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Rechtsprechung zum VVG im Jahr 1999

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Stand: 8. September 2013

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Rechtsprechung zum Versicherungsvertragsgesetz - 1997 - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006

OLG Nürnberg, 23.12.1999, 8 U 3364/99 (VersR 2000, 437)

Die Regelung der Rechtsfolgen einer Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung (§§ 21, 22, 40 I VVG; §§ 123, 142 I BGB) verstößt gegen das Verfassungsrecht (Übermaßverbot und Gleichheitssatz) sowie gegen das vertragliche Äquivalenzprinzip. Die dadurch entstehende sog. Ausnahmelücke ist über eine verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion zu schließen.

In Anlehnung an die richterrechtlich entwickelten Grundsätze über fehlerhafte Dauerschuldverhältnisse (Arbeits- und Gesellschaftsverhältnisse) ist die Ausnahmelücke dahingehend zu schließen, dass die rückwirkende Nichtigkeit der Anfechtung bei einem vollzogenen Versicherungsvertrag auf eine ex-nunc-Wirkung ab Anfechtungserklärung reduziert wird. Diese ex-nunc-Wirkung gilt nur für solche Versicherungsfälle, die mit dem verschwiegenen - erhöhten - Gefahrumständen nicht in Zusammenhang stehen. Für letztere verbleibt es bei der gesetzliche ex-tunc-Wirkung.

Die Regelung der Rechtsfolgen einer Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen arglistiger Täuschung (§§ 21, 22, 40 I VVG; §§ 123, 142 I BGB) verstößt gegen das Verfassungsrecht (Übermaßverbot und Gleichheitssatz) sowie gegen das vertragliche Äquivalenzprinzip. Die dadurch entstehende sog. Ausnahmelücke ist über eine verfassungskonforme Auslegung im Wege einer teleologischen Reduktion zu schließen.

OLG Hamm, 15.12.1999, 20 U 131/99 (r + s 2000, 142)

Eine Mieterin, die durch den Mietvertrag verpflichtet ist, anteilig die Kosten der Gebäudeversicherung zu tragen, haftet für von ihr verursachte Brandschäden nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Diese Haftungsbeschränkung gilt auch für die Tochter der Mieterin, die ebenfalls in der Wohnung lebt.

Wird ein Zigarettenrest fünf Minuten nachdem er in einem Glasteller ausgedrückt wurde, in eine mit Papier gefüllte Plastiktüte geschüttet, wodurch ein Brand entsteht, dann liegt darin keine grobe fahrlässige Brandverursachung, es sei denn, es ist beweisbar, die Zündfähigkeit des Zigarettenrests sei noch erkennbar gewesen.

Das Haftungsurteil ist im Deckungsprozess für den Kfz-Versicherer bindend, auch wenn er am Haftpflichtprozess nicht beteiligt war.

OLG Hamm, 3.12.1999, 20 U 101/99 (ZfS 2000, 155)

Besteht zwischen den Parteien die Übung bei einem Fahrzeugwechsel jeweils einen "Nachtrag" zum Versicherungsschein zu erteilen und "Folgebeiträge" einzufordern, ist der Veränderungsantrag des Versicherungsnehmers als Antrag auf Fortsetzung des alten Vertrags auszulegen. Geänderte Bedingungen werden dann nur unter der Voraussetzung des § 5 II VVG Vertragsbestandteil.

OLG Hamm, 1.12.1999, 20 U 58/99 (ZfS 2000, 211)

Auch wenn der Versicherungsnehmer eine Schadensanzeige schon vor dem Ausfüllen durch einen Dritten unterschreibt, handelt es sich um eine Erklärung des Versicherungsnehmers und nicht des Dritten. Sind die Angaben in einer solchen Erklärung falsch, ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer nicht beweisen kann, dass ihn kein Verschulden trifft.

Hat der Versicherungsnehmer eine Schadensanzeige schon vor dem Ausfüllen durch einen Dritten unterschrieben, so ist der Beweis für fehlendes Verschulden nicht erbracht, wenn offen bleibt, ob der Dritte falsch informiert wurde oder ob er eine richtige Infomation falsch verstanden hat.

LG Bremen, 1.12.1999, 4 S 278/99 (Jonczak, VersR 2000, 305 )

Die neue Fassung des § 8 III VVG gilt nach Art. 16 § 5 II des Änderungsgesetzes nur für Versicherungsverträge, die nach dem 24.6.1994 abgeschlossen worden sind. Maßgebend ist das Datum des Vertragsschlusses, nicht der in dem Vertrag vereinbarte Beginn der Versicherung.

Es besteht keine Verkehrssitte, nach der das Schweigen des Versicherers auf eine unwirkame Kündigung als Zustimmung zur vorzeitgen Auflösung des Versicherungsvertrags gilt.

BGH, 1.12.1999, IV ZR 71/99 (ZfS 2000, 68)

Eine Unfallflucht i. S. von § 142 StGB ist auch bei eindeutiger Haftungslage eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kfz-Haftpflichtversicherung und in der Kaskoversicherung.

BGH, 1.12.1999, IV ZR 71/99 (ZfS 2000, 68)

Eine Unfallflucht i. S. von § 142 StGB ist auch bei eindeutiger Haftungslage eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit in der Kfz-Haftpflichtversicherung und in der Kaskoversicherung.

AG Köln, 28.10.1999, 115 C 248/99 (NVersZ 2000, 83)

Ein Versicherungsnehmer, der bei einem Versicherer eine Krankheitskostenversicherung, eine Pflegetagegeldversicherung und eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat, kann nach einer Prämienerhöhung für die Krankheitskostenversicherung und die Pflegetagegeldversicherung seine Vertragskündigung nicht auf die Krankentagegeldversicherung erstrecken, da die drei Tarife trotz gemeinsamen Vertragsschlusses keinen einheitlichen Vertrag bilden, der nur als solcher gekündigt werden könnte, und da eine Krankheitskostenversicherung auf dem Versicherungsmarkt auch ohne eine Krankentagegeldversicherung abgeschlossen werden kann.

OLG Hamm, 25.10.1999, 6 U 71/99 (r + s 2000, 54)

Wer durch rücksichtsloses und rowdyhaftes Verhalten innerhalb einer BAB-Baustelle einen Unfall mitverursacht, hat den Schaden an seinem Fahrzeug grob fahrlässig herbeigeführt, so dass der Versicherer leistungsfrei ist.

OLG Köln, 22.10.1999, 6 U 35/99 (VersR 2000, 169)

Folgende Klauseln in den von einem Versicherungsunternehmen bei Abschluss von Versicherungsverträgen verwendeten Formularen sind gem. § 11 Nr. 15 s. 1 lit. b AGBG unwirksam: "Hiermit bestätige ich, dass mir die für die beantragten Versicherungen maßgebenden Verbraucherinformationen einschließlich der Versicherungsbedingungen vor Antragstellung ausgehändigt wurden." sowie "Erhalt von Vertragsunterlagen und Informationen: Hiermit bestätige ich, dass mir die für die folgenden beantragten Versicherungen maßgebenden Verbraucherinformationen einschließlich Versicherungsbedingungen vor Antragstellung ausgehändigt werden: ...." auf sie findet die Ausnahmevorschrift des § 11 Nr. 15 S. 2 AGBG schon deshalb keine Anwendung, weil sich die Erklärung nicht auf den Erhalt namentlich bezeichneter Gegenstände beschränken.

LG Berlin, 19.10.1999, 7 S 20/99 (NJW-RR 2000, 328)

Wer sich bei Zweifeln über den Inhalt eines Rechtsbegriffs nicht um Aufklärung bemüht, der nimmt eine Falschaussage billigend in Kauf und handelt damit bedingt vorsätzlich. Die Nichtangabe von Reisegepäckvorschäden ist generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernstlich zu beeinträchtigen.

OLG Köln, 19.10.1999, 9 U 37/99 (ZfS 2000, 19)

Gibt ein Versicherungsnehmer die bei 45.000 km liegende Gesamtlaufleistung seines entwendeten Kraftfahrzeugs mit "ca. 39.000" km an, so stellt dies eine zur Leistungsfreiheit führende Obliegenheitsverletzung dar.

BGH, 6.10.1999, IV ZR 118/98 (VersR 1999, 1525)

Zu den Anforderungen an eine wirksame Mahnung nach § 39 I VVG.

LG Darmstadt, 1.10.1999, 1 O 416/98 (NJW-RR 2000, 329)

Nach Pfändung und Überweisung der Ansprüche des Versicherungsnehmers einer gemischten Lebensversicherung und auch der Pfändung und Überweisung der Ansprüche der unwiderruflich Bezugsberechtigten für den Todesfall kann der Pfändungsgläubiger den Versicherungsvertrag kündigen und sich den Rückkaufswert auszahlen lassen.

OLG Saarbrücken, 29.9.1999, 5 U 537/98-46 (ZfS 2000, 30)

Die Versicherungsfähigkeit stellt in der Restschuldversicherung einen gefahrerheblichen Umstand und nicht eine Wirksamkeitsbedingung des Versicherungsvertrages dar. Wird lediglich im Darlehensantrag, nicht aber in dem mit ihm abgegebenen Versicherungsantrag nach dem Bestehen eines Arbeitsverhältnisses gefragt, so kann sich der Versicherer später nicht darauf berufen, der Versicherungsnehmer sei nicht versicherungsfähig gewesen.

OLG Köln, 28.9.1999, 9 U 31/99 (r + s 1999, 499 - r + s 1999, 527)

Die Rettungspflicht des Versicherungsnehmers beginnt in der Haftpflichtversicherung mit dem Beginn des Ereignisses, das Haftpflichtansprüche Dritter gegen den Versicherungsnehmer auslösen könnte. Das bloße Drohen einer privatrechtlichen Inanspruchnahme genügt nicht. Voraussetzung für die Annahme einer Rettungspflicht ist, dass sich die in der Haftpflichtversicherung versicherte Gefahr verwirklicht, also eine Schädigung eines Dritten jedenfalls begonnen hat.

BGH, 22.9.1999, IV ZR 15/99 (ZfS 2000, 67)

Zur Frage der Wissenszurechnung bei einem Versicherungsmakler nach der Auge-und-Ohr-Rechtsprechung des BGH.

BGH, 22.9.1999, IV ZR 172/98 (ZfS 2000, 18)

Arglistig falscher Prozessvortrag des Versicherungsnehmers führt nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers, solange dieser an seiner Leistungsablehnung festhält.

OLG Köln, 13.9.1999, 9 W 23/99 (r + s 1999, 444)

Gewährt der KH-Versicherer wie üblich vorläufige Deckung, ohne zunächst einen Versicherungsbeitrag zu verlangen, ist deckende Stundung der Prämie vereinbart und die Bestimmung des § 38 II VVG stillschweigend abbedungen. Bei Prämienzahlungsverzug des Versicherungsnehmers gilt § 1 IV S. 2 AKB.

LG Karlsruhe, 27.8.1999, 9 S 120/99 (ZfS 1999, 475)

Zur Repräsentanteneigenschaft des Sohnes, wenn dessen Pkw auf einen Elternteil zugelassen und von diesem haftpflichtversichert wird.

OLG Naumburg, 29.7.1999, 2 U 200/98 (ZfS 1999, 424)

Eine grobe fahrlässige Herbeiführung des Unfalls setzt neben einer objektiven Verfehlung des Sorgfaltsmaßstabes voraus, daß dem Betroffenen dies auch unter Berücksichtigung seiner individuellen Fähigkeiten subjektiv vorzuwerfen ist. Überholen im Baustellenbereich mit erkennbarer Verengung der Fahrbahnen und der offensichtlichen Notwendigkeit zum gefährdenden Wechsel auf die Fahrspur des Gegenverkehrs stellt sowohl objektiv als auch subjektiv ein grob fahrlässiges Verhalten dar.

LG Köln, 1.7.1999, 24 S 115/98 (DAR 1999, 509)

Voraussetzung der Leistungsfreiheit des Versicherers bei einer Obliegenheitsverletzung ist, daß er den Versicherungsvertrag innerhalb eines Monats, nachdem er von der Verletzung Kenntnis erlangt hat, kündigt. Diese Verpflichtung zur Kündigung trifft den Versicherer auch dann, wenn er erst nach dem Versicherungsfall Kenntnis von der Obliegenheitsverletzung erlangt hat.

OLG Hamm, 16.6.1999, 20 U 92/98 (NJW-RR 1999, 1633)

Bei einer Großbaustelle (Tunnelbau) ist nicht der Polier, sondern nur der örtliche Bauleiter Repräsentant des Bauunternehmens.

Es ist nicht grob fahrlässig, daß der Bauleiter einzelne Bauabschnitte, die schon mehrfach störungsfrei abgewickelt wurden, nicht persönlich überprüft.

OLG München, 16.6.1999, 15 U 5773/98 (DAR 1999, 506)

Das Fehlverhalten bei Durchfahrt mit dem Kfz durch eine für die Höhe des Fahrzeugs nicht zugelassene Unterführung ist nicht grob fahrlässig, sondern nur als fahrlässig einzuschätzen.

OLG Hamm, 14.6.1999, 13 U 259/98 (MDR 1999, 1326)

Ist ein Rechtsschutzversicherer zugunsten eines Gläubigers eintrittspflichtig, müssen wegen § 67 II VVG Teilleistungen des Schuldners entgegen § 367 BGB erst zuletzt auf die Kosten verrechnet werden. Solange der Schuldner von dem Forderungsübergang nicht weiß, bleibt es bei der in § 367 BGB vorgesehenen Reihenfolge der Tilgung.

BGH, 11.6.1999, V ZR 377/98 (NJW 1999, 2896)

Störer ist auch der Eigentümer eines Hauses, das infolge eines technischen Defekts an elektrischen Leitungen oder Geräten in Brand gerät und das Nachbargrundstück beschädigt.

LG Hannover, 3.5.1999, 20 O 260/97 (DAR 1999, 365)

Die AKB werden gem. § 5a I S. 1, II S. 4 VVG unabhängig davon, ob sie dem Versicherungsnehmer bei Vertragsabschluß übergeben worden sind, Vertragsbestandteil.

BGH, 21.4.1999, IV ZR 192/98 (NJW 1999, 2741)

Ein privat Krankenversicherter, der seinen Vertrag kündigt, hat keinen Anspruch auf Auszahlung einer Alterungsrückstellung.

BGH, 14.4.1999, IV ZR 197/98 (VersR 1999, 706)

Zur Verjährung der Ansprüche auf Versicherungsschutz in der Rechtsschutzversicherung.

BGH vom 17.03.1999 - IV ZR 218/97 (Pressemitteilung)

Der Bundesgerichtshof hat über die Wirksamkeit einer sog. Bedingungsanpassungsklausel in Allg. Versicherungsbedingungen entschieden.

Insbesondere bei langfristigen Versicherungsverträgen können sich Umstände ändern, die eine nachträgliche Anpassung der Bedingungen erforderlich machen. Deshalb haben Versicherungsunternehmen häufig eine Klausel in ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufgenommen, mit der sie sich eine Änderung der Bedingungen vorbehalten. Solche Bedingungsanpassungsklauseln müssen, um wirksam zu sein, bestimmten Voraussetzungen genügen. Darum ging es in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes. Sie hat Bedeutung für alle Versicherungszweige.
Ein Verbraucherschutzverein hat die Bedingungsanpassungsklausel eines deutschen Rechtsschutzversicherungsunternehmens zur gerichtlichen Überprüfung gestellt. Diese Klausel sieht vor, daß das Unternehmen bei Änderungen von Gesetzen, der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der Verwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen oder der Kartellbehörden berechtigt sein soll, einzelne Bedingungen mit Wirkung für bestehende Verträge zu ergänzen oder zu ersetzen. Auch zur Beseitigung von Auslegungszweifeln soll das Unternehmen den Wortlaut der Versicherungsbedingungen ändern dürfen. Die geänderten Bedingungen sollen als genehmigt gelten, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich widerspricht.
Der Bundesgerichtshof hat diese Klausel für unwirksam erklärt. Sie hält insgesamt einer Kontrolle nach § 9 des Gesetzes über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zu denen auch Allgemeine Versicherungsbedingungen gehören, nicht stand. Nach dieser Vorschrift sind Klauseln unwirksam, die den Vertragspartner - hier den Versicherungsnehmer - entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Der Bundesgerichtshof hat insbesondere daran Anstoß genommen, daß die Anwendung dieser Klausel auch zu Nachteilen des Versicherungsnehmers führen kann, die bei einem bestehenden Vertrag nicht gerechtfertigt sind. Außerdem ist die Klausel nicht hinreichend klar formuliert.

OLG Köln, 16.3.1999, 9 U 99/98 (r + s 1999, 233)

Der Vorsatz i.S. der §§ 152 VVG, 4 II Nr. 1 AHB muß auch die Verletzungsfolgen umfassen; insoweit reicht bedingter Vorsatz (dolus eventualis) aus.

Vorsätzliches Verhalten kann nicht durch einen Anscheinsbeweis nachgewiesen werden, wohl aber durch aus den äußeren Umständen zu ziehende Schlüsse auf die subjektiven Vorstellungen des Täters. Deswegen kann aus der Intensität und Gefährlichkeit eines Angriffs auf eine bedingt vorsätzliche Körperverletzung mit Umfassung der Verletzungsfolgen geschlossen werden.

OLG Jena, 11.3.1999, 1 U 1250/98 (OLG-NL 1999, 153)

Einnicken am Steuer eines Kfz muß nicht notwendig als grob fahrlässiges Fahrverhalten gewertet werden. Es bedarf zusätzlicher, konkreter Anhaltspunkte, um zu belegen, daß sich der Fahrer über deutliche Anzeichen der Ermüdung hinweg gesetzt hat.

BVerfG, 8.3.1999, 1 BvR 645/95 (NJW 1999, 2959)

§ 40 II 1 VVG ist nicht grundgesetzwidrig.

Bei einem Tarifwechsel nach § 178f VVG wird kein neuer Versicherungsvertrag abgeschlossen, sondern der bisherige nach Maßgabe des neuen Tarifs fortgesetzt.

Zu den aus dem bisherigen Vertrag erworbenen Rechten des Versicherten, die beim Tarifwechsel anzurechnen sind, gehört die Risikoeinstufung, die der Versicherer aufgrund des von ihm überpüften Gesundheitszustands des Versicherten bei Beginn des Vertrags als für die Erhebung eines Risikozuschlags maßgebend festgelegt hat. Diese Einstufung darf der Versicherer bei einem Tarifwechsel nicht zu Lasten des Versicherungsnehmers ändern.

§ 178f VVG enthält weder ein Verbot, Risikozuschläge zu verlangen, wenn im bisherigen Tarif höhere Risiken durch eine Pauschalprämie berücksichtigt wurden und deswegen keine Risikozuschläge zu zahlen waren, noch ein Verbot, die neuen Risikozuschläge bei einer anders bemessenen Basisprämie prozentual oder absolut höher als die alten zu bemessen.

OLG Düsseldorf, 23.2.1999, 4 U 77/98 (ZfS 1999, 297)

Hat der Versicherungsnehmer sein Motorrad einem ihm unbekannten angeblichen Kaufinteressenten, der nicht mit einem eigenen Fahrzeug angereist ist, zu einer Probefahrt überlassen, ohne sich die Personalien zu notieren, für die Dauer der Fahrt ein Personalpapier aushändigen oder eine Anzahlung geben zu lassen, so ist der Versicherer wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des durch den angeblichen Kaufinteressenten begangenen Diebstahls des Motorrades leistungsfrei, auch wenn der Täter ohne Motorradkleidung erschienen ist und bei der kurzen Probefahrt die Wohnstraße des Versicherungsnehmers nicht verlassen sollte.

OLG Hamm, 18.2.1999, 6 U 213/98 (r + s 1999, 268)

Wenn der Versicherungsnehmer, bei dem eine ca. 1 1/4 Stunde nach dem Unfall entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 0,9 Promille ergeben hat, an der Einmündung der von ihm befahrenen Straße in eine andere Straße trotz des für ihn maßgeblichen Stoppzeichens und trotz seiner Absicht, nach rechts einzubiegen, geradeaus weitergefahren ist, einen von rechts kommenden vorfahrtberechtigten Pkw am Heck gestreift hat und jenseits der Einmündung in einer Schloßeinfahrt nach 30 m gegen einen Baum gefahren ist, nachdem er zuvor noch zwei andere Bäume gestreift hat, hat er einen objektiv groben Fahrfehler begangen, von dem er nicht dadurch entlastet wird, daß er vor Erreichen der Einmündung von einem entgegenkommenden Pkw geblendet und nach recht in den unbefestigten Bereich abgedrängt worden sei.

BGH, 10.2.1999, IV ZR 60/98 (NVersZ 1999, 334)

Will der Versicherungsnehmer nach einer verspäteten Einreichung der Stehlgutliste den Kausalitätsgegenbeweis führen, dann kann, soweit es nicht um gestohlene Gegenstände geht, sondern um zerstörte und beschädigte Sachen, der Versicherungsnehmer diesen Beweis dadurch führen, daß er die Schäden als tatsächlich entstanden nachweist. Geht aus dem Polizeibericht hervor, daß die Haustür beschädigt wurde, Aufräumarbeiten notwendig waren und Konten gesperrt werden mußten, dann ist insoweit ein Kausalitätsgegenbeweis nicht erforderlich.

LG Köln, 8.2.1999, 24 O 166/98 (r + s 1999, 193)

Der Haftpflichtversicherer hat grundsätzlich keine vorgezogenen Rettungskosten (hier: Bergungskosten für ein gesunkenes Boot) zu erstatten. Vorgezogene Rettungskosten sind nur dann erstattungspflichtig, wenn - wie in der Gewässerschadenhaftpflichtversicherung - eine entsprechende Deckungserweiterung vereinbart ist.

BGH, 27.1.1999, IV ZR 72/98 (NJW 1999, 1335)

Der Verzug eines Versicherungsnehmers mit Zinsen für ein sogenanntes Policendarlehen löst nicht die Rechtsfolgen des § 39 VVG aus.

OGH Wien, 27.1.1999, 7 Ob 8/99y (ZfS 1999, 247)

Es stellt eine in der Revisionsinstanz nicht nachprüfbare tatrichterliche Beurteilung dar, wenn das Berufungsgericht Leistungsfreiheit des Kaskoversicherers wegen grob fahrlässiger Herbeiführung der Entwendung durch den Versicherungsnehmer angenommen hat, weil dieser sein Motorrad in der offenstehenen Garage ohne aktivierte Lenkradsperre abgestellt hat.

BGH, 27.1.1999, IV ZR 315/97 (VersR 1999, 484)

In der Gebäudeversicherung stellt die Drohung des Ehemanns der Versicherungsnehmerin, der über ihre eheliche Untreue erbost ist, er werde sie mit dem Haus in die Luft sprengen, erst dann eine anzeigepflichtige Gefahrerhöhung dar, wenn feststeht, daß diese Drohung, die primär gegen die Ehefrau gerichtet ist, auf Dauer einen Zustand erhöhter Gefahr für das Haus geschaffen hat, und wenn die Ehefrau die Gefahrerhöhung positiv kannte, d. z. die Drohung tatsächlich ernst genommen hat.

OLG Hamm, 22.1.1999, 20 U 156/98 (VersR 1999, 1011)

Rotlichtunfall: grobe Fahrlässigkeit bejaht. Einfallendes Sonnenlicht und "grüne Welle" entlasten den Versicherungsnehmer nicht.

OLG Köln, 20.1.1999, 5 U 221/97 (NVersZ 1999, 320)

Die Bezeichnung des Bezugsberechtigten lediglich mit Vor- und Nachnamen ohne sonstige individualisierende Zusätze wie etwa Geburtsdatum oder Adresse ist nicht schon deshalb unwirksam, weil danach theoretisch mehrere Personen als Berechtigte in Betracht kommen. In einem solchen Fall ist der Bezugsberechtigte durch Erforschung des wirklichen Willens des Versicherungsnehmers anhand aller bei Festlegung des Bezugsrechts vorhandenen Umstände zu ermitteln.

OLG Frankfurt, 20.1.1999, 7 U 43/96 (NVersZ 1999, 257)

Das Berufen auf eine falsche Parteibezeichnung ist dann rechtsmißbräuchlich, wenn die beklagte Versicherung einem Konzernunternehmen angehört, das für den Schriftverkehr der in ihm zusammengefaßten selbständigen Konzerngesellschaften aus Ersparnisgründen einen einheitlichen Briefbogen unter einem gemeinsamen Firmenlogo verwendet und dadurch die nahe Gefahr begründet, daß die "falsche" Versicherungsgesellschaft verklagt wird.

OLG Köln, 19.1.1999, 9 U 34/98 (r + s 1999, 189)

Ein Herbeiführen i. S. des § 61 VVG liegt vor, wenn die dringende Gefahr des Eintritts des Versicherungsfalls (hier: also des Diebstahls) entsteht. Der Versicherungsnehmer muß durch sein Verhalten - Tun oder Unterlassen - den als vertragsgemäß vorausgesetzten Standard an Sicherheit gegenüber der Diebstahlsgefahr deutlich unterschritten haben (BGH, r + s 1984, 24 = VersR 1984, 29).

Grob fahrlässige Herbeiführung der Entwendung des versicherten Kfz durch Schlüsselverlust.

OLG Hamm, 18.1.1999, 6 U 151/98 (DAR 1999, 217 L)

Das Überfahren eines Stop-Schildes (Zeichen 206) rechtfertigt im Regelfall den Schluß auf gesteigertes Verschulden und damit grobe Fahrlässigkeit.

Grobe Fahrlässigkeit bei Überfahren eines Stop-Schildes ist anzunehmen, wenn der Fahrer ortskundig ist, das Stop-Schild 100 m vorher angekündigt wird (Zeichen 205) und bei zweifacher Aufstellung jedenfalls eines der beiden Schilder bei Annäherung an die Kreuzung frühzeitig sichtbar ist.

LG Trier, 14.1.1999, 6 O 190/98 (DAR 1999, 319)

Das Überfahren einer Rotlichtampel ist objektiv grob fahrlässig.

Der dem Versicherer obliegende Nachweis, daß der Versicherungsnehmer grob fahrlässig handelte, ist nicht geführt, wenn nicht auszuschließen ist, daß durch intensive Sonneneinstrahlung in die Ampelanlage eine Täuschung dahingehend erfolgte, daß nicht das Rotlicht, sondern das Grünlicht heller und intensiver aufleuchtete.

Der Versicherungsschutz in der Kaskoversicherung wäre weitgehend entwertet, wenn bereits einfache Fahrfehler des Versicherungsnehmers ohne weiteres als grob fahrlässig eingestuft würden.

OLG Oldenburg, 13.1.1999, 2 U 246/98 (VersR 1999, 757)

Ein Versicherungsagent, der bei der Anbahnung von Vertragsverhandlungen nicht erkennen läßt, daß er (nur) Mehrfachagent ist und als Agent tätig werden will, sondern dem Kunden als "Versicherungsfachmann" gegenübertritt, der ein "Fachgeschäft für preiswerten Versicherungsschutz" betreibt und "Versicherungen aller Art" vermittelt, kann bei Nichtzustandekommen des gewünschten Versicherungsvertrags dem Kunden wie ein Versicherungsmakler persönlich auf Schadensersatz haften.