BGH, 22.07.2004, I ZR 135/01, Markengesetz- § 5 II, Benutzung, Domainname, Unternehmenskennzeichen, Adressbezeichnung , Verkehr, Herkunftshinweis , Unternehmen, lokal, regional, Wirkungskreis,
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MarkenG §§ 5 II
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BGH, Urteil vom 22.07.2004 - I ZR 135/01 *
„ .... Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 6. April 2001
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung
wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das
Berufungsgericht zurückverwiesen. ...
Tatbestand: Die Klägerin ist ein Unternehmen in der Nähe von Stuttgart, das sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb
von EDV-Kommunikationssystemen und Computerprogrammen, mit der EDV-Beratung sowie mit der Einrichtung und
Wartung von EDV-Anlagen befaßt. Sie führt seit 1989 in ihrer Firma den Bestandteil „SoCo" als Abkürzung des
beschreibenden Firmenbestandteils „Software + Computersysteme". Der Beklagte betreibt in Düren seit 1992 unter der
Firma „SoftCom Datensysteme Stephan F. " ein einzelkaufmännisches Unternehmen, das u.a. Internet-Zugänge, LAN- und
WAN-Netzwerke, Hardware, Software und CAD-CAM-Dienstleistungen anbietet. Seit 1996 vertreibt er seine Produkte
unter dem Domainnamen „soco.de" auch über das Internet. Außer der Klägerin gibt es in Deutschland noch eine Reihe
anderer Unternehmen, deren Firma den Bestandteil „SoCo" enthält.
Die Klägerin hat die Verwendung des Domainnamens „soco.de" durch den Beklagten als Verletzung ihrer
Kennzeichenrechte beanstandet. Sie hat die Ansicht vertreten, durch Eintragung und Nutzung des Domainnamens bestehe
eine nicht hinzunehmende Verwechslungsgefahr, weil beide Unternehmen Waren und Dienstleistungen in der
Computerbranche anböten.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat geltend gemacht, dass die Parteien auf verschiedenen Geschäftsfeldern
tätig seien und sich auch wegen der räumlichen Begrenzung ihrer Tätigkeit auf dem Markt nicht begegneten. Im übrigen
seien ihm durch Lizenzvertrag Rechte an der Bezeichnung SoCo eingeräumt worden, die auch gegenüber der Bezeichnung
der Klägerin prioritätsälter sei.
Das Landgericht hat - einen weitergehenden Antrag der Klägerin auf Übertragung des Domainnamens abweisend, der Klage
aber im übrigen stattgebend -
1. den Beklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr als
Bestandteil von Adreßbezeichnungen in Datennetzen die Bezeichnung „Soco" zu verwenden, insbesondere die Domain
„soco.de";
2. festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß
Ziffer 1 entstanden ist und noch entstehen wird;
3. den Beklagten verurteilt, der Klägerin Auskunft über sämtliche Handlungen gemäß Ziffer 1 zu erteilen, insbesondere über
Art und Umfang der Bewerbung der Domain „soco.de";
4. den Beklagten verurteilt, die für eine Löschung der Domain „soco.de" erforderlichen Erklärungen gegenüber der
Registrierungsstelle DENIC abzugeben.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision, mit der der
Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe: I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus
ihrem Unternehmensschlagwort „SoCo" zustehen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin seit 1989 auch unter der Kurzform „SoCo" tätig sei. Ungeachtet einer
entsprechenden Benutzung in Alleinstellung stehe ihr aber auch ein Schutz an dem Firmenbestandteil „SoCo" kraft seiner
Eignung, als Firmenschlagwort zu dienen, zu. Dieser Bestandteil verfüge über eine hinreichende Unterscheidungskraft. In
der Vergangenheit seien sich die Parteien auf dem Markt trotz bestehender Branchennähe nicht begegnet, weil sie in
unterschiedlichen Regionen tätig gewesen seien. Der Beklagte habe für sich stets nur einen regionalen Zuschnitt in Anspruch
genommen. Auch bei der Klägerin handele es sich um ein kleines Unternehmen mit eingeschränktem räumlichen
Wirkungskreis. Diese klar abgegrenzten und berührungslos bestehenden unternehmerischen Einwirkungszonen habe der
Beklagte durch seinen Internetauftritt verlassen. Der ubiquitäre Charakter des Internet erlaube es jedermann, von jedem Ort
aus auf die Angebote des Beklagten zuzugreifen. Damit habe der Beklagte die Grundlage wirtschaftlicher Koexistenz unter
Ausweitung seiner Marktpräsenz verlassen und sei in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis und in eine Kollisionslage zur
Klägerin getreten. Dies nötige zur Prüfung der Verwechslungsgefahr.
Dem Firmenschlagwort der Klägerin stehe der buchstaben- und lautgleiche Domainname des Beklagten gegenüber. Der
Verkehr erkenne, dass die Top-Level- Domain „de" nur eine technisch-funktionale Bedeutung habe. Sie müsse daher bei der
Prüfung der Verwechslungsgefahr außer Betracht bleiben. Die von den Parteien angebotenen Produkte seien einander
ähnlich. Während die Klägerin vor allem im Bereich Hardware, Software und Büroverbrauchsmaterialien tätig sei, biete der
Beklagte neben seiner Tätigkeit als Telekommunikationsdienstleister und Access-Provider auch Netzwerke sowie Hardware
und Software an. Damit seien Kennzeichnungskraft, Zeichengleichheit und Produktähnlichkeit gegeben. Die Ansprüche der
Klägerin seien auch nicht verwirkt.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass der Klägerin an der Bezeichnung „SoCo" schon
deswegen ein Kennzeichenrecht zusteht, weil es sich bei diesem Bestandteil - ungeachtet einer Benutzung in Alleinstellung -
um ein Firmenschlagwort handelt, das für sich genommen hinreichend unterscheidungskräftig und geeignet ist, dem Verkehr
als Kurzbezeichnung zu dienen (st.Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 21.11.1996 - I ZR 149/94, GRUR 1997, 468, 469 = WRP
1997, 1093 - NetCom; Urt. v. 15.2.2001 - I ZR 232/98, GRUR 2001, 1161 = WRP 2001, 1207 - CompuNet/ComNet).
2. Aus Rechtsgründen ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht dem Firmenschlagwort „SoCo" nur eine geringe
Kennzeichnungskraft zugebilligt hat. Es handelt sich um eine aussprechbare Abkürzung, wie sie für geschäftliche
Bezeichnungen typisch ist. Da Unternehmen der EDV-Branche die Begriffe „Software" und „Computer" oder
„Communication" häufig als beschreibende Firmenbestandteile verwenden, liegt es nahe, daraus eine Abkürzung wie
„SoCo" zu bilden (vgl. BGH GRUR 1997, 468, 469 - NetCom).
3. Der beanstandete Zeichengebrauch betrifft - anders als das Berufungsgericht gemeint hat - kein identisches Zeichen.
Denn die angegriffene Form lautet „soco.de". Allerdings besteht eine hohe Ähnlichkeit, weil - wie das Berufungsgericht mit
Recht festgestellt hat - der Verkehr dem Zusatz „.de" allein eine funktionale Bedeutung beimißt, so daß der Domainname
„soco.de" im gewerblichen Verkehr letztlich auf ein Unternehmen mit dem Namen „Soco" hinweist. Dies gilt immer dann,
wenn als Domainname - wie im Streitfall - ein von Haus aus hinreichend unterscheidungskräftiges Zeichen verwendet wird.
4. Auf die vom Berufungsgericht erörterte Frage, ob der Beklagte durch Benutzung des Domainnamens „soco.de" ein
entsprechendes Unternehmenskennzeichen erworben hat, kommt es im Streitfall nicht an. Eine solche Annahme liegt nahe,
wenn der Verkehr in der als Domainname gewählten Bezeichnung nichts Beschreibendes, sondern nur einen
Herkunftshinweis erkennen kann (vgl. OLG München CR 1999, 778 zu „tnet.de"; Rev. nicht angenommen: BGH, Beschl. v.
25.5.2000 - I ZR 269/99). Dies gilt auch im Streitfall, in dem der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
die Dienstleistung des Internetzugangs - also seine Tätigkeit als Access-Provider - über eine ihm gehörende Gesellschaft -
abrechnet, die als SoCo Networks Solutions GmbH firmiert. Nur wenn ein Domainname, der an sich geeignet ist, auf die
betriebliche Herkunft hinzuweisen, ausschließlich als Adreßbezeichnung verwendet wird, wird der Verkehr annehmen, es
handele sich dabei um eine Angabe, die - ähnlich wie eine Telefonnummer - den Adressaten zwar identifiziert, nicht aber als
Hinweis auf die betriebliche Herkunft gedacht ist. Die Frage kann im Streitfall jedoch offenbleiben, weil es sich bei einem
solchen, vom Beklagten durch Benutzung erworbenen Kennzeichenrecht in jedem Fall um das prioritätsjüngere Recht
handelte.
5. Die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht die Branchennähe begründet hat, sind aus Rechtsgründen ebenfallsn
icht zu beanstanden. Bei Unternehmen, die im Bereich der Datenverarbeitung tätig sind, kann schon lange nicht mehr
generell von einer Branchennähe ausgegangen werden. Denn im Hinblick auf die Vielfalt und Differenziertheit des
Angebotes in diesem Bereich kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass sich die Parteien allein wegen des Bezugs
zur Datenverarbeitung am Markt begegnen (vgl. BGH, Urt. v. 7.6.1990 - I ZR 298/88, GRUR 1990, 1042, 1044 f. = WRP
1991, 83 - Datacolor; BGH GRUR 1997, 468, 470 - NetCom). Das Berufungsgericht hat jedoch im einzelnen begründet,
daß sich die Tätigkeitsfelder der Parteien - insbesondere beim Vertrieb von Hardware und Anwendersoftware für den
Betrieb von Netzwerken - überschneiden. Ein Rechtsfehler ist ihm dabei nicht unterlaufen.
6. Mit Recht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, daß das Klagekennzeichen „SoCo" nur über einen räumlich
begrenzten Schutzbereich verfügt. Zwar sind Unternehmenskennzeichen in der Regel im gesamten Geltungsbereich des
Gesetzes geschützt. Dies gilt indessen nicht für die Bezeichnungen von Unternehmen, die nach Zweck und Zuschnitt nur
lokal oder regional tätig und auch nicht auf Expansion ausgelegt sind (vgl. BGHZ 130, 134, 141 f. - Altenburger
Spielkartenfabrik, m.w.N.; Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 5 Rdn. 13 f.; Hacker in Ströbele/Hacker, MarkenG, 7.
Aufl., § 5 Rdn. 75 ff.). Im Streitfall spricht auch der Umstand für einen territorial beschränkten Schutzbereich, dass es in
Deutschland - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat - eine Reihe weiterer Unternehmen der
EDV-Branche gibt, die ebenfalls das Schlagwort „SoCo" verwenden.
7. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Parteien seien in ihrer geschäftlichen Tätigkeit räumlich so weit voneinander
entfernt, daß auch eine identische Verwendung von „SoCo" durch den Beklagten das Klagekennzeichen nicht verletze. Der
Beklagte habe jedoch dadurch, daß er aus „soco" den Domainnamen gebildet habe, unter dem er im Internet auftrete, die
herkömmlichen räumlichen Grenzen seiner bisherigen Tätigkeit durchbrochen und biete nunmehr seine Leistungen überall,
jedenfalls überall in Deutschland, und damit auch im räumlichen Schutzbereich des Klagekennzeichens an.
Mit Recht rügt die Revision, daß allein der Internetauftritt eines Unternehmens nicht ausreicht, um auf einen räumlich
unbeschränkten Wirkungsbereich schließen zu können. Trotz des vom Berufungsgericht angeführten ubiquitären Charakters
des Internet bleiben stationäre Betriebe, die sich und ihr Angebot im Internet darstellen, grundsätzlich auf ihren räumlichen
Tätigkeitsbereich beschränkt.
Auch sonst weisen Unternehmen wie z.B. ein Handwerksbetrieb, ein Restaurant oder ein Hotel, die sich - aus welchen
Gründen auch immer - auf einen bestimmten Wirkungskreis beschränkt haben, mit ihrer Präsenz im Internet nicht notwendig
darauf hin, daß diese Beschränkung in Zukunft wegfallen solle.
Im Streitfall ist bislang nicht festgestellt, daß der Beklagte, der sich in der Vergangenheit allein im Städtedreieck Köln-Düsseldorf-Aachen geschäftlich betätigt hat, an dieser regionalen Ausrichtung etwas ändern wollte. Hat er - nach dem
Inhalt seines Angebots zu urteilen - diese Begrenzung seines räumlichen Tätigkeitsbereichs beibehalten, führt allein die
Tatsache, daß auch Kunden im Raum Stuttgart das Angebot des Beklagten im Internet zur Kenntnis nehmen können, nicht
dazu, daß sich nunmehr die Wirkungskreise der Parteien überschneiden. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der
Beklagte mit seinem Internetauftritt auch Kunden, die außerhalb seines bisherigen Wirkungskreises ansässig sind, anspräche
und ihnen seine Dienstleistungen anböte.
III. Das Berufungsurteil kann danach, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, keinen Bestand haben; es ist
daher in diesem Umfang aufzuheben. Eine abschließende Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Denn das
Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob mit dem Internetauftritt des Beklagten eine
Ausdehnung seines räumlichen Tätigkeitsbereiches verbunden war. Auf diese Feststellung kann auch nicht deswegen
verzichtet werden, weil die Klage aus anderen Gründen abzuweisen wäre. Soweit sich der Beklagte auf durch Lizenzvertrag
eingeräumte Rechte an der Firma SoCo GmbH bezieht, ist sein Vortrag schon deswegen unbehelflich, weil es sich bei der
Lizenzgeberin ebenfalls um ein regional begrenzt tätiges Unternehmen handelt, das der Klägerin ihre
Unternehmensbezeichnung in ihrem räumlichen Tätigkeitsbereich nicht streitig machen kann. Den vom Beklagten erhobenen
Einwand der Verwirkung hat das Berufungsgericht mit zutreffender, auch von der Revision nicht angegriffener Begründung
abgelehnt. ..."
* Quelle: www.bundesgerichtshof.de