlinie fällt. Die Verschmelzung zweier Genossenschaften vollzieht sich nach §§
79 ff, 2 Nr.1 UmwG durch Übertragung des Vermögens einer Genossenschaft auf eine andere bereits bestehende Genossenschaft.
Als Folge hiervon gehen mit der Eintragung in das Register auch die Vermögenswerte auf den übernehmenden Rechtsträger über (§
20 UmwG), so dass hinsichtlich des Immobiliarvermögens eine Berichtigung des Grundbuches erforderlich wird. Die in diesem
Zusammenhang eingeforderten Gebühren treffen eine Genossenschaft weder im Zusammenhang mit einer Erhöhung ihres Kapitals
noch aufgrund ihrer Rechtsform, also des Instrumentes zur Kapitalansammlung. Sie knüpfen an einen normalen Erwerbsvorgang,
der im Grundbuch verlautbart wird und zwar unabhängig davon, ob eine Kapitalgesellschaft oder ihre gleichzustellende
Personenvereinigung erwirbt oder eine natürliche Person. Die betreffenden Angaben werden weder auf die Kapitalzuführung als
solche, noch wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform erhoben, so dass die Beibehaltung dieser Gebühren
auch nicht die mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden. Sie beruhen vielmehr auf dem im deutschen Rechtssystem verankerten
Abstraktionsprinzip, das neben dem schuldrechtlichen (Grund-) Geschäft den dinglichen Übertragungsakt (dingliches
Rechtsgeschäft) zum Vollzug des Eigentumserwerbs erfordert.
Soweit die Kostenschuldnerin einwendet, die erhobenen Gebühren stünden in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Aufwand, der
bei der Grundbucheintragung anfällt, weil bereits sämtliche Rechtsfragen von dem Rechtspfleger bei Eintragung in das
Genossenschaftsregister geprüft werden, bestehen nach Auffassung des Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken gegen die den Kostenrechnungen zugrundegelegten Gebührenvorschriften, aus denen sich die Höhe der einzelnen
Gebühren errechnet.
Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem
Gebührenschuldner durch eine öffentlich-rechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt
sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfGE 50, 217(226) = NJW 1979,1345).
Aus dieser Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um speziell die Kosten ganz oder teilweise zu decken, folgt indes nicht, dass
die Gebührenhöhe durch die Kosten der Leistung der öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall in der Weise begrenzt sein
muss, dass Gebühren diese Kosten nicht übersteigen oder unterschreiten dürfen (BVerfG a. a. 0.). Innerhalb seiner jeweiligen
Regelungskompetenz verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell
zurechenbaren öffentlichen Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe er hierfür aufstellen und
welche über die Kostendeckung hinausreichende Zwecke er mit einer Gebührenregelung anstreben will (BVerfG a. a. 0.).
Allgemeine Grenzen ergeben sich insoweit aus dem Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit (BVerfG a. a. 0.; Konntenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 14. Auflage, § 32 Rn. 7).
Diese Verfassungsgrundsätze sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht verletzt.
Der mit den Gebührenvorschriften der KostO maßgeblich verfolgte Zweck der Kostendeckung wird relativiert durch den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit, nach dem die staatliche Leistung für den einzelnen auch "erschwinglich" bleiben muss, d. h. sie darf nicht
außer Verhältnis stehen zu der wirtschaftlichen Bedeutung, die das Geschäft für den Kostenschuldner hat (KLBR a. a. 0.). Im
Ergebnis wird dieser Ausgleich erreicht durch eine Bindung der Gebührenhöhe an den Wert des einzutragenden Rechts. Dabei kann
nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass es Fälle gibt, in denen die gebührenpflichtige staatliche Leistung die wirtschaftliche
Bedeutung des Geschäftes übersteigt. Diese Grenze ist hier nach Auffassung des Senats angesichts der tatsächlich erhobenen
Gebühren von 11.060,-DM, 1.106,-DM und 710,-DM im Vergleich mit dem Gegenstand des Geschäfts (Eigentumseintragung
betreffend drei Grundstücke im Werte von insgesamt 7,3 Mio. DM, Katasterfortschreibung und Namensumschreibung bei insgesamt
5 Grundstücken im Wert von 1,1813 Mio. DM) nicht überschritten. ...