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Unterhaltsrecht

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Stand: 1. April 2013

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Sorgerecht - Unterhaltsrecht - Umgangsrechte

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Neues Unterhaltsrecht - gültig ab 01.01.2008

Wichtig: Diese Seite wird nicht mehr bearbeitet. In Vorbereitung ist eine Leitsatzkommentierung zum neuen Unterhaltsänderungsgesetz, welches am 01.08.2008 in Kraft getreten ist. Die ersten Schritte finden Sie unter www.leitsatzkommentar.de/unterhaltsrecht.htm. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Abänderungsklage
Abänderungsklage nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses (§ 654 ZPO)
Amtsermittlung
Auskunftspflicht
Berechnung des unterhaltsrelevanten Einkommens
Düsseldorfer Tabelle - Stand 01.01.2008 (mit Anmerkungen) - siehe auch Düsseldorfer Tabellen (Service)
Eheliche und nichteheliche Kinder
Erwerbsobliegenheit
Familiengericht
Familienrecht des BGB (Gesetzestext)
Fiktiv erzielbare Einkünfte
Finanzierungskosten - Pkw
Firmanfahrzeug
Grundsätzliches
Individualunterhalt
Kinder bis zum 21. Lebensjahr
Kindergeld
Kosten des Verfahrens
Leistungsfähigkeit
Mangelfall
Nachehelicher Unterhalt
Regelbetrag-Verordnung
Selbstbehalt
Trennungsunterhalt
Vomhundertsatz eines Regelbetrages
Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages
Örtliche Zuständigkeit
Privatnutzung Pkw - Wert
Prozesskostenvorschuss
Rechtsprechung des BGH zum Unterhalt
Schluß
Selbstbehalt - notwendiger - angemessener - eheangemessener
Übergangsregelungen für Altverfahren und Alttitel
Unterhalt für die Vergangenheit
Unterhalt für pflegebedürftige Mutter
Unterhaltsanspruch
Unterhaltsanspruch wegen Pflege und Erziehung eines nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB)
Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt - Stand 01.07.2003
Vereinfachtes Verfahren nach §§ 645 ff ZPO
Verfahrensrecht der ZPO
Volljährigenunterhalt

Das neue Unterhaltsrecht

I. Grundsätzliches

Das Kindschaftsreformgesetz vom 16.12.97(BGBl 1997, 2942) und das Kindesunterhaltsgesetz vom 6.4.98(BGBl 1998, 666) haben wesentliche Änderungen zur Folge.

1. Eheliche und nichteheliche Kinder

Das Kindesunterhaltsgesetz beseitigt die vom BVerfG (NJW 92, 1747) geforderte Differenzierung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern. Es wird jetzt nur noch zwischen minderjährigen und volljährigen Kindern unterschieden.

2. Kinder bis zum 21. Lebensjahr

Volljährige, unverheiratete, Kinder bis zum 21. Lebensjahr sind wie minderjährige Kinder im Unterhaltsrecht zu behandeln, wenn sie noch im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden.

3. Familiengericht

Auch die gesamten verfahrensrechtlichen Regelungen wurden vereinheitlicht. Das Familiengericht ist jetzt für sämtliche Verfahren betreffend den Unterhalt für die ehelichen und nichtehelichen Kinder sowie für Streitigkeiten, die die durch Verwandtschaft begründete gesetzliche Unterhaltspflicht betreffen, zuständig.

Im Unterhaltsverfahren kann das Gericht von sich aus weitere Auskünfte einholen, wenn der Unterhaltsschuldner nicht oder nicht ausreichend seine Einkünfte darlegt, bsw. beim Arbeitgeber, den Rentenversicherern oder bei minderjährigen Kindern auch beim Finanzamt!

Im vereinfachten Verfahren soll der Unterhaltsberechtigte schnell zu einem Unterhaltstitel gelangen ("Mahnverfahren im Unterhaltsrecht"). Der Unterhaltsschuldner kann nur beschränkte Einwendungen erheben.

4. Regelbetrag-Verordnung

Am wichtigsten dürfte sich die Aufhebung der Regelunterhaltsverordnung ( für Unterhalt für der nichtehelichen Kinder) und die Einführung der Regelbetrag-Verordnung im Unterhaltsrecht auswirken. Die Unterhaltsbeträge werden alle 2 Jahre an die Nettolohnentwicklung angepasst. Sämtliche Unterhaltstitel können daher an der Verordnung orientiert werden und unterliegen der ständigen Anpassung. Es bedarf keiner ständigen Abänderungsklage mehr (sog. Dynamisierung).

II. Der Unterhalt

Für alle Kinder, unabhängig ob ehelich oder nichtehelich, gilt nach § 1601 ff BGB, dass der volle angemessene Unterhalt nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Parteien geschuldet wird.

Daran, dass der Unterhaltsberechtigte bedürftig und der Unterhaltsverpflichtete leistungsfähig sein muss, hat sich nichts geändert:

„... Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus, sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv die erzielbaren Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese ‚bei gutem Willen' ausüben könnte. Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibt dennoch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Überschreitet der ausgeurteilte Unterhalt die Grenze des Zumutbaren, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (vgl.BVerfGE 57, 361 <381>). ..." (BVerfG, 1 BvR 2236/06 vom 14.12.2006, Absatz-Nr. (1 - 19), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20061214_1bvr223606.html)

Der angemessen Unterhalt läßt sich anhand der geltenden Unterhaltstabellen ermitteln.

Es besteht jetzt die Möglichkeit, den Unterhalt in 3 verschiedenen Formen festzulegen( § 1612a BGB): Individualunterhalt , Vomhundertsatz eines Regelbetrages nach der Regelbetrag-Verordnung und Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe.

1. Individualunterhalt

Dies ist der feste Unterhaltsbetrag, der sich aus der Unterhaltstabelle ablesen läßt.

Beispiel - Alte Bundesländer:

3. Einkommengruppe nach Düsseldorfer Tabelle = 3100 DM, 1. Altersstufe für 3 Jahre altes Kind = fester Unterhalt von 405,-DM)

Nachteil:

Wenn das Kind das 6. Lebensjahr vollendet hat und in die 2. Altersstufe kommt, muß der Unterhalt im Wege der Abänderungsklage neu festgelegt werden.

2. Vomhundertsatz eines Regelbetrages

Der Regelbetrag nach der Regelbetrag-Verordnung entspricht den Beträgen, die in der Regelunterhaltsverordnung für den Unterhalt der nichtehelichen Kinder festgelegt wurden. Die Alterstufe bleibt bei den Anpassungen unberücksichtigt.

Regelbetrag in den Alten Bundesländern (seit dem 01.07.1999)

355,- DM von 0 bis 5 Jahren
431,- DM von 6 bis 11 Jahren
510,- DM von 12 bis 17 Jahren

Regelbetrag in den Neuen Bundesländern (seit dem 01.07.1999)

324,- DM von 0 bis 5 Jahren
392,- DM von 6 bis 11 Jahren
465,- DM von 12 bis 17 Jahren



Regelbetrag in den Alten Bundesländern (ab dem 01.07.2001)

366,- DM von 0 bis 5 Jahren (188,- Euro ab 01.01.2002)
444,- DM von 6 bis 11 Jahren (228,- Euro ab 01.01.2002)
525,- DM von 12 bis 17 Jahren (269,- Euro ab 01.01.2002)

Regelbetrag in den Neuen Bundesländern (ab dem 01.07.2001)

340,- DM von 0 bis 5 Jahren (174,- Euro ab 01.01.2002)
411,- DM von 6 bis 11 Jahren (211,- Euro ab 01.01.2002)
487,- DM von 12 bis 17 Jahren (249,- Euro ab 01.01.2002)



Regelbetrag in den Alten Bundesländern (ab dem 01.07.2003 - BGBl I vom 30.04.2003, Seite 546)

EUR 199,00 von 0 bis 5 Jahren
EUR 241,00 von 6 bis 11 Jahren
EUR 284,00 von 12 bis 17 Jahren

Regelbetrag in den Neuen Bundesländern (ab dem 01.07.2003)

EUR 183,00 von 0 bis 5 Jahren
EUR 222,00 von 6 bis 11 Jahren
EUR 262,00 von 12 bis 17 Jahren

Regelbetrag in den Alten Bundesländern (ab dem 01.07.2005 - PM des BMJ vom 20. April 2005)

EUR 204,00 von 0 bis 5 Jahren
EUR 247,00 von 6 bis 11 Jahren
EUR 291,00 von 12 bis 17 Jahren

Regelbetrag in den Neuen Bundesländern (ab dem 01.07.2005)

EUR 188,00 von 0 bis 5 Jahren
EUR 228,00 von 6 bis 11 Jahren
EUR 269,00 von 12 bis 17 Jahren

Diese Beträge entsprechen jeweils dem vollen Regelbetrag (= 100 %). Wegen der Veränderung der Regelbeträge wird auf § 1612a IV BGB hingewiesen.

Im obigen Beispielsfall sind 114% des Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung somit 405,- DM Individualunterhalt.

Nachteil:

Auch hierbei müßte in der 2. Altersstufe eine Abänderungsklage erfolgen. Daher ist dieser Weg grundsätzlich nur sinnvoll, wenn bereits die 3. Altersstufe erreicht ist.

Vorteil:

Der Unterhalt wird automatische alle 2 Jahre an die Änderungen nach der Regelbetrag-Verordnung angepaßt, wobei aber ein Wechsel in eine andere Alterstufe nicht zu einer automatischen Anpassung führt.

3. Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages

Der Unterhalt wird nach Maßgabe des Vomhundertsatzes des jeweiligen Regelbetrages nach der jeweiligen Altersstufe automatisch angepasst.

Vorteil

Doppelte automatische Anpassung an die Veränderungen der Regelbetrag-Verordnung sowie an die jeweilige Altersstufe.

Beispiel:

Im obigen Beispiel werden 114% der Regelunterhalts der Regelbetrags-Verordnung der jeweiligen Altersstufe geltend gemacht. Der Wechsel in die Alterstufe zwei führt also ebenfalls zu einer automatischen Anpassung des Unterhaltes.

4. Kindergeld

Das Kindergeld wird nur dann zur Hälfte auf den Unterhaltsanspruch des betreffenden Kindes angerechnet, wenn beide Elternteile Anspruch auf Kindergeld haben und das Kindergeld an den betreuenden Elternteil voll ausgezahlt wurde (1612b I BGB).

Wenn nur der Unterhaltsverpflichtete (Barunterhaltsverpflichtete) Anspruch auf Kindergeld hat, es aber nicht an ihn ausgezahlt wird, ist es in voller Höhe anzurechnen (1612 b III BGB).

Eine Anrechnung des Kindergeldes unterbleibt, soweit der Unterhaltsverpflichtete nicht in der Lage ist, den Unterhalt nach der Regelunterhalts-Verordnung (= 100%) zu zahlen.

Beispiel:

Statt 349,-DM kann der Unterhaltsverpflichtete nur 300,- DM zahlen. Es fehlen 49,- DM zum Regelunterhalt. In dieser Höhe wird damit Kindergeld nicht verrechnet (220,- DM Kindergeld/ durch 2 = 110,-DM - 49,-DM = 61,- DM) Diese 61,- werden angerechnet. Er zahlt 239,-DM (300,- DM - 61,- DM).

5. Unterhalt für die Vergangenheit

Es reicht aus, den Unterhaltsverpflichteten zur Auskunft über seine Einkommensverhältnisse aufzufordern (§ 1613 BGB). Soweit die Auskunft nicht oder nicht rechtzeitig erteilt wurde, wird der Unterhalt auch rückwirkend ab dem 1. eines Monats geschuldet, unabhängig vom Zugang des Auskunftsverlangens.

In besonderen Fällen bedarf es noch nicht einmal der Aufforderung zur Auskunftserteilung, um Rückstände geltend zu machen, (§ 1613 II BGB).

6. Erwerbsobliegenheit

„... Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht ist § 1603 Abs. 1 BGB, nach dem nicht unterhaltspflichtig ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Hieraus, sowie aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Daher ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv die erzielbaren Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese ‚bei gutem Willen' ausüben könnte. Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs bleibt dennoch die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Überschreitet der ausgeurteilte Unterhalt die Grenze des Zumutbaren, ist die Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Verpflichteten im finanziellen Bereich als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen (vgl.BVerfGE 57, 361 <381>). ..." (BVerfG, 1 BvR 2236/06 vom 14.12.2006, Absatz-Nr. (1 - 19), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20061214_1bvr223606.html)

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AG Wetzlar, 03.08.1999, 6 F 795/98

Der Beklagte ist der eheliche Vater der Klägerin. Die Ehe der Eltern der Klägerin ist durch Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht - R. vom 15.08.1989 geschieden worden und die elterliche Sorge für die Klägerin der Kindesmutter übertragen worden. In der mündlichen Verhandlung am 15.08.1989 haben die Eltern der Klägerin einen Vergleich bzgl. des Kindesunterhaltes abgeschlossen. ... Die Klägerin begehrt nunmehr einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 377,00 DM von dem Beklagten und behauptet, dass dieser zumindest den jetzigen Mindestunterhalt gem. der Düsseldorfer Tabelle nach Frankfurter Praxis zu zahlen habe.... Er (der Beklagte) ist der Auffassung, dass er nicht zu einer höheren Unterhaltszahlung verpflichtet sei, da er lediglich Sozialhilfe erhalte. Ihm sei es trotz erheblicher Anstrengungen nicht gelungen, eine Arbeitsstelle zu erhalten. ...

Zwar muß davon ausgegangen werden, dass der Beklagte lediglich ein Einkommen aus Sozialhilfe erhält. Es ist ihm jedoch ein fiktives Einkommen anzurechnen, nach dem er zumindest diesen Mindestbetrag zahlen kann. Wer einem minderjährigen Kind barunterhaltsverpflichtet ist, muß jede erdenkliche Anstrengung unternehmen, um einen Arbeitsplatz zu erhalten, der ihn in die Lage versetzt, den Mindestunterhalt zu befriedigen. Dabei muß sich der Unterhaltsverpflichtete nicht nur ab Beginn der Arbeitslosigkeit beim zuständigen Arbeitsamt als arbeitssuchend melden, dort ständig den Arbeitsmarkt beobachten und die ihm nachgewiesenen Arbeitsplätze auch umgehend aufsuchen, sondern muß sich auch darüber hinaus bundesweit um einen Arbeitsplatz bemühen und notfalls in Kauf nehmen, seinen Wohnort zu wechseln. Er muß dabei einen solchen zeitlichen Aufwand betreiben und nachweisen, wie er ihn hätte, wenn er voll berufstätig wäre.



Diese Anstrengung hat der Beklagte offensichtlich nicht unternommen. Wie sich aus seinem eigenen Vortrag und den vorgelegten Unterlagen des Arbeitsamtes und des Sozialamtes eindeutig ergibt, hat der Beklagte seine Bemühungen um einen Arbeitsplatz ernsthaft erst aufgenommen, nachdem er vorgerichtlich von den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin im Schriftsatz vom 26.08.1998 aufgefordert worden war, Auskunft über sein Einkommen zu erteilen und einen höheren Unterhalt zu zahlen. Denn von allen im Jahre 1998 oder früher vorgelegten Bewerbungsschreiben oder abschlägigen Antworten auf Bewerbungsschreiben sind lediglich 7 mit einem Datum vor Ende August 1998 versehen. Die Meldung beim Arbeitsamt in L. ist offensichtlich erst nach Zugang des Prozeßkostenhilfegesuchs und des Klageentwurfs durch das Gericht erfolgt. Dem Beklagten ist der Antrag auf Prozeßkostenhilfe nebst dem Klageentwurf mit Verfügung vom 26.10.1998, die am gleichen Tage ausgeführt worden ist, zur Stellungnahme übersandt worden. Nach Auskunft des Arbeitsamtes L. hat er sich am 29.10.1998 wieder arbeitslos gemeldet und spricht erst seitdem regelmäßig vor. Schon allein daraus folgt, dass sich der Beklagte offensichtlich erst unter dem Druck dieses Gerichtsverfahrens um einen Arbeitsplatz bemüht hat.

Im übrigen hat der Beklagte sich nach den von dem Sozialamt vorgelegten Kopien der Bewerbungen offensichtlich fast nur auf Inserate in der Gießener Allgemeinen beworben. Auch aus der von ihm gefertigten Liste über Bewerbuungen - die im übrigen keinerlei Beweiswert darüber enthält, dass die Bewerbungen auch tatsächlich erfolgt sind - ergibt sich, dass im wesentlichen Firmen aus dem mittelhessischen Raum oder angrenzender Bereiche angeschrieben worden sein sollen. Der Beklagte hätte sich aber angesichts der ihm obliegenen Unterhaltsverpflichtung auch überregional auf die in den großen Zeitungen ausgeschriebenen Stellen bewerben und die dazu erforderlichen Nachweise vorliegen müssen. Demnach ist davon auszugehen, dass der Beklagte seiner Obliegenheit gegenüber der unterhaltsberechtigten Klägerin nicht ausreichend nachgekommen ist, so dass ihm ein fiktives Einkommen angerechnet werden muß, nach dem er den Mindestunterhalt gem. der Düsseldorfer Tabelle nach Frankfurter Praxis zahlen kann. ...

7. Finanzierungskosten - Pkw

Erhält der Unterhaltspflichtige für die berufliche Nutzung seines privateigenen Pkw Erstattung in einer Größenordnung, die den Höchstsatz nach Nr. 10.2.2. Abs. 4 S. 2 erreicht, oder übersteigt, kann er den für die Anschaffung dieses Pkw aufgenommenen Kredit nicht von seinem Einkommen in Abzug bringen (OLG Frankfurt a. M. (Senat Kassel), Beschluss vom 07.07.2006 - 2 WF 146/06; NJW-RR 2006, 1663 f).

Der Unterhaltspflichtige kann anstatt der pauschal berechneten berufsbedingten Fahrtkosten die eheprägenden Finanzierungskosten für einen PKW unterhaltsmindernd geltend machen. Diese könnten allerdings nicht mit den Kreditkosten gleichgesetzt werden, sondern sind u. a. wegen der weiteren privaten Nutzung des PKW´s vom Gericht zu schätzen (§ 287 ZPO). Die Anrechnung der privaten Nutzungsvorteile entfällt, wenn dem Unterhaltspflichtigen nur der Selbstbehalt verbleibt und ein Verkauf oder Austausch des berufsbedingt erforderlichen Fahrzeuges nur zu einer Teilablösung des Kredits führt (OLG Hamm, Urteil vom 24.09.2004, 11 UF 49/04).

7.1 Privatnutzung Pkw - Wert

Der Wert der Privatnutzung eines Firmenfahrzeuges ist mit dem Betrag anzusetzen, den der Nutzer erspart, weil er von der Anschaffung und Unterhaltung eines eigenen, seinen ggf. beengten Verhältnissen entsprechenden Fahrzeuges absehen kann. Der Wert ist nicht identisch mit dem objektiven Nutzungswert oder dem steuerlichen Gehaltsanteil. Er kann, etwa im Mangelfall, unberücksichtigt bleiben oder den Betrag ausmachen, den der Nutzer für Privatfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erspart (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.08.2006 - 16 WF 80/06; NJW-RR 2006, 1585 f).

8. Unterhaltsanspruch wegen Pflege und Erziehung eines nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB)

Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich mit einem weiteren Teilaspekt des Unterhaltsanspruchs der nicht mit dem Vater des Kindes verheirateten Mutter nach § 1615 l Abs. 2 BGB zu befassen.

Nach dieser Vorschrift steht der Mutter ein Unterhaltsanspruch für die Dauer von mindestens drei Jahren zu, soweit von ihr wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Unterhalt kann aber auch darüber hinaus zugesprochen werden, wenn dies aus Billigkeitsgründen, insbesondere mit Blick auf die Belange des Kindes, geboten ist. Damit unterscheidet sich die Vorschrift von § 1570 BGB, der einer geschiedenen Mutter wegen der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes grundsätzlich einen unbefristeten Unterhaltsanspruch einräumt. Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann die geschiedene Ehefrau regelmäßig erst dann auf eine eigene Berufstätigkeit verwiesen werden, wenn ihr Kind das achte (Teilzeittätigkeit) bzw. das 15. Lebensjahr (volle Erwerbstätigkeit) vollendet hat.

In Rechtsprechung und Literatur ist deswegen umstritten, ob die grundsätzliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs der nichtehelichen Mutter auf drei Jahre dem Gleichheitsgebot und dem besonderen Schutz der nichtehelich geborenen Kinder genügt. Das Oberlandesgericht Schleswig hat im vorliegenden Fall eine verfassungsgemäße Auslegung nach Billigkeit für möglich gehalten. Es hat der Klägerin, die zuletzt als Assistenzärztin tätig war, einen Unterhaltsanspruch bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres der gemeinsamen Tochter zugesprochen, weil sie wegen ihrer Erkrankung neben der Pflege und Erziehung des gemeinsamen Kindes nur zu einer halbschichtigen Tätigkeit in der Lage sei (FamRZ 2004, 975).

Der Senat hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Schleswig gebilligt. Zwar ist eine vollständige Angleichung des Unterhaltsanspruchs aus Anlass der Geburt an den Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nicht von Verfassungs wegen geboten; die gesetzliche Regelung in § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB ist aber verfassungsgemäß auszulegen, wobei elternbezogene, insbesondere aber kindbezogene Gründe für eine Fortdauer des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden müssen.

Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung, was sich wegen der nachehelichen Solidarität in besonderer Weise auf den Unterhaltsanspruch eines geschiedenen Ehegatten auswirkt. Die Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes kann sich demgegenüber zwar nicht in gleicher Weise auf den Schutz der Ehe und Familie berufen. Denn dem Anspruch der nichtehelichen Mutter können höchst unterschiedliche Sachverhalte zugrunde liegen, sodass deswegen eine flexiblere Unterhaltsregelung geboten ist als es beim nachehelichen Unterhalt der Fall ist. Aus verfassungsrechtlicher Sicht kann aber die Ausgestaltung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Einzelfall einen besonderen Vertrauenstatbestand begründen, der als elternbezogener Grund eine Fortdauer des Unterhaltsanspruchs über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus aus Billigkeit gebietet.

Nach Art. 6 Abs. 5 GG hat der Gesetzgeber nichtehelich geborenen Kindern die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie ehelichen Kindern. Dieses Gebot wirkt sich auf den Unterhaltsanspruch der Mutter, um den es hier geht, allerdings nur insoweit aus, als die Pflege und Erziehung des Kindes betroffen ist. Zwar kann die Mutter seit Inkrafttreten des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes zum 1. Oktober 1995 frei entscheiden, ob sie das Kind selbst betreut oder wegen ihrer Erwerbstätigkeit die Erziehung anderweit regelt (Senatsurteil BGHZ 161, 124, 128 f.). Aus unterhaltsrechtlicher Sicht hat sie dabei jedoch besondere staatliche Hilfen, die ihr die Kindererziehung erleichtern sollen, in Anspruch zu nehmen. Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs ist deswegen auch zu berücksichtigen, dass inzwischen genügend Kindergartenplätze jedenfalls für eine Halbtagsbetreuung zur Verfügung stehen, wie sich aus dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) "Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland" vom 26. November 2004 (veröffentlicht im Internet unter: www.oecd.org/dataoecd/55/58/35125245.pdf) und dem vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend herausgegebenen Hintergrundbericht Deutschland (veröffentlicht im Internet unter: www.oecd.org/dataoecd/38/44/34484643.pdf) ergibt (BGH, Urteil vom 05.07.2006 XII ZR 11/04, PM 99/2006).

III. Allgemeine Vorschriften für das Unterhaltsverfahren

1. Örtliche Zuständigkeit

Örtlich ausschließlich zuständig sind die Familiengerichte, bei dem das Kind oder der Elternteil, der es gesetzlich vertritt, seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Damit folgt aus dem Wohnsitz des Kindes zugleich auch die Zuständigkeit des Familiengerichts ( § 642 ZPO).

2. Amtsermittlung

Das Gericht hat die Möglichkeit, im Prozeß Auskunft über die Einkommensverhältnisse von Dritten (Arbeitgeber, Sozialleistungsträger, Rentenversicherungsträger, Finanzamt (beim Unterhalt von minderjährigen Kindern) einzuholen, wenn die Einkünfte nicht oder nicht vollständig von den Parteien dargelegt werden. Die Behörden sind verpflichtet, die Auskünfte zu erteilen. Es besteht keine Verschwiegenheitspflicht oder ein Zeugnisverweigerungsrecht, ( § 643 ZPO).



3. Abänderungsklage

Die Abänderungsklage (§§ 323, 642 ZPO , 23b GVG) ist eine der Möglichkeiten, einen Unterhaltstitel zu ändern. Ziel der Abänderungsklage ist es, eine Erhöhung oder eine Verminderung des titulierten Unterhaltes zu erreichen. Abzugrenzen ist die Abänderungsklage von der Vollstreckungsgegenklage und der negativen Feststellungsklage.

Mit der Abänderungsklage können Urteile, Prozessvergleiche, Titel des vereinfachten Verfahrens und vollstreckbare Urkunden (auch Jugendamtsurkunden) geändert werden.

Die Rechtskraft des Urteils ist nicht Voraussetzung für die Klage. Ist z. B. in einem Prozess ein Teilurteil ergangen und hat eine Partei gegen das Schlussurteil Berufung eingelegt, kann bei Vorliegen der Voraussetzungen im Berufungsverfahren Abänderungswiderklage oder eine selbstständige Abänderungsklage erhoben werden.

Örtlich und sachlich zuständig ist grundsätzlich das Familiengericht des Wohnsitzes des Beklagten. Soll (auch) ein Kindesunterhaltstitel abgeändert werden, ist das Familiengericht des Wohnsitzes des Kindes ausschließlich zuständig (§ 642 ZPO).

Die Parteien der Abänderungsklage müssen mit den Parteien der Erstentscheidung identisch sein. Eine zulässige Prozessstandschaft ist unschädlich, eine Umschreibung des Titels ist nicht nötig. Ist der Unterhaltsanspruch an einen Sozialhilfeträger abgetreten, kann dieser Prozesspartei sein. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Abtretung während des laufenden Prozesses erfolgt. In diesen Fällen klagt der bisherige Rechtsinhaber auf Leistung an den Sozialhilfeträger.

Der Kläger muss eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nach dem Schluss der letzen mündlichen Verhandlung behaupten.

Die Klage ist begründet, wenn nach dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist. Die Rechtsprechung erkennt dies ab ca. einer 10 %-igen Veränderung an, bei niedrigen Einkommensverhältnissen hat der BGH auch bei einer geringeren Veränderung die Klage für zulässig erachtet.

Die Änderung muss bereits eingetreten sein. Es kann sich dabei um die Änderung der wirtschaftlichen oder der tatsächlichen Verhältnisse handeln, wie die Einstufung des Kindes in eine höhere Altersgruppe der Düsseldorfer Tabelle oder der Geburt eines weiteren Unterhaltsberechtigten. Änderungen der BGH-Rechtsprechung können die Klage begründen. Ursächlich ist die der BGH-Rechtsprechung zukommende Gesetzesstellung.

Die Erhöhung des Urteils ist auch rückwirkend möglich, eine Herabsetzung kann aber erst mit Klageerhebung begehrt werden.

Es besteht aber eine Bindung an die im Ersturteil festgestellten und unverändert gebliebenen Tatsachen.

Der Abänderungskläger ist mit dem Vortrag von Gründen ausgeschlossen, die bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorlagen. Unbeachtlich ist, ob der Kläger zum damaligen Zeitpunkt die Gründe kannte. Entscheidend ist die objektive Lage. Bei einem Berufungsurteil ist die letzte mündliche Verhandlung der Berufung, bei einem Versäumnisurteil das Ende der Einspruchsfrist maßgeblich. Der BGH lässt generell präkludierten Sachvortrag nur in Ausnahmefällen zu. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn die Einkommensfeststellung wie bei Selbstständigen nicht für den aktuellen, vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung liegendem Zeitraum möglich ist.

Andere mit der Klage änderbare Titel sind gerichtlichen Vergleiche, vollstreckbare Urkunden und Titel des Vereinfachten Verfahrens. Sie erwachsen nicht in Rechtskraft. Die Voraussetzungen des § 323 I ZPO sind nicht anwendbar. Lediglich die örtliche und sachliche Zulässigkeit, Identität der Parteien und des Streitgegenstandes entsprechen den Urteilsabänderungsvoraussetzungen.

Die Klage gegen diese Titel ist begründet , wenn ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt. Die Geschäftsgrundlage ist unter Würdigung aller Umstände des Vergleichsschlusses bzw. der Titelerlangung zu ermitteln . Bei gerichtlichen Vergleichen empfiehlt es sich, die Geschäftsgrundlage in dem Vergleich schriftlich niederzulegen.

Die Änderung der Titel unterliegt nicht der Zeitschranke des § 323 III ZPO . Die Herabsetzung des Unterhalts ist auch rückwirkend möglich.

Urteile können erst ab Rechtshängigkeit der Klage geändert werden, andere Unterhaltstitel können auch rückwirkend abgeändert werden.

Der BGH hat in zwei Urteilen des Jahres 1996 die Rückabtretung der Unterhaltsansprüche des Sozialhilfeträgers an den Unterhaltsbedürftigen zur gerichtlichen Geltendmachung für unwirksam erklärt. Trotzdem sehen die § 91 IV BSHG und § 7 UVG derartige Regelungen vor.

Zwischen der Abänderungsklage und die Vollstreckungsgegenklage kann grundsätzlich nicht gewählt werden, sie schließen sich aus. Die Abänderungsklage durchbricht die Rechtskraft des Urteils. Sie ist die richtige Klageart für die Anpassung des Unterhalts an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse, die sich von vornherein als wandelbar darstellen (Leistungsfähigkeit, Bedürftigkeit etc.).

Die Vollstreckungsgegenklage beseitigt nur die Vollstreckbarkeit des Titels. Sie ist anzuwenden, wenn ein scharf umrissenes, punktuelles Ereignis die Vollstreckung unzulässig werden lässt (z.B. Wiederheirat des Unterhaltsbedürftigen, Rechtskraft der Scheidung bei Trennungsunterhalt).



3. Vereinfachtes Verfahren nach §§ 645 ff ZPO

Zulässigkeit/Gegenstand/Höchstbetrag/Zweck
Zuständigkeit nach §§ 642 ZPO
Antrag nach § 646 ZPO
Verfahren des Gerichtes nach § 647 ZPO
Einwendungen des Antragsgegners nach § 648 ZPO
Verfahren bei begründeten Einwendungen nach § 650 ff ZPO
Verfahren bei unbegründeten Einwendungen nach § 649 ZPO
Sofortige Beschwerde nach § 652 ZPO
Abänderungsklage nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses (§ 654 ZPO)

Für diesen Antrag ist dem Kind Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wenn zugleich die Voraussetzungen der Prozeßkostenhilfe gegeben sind.

d) Verfahren des Gerichtes nach § 647 ZPO

Der Antragsgegner erhält eine Durchschrift des Antrags nebst Anlagen, die vom Gericht zugestellt wird, soweit der Rechtspfleger das vereinfachte Verfahren für zulässig erachtet (§ 647 ZPO.)

Das Gericht stellt dem Antragsgegner den Vordruck mit den Hinweisen nach § 647 ZPO zu. Dadurch wird die Verjährung unterbrochen (§§ 647 II, 270 III ZPO i.V.m. § 209 II Nr. 1b BGB).

e) Einwendungen des Antragsgegners nach § 648 ZPO

Der Unterhaltsverpflichtete kann nur beschränkte Einwendungen erheben.

Auch hierbei ist ein Vordruck zu verwenden. Es besteht Benutzungszwang (§ 659 II ZPO). Der Antrag kann auch vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden (§ 657 ZPO). Zuständig ist der Rechtspfleger (§ 24 II Nr. 3 RpflG).

Der Antragsgegner muß innerhalb eines Monats Einwendungen erheben, ansonsten ergeht der Festsetzungsbeschluß (§ 647 I Ziff. 2 ZPO).

Der Antragsgegner kann folgende Einwendungen erheben:

Formelle Einwendungen:

- zur Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens (bsw.: Titel bereits vorhanden, § 645 ZPO);
- zum Zeitpunkt, von dem an Unterhalt gezahlt werden soll;
- gegen die Höhe des Unterhalts, soweit er geltend macht;
- fehlerhafte Angaben zu den Altersstufen für die jeweiligen Unterhaltszeiträume;
- fehlerhaftes Abweichen von den Regelbeträgen der Regelbetrag-Verordnung;
- das Kindergeld sei nicht oder nicht richtig angerechnet worden.



Materielle Einwendungen:

Zur Höhe des Unterhaltes kann er nur Einwendungen erheben, wenn er zugleich erklärt,

- inwieweit er zur Unterhaltsleistung bereit ist und
- dass er sich zur Erfüllung des Anspruchs verpflichtet.

Den Einwand der Erfüllung kann er nur erheben, wenn er zugleich erklärt,

- inwieweit er bereits gezahlt hat und
- dass er sich verpflichtet, einen darüber hinaus gehenden Unterhaltsrückstand zu begleichen.

Den Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit kann er nur erheben, wenn er zugleich unter Verwendung eines Vordrucks

- Auskunft über seine Einkünfte, Vermögen und
- übrigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erteilt und
- Belege über seine Einkünfte beifügt

(über sonstige unterhaltsrelevanten Umstände wie Vorsorgeaufwendungen, Schulden besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes keine Belegpflicht, da der Umfang und Bestand etwaiger Abzugsbeträge nicht Gegenstand der Prüfung des Rechtspflegers in diesem Verfahren ist. Die Vorschrift bezweckt ausschließlich, den "Schuldner aus der Reserve zu locken", damit sich dieser nicht bloß auf die Behauptung fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit berufen kann).

f) Verfahren bei begründeten Einwendungen nach § 650 ff ZPO

Die Einwendungen werden dem Antragsteller vom Gericht mitgeteilt.

Formelle Einwendungen:

Der Antragsteller kann sie beheben.

Materielle Einwendungen:

Einwand der eingeschränkten Leistungsfähigkeit (§ 648 II ZPO):

Auf Antrag des Antragstellers:

- Es ergeht in Höhe des anerkannten Betrages ein Festsetzungsbeschluß,

(ohne inhaltliche Überprüfung durch den Rechtspfleger, d.h. dieser prüft nicht, ob der geltend gemachte Unterhaltsbetrag tatsächlich den Einkommensverhältnissen entspricht oder ob sich der Elternteil zu Recht auf die eingeschränkte Leistungsfähigkeit beruft; dies kann nur im streitigen Verfahren geklärt werden).

Auf Antrag des Antragstellers:

- Durchführung des streitigen Verfahrens, worauf der Rechtspfleger hinzuweisen hat (§ 651 I ZPO).

Damit kann der höhere Unterhalt im streitigen Verfahren geltend gemacht werden, der über dem vom Unterhaltsschuldner anerkannten Unterhaltsbetrag liegt.

Auf Antrag des Antragsgegners:

Durchführung des streitigen Verfahrens, worauf der Rechtspfleger hinzuweisen hat (§ 651 I ZPO).

Einwand der fehlenden Leistungsfähigkeit (§ 648 II 3 ZPO):

1. Fall: Der Schuldner belegt seine Einkünfte ordnungsgemäß.

Das ist eine zulässige Einwendung. Der Rechtspfleger kann dem Antrag des Kindes nicht entsprechen. Es ist nicht Sache des Rechtspflegers, dies materiell zu überprüfen.

2. Fall: Der Schuldner belegt seine Einkünfte nicht ordnungsgemäß.

Es ergeht antragsgemäß Festsetzungsbeschluß nach § 649 ZPO.

3. Fall: Beurteilt der Rechtspfleger die Auskunft des Schuldners als ordnungsgemäß im Unterschied zum Antragsteller, kann der Rechtspfleger den Festsetzungsantrag zurückweisen. Dagegen ist Erinnerung nach §§ 567 I ZPO i.V.m. § 11 I RPflG zulässig.

g) Verfahren bei unbegründeten Einwendungen nach § 649 ZPO

Es ergeht Festsetzungsbeschluß nach § 649 I ZPO in Höhe der geltend gemachten Unterhaltsbeträge.

Die erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens werden im Festsetzungsbeschluss festgesetzt:

- Gerichtskosten: 1/2 Gebühr nach § 11 II GKG;
- Rechtsanwalt: 10/10 Gebühr nach § 44 BRAGO;
- Streitwert: 12- fache Monatsbetrag des geltend gemachten Unterhalts (§ 17 I, IV 2 GKG).

Der Beschluss ist ein Vollstreckungstitel nach § 794 I Nr. 2a ZPO. Die Wartefrist von 2 Wochen für die Vollstreckung ist einzuhalten (§ 798 ZPO).

Der Beschluß ist mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen (§ 649 III ZPO).

h) Sofortige Beschwerde nach § 652 ZPO:

Gegen den Festsetzungsbeschluß nach § 649 ZPO findet die sofortige Beschwerde statt (§ 652 I ZPO.

Gilt für beide Parteien:

Innerhalb von 2 Wochen ab Zustellung des Festsetzungsbeschlusses müssen Einwendungen geltend gemacht werden.

Zulässig sind lediglich Einwendungen des Schuldners nach § 648 ZPO (s.o.) sowie Einwendungen gegen die Kostenentscheidung (§ 652 II ZPO).

i) Abänderungsklage nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses (§ 654 ZPO):

Das ist das Klageverfahren für beide Parteien auf Abänderung von im vereinfachten Verfahren nach § 649 I ZPO festgesetzten Unterhalts. Es ist nicht davon abhängig, dass nachträglich wesentliche Änderungen eingetreten sind. Damit werden geringere Anforderungen an die Abänderung von Titeln, die im vereinfachten Verfahren erlassen worden sind, gestellt.

Gegenstand der Abänderungsklage können sein:

- höherer Unterhalt ( § 654 I ZPO);
- höherer Unterhalt als 150 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO;
(= Titulierung des Spitzenbetrags, der den Höchstbetrag von150 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-VO übersteigt.)
- spätere Kenntnis von höherem Einkommen des Verpflichteten;
- höherer Unterhalt auch für die Vergangenheit;



- Dynamisierung des Unterhalts bei Festsetzung lediglich statischen Unterhalts möglich;
- Herabsetzung des Unterhalt, §§ 654 I, II ZPO möglich, wenn materielle Einwendungen gegen den Anspruch erhoben werden.

Eine rückwirkende Herabsetzung ist nur möglich, wenn die Klage innerhalb eines Monats nach Rechtskraft des Festsetzungsbeschlusses erhoben worden ist; sonst nur Herabsetzung für die Zeit nach Erhebung der Klage (§ 654 II 1 ZPO); die Verlängerung der Monatsfrist ist zulässig, wenn auch der Antragsteller Klage erhoben hat (§ 654 II 2 ZPO); beide Klagen können zusammengefasst werden (§ 654 III ZPO).

Auf Antrag kann die Zwangsvollstreckung aus dem Festsetzungsbeschluß einstweilen eingestellt werden analog § 769 ZPO

j) Streitiges Verfahren nach § 651 ZPO

Das streitige Verfahren wird auf Antrag einer Partei durchgeführt (= Klageverfahren, ähnlich wie nach Widerspruch gegen den Mahnbescheid, § 651 I ZPO).

Der Antrag ist an keine Frist gebunden.

Die Rechtshängigkeit des Rechtsstreites tritt mit Zustellung des Festsetzungsbeschlusses ein, wenn der Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens vor Ablauf von 6 Monaten nach Zugang der Mitteilung über die Einwendungen nach § 650 ZPO gestellt wurde, d.h., dass der Rechtsstreit als bereits mit Zustellung des Festsetzungsantrags als rechtshängig gilt, wenn innerhalb der 6 Monate das streitige Verfahren beantragt wird.

Gegenstand des streitigen Verfahrens:

Eine Anspruchsbegründung ist anders als im Mahnverfahren nicht erforderlich.
Die Einwendungen des Antragsgegners gelten als Klageerwiderung (§ 651 II 2 ZPO)
Das Gericht hat zur Sachaufklärung gegebenenfalls noch Hinweise nach § 139 ZPO zu erteilen.
Statt statischen Unterhalt kann dynamischer Unterhalt geltend gemacht werden.
Im Wege der Klageerweiterung kann höherer Unterhalt geltend gemacht werden.

Zumindest in Höhe der Regelbeträge nach der Regelbetrag-VO kann per einstweiliger Anordnung die Festsetzung des Unterhalts auch im streitigen Verfahren beantragt werden, um den Notunterhalt zu sichern (§ 644 ZPO).

4. Kosten des Verfahrens

Dem Gegner können die Kosten eines Verfahrens sogar auch dann auferlegt werden, wenn er zwar im Unterhaltsverfahren gewonnen hat, ober zuvor wegen der Verletzung der Auskunftspflicht über seinen Einkünfte zur Klage Anlass gegeben hatte ( § 93 d ZPO). Dies gilt auch bei einer Klagerücknahme durch den Unterhaltsberechtigten (§ 269 III 2 ZPO).

5. Übergangsregelungen für Altverfahren und Alttitel

Vor dem 1.7.98 anhängige Verfahren regeln sich nach den alten Verfahrensvorschriften, aber nach neuem Unterhaltsrecht ( Art. 5 § 2 KindUG). Es kann in die mündliche Verhandlung wieder eingetreten werden und der Unterhalt nach der Regelbetrag-Verordnung angepasst werden.

Statische Alttitel können im vereinfachten Verfahren in dynamische Titel nach den neuesten Regeln angepasst werden (Art. 5 § 3 KindUG).

6. Prozesskostenvorschuss

OLG Frankfurt am Main vom 16.04.1999 - 5 WF 32/99:

„ ... Eine Prozesskostenvorschusspflicht auch des betreuenden Elternteils ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht ausgeschlossen. § 1606 III 2 BGB gilt nur für den laufenden Unterhalt, nicht für Sonderbedarf, um den es sich bei einem Prozesskostenvorschuss aber handelt. Deswegen ist die zitierte Entscheidung des BGH (= FamRZ 1991, 182, 184) nicht einschlägig. Diese Entscheidung betrifft die Frage, unter welchen Bedingungen der betreuende Elternteil entgegen der Grundregel des § 1606 III 2 BGB dennoch zum laufenden Barunterhalt mit herangezogen werden kann, weil ein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Eltern besteht, gilt also nicht für Sonderbedarf. Sollte die Antragstellerin bei einem Nettoeinkommen von ca. 3.000,00 DM (ohne Einbeziehung des Weihnachtsgeldes) keine Miete zahlen müssen, so würde viel dafür sprechen, dass sie als prozesskostenvorschusspflichtig behandelt werden mußte. ..."

Anmerkung der Redaktion:

Prozesskostenhilfe wird nur dann bewilligt, wenn kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht. Zwischen Eltern und deren minderjährigen Kindern besteht dann eine Verpflichtung zur Zahlung des Prozesskostenvorschusses analog § 1360a BGB, wenn die Eltern über genügend Einkommen verfügen.

Gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind ist nicht nur der barunterhaltspflichtige Elternteil zur Zahlung des Prozesskostenvorschusses verpflichtet, sondern nach Ansicht der Obergerichte auch der Elternteil, der das Kind betreut, (so auch OLG Karlsruhe, FamRZ 96,100,1101; OLG München FamRZ 91, 347; OLG Düsseldorf, FamRZ 85, 198).

Das 6jährige Kind hat nach der Entscheidung vom 16.04.1999 - 5 WF 32/99 - keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe im Rahmen des Abänderungsverfahren betreffend den Kindesunterhalt. Die betreuende Kindesmutter erzielt Einkünfte aus einer Ganztagsbeschäftigung, obwohl sie wegen des Alters des Kindes nicht verpflichtet ist, zu arbeiten. Das Kind muß die leistungsfähige Mutter auf Zahlung der Anwalts- und Gerichtkosten in Anspruch nehmen.

IV. Schluß

Es bleibt abzuwarten, ob das vereinfachte Verfahren schneller als bisher zu einem Unterhaltstitel verhilft.

Dem Unterhaltsverpflichteten sind weitere Grenzen gesetzt, seine Einkünfte zu verschleiern oder gar zurückzuhalten. Er sollte sich bewußt sein, dass die Verzögerung der Vorlage der Einkommensbelege zu weiteren Kostentragungspflichten führen wird. Dies kann vermieden werden, wenn sich der Verpflichtete von Beginn an kooperativ zeigt.

Die alten Unterhaltstitel sollten im Hinblick auf die Neuregelung überprüft werden, zum einen wegen der Anpassung an die Regelbetrag-Verordnung mit der 2- jährigen Dynamisierung und zur Vermeidung von Abänderungsklagen.



Neues Unterhaltsrecht - gültig ab 01.01.2008

Der Deutsche Bundestag hat heute die Reform des Unterhaltsrechts verabschiedet. Das neue Unterhaltsrecht soll zum 1. Januar 2008 in Kraft treten.

„Mit dieser Reform gehen wir einen wichtigen Schritt hin zu einer modernen Familienpolitik. Unsere Gesellschaft hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wir haben eine hohe Scheidungsrate, die Rollenverteilung innerhalb der Ehe hat sich gewandelt und neue Familienformen entstehen. Mit der nun vereinbarten Unterhaltsrechtsreform reagieren wir sensibel auf gesellschaftliche Veränderungen. Das Unterhaltsrecht betrifft die Familien in besonderem Maß. Es geht um das finanzielle Einstehen füreinander, die Solidarität zwischen Eltern und Kindern und die Übernahme von Verantwortung zwischen den Ehegatten und unverheirateten Elternteilen", erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in Berlin.

Von dem neuen Unterhaltsrecht profitieren in erster Linie die Kinder. Sie sind bei einer Trennung ihrer Eltern besonders schutzbedürftig. Deshalb sollen sie künftig beim Unterhalt an erster Stelle stehen. „Ist nicht genügend Geld vorhanden, sollen Kinder Vorrang vor allen anderen Unterhaltsberechtigten haben. Damit wird der Unterhalt minderjähriger Kinder sehr viel häufiger auch tatsächlich geleistet werden. Diese Regelung wird außerdem durch eine Übergangsregelung flankiert, die den Mindestunterhalt so festschreibt, dass er in keinem Fall sinkt", betonte Brigitte Zypries.

Bei der Dauer des Betreuungsunterhalts sollen Mütter und Väter, die ihr Kind betreuen, gleich behandelt werden - unabhängig davon, ob sie verheiratet waren oder nicht. Betreuungsunterhalt ist während der ersten drei Lebensjahre des Kindes zu zahlen. Eine Verlängerung ist möglich, wenn das der Billigkeit entspricht. Maßgeblich dafür sollen in erster Linie die Belange des Kindes sein. Zusätzlich soll die Möglichkeit geschaffen werden, den Betreuungsunterhalt aus Gründen der nachehelichen Solidarität zu verlängern. Damit wird das Vertrauen geschützt, das in einer Ehe aufgrund der Rollenverteilung und der Ausgestaltung der Kinderbetreuung entstanden ist.

Mit der Reform soll zudem die nacheheliche Eigenverantwortung gestärkt werden. Eine Lebensstandardgarantie wird es dann nicht mehr geben. Wo keine ehebedingten Nachteile fortwirken, soll der Unterhalt zeitlich und der Höhe nach begrenzt werden.

Das Gesetz zur Reform des Unterhaltsrechts wurde bereits im April 2006 durch das Bundeskabinett beschlossen und seit Juni 2006 im Deutschen Bundestag beraten. Die im Mai 2007 verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur gleichen zeitlichen Dauer des Betreuungsunterhalts für geschiedene und nicht verheiratete, betreuende Elternteile (Az. 1 BvL 9/04) führte dazu, dass die Verabschiedung des Gesetzes verschoben werden musste. Die Regierungskoalition hat mit der heute erzielten Einigung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt.

Zum Inhalt der Reform im Einzelnen:

1. Förderung des Kindeswohls

Im Vordergrund steht die Förderung des Wohls der Kinder. Vorgesehen ist:

· eine Änderung der Rangfolge im Unterhaltsrecht,
· eine Besserstellung nicht verheirateter Mütter und Väter, die Kinder betreuen.

a) Geänderte Rangfolge

Praktisch relevant wird der Rang eines Unterhaltsanspruchs im Mangelfall. Nach heutiger Rechtslage muss sich das unterhaltsberechtigte minderjährige Kind den ersten Rang mit geschiedenen und aktuellen Ehegatten teilen. Innerhalb des ersten Rangs wird der erste Ehegatte in bestimmten Fällen gegenüber dem zweiten Ehegatten privilegiert. Beide Ehegatten werden wiederum gegenüber der nicht verheirateten Mutter (bzw. Vater) bevorzugt. Diese befinden sich heute mit ihrem Unterhaltsanspruch wegen der Kinderbetreuung im zweiten Rang.

Die künftige Rangfolge wird konsequent auf das Kindeswohl ausgerichtet sein. Im Gegensatz zu Erwachsenen können Kinder nämlich nicht selbst für ihren Unterhalt sorgen. Daher soll der Kindesunterhalt in Zukunft Vorrang vor allen anderen Unterhaltsansprüchen haben. Damit kann die Zahl minderjähriger Sozialhilfeempfänger reduziert werden. Die Unterhaltsansprüche von Erwachsenen werden demgegenüber nachrangig befriedigt. Aber nicht jeder erwachsene Unterhaltsberechtigte ist in gleicher Weise schutzbedürftig. Auch hier ist das Kindeswohl das entscheidende Kriterium. Vorrang müssen daher alle kinderbetreuenden Elternteile haben, und zwar unabhängig davon, ob sie verheiratet sind oder waren, gemeinsam oder allein ein Kind erziehen. Diese Personengruppe soll sich deshalb künftig im zweiten Rang befinden.

Konkret: Sowohl der erste als auch der zweite Ehegatte, der Kinder zu betreuen hat, aber auch die nicht verheiratete Mutter (der nicht verheiratete Vater) werden gleich behandelt, weil sie im Hinblick auf die Kinder in der gleichen Situation sind. Ebenso schutzwürdig sind Ehegatten bei langer Ehedauer, da hier über Jahre hinweg Vertrauen in die eheliche Solidarität gewachsen ist. Dieses Vertrauen bedarf auch nach der Scheidung, wenn die Kinder aus dem Haus sind, eines besonderen Schutzes. Diese Ehegatten sollen sich deshalb künftig im zweiten Rang befinden. Der geschiedene Ehegatte, der nur verhältnismäßig kurz verheiratet war und keine Kinder betreut, ist demgegenüber weniger schutzbedürftig. Er findet sich künftig im dritten Rang wieder.

Beispiele:

Der nach 20 Jahren geschiedene Mann hat aus erster Ehe zwei Kinder. Seine Frau hat zugunsten von Kinderbetreuung und Haushaltsführung auf eine eigene Erwerbstätigkeit verzichtet. Die Kinder stehen kurz vor dem Abitur und die geschiedene Frau findet nach der Scheidung keinen Arbeitsplatz. Der Mann hat nach der Scheidung erneut geheiratet und mit seiner zweiten Ehefrau zwei minderjährige Kinder. In diesem Fall werden nach Abzug des sog. Selbstbehalts des Mannes zunächst die Unterhaltsansprüche aller Kinder erfüllt. Falls dann noch Einkommen zur Verfügung steht, müssen erste und zweite Ehefrau sich das Geld teilen. Sie befinden sich beide im zweiten Rang. Die erste Ehefrau, weil die Ehe von langer Dauer (20 Jahre) war und die zweite Ehefrau, weil sie die gemeinsamen minderjährigen Kinder betreut.

Anders wäre es, wenn die erste Ehe nur vier Jahre gedauert hat und kinderlos geblieben ist, die Ehefrau aber gleichwohl keiner Erwerbsarbeit nachgegangen ist und nun keinen Arbeitsplatz findet. Hier würden wieder die Kinder (aus der zweiten Ehe) erstrangig bedient. Im zweiten Rang befindet sich die kinderbetreuende zweite Ehefrau. Nur, wenn nach Erfüllung ihres Unterhaltsanspruchs noch Geld verbleibt, wird auch der Anspruch der ersten Ehefrau befriedigt. Das gleiche gilt für die nichtverheiratete Mutter während der Zeit, in der sie Betreuungsunterhalt erhält. Das in Artikel 6 Abs. 5 Grundgesetz verankerte Gebot, nichtehelichen Kindern die gleichen Entwicklungsbedingungen wie ehelichen Kindern zu schaffen, gebietet es, den Betreuungsunterhalt für alle Kinder im gleichen Rang zu berücksichtigen.

Diese Beispiele verdeutlichen die klare Betonung des Kindeswohls und die Bedeutung der nachehelichen Solidarität gerade bei langen Ehen. Die Unterhaltsberechtigten, die „leer" ausgehen oder nicht bedarfsdeckend Unterhalt erhalten, haben - wie schon heute - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen (ergänzend) Anspruch auf Sozialhilfe nach dem Sozialgesetzbuch XII bzw. Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld nach dem Sozialgesetzbuch II (Grundsicherung für Arbeitssuchende).

b) Betreuungsunterhalt für eheliche und nichteheliche Kinder

Die nicht verheiratete Mutter (der nicht verheiratete Vater) erhält heute nach der Geburt des Kindes bis zu drei Jahre lang Betreuungsunterhalt. Danach muss sie (er) wieder arbeiten gehen, wenn dies nicht "grob unbillig" ist. Die geschiedene Mutter (bzw. der geschiedene Vater) muss dagegen nach der ständigen Rechtsprechung frühestens dann wieder erwerbstätig werden, wenn das Kind etwa acht Jahre alt ist.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 28. Februar 2007 (Az. 1 BvL 9/04; u.a. FamRZ 2007, 965 = NJW 2007, 1735) festgestellt, dass die nach derzeit noch geltendem Recht unterschiedliche Dauer von Unterhaltsansprüchen für die Betreuung ehelicher und nichtehelicher Kinder verfassungswidrig ist. Das Bundesministerium der Justiz hat sich daher mit den Koalitionsfraktionen darauf verständigt, die Dauer des Unterhaltsanspruchs, soweit er wegen der Betreuung des Kindes geschuldet wird, gleich zu gestalten.

Künftig haben alle Mütter und Väter, die ihr Kind betreuend, zunächst für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes Anspruch auf Betreuungsunterhalt. Dieser Betreuungsunterhalt ist im Einzelfall zu verlängern, soweit und solange dies der Billigkeit entspricht. Maßgeblich sind dabei die Belange des Kindes. Ab dem Alter von drei Jahren sind - entsprechend dem Anspruch auf einen Kindergartenplatz - auch die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Soweit diese eine mit den Belangen des Kindes vereinbare Erwerbstätigkeit ermöglichen, ist der betreuende Elternteil hierauf zu verweisen. Damit ist der Betreuungsunterhalt, der im Interesse des Kindes geschuldet wird, einheitlich von gleicher Dauer.

Darüber hinaus wird mit der Reform die Möglichkeit geschaffen, aus Gründen der nachehelichen Solidarität im Einzelfall den Betreuungsunterhalt für geschiedene Elternteile zusätzlich zu verlängern. Diese Verlängerungsmöglichkeit rechtfertigt sich alleine aus dem in der Ehe gewachsenen Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung.

2. Stärkung der nachehelichen Eigenverantwortung

Das Unterhaltsrecht sieht schon jetzt in gewissem Umfang die Möglichkeit vor, Unterhaltsansprüche zu befristen oder in der Höhe zu beschränken. Diese Möglichkeiten werden von der Rechtsprechung aber nur sehr zurückhaltend genutzt. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung relativ hohe Anforderungen an die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach der Scheidung stellt. Vor allem der Maßstab der "ehelichen Lebensverhältnisse" macht den Wiedereinstieg in den erlernten Beruf nicht immer attraktiv. Kurz: Der beim nachehelichen Unterhalt geltende Grundsatz der Eigenverantwortung ist etwas in Vergessenheit geraten. Dies belastet vor allem die Zweitfamilien und ist besonders bei kürzeren Ehen kaum mehr vermittelbar. Umgekehrt ist ein Problem der Eigenverantwortung, dass sich die Ehegatten beim vertraglichen Unterhaltsverzicht häufig nicht "auf gleicher Augenhöhe" gegenüberstehen. In vielen Fällen können sie zumindest die Folgen eines Verzichts nicht genau abschätzen. Der Gesetzentwurf sieht deshalb folgende Änderungen vor:

· Der Grundsatz der Eigenverantwortung wird ausdrücklich im Gesetz verankert. Bei der Frage, ab welchem Alter der Kinder der betreuende Ehegatte wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehmen muss, spielen die tatsächlich bestehenden Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor Ort eine größere Rolle als bisher.

· Die Gerichte werden künftig mehr Möglichkeiten haben, den nachehelichen Unterhalt zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen.

· Der in der Ehe erreichte Lebensstandard ist nicht mehr der entscheidende, sondern nur noch einer von mehreren Maßstäben dafür, ob eine Erwerbstätigkeit - und wenn ja, welche - nach der Scheidung wieder aufgenommen werden muss.

· Ein vertraglicher Verzicht auf Unterhaltsansprüche ist nur noch wirksam, wenn sichergestellt ist, dass beide Parteien über die im Einzelfall weitreichenden Folgen umfassend aufgeklärt worden sind. Unterhaltsvereinbarungen vor der Scheidung müssen deshalb notariell beurkundet werden.

Was bedeuten diese Änderungen konkret?

· Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit

Der das Kind betreuende Elternteil erhält von seinem geschiedenen Ehegatten während der Zeit der Kinderbetreuung so lange den sog. Betreuungsunterhalt, bis er durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wieder selbst für sich sorgen kann. Zu der Frage, ab wann ein kinderbetreuender Ehegatte wieder erwerbstätig werden muss, gibt es eine gefestigte Rechtsprechung. Danach kann dem Ehegatten, der ein Kind betreut, unabhängig von den konkreten Kinderbetreuungsmöglichkeiten vor Ort, eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden, bis das Kind etwa acht Jahre alt ist. Ist das Kind zwischen acht und elf Jahre alt, kommt es auf den konkreten Einzelfall an, ob eine Teilzeittätigkeit aufgenommen werden muss. Bei einem elf- bis ca. fünfzehnjährigen Kind ist nach der Rechtsprechung in der Regel eine Teilzeittätigkeit - wenn auch nicht unbedingt eine Halbtagsstelle - zumutbar. Erst wenn das Kind ca. 16 Jahre alt ist, muss der kinderbetreuende Ehegatte eine Vollzeitbeschäftigung aufnehmen. Diese von der Rechtsprechung entwickelten Altersgrenzen für die Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit werden der heutigen Realität mit einer hohen Erwerbstätigenquote bei Frauen und immer besseren Möglichkeiten der Kinderbetreuung nicht mehr gerecht.

Konkret: Ist eine Übermittagbetreuung in der Schule vorhanden, kann von dem kinderbetreuenden Elternteil künftig durchaus früher als heute die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit erwartet werden, damit er jedenfalls zum Teil selbst und eigenverantwortlich seinen Unterhalt bestreiten kann. Auch zukünftig kommt es aber immer auf den Einzelfall an, also darauf, ob das Kind einfach oder schwierig ist, ob es ständige Hilfe bei den Schularbeiten braucht oder sie eigenständig erledigen kann, ob der Hort nach der Schule problemlos zu erreichen ist u.s.w.

· Keine unbegrenzte Lebensstandardgarantie mehr

Während der Ehe schaffen sich die Ehegatten gemeinsam einen bestimmten Lebensstandard. Mit welcher Rollenverteilung sie dies tun, ist allein ihre Entscheidung. Der gemeinsam erarbeitete Lebensstandard ist deshalb nach der Scheidung grundsätzlich der richtige Maßstab für die Höhe des Unterhalts. Gerade bei Ehen, die nicht sehr lange gedauert haben, wird eine unbegrenzte Lebensstandardgarantie heute aber allgemein nicht mehr als angemessen empfunden. Hier sollen die Gerichte mehr Gestaltungsspielraum erhalten, um Unterhaltsansprüche zu befristen oder der Höhe nach zu begrenzen. Auch die Rückkehr in den erlernten und vor der Ehe ausgeübten Beruf soll künftig eher zumutbar sein; dies selbst dann, wenn damit ein geringerer Lebensstandard als in der Ehe verbunden ist. Auch hier kommt es aber immer auf den Einzelfall an, insbesondere auf die Dauer der Ehe, die Dauer der Kinderbetreuung und die Rollenverteilung in der Ehe.

3. Vereinfachung des Unterhaltsrechts

Ein weiteres Ziel der Reform ist die Vereinfachung des Unterhaltsrechts. Das gilt insbesondere für folgende Punkte:

· Das Kindesunterhaltsrecht wird vereinfacht durch die gesetzliche Definition eines einheitlichen Mindestunterhalts für minderjährige Kinder. Der Mindestunterhalt minderjähriger Kinder wird in Anlehnung an den steuerlichen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum (Kinderfreibetrag) gesetzlich definiert; das Unterhaltsrecht wird insoweit an das Steuer- und Sozialrecht angepasst. Damit entfällt die Regelbetrag-Verordnung. Mit dem einheitlichen Mindestunterhalt wird außerdem die bisherige Differenzierung bei den Unterhaltssätzen für Kinder in den alten und neuen Bundesländern aufgehoben.

· Durch eine besondere Übergangsregelung wird zudem sichergestellt, dass die heutigen Regelbeträge (West) durch den neuen Mindestunterhalt in keinem Fall unterschritten werden. Mit der Übergangsregelung werden für den Mindestunterhalt zunächst Beträge festgeschrieben, die insbesondere in den neuen Bundesländern zu im Ausgangspunkt erhöhten Unterhaltsbeträgen führen.

· Mit der Neuregelung der Kindergeldverrechnung wird eine klare, sachgerechte und für die Bürgerinnen und Bürger gut verständliche Regelung geschaffen, die steuer- und sozialrechtliche Vorgaben berücksichtigt und die Rechtsanwendung erheblich vereinfacht.

· Die klare und verständliche Regelung der unterhaltsrechtlichen Rangfolge erleichtert die Unterhaltsberechnung in einer Vielzahl von Fällen.

Fazit:
Die vorgeschlagenen und nunmehr von den Regierungsfraktionen vereinbarten Änderungen bringen im Interesse der Kinder mehr Verteilungsgerechtigkeit im Mangelfall und führen zu mehr Eigenverantwortung der Ehegatten nach der Ehe. Das Unterhaltsrecht muss in besonderem Maße dem Einzelfall gerecht werden und ein über Jahre gewachsenes Vertrauen in die nacheheliche Solidarität schützen. Die neuen Vorschriften gelten zwar grundsätzlich auch für "Altfälle", dies allerdings nur, wenn es den Betroffenen unter Berücksichtigung ihres Vertrauens in die einmal getroffene Regelung zumutbar ist. (Pressemitteilung BMJ vom 09.11.2007)