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Stand: 4. August 2024 - Jugendämter außer Kontrolle I - Jugendämter außer Kontrolle II - Sorgerechtsmissbrauch (GutachterIn)

Gesetzestexte (mit Leitsätzen der Rechtsprechung) - Links (nützliche Verknüpfungen) - Sorgerecht (Grundlagen)

Die zitierten Entscheidungen des BGH sind unter http://www.bundesgerichtshof.de/ im Volltext ab dem 01.01.2000 abrufbar.

WICHTIGER HINWEIS

Die zitierten Leitsätze vermitteln im Zusammenhang mit der jeweiligen Gesetzesbestimmung eine erste Orientierung. Sie werden daher auch „Orientierungssätze" genannt. Die schlichte Lektüre von Leitsätzen ist keine juristische Arbeitsweise und macht die Arbeit am Sachverhalt ebensowenig entbehrlich wie das Studium der zitierten Entscheidungen im Volltext.

Gesetzestexte (mit Leitsätzen aus der Rechtsprechung)

§ 1626 BGB Elterliche Sorge, Grundsätze
§ 1626 a BGB Elterliche Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern
zum Verfahren zur Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge § 155a FamFG
§ 1626 b Besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen der Sorgeerklärung
§ 1626 d BGB Sorgeerklärung, Form, Mitteilungspflicht
§ 1627 BGB Ausübung der elterlichen Sorge
§ 1628 BGB Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern
§ 1629 BGB Vertretung des Kindes
§ 1631 b BGB Mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung
§ 1631 d Beschneidung des männlichen Kindes
§ 1632 BGB Personensorge
§ 1664 Beschränkte Haftung der Eltern
§ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
§ 1666 a BGB Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen
§ 1667 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens
§ 1671 BGB Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern
§ 1672 BGB Getrenntleben bei elterlicher Sorge der Mutter
§ 1673 BGB Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis
§ 1674 BGB Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis
§ 1678 BGB Folgen der tatsächlichen Verhinderung oder des Ruhens für den anderen Elternteil
§ 1680 BGB Tod eines Elternteils oder Entziehung des Sorgerechts
§ 1682 Verbleibensanordnung zugunsten von Bezugspersonen
§ 1686 Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes
§ 1687 BGB Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben
§ 1687 a BGB Entscheidungsbefugnisse des nicht sorgeberechtigten Elternteils
§ 1687 b BGB Sorgerechtliche Befugnisse des Ehegatten
§ 1688 BGB Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson
§ 1696 BGB Abänderung und Überprüfung gerichtlicher Anordnungen
§ 1747 BGB Einwilligung der Eltern des Kindes

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FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
ZPO (Zivilprozessordnung)

*nach oben*

§ 1626 BGB Elterliche Sorge, Grundsätze

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die für die Beurteilung maßgeblichen Fragen hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2011, mit der dieses den Antrag der Beschwerdeführerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verfügung des Oberlandesgerichts München - 4. Familiensenat - vom 18. August 2010 über die Übersendung von Verfahrensakten an das Amtsgericht K. zurückgewiesen hat, verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG).

a) Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt (vgl. BVerfGE 8, 274 <326>; 67, 43 <58>; 104, 220 <231>; 129, 1 <20>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 2. Dezember 2014 - 1 BvR 3106/09 -, NJW 2015, S. 610; stRspr). Als öffentliche Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG werden auch die Gerichte eingeordnet, wenn sie außerhalb ihrer spruchrichterlichen Tätigkeit aufgrund eines ausdrücklich normierten Richtervorbehalts (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 ff.>; 104, 220 <231 ff.>; 107, 395 <406>) oder im Rahmen der Übermittlung von Aktenbestandteilen oder Auskünften aus einem laufenden Verfahren gegenüber Dritten (vgl. BVerfGE 138, 33 <39ff.>) tätig werden.

b) Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet die Gerichte bei der Auslegung und Anwendung des Prozessrechts, das Ziel der Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes zu verfolgen (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>) und den Zugang zu den den Rechtsuchenden eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BVerfGE 44, 302 <305>; 69, 381 <385>; 77, 275 <284>; 134, 106 <117 Rn. 34>). Mit dem Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, ist es zwar grundsätzlich vereinbar, wenn die Gerichte ein Rechtsschutzinteresse nur so lange als gegeben ansehen, wie ein gerichtliches Verfahren dazu dienen kann, eine gegenwärtige Beschwer auszuräumen, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen. Darüber hinaus ist ein Rechtsschutzinteresse aber auch in Fällen tief greifender Grundrechtseingriffe gegeben, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden - wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden - Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht geht dementsprechend in solchen Fällen bei der Verfassungsbeschwerde in ständiger Rechtsprechung vom Fortbestand eines Rechtsschutzinteresses aus (vgl. BVerfGE 96, 27 <39 f.>; 104, 220 <232 ff.>; 110, 77 <85 f.>; 117, 71 <122 f.>; 117, 244 <268>).

c) Gemessen daran hat das Oberlandesgericht den Anspruch der Beschwerdeführerin auf effektiven Rechtsschutz verletzt. Denn das Oberlandesgericht hat zwar nicht verkannt, dass die Erheblichkeit eines Grundrechtseingriffs für sich genommen die Annahme eines Feststellungsinteresses gebieten kann. Es hat das Vorliegen eines erheblichen Grundrechtseingriffs jedoch mit einer Begründung verneint, die der Funktion des Anspruchs auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht gerecht wird. Denn das Oberlandesgericht hat seine Annahme, dass die Übersendung der Sorgerechtsakten an das Amtsgericht keinen schwerwiegenden Grundrechtseingriff darstelle, alleine auf den Umstand gestützt, dass bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht beziehungsweise über die Übersendung von Akten im Wege der Amtshilfe auf beiden Seiten widerstreitende Persönlichkeitsrechte - im hier betroffenen Fall die jeweiligen Interessen der am Ausgangsrechtsstreit Beteiligten - zu berücksichtigen wären. Es gibt damit dem in § 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG einfachrechtlich vorgegebenen Begriff des "berechtigten Interesses" eine Auslegung, die verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht standhält. Denn nach der Begründung des Oberlandesgerichts ist eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erledigten Grundrechtseingriffs schon allein deshalb ausgeschlossen, weil dessen Rechtmäßigkeit von einer Interessenabwägung im Einzelfall abhängt, ohne dass es noch auf das Ergebnis dieser Abwägung ankommt. Eine individuelle Prüfung, ob die Veranlassung der Übersendung der streitbefangenen Sorgerechtsakten an das Prozessgericht etwa aufgrund der möglicherweise höchstpersönlichen Natur ihres Inhalts (vgl. BVerfGE 27, 344 <351 f.>, 138, 33 <43>) oder der Umstände der Aktenversendung - etwa ihrer Veranlassung durch das Oberlandesgericht ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin (vgl. BVerfGE 138, 33 <43>) - als schwerwiegender Grundrechtseingriff verstanden werden musste, wird mit dieser Argumentation von vorneherein vermieden. Dies ist mit der Funktion des Grundrechts auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar und verletzt die Beschwerdeführerin daher in ihrem Recht aus Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes. Der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zu verweisen.

2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2011 verletzt die Beschwerdeführerin zugleich in ihrem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

a) Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 46, 315, <319>; 105, 279 <311>; stRspr). Um dem Anspruch auf rechtliches Gehör gerecht zu werden, ist zugleich geboten, dass das Gericht die wesentlichen Rechtsausführungen der prozessführenden Parteien zur Kenntnis nimmt (vgl. BVerfGE 60, 175 <210>; 86, 133 <144>).

b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts nicht gerecht. Denn das Oberlandesgericht ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin, dass ihre konkrete Absicht zur Erhebung einer Amtshaftungsklage ein berechtigtes Feststellungsinteresse begründe, zwar unter Hinweis auf das Fehlen eines schützenswerten Interesses an der Inanspruchnahme mehrerer Gerichte entgegengetreten. Mit dem Kern des Vorbringens der Beschwerdeführerin, dass die Fortführung des Anfechtungsverfahrens im Wege des Feststellungsbegehrens bei der gebotenen abstrakten Betrachtung jedenfalls dann der Sicherung der "Prozessfrüchte" des Anfechtungsverfahrens diene, wenn dieses vor Erledigung der Maßnahme rechtshängig geworden sei, hat sich das Oberlandesgericht jedoch nicht auseinandergesetzt. Dies wird insbesondere daran erkennbar, dass das Oberlandesgericht zur Begründung der von ihm vertretenen Rechtsauffassung allein auf eine oberlandesgerichtliche Entscheidung verweist, die die Beschwerdeführerin ebenfalls zum Beleg der von ihr vertretenen Rechtsauffassung angeführt hatte. Diese verneint zwar das Vorliegen eines Feststellungsinteresses im Fall der Erledigung vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 11. Oktober 2001 - 6 VA 5/01 -, NJW-RR 2002, S. 718 <718>), stützt im Übrigen aber die auch von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung, dass prozessökonomische Gründe im Fall der Erledigung nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung für die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses streiten. Hieraus wird offenkundig, dass das Oberlandesgericht die im Mittelpunkt der rechtlichen Auseinandersetzung stehenden Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin entweder nicht zur Kenntnis genommen oder jedenfalls nicht in Erwägung gezogen hat.

c) Die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs setzt sich in dem Beschluss über die Zurückweisung der Anhörungsrüge fort, der eine sachliche Auseinandersetzung mit den Rechtsausführungen der Beschwerdeführerin nicht erkennen lässt.

d) Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist auch entscheidungserheblich.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 28. Dezember 2011 ist wegen des Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG und gegen Art. 19 Abs. 4 GG gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht München zurückzuverweisen. Der Beschluss vom 25. Januar 2012 wird damit gegenstandslos. ..." (BVerfG, Beschluss vom 13.03.2017 - 1 BvR 563/12)

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Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verleiht dem Kind ein Recht auf staatliche Gewährleistung elterlicher Pflege und Erziehung. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, die Adoption des angenommenen Kindes eines eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) zu ermöglichen, lässt sich daraus nicht ableiten. Zwei Personen gleichen Geschlechts, die gesetzlich als Elternteile eines Kindes anerkannt sind, sind auch im verfassungsrechtlichen Sinne Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Eine Person, die bislang weder in einer biologischen noch in einer einfachrechtlichen Elternbeziehung zu einem Kind steht, ist grundsätzlich nicht allein deshalb nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG Elternteil im verfassungsrechtlichen Sinne, weil sie in sozial-familiärer Beziehung mit dem Kind lebt. Leben eingetragene Lebenspartner mit dem leiblichen oder angenommenen Kind eines Lebenspartners in sozial-familiärer Gemeinschaft, bilden sie mit diesem eine durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie im Sinne des Grundgesetzes. Bei der rechtlichen Ausgestaltung der Familie ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht ohne Weiteres verpflichtet, denjenigen, die tatsächlich soziale Elternfunktion wahrnehmen, allein deswegen eine Adoptionsmöglichkeit zu schaffen. Indem § 9 Abs. 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des eingetragenen Lebenspartners durch den anderen Lebenspartner (Sukzessivadoption) verwehrt, wohingegen die Möglichkeit der Annahme eines adoptierten Kindes des Ehepartners und die Möglichkeit der Annahme eines leiblichen Kindes des eingetragenen Lebenspartners (Stiefkindadoption) eröffnet sind, werden sowohl die betroffenen Kinder als auch die betroffenen Lebenspartner in ihrem Recht auf Gleichbehandlung verletzt (Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfG, Urteil vom 19.02.2013 - 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09).

*** (BGH)

Dem sich aus der gesetzlichen Gesamtvertretung des minderjährigen Kindes durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern ergebenden Bedürfnis für eine Autorisierung eines Elternteils zur alleinigen Wahrnehmung elterlicher Vertretungsbefugnisse kann durch Erteilung einer Vollmacht entsprochen werden. Das Grundverhältnis für diese Vollmacht ist regelmäßig das sich aus dem fortbestehenden gemeinsamen Sorgerecht ergebende gesetzliche Rechtsverhältnis. Daraus ergeben sich insbesondere Kontrollbefugnisse und -pflichten und gegebenenfalls auch Mitwirkungspflichten des vollmachtgebenden Elternteils. Eines gesonderten Vertrags zwischen den Eltern bedarf es für das Grundverhältnis nicht. Die Bevollmächtigung des mitsorgeberechtigten Elternteils kann eine andernfalls notwendige Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. Hierfür ist eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich, soweit eine solche auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraums des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist (BGH, Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 112/19).

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Zu den Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzieherischer Defizite der Eltern. Das Umgangsbestimmungsrecht ist selbstständiger Teil der Personensorge, der im Fall der Kindeswohlgefährdung gesondert entzogen werden kann. Bei einem Konflikt unter den Eltern sind eine gerichtliche Umgangsregelung und die Bestimmung eines Umgangspflegers als mildere Mittel stets vorrangig. Das Verbot der reformatio in peius gilt in Beschwerdeverfahren über eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung nur eingeschränkt und schließt - nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten - eine im Sinne des Kindeswohls gebotene Entziehung weiterer elterlicher Sorgebefugnisse auch dann nicht aus, wenn nur die Eltern Beschwerde eingelegt haben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007, XII ZB 42/07, FamRZ 2008, 45; BGH, Beschluss vom 06.07.2016 - XII ZB 47/15):

(1) Die nachfolgenden Bestimmungen dieses Paragrafen gelten für das Verfahren nach § 1626a Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Im Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge sind Geburtsdatum und Geburtsort des Kindes anzugeben.

(2) § 155 Absatz 1 ist entsprechend anwendbar. Das Gericht stellt dem anderen Elternteil den Antrag auf Übertragung der gemeinsamen Sorge nach den §§ 166 bis 195 der Zivilprozessordnung zu und setzt ihm eine Frist zur Stellungnahme, die für die Mutter frühestens sechs Wochen nach der Geburt des Kindes endet.

(3) In den Fällen des § 1626a Absatz 2 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs soll das Gericht im schriftlichen Verfahren ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden. § 162 ist nicht anzuwenden. Das Gericht teilt dem nach § 87c Absatz 6 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständigen Jugendamt seine Entscheidung unter Angabe des Geburtsdatums und des Geburtsorts des Kindes sowie des Namens, den das Kind zur Zeit der Beurkundung seiner Geburt geführt hat, zu den in § 58a des Achten Buches Sozialgesetzbuch genannten Zwecken formlos mit.

(4) Werden dem Gericht durch den Vortrag der Beteiligten oder auf sonstige Weise Gründe bekannt, die der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehen können, gilt § 155 Absatz 2 mit der Maßgabe entsprechend, dass der Termin nach Satz 2 spätestens einen Monat nach Bekanntwerden der Gründe stattfinden soll, jedoch nicht vor Ablauf der Stellungnahmefrist der Mutter nach Absatz 2 Satz 2. § 155 Absatz 3 und § 156 Absatz 1 gelten entsprechend.

(5) Sorgeerklärungen und Zustimmungen des gesetzlichen Vertreters eines beschränkt geschäftsfähigen Elternteils können auch im Erörterungstermin zur Niederschrift des Gerichts erklärt werden. § 1626d Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.

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§ 1626 b Besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen der Sorgeerklärung

(1) Eine Sorgeerklärung unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung ist unwirksam.

(2) Die Sorgeerklärung kann schon vor der Geburt des Kindes abgegeben werden.

(3) Eine Sorgeerklärung ist unwirksam, soweit eine gerichtliche Entscheidung über die elterliche Sorge nach den § 1626a Absatz 1 Nummer 3 oder § 1671 getroffen oder eine solche Entscheidung nach § 1696 Absatz 1 Satz 1 geändert wurde.

Leitsätze/Entscheidungen:


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§ 1626 d BGB Sorgeerklärung, Form, Mitteilungspflicht (n. F. ab 19.05.2013)

(1) Sorgeerklärungen und Zustimmungen müssen öffentlich beurkundet werden.

(2) Die beurkundende Stelle teilt die Abgabe von Sorgeerklärungen und Zustimmungen unter Angabe des Geburtsdatums und des Geburtsorts des Kindes sowie des Namens, den das Kind zur Zeit der Beurkundung seiner Geburt geführt hat, dem nach § 87c Abs. 6 Satz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch zuständigen Jugendamt zu den in § 58a des Achten Buches Sozialgesetzbuch genannten Zwecken unverzüglich mit.

Leitsätze/Entscheidungen:

Sorgeerklärungen können formwirksam gemäß § 1626 d BGB auch in Form einer gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung erfolgen. Die Motive des Elternteils für seinen Auswanderungsentschluss stehen grundsätzlich genauso wenig zur Überprüfung des Familiengerichts wie sein Wunsch, in seine Heimat zurückzukehren. Verfolgt der Elternteil mit der Übersiedlung allerdings (auch) den Zweck, den Kontakt zwischen dem Kind und dem anderen Elternteil zu vereiteln, steht die Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils und somit seine Erziehungseignung in Frage (im Anschluss an Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 23 f.). Das Gericht darf die Verfahrenspflegschaft nicht dadurch ineffektiv machen, dass es ohne nachvollziehbare Begründung den mit der Angelegenheit und vor allem dem Kind vertrauten Verfahrenspfleger kurz vor Abschluss des Sorgerechtsverfahrens entpflichtet und einen neuen bestellt, der nicht mehr die Möglichkeit hat, sich in angemessener Weise mit der Sache vertraut zu machen (BGH, Beschluss vom 16.03.2011 - XII ZB 407/10 zu BGB §§ 1626 a ff., 1671, 1696; KSÜ Art. 16, 53; FGG §§ 12, 50, 50 b).

§ 1627 BGB Ausübung der elterlichen Sorge

Die Eltern haben die elterliche Sorge in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

Leitsätze/Entscheidungen:

§ 1628 BGB Gerichtliche Entscheidung bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern

Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.

Leitsätze/Entscheidungen:

Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 03.05.2017 - XII ZB 157/16).

***

Beantragt ein Elternteil die Übertragung der Entscheidungsbefugnis über eine Namensänderung des Kindes, so hat das Familiengericht neben allgemeinen Kindeswohlbelangen auch die Erfolgsaussicht eines entsprechenden Antrags zu prüfen. Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis hat zu unterbleiben, wenn sich nach umfassender Amtsaufklärung keine Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl ergibt (Fortführung von BVerwG, 20. Februar 2002, 6 C 18/01, BVerwGE 116, 28 = FamRZ 2002, 1104 und Senatsbeschluss vom 24. Oktober 2001, XII ZB 88/99, FamRZ 2002, 94; BGH, Beschluss vom 09.11.2016 - XII ZB 298/15).

*** (OLG)

Bei fehlender Vertretungsmacht wegen eines paritätischen Wechselmodells ist für den Kindesunterhalt begehrenden Elternteil Ergänzungspflegschaft anzuordnen. Die Geltendmachung von Unterhalt im Wechselmodell stellt regelmäßig keine situative Angelegenheit dar, die bei der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach dem Normzweck des § 1628 BGB erforderlich ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.03.2023 - 11 UF 214/22).

***

Die in der Form einer Verfügung getroffene Entscheidung des Amtsgerichts, von der Einleitung eines sorgerechtlichen Abänderungsverfahrens nach § 1696 Abs. 2 BGB abzusehen, kann jedenfalls dann mit der Beschwerde nach § 58 Abs. 1 FamFG angefochten werden, wenn sie das nach § 166 Abs. 2 FamFG durchzuführende Überprüfungsverfahren der Sache nach beendet hat und wenn sie mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist. Ein Abänderungsverfahren ist einzuleiten, wenn Tatsachen vorliegen, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Abänderungsvoraussetzungen nach § 1696 Abs. 2 BGB gegeben sind. Welche Aktivitäten das Familiengericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht im Überprüfungsverfahren entfaltet, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen, wobei die Art der kindesschutzrechtlichen Maßnahme, seine Einschätzung von der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Änderung sowie Umfang und Ergebnis bereits durchgeführter Überprüfungen einzubeziehen sind. Im Einzelfall kann die Einholung einer aktuellen Stellungnahme des Jugendamts genügen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.02.2024 - 1 UF 273/23).

***

Bestellung eines Ergänzungspflegers bei konkretem Interessenkonflikt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.09. 2022 - 9 UF 74/22):

„ ... Das Amtsgericht hat zu Unrecht den Antrag der Antragstellerin, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt für den Sohn P… R… zu übertragen, zurückgewiesen. Der Streitfall bietet keine hinreichend tragfähigen Anknüpfungstatsachen, die darauf schließen ließen, dass zur Auflösung einer konkreten Interessenkollision nicht von der Möglichkeit der Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen auf einen Elternteil allein Gebrauch gemacht werden könnte, sondern vorliegend die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich wäre.

Betreuen die Eltern ihr Kind im Wege eines sogenannten paritätischen Wechselmodells fehlt es an der alleinigen Vertretungsbefugnis eines von beiden Elternteilen im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB für die Durchsetzung von Barunterhaltsansprüchen des gemeinsamen Kindes. Vielmehr muss derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält und dies gerichtlich klären lassen will, entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die der Senat teilt, besteht grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten (BGH, Beschluss vom 12. März 2014, Az. XII ZB 234/13 - Rdnr. 16 bei juris - und Urteil vom 21. Dezember 2005, Az. XII ZR 126/03 - Rdnr. 9 bei juris; erkennender Senat, Beschluss vom 29. Juni 2020, Az. 9 UF 36/20; OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Juli 2016, Az. 6 UF 60/16; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., § 10 Rdnr. 45).

Das stellt im Grunde auch der Antragsgegner nicht (mehr) in Zweifel, der zwar immer noch meint, die konkreten Umstände des vorliegenden Falles gebieten die Bestellung eines Ergänzungspflegers, dies aber durch Anknüpfungstatsachen nicht tragfähig untermauert und im Übrigen hilfsweise nun auch die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis auf sich erstrebt. Es liegt auch im wohlverstandenen Interesse des betroffenen Kindes, dass sein Unterhaltsanspruch, über den die Eltern seit geraumer Zeit streiten und der - wie das Amtsgericht mit Recht betont hat - von der zwischen den Eltern im Januar 2021 (für den Regelunterhalt) getroffenen Freistellungsvereinbarung einschließlich der dortigen Wesentlichkeitsgrenze für eine Abänderung nicht berührt wird, endlich und ggf. gerichtlich geklärt wird.

In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass sich das Vorgehen nach § 1628 BGB gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers schon deshalb als vorteilhafter erweist, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 15.08.2018 - 2 UF 70/18; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Oktober 2016, Az. 6 UF 242/16) und den Eltern darüber hinaus die auch nicht unerheblichen Kosten eines Ergänzungspflegers erspart werden.

Die Entscheidungsbefugnis ist im konkreten Fall auf die Antragstellerin zu übertragen. Die vom Amtsgericht für die als notwendig erachtete Anordnung einer Ergänzungspflegschaft bemühten Interessengegensätze liegen tatsächlich nicht vor.

Es ist richtig, dass bei aufgeteilter Betreuung kein Elternteil seine Unterhaltspflicht gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB allein durch Betreuung erfüllt. Vielmehr steht dem Kind gegen beide Eltern ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemisst und für den diese gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach Maßgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens haften (BGH a.a.O.). Im Ergebnis der beiderseitigen Anteile ergibt sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der im höheren Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen hat, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil entfallenden Anteil als Ausgleichszahlung zu erbringen hat (Wendl/Dose, a.a.O., § 2 Rdnr. 450). Der vertretende Elternteil mag deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen. Ähnliche Interessengegensätze bestehen aber auch in anderen unterhaltsrechtlichen Konstellationen, ohne dass sie in abstrakter Form Anlass zu einem Eingriff in die elterliche Sorge geben würden. So sind etwa im Falle der Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB Interessengegensätze bei der Verfolgung von Kindes- und Ehegattenunterhalt abstrakt vorstellbar, weil der Höhe nach insoweit Abhängigkeiten bestehen können. Zu nennen sind auch die Fälle, in denen der vertretungsbefugte Elternteil wegen eines erheblichen Einkommensunterschieds oder wegen der Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des in Anspruch genommenen Elternteils mit für den Barunterhalt haftet. Deshalb kann nur ein konkreter Interessenkonflikt im festzustellenden Einzelfall den Rückgriff auf § 1628 BGB ausschließen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. Oktober 2016, Az. 6 UF 242/16). Dafür aber sind im Streitfall keine ausreichend tragfähigen Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Ebenso wie bei Abschluss der Scheidungsfolgenvereinbarung im Januar 2022 erwirtschaftet nach Lage der Akten der Antragsgegner auch weiterhin ein um rund 1.000 EUR höheres Nettoerwerbseinkommen als die Antragstellerin, die mit Blick auf dieses Einkommensgefälle schon seit Februar 2022 gegen den leistungsfähigeren Antragsgegner zielstrebig Kindesunterhaltsansprüche im Stufenverfahren durchzusetzen sucht. Das monatsdurchschnittliche Nettoerwerbseinkommen der Antragstellerin übersteigt die bei Abschluss der notariellen Vereinbarung festgestellten 2.100 EUR monatlich nicht. Der Antragsgegner erzielt im/seit März 2022 ein Bruttoeinkommen von 4.303,95 EUR, was einem Nettoeinkommen von 3.358,87 EUR (vor Abzug der Beiträge zur privaten Krankenversicherung). Es mag sein, dass dieses erhebliche Einkommensgefälle im gesetzlichen Netto mit Blick auf - erfahrungsgemäß allerdings beiderseits veranlasste - unterhaltsrechtliche Bereinigungen (die im Übrigen grundsätzlich auch schon in gleicher oder ganz ähnlicher Weise im Januar 2021 angezeigt gewesen sein dürften) im Ergebnis geringer ausfällt. Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass sich schlussendlich die Antragstellerin als der leistungsfähigere Elternteil herausstellen könnte, lassen sich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragsgegners nicht feststellen.

Bei dieser Ausgangslage entspricht es dem Wohl des betroffenen Sohnes, der Antragstellerin die Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Die Frage, ob ein derartiger Anspruch letzten Endes zu bejahen sein wird, ist allein im Unterhaltsverfahren zu klären, bedarf jedenfalls - entgegen der Auffassung des Familiengerichts - keiner weiteren Vertiefung im vorliegenden Verfahren der teilweisen Sorgerechtszuweisung. ..."

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Für die Entscheidung gemäß § 1628 BGB ist gemäß § 1697a BGB maßgebend, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Handelt es sich um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, so ist die Entscheidung zugunsten des Elternteils zu treffen, der im Hinblick auf die jeweilige Angelegenheit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolgt, wobei das Gericht nicht anstelle der Eltern eine eigene Sachentscheidung zu treffen hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. Dezember 2002 - 1 BvR 1870/02, BeckRS 2003, 20004 Rn. 8). Im Rahmen der nach § 1697a BGB vorzunehmenden Kindeswohlprüfung ist auch der Kindeswille beachtlich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind sich im Hinblick auf sein Alter und seine Entwicklung auch eine eigenständige Meinung zum Gegenstand des Sorgerechtsstreits bilden kann (OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2022 - 13 UF 42/22).

Schulwahl im Anwendungsbereich des § 1628 BGB (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2022 - 13 UF 156/21):

„ ... " ... Die Antragsbeteiligten streiten im zweiten Rechtszug nur noch um die Übertragung des Rechts zur alleinigen Ausübung der Schulwahl im Wege der einstweiligen Anordnung. ...

Das Recht zur alleinigen Ausübung der Schulwahl fällt grundsätzlich ohne weiteres in den Anwendungsbereich des § 1628 BGB (BeckOKG/Amend-Traut, 1.11.2021, BGB § 1628 Rn. 34; MüKoBGB/Huber, 8. Aufl. 2020, BGB § 1628 Rn. 14; BeckOK BGB/Veit, 60. Ed. 1.11.2021, BGB § 1628 Rn. 9). Die Übertragung einer Entscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass dem Elternstreit eine Angelegenheit der elterlichen Sorge zugrunde liegt, über die die Eltern einen punktuell-sachbezogenen Konflikt führen (BeckOGK/Amend-Traut BGB § 1628 Rn. 34), der einen konkreten situativen Bezug zu einem bestimmten Einzelfall hat (MüKoBGB/Huber BGB § 1628 Rn. 10). Streiten die Eltern - wie vorliegend - in der Sache zugleich über den zukünftigen Aufenthalt des Kindes und das Betreuungsmodell, ist regelmäßig eine Entscheidung am Maßstab des § 1671 BGB zu treffen, da über den Weg der Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis für die Schulwahl nach § 1628 BGB nicht ein Aufenthaltswechsel erstritten werden kann (OLG Stuttgart, BeckRS 2018, 43543; OLG Koblenz, BeckRS 2018, 42038). Da jedoch vorliegend die Entscheidung über die Einschulung des Jungen zum Beginn des Schuljahrs 2022/2023 unmittelbar bevorsteht, die Auswahl der konkreten Schule nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Einvernehmen beider sorgeberechtigter Eltern erfordert (KG BeckRS 2017, 144822; OLG Schleswig, NJW-RR 2011, 581; BeckOGK/Tillmann BGB § 1687 Rn. 24), mithin nicht von demjenigen Elternteil bewerkstelligt werden kann, dessen Haushalt das Kind einwohnermelderechtlich zugeordnet ist, besteht ein dringendes Regelungsbedürfnis für eine vorläufige Übertragung des Rechts zur Ausübung der Schulwahl auf ein Elternteil, so das eine Entscheidung im Wege des § 1628 BGB erfolgen muss (vgl. KG BeckRS 2017, 144822).

Maßstab für die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung ist das Kindeswohl, § 1697a BGB. Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis für eine einzelne sorgerechtliche Angelegenheit trifft das Gericht keine eigene Sachentscheidung, sondern prüft nur, welche Auffassung welches Elternteils dem Kindeswohl am besten entspricht. Die Entscheidungsbefugnis ist auf den Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Kindeswohl besser gerecht wird. Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben (BGH FamRZ 2017, 1057; OLG Hamburg, NZFam 2021, 876; BeckOGK/Amend-Traut BGB § 1628 Rn. 58; BeckOK BGB/Veit BGB § 1628 Rn. 12). Dabei sind sämtliche relevanten Kriterien zu prüfen und gegeneinander abzuwägen. Bei der Entscheidung über die Wahl der Schule ist die Auswirkung der jeweiligen Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes in die Erwägung mit einzubeziehen (BVerfG FamRZ 2003, 511; OLG Hamburg, NZFam 2021, 876; Döll in: Ermann, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1628 BGB Rn. 13a), insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - das Schulkonzept kein entscheidendes Kriterium für die zwischen den Eltern streitige Frage ist, an welcher Schule die Einschulung für das Kind am besten ist (KG BeckRS 2017, 144822).

Das Kindeswohl ist bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Schulwahl auf die Antragstellerin am besten gewahrt. Bei ihr ist der Aspekt der Auswirkung der Schulwahl auf das soziale Umfeld des Kindes L... besser gewährleistet als beim Antragsgegner. Die sozialen Kontakte, die der Junge durch den Kitabesuch im Umfeld des mütterlichen Haushalts geknüpft hat, sind für das Gelingen des Wechsels von der Kita zur Schule von erheblicher Bedeutung. Dem steht nicht entgegen, dass L... erst seit November 2020 die Kita in Wohnortnähe der Antragstellerin besucht, da gerade das letzte Kitajahr vor der Einschulung mit der Vorbereitung auf den Wechsel in die Grundschule regelmäßig Kinderfreundschaften prägt. Die Wahrscheinlichkeit, dass L... in der von der Antragstellerin favorisierten Grundschule Kinder antrifft, die er aus der Kita kennt, ist hoch, auch wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig nicht sämtliche Kitakinder die der Kita nächstgelegene Grundschule besuchen. Die Einschulung in einer Schule zusammen mit Kindern, die das einzuschulende Kind bereits kennt, dient dem Kindeswohl, da dadurch bereits geknüpfte soziale Beziehungen aufrechterhalten werden können und die Umstellung leichter verkraftet werden kann (vgl. KG BeckRS 2017, 144822, Rn. 19). Anhaltspunkte für eine vergleichbar hohe Wahrscheinlichkeit, bei Einschulung an bereits bestehende Spielfreundschaften aus der Zeit vor der Schule anzuknüpfen, bestehen bei einer Einschulung in die vom Antragsgegner favorisierte Grundschule nicht. Die Teilnahme am selben Fußballtraining schafft in der Regel nicht vergleichbar intensive soziale Beziehungen wie der gemeinsame Kitabesuch. Auch die tatsächliche und seelische Unterstützung, die L... in der vom Antragsgegner favorisierten Schule durch die Anwesenheit seiner Schwester Lu... erfahren kann, überwiegt nicht die Bedeutung der in der Kitazeit geknüpften sozialen Beziehungen, zumal die Geschwister typischerweise nicht demselben Klassenverband angehören werden.

Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Schulwahl auf die Antragstellerin ist auch die Einbeziehung des sachlich begründeten Willens des Jungen sicher gewährleistet, was der Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens als bedeutsamem Aspekt des Kindeswohls dient (Senat, Beschluss v. 20.09.2018, 13 UF 21/17, juris). L...´ im erstinstanzlichen Anhörungstermin geäußerte Erwartung, die Kitafreunde in der Schule wiederzutreffen, ist - ungeachtet der Frage, ob sich diese Erwartung realisiert - zu berücksichtigen, auch wenn der Junge wenige Tage vorher diesbezüglich noch unentschlossen war. Es ist nachvollziehbar, dass eine mit dem Wechsel von der Kita zur Schule einhergehende Anspannung durch die Hoffnung, in der Schule an bereits bestehende Freundschaften anzuknüpfen, gemildert wird.

Weiter streitet auch das Argument der Antragstellerin betreffend den fußläufig zu bewältigenden Schulweg für die Kindeswohldienlichkeit ihres Lösungsvorschlags. Zwar wird die Begleitung des Jungen durch einen Erwachsenen auch bei einer fußläufigen Entfernung von wenigen Minuten nicht von Anbeginn der Schulzeit an entfallen. Jedoch ist zu erwarten, dass der Junge nach einer gewissen Zeit den Schulweg unbegleitet bewältigen können wird, was aufgrund der damit einhergehenden Selbständigkeit und Übernahme von Selbstverantwortung seinem Wohl besser dient als die deutlich später erst mögliche selbständige Bewältigung des 4 km langen Schulwegs zu der vom Antragsgegner favorisierten Schule.

Demgegenüber spielt bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis für die Schulwahl vorliegend keine Rolle, dass der Antragsgegner sich für die Grundschule ausspricht, die L...´ Schwester Lu... besucht. Soweit der Antragsgegner hervorhebt, der Besuch unterschiedlicher Schulen würde zur Geschwistertrennung führen, betrifft dieses Argument die - im Hauptsacheverfahren vor dem Amtsgericht Strausberg zum Aktenzeichen 29 F 29 F 167/21 - verfahrensgegenständliche - Zuordnung des Lebensmittelpunkts. Die Vermeidung einer Geschwistertrennung zum Zweck der Aufrechterhaltung der Geschwisterbindung kann einen gewichtigen Aspekt des Kindeswohls darstellen, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht oder das Betreuungsmodell in Rede steht (OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen, BeckRS 2012, 23811). Für die hier allein streitentscheidende Frage der Schulwahl spielt aber die Geschwisterbindung eine untergeordnete Rolle, insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - nicht Mehrlinge betroffen sind, sondern Geschwister, die ohnehin typischerweise nicht in demselben Klassenverband unterrichtet werden. ..."

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Sorgerechtliche Fragen bilden grundsätzlich in verfahrens- und kostenrechtlicher Hinsicht einen einheitlichen Gegenstand. Streiten Eltern nach Beendigung eines Wechselmodells in einem Hauptsacheverfahren um die Schulwahl (§ 1628 BGB) und stellt ein Elternteil während des Verfahrens den Antrag, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen (§ 1671 Abs. 1 BGB), kann nicht vorab in der Hauptsache über die Schulwahl entschieden werden und das nicht entscheidungsreife Verfahren nach § 1671 BGB abgetrennt und in einem gesonderten Verfahren weiter geführt werden. In einem solchen Fall liegt (analog § 301 ZPO) eine unzulässige Teilentscheidung vor, das in der zweiten Instanz gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens führt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.11.2021 - 6 UF 180/21).

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Es ist nicht zu beanstanden, bei einer Entscheidung gemäß § 1628 BGB von den Impfempfehlungen der STIKO auszugehen, die als medizinischer Standard anerkannt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2017, XII ZB 157/16). Von diesem Grundsatz ist aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Covid-19-Impfung nicht um eine langjährig bewährte Standardimpfung, sondern um einen völlig neuen Impfstoff handelt, nicht abzuweichen. Es liegt - ausgehend von der Impfempfehlung der STIKO - letztendlich allein in der Verantwortung der Ärzte, Impfungen durchzuführen, die konkreten Impfrisiken für ein Kind in Anbetracht von Vorerkrankungen zu berücksichtigen und dementsprechend eine Impfung durchzuführen oder nicht (OLG München, Beschluss vom 18.10.2021 - 26 UF 928/21 - juris-Orientierungssätze).

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Wird in einem sorgerechtlichen Verfahren betreffend die Entscheidungsbefugnis für die Durchführung einer Schutzimpfung nach § 1628 BGB die Frage der Impffähigkeit des betroffenen Kindes aufgeworfen, ist zu dieser Frage im Regelfall kein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen, weil nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut und der Schutzimpfungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses vom zuständigen Arzt Kontraindikationen zu beachten sind und damit eine Prüfung der Impffähigkeit vor der jeweiligen Impfung zu erfolgen hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.03.2021 - 6 UF 3/21).

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Die Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind gem. § 1628 BGB dar. Beim Wechselmodell muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält und dies gerichtlich klären lassen will, entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Kind herbeiführen oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gem. § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen. Im Regelfall besteht dafür ein Wahlrecht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.06.2020 - 9 UF 36/20).

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Nehmen getrennt lebende Eltern die Betreuung ihres Kindes in der Weise vor, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln, sodass kein Elternteil die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Für diesen Fall, dass das betroffene Kind durch keinen der beiden Elternteile in der Frage der Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen vertreten wird, kommt entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht oder derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, muss gem. § 1628 BGB die familiengerichtliche Übertragung der Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt herbeiführen (Fortführung OLG Celle, Beschluss vom 20. August 2014 - 10 UF 163/14 -, juris, vgl. in diesem Zusammenhang auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 WF 186/19, 10 UF 10/20 und 10 UF 16/20; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2019 - 10 UF 270/19).

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Kein Sorgerechtsentzug bei Streit über schulische Angelegenheiten (OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.12.2018 - 15 UF 192/18):

„ ... Die Voraussetzungen für den einstweiligen Entzug dieses Teilbereiches der elterlichen Sorge liegen nicht vor.

Ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist gem. § 1666 Abs. 1 BGB nur gerechtfertigt, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, diese Gefährdung abzuwenden. Von einer Gefährdung des Kindeswohls ist (erst) dann auszugehen, wenn eine Schädigung oder eine gegenwärtige (vgl. dazu OLG Brandenburg, FamRZ 2016, 1180), in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindeswohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Palandt/Götz, BGB, 77. Aufl., § 1666, Rn. 8; MüKo-BGB/Olzen, BGB, 7. Aufl., § 1666, Rn. 50; jurisPK-BGB/ Poncelet/Onstein, 8. Aufl., § 1666 BGB, Rn. 20, jeweils m.w.N.; BVerfG, FamRZ 2018, 1084).

Hierfür genügen weder der anhaltende Streit der Eltern darüber, wer die Kinder besser schulisch fördern kann, noch ihre allgemeinen Kommunikationsdefizite bzw. die anhaltenden Elternstreitigkeiten, da diese allenfalls geeignet sind, eine abstrakte Gefährdung des Kindes-wohls zu begründen. Ob der zwischen den Eltern bestehende Dissens über die Wahl der weiterführenden Schule, die C... in knapp einem Jahr besuchen soll, eine Gefährdung von deren Wohl darstellt, kann dahinstehen. Er begründet jedenfalls nicht den Entzug des Rechts zur elterlichen Sorge in Schulangelegenheiten für C..., weil ein solcher (partieller) Sorgerechtsentzug nicht verhältnismäßig ist. Ein staatlicher Eingriff in das grund-rechtlich geschützte Elternrecht kommt nur dann in Betracht, wenn er geeignet und auch erforderlich ist, die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Erforderlich ist ein solcher Eingriff in der Regel nicht, wenn die Gefährdung des Kindeswohls bereits dadurch abgewendet werden könnte, dass einem Elternteil die Befugnis, über die zwischen den Eltern streitige Frage der Schulwahl zu entscheiden, allein übertragen würde. Anhaltspunkte für Zweifel daran, dass jeder Elternteil für sich genommen in der Lage wäre, eine am Wohl des Kindes ausgerichtete Schulwahl zu treffen, hat keiner der Beteiligten dargetan; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Der Senat hat nach Aktenlage, aber auch im Hinblick auf die Vorbefassung mit anderen Verfahren, an denen die Eltern beteiligt waren, auch keinen Zweifel daran, dass die Eltern im Falle eines sich abzeichnenden Dissenses über die Schulwahl einen Antrag gem. § 1628 S. 1 BGB bei dem Familiengericht stellen würden. Dann aber kann der Streit der Eltern, mag dieser auch den für die Minderjährigen bestehenden Loyalitätsdruck erhöhen, einen Entzug des Elternrechts nicht begründen. Dies trifft auch hinsichtlich der vom Jugendamt geschilderten psychischen Belastung zu, den der Elternstreit für L... darstellt. Insoweit erscheint selbst ein vollständiger Entzug des elterlichen Sorgerechts bereits deshalb nicht geeignet, der bestehenden Belastung des Kindes durch den Elternstreit zu begegnen, weil das Kind infolge der - von dem Senat wegen § 57 FamFG nicht abänderbaren - einstweiligen Anordnung eines paritätischen Umgangsrechts der Eltern durch das Amtsgericht, an die auch ein Vormund gebunden wäre, dem Elternstreit tatsächlich weiter ausgesetzt wäre.

Der Entzug der elterlichen Sorge als staatlicher Eingriff in das Elternrecht scheidet schließlich auch dann aus, wenn es nicht um die Abwendung der unmittelbaren Gefahr einer erheblichen Schädigung des Kindeswohls geht, sondern lediglich um die Schaffung besserer oder gar optimaler Bedingungen für die Kindesentwicklung. Nicht jede Beeinträchtigung des Kindeswohls ist so erheblich, dass dies den Entzug des elterlichen Sorgerechts begründet. Es gehört nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten eines Kindes zu sorgen (BVerfG, FamRZ 2014, 907). Die bloße Existenz "besserer" Alternativen vermag den Entzug der elterlichen Sorge nicht zu rechtfertigen (BVerfG, FamRZ 2017, 1577). Mithin kann das Verhalten der Eltern, teilweise zu verhindern, dass die Kinder Schulmaterialien zu dem jeweils anderen Elternteil mitnehmen, keinen Anlass bieten, ihnen das Recht auf Bestimmung der Schulangelegenheiten zu entziehen, sodass es nicht darauf ankommt, dass dieses Recht ohnehin nicht die tatsächliche Verfügungsbefugnis oder Sachherrschaft über Schulbücher und sonstige Schulutensilien vermittelt und dessen Entzug zudem nicht geeignet wäre, das Verhalten der Eltern zu ändern. ..."

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Der Wechsel eines Kindergartens nach Eingewöhnung des Kindes in einen Kindergarten entspricht regelmäßig nicht dem Kindeswohl. Die Kosten einer Sorgerechtsangelegenheit sind grundsätzlich den Kindeseltern hälftig aufzuerlegen (OLG Hamm, Beschluss vom 25.05.2018 - 4 UF 154/17):

„... Einem Elternteil ist gemäß § 1628 BGB die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit zu übertragen, wenn die Kindeseltern sich nicht einigen können. Maßgebendes Entscheidungskriterium ist dabei, wie bei allen Regelungen, die die elterliche Sorge betreffen, gemäß § 1697a BGB das Kindeswohl. Das Gericht trifft diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes insgesamt am besten entspricht. Es ist zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen, und die Vorstellungen der Eltern über den gewünschten Kindergarten ist an diesem Maßstab zu messen (BVerfG, Beschluss vom 4.12.2002 - 1 BvR 1870/02 - FamRZ 2003, 511).

Die Kindeseltern sind nicht in der Lage, eine gemeinsame Entscheidung über die Wahl des Kindergartens für N zu treffen. Sie können sich nicht auf einen Kindergarten einigen.

a) Aus den von den Kindeseltern jeweils bevorzugten Kindergärten ergibt sich keine Präferenz für die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil. Dem Senat obliegt nicht die Entscheidung, ob die Position der Kindesmutter oder die des Kindesvaters zum Kindergarten des Kindes der Vorzug zu geben ist, solange beide Positionen vertretbar sind. Beide Kindeseltern haben vertretbare und nachvollziehbare Argumente für die von ihnen jeweils getroffene Wahl.

Die Waldorfpädagogik ist staatlich anerkannt und eine Waldorfschule bietet regelmäßig alle staatlichen Schulabschlüsse an. Der Kindesvater begründet seine Ablehnung auch nicht mit den konkreten Bedürfnissen von N, sondern mit der hinter der Pädagogik stehenden Ideologie. Dem Senat obliegt nicht die Entscheidung über eine grundsätzliche Billigung oder Ablehnung der Waldorfpädagogik.

b) Der Kindesmutter ist die Entscheidungsbefugnis über die Kindergartenauswahl aufgrund der inzwischen eingetretenen, tatsächlichen Gegebenheiten zu übertragen.

N besucht den Waldorfkindergarten seit dem Sommer 2017 und hat sich dort eingelebt. Dass ein Wechsel des Kindergartens (und der zu Grunde liegenden Pädagogik) sinnvoll ist, erschließt sich nicht ohne weiteres und wird auch vom Kindesvater nicht thematisiert. Nach den Schilderungen der Beteiligten reagiert N zunehmend empfindlich auf den Streit der Kindeseltern. Damit sollte ihm vermehrt Stabilität vermittelt werden und ihm gerade kein Wechsel des Kindergartens zugemutet werden.

Auch die tatsächliche Betreuungssituation durch die Kindesmutter spricht für eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf diese. Denn als tatsächliche Betreuungsperson hat die Kindesmutter im Alltag den Kindergartenbesuch zu unterstützen und erlebt die Konsequenzen täglich sowohl hinsichtlich der praktischen Umsetzung (z.B. Fahrwege) als auch hinsichtlich der Auswirkungen der angewandten Pädagogik; die Kindesmutter ist voraussichtlich diejenige, die von den organisatorischen/praktischen Folgen der Kindergartenwahl überwiegend betroffen ist.

Der Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf die Kindesmutter steht nicht entgegen, dass diese im Verfahren unwahre oder zumindest unvollständige Behauptungen aufgestellt hat. Um das von ihr gewünschte Ergebnis zu erreichen, behauptete sie Vorzüge des Waldorfkindergartens, die zumindest nicht in der von N tatsächlich besuchten Gruppe vorlagen. So behauptete sie umfassendere Öffnungszeiten des Waldorfkindergartens und verneinte eine vom Kindesvater zum Sommer 2017 sichergestellte Verfügbarkeit eines Kindergartenplatzes in L. Damit ist fraglich, ob die Kindesmutter am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen vermag (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 19.5.2017 - 22 UF 241/17 - FamRZ 2017, 1834). Jedoch ist ein Bestrafen der Kindesmutter für Fehlverhalten nicht möglich, da alleiniger Maßstab das Kindeswohl ist.

Dabei ist dem Senat durchaus bewusst, dass von den äußeren Gegebenheiten einer der Kindergärten in L in Wohnortnähe zur Kindesmutter grundsätzlich den Vorzug verdient. Denn dieses bedeutet für N die kürzeren Wege; die Fahrwege der Kindesmutter sind nicht maßgeblich, da die Entscheidung am Kindeswohl und nicht an den Interessen der Eltern auszurichten ist. Die Möglichkeit der Kindesmutter, bei einem arbeitsnahen Kindergarten schneller vor Ort sein zu können, ist nicht entscheidend. Denn die Kindesmutter hat nicht behauptet, dass derartige "Notfälle" in einem relevanten Umfang eintreten. Auch ermöglicht ein Kindergarten in L die Beibehaltung der bestehenden Umgangsregelung. Bei einem fortgesetzten Besuch der Waldgruppe des Waldorfkindergartens in T muss hingegen die Umgangsregelung angepasst werden, was in der Vergangenheit wiederum zu Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Kindeseltern führte.

Die Bevorzugung eines bestimmten Kindergartens kann den Äußerungen Ns nicht entnommen werden. In der Anhörung des Kindes durch den Senat äußerte N, dass es ihm im Kindergarten gut gefalle. Darüber hinaus war er (altersgerecht) nicht an einem weiteren Gespräch interessiert. Bei den Äußerungen Ns war zu berücksichtigen, dass ein vierjähriges Kind ohnehin kaum in der Lage ist, sämtliche Konsequenzen einer Kindergartenwahl sachlich zu bedenken.

Insgesamt erscheint der Kindesvater damit zwar grundsätzlich besser geeignet, eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu treffen, da seine Kindergartenauswahl die Fahrwege für N kurz hält und die konfliktfreie Beibehaltung der bestehenden Umgangsvereinbarung ermöglicht. Auch scheint er seine Entscheidung an den Bedürfnissen Ns auszurichten, indem er z.B. detailliert die Konsequenzen der verschiedenen Fahrwege überdenkt. Aufgrund des Zeitablaufs und der Eingewöhnung von N im aktuell besuchten Waldorfkindergarten in T entspricht jedoch nun ein Wechsel des Kindergartens nicht mehr dessen Wohl. ..."

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Das bloße Inaussichtstellen einer Sorgerechtsvollmacht führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ist im Allgemeinen kein geeignetes Mittel der Konfliktvermeidung und steht daher einer Sorgeübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB in aller Regel nicht dagegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2017 - II-1 UF 151/17).

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Im Fall des Wechselmodells ist die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auf einen Elternteil gemäß § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird. Der Einsatz eines Ergänzungspflegers ist im Regelfall auch nicht erforderlich, um einen konkreten Interessenkonflikt zu vermeiden (§ 1796 BGB ); regelmäßig liegt nur ein abstrakter Interessengegensatz vor wie auch in allen anderen Fällen, in denen ein Haftungsanteil der Elternteile zu bilden ist oder wenn gleichzeitig Trennungsunterhalt begehrt wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2016 - 6 UF 242/16):

„... Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Wenn Eltern wie im vorliegenden Fall die Sorge für ihre Kinder gemeinsam zusteht, sind sie gemäß § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB auch gemeinsam zur Vertretung der Kinder bei der Geltendmachung von Ansprüchen befugt. Dagegen liegt im Fall der Geltendmachung von Kindesunterhalt den gesetzlichen Regelungen über die Vertretung des Kindes in Unterhaltsverfahren die Vorstellung der alleinigen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil und die in § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB vorgesehene Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils zugrunde. Dem entspricht § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB , der vorsieht, dass der Obhutselternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge befugt ist, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen allein zu vertreten. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge in Fällen des paritätischen Wechselmodells aber kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Obhut i. S. des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nicht (BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 9, m. Anm. Luthin; BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 16, m. Anm. Schürmann). Im Grundsatz müsste dann das Kind vertreten durch beide Elternteile auf der einen Seite seinen Unterhaltsanspruch gegen einen der vertretenden Elternteile auf der anderen Seite geltend machen. Praktisch würde das regelmäßig am Widerstand des Elternteils scheitern, von dem Unterhalt beansprucht werden soll. Es ergeben sich aber auch rechtliche Hindernisse. Bei (noch) verheirateten Eltern besteht grundsätzlich ein Vertretungsverbot, weil es Eltern ebenso wie Vormündern gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 i. V. mit § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB untersagt ist, als Vertreter des Kindes gerichtliche Verfahren gegen ihren Ehegatten zu führen (OLG Hamburg, FamRZ 2015, 859, juris Rz. 3; Beschluss des Senats v. 12.7.2016 - 6 UF 60/16). Wenn die Eltern wie vorliegend geschieden sind, können sie das Kind wegen des sich aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2 und 181 BGB ergebenden Verbots der In-Sich-Vertretung im Rechtsstreit nicht gemeinsam bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen einen von ihnen vertreten.

2. Der BGH hat in zwei Entscheidungen in Fällen geschiedener Eltern in nicht tragenden Teilen der Gründe ohne nähere Erläuterung ausgeführt, bei gleichmäßiger Betreuung eines Kindes gemeinsam sorgeberechtigter Eltern müsse der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil müsse beim FamG beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 16, m. Anm. Schürmann; BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 9, m. Anm. Luthin). Diese Ausführungen sind in der Literatur weitgehend unhinterfragt übernommen worden (Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1629 Rz. 19a; Hamdan, in: juris-PK, § 1629 BGB Rz. 70; Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB, 2015, § 1629 Rz. 336; MünchKomm/Huber, BGB, 6. Aufl., § 1629 Rz. 77; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1629 BGB Rz. 6).

Der Senat hält den Lösungsweg über § 1628 BGB für vorzugswürdig, weil der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die der Führung eines Unterhaltsverfahrens vorausgehende Entscheidung über das Ob seiner Einleitung als von der Vertretung des Kindes im Verfahren getrennt zu beurteilenden Teil der Ausübung der elterlichen Sorge angesehen hat (BGH, FamRZ 1975, 162 = NJW 1975, 345 Rz. 12-16; BGH, FamRZ 2009, 861 Rz. 30). Die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den mitsorgeberechtigten Elternteil führt gemäß § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB unmittelbar zur Alleinvertretungsbefugnis des anderen Elternteils. Die Einsetzung eines Ergänzungspflegers - so ihre noch anzusprechenden Voraussetzungen nach § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 1796 BGB überhaupt erfüllt sind - würde die Frage über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens noch ungeklärt lassen.

3. Der Beschwerde liegt die in jüngster Zeit in der Literatur vertretene Auffassung zugrunde, für die Geltendmachung von Unterhalt für durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern im Wechselmodell betreute Kinder sei zur Vermeidung von Interessenkonflikten immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen (vgl. Götz, FF 2015, 146, 149; Seiler, FamRZ 2015, 1845, 1850). Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist zuzugestehen, dass ein abstrakter Interessengegensatz zwischen dem vertretenden Elternteil und dem Kind nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn Kinder von beiden Eltern zu gleichen Teilen betreut werden, sind die zu ihrer Vertretung bei der Geltendmachung von Unterhalt berechtigten Elternteile immer auch in eigenen Interessen berührt. Wenn bei aufgeteilter Betreuung kein Elternteil seine Unterhaltspflicht gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB allein durch Betreuung erfüllt, steht den Kindern gegen beide ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemisst und für den diese gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach Maßgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens haften (BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 29, m. Anm. Schürmann; BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 16, m. Anm. Luthin). Erst im Ergebnis der Saldierung der beiderseitigen Anteile ergibt sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der im höheren Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen hat, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil [entfallenden Anteil] als Ausgleichszahlung zu erbringen hat (vgl. Niepmann/Schwamb, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 13. Aufl., Rz. 175a; Wendl/Dose/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2 Rz. 450).

Der vertretende Elternteil mag deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen. Ähnliche Interessengegensätze nimmt die unterhaltsrechtliche Praxis jedoch üblicherweise hin, ohne dass sie in abstrakter Form Anlass zu einem Eingriff in die elterliche Sorge über § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 1796 BGB gegeben hätten. Anzusprechen sind in diesem Zusammenhang die Fälle, in denen der vertretungsberechtigte Elternteil neben Unterhaltsansprüchen der Kinder auch eigene Unterhaltsansprüche erhebt und deshalb geneigt sein könnte, für sich auf Kosten der Kinder höheren Unterhalt zu erstreiten (vgl. Niepmann/Schwamb, a. a. O.). Vergleichbar sind auch die Fälle, in denen der vertretungsbefugte Elternteil wegen eines erheblichen Einkommensunterschieds (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1558, m. Anm. Maurer) oder wegen der Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des in Anspruch genommenen Elternteils (vgl. BGH, FamRZ 2011, 1041, m. Anm. Hoppenz, S. 1045, sowie Anm. Volmer, S. 1647) mit für den Barunterhalt haftet. Im vorliegenden wie auch in den vergleichbar gelagerten Fällen hat nach Auffassung des Senats zu gelten, dass ein Vertretungsausschluss nach § 1796 BGB als Eingriff in die elterliche Sorge nicht ohne Weiteres wegen eines abstrakten Interessengegensatzes erfolgen darf, sondern einen im Einzelfall festzustellenden konkreten Interessengegensatz voraussetzt BGH, FamRZ 2008, 1156 Rz. 16, m. Anm. Zimmermann; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 1382 Rz. 5; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl., § 1796 Rz. 2; Erman/Saar, BGB, 14. Aufl., § 1796 Rz. 1; Staudinger/Veit, BGB, 2014, § 1796 Rz. 6).

In den dargestellten unterhaltsrechtlichen Interessenkollisionen wird dem vertretenden Elternteil in der Regel verantwortungsbewusstes und die Interessen der Kinder vor die eigenen stellendes Handeln zugetraut. Anhaltspunkte für einen erheblichen Interessengegensatz zwischen der Mutter und den Kindern bestehen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil das Einkommen der Mutter den angemessenen Selbstbehalt in sehr viel geringerem Maß überschreitet als das des gut verdienenden Vaters. ..."

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In einem auf Antrag eines Elternteils eingeleiteten sorgerechtlichen Eilverfahren ist eine Beschwerde des Anordnungsgegners gegen die Zurückweisung seines Antrags auf Fristsetzung zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens ungeachtet der Frage, ob die Beschwerde überhaupt zulässig wäre, jedenfalls unbegründet, wenn das in Rede stehende Kindeswohl, zu dessen Gewährleistung die einstweilige Anordnung erlassen worden ist, durch deren Wegfall gemäß § 52 Abs. 2 Satz 3 FamFG gefährdet wäre (OLG Dresden, Beschluss vom 05.07.2016 - 20 UF 409/16).

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Es ist nicht geboten, ein knapp 3jähriges Kind, dessen getrennt lebende, jedoch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören, bereits jetzt endgültig in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren. Eine Entscheidung über das religiöse Bekenntnis löst nicht das Spannungsverhältnis, welches durch die Konfrontation des Kindes mit den unterschiedlichen Praktiken der Religionsausübung von Mutter und Vater bedingt ist. Es obliegt den Eltern, religiöse Toleranz gegenüber dem jeweils anderen Bekenntnis walten zu lassen und das verstandesmäßig noch nicht gereifte Kind insoweit keinen unnötigen Spannungen auszusetzen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.05.2016 - 20 UF 152/15).

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„... I. Die Beteiligten sind die Eltern des minderjährigen Kindes I. T., geboren am ...2009. Die Eltern üben die elterliche Sorge für ihre Tochter, die im Sommer 2016 eingeschult wird, gemeinsam aus. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Übertragung des Entscheidungsrechts hinsichtlich der Schulwahl, das sie - gegen den Willen des Antragsgegners, der eine öffentliche Grundschule bevorzugt - für eine Anmeldung I. in der … Kreativitätsgrundschule nutzen will. Das Familiengericht hat den Antrag mit dem angegriffenen Beschluss zurückgewiesen. Die Antragstellerin verfolgt demgegenüber mit der Beschwerde ihr Ziel weiter, allein das Recht zur Entscheidung über die Auswahl der Grundschule zu erlangen.

Zur Begründung führt sie aus, dass I. der Vorbereitungskurs für die Kreativitätsgrundschule gefalle und sie deshalb dort auch eingeschult werden möchte. Es stehe nicht zu befürchten, dass das Kind durch diese Schule zu sehr in Anspruch genommen werde und zu wenig Zeit für Freizeitaktivitäten habe. Sollte I. die Kreativitätsgrundschule besuchen können, müsse sie an den Nachmittagen (nach dem Ganztagsunterricht) keine Hausaufgaben mehr erledigen. Die Schule sei auch deshalb vorzugswürdig, weil I. dort ihre besonderen Neigungen (Tanz, Malen, Sprachen) und Begabungen weiter entwickeln könne. Die Tatsache, dass die Antragstellerin aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes bei ihr die Angelegenheiten des täglichen Lebens mit I. lebe und gestalte, sei vom Familiengericht nicht ausreichend gewürdigt worden. Schließlich laufe der Antragsgegner auch nicht Gefahr, durch den Schulträger wegen der Kosten der Privatschule in Anspruch genommen zu werden, da mit der Gerichtsentscheidung über die Schulauswahl zugunsten der Mutter der Vater nicht Vertragspartner des Schulvertrags werde. Im Übrigen seien die zu erwartenden Aufwendungen durch Verpflichtungserklärungen Dritter - die Antragstellerin ist selbst zu finanziellen Beiträgen zu den Kosten unstreitig nicht in der Lage - gedeckt.

Der Antragsgegner tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Bei der Abwägung müsse berücksichtigt werden, dass bei der Kreativitätsgrundschule Schulgeld, Kreativitätsbeitrag und Hortbeitrag i.H.v. insgesamt monatlich 374,00 € anfallen, für die der Vater unterhaltsrechtlich als Mehrbedarf einzustehen habe; Freistellungserklärungen Dritter änderten daran nichts. Zu entsprechenden Leistungen sei er im Hinblick auf seine Unterhaltspflichten im Übrigen jedoch nicht in der Lage. Der Schulalltag der Kreativitätsgrundschule nehme die Kinder zeitlich und inhaltlich sehr viel mehr in Anspruch als der an einer staatlichen Grundschule. Daneben bleibe zu wenig Zeit für nicht verplantes und unbelastetes „Kindsein". Den Begabungen I. könne überdies jedenfalls durch die Zusatzangebote der 6. Grundschule - an der I. aus Sicht des Vaters anzumelden wäre - ohne weiteres Rechnung getragen werden. Im Übrigen verfange das Argument, die Antragstellerin begleite I. bei den Angelegenheiten des täglichen Lebens, während der Antragsgegner nur Umgangsrechte wahrnehme, im Ergebnis nicht, da der Antragsgegner gerne mehr Umgang mit seiner Tochter in Anspruch nehmen und auch in die Alltagsverantwortung eingebunden werden würde, die Antragstellerin einer solchen Ausweitung aber im Wege stehe.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Familiengerichts, dass es, auch im Hinblick auf den Elternkonflikt im Übrigen, nicht dem Wohl des betroffenen Kindes entspräche, der Mutter gegen den Widerstand des Vaters die alleinige Entscheidungsbefugnis zur Anmeldung I. in einer Privatschule zu übertragen.

1. Die Frage der Einschulung ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, über die gemeinsam sorgeberechtigte Eltern grundsätzlich Einvernehmen herstellen müssen, § 1627 BGB. Können sich Eltern in einer solchen Angelegenheit nicht einigen, kann das Familiengericht gemäß § 1628 BGB auf Antrag die Entscheidung einem Elternteil allein übertragen. Maßgebendes Entscheidungskriterium ist dabei, wie bei allen Regelungen, die die elterliche Sorge betreffen, gemäß § 1697 a BGB das Kindeswohl. Das Gericht trifft diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes insgesamt am besten entspricht.

Im Rahmen von § 1628 BGB hat das Gericht allerdings keine Befugnis zu einer eigenen Sachentscheidung, sondern es kann nur die Entscheidungskompetenz einem der beiden Elternteile übertragen. Es kann aber auch von einer solchen Übertragung absehen, wenn entweder keiner der von den Eltern gemachten Entscheidungsvorschläge dem Kindeswohl entspricht oder wenn die Eltern Aussicht dafür bieten, sich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu einer gemeinsamen Lösung zu verstehen. Der Senat geht hier davon aus, dass unter den gegebenen Umständen letzteres der Fall sein wird.

2. Dabei kann der Senat nicht feststellen, dass eine der beiden konkret in Rede stehenden Grundschulen vor der jeweils anderen derart grundlegende inhaltliche oder pädagogische Vorteile böte, dass nur die eine oder die andere Schule unter Kindeswohlaspekten zur Einschulung I. in Frage käme.

Die Antragstellerin bringt durchaus nachvollziehbare Gründe vor, weshalb sie eine Einschulung in der … Kreativitätsgrundschule für richtig hält. Die Schule ist staatlich anerkannt, die dort verfolgte Pädagogik wird von vielen Eltern als beispielhaft eingestuft und kann schon deshalb nicht als Gefahr für das Wohl des betroffenen Kindes angesehen werden. Im Gegenteil spricht viel dafür, dass die Ausrichtung der Schule den kreativen Neigungen und Begabungen von I. in besonderem Maße entgegenkäme.

Der Antragsgegner hat aus seiner Sicht dennoch berechtigte Gründe, einer Einschulung in die … Grundschule (das ist die dem Wohnort der Mutter nahegelegene staatliche Schule) den Vorzug zu geben. Besondere Schulkosten (mit Ausnahme der ohnehin entstehenden Hortkosten) fallen dort nicht an. Die … Grundschule könnte I. von ihrem Wohnort bei der Mutter nach einer gewissen Eingewöhnungsphase in wenigen Minuten zu Fuß selbstständig erreichen, während sie zur Kreativitätsgrundschule mit dem Auto gebracht werden oder öffentliche Verkehrsmittel benutzen müsste. Der Zeitaufwand wäre, auch durch das verpflichtende Ganztagsangebot der Kreativitätsgrundschule, für das Kind höher als bei einer Einschulung in der öffentlichen Grundschule. Insbesondere die vielseitigen Hortangebote dort kommen den Neigungen von I. ebenfalls entgegen; im Übrigen wäre das Kind, da die ... Grundschule kein verpflichtendes Ganztagsangebot hat, nicht gehindert, nachmittags speziell auf ihre Neigungen abgestimmte Kurse bei freien Trägern zu besuchen und zeitlich dennoch flexibler zu sein als bei einer Ganztagsschule.

3. Der Kindeswille selbst ist aus Sicht des Senats für eine Entscheidung, ob und gegebenenfalls welchem Elternteil die Entscheidung über die Wahl der Grundschule zu übertragen ist, nicht ausschlaggebend. I. hat beim Familiengericht zwar bekundet, auf die Kreativitätsgrundschule gehen zu wollen, wo sie auch gewisse vorschulische Aktivitäten besucht hat. Sie war allerdings - altersbedingt - nicht in der Lage, diesen Wunsch nachvollziehbar zu begründen. Auch eine Sechsjährige mit überdurchschnittlicher Auffassungsgabe und wachem Intellekt (so wird I. von beiden Eltern übereinstimmend beschrieben) ist nicht in der Lage, das Ausmaß einer solchen Entscheidung hinreichend zu erfassen, und dies weder hinsichtlich der inhaltlichen schulischen Belange noch im Hinblick auf die in Rede stehenden finanziellen Auswirkungen. Es ist vielmehr grundlegender Teil der elterlichen Sorge und Verantwortung, diese Entscheidung für das Kind zu treffen.

4. Die Abwägung zwischen den elterlichen Einschulungsvorschlägen hat hier auch nicht deshalb von vornherein zugunsten der Antragstellerin auszufallen, weil diese das Kind im Alltag betreut und versorgt. Tatsächlich nimmt der Antragsgegner derzeit zwar nur ein beschränktes Umgangsrecht wahr, so dass sämtliche Angelegenheiten des täglichen Lebens, solange das so bleibt, die Antragstellerin zu regeln hat; dazu werden auch die schulischen Angelegenheiten gehören. Auch wenn die Umgangszeiten des Vaters, was dieser anstrebt, künftig ausgeweitet würden, wäre die Antragstellerin mithin voraussichtlich bis auf Weiteres diejenige, die von den organisatorischen/praktischen Folgen der Schulauswahl überwiegend betroffen ist.

Richtig ist, dass dies dafür sprechen könnte, dem Auswahlvorschlag der Antragstellerin den Vorrang einzuräumen, wenn es nur um die angesprochenen praktisch/organisatorischen Fragen (etwa Bringen zur Schule und Abholen, zumindest in der Anfangszeit, Beschaffen von Schulmaterialien, Hausaufgabenüberwachung, Terminskontrolle, Elternarbeit) ginge. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Die Eltern sind vielmehr auch und gerade darüber uneins, ob das von der Kreativitätsgrundschule verfolgte Konzept I. in besonderer Weise gerecht würde oder sie eher, insbesondere zeitlich, zu überfordern geeignet wäre. Die erfolgreiche Umsetzung eines solch anspruchsvollen Konzepts ist jedenfalls umso eher aussichtsreich, als es von beiden Eltern aktiv gefördert oder zumindest mitgetragen wird. Daran fehlt es hier jedoch völlig, ohne dass dem Antragsgegner daraus ein Vorwurf zu machen wäre. Das Risiko, das er finanziell für Kosten des Privatschulbetriebs unterhaltsrechtlich haftbar gemacht werden könnte, wird durch die - sicherlich gut gemeinten - Finanzierungsangebote von dritter Seite schon deshalb nicht aus der Welt geschafft, weil dem Vater daraus keine eigenen Freistellungsansprüche entstehen; selbst wenn das anders wäre, hätte er immer noch das Risiko zu tragen, dass diese Dritten mit ihren Verpflichtungserklärungen während der vierjährigen Grundschulzeit wirtschaftlich ausfallen.

5. Unabhängig davon sieht der Senat angesichts des fortdauernden Streits der Eltern im Übrigen eher die Gefahr, dass eine Entscheidung für die Schulwahl der Mutter den Vater über die reine Auswahlentscheidung hinaus in schulischen Angelegenheiten weiter aus der elterlichen Verantwortung zu drängen geeignet wäre (schon weil er nach dem Willen der Mutter nicht Partei des Schulvertrags wäre, so dass - zumindest - aus Sicht der Schule kaum Anlass dafür empfunden werden wird, den Vater in die Regelung der schulischen Belange I. einzubeziehen); dafür gäbe es allerdings, soweit ersichtlich, überhaupt keine Rechtfertigung. In rein zeitlicher Hinsicht ist schon das aktuelle Freizeitprogramm I., so sinnvoll es für sich betrachtet sein mag, tendenziell mit dem Risiko behaftet, für berechtigte Umgangsbelange des Vaters (zu) wenig Freiraum zu belassen. Eine Einschulung in einer Ganztagsschule mit einem überdies inhaltlich stark fordernden pädagogischen Konzept würde dieses Risiko erhöhen. Denn anders als bei Hortangeboten, die je nach Neigung und Leistungsfähigkeit des Kindes freiwillig in Anspruch genommen und auch wieder beendet werden können, ständen die Nachmittagsstunden der Kreativitätsgrundschule nicht zur Gestaltungsdisposition der Eltern. Das könnte hinzunehmen sein, wenn die Eltern sich in der Lage zeigten, die damit verbundenen Herausforderungen auch und gerade im Hinblick auf einen nachhaltigen und lebendigen Umgangskontakt des Kindes zu seinem Vater gemeinsam zu gestalten. Das vermag der Senat, zumal er die Beteiligten aus dem vorangegangenen Sorgeverfahren noch in persönlicher Erinnerung hat, indes nicht zu erkennen.
Unter diesen Umständen hält der Senat eine Einschulung I. in der … Kreativgrundschule gegen das Votum des Vaters nicht für kindeswohlförderlich. Da der Senat davon ausgeht, dass die Eltern gleichwohl bestrebt sein werden, den Anforderungen der gesetzlichen Schulpflicht für I. gemeinsam nachzukommen, wird bei dieser Sachlage nur eine Einschulung in der für das Kind vorgesehenen öffentlichen Grundschule in Betracht kommen. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund von einer entsprechenden ausdrücklichen Kompetenzübertragung zugunsten des Vaters ab, der dies auch nicht beantragt hat. ..." (OLG Dresden, Beschluss vom 31.03.2016 - 20 UF 165/16)

***

„... Soweit es schließlich um die Privatschulkosten für den Sohn B… geht, kann der Antragsgegner mit seinen dagegen gerichteten Einwänden ebenfalls nicht gehört werden.

Der Verweis des Antragsgegners auf eine vermeintliche Obliegenheit der Antragstellerin zum Wechsel ihrer Arbeitsstelle, damit sie finanziell in der Lage sei, sich an den Schulkosten angemessen zu beteiligen, trägt schon deshalb nicht, weil die Antragstellerin gegenüber B… keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft. Sie leistet den Betreuungsunterhalt und genügt damit ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber B… (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dementsprechend ist die Mutter im Verhältnis zum minderjährigen Sohn B… nicht zu einem Wechsel ihrer Arbeitsstelle verpflichtet. Daran ändert auch die grundsätzliche Mithaftung der Antragstellerin im Rahmen eines unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs für die Privatschulkosten nichts.

Zwar gehört bei gemeinsamem Sorgerecht die Frage, welche - gegebenenfalls mit Kosten verbundene - Schule das Kind nach der Grundschulzeit besucht, zu den Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Sie muss daher grundsätzlich von beiden Eltern im gegenseitigen Einvernehmen entschieden werden (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Können sich die Eltern in dieser für das Kind wichtigen Frage der Fortsetzung seines Schulbesuchs nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag die Entscheidung einem Elternteil übertragen (§ 1628 BGB). Der mit der Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule betraute Elternteil ist dann berechtigt, die Ziele und Wege der Ausbildung unter Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Kindes allein verantwortlich festzulegen. Der andere (barunterhaltspflichtige) Elternteil muss diese Entscheidung hinnehmen, auch wenn sie sich kostensteigernd für ihn auswirkt und sie ihm nicht sinnvoll erscheint. Vermeintliche Fehlentscheidungen lassen sich nur im Rahmen von § 1666 BGB angreifen (vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2, Rn. 456).

Vorliegend kann nicht zweifelhaft sein, dass im Falle fortdauernder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten und einer entsprechenden Antragstellung eine Entscheidungsübertragung nach § 1628 BGB auf die Antragstellerin erfolgt wäre, in deren Haushalt B… lebt. Ihr wäre die Wahl der weiterführenden Schule für den Sohn übertragen worden, weil dies seinem Wohl besser entspricht als eine Entscheidungsübertragung auf den nicht betreuenden Antragsgegner. Die Kosten für den Besuch der Privatschule sind auch nicht erheblich. Schließlich sind die entstehenden laufenden Mehrkosten von monatlich 61,50 €, zu denen das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet hat, für den Antragsgegner auch wirtschaftlich zumutbar, zumal auch die ursprüngliche Entscheidung für den Besuch der kostenpflichtigen Grundschule von beiden sorgeberechtigten Eltern getroffen worden ist. Wenn die Antragstellerin dem Sohn B… auch nach der 6. Klasse (ab 1. August 2014) weiterhin sein vertrautes Schulumfeld erhalten wollte bzw. zukünftig will, so stellt dies einen sachlichen Grund dar. Dieser rechtfertigt eine Wahl der mit Schulkosten verbundenen Gesamtschule in K… und lässt diese für den Antragsgegner nach den Gesamtumständen auch nicht als unzumutbar erscheinen. Dementsprechend schuldet der Antragsgegner auch weiterhin die vom Amtsgericht zuerkannten Schulkosten. Der Anspruch auf Schulgeldzahlung ist folglich nicht bis zum 24. August 2013 zu befristen. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2015 - 3 UF 155/14).

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Üben Eltern die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam aus, so haben sie die ihr Kind betreffenden Entscheidungen in eigener Verantwortung und im gegenseitigen Einvernehmen, also gemeinsam zu treffen. Können sich die Eltern trotz entsprechender Bemühungen nicht einigen, hat die nur von einem Elternteil befürwortete Maßnahme grundsätzlich zu unterbleiben. Gemäß § 1628 BGB kann das Familiengericht in derartigen Situationen die Entscheidungsbefugnis nur dann auf einen Elternteil allein übertragen, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist und seinem Wohl am besten entspricht. Eine von der Kindesmutter mit dem Kind geplante Besuchsreise zu ihrer Mutter nach Russland stellt für sich allein keine solche Kindesangelegenheit von erheblicher Bedeutung dar ( OLG Köln, Beschluss vom 22.11.2011 - 4 UF 232/11).

*** (AG)

Coronatest: Ob die Teilnahme eines Kindes an Testverfahren zur Diagnose von Covid-19 eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1628 Satz 1 BGB ist, bestimmt sich nach dem Zweck des Testverfahrens. Die Teilnahme eines schulpflichtigen Kindes am Präsenzunterricht bei bestehender Test- und Präsenzpflicht ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, weil sie geeignet ist, nachhaltig Einfluss auf die schulische und seelische Entwicklung sowie auf die sozialen Kompetenzen eines Kindes zu nehmen. Dies gilt umso mehr, wenn das Kind aufgrund einer Pandemie bereits längere Zeit nur am Heimunterricht teilnehmen durfte und es dann trotz Ermöglichung von Präsenzunterricht an der Schule aufgrund gesunkener Fallzahlen im Heimunterricht verbleiben muss, während ihre Mitschüler wieder regulär die Schule, wenn auch nur im Wechselunterricht, besuchen dürfen (AG Mainz, Beschluss vom 04.05.2021 - 34 F 126/21).

***

§ 1629 BGB Vertretung des Kindes

(1) Die elterliche Sorge umfasst die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinschaftlich; ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt die Abgabe gegenüber einem Elternteil. Ein Elternteil vertritt das Kind allein, soweit er die elterliche Sorge allein ausübt oder ihm die Entscheidung nach § 1628 übertragen ist. Bei Gefahr im Verzug ist jeder Elternteil dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der andere Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist. Steht die elterliche Sorge für ein Kind den Eltern gemeinsam zu, so kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen. Das Familiengericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1796 die Vertretung entziehen; dies gilt nicht für die Feststellung der Vaterschaft.

(2a) Der Vater und die Mutter können das Kind in einem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 nicht vertreten.

(3) Sind die Eltern des Kindes miteinander verheiratet, so kann ein Elternteil, solange die Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen. Eine von einem Elternteil erwirkte gerichtliche Entscheidung und ein zwischen den Eltern geschlossener gerichtlicher Vergleich wirken auch für und gegen das Kind.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... Die Antragstellerinnen beantragen, im Wege der einstweiligen Anordnung

1. zu bestimmen, dass die Antragstellerin zu 2) sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache unverzüglich und uneingeschränkt im Haushalt der Antragstellerin zu 1) aufhalten kann und mit sofortiger Wirkung an die Antragstellerin zu 1) herauszugeben ist,
2. den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 19. Juli 2012 und dessen Vollstreckung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde auszusetzen. ...

1. Der Antrag ist hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) schon unzulässig. Es fehlt an einer wirksamen Vollmachtserteilung an die Verfahrensbevollmächtigte. Die von der Antragstellerin zu 1) ausgestellte Vollmacht ist bereits deshalb nicht ausreichend, weil die minderjährige Antragstellerin zu 2) gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 2 BGB nur gemeinschaftlich durch ihre Eltern vertreten werden kann, denen das Sorgerecht vorliegend gemeinsam zusteht. Überdies scheitert die Zulässigkeit des Antrags an einem nicht auszuschließenden Widerstreit zwischen dem wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin zu 2) und ihren Eltern, denen die Fachgerichte aus Gründen des Kindeswohls wesentliche Teile des elterlichen Sorgerechts entzogen haben. Die in einer solchen Situation erforderliche Bestellung eines Ergänzungspflegers für das Verfassungsbeschwerdeverfahren hat die Antragstellerin zu 1) nicht betrieben (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 72, 122, 133 ff und BVerfG, Beschluss vom 14. April 2009 - 1 BvR 467/09 -, juris; ebenso VerfGH Berlin, Beschluss vom 7. Juni 2011 - 38 A/11 -, juris).

2. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückzuweisen, weil es an den Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 VerfGGBbg fehlt. Danach kann das Verfassungsgericht einen Zustand durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichts ist insoweit ein strenger Maßstab anzulegen. Die nachteiligen Folgen, die ohne die einstweilige Anordnung für den Fall des Obsiegens in der Hauptsache zu erwarten sind, müssen im Vergleich zu den nachteiligen Folgen, die sich bei Erlass der einstweiligen Anordnung für den Fall der Erfolglosigkeit in der Hauptsache ergeben, deutlich überwiegen, weil sie sonst bei vergleichender Betrachtungsweise nicht schwer genug im Sinne des Gesetzes sind („schwerer Nachteil") bzw. keinen gleichwertigen „anderen" Grund im Sinne des Gesetzes darstellen. Bei der Abwägung sind im Allgemeinen nur irreversible Nachteile zu berücksichtigen (vgl. Beschlüsse vom 20. Mai 2010 - VfGBbg 9/10 EA -, vom 30. September 2010 - VfGBbg 8/10 EA - und vom 22. Februar 2013 - 1/13 EA -, jeweils www.verfassungsgericht.brandenburg.de).

Solche deutlich überwiegenden und irreversiblen Nachteile sind nicht erkennbar. Die von der Antragstellerin zu 1) angeführten nachteiligen Folgen der angegriffenen Beschlüsse, namentlich die Beeinträchtigung ihres Elternrechts und die aus ihrer Sicht zu befürchtende Entwicklungsschädigung der Antragstellerin zu 2), wiegen jedenfalls nicht schwerer als der Schaden, der drohte, wenn nach Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung eine Gefährdung oder gar Verletzung des Kindeswohls durch eine Rückkehr des Kindes in den Haushalt der Antragstellerin zu 1) festgestellt würde. Insoweit ist auf die entsprechenden Tatsachenfeststellungen und Tatsachenwürdigungen in den angegriffenen Entscheidungen zu verweisen, die der nach § 30 Abs. 1 VerfGGBbg gebotenen und in Fällen der vorliegenden Art vorrangig am Kindeswohl zu orientierenden Folgenabwägung grundsätzlich zugrunde zu legen sind (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2011 - 1 BvR 303/11 -, juris, m. w. N.).

Darüber hinaus fehlt es auch an dem durch § 30 Abs. 1 VerfGGBbg aufgestellten Erfordernis, dass die begehrte einstweilige Anordnung „zum gemeinen Wohl" dringend geboten sein muss (st. Rspr., vgl. Urteil vom 4. März 1996 - VfGBbg 3/96 EA -, LVerfGE 4, 109, 113; Beschluss vom 20. Februar 2003 - VfGBbg 1/03 EA -; Beschluss vom 6. Juli 2012 - VfGBbg 5/12 EA -; Beschluss vom 17. August 2012 - VfGBbg 6/12 EA -, jeweils www.verfassungsgericht.brandenburg.de). Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass das gemeine Wohl durch den vorliegenden familienrechtlichen Einzelfall betroffen wird.(Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschluss vom 17.05.2013 - 4/13 EA)

*** (BGH)

Allein aus dem Ausschluss eines Elternteils von der (gemeinsamen) elterlichen Sorge für die Geltendmachung von Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind folgt bei nicht miteinander verheirateten Eltern noch nicht, dass auch der andere Elternteil von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist (Fortführung von Senatsbeschluss vom 24. März 2021 - XII ZB 364/19, BGHZ 229, 239 = FamRZ 2021, 1127). Befindet sich das Kind in der alleinigen Obhut eines Elternteils, so ist dieser allein vertretungsbefugt. Im Fall des Wechselmodells sind beide (nicht miteinander verheirateten) Elternteile hinsichtlich des gegen den jeweils anderen Elternteil gerichteten Unterhaltsteilanspruchs vertretungsbefugt. Der Bestellung eines Ergänzungspflegers oder einer Entscheidung nach § 1628 BGB bedarf es nicht (Aufgabe von Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03, FamRZ 2006, 1015; BGH, Beschluss vom 10.04.2024 - XII ZB 459/23).

***

Dem sich aus der gesetzlichen Gesamtvertretung des minderjährigen Kindes durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern ergebenden Bedürfnis für eine Autorisierung eines Elternteils zur alleinigen Wahrnehmung elterlicher Vertretungsbefugnisse kann durch Erteilung einer Vollmacht entsprochen werden. Das Grundverhältnis für diese Vollmacht ist regelmäßig das sich aus dem fortbestehenden gemeinsamen Sorgerecht ergebende gesetzliche Rechtsverhältnis. Daraus ergeben sich insbesondere Kontrollbefugnisse und -pflichten und gegebenenfalls auch Mitwirkungspflichten des vollmachtgebenden Elternteils. Eines gesonderten Vertrags zwischen den Eltern bedarf es für das Grundverhältnis nicht. Die Bevollmächtigung des mitsorgeberechtigten Elternteils kann eine andernfalls notwendige Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. Hierfür ist eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich, soweit eine solche auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraums des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist (BGH, Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 112/19).

***

Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft ist die allein sorgeberechtigte und mit dem rechtlichen Vater nicht verheiratete Mutter von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21. März 2012, XII ZB 510/10, BGHZ 193, 1 = FamRZ 2012, 859). Für den Beginn der das minderjährige Kind betreffenden Frist zur Anfechtung der Vaterschaft ist in diesem Fall auf die Kenntnis der Mutter als alleiniger gesetzlicher Vertreterin abzustellen (BGH, Beschluss vom 02.11.2016 - XII ZB 583/15).

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Endet die gesetzliche Verfahrensstandschaft eines Elternteils nach § 1629 Abs. 3 BGB mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes, so kann das Kind als Antragsteller in das Verfahren nur im Wege des gewillkürten Beteiligtenwechsels eintreten (teilweise Aufgabe der Senatsurteile vom 23. Februar 1983, IVb ZR 359/81, FamRZ 1983, 474 und vom 30. Januar 1985, IVb ZR 70/83, FamRZ 1985, 471). Dieser ist nicht von der Zustimmung des Antragsgegners abhängig. Durch die sozialrechtliche Berücksichtigung titulierter Unterhaltspflichten bei einem Antrag des Unterhaltspflichtigen auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erhöht sich dessen unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht (BGH, Beschluss vom 19.06.2013 - XII ZB 39/11).

***

Zur Vertretung des minderjährigen Kindes im Kindschaftsverfahren (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 7. September 2011, XII ZB 12/11, FamRZ 2011, 1788; BGH, Beschluss vom 18.01.2012 - XII ZB 489/11):

„... 1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch sonst zulässig. Die Mutter ist nach § 59 FamFG beschwerdebefugt, weil die Anordnung der Ergänzungspflegschaft einen Eingriff in das ihr zustehende Sorgerecht darstellt (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 4; vgl. Staudinger/Peschel-Gutzeit BGB [2007] § 1629 Rn. 304 mwN).

2. Nach der Auffassung des Oberlandesgerichts ist das minderjährige Kind Verfahrensbeteiligter. Da es nicht verfahrensfähig sei, bedürfe es eines gesetzlichen Vertreters. Die Mutter stehe in einem erheblichen Interessengegensatz, sodass ihr die Vertretungsbefugnis nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 BGB zu entziehen sei. Abweichend von der Intention des Gesetzgebers könne daher in der Mehrzahl der gerichtlichen Kindschaftsverfahren nicht auf die Bestellung eines Ergänzungspflegers verzichtet werden. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands reiche nicht aus, weil dieser nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes sei. Der Eingriff in die grundgesetzlich geschützte elterliche Sorge sei als nur vorübergehend hinzunehmen, um dem rechtlichen Gehör des Kindes als Rechtssubjekt effektive Geltung zu verschaffen.

3. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, führt das Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Kind und Eltern nicht notwendigerweise zur Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis. Da es sich bei der Entziehung der Vertretungsbefugnis um einen Eingriff in das Elternrecht handelt, ist vielmehr der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Daher hat das Gericht vor Entziehung der Vertretungsbefugnis in jedem Fall zu prüfen, ob dem Interessengegensatz nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann. Wenn mildere Maßnahmen möglich sind, um dem Interessenkonflikt wirksam zu begegnen, ist die Entziehung der Vertretungsbefugnis übermäßig und daher rechtswidrig (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 18 mN).

Die Wahrnehmung der Kindesinteressen ist hingegen in einem auf die Person bezogenen Kindschaftsverfahren die originäre Aufgabe des Verfahrensbeistands. Dass in Fällen des wesentlichen Interessengegensatzes von Eltern und Kind stets eine Entziehung der Vertretungsbefugnis angezeigt wäre, kann nicht als Wille des Gesetzgebers unterstellt werden, schon weil er sich damit zu seiner abgewogenen eigenen Entscheidung zur Reichweite der Interessenvertretung des Kindes im Verhältnis zum Elternrecht und zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen in Widerspruch gesetzt hätte (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 20, 25). Dass der Verfahrensbeistand nicht gesetzlicher Vertreter des Kindes ist, begründet nicht die Notwendigkeit, die elterliche Vertretungsbefugnis zu entziehen. Gerade die der Regelung in § 158 Abs. 4 Satz 6 FamFG zugrunde liegenden Erwägungen zeigen, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers mit der Bestellung des Verfahrensbeistands als Interessenvertreter des Kindes selbst bei Interessenkonflikten regelmäßig auch bewenden soll (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 22).

§ 1796 BGB ist demnach im Zusammenhang mit Kindschaftsverfahren dahin zu verstehen, dass eine Entziehung der elterlichen Vertretungsbefugnis dann nicht angeordnet werden darf, wenn durch die Bestellung eines Verfahrensbeistands bereits auf andere Weise für eine wirksame Interessenvertretung des Kindes Sorge getragen werden kann. Das ist in Verfahren, welche die Person des Kindes betreffen, der Fall. Die Bestellung eines Verfahrensbeistands ist dabei nicht auf Verfahren, die die Personensorge betreffen, beschränkt, sondern erfasst alle Verfahren, die sich nicht ausschließlich auf Vermögensangelegenheiten beziehen (Senatsbeschluss vom 7. September 2011 - XII ZB 12/11 - FamRZ 2011, 1788 Rn. 29).

b) Nach den vorstehenden Maßstäben war im vorliegenden Fall die Bestellung eines Verfahrensbeistands zulässig und ausreichend. Die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist demnach wie die damit verbundene Entziehung der Vertretungsbefugnis nicht geboten und daher unzulässig. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, weil es weiterer Feststellungen nicht bedarf. Demnach ist der Beschluss des Amtsgerichts - ersatzlos - aufzuheben. ..."

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Ein Kind lebt im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem das Schwergewicht der tatsächlichen Betreuung liegt (BGH, Urteil vom 21.12.2005 - XII ZR 126/03).

*** (OLG)

Bei der Geltendmachung von Kindesunterhalt im paritätischen Wechselmodell bei verheirateten Eltern ist, sofern man in § 1629 Abs. 3 BGB nicht auf das Tatbestandsmerkmal der Obhut ohnehin verzichtet, die Vorschrift des § 1629 Abs. 3 BGB analog anzuwenden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.03.2024 - 5 UF 219/23).

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In einem Unterhaltsabänderungsverfahren des nicht mit der Mutter verheirateten Vaters gegen die Tochter ist die Mutter berechtigt die Tochter allein zu vertreten. Der Vater ist aufgrund der Einleitung des Unterhaltsabänderungsverfahrens trotz gemeinsamer elterlicher Sorge gem. § 1629 II 1 BGB, § 1824 II BGB, § 181 BGB von der Vertretung seiner Tochter ausgeschlossen. Die elterliche Sorge wächst insoweit bei der Mutter an (BGH, Beschluss vom 24. März 2021 - XII ZB 364/19, FamRZ 2021, 11271 = Rpfleger 2022, 384, juris Rn. 18). Einer Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft bedarf es nicht (OLG Hamburg, Beschluss vom 12.10.2023 - 12 UF 81/23).

***

Zahlung des Mehrbedarfes beim Wechselmodell (OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.11. 2022 - 13 UF 24/21):

„ ... Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist auch mit Blick auf das nach der erstinstanzlichen Entscheidung zwischen den Eltern geübte Wechselmodell zulässig.

Zwar ist in Fällen des paritätischen Wechselmodells kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nicht (BGH, FamRZ 2006, S. 1015, Rn. 9; BGH FamRZ 2014, S. 917, Rn. 16), sodass die Mutter den Antragsteller in diesem Verfahren nicht mehr allein vertreten kann. Allerdings ist dieser Mangel in Folge des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 14.10.2021 nunmehr durch die Vertretung des Antragstellers durch das Jugendamt als Ergänzungspfleger behoben. Auch Bedenken in Bezug auf die Postulationsfähigkeit gemäß §114 FamFG bestehen insoweit nicht, da der Antragsteller durchgängig durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigten vertreten wird. Die Beschwerde hat in der Sache allerdings nur teilweise Erfolg.

Soweit die Beschwerde die erstinstanzliche Unzuständigkeit des angerufenen Familiengerichts rügt, gilt § 65 Abs. 4 FamFG. Danach kann die Beschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

Ebenfalls unschädlich ist der Umstand, dass in den Schriftsätzen der Antragstellerseite nicht durchweg klar wird, dass nicht die Mutter, sondern das Kind Antragsteller im Verfahren ist. Maßgeblich ist die Parteienbezeichnung im Rubrum und der Antrag, der darauf gerichtet ist, Zahlung an den Antragsteller zu Händen seiner Mutter zu leisten.

Die hier streitigen Kosten eines privaten Schulbesuchs sind unterhaltsrechtlich als Mehrbedarf zu qualifizieren (BeckOGK/Wendtland, 1.8.2022, BGB § 1610 Rn. 138.1). Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht oder nicht vollständig erfasst werden kann, andererseits aber kalkulierbar ist (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. Mai 2021 - 9 UF 174/20 -, Rn. 11, juris; Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis.10. Auflage 2019, Rn. 232 -beck-online-).

Der Antrag auf Zahlung von Mehrbedarf ist - wie hier - als Leistungsantrag statthaft. Beim Kindesunterhalt ist der Zusatzantrag für einen Mehrbedarf neben der bestehenden Titulierung des Tabellenunterhalts zulässig, weil der Barunterhaltsbedarf des Kindes auch bei günstigen Einkommensverhältnissen von vornherein nicht den Betreuungs- und Erziehungsbedarf des Kindes erfasst, hierfür vielmehr zusätzliche Mittel zu veranschlagen sind (vgl. Wendl/Dose UnterhaltsR, § 10 Verfahrensrecht Rn. 169, beck-online).

Die Frage der Notwendigkeit des Besuchs einer Privatschule stellt sich entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht, denn mit der Unterzeichnung des Schulvertrages hat er dem Besuch bereits vorbehaltlos zugestimmt. Der mit dieser Grundentscheidung einverstandene Antragsgegner muss dann auch die Rechtsfolgen tragen, die losgelöst von der mangels Vertragspartnerschaft tatsächlich im Außenverhältnis nicht bestehenden Schuldverpflichtung gegenüber dem Schulträger einzig nach den dafür - unterhaltsrechtlich - geltenden Maßstäben zu beurteilen sind (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. Mai 2021 - 9 UF 174/20 -, Rn. 17, juris).

Der verfahrenseinleitende auf eine fortlaufende unbefristete monatliche Zahlung gerichtete Antrag ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller von Anfang an die Beteiligung nur am Schulgeld für das Schuljahr 2019/2020 begehrt hat, nachdem seine Mutter das sich auf 4.845,80 € belaufende Schulgeld für dieses Schuljahr (incl. Einschreibegebühr von einmalig 50 €) vollständig verauslagt hatte. Entsprechend hat der Antragsteller mit den Schriftsätzen vom 30.12.2019 und 31.01.2020 den Mehrbedarf mit dem einmaligen Jahresbetrag für das Schuljahr 2019/2020 abzüglich des Verpflegungsanteils von 780 € (vgl. hierzu BeckOGK/Wendtland, 1.8.2022, BGB § 1610 Rn. 134.1), geltend gemacht. Der Mehrbedarf beträgt danach im Schuljahr 2019/2020 4.065,80 €.

Am Mehrbedarf muss sich grundsätzlich auch der Elternteil beteiligen, der ein minderjähriges Kind betreut und dadurch regelmäßig nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seine Unterhaltspflicht erfüllen würde, wenn er über Einkünfte verfügt, insbesondere, wenn er erwerbstätig ist oder ihn eine Erwerbsobliegenheit trifft (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 17. Mai 2021 - 9 UF 174/20 -, Rn. 12, juris). Nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB haften die Eltern insoweit nicht als Gesamtschuldner, sondern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2022 - XII ZB 325/20 -, Rn. 43, juris; BGH, FamRZ 1998, 286, 287 f. mwN).

Für den in der Vergangenheit liegenden Mehrbedarf im Jahr 2019 ist mangels Prognosebedarfs der einjährige Jahresdurchschnitt der Einkommen der Eltern in diesem Jahr maßgeblich (vgl. Senat Beschluss vom 11. Februar 2020 - 13 UF 71/15 -, Rn. 17, juris; Wendl/Dose UnterhaltsR, 10. Aufl., § 1 Rn. 73). Für den Mehrbedarf in 2020 schreibt der Senat mangels anderweitiger Anhaltspunkte das Einkommen aus 2019 fort.

Entsprechend dem Hinweis der Berichterstatterin durch Verfügung vom 02.08.2022, dem die Beteiligten innerhalb der gesetzten Frist nicht entgegengetreten sind, stellt sich das Einkommen der Eltern des Antragstellers in 2019 wie folgt dar:

Einkommen der Mutter des Antragstellers:

Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit: 43.568 €
Einkünfte aus Kapitalerträgen: 5.923 €
Summe: 49.491 €
./. Versorgungswerk 6.911 €
./. KV 4.395 €
./. PV 376 €
./. KV 569 €
./. Allianz-RV 1.150 €
./. Steuern für 2018 1.728 €
Ergebnis: 34.362 € : 12 = 2.864 € monatlich (gerundet)

Einkommen Antragsgegner:

Einkünfte aus Photovoltaik: 15.035 €
Einkünfte aus Vermietung: 4.114 €
Einkünfte aus Vermietung: 58.852 €
Einkünfte aus Vermietung: 1.219 €
Summe: 79.220 €
./. KV 4.044 €
./. PV 341 €
./. KV 10 €
Ergebnis: 74.825 € : 12 = 6.235 € (gerundet)

Die Haftungsverteilung folgt den Grundsätzen für die Berechnung der Haftungsanteile des Volljährigenunterhalts. Vor der Gegenüberstellung der jeweiligen Einkommen ist bei jedem Elternteil ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 298/12 - FamRZ 2013, 1563 Rn. 12 mwN). Bei der Berechnung der jeweiligen Haftungsanteile ist zu beachten, dass das Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils bei der Ermittlung der vergleichbaren Einkünfte im Rahmen der Haftungsanteilsberechnung vorab um den geschuldeten Barunterhalt zu bereinigen ist (BeckOGK/ Winter, 1.5.2022, BGB § 1613 Rn. 221).

Entsprechend sind in die Berechnung der Quote auf Seiten der Mutter der in 2019 geltende Selbstbehalt von 1.300 € vom dargestellten Einkommen abzuziehen, sodass sich ein Betrag von 1.564 € ergibt.

Das Einkommen des Antragsgegners ist zusätzlich um den Barunterhalt der höchsten Einkommensstufe, den der Antragsgegner leistet, zu bereinigen. Der Zahlbetrag betrug in 2019 für den am 29.03.2013 geborenen Antragsteller bis einschließlich Februar 2019 in der ersten Altersgruppe 470 €, von März bis Juni 2019 in der zweiten Altersgruppe 553 € und ab Juli 2019 548 €. Entsprechend erfolgt die Quotierung im Januar und Februar 2019 nach einem Einkommen von 4.465 € (6.235 € - 1.300 € - 470 €), von März 2019 bis Juni 2019 von 4.382 € und ab Juli 2019 von 4.387 €.

Der Haftungsanteil des Antragsgegners beträgt in allen Zeitabschnitten gerundet 74 %. Zwar haben sich in 2020 der angemessene Selbstbehalt auf 1.400 € und der Kindesunterhalt in der höchsten Einkommensgruppe und 2. Altersstufe auf 577 € erhöht. Dies wirkt sich auf das rechnerisch ermittelte und auf volle Prozent gerundete Ergebnis aber nicht aus.

74 % vom Mehrbedarf in Höhe von 4.065,80 € ergeben einen Betrag von gerundet 3.009 €.

Mehrbedarf für die Vergangenheit - hier August und September 2019 - kann allerdings nur unter den Voraussetzungen von § 1613 BGB gefordert werden, also nur, wenn der Unterhaltspflichtige vor dem Anfall der Kosten zur Auskunft aufgefordert oder in Verzug gesetzt worden ist. Mangels vorgerichtlichen Auskunftsverlangens oder Mahnung kann der Antragsteller Zahlung erst ab Rechtshängigkeit, die mit Antragszustellung am 24.09.2019 erfolgt ist fordern, mithin ab September 2019, nicht hingegen für August 2019. 1/12 von 3.009 € betragen 250,75 €, sodass der Anspruch auf Mehrbedarf insgesamt 2.758,25 € (250,75 € x 11) beträgt.

Zur Zahlung dieses Betrags ist der Antragsgegner auf den erstmals in der zweiten Instanz gestellten Antrag des Antragstellers zu verpflichten. Nachdem das Amtsgericht den Antragsgegner nicht auf den tatsächlich gestellten, auf die Zahlung von insgesamt nur 2.485 € gerichteten Antrag, sondern unter Verletzung des aus § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO folgenden Grundsatzes auf einen lediglich angekündigten, in der Folge aber nicht gestellten Antrag verpflichtet hat, stellt der zweitinstanzliche Antrag des Antragstellers, die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners gleichwohl zurückzuweisen, eine - jedenfalls konkludente - Anschlussbeschwerde mit dem antragserweiternden Ziel dar, den Antragsteller über den erstinstanzlich gestellten Antrag hinaus nunmehr im zweiten Rechtszug zur Zahlung von insgesamt 3.659 € zu verpflichten. Dieser Antrag ist allerdings - wie vorstehend ausgeführt - lediglich in Höhe von 2.758,25 € begründet, sodass die Anschlussbeschwerde im Übrigen zurückzuweisen war.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 288, 291 BGB, §§ 113, 308 ZPO. Mit seinem Antrag hat der Antragsteller bereits fällig gewordenen Mehrbedarf für August und September 2019 in Höhe von insgesamt 435 € geltend gemacht. Wie dargestellt, bestand ein Anspruch auf Zahlung von Mehrbedarf mangels Verzugs für August 2019 nicht. Zinsen sind daher nur auf den für September 2019 geschuldeten Betrag zuzusprechen. Mangels anderweitigen Vortrags beträgt der vom Antragsteller für September geltend gemachte Betrag die Hälfte von 435 €, mithin 217,50 €. Gemäß §§ 113 FamFG, 308 ZPO waren Zinsen nur auf diesen Betrag auszusprechen. Zinsbeginn ist mangels vorherigen Verzugs erst der Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit. ..."

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Gründstücksübertragung auf die Kinder: Bei einer gemeinsamen Sorge für ein minderjähriges Kind tritt ein Vertretungsausschluss gem. §§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 BGB nur bei dem Elternteil ein, in dessen Person die Voraussetzungen des § 1795 BGB unmittelbar vorliegen. Liegen die Voraussetzungen für einen Vertretungsausschluss nur bei einem Elternteil vor, bleibt der andere Elternteil zur Vertretung des minderjährigen Kindes befugt und die Bestellung eines Ergänzungspflegers ist nicht erforderlich (OLG Köln, Beschluss vom 16.09.2022 - I-2 Wx 171/22).

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Ein Sorgerechtsentzug für ein Erbscheinerteilungsverfahren muss dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Er ist nicht erforderlich, wenn zu erwarten ist, dass die Eltern im Interesse des Kindes handeln, und ihr Einfluss auf die Entschei-dung gering ist (OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.06.2022 - 7 WF 434/22).

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Nehmen getrennt lebende Eltern die Betreuung ihres Kindes in der Weise vor, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (sog. Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln, sodass kein Elternteil die Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Für diesen Fall, dass das betroffene Kind durch keinen der beiden Elternteile in der Frage der Geltendmachung von Kindesunterhaltsansprüchen vertreten wird, kommt entweder die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht oder derjenige Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, muss gem. § 1628 BGB die familiengerichtliche Übertragung der Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt herbeiführen (Fortführung OLG Celle, Beschluss vom 20. August 2014 - 10 UF 163/14 -, juris, vgl. in diesem Zusammenhang auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den Verfahren 10 WF 186/19, 10 UF 10/20 und 10 UF 16/20; OLG Celle, Beschluss vom 09.12.2019 - 10 UF 270/19).
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Die Voraussetzungen einer Verfahrensstandschaft nach § 1629 Abs. 3 BGB entfallen mit Einrichtung eines Wechselmodells. Mit dem Wegfall der Voraussetzungen einer Verfahrensstandschaft entfällt die Befugnis zur Geltendmachung laufenden wie rückständigen Kindesunterhalts (vgl. BGH FamRZ 2013, 1378 Rn. 6; MüKoBGB/Huber, 7. Aufl. 2017, BGB § 1629 Rn. 83; Döll in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 1629 BGB, Rn. 19b, jew. m.w.N.; OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.09.2019 - 13 UF 154/19).

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Mit dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes kann der vormals legitimierte Elternteil weder wegen eines laufenden Unterhalts noch wegen Unterhaltsrückständen aus der Zeit der Minderjährigkeit des Kindes die Zwangsvollstreckung betreiben (OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.09.2019 - 9 UF 232/18).

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Vermögender Unterhaltsschuldner: Das minderjährige Kind, vertreten durch den obhutgewährenden Elternteil, ist berechtigt, eine Abänderung der in der notariell beurkundeten Scheidungsfolgenvereinbarung seiner Eltern enthaltenen Regelung zum Kindesunterhalt zu verlangen, wenn ihm in der Urkunde ein eigenes Forderungsrecht eingeräumt wurde. Die Einräumung eines eigenen Forderungsrechts kann angenommen werden, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil sich ausdrücklich auch gegenüber dem Kind der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterworfen hat und vereinbart wurde, dass dem Kind jederzeit eine eigene vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann. Der Antrag, einen Unterhaltstitel abzuändern, ist zulässig, wenn der Antragsteller Tatsachen vorträgt, aus denen sich eine wesentliche Änderung der dem abzuändernden Titel zugrundeliegenden Verhältnisse ergibt. Der Vortrag einzelner Umstände, die zu einer Änderung der maßgeblichen Verhältnisse geführt haben sollen, reicht dafür noch nicht aus, sondern vom Antragsteller ist auch die „Ergebnisrelevanz" der Umstände aufzuzeigen. Dafür ist es jedoch nicht erforderlich, dass bereits in der „Zulässigkeitsprüfung" eine vollständige Unterhaltsberechnung mit dem neuen Zahlenwerk vorgelegt wird, da dies zu einer Verlagerung der „Begründetheitsprüfung" in die Zulässigkeitsstufe führen würde, was abzulehnen ist. Im Rahmen der „Begründetheit" hat der Antragsteller die neuen, veränderten Parameter in das durch den Unterhaltstitel vorgegebene „Raster" einzustellen und im Sinne einer Differenzbetrachtung aufzuzeigen, dass bzw. inwieweit eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist und dass es ihm deshalb unzumutbar ist, an dem unveränderten Titel festgehalten zu werden. Dieser Vortrag setzt zwingend eine ziffernmäßig unterlegte Differenzbetrachtung voraus, weil es für § 313 BGB nicht ausreicht, dass sich lediglich einzelne Parameter geändert haben, wenn daraus nicht auch eine Änderung „per Saldo" resultiert. Bei diesen Grundsätzen bleibt es auch dann, wenn der Antragsteller von einer in der Urkunde vereinbarten Unterhaltsbemessung anhand der „Düsseldorfer Tabelle" auf eine Unterhaltsbemessung nach dem konkreten Bedarf übergehen will; auch dann ist von ihm darzulegen, dass eine wesentliche Veränderung in den der Unterhaltsberechnung ursprünglich zugrunde gelegten Verhältnissen eingetreten ist. Die Erklärung des Antragsgegners, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, führt nicht dazu, dass die Darlegung, inwieweit sich die aktuellen Verhältnisse gegenüber den Verhältnissen bei Errichtung der Unterhaltsurkunde verändert haben, entbehrlich wäre. Auch führt eine solche Erklärung nicht dazu, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens des unterhaltspflichtigen Elternteils ermittelt werden könnte. Dem Antragsteller ist es verwehrt, einen nicht im Stufenverhältnis stehenden, bezifferten Abänderungsantrag anzubringen und das Gericht aufzufordern, bei der Gegenseite auf der Grundlage von § 235 FamFG die für die Begründetheit des Abänderungsantrags erforderlichen Auskünfte einzuholen, weil mit der Schaffung von § 235 FamFG keine Abkehr von den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast in Unterhaltssachen verbunden ist. Der Unterhaltsanspruch des Kindes umfasst ausschließlich dessen eigenen Bedarf und nicht - wie beispielsweise im schweizerischen Recht nach Art. 285 Abs. 2 ZGB - den Lebensbedarf der primären Betreuungsperson des Kindes. Für das Unterhaltsrecht gilt das Prinzip der Zeitidentität: Da die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten jeweils zeitgleich in dem Zeitraum vorhanden sein müssen, für den Unterhalt verlangt wird, ist es dem Unterhaltsberechtigten verwehrt, den von ihm behaupteten konkreten Unterhaltsbedarf anhand von Belegen darzustellen, die aus anderen Zeitabschnitten herrühren, für die Unterhalt begehrt wird. Da die Unterhaltsgewährung für ein minderjähriges Kind (lediglich) die Befriedigung seines - ggf. auch gehobenen - Lebensbedarfs bedeutet, aber nicht Teilhabe am Luxus und weil der Grundbedarf eines Kindes u.?a. für Nahrung, Kleidung, Wohn- und Schulbedarf etc. regelmäßig bereits durch die Ansätze der „Düsseldorfer Tabelle" abgedeckt wird, sind vom Kind, das Kindesunterhalt auf der Grundlage einer konkreten Bedarfsberechnung begehrt, etwaige besonders kostenintensive Bedürfnisse aufzuzeigen und von ihm ist darzulegen, welche Mittel zu deren Deckung notwendig sind (KG Berlin, Beschluss vom 26.06.2019 - 13 UF 89/17).

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„... Soweit der Antragsgegner die Verfahrensführungsbefugnis der Antragstellerin rügt, dringt er damit nicht durch. Die Antragstellerin war und ist berechtigt, den Kindesunterhalt im eigenen Namen geltend zu machen. Zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens lagen die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 BGB vor, da die Beteiligten getrennt lebten. Diese gesetzliche Verfahrensstandschaft wirkt über die Rechtskraft der Scheidung hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Unterhaltsverfahrens fort (vgl. BGH FamRZ 2009, 494), so dass entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine Aufnahme der Kinder im Rubrum erfolgen musste.

Die Antragstellerin ist zudem verfahrensführungsbefugt bezüglich der nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB II BGB zunächst auf das Jobcenter übergegangenen Ansprüche und darüber hinaus auch legitimiert, Zahlung an sich zu fordern, da eine wirksame Rückübertragung vorliegt. Mit Vertrag vom 16.2.2015 (Ehegattenunterhalt und Kindesunterhalt) vereinbarte die Antragstellerin mit dem Leistungsträger, dem B A-Kreis, gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 SGB II die Rückübertragung der übergegangenen Ansprüche und verpflichtete sich zur gerichtlichen Geltendmachung. Der Senat teilt die gegen die Wirksamkeit der Rückübertragung vorgetragenen Bedenken nicht. Sofern, wie in der Literatur und vereinzelt in der Rechtsprechung (AG Lüdenscheid FamRZ 2002, 1207) vertreten wird, die Alleinvertretungsbefugnis gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sei auf die Geltendmachung von Unterhalt beschränkt, umfasse jedoch nicht andere Rechtsakte wie den Abschluss von (Rück-)Abtretungsvereinbarungen mit dem Sozialhilfeträger (Schürmann, FF 2016, 105 (115); Palandt/Götz, 77. Aufl. 2018, § 1629 Rn. 24; MüKoBGB/Huber, 7. Aufl. 2017, § 1629 BGB Rn. 81, beck-online) kann dem nicht gefolgt werden. Mit der Regelung des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB weist der Gesetzgeber in Bezug auf die Geltendmachung von Unterhaltssprüchen für gemeinsame Kinder unabhängig von der bestehenden Sorgerechtszuweisung dem Obhutsinhaber die Befugnis zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen Elternteil zu. Dies umfasst auch Annexansprüche wie Prozesszinsen, beschränkt sich also nicht nur auf die Geltendmachung der Unterhaltsansprüche selbst. Maßgeblich für die Vertretungsbefugnis ist die Obhut des Kindes, weitere Beschränkungen sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Die Befugnis zu Geltendmachung des Unterhalts umfasst auch damit verbundene Rechtsgeschäfte, etwa die Erteilung einer Freistellung im Innenverhältnis. Das Alleinvertretungsrecht des betreuenden Elternteils umfasst daher grundsätzlich auch den Abschluss einer Rückabtretungsvereinbarung (Klinkhammer in: Wendl/Dose, Unterhaltsrecht, § 8 Unterhalt und Sozialleistungen Rn. 274, beck-online; FA-FamR/Diehl, 11. Aufl. 2017, 14. Kap. Rn. 226 zu § 7 UVG).

Dies kann letztlich jedoch in vorliegenden Fall dahinstehen, da der Rückübertragungsvertrag ohnehin nur wirksam zwischen dem Leistungsträger und der Antragstellerin geschlossen werden konnte und auch geschlossen wurde und nicht zwischen dem Leistungsträger und den Kindern. Nach § 33 Abs. 4 S. 1 SGB II können die übergegangenen Ansprüche auf die Empfängerin oder den Empfänger der Leistungen rückübertragen werden. Nach § 38 Abs. 1 SGB II besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die oder der erwerbsfähige Leistungsberechtigte bevollmächtigt ist, SGB II-Leistungen auch für die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen entgegenzunehmen. Sozialrechtlich ist damit allein die Antragstellerin (Mutter) Empfängerin der Leistungen und damit Vertragspartnerin des Rückübertragungsvertrags. Sie handelt dabei nicht als gesetzliche Vertreterin der Kinder, sondern nur für sich selbst, als Empfängerin der Leistungen im Sinne des § 33 Abs. 4 S.1 SGB II.

Soweit der Antragsgegner darauf abstellt, der Vertrag enthalte unwirksame Regelungen, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. So besteht kein gesetzliches Verbot, dem Empfänger der Leistungen aufzugeben, Verfahrenskostenhilfe zu beantragen. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugestehen, dass etliche Vertragspassagen eindeutiger hätten formuliert werden können, jedoch führt dies nicht zu einer Unwirksamkeit der Rückübertragung. Vielmehr wurden die übergegangenen Ansprüche wirksam rückübertragen, sodass die Antragstellerin sowohl zur gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche als auch zur Beantragung der Zahlung an sich berechtigt ist mit der Folge, dass im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen ist, ob bzw. in welcher Höhe sich der Forderungsübergang vollzogen hat.

Dem Amtsgericht ist auch darin zuzustimmen, dass der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt bereits ab September 2013 verpflichtet ist. Er wurde außergerichtlich mit Schreiben vom 18.9.2013 zur Auskunftserteilung aufgefordert, so dass Unterhalt ab September 2013 zu zahlen war. Der Umstand, dass im Stufenantrag im Rahmen der unbezifferten Zahlungsstufe die Zahlung ab Dezember 2013 gefordert wurde, bewirkt keine Begrenzung des Verzuges auf Dezember 2013. Dies folgt schon daraus, dass in der Begründung des Antrages erkennbar Unterhalt ab September 2013 gefordert wird. Auch mit der Bezifferung des Zahlungsantrages, die mit Schriftsatz vom 6.8.2014 erfolgte, wurde Unterhalt ab September 2013 gefordert. Bei dieser Sachlage ist es der Antragstellerin nicht verwehrt, Unterhalt ab September 2013 zu fordern. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 24.10.2018 - 4 UF 137/17)

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Bei der Veröffentlichung von Fotos eines Kindes getrenntlebender gemeinsam sorgeberechtigter Eltern auf einer kommerziellen Zwecken dienenden Internetseite handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.05.2018 - 13 W 10/18).

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Im Fall des Wechselmodells ist die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt auf einen Elternteil gemäß § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers, weil damit auch die Entscheidungsbefugnis über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens geklärt wird. Der Einsatz eines Ergänzungspflegers ist im Regelfall auch nicht erforderlich, um einen konkreten Interessenkonflikt zu vermeiden (§ 1796 BGB ); regelmäßig liegt nur ein abstrakter Interessengegensatz vor wie auch in allen anderen Fällen, in denen ein Haftungsanteil der Elternteile zu bilden ist oder wenn gleichzeitig Trennungsunterhalt begehrt wird (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2016 - 6 UF 242/16):

„... Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

1. Wenn Eltern wie im vorliegenden Fall die Sorge für ihre Kinder gemeinsam zusteht, sind sie gemäß § 1629 Abs. 1 S. 1 BGB auch gemeinsam zur Vertretung der Kinder bei der Geltendmachung von Ansprüchen befugt. Dagegen liegt im Fall der Geltendmachung von Kindesunterhalt den gesetzlichen Regelungen über die Vertretung des Kindes in Unterhaltsverfahren die Vorstellung der alleinigen Betreuung des Kindes durch einen Elternteil und die in § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB vorgesehene Barunterhaltspflicht des nicht betreuenden Elternteils zugrunde. Dem entspricht § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB , der vorsieht, dass der Obhutselternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge befugt ist, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen allein zu vertreten. Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge in Fällen des paritätischen Wechselmodells aber kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsanspruch gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesen Fällen betreuen beide das Kind und eine alleinige Obhut i. S. des § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nicht (BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 9, m. Anm. Luthin; BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 16, m. Anm. Schürmann). Im Grundsatz müsste dann das Kind vertreten durch beide Elternteile auf der einen Seite seinen Unterhaltsanspruch gegen einen der vertretenden Elternteile auf der anderen Seite geltend machen. Praktisch würde das regelmäßig am Widerstand des Elternteils scheitern, von dem Unterhalt beansprucht werden soll. Es ergeben sich aber auch rechtliche Hindernisse. Bei (noch) verheirateten Eltern besteht grundsätzlich ein Vertretungsverbot, weil es Eltern ebenso wie Vormündern gemäß § 1629 Abs. 2 S. 1 i. V. mit § 1795 Abs. 1 Nr. 3 BGB untersagt ist, als Vertreter des Kindes gerichtliche Verfahren gegen ihren Ehegatten zu führen (OLG Hamburg, FamRZ 2015, 859, juris Rz. 3; Beschluss des Senats v. 12.7.2016 - 6 UF 60/16). Wenn die Eltern wie vorliegend geschieden sind, können sie das Kind wegen des sich aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 2 und 181 BGB ergebenden Verbots der In-Sich-Vertretung im Rechtsstreit nicht gemeinsam bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen einen von ihnen vertreten.

2. Der BGH hat in zwei Entscheidungen in Fällen geschiedener Eltern in nicht tragenden Teilen der Gründe ohne nähere Erläuterung ausgeführt, bei gleichmäßiger Betreuung eines Kindes gemeinsam sorgeberechtigter Eltern müsse der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil müsse beim FamG beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 16, m. Anm. Schürmann; BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 9, m. Anm. Luthin). Diese Ausführungen sind in der Literatur weitgehend unhinterfragt übernommen worden (Erman/Döll, BGB, 14. Aufl., § 1629 Rz. 19a; Hamdan, in: juris-PK, § 1629 BGB Rz. 70; Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB, 2015, § 1629 Rz. 336; MünchKomm/Huber, BGB, 6. Aufl., § 1629 Rz. 77; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1629 BGB Rz. 6).

Der Senat hält den Lösungsweg über § 1628 BGB für vorzugswürdig, weil der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die der Führung eines Unterhaltsverfahrens vorausgehende Entscheidung über das Ob seiner Einleitung als von der Vertretung des Kindes im Verfahren getrennt zu beurteilenden Teil der Ausübung der elterlichen Sorge angesehen hat (BGH, FamRZ 1975, 162 = NJW 1975, 345 Rz. 12-16; BGH, FamRZ 2009, 861 Rz. 30). Die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den mitsorgeberechtigten Elternteil führt gemäß § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB unmittelbar zur Alleinvertretungsbefugnis des anderen Elternteils. Die Einsetzung eines Ergänzungspflegers - so ihre noch anzusprechenden Voraussetzungen nach § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 1796 BGB überhaupt erfüllt sind - würde die Frage über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens noch ungeklärt lassen.

3. Der Beschwerde liegt die in jüngster Zeit in der Literatur vertretene Auffassung zugrunde, für die Geltendmachung von Unterhalt für durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern im Wechselmodell betreute Kinder sei zur Vermeidung von Interessenkonflikten immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen (vgl. Götz, FF 2015, 146, 149; Seiler, FamRZ 2015, 1845, 1850). Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar ist zuzugestehen, dass ein abstrakter Interessengegensatz zwischen dem vertretenden Elternteil und dem Kind nicht von der Hand zu weisen ist. Wenn Kinder von beiden Eltern zu gleichen Teilen betreut werden, sind die zu ihrer Vertretung bei der Geltendmachung von Unterhalt berechtigten Elternteile immer auch in eigenen Interessen berührt. Wenn bei aufgeteilter Betreuung kein Elternteil seine Unterhaltspflicht gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB allein durch Betreuung erfüllt, steht den Kindern gegen beide ein Barunterhaltsanspruch zu, der sich nach dem gemeinsamen Elterneinkommen bemisst und für den diese gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach Maßgabe ihres den angemessenen Selbstbehalt übersteigenden Einkommens haften (BGH, FamRZ 2014, 917 Rz. 29, m. Anm. Schürmann; BGH, FamRZ 2006, 1015 Rz. 16, m. Anm. Luthin). Erst im Ergebnis der Saldierung der beiderseitigen Anteile ergibt sich eine Zahlungsverpflichtung nur eines Elternteils, weil derjenige, der im höheren Maße für den Bedarf des Kindes einzustehen hat, die Hälfte der Differenz zwischen dem auf ihn und den anderen Elternteil [entfallenden Anteil] als Ausgleichszahlung zu erbringen hat (vgl. Niepmann/Schwamb, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 13. Aufl., Rz. 175a; Wendl/Dose/Klinkhammer, Unterhaltsrecht, 9. Aufl., § 2 Rz. 450).

Der vertretende Elternteil mag deshalb geneigt sein, den eigenen Haftungsanteil möglichst gering anzusetzen. Ähnliche Interessengegensätze nimmt die unterhaltsrechtliche Praxis jedoch üblicherweise hin, ohne dass sie in abstrakter Form Anlass zu einem Eingriff in die elterliche Sorge über § 1629 Abs. 2 S. 3 i. V. mit § 1796 BGB gegeben hätten. Anzusprechen sind in diesem Zusammenhang die Fälle, in denen der vertretungsberechtigte Elternteil neben Unterhaltsansprüchen der Kinder auch eigene Unterhaltsansprüche erhebt und deshalb geneigt sein könnte, für sich auf Kosten der Kinder höheren Unterhalt zu erstreiten (vgl. Niepmann/Schwamb, a. a. O.). Vergleichbar sind auch die Fälle, in denen der vertretungsbefugte Elternteil wegen eines erheblichen Einkommensunterschieds (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1558, m. Anm. Maurer) oder wegen der Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des in Anspruch genommenen Elternteils (vgl. BGH, FamRZ 2011, 1041, m. Anm. Hoppenz, S. 1045, sowie Anm. Volmer, S. 1647) mit für den Barunterhalt haftet. Im vorliegenden wie auch in den vergleichbar gelagerten Fällen hat nach Auffassung des Senats zu gelten, dass ein Vertretungsausschluss nach § 1796 BGB als Eingriff in die elterliche Sorge nicht ohne Weiteres wegen eines abstrakten Interessengegensatzes erfolgen darf, sondern einen im Einzelfall festzustellenden konkreten Interessengegensatz voraussetzt BGH, FamRZ 2008, 1156 Rz. 16, m. Anm. Zimmermann; OLG Frankfurt, NJW-RR 2005, 1382 Rz. 5; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl., § 1796 Rz. 2; Erman/Saar, BGB, 14. Aufl., § 1796 Rz. 1; Staudinger/Veit, BGB, 2014, § 1796 Rz. 6).

In den dargestellten unterhaltsrechtlichen Interessenkollisionen wird dem vertretenden Elternteil in der Regel verantwortungsbewusstes und die Interessen der Kinder vor die eigenen stellendes Handeln zugetraut. Anhaltspunkte für einen erheblichen Interessengegensatz zwischen der Mutter und den Kindern bestehen im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil das Einkommen der Mutter den angemessenen Selbstbehalt in sehr viel geringerem Maß überschreitet als das des gut verdienenden Vaters. ..."

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Es ist nicht geboten, ein knapp 3jähriges Kind, dessen getrennt lebende, jedoch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören, bereits jetzt endgültig in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren. Eine Entscheidung über das religiöse Bekenntnis löst nicht das Spannungsverhältnis, welches durch die Konfrontation des Kindes mit den unterschiedlichen Praktiken der Religionsausübung von Mutter und Vater bedingt ist. Es obliegt den Eltern, religiöse Toleranz gegenüber dem jeweils anderen Bekenntnis walten zu lassen und das verstandesmäßig noch nicht gereifte Kind insoweit keinen unnötigen Spannungen auszusetzen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.05.2016 - 20 UF 152/15).

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Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hält der andere Elternteil eine Urlaubsreise des Kindes in die Türkei für zu gefährlich, kann dies unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB auf den die Reise beabsichtigenden Elternteil entgegenstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2016 - 5 UF 206/16).

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Wechselt während des Kindesunterhaltsverfahrens die elterliche Obhut über das minderjährige Kind, so ist im Fall gemeinsamer elterlicher Sorge eine Vertretung durch den bisherigen Inhaber der Obhut nicht mehr zulässig. Der bisherige Inhaber der elterlichen Obhut kann auch nach dem Entfall seiner Vertretungsbefugnis noch eine Erledigungserklärung abgeben. Hingegen ist ein Beteiligtenwechsel jedenfalls in der Beschwerdeinstanz nicht mehr zulässig (OLG Hamm, Beschluss vom 14.04.2016 - 6 UF 54/15).

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Leben die verheirateten gemeinsam sorgeberechtigten Eltern voneinander getrennt, kann das Kind seinen Unterhaltsanspruch auch im eigenen Namen, vertreten durch den Beistand, geltend machen. Die §§ 1712 ff. BGB werden nicht durch § 1629 Abs. 3 BGB verdrängt (entgegen OLG Oldenburg (Oldenburg), 2. April 2014, 11 UF 34/14, JAmt 2014, 266 und OLG Celle, 10. April 2012, 10 UF 65/12, JAmt 2012, 599; OLG Schleswig, Beschluss vom 11.07.2014 - 10 UF 87/14).

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Der Anspruch nach § 1598a Abs. 1 BGB ist bewusst niederschwellig ausgestaltet; er gilt unbefristet und ist an keine besonderen Voraussetzungen gebunden (im Anschluss an OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1734 und OLG München, FamRZ 2011, 1878). Den Interessen des Klärungsberechtigten ist dabei grundsätzlich der Vorrang vor ggfls. anderslautenden Interessen des Kindes einzuräumen. Für eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls i.S.v. § 1598a Abs. 3 BGB genügen daher nicht schon allgemein die Härte, die der Verlust des rechtlichen Vaters ohnehin mit sich bringt, oder kaum vermeidbare psychische Störungen, sondern nur außergewöhnliche Umstände, welche atypische, besonders schwerwiegende Folgen für das Kind auslösen (im Anschluss an OLG Karlsruhe, FamRZ 2012, 1734 und Beschluss vom 13. März 2012, 2 WF 39/12, zitiert nach Juris). Der in § 1629 Abs. 2a BGB geregelte Ausschluss des Vertretungsrechts bezieht sich lediglich auf das gerichtliche Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB, nicht aber die außergerichtliche Zustimmungserklärung nach § 1598a Abs. 1 BGB. Dem außergerichtlich seine nach §§ 1598a Abs. 1, 1629 BGB für das Kind erforderliche Einwilligung verweigernden Elternteil kann daher trotz seiner nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 FamFG notwendigen Beteiligung an dem gerichtlichen Verfahren nach § 1598a Abs. 2 BGB für dieses Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht bzw. unter Mutwilligkeitsgesichtspunkten versagt werden (in Abgrenzung zu OLG Celle, FamRZ 2012, 467; OLG Koblenz, Beschluss vom 21.06.2013 - 13 WF 522/13).

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Der Antrag des anfechtungsberechtigten Kindes auf Anfechtung der Vaterschaft setzt die Entscheidung der insoweit sorgeberechtigten Person über die Ausübung des materiellen Gestaltungsrechts voraus (BGH FamRZ 2009, 861 ff.). Bei gemeinsamer elterlicher Sorge kann ein Elternteil allein eine solche Entscheidung für das Kind nicht treffen. In diesem Fall ist der Antrag des Kind als unzulässig abzuweisen (OLG Celle, Beschluss vom 25.06.2012 - 15 UF 73/12).

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Betrifft ein Sorgerechtsverfahren - wie bei der familiengerichtlichen Genehmigung einer Erbausschlagung - ausschließlich Vermögensangelegenheiten, so bedarf es bei Vorliegen eines erheblichen Interessengegensatzes zwischen Eltern und Kindern der Bestellung eines Ergänzungspflegers, die durch Bestellung eines Verfahrensbeistands nicht ersetzt werden kann (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 7. September 2011, XII ZB 12/11; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14.06.2012 - 6 UF 148/11).

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Soweit für minderjährige Kinder gem. § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB der obhutsausübende Elternteil als Prozessstandschafter tätig sein muss, ist eine Beistandschaft für die Kinder gem. § 1713 Abs. 1 BGB ausgeschlossen (Anschluss AG Regensburg, Urteil vom 24. April 2003, JAmt 2003, 364; entgegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 24. November 2006, JAmt 2007, 40). Macht das Jugendamt unter Berufung auf das Bestehen einer Beistandschaft im Namen minderjähriger Kinder Unterhaltsansprüche geltend, obwohl zum Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung die Voraussetzungen für eine Beistandschaft nicht vorliegen (hier: jedenfalls Wegfall des Obhutsverhältnisses des die Beistandschaft beantragenden Elternteils), haftet es als vollmachtloser Vertreter für die Verfahrenskosten (OLG Celle, Beschluss vom 08.05.2012 - 10 UF 65/12).

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Die allein sorgeberechtigte Mutter ist nicht nach § 52 Abs. 2 Satz 3 StPO an der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts ihres minderjährigen Kindes gehindert, wenn sie nicht Beschuldigte, sondern Geschädigte der fraglichen Straftat ist. Von einer Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 2 BGB ist abzusehen, wenn trotz eines konkret festgestellten oder erkennbaren Interessenwiderstreits zu erwarten ist, dass der Sorgerechtsinhaber dennoch im Interesse seines Kindes handeln wird ( OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.03.2012 - 2 WF 42/12):

„... I. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des am ...2005 geborenen minderjährigen J. Z. Sie ist Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge. Leiblicher Vater des Kindes ist deren früherer Freund, D. B., mit dem die Kindesmutter drei weitere jüngere Kinder hat. Seine Vaterschaft hat D. B. bislang nicht förmlich anerkannt.

Die Staatsanwaltschaft Mannheim führt nach einer Strafanzeige der Mutter unter dem Aktenzeichen …/12 ein Ermittlungsverfahren gegen D. B. (im Folgenden: Beschuldigter) wegen gefährlicher Körperverletzung, Vergewaltigung, Entziehung Minderjähriger und Bedrohung. Dem Beschuldigten wird insoweit unter anderem vorgeworfen, er habe am 05.11.2011 drei der gemeinsamen Kinder unter gegen sie gerichteten Todesdrohungen gegen den Willen der Mutter mitgenommen und sie erst gegen 23.30 Uhr desselben Tages wieder zurückgebracht. Weiter wird ihm vorgeworfen, er habe die Kindesmutter am 02.01.2012 im Beisein der Kinder gewürgt, so dass diese Todesangst gehabt habe, nicht mehr habe atmen können und für eine nicht näher bestimmte Zeitspanne das Bewusstsein verloren habe; von der Mutter habe der Beschuldigte erst abgelassen, nachdem J. ihn angefleht habe, seine Mutter am Leben zu lassen. Darüber hinaus wird dem Beschuldigten neben weiteren Straftaten vorgeworfen, er habe dem Vater der Kindesmutter am 16.01.2012 aus Verärgerung mit einem Elektroschocker mehrere Stromschläge versetzt.

Am 19.01.2012 hat das Amtsgericht Mannheim unter dem Aktenzeichen …/12 Haftbefehl gegen den Beschuldigten erlassen.

Die Staatsanwaltschaft beabsichtigt, J. Z. in dem Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten als Zeugen zu den Themenbereichen „Bedrohung/Körperverletzung von März/April 2011", „Entziehung der Kinder vom 05.11.2012", „gefährliche Körperverletzung vom 02.01.2012" und „Besitzverhältnisse am Elektroschocker" richterlich vernehmen zu lassen. Die Mutter hat einer Vernehmung ihres Sohnes J. zugestimmt.

Am 14.02.2012 hat die zuständige Ermittlungsrichterin J. richterlich vernommen, um dessen Verstandesreife und Aussagebereitschaft zu überprüfen. J. hat dabei der Richterin nach (kindgerechter) Erklärung, dass er keine Angaben zu machen brauche und dass man seinen „Papa" möglicherweise aufgrund seiner Aussage bestrafen werde, mitgeteilt, dass er etwas erzählen wolle. Ausweislich des Vermerks der Staatsanwaltschaft vom 15.02.2012 bestand aufgrund des per Video übertragenen Vorgesprächs mit J. bei den Verfahrensbeteiligten übereinstimmend der Eindruck, dass mit Blick auf die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes nicht mit Sicherheit von der notwendigen Verstandesreife von J. ausgegangen werden könne.

Mit Antrag vom 15.02.2012 hat die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht beantragt, für J. Z. eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 52 StPO" anzuordnen und das Jugendamt Rhein-Neckar-Kreis, Herrn A., als Ergänzungspfleger zu bestellen.

Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat diesem Antrag mit Beschluss vom 15.02.2012 entsprochen und gemäß §§ 1909, 1911 BGB eine Ergänzungspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Vertretung des Pflegebefohlenen im Verfahren …/12 der Staatsanwaltschaft Mannheim, insbesondere für die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts" angeordnet; das Jugendamt des Rhein-Neckar-Kreises wurde als Pfleger bestellt. Der Ergänzungspfleger, Herr A., hat in der Folge angekündigt, das Zeugnisverweigerungsrecht auszuüben.

Gegen den Beschluss des Rechtspflegers vom 15.02.2012 hat die Mutter mit Anwaltsschriftsatz vom 01.03.2012, beim Amtsgericht eingegangen am 05.03.2012, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt die Mutter aus, die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft lägen nicht vor. Insbesondere sei sie nicht gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO von der Vertretung ihres Sohnes und der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts ausgeschlossen, weil sie nicht Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens sei. Die Zustimmung des Beschuldigten sei für eine Vernehmung von J. nicht erforderlich, weil der Beschuldigte mangels Anerkennung seiner Vaterschaft nicht einmal rechtlicher Vater des Kindes sei, schon gar nicht aber Inhaber des Sorge- und Vertretungsrechts. Eine analoge Anwendung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO sei schon mangels Regelungslücke und mangels vergleichbarer Interessenlage ausgeschlossen. Das Familiengericht habe auch nicht geprüft, ob J. aussagebereit sei. Schließlich habe J., wie in der von ihr mit Schriftsatz vom 20.03.2012 vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme eines Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie bestätigt werde, die nötige Verstandesreife, um über seine Aussagebereitschaft selbst zu entscheiden.

Die Mutter beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwetzingen vom 15.02.2012 über die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft für das Kind J. Z. aufzuheben, hilfsweise, den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend abzuändern, dass ein anderer Mitarbeiter des Jugendamtes als Ergänzungspfleger bestellt wird.

Der Beschwerde der Mutter hat das Amtsgericht nicht abgeholfen (Entscheidung des Rechtspflegers vom 06.03.2012). Zur Begründung hat der Rechtspfleger ausgeführt, es bestehe ein Interessenkonflikt der Mutter als Geschädigter einerseits und als Inhaberin der elterlichen Sorge andererseits.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Vernehmungsprotokoll und die Beschlüsse des Amtsgerichts, die bei den Akten befindlichen Auszüge aus den polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten sowie auf die Schriftsätze des Verfahrensbevollmächtigten der Mutter einschließlich der vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

II. 1. Die Beschwerde der Mutter ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft liegen nicht vor.

Für Personen, die unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft stehen, ist gemäß § 1909 Abs. 1 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen, soweit die Eltern oder der Vormund an der rechtlichen Vertretung verhindert sind. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die Mutter ist als alleinige Inhaberin des Sorgerechts (§ 1626a Abs. 2 BGB) an der ihr nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB alleine zustehenden Vertretung ihres Kindes J. im Bereich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts im Ermittlungsverfahren gegen den leiblichen Vater des Kindes nicht gehindert.

a) Gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO steht einem minderjährigen Zeugen in Ermittlungsverfahren gegen Verwandte gerader Linie ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Hat der Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife von der Bedeutung seines Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so darf er nur vernommen werden, wenn er zur Aussage bereit ist und auch sein gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Hinsichtlich des Vorliegens oder Fehlens der erforderlichen Verstandesreife des minderjährigen Zeugen ist das Oberlandesgericht an die Einschätzung der vernehmenden Stelle gebunden (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 2010, 1996, m.w.N.). Von der erforderlichen Verstandesreife kann hiernach bei J. nicht ausgegangen werden, nachdem die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsrichterin letzte Zweifel an der nötigen Verstandesreife des Kindes nicht ausgeräumt sahen; auf die Einschätzung der Mutter des Kindes und des von ihr zu Rate gezogenen Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie kommt es insoweit nicht an.

b) Für eine Vernehmung von J., der ausweislich des richterlichen Vernehmungsprotokolls vom 14.02.2012 aussagebereit ist, bedarf es daher der Zustimmung seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin.

aa) Die Mutter ist vorliegend nicht nach § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO an der Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gehindert. Über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts kann der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Zeugen gemäß § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO nur dann nicht entscheiden, wenn er selbst - oder im Falle der gemeinsamen Vertretung durch beide Eltern der andere Elternteil - Beschuldigter des Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Mutter ist gemäß § 1626a Abs. 2 BGB Inhaberin der alleinigen elterlichen Sorge für J. und damit gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB seine alleinige gesetzliche Vertreterin. Da sie nicht Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens ist, ist sie an der Vertretung von J. bei der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts gemäß § 52 Abs. 1 StPO nicht nach § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO gehindert.

bb) Die Regelung in § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO ist auch nicht analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Umstritten ist bereits, ob die Vorschrift des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO auf den Fall entsprechend angewendet werden kann, dass der gesetzliche Vertreter mit dem Beschuldigten verheiratet ist (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O., 1996 f., m.w.N.). Die überwiegende Auffassung geht dabei unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut und das Fehlen einer Regelungslücke davon aus, dass eine entsprechende Anwendung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO auf die vorstehend genannte Fallgestaltung ausscheidet (LG Berlin, FamRZ 2004, 905, m.w.N.; OLG Nürnberg, a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 52 Rn. 20).

Erst Recht scheidet jedoch eine analoge Anwendung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO auf Fälle der vorliegenden Art aus, in denen der gesetzliche Vertreter nicht Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist, sondern Geschädigter der fraglichen Straftat. Eine Ausweitung des Regelungsbereichs des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO im Wege richterlicher Rechtsfortbildung verbietet sich mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz des damit verbundenen Eingriffs in das elterliche Vertretungs- und Sorgerecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) schon deshalb, weil § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO hierfür keine Grundlage bietet. Der klare und unzweideutige Wortlaut des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO erlaubt eine erweiternde oder analoge Auslegung, für die ein entsprechender Wille des Gesetzgebers auch nicht erkennbar ist, nicht. § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO enthält gerade keine zu verallgemeinernde Regelung in dem Sinne, dass die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch den gesetzlichen Vertreter ausscheidet, wenn bei diesem ein Interessenkonflikt besteht oder zu befürchten ist. Die Vorschrift regelt ausschließlich den speziellen Fall, dass der gesetzliche Vertreter oder (mindestens) einer der beiden gemeinsam zur gesetzlichen Vertretung berechtigten und verpflichteten Elternteile des Zeugen Beschuldigter eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist und damit nicht nur einem, sondern dem denkbar größten Interessenkonflikt unterliegt.

Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der engen Fassung des Wortlauts des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO um ein Redaktionsversehen handeln und damit eine unbeabsichtigte Regelungslücke vorliegen könnte, sind nicht erkennbar. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass die Vielzahl möglicher Interessenkonflikte des gesetzlichen Vertreters eines minderjährigen Zeugen in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren auf der Hand liegt und gerade der Fall, dass der gesetzliche Vertreter Opfer der dem Beschuldigten vorgeworfenen Straftat ist, in der Rechtswirklichkeit nicht selten auftritt; eine diesbezügliche Regelung hätte sich mithin aufgedrängt, wenn dies dem Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte. Der engen Fassung des § 52 Abs. 2 Satz 2 StPO ist daher im Gegenteil zu entnehmen, dass im Regelfall - auch bei bestehendem Interessenkonflikt - dem gesetzlichen Vertreter die Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts des Minderjährigen anvertraut ist und überlassen bleiben soll. Dies ergibt sich letztlich auch daraus, dass eine Entziehung der Vertretungsmacht des sorgeberechtigten Elternteils gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB nur dann in Betracht kommt, wenn ein erheblicher Interessengegensatz vorliegt und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der sorge- und vertretungsberechtigte Elternteil deshalb nicht mehr im Interesse des Kindes entscheiden kann (vgl. MünchKommBGB/Huber, 6. Aufl., § 1629 Rn. 56).

c) Die Mutter ist an der Vertretung ihres Kindes bei der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 StPO auch nicht deshalb verhindert, weil ihr insoweit die gesetzliche Vertretung gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB zu entziehen ist.

Die angefochtene Entscheidung ist nicht im Sinne einer Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB für den Teilbereich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts zu verstehen, sie ordnet lediglich eine Ergänzungspflegschaft an. Der Rechtspfleger wäre zwar gemäß § 3 Nr. 2a RPflG für eine Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB funktional zuständig gewesen, weil eine Ausnahme von der Zuständigkeit des Rechtspflegers für Kindschaftssachen nach § 14 RPflG nicht vorliegt (vgl. BGH NJW 2009, 1496 ff.). Eine solche Entscheidung wurde jedoch nicht getroffen. Durch den Beschluss vom 15.02.2012 wurde eine Entziehung der elterlichen Vertretungsmacht weder ausdrücklich noch konkludent angeordnet. Eine Entziehung des elterlichen Vertretungsrechts nach §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB wurde von der Staatsanwaltschaft auch nicht beantragt.

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht für den Bereich der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 52 Abs. 1 StPO liegen auch nicht vor. Gemäß §§ 1629 Abs. 2 Satz 3, 1796 Abs. 1 und 2 BGB kann das Familiengericht den sorge- und vertretungsberechtigten Eltern die Vertretung des Kindes für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten nur dann entziehen, wenn das Interesse des Kindes zu dem Interesse der Eltern oder einer der in § 1795 Nr. 1 BGB bezeichneten Personen in erheblichem Gegensatz steht. Zweck des § 1796 Abs. 1 und 2 BGB ist es, Loyalitätskonflikte, wie sie typischerweise bei Interessengegensätzen entstehen können, zu vermeiden. Ein erheblicher Interessengegensatz ist dabei gegeben, wenn das eine Interesse nur auf Kosten des anderen Interesses durchgesetzt werden kann und die Gefahr besteht, dass die sorgeberechtigten Eltern das Kindesinteresse nicht genügend berücksichtigen können (MünchKommBGB/Huber, a.a.O.). Erforderlich ist hierbei, dass im konkreten Einzelfall besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die sorgeberechtigten Eltern aufgrund eines erheblichen Interessengegensatzes nicht in der Lage sind, das Kindesinteresse in der gebotenen Weise zu berücksichtigen.

Ob ein erheblicher Interessenkonflikt im Sinne des § 1796 Abs. 2 BGB vorliegt, kann jedoch vorliegend dahin gestellt bleiben. Von einer Entziehung der Vertretungsmacht ist nämlich schon dann mit Blick auf den immer strikt zu wahrenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abzusehen, wenn trotz eines konkret festgestellten oder erkennbaren Interessenwiderstreits zu erwarten ist, dass der Sorgerechtsinhaber dennoch im Interesse seines Kindes handeln wird (OLG Stuttgart, FamRZ 1983, 831; OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, 51 f. Staudinger/Peschel-Gutzeit, BGB, Neubearb. 2007, § 1629 Rn. 284 f.).

Dies ist vorliegend der Fall. Der Senat erwartet eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung der Mutter über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts des Kindes. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter trotz einer möglichen Interessenkollision nicht zu einer Entscheidungsfindung in der Lage wäre, die sich am Kindesinteresse orientiert, sind nicht erkennbar. Zu berücksichtigen ist dabei mit Blick auf die von der Mutter im Interesse des Kindes zu treffende Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts, dass nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass eine Aussage des Kindes in dem Ermittlungsverfahren gegen seinen leiblichen Vater die Interessen des Kindes verletzt. Neben dem Interesse des Kindes, eine erneute Konfrontation mit den belastenden Situationen, die es bezeugen soll, zu vermeiden, und einem möglichen Interesse des Kindes, seinen biologischen Vater nicht belasten zu müssen, kann auch ein erhebliches Interesse des Kindes anzuerkennen sein, durch seine Aussage eine Verurteilung des leiblichen Vaters zu ermöglichen und hierdurch weitere Straftaten gegen sich, seine Geschwister und seine Mutter zu verhindern. Dies gilt vorliegend insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass ausweislich der bisherigen Ermittlungsergebnisse keine engere sozial-familiäre Beziehung zwischen J. und dem Beschuldigten besteht, sondern sich die Beziehung des Kindes zu seinem leiblichen Vater bislang auf unregelmäßige Besuchskontakte beschränkt hat, die nicht selten von Gewalt gegen die Mutter und Bedrohungen - auch gegen das Kind - geprägt waren. ..."

***

Die Entziehung der Vermögenssorge gem. § 1666 BGB durch den Richter kommt bei einer Gefährdung von Vermögensinteressen nur als letztes Mittel in Betracht, wenn Maßnahmen gem. § 1667 BGB nicht mehr ausreichen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Rechtspfleger bereits bei jeder denkbaren Vermögensgefährdung einen „erheblichen Interessengegensatz" i.S. von § 1796 BGB annimmt und gem. § 1629 II Satz 3 BGB eingreift (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2005 - 5 UF 317/04, NJW-RR 2005, 1382).



§ 1631 b Mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung

Eine Unterbringung des Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, bedarf der Genehmigung des Familiengerichts. Die Unterbringung ist zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.

Leitsätze/Entscheidungen:

In Verfahren, die die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Kindes betreffen, welches das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, setzt die Beschwerdebefugnis einer Person seines Vertrauens nach § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG nicht voraus, dass diese von dem Kind benannt worden ist. Zur Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines minderjährigen Kindes nach § 1631b BGB (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. Juli 2012, XII ZB 661/11, FamRZ 2012, 1556; BGH, Beschluss vom 24.10.2012 - XII ZB 386/12):

„... I. Die Rechtsbeschwerdeführerin wendet sich gegen die Genehmigung der Unterbringung ihres am 30. Juni 1999 geborenen Enkels in einer geschlossenen Abteilung einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung.

Der allein sorgeberechtigten Kindesmutter wurde das Recht zur Aufenthaltsbestimmung, zur Zuführung zur medizinischen Behandlung, zur Regelung der ärztlichen Versorgung und Schulangelegenheiten sowie zur Beantragung von Jugendhilfemaßnahmen nach §§ 27 ff. SGB VIII entzogen und auf das Stadtjugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Wegen massiver Auffälligkeiten im sexuellen Bereich hatte das Amtsgericht auf Antrag des Stadtjugendamts am 29. September 2011 die Unterbringung des betroffenen Kindes gemäß § 1631 b BGB in einer geschlossenen Intensivgruppe für sexuell übergriffig agierende männliche Kinder und Jugendliche und das nächtliche Einschließen des betroffenen Kindes in seinem Zimmer in der Zeit von 21:30 Uhr bis maximal 8:00 Uhr sowie während der Teamkonferenz für die Dauer von maximal 3 Stunden bis zum 31. März 2012 genehmigt. Die gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerden der Kindesmutter und der Großmutter hatten keinen Erfolg.

Im Dezember 2011 hat der Ergänzungspfleger die Verlängerung der Genehmigung der geschlossenen Unterbringung des betroffenen Kindes beantragt. Nach Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens und der Anhörung des Kindes in Anwesenheit des Verfahrensbeistands und des Verfahrensbevollmächtigten der Großmutter hat das Amtsgericht die geschlossene Unterbringung des Kindes bis zum 29. Januar 2013 genehmigt.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Großmutter hatte keinen Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde möchte sie die Aufhebung der Genehmigung der Unterbringung erreichen.

II. Die Rechtsbeschwerde ist ohne Zulassung statthaft (§ 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FamFG) und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat eine Beschwerdeberechtigung der Großmutter gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG bejaht und im Übrigen zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine geschlossene Unterbringung des Kindes gemäß § 1631 b BGB lägen nach den Feststellungen des Sachverständigen vor. Der Sachverständige sei zu der Diagnose gelangt, dass bei dem betroffenen Kind eine Störung der psychosexuellen Entwicklung und eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens vorlägen. Diese Diagnose stütze sich nicht allein auf die Angaben des Kindes, sondern beruhe auf den seit mehreren Jahren dokumentierten Auffälligkeiten in dessen Sexualisierungsverhalten.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen sei von einer erheblichen Selbst- und Fremdgefährdung des Kindes insbesondere aufgrund der vorliegenden Störung der psychosexuellen Entwicklung auszugehen. Diese könne unbehandelt zu einer schweren Störung des Sexualverhaltens führen. Eine derartige Entwicklung sei nicht nur zu vermeiden, um eine zukünftige Fremdgefährdung abzuwenden, sondern auch deshalb, weil eine derartige Entwicklung für den Betroffenen selbst mit einem erheblichen und oft lebenslang wiederkehrenden Leidensdruck verbunden sei. Eine solche Entwicklung sei als eine protrahierte erhebliche Gefährdung zu betrachten, zu deren Abwendung dringend eine weitere geschlossene Unterbringung des Kindes erforderlich sei. Eine adäquate Behandlung des Kindes sei derzeit weder in einer offenen Einrichtung noch im ambulanten Rahmen möglich, weil die Gefahr einer Beendigung der Behandlung durch Weglaufen zu befürchten sei und die therapeutischen/pädagogischen Ziele gegenwärtig nur unter den strukturierten Bedingungen eines geschlossenen Bereichs zu erreichen seien. Es gebe keine Alternative zu einer geschlossenen Unterbringung.

Auch die im November 2011 stattgefundenen sexuellen Kontakte mit anderen Jugendlichen aus der Wohngruppe stellten die gesamte Behandlung des Kindes in der Einrichtung nicht in Frage. Ein hundertprozentiger Schutz vor solchen sexuellen Kontakten könne nirgendwo geboten werden, insbesondere auch nicht bei einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung gemäß § 35 SGB VIII, auf die die Großmutter abstelle. Außerdem wäre sowohl die Eigengefährdung des Kindes als auch die Fremdgefährdung im Hinblick darauf, dass sich das Kind selbst keine Grenzen setze und sich auch nicht an die Grenzen sexueller Selbstbestimmung anderer halten wolle, außerhalb einer geschlossenen Einrichtung viel größer. Diese - durch die Kontroll- und Einschlussmaßnahmen so weit wie möglich reduzierte - Kindeswohlgefährdung müsse daher in Kauf genommen werden.

Die zusätzliche Genehmigung des nächtlichen Zimmereinschlusses des Kindes sowie einmal wöchentlich während der Teamsitzung sei erforderlich, um das Kind in den Zeiten, in denen es durch Mitarbeiter der Einrichtung nicht persönlich beobachtet werden könne, einerseits vor Übergriffen durch Dritte zu schützen, andererseits Dritte vor Übergriffen durch das Kind zu schützen. Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kind eine Suizid- oder Selbstverletzungsgefahr bestünde, seien nicht ersichtlich. Die Unterbringungsdauer sei auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden.

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Zu Recht hat das Beschwerdegericht die Beschwerdebefugnis der Großmutter des betroffenen Kindes gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG bejaht.

aa) In Verfahren, die die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Minderjährigen nach § 1631 b BGB betreffen (§ 151 Nr. 6 FamFG) sind gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG die für Unterbringungsverfahren nach § 312 Nr. 1 FamFG geltenden Vorschriften anwendbar. Die Beschwerdeberechtigung anderer Beteiligter als dem betroffenen Kind bestimmt sich daher in diesen Verfahren nach § 335 FamFG, sofern - wie hier - der Beschwerdeführer nicht eine Verletzung eigener Rechte geltend macht. Da § 335 Abs. 1 Nr. 1 FamFG - anders als die in Betreuungsverfahren für die Beschwerdeberechtigung von Beteiligten maßgebliche Bestimmung des § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG - eine Beschwerdebefugnis für die Großeltern eines Betroffenen nicht vorsieht, richtet sich im vorliegenden Fall die Beschwerdebefugnis der Großmutter allein nach § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Danach steht das Recht der Beschwerde im Interesse des Betroffenen auch einer von dem Betroffenen benannten Person seines Vertrauens zu, wenn diese im ersten Rechtszug an dem Verfahren beteiligt worden ist.

bb) Zwar hat das betroffene Kind, wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat, seine Großmutter nicht ausdrücklich als Person seines Vertrauens benannt. Dadurch wird jedoch im vorliegenden Fall ihre Beschwerdebefugnis nicht in Frage gestellt.

§ 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG verweist in Verfahren über die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung von Minderjährigen nach § 151 Nr. 6 FamFG uneingeschränkt auf die für die Unterbringung von Volljährigen maßgeblichen Vorschriften der §§ 312 ff. FamFG. Die allgemein für Kindschaftssachen geltenden Vorschriften der §§ 151 ff. FamFG werden daher nach dem Wortlaut der Verweisung in § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG vollständig und abschließend durch die Vorschriften für das Verfahren in Unterbringungssachen ersetzt (MünchKommZPO/Heilmann 3. Aufl. § 167 FamFG Rn. 4; Musielak/Borth FamFG 3. Aufl. § 167 Rn. 2). Die §§ 151 ff. FamFG können daher in einem Verfahren über die Genehmigung einer Unterbringung eines Minderjährigen weder direkt noch entsprechend angewendet werden (MünchKommZPO/Heilmann 3. Aufl. § 167 FamFG Rn. 4).

Allerdings bleibt das Verfahren auch weiterhin eine Kindschaftssache i.S. v. § 151 FamFG. Deshalb können im Hinblick auf die besondere Bedeutung des Kindeswohls in diesen Verfahren (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078, 1079) bei der Auslegung der Unterbringungsvorschriften die Wertungen, die in den §§ 155 ff. zum Ausdruck kommen, berücksichtigt werden (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich/Ziegler FamFG 3. Aufl. § 167 Rn. 4).

Bei der Anwendung der §§ 312 ff. FamFG ist insbesondere zu berücksichtigen, dass § 167 Abs. 3 FamFG für die Unterbringung von Minderjährigen eine Einschränkung der Regelung des § 316 FamFG enthält, wonach der betroffene Volljährige in Unterbringungssachen ohne Rücksicht auf seine Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig ist (Keidel/Engelhardt FamFG 17. Aufl. § 167 Rn. 8). Minderjährige sind nach § 167 Abs. 3 FamFG in Unterbringungssachen hingegen erst mit Vollendung des 14. Lebensjahres verfahrensfähig. Bis zu diesem Zeitpunkt können Kinder ihre Verfahrensrechte nicht selbst wahrnehmen. Die in dieser Regelung zum Ausdruck kommende Wertung, dass es nicht sachgerecht ist, Minderjährige, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in Unterbringungsverfahren ihre Verfahrensrechte wahrnehmen zu lassen (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 183), führt bei der Auslegung des § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG dazu, dass von einem Kind, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, in einem Verfahren nach § 1631 b BGB auch nicht verlangt werden kann, dass es eine Vertrauensperson ausdrücklich benennt, damit diese gemäß § 315 Abs. 4 Nr. 2 FamFG am Verfahren beteiligt werden kann. In diesem Fall genügt es, wenn das Familiengericht aus den Äußerungen des Kindes oder den übrigen Umständen heraus erkennt, dass eine weitere Person existiert, der das Kind sein Vertrauen schenkt und deren Beteiligung an dem Verfahren im Interesse des Kindes geboten ist. Es steht dann im Ermessen des Familiengerichts, ob es diese Vertrauensperson am Verfahren beteiligt. Wird die Vertrauensperson am Verfahren beteiligt, steht ihr auch die Beschwerdebefugnis nach § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu, ohne dass sie von dem Kind benannt worden sein muss.

Diese Voraussetzung hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen. Nachdem der Mutter des Kindes das Sorgerecht teilweise entzogen worden ist, ist die Großmutter die einzige familiäre Bezugsperson des Kindes. Auch während des laufenden Verfahrens hat das Kind den Wunsch, den Kontakt zu seiner Großmutter aufrecht zu erhalten, mehrfach zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus ist durch entsprechende Äußerungen des Kindes gegenüber seinen Erziehern und dem Verfahrenspfleger deutlich geworden, dass es davon ausgeht, seine Großmutter werde seine Interessen in dem laufenden Verfahren wahrnehmen.

Da die Großmutter an dem Verfahren auch beteiligt worden ist, steht ihr das Beschwerderecht gemäß § 335 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu.

b) Zutreffend hat das Beschwerdegericht auch die Voraussetzungen der Genehmigung einer Unterbringung des betroffenen Kindes gemäß § 1631 b BGB bejaht.

aa) Nach Satz 1 der vorgenannten Bestimmung bedarf die Unterbringung eines Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, der Genehmigung des Familiengerichts. § 1631 b BGB ist durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl. I S. 1188) durch Einfügung des Satzes 2 konkretisiert worden. Die Unterbringung ist danach zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1631 b Satz 2 BGB). Die Neufassung stellt klar, dass die geschlossene Unterbringung aus Gründen des Kindeswohls erforderlich und verhältnismäßig sein muss. Die Entscheidung des Gerichts hat zugleich dem Freiheitsrecht des Minderjährigen Rechnung zu tragen. Eine geschlossene Unterbringung kommt daher nur als letztes Mittel und nur für die kürzeste angemessene Zeit in Betracht (vgl. auch Art. 37 Buchstabe b der UN-Kinderrechte-konvention). Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, Gründe für eine geschlossene Unterbringung abschließend aufzuzählen, da diese Gründe zu vielschichtig sind. Das Gesetz nennt aber beispielhaft die Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung. Im Fall der Fremdgefährdung kann die Unterbringung des Kindes geboten sein, wenn das Kind sich sonst dem Risiko von Notwehrmaßnahmen, Ersatzansprüchen und Prozessen aussetzt. Eigen- und Fremdgefährdung sind insoweit eng miteinander verbunden (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Juli 2012 - XII ZB 661/11 - FamRZ 2012, 1556 Rn. 19 mwN).

bb) Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss gerecht.

Die Unterbringung dient dem Wohl des betroffenen Kindes, weil sie zur Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung erforderlich ist.

Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachten festgestellt, dass das betroffene Kind an einer Störung der psychosexuellen Entwicklung und des Sozialverhaltens leidet, die unbehandelt zu einer schweren Störung des Sexualverhaltens führen kann. Dies stellt auch die Rechtsbeschwerde nicht in Frage. Nach den Ausführungen des Sachverständigen kann das Kind derzeit weder in einer offenen Einrichtung noch in einem ambulanten Rahmen ausreichend therapeutisch betreut werden. Aufgrund der vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen zu den Verhaltensauffälligkeiten des Kindes vor der Unterbringung in der Einrichtung, in der es sich jetzt befindet, durfte das Beschwerdegericht schließen, dass außerhalb einer geschlossenen Unterbringung die Gefahr besteht, dass sich das Kind Dritten gegenüber erneut sexuell auffällig verhält. Aufgrund des vom Sachverständigen dargestellten Krankheitsbildes ist die Annahme des Beschwerdegerichts, das Kind bedürfe einer pädagogischen und therapeutischen Betreuung, die nur im Rahmen einer geschlossenen Einrichtung erbracht werden kann, rechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund des Alters und der bisherigen Entwicklung des Kindes in der Einrichtung bestehen auch gegen den Zeitraum, für den die Unterbringung genehmigt wurde, keine rechtlichen Bedenken.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Verbleib des Kindes in der Einrichtung auch nicht deshalb kindeswohlgefährdend, weil es im November 2011 zu einem sexuellen Übergriff von zwei Jugendlichen aus der Wohngruppe des Kindes gekommen ist. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hat es sich hierbei um einen einmaligen Vorgang gehandelt, aus dem die Einrichtung entsprechende Konsequenzen gezogen hat. Weil gegen die beiden Jugendlichen ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, die Überwachungs- und Kontrollmechanismen innerhalb der Wohngruppe verstärkt wurden und weitere vergleichbare Vorfälle in der Folgezeit nicht festgestellt sind, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Beschwerdegericht annimmt, dass dieser Vorfall den Therapieerfolg nicht insgesamt in Frage stellen kann. Aus den Ausführungen des Sachverständigen ergibt sich zudem, dass dieser Vorfall therapeutisch aufgearbeitet werden konnte und die Entwicklung des Kindes in der Einrichtung nicht negativ beeinflusst hat.

cc) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bieten die Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auch eine ausreichend tragfähige Grundlage für die Beurteilung, ob die Unterbringung des Kindes in einer geschlossenen Einrichtung dem Kindeswohl dient. Der Sachverständige hat seine Diagnose und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen nicht allein auf die Angaben des Kindes gestützt. Ihm standen für die Begutachtung eine Vielzahl von Berichten über das Verhalten und die Auffälligkeiten des Kindes aus Zeiten zur Verfügung, in denen es sich in anderen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen aufgehalten hat. Zudem konnte der Sachverständige auf Berichte der derzeitigen Erzieher des Kindes sowie auf die Angaben des Verfahrenspflegers zurückgreifen. Die eigenen Angaben des Kindes waren daher, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht die alleinige Grundlage für das Gutachten. Inwieweit sich die von dem Kind geschilderten Vorfälle tatsächlich ereignet haben, nur seiner Fantasie entsprungen oder von ihm übertrieben dargestellt worden sind, war für die Erstellung des Gutachtens nicht von entscheidender Bedeutung. Daher bestand für das Beschwerdegericht auch kein Anlass, die Angaben des Kindes durch die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens zu verifizieren. Im Übrigen zeigen die Äußerungen gegenüber seinen Erziehern und dem Sachverständigen, dass das Kind nicht altersgemäß über Sexualität spricht und stützen damit letztlich die Diagnose des Sachverständigen einer nicht altersgerechten Sexualentwicklung.

3. Mit dem vorliegenden Beschluss erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag der Rechtsbeschwerdeführerin, die Wirksamkeit der Genehmigung einstweilen außer Vollzug zu setzen. ..."

*** (OLG)

Bei einem elfjährigen Kind stellt die Notwendigkeit, beim Verlassen der Station einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie einen in üblicher Schalterhöhe angebrachten Türentriegelungsknopf drücken zu müssen, keine genehmigungspflichtige Freiheitsentziehung dar (OLG Celle, Beschluss vom 02.09.2013 - 15 UF 177/13):

„... Die Voraussetzungen des § 1631b S. 1 BGB sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift bedarf die Unterbringung eines Kindes, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, der Genehmigung des Familiengerichts.

Das Tatbestandsmerkmal der „Unterbringung" ist durch die Fremdplatzierung von P. unzweifelhaft erfüllt (vgl. Veith in: Bamberger/Roth, Beck'scher Online-Kommentar BGB, Stand 1. November 2011, Edition 28, § 1631b BGB, Rn. 2; Staudinger/Salgo, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch im Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Neubearbeitung 2007, § 1631b, Rn. 11).

Eine Unterbringung eines Kindes ist jedoch nur dann genehmigungspflichtig, wenn sie mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist. Eine Freiheitsentziehung ist dann gegeben, wenn eine Maßnahme einem Menschen umfassend den Gebrauch der persönlichen Freiheiten nimmt, indem sie ihm die Möglichkeit entzieht, seinem natürlichen Willen folgend einen Raum zu verlassen (BVerfGE 10, 302, 309 f.; BGHSt 14, 314, 315 f.; 32, 183, 188 f.). Abzustellen ist daher darauf, ob das Kind die tatsächliche Möglichkeit hat, sich frei zu bewegen und selbst zu entscheiden, wohin es möchte (Hamdan in: jurisPK-BGB, 6. Auflage 2012, § 1631b Rn. 3). Maßgebend ist dabei lediglich der eingetretene Erfolg, nicht das eingesetzte Mittel oder der Zweck der Maßnahme (OLG Hamm FamRZ 1962, 302, 309 f.).

In Betracht kommen in erster Linie bauliche und raumgestaltende Maßnahmen wie Gitter, Zäune, Mauern, gesicherte Türen und Fenster sowie die Überwachungs- und Kontrollsysteme zur Verhinderung des Verlassens einer Einrichtung (Staudinger/Salgo, § 1631b Rn. 12). Bei geschlossenen Anstalten oder geschlossenen Abteilungen solcher Einrichtungen liegt regelmäßig eine Freiheitsentziehung vor. Aber auch in einer offenen Einrichtung kann das Festhalten auf einem bestimmten beschränkten Raum eine genehmigungspflichtige Freiheitsentziehung darstellen (BT-Drs. 8/2788, Seite 51).

Nicht genehmigungsbedürftig sind dagegen typische Freiheitsbeschränkungen partieller Art, wie sie zwangsläufig mit der Unterbringung von Minderjährigen in Einrichtungen einhergehen, insbesondere begrenzte Ausgangszeiten, Ausgehverbote, Hausarbeitsstunden oder auch Stuben- bzw. Hausarrest (BT-Drs. 8/2788, Seite 38). Gleiches gilt, wenn Minderjährige die Einrichtung nicht jederzeit verlassen können, z. B. weil das Haus nachts abgeschlossen wird (Staudinger/Salgo, § 1631b Rn. 13).

Bei der Abgrenzung zwischen der genehmigungsbedürftigen Freiheitsentziehung und der genehmigungsfreien Freiheitsbeschränkung verschiebt sich die Grenze mit zunehmendem Kindesalter, ohne dass es bestimmte, feste Altersgrenzen gibt (Huber in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 1631b Rn. 5; Veith, § 1631b Rn. 3). So kann sich eine Maßnahme für ein Kleinkind als Freiheitsbeschränkung darstellen, für einen Jugendlichen jedoch eine Freiheitsentziehung bedeuten. Abzustellen ist dabei darauf, ob die Freiheitsbeschränkung über das in diesem Alter übliche Maß hinausgeht (BT-Drs. 8/2788, S. 51; OLG Düsseldorf NJW 1963, 365, 367).

Die konkreten räumlichen Verhältnisse stellen für P. keine Freiheitsentziehung dar. Er ist nicht gehindert, außerhalb der hier nicht relevanten Nachtzeit, in der die Station abgeschlossen ist, diese zu verlassen, soweit es seinem natürlichen Willen entspricht. Er ist weder durch mechanische Sicherungsmaßnahmen noch durch technische Überwachung daran gehindert, den Türentriegelungsknopf zu drücken und sodann über die Tür die Station 50 zu verlassen und könnte sich sodann im gesamten Haus, auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie und darüber hinaus frei bewegen.

Zwar stellt die Notwendigkeit, einen Türentriegelungsknopf zu drücken, gegenüber dem bloßen Öffnen einer Tür mittels der Türklinke ein gewisses Hindernis dar.

Ein tatsächliches Hindernis ist darin jedoch nicht zu sehen, weil der physische und zeitliche Mehraufwand sehr gering ist. Er liegt in dem Erfordernis, zusätzlich im Vorbeigehen einen Taster zu drücken und bedarf zeitlich weniger als eine Sekunde.

Das Hindernis könnte eher in psychischer Hinsicht darin gesehen werden, dass durch das Erfordernis, einen Türentriegelungsknopf zu drücken, eine zusätzliche Hemmschwelle errichtet wird, die vom Kind überwunden werden muss. Dieses subjektive Hindernis geht aber nicht über die pädagogisch wirkenden Maßnahmen hinaus. Auf der Station 50 gibt es feste Ausgangsregeln, die für jedes Kind einsehbar in einem Ausgangsplan zusammengefasst sind. Den dort untergebrachten Kindern ist klar, dass sie sich an diese Ausgangsregel zur Vermeidung pädagogischer Maßnahmen zu halten haben. Solche Regeln sind der Erziehung immanent und notwendig, um die Bedeutung und Notwendigkeit von Grenzziehungen und etwaiger negativer Folgen bei Übertretungen zu erlernen.

Die Situation ist damit vielen anderen Alltagssituationen vergleichbar. So werden regelmäßig im häuslichen Bereich die Eltern bestimmen, ob, wann und wie lange ein Kind das Haus verlassen darf. Gleiches gilt für den schulischen Bereich, in dem es den Kindern regelmäßig untersagt ist, in Pausen den Schulhof zu verlassen. Kommt es in diesen Bereichen zu Regelverletzungen, sieht sich das Kind entsprechenden pädagogischen Maßnahmen, gleich welcher Art, ausgesetzt.

Gleiches gilt für die Station 50, in der das Verlassen der Station ohne vorheriges Abmelden oder entgegen den Festlegungen im Ausgangsplan gleichermaßen zu pädagogischen Maßnahmen wie etwa der Kürzung des Ausgangs führen würde. So sieht auch P. die Notwendigkeit, den Türentriegelungsknopf zu drücken, nicht als Hindernis an. Bei ihm wirken vielmehr die pädagogischen Maßnahmen, da er das Verlassen der Station ohne Bescheid zu sagen als „Abhauen" bezeichnete. Es ist daher festzustellen, dass allein die pädagogisch gesetzten Grenzen und ihre Akzeptanz dazu führen, dass die Station nicht ohne Erlaubnis verlassen wird. Der Türentriegelungsknopf ist dabei ohne Relevanz.

Insofern unterscheidet sich die Station 50 auch nicht von anderen Kinderstationen außerhalb der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auch in Abteilungen für Onkologie, innere Medizin oder Chirurgie dürfen Kinder im Alter von P. die Station nicht ohne Zustimmung des Stationspersonals verlassen.

Auch der Umstand, dass das Stationspersonal geschildert hat, dass eine - wenn auch nicht durchgängige - so jedoch weitreichende Beobachtung der Kinder stattfindet, so dass ein unerlaubtes Verlassen der Station voraussichtlich auffallen würde, ändert hieran nichts, weil Zielsetzung auch hier die Einhaltung bestehender Regeln mit pädagogischen Mitteln ist.

Ebenfalls führt das subjektive Empfinden von P., dass er sich „ein bisschen" eingesperrt fühle, nicht zur Annahme einer Freiheitsentziehung, weil es wie oben dargelegt an der Wesentlichkeit von objektiven Hindernissen, sich frei zu bewegen, fehlt. Er hat dies auf Nachfrage durch den beauftragten Richter auch dahin konkretisiert, dies beruhe auf dem „hohen Zaun" des Gartens. Der beauftragte Richter konnte feststellen, dass es sich hierbei um einen ca. 4 m hohen Stahlgitterzaun handelt, der das als geräumig zu bezeichnende Außengelände der Station vollständig umschließt.

Es ist nachvollziehbar, dass sich hieraus das Gefühl des Eingesperrtseins ergeben kann. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass es für die Frage der Freiheitsentziehung lediglich darauf ankommt, ob sämtliche Möglichkeiten, die Räumlichkeiten seinem freien Willen entsprechend zu verlassen, ausgeschlossen sind. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob dies von jedem Ort der Räumlichkeiten gleichermaßen möglich ist. Denn auch bei Hinwegdenken des Zauns wäre aufgrund der dort vorhandenen üblichen Böschungsbefestigung und des Bewuchses ein Verlassen des Geländes in einer Weise erschwert, die über das Hindernis durch den Türentriegelungsknopf weit hinausgeht. ..." (OLG Celle, Beschluss vom 02.09.2013 - 15 UF 177/13)


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Voraussetzung sowohl für die Erteilung als auch für die Verlängerung der familiengerichtlichen Genehmigung einer mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung eines Minderjährigen ist jeweils ein entsprechender Antrag des bzw. der Sorgeberechtigten (OLG Bremen, Beschluss vom 14.01.2013 - 5 UF 1/13).

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Wer (Mit-)Inhaber der elterlichen Sorge ist, muss grundsätzlich angehört werden (§ 167 Abs. 4 FamFG). Auch ein nicht- sorgeberechtigter Elternteil ist nach § 160 FamFG nur dann nicht anzuhören, wenn von der Anhörung eine Aufklärung nicht erwartet werden kann. Im Falle der Genehmigung der vorläufigen Unterbringung eines Minderjährigen ist das Jugendamt Beteiligter (OLG Naumburg, Beschluss vom 07.12.2009 - 8 UF 207/09).

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§ 1631 d Beschneidung des männlichen Kindes

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... I. Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für seinen Sohn auf die Kindesmutter.

1. Aus der Ehe der Kindeseltern ist ein im Jahr 2010 geborener gemeinsamer Sohn hervorgegangen. Im April 2011 trennten sich die Eltern. Seither lebt das Kind mit seiner Mutter in einem Haushalt. Zwischen den Eltern bestehen seit der Trennung erhebliche Streitigkeiten und Konflikte. Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde zunächst den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet. Im Rahmen des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens wurde - im Einverständnis mit den Eltern - die vorläufige Regelung wieder aufgehoben und bestimmt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.

a) Einige Monate später wurde der Mutter auf ihren Antrag hin durch Beschluss des Amtsgerichts das Sorgerecht für den Sohn zur alleinigen Ausübung übertragen. Das Gericht ging nach den Ermittlungen in diesem Verfahren davon aus, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

b) Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. Dezember 2012 wurde die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter seien gegeben. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge, die der Vater mit seiner Beschwerde erstrebe, setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Daran fehle es hier. Aus dem beiderseitigen Vortrag der Eltern ergebe sich, dass ihre Erziehungsvorstellungen erheblich voneinander abwichen. Insbesondere in der Bedeutung ihrer Religionszugehörigkeit unterschieden sich die Vorstellungen auch nach dem Vortrag des Antragstellers gravierend. Diese grundsätzlichen Unterschiede zeigten bereits erste Folgen in konkreten Kindesangelegenheiten, nämlich bei der Frage der Beschneidung des Kindes und der Ausstellung von Ausweispapieren. Auch wenn die Auswirkungen bislang noch gering erschienen, spreche alles dafür, dass in Zukunft weiterhin die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern ein Miteinander zum Wohl des Kindes nicht zuließen, sondern zu Streitigkeiten führten, in denen das Kind zum Objekt des Streites werde. Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung und mangelnden Kooperationsbereitschaft erscheine zumindest auf absehbare Zeit eine gemeinsame Elternberatung oder Mediation nicht erfolgversprechend. Die so beschriebene Situation sei auf Dauer dem Wohl des Kindes abträglich. Sei die gemeinsame Sorge der Eltern aufzuheben, komme nur die Übertragung des Sorgerechts auf seine Mutter in Betracht. Für das Kind sei die Mutter seit seiner Geburt und ganz besonders seit der Trennung vom Vater die Hauptbezugsperson.

2. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt der Antragsteller zur Abwehr schwerer Nachteile (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) die Aussetzung der Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts. Die schweren Nachteile bestünden darin, dass dem Kind durch die Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts ein Elternteil entzogen und damit auch der Schutz durch diesen vor Eingriffen in seine Grundrechte genommen sei.

Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus, zwischen den Eltern bestünden Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Religion, hier insbesondere bezüglich der Frage, ob der minderjährige Sohn beschnitten werden solle oder nicht. Ausweislich der Entscheidung des Landgerichts Köln (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) stelle die Beschneidung eines kleinen Jungen eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 in Verbindung mit § 224 Abs. 1 StGB dar. Damit bedürfe es auch im Rahmen der ausnahmsweisen Straffreistellung der Elternteile bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen einer gründlichen elterlichen Überlegung, ob sie ihrem Kind diese schmerzhaften Verletzungen im Kleinkindalter zumuten wollten oder ob hiermit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten sei. Bei Eltern, die diesbezüglich gegensätzliche Auffassungen hätten, sei eine Rechtfertigung dieser gefährlichen Körperverletzung zu verneinen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts diene damit lediglich dazu, in die körperliche Unversehrtheit des Kleinkindes einzugreifen, indem es des Schutzes durch den sorgeberechtigten Vater beraubt werde.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch dann nicht dringend geboten, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege, insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 17, 120 <122>; 21, 50 <51>; 29, 120 <125>; 35, 379 <380>; 37, 150 <151>). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller kann zunächst (einstweiligen) Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren suchen.

Der Antragsteller erstrebt beim Bundesverfassungsgericht die Aussetzung der fachgerichtlichen Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung, um zu verhindern, dass die Kindesmutter in Ausübung ihres alleinigen Sorgerechts die aus seiner Sicht kindeswohlgefährdende Beschneidung des Kindes vornehmen lässt.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 27. Dezember 2012 wäre die Vornahme der Beschneidung des Kindes unter Zugrundelegung der im Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) vertretenen Auffassung strafbar und der Mutter daher nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Mit dem nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 28. Dezember 2012 in Kraft getretenen Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (BGBl I 2012 S. 2749), wonach ‚§ 1631d - Beschneidung des männlichen Kindes' in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurde, hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschneidung von männlichen Kindern ausdrücklich eine gesetzliche Regelung erfahren. Danach könnte die Mutter als alleinige Personensorgeberechtigte im Rahmen der Ausübung der Gesundheitssorge gemäß § 1631d Abs. 1 Satz 1 BGB nunmehr grundsätzlich die Beschneidung des Kindes veranlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es vorliegend zu einer vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes kommt, dürfte damit gestiegen sein.

Vor diesem Hintergrund ist eine fachgerichtliche Entscheidung über eine einstweilige Verhinderung der vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes nicht unerreichbar. So könnte der Antragsteller nach § 166 FamFG, §§ 1696, 1671 BGB eine vorläufige Abänderung der Sorgerechtsentscheidung - zumindest in dem für die Beschneidung relevanten Teilbereich der Gesundheitssorge - beantragen. Ferner könnte er bei den Fachgerichten eine Prüfung nach § 1666 BGB mit dem Ziel veranlassen, einstweilen zu verhindern, dass die Mutter die Beschneidung des Kindes vornehmen lässt. Über den Erfolg solcher Anträge müssen zunächst die Fachgerichte nach der aktuellen geltenden Rechtslage entscheiden. Es ist dem Antragsteller auch zumutbar, vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen, da sich aus seinem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die Beschneidung des mittlerweile zweieinhalbjährigen Kindes unmittelbar bevorsteht. ..." (BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 13.02.2013 - 1 BvQ 2/13)

*** (OLG)

Zu den Voraussetzungen der summarischen Prüfung nach den §§ 49 ff., 26, 51 Abs. 1 S. 2, 31 FamFG im einstweiligen Sorgerechtsverfahren. Grundsätzlich erlaubt der am 28. Dezember 2012 in Kraft getretene § 1631d Abs. 1 BGB es den sorgeberechtigten Eltern bzw. dem allein sorgeberechtigten Elternteil, für ein noch nicht selbst urteils- und einwilligungsfähiges, mehr als sechs Monate altes Kind die Entscheidung zugunsten einer nicht medizinisch indizierten, aber nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchzuführenden Beschneidung aus autonomen kulturell-rituellen Gründen zu treffen. Auch ein deutlich unter 14 Jahre altes Kind ist bzgl. seiner möglichen eigenen Einwilligungs- und Urteilsfähigkeit durch das Familiengericht jedoch gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, denn selbst im Falle dabei nicht feststellbarer eigener Einwilligungsfähigkeit sind die geäußerten Wünsche und Neigungen des Kindes im Rahmen des § 1631d Abs. 1 BGB unter Berücksichtigung der §§ 1626 Abs. 2 S. 2, 1631 Abs. 2 BGB maßgeblich zu beachten. Der oder die sorgeberechtigten Elternteil(e) haben in einer dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechenden Art und Weise den beabsichtigten Eingriff mit ihm zu besprechen und in kindgerechter Weise zu versuchen, mit ihm Einvernehmen herzustellen. Die Entscheidung nach § 1631d Abs. 1 BGB ist nur dann nicht wirksam von den oder dem sorgeberechtigten Elternteil(en) zu treffen, sondern im Streitfall zwischen Eltern zumindest im einstweiligen Anordnungsverfahren auf einen neutralen Ergänzungspfleger zu übertragen, wenn zwischen den Eltern in Streit steht, ob die Beschneidung zu einer Gefährdung des Kindeswohls führen würde und sich im Rahmen einer Folgenabwägung kein gänzlich eindeutiges Ergebnis zugunsten der Beschneidung und gegen eine Kindeswohlgefährdung ergibt. Die Frage der Kindeswohlgefährdung ist grundsätzlich auch im Rahmen des § 1631d Abs. 1 BGB am Maßstab des § 1666 BGB zu beantworten. Rein medizinisch-gesundheitliche Bedenken können insoweit nicht maßgeblich sein, da § 1631d Abs. 1 BGB (in Kenntnis des Gesetzgebers von den geringen medizinischen Restrisiken einer ordnungsgemäß durchgeführten Beschneidung) gerade eine medizinisch nicht indizierte Beschneidung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Je nach der hohen oder weniger hohen Schutzwürdigkeit des im Vordergrund stehenden Motivs des sorgeberechtigten Elternteils zugunsten der beabsichtigten Beschneidung kann die Schwelle der entgegenstehenden Kindeswohlgefährdung niedriger als nach dem allgemeinen Maßstab des § 1666 BGB anzusetzen sein. Unabhängig von der Frage einer etwa entgegenstehenden Kindeswohlgefährdung setzt § 1631d Abs. 1 BGB die Erfüllung einer ungeschriebenen Tatbestandsvoraussetzung voraus: Die Wirksamkeit der Einwilligung der oder des Personensorgeberechtigten in die Beschneidung hängt von einer von ihnen bzw. ihm darzulegenden und nachzuweisenden ordnungsgemäßen und umfassenden Aufklärung über die Chancen und Risiken des Eingriffs durch die mit der Durchführung der Beschneidung beauftragten Person, regelmäßig einen Arzt, ab (OLG Hamm, Beschluss vom 30.08.2013 - 3 UF 133/13).

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§ 1632 BGB Herausgabe des Kindes; Bestimmung des Umgangs; Verbleibensanordnung bei Familienpflege

(1) Die Personensorge umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes von jedem zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält.

(2) Die Personensorge umfasst ferner das Recht, den Umgang des Kindes auch mit Wirkung für und gegen Dritte zu bestimmen.

(3) Über Streitigkeiten, die eine Angelegenheit nach Absatz 1 oder 2 betreffen, entscheidet das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils.

(4) Lebt das Kind seit längerer Zeit in Familienpflege und wollen die Eltern das Kind von der Pflegeperson wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag der Pflegeperson anordnen, dass das Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde.

Leitsätze/Entscheidungen:

1a. Kinder haben nach Art 2 Abs 1 und Abs 2 S 1 iVm Art 6 Abs 2 S 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können (zur Schutzverantwortung des Staates vgl BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, BVerfGE 24, 119 <144>; BVerfG, 19.02.2013, 1 BvL 1/11, BVerfGE 133, 59 <73 Rn. 42>).
1b. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates (vgl BVerfG, 16.01.2003, 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104 <117>).
1c. Diese Schutzpflicht gebietet dem Staat im äußersten Fall, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten. Zwar ist stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung zu tragen (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG; Art 6 Abs 3 GG). Genügen allerdings helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen zur Zielerreichung nicht, so darf und muss der Staat den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend, ggf sogar dauernd entziehen (vgl BVerfGE 24, 119 <144f>; BVerfG, 24.06.2014, 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382 <391 Rn 28>; BVerfG, 19.11.2014, 1 BvR 1178/14 <Rn 23>; stRspr ).
1d. Ob die Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab.
2a. Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht oder nicht mehr für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art 6 Abs 2 S 2 GG grds nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt.
2b. Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insb dann, wenn das Gericht nicht der Einschätzung der Sachverständigen oder der beteiligten Fachkräfte folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor (vgl BVerfG, 14.04.2021, 1 BvR 1839/20 <Rn 20>).
3. Zum strengen Kontrollmaßstab bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, die die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern oder des Aufrechterhaltens einer Trennung zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung betreffen, siehe bereits BVerfGE 136, 382 (391 Rn 28); BVerfG, 03.02.2017, 1 BvR 2569/16 (Rn 52); stRspr.
4. Hier: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Verfahrensbeiständin eines Kleinkindes gegen eine Entscheidung über dessen Rückführung von seinen Pflegeeltern zu seinem Vater (§ 1632 Abs 4 BGB) trotz Gefährdung des Kindeswohls.
4a. Die angegriffene Entscheidung legt nicht hinreichend dar, sich eine ausreichend zuverlässige Grundlage für die Prognose über die dem Kind drohenden Beeinträchtigungen verschafft zu haben, und weicht dennoch von den Empfehlungen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie des Ergänzungspflegers ab (wird ausgeführt).
4b. Zudem übergeht das OLG in seiner Abwägung erhebliche Umstände, die für eine Gefährdung des Kindeswohls bei der Betreuung durch den Vater sprechen (wird insb mit Blick auf Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und -willigkeit der im Entscheidungszeitpunkt mit dem Vater zusammenlebenden Mutter des betroffenen Kindes ausgeführt).
5a. Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Vollzug der angegriffenen Rückführungsentscheidung einstweilen außer Vollzug gesetzt wurde, siehe den Kammerbeschluss vom 07.03.2022, 1 BvR 65/22.
5b. Ablehnung des Antrags der im vorliegenden Verfahren äußerungsberechtigten Mutter des betroffenen Kindes (§ 94 Abs 3 BVerfGG) auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels Vorbringens neuer Gesichtspunkte (zum Maßstab: BVerfG, 24.01.1995, 1 BvR 1229/94, BVerfGE 92, 122 <123ff>). (BVerfG, Beschluss vom 05.09.2022 - BvR 65/22, juris-Orientierungssätze)

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„... Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des betroffenen Kindes aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und gibt ihr statt. Die Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. ...

2. Die angegriffene Entscheidung verletzt das betroffene Kind in seinen Grundrechten.

a) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates (aa). Mit den materiell- und verfahrensrechtlichen Maßgaben von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG korrespondieren Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung (bb). Lehnt das Fachgericht eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ab, obwohl Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass eine nachhaltige Gefahr für das Wohl des Kindes besteht, unterliegt dies strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle (cc).

aa) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn seine Eltern ihm nicht den Schutz und die Hilfe bieten, die es benötigt, um gesund aufzuwachsen und sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln (1). Diese Schutzpflicht kann dem Staat gebieten, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine Trennung aufrechtzuerhalten, wenn das Kind in der Obhut seiner Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (2). Die Entscheidung, ob eine Trennung des Kindes von den Eltern geboten ist, verlangt dem Gericht eine Prognose ab und unterliegt darum besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens (3).

(1) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können.

Das Kind, dem die Grundrechte, insbesondere das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als eigene Rechte zukommen, steht unter dem besonderen Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 24, 119, <144>; 55, 171 <179>; 57, 361 <382>; 133, 59 <73 Rn. 42>). Kinder bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln und gesund aufwachsen zu können (vgl. BVerfGE 107, 104 <117>; 121, 69 <92 f.>; 133, 59 <73 Rn. 42>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit verpflichten den Staat, Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für seine Entwicklung und sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 57, 361 <383>; 133, 59 <73 f. Rn. 42>). Diese Schutzverantwortung für das Kind teilt das Grundgesetz zwischen Eltern und Staat auf. In erster Linie ist sie den Eltern zugewiesen; nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht. Dem Staat verbleibt jedoch eine Kontroll- und Sicherungsverantwortung dafür, dass sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln und gesund aufwachsen kann (vgl. BVerfGE 133, 59 <74 Rn. 42>).

Werden Eltern der ihnen durch die Verfassung zugewiesenen Verantwortung nicht gerecht, weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen oder können sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten, kommt das ‚Wächteramt des Staates' nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zum Tragen. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 24, 119 <144>; 60, 79 <88>; 72, 122 <134>; 107, 104 <117>).

(2) Diese Schutzpflicht gebietet dem Staat im äußersten Fall, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten.

Ob der Staat zum Schutz des Kindes tätig werden muss und darf und welche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, bestimmt sich nach Art und Ausmaß der Gefahr für das Kind. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit verpflichtet und berechtigt den Staat, die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen; vielmehr ist stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung zu tragen. Die Eltern haben ein Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), die Kinder haben ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf elterliche Pflege und Erziehung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), beide sind gemäß Art. 6 Abs. 3 GG besonders dagegen geschützt, voneinander getrennt zu werden (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 29>). Der Staat darf und muss daher zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen. Darauf ist er jedoch nicht beschränkt, sondern er darf und muss, wenn solche Maßnahmen nicht genügen, den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend, gegebenenfalls sogar dauernd entziehen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; stRspr).

Der Staat kann verfassungsrechtlich berechtigt (Art. 6 Abs. 3 GG) und verpflichtet (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) sein, zur Wahrung des Kindeswohls die räumliche Trennung des Kindes von den Eltern zu veranlassen oder aufrechtzuerhalten. Das ist dann der Fall, wenn das Kind bei einem Verbleib in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 72, 122 <140>; 136, 382 <391 Rn. 28>; stRspr). Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 2014 - 1 BvR 1178/14 -, Rn. 23, m.w.N.; s. auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

Ist ein Kind, wie hier, seit längerer Zeit bei einer anderen Pflegeperson untergebracht, kann die Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner Pflegeperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer durch diese Trennung womöglich verursachten Traumatisierung des Kindes gering zu halten (vgl. BVerfGK 17, 212 <221>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 2006/98 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner Pflegefamilie nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes hinnehmbar sind (vgl. BVerfGE 68, 176 <187 ff.>; 72, 122 <140>; 75, 201 <217 ff.>; 79, 51 <64>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31).

(3) Ob eine Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt danach regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab. Dem muss die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens Rechnung tragen. Das gerichtliche Verfahren muss geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die vom Gericht anzustellende Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu erlangen. Ob etwa Psychologen als Sachverständige hinzuziehen sind, um die für die Prognose notwendigen Erkenntnisse zu erlangen, muss das erkennende Gericht im Lichte seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>).

bb) Mit diesen materiell- und verfahrensrechtlichen Maßgaben des Grundgesetzes korrespondieren Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung.

Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 25 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 48 ff.; jeweils zu Art. 6 Abs. 3 GG).

Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insbesondere dann, wenn das Gericht der Einschätzung der Sachverständigen nicht folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor. Zwar schließt die Verfassung nicht aus, dass das Fachgericht im Einzelfall von den fachkundigen Feststellungen und Wertungen gerichtlich bestellter Sachverständiger abweicht. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht zu einer abweichenden Einschätzung und Bewertung von Art und Ausmaß einer Kindeswohlgefährdung gelangt. Es muss dann aber eine anderweitige verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung haben und diese offenlegen. Ein Abweichen von den gegenläufigen Einschätzungen der Sachverständigen bedarf hier eingehender Begründung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juni 1999 - 1 BvR 1689/96 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 34). Weicht das Gericht von den Feststellungen und Wertungen weiterer beteiligter Fachkräfte ab (insbesondere Verfahrensbeistand, Jugendamt, Familienhilfe, Vormund), gilt im Grundsatz das Gleiche (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 44 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Januar 2016 - 1 BvR 2742/15 -, juris; jeweils zu Art. 6 Abs. 3 GG).

cc) Lehnt das Fachgericht eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ab, obwohl Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass eine nachhaltige Gefahr für das Wohl des Kindes vorliegt, unterliegt dies strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle.

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; 42, 143 <147 ff.>; 49, 304 <314>). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängen namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (vgl. BVerfGE 42, 163 <168>; 79, 51 <63>).

Stellt sich wie hier die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung, besteht wegen des sachlichen Gewichts der teils parallelen, teils gegenläufigen Grundrechte der Beteiligten Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen, zumal die Entscheidung über eine Trennung für alle Beteiligten von existenzieller Bedeutung sein kann (vgl. BVerfGE 60, 79 <90 f.>; 68, 176 <190>; 72, 122 <138 f.>; 75, 201 <221>; 79, 51 <63>; 136, 382 <391 Rn. 28>). Dies gilt auch, wenn das Bundesverfassungsgericht wie hier zu überprüfen hat, ob die Ablehnung einer Trennung des Kindes von seinen Eltern mit der Pflicht des Staates zum Schutz des Kindes vereinbar ist. Bei dieser Sachlage können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 42, 163 <169>; 60, 79 <91>; 68, 176 <190 f.>; 75, 201 <222>; 79, 51 <63>). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich ausnahmsweise auch auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>).

b) Die angegriffene Entscheidung genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Es bestehen mehrere Anhaltspunkte dafür, dass eine nachhaltige Gefahr für das Kind vorliegt, sodass das Gericht mit Rücksicht auf die Art und Schwere der dem Kind drohenden Gefahr bezüglich seiner gegenläufigen Einschätzung besonders hohen Begründungsanforderungen unterliegt (aa). Diese hat es nicht erfüllt. Es weicht ohne hinreichende Begründung und anderweitige verlässliche Grundlage von der Einschätzung der Sachverständigen und anderer am Verfahren Beteiligter ab (bb). Dessen ungeachtet ist die Würdigung des Oberlandesgerichts auch für sich genommen nicht hinreichend nachvollziehbar (cc).

aa) Die Anforderungen an die Begründung einer Rückführung sind hier besonders hoch, weil es - vom Oberlandesgericht näher zu klärende und zu bewertende - Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Kind bei einer Rückkehr in die elterliche Obhut schwerste körperliche Misshandlungen erleiden könnte. In der Vergangenheit ist es bereits zu einer solchen Misshandlung gekommen (neunfacher Rippenbruch, der eine kräftige Gewalteinwirkung voraussetzt), deren Umstände nicht aufgeklärt sind, für die die Eltern indessen auf die ein oder andere Art für verantwortlich gehalten werden. Das Risiko einer neuerlichen schweren körperlichen Misshandlung realisiert sich, wenn es denn eintritt, nicht in einer prozesshaften Entwicklung, die beobachtet und nachträglich aufgehalten werden könnte; der Schadenseintritt ist vielmehr unumkehrbar. Eine Rückführung verlangt unter diesen Umständen ein hohes Maß an Prognosesicherheit, dass dieser Schaden nicht eintreten wird, was sich in hohen Begründungsanforderungen niederschlägt.

bb) Das Oberlandesgericht weicht mit der Verneinung einer nachhaltigen Kindeswohlgefahr von der - von anderen Beteiligten (insbesondere Verfahrensbeiständin und Jugendamt) im Wesentlichen geteilten - Einschätzung der Sachverständigen (1) ab, ohne dies hinreichend zu begründen (2) und insbesondere ohne darzulegen, inwiefern es anderweitig über eine verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung verfügt (3).

(1) Die Sachverständige legt im Befund ihres Gutachtens ausführlich dar, wie sie aufgrund der in der Begutachtung gewonnenen Daten die Entwicklung und Erziehungsbedarfe des Kindes, die Bindungs- und Beziehungsstrukturen sowie die Erziehungsfähigkeit der Eltern einschätzt. Zusammenfassend sieht sie ein Risiko einer erneuten Misshandlung des Kindes und bezweifelt, dass die aus ihrer Sicht eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern ausreicht, dem nach ihrer Einschätzung erhöhten erzieherischen Bedarf des Kindes gerecht zu werden:

‚… prognostisch besteht … ein erhöhter erzieherischer Bedarf und eine dauerhaft erhöhte Fragilität durch die Frühgeburtlichkeit und die erfahrene Beeinträchtigung (wiederholte Klinikaufenthalte, wechselnde Betreuungspersonen und Umgebungsbedingungen, Frakturen mit einhergehenden erheblichen Schmerzen, bei welchen am ehesten von Misshandlungen durch eine Betreuungsperson ausgegangen werden kann).'

‚Unter der Prämisse einer Misshandlung des Kindes durch einen Elternteil ist von einem wesentlichen Wiederholungsrisiko auszugehen, hier mit potentiell weitreichenden Folgen angesichts des entwicklungs- und altersbedingt noch erhöhten Schutz- und Betreuungsbedarfs bzw. fehlender Möglichkeit zum selbständigen Schutz des Kleinkindes. Neben den Anforderungen an elterliche, insbesondere … mütterliche Belastbarkeit durch eine ganztätige Betreuung des Kindes kämen weitere Belastungen auf die Mutter durch die zu erwartende Unruhe des Kindes aufgrund des Bezugspersonen- und Umgebungswechsels zu, was die Kapazitäten der Familie noch zusätzlich beanspruchen würde. Elterliche Überforderungen mit nochmaliger Erhöhung eines etwaigen Misshandlungsrisikos können in der Gesamtschau nicht ausgeschlossen werden, wenn die Eltern die alleinige Verantwortung für das Mädchen trügen.

Bei beiden Eltern ergaben sich Hinweise auf Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit. Eine von einem Elternteil ausgehende unmittelbare Gefährdung des Kindes ist nicht auszuschließen. Das Risiko lässt sich durch aufsuchende Hilfen nicht ausreichend kompensieren.'

‚Sachverständigerseits werden in der Gesamtschau bei den Eltern wesentliche Risikofaktoren gesehen, welche besonders vor dem Hintergrund des bestehenden Missbrauchsbefundes durch die Rechtsmedizin ernst zu nehmen sind. Für den Fall einer Misshandlung des Kindes durch einen Elternteil, beispielsweise als Ausdruck der Reinszenierung eigener traumatischer Kindheitserfahrungen, ist das Risiko neuerlicher Übergriffe deutlich erhöht. Insbesondere ist die Gefahr impulsiver plötzlicher Übergriffigkeit in Erwägung zu ziehen, besonders in Überforderungssituationen wie bei anhaltendem Weinen des Kindes, Trotzreaktionen bei zunehmendem Alter, ausgeprägten Explorationswünschen etc.

Angesichts der, wenn auch sicherlich situativ mitbedingten, eingeschränkten Offenheit der Eltern, der, soweit beurteilbar bestehenden Zurückhaltung, eigene Schwierigkeiten, Sorgen und Ängste oder Überforderungen offen zu machen, sowie der besonders bei der Mutter bedenklichen Selbstwahrnehmung erscheint prognostisch unsicher, ob und inwieweit die Eltern, beispielsweise in einem stationären Setting, zu einer ausreichend offenen Haltung, eigenständigem Benennen von Unsicherheiten und Überforderung und auch dem Einfordern von Unterstützung finden könnten.'

‚Aus fachlicher Sicht ist derzeit nur eingeschränkt beurteilbar, ob und inwieweit die Eltern unter Alltagsanforderungen und insbesondere schwierigen Situationen reagieren würden. … Aus fachlicher Sicht ist es angesichts der auszumachenden erhöhten Risikosituation … empfehlenswert, dass sich die Eltern zunächst gemeinsam mit L. einer stationären Diagnostik unterziehen. … Prognostisch kann sich erst im Zuge eines begleiteten diagnostischen Settings zeigen, inwieweit unter Alltagsbelastung Hinweise auf wesentliche Überforderung und einhergehend konkret gefährdende Situationen auftreten bzw. ob und inwieweit die Eltern tatsächlich längerfristig zur Reflexion und Annahme von Hilfen bzw. Korrektur bereit sind. Es sollte ein stationäres Setting gefunden werden, welches dem Kind aber auch den Eltern durch engmaschige Begleitung Schutz, Anleitung und Korrektur bietet.'

Ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts äußerte die Sachverständige in der zweiten mündlichen Verhandlung, ‚dass sie in jedem Fall eine 24-Stunden-Betreuung für erforderlich halte; auch nachts'.

(2) Mit dieser Einschätzung der Sachverständigen und den von der Sachverständigen zugrunde gelegten Befunden setzt sich das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung nicht hinreichend auseinander und legt auch nicht dar, weshalb es der Einschätzung der psychologischen Sachverständigen nicht folgt. Das Gericht beschränkt sich vielmehr auf die Aussage, es vermöge ‚konkrete Anhaltspunkte für wiederholt drohende elterliche Gewalt … weder dem Sachverständigengutachten noch dem übrigen Inhalt der familiengerichtlichen staatsanwaltlichen oder jugendamtlichen Akten zu entnehmen'. Die Sachverständige hat indessen zu einer Reihe von Faktoren nähere Ausführungen gemacht, die nach ihrer Einschätzung auf Risiken aufgrund der Biografie und der Persönlichkeit beider Eltern hindeuten: etwa die unbemerkte oder verleugnete Schwangerschaft, massive Gewalterfahrungen der Kindesmutter durch ihre eigene Mutter, die nicht durchgehend behandelte Epilepsieerkrankung der Kindesmutter, die fragliche Epilepsieerkrankung und die ebenfalls nicht weiter aufgeklärte Alkoholproblematik des Vaters, Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit insbesondere im Bereich emotionaler Schwingungsfähigkeit und Feinfühligkeit, fehlende Offenheit auch gegenüber ‚eigenen lebensgeschichtlichen Lerndefiziten und eigenen potentiell traumatisierenden Erfahrungen', insbesondere die geringe Aufklärungsbereitschaft gegenüber physischen, psychischen Defiziten sowie Anzeichen für eine Überlastungsreaktion und in diesem Zusammenhang die Gefahr weiterer ‚impulsiver unkontrollierter Reaktionen gegenüber dem Kind'. Auf die hierzu und zu weiteren Aspekten von der Sachverständigen in der Begutachtung gewonnenen Einschätzungen, die sie ihrem ausführlich mitgeteilten Befund - nicht offensichtlich unplausibel - zugrunde legt, geht das Gericht nicht näher ein. So ist nicht erkennbar, warum das Gericht die von der Sachverständigen herangezogenen Daten und den Befund nicht als ‚konkrete Anhaltspunkte' für die von der Sachverständigen bejahte Wiederholungsgefahr gelten lässt.

(3) Es ist nicht ersichtlich, dass das Gericht über eine anderweitige verlässliche Grundlage für seine Einschätzung verfügt. Insbesondere hat es nicht selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt, auf das es seine gegenläufige Einschätzung stützen könnte. Demgegenüber hatte die Sachverständige ausführlich dargelegt, dass es weiterer Aufklärung bedürfe, um die Alltagsbelastbarkeit der Eltern und deren Reaktionsmöglichkeiten unter höherer Belastung zu erfassen und um die sich aus ihrer Sicht häufenden unklaren Gesichtspunkte insbesondere hinsichtlich des Vaters wie den Hinweis auf Absencen, den Verdacht auf Epilepsie und den Alkoholkonsum aufzuklären.

Das Gericht gibt an, auch aufgrund des Eindrucks, den es von beiden Eltern bei ihrer Anhörung gewonnen hat, zu der Auffassung gelangt zu sein, den Eltern könne zugetraut werden, für das Kind in ausreichender Weise Verantwortung zu übernehmen. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, dass das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung zu einem solchen Eindruck kommt und auf dieser Grundlage zu einer optimistischeren Risikobewertung gelangt als die anderen Beteiligten. Das Gericht hätte hierfür jedoch konkret benennen müssen, welche Umstände, insbesondere welche Aussagen und welches Verhalten der Eltern in der mündlichen Verhandlung seiner abweichenden Einschätzung zugrunde liegen und weshalb diese geeignet sind, die von der Sachverständigen benannten Risikofaktoren zu entkräften. Das ist hier nicht geschehen. Das Gericht hat den Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht näher dargelegt und auch kein aussagekräftiges Protokoll gefertigt, aus dem sich Gründe für die optimistischere Bewertung erschließen könnten.

cc) Ungeachtet der entgegenstehenden Einschätzung der Sachverständigen, der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts ist die eigene Würdigung der Gefährdungsaspekte durch das Oberlandesgericht auch für sich genommen nicht hinreichend nachvollziehbar. Das Oberlandesgericht hat die hier zutage getretenen Gefährdungsaspekte, insbesondere im Hinblick auf etwaig drohende weitere Misshandlungen (1) sowie in Bezug auf die spezifisch mit der Rückführung verbundenen Belastungen des Kindes (2) weder im Einzelnen noch in ihrem Zusammenwirken hinreichend nachvollziehbar gewürdigt. Das gilt auch für die Einschätzung, die Gefährdung könne hier durch öffentliche Hilfen abgewendet werden (3).

(1) Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, es drohe keine erneute Misshandlung, ist nicht plausibel begründet.

(a) Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ‚deuten die übrigen Umstände eher auf ein Augenblicksversagen als auf wiederholte, in vergleichbarer Weise auch künftig zu erwartende Misshandlungen hin'. Dafür findet sich jedoch keine nachvollziehbare Begründung. Insbesondere bleibt offen, welche ‚übrigen Umstände' das Gericht hier meint.

(b) Die Einschätzung des Gerichts, es drohe keine erneute Misshandlung, ist nicht frei von Widersprüchen. Das Gericht nimmt einerseits an, dass die Eltern für die massiven Rippenbrüche des Kindes jedenfalls mitverantwortlich sind und hält die ursprüngliche Inobhutnahme des Kindes zur Abwendung der Gefährdungslage für erforderlich. Aus der Entscheidung geht andererseits nicht hervor, inwiefern sich die Gefahrenlage verbessert haben soll. Es ist nicht dargelegt, was sich in der Zeit der Fremdunterbringung auf Seiten der Eltern im Vergleich zur damaligen Familiensituation, in der es zu dem Übergriff kam, in der Weise verändert haben soll, dass eine Abweichung von der vorangegangenen Risikobewertung angezeigt erschiene. Zudem steht nun die Geburt eines weiteren Kindes bevor, so dass es bei der Betreuung beider Kinder vermehrt zu Stresssituationen kommen kann. Hierzu wären nähere Prüfungen und Ausführungen erforderlich gewesen (vgl. BVerfGK 17, 212 <219>).

(2) Es bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass eine nachhaltige Kindeswohlgefahr aus den rückführungsspezifischen Belastungen resultieren könnte, weil die leiblichen Eltern den hierdurch gesteigerten Anforderungen an die Erziehungsfähigkeit nicht gerecht werden könnten. Insoweit hat es das Gericht bereits an der gebotenen Sachverhaltsaufklärung fehlen lassen.

Das Oberlandesgericht hat sich nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob und in welchem Maße zu den jetzigen Pflegeeltern Bindungen entstanden sind und eine abermalige Herausnahme aus dem sozialen Umfeld eine nicht hinnehmbare Schädigung des Kindes nach sich ziehen kann. Die Annahme, dass das seit April 2016 bei der Dauerpflegefamilie lebende Kind noch keine beachtlichen Bindungen zu der jetzigen Pflegefamilie entwickelt habe, stützt das Gericht allein auf eine nicht näher wiedergegebene Angabe der Pflegeeltern, die auch nicht aussagekräftig protokolliert ist.

Mögliche aus der Rückführung erwachsende weitere Belastungen für das ohnehin schon erheblich vorbelastete Kind sind nicht näher untersucht worden. Die Gründe des angegriffenen Beschlusses lassen demgemäß auch nicht erkennen, dass das Oberlandesgericht der Frage nachgegangen ist, ob die leiblichen Eltern in der Lage sind, die mit der Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie verbundenen nachteiligen Folgen so gering wie möglich zu halten. Auch insoweit hätten die im elterlichen Umfeld erfolgte und nicht aufgearbeitete Misshandlung des Kindes sowie die eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern in Bezug auf Emotionalität, Feinfühligkeit und Empathie Anlass für eine eingehende Prüfung - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme sachverständiger Unterstützung - gegeben.

Schließlich hat das Oberlandesgericht für die Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt lediglich eine Befristung von sechs Wochen vorgesehen, ohne zu prüfen, auf welche Weise der Wechsel des Kindes so vorbereitet werden könnte, dass er das betroffene Kind von seinen bisherigen Bezugspersonen nicht zu abrupt und ohne einen Aufbau von Beziehungen zu seinen Eltern trennt. Hier wäre in Erwägung zu ziehen gewesen, ob durch eine sich intensivierende Umgangsregelung ein allmählicher Bindungsaufbau zu den noch fremden leiblichen Eltern erreicht werden könnte (vgl. BVerfGK 2, 144 <147>; 17, 212 <222>). Zur Ausgestaltung eines behutsamen Übergangs des Kindes von der Pflegefamilie zu den Eltern bestand in gesteigertem Maße Anlass angesichts der besonders belastenden Vorgeschichte des Kindes, der Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Eltern und des Umstandes, dass seit mehreren Monaten Umgangskontakte der leiblichen Eltern mit ihrem Kind nur alle zwei Monate für eine Stunde stattfinden.

(3) Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, die - in der Entscheidung nicht näher spezifizierte - Gefährdung für das Kind in elterlicher Obhut könne durch öffentliche Hilfen abgewendet werden, ist angesichts des Ausmaßes der hier in Rede stehenden Gefahren nicht ausreichend begründet. Das Gericht versäumt insoweit, Möglichkeiten und Grenzen öffentlicher Hilfen im konkreten Fall aufzuklären und darzulegen. Welche Hilfen im Einzelnen welche Gefährdungsrisiken kompensieren sollen, wird weder im Tenor noch in den Gründen der Entscheidung nachvollziehbar ausgeführt. Mit den Bedenken der Sachverständigen auch in diesem Zusammenhang (fehlende Reflexion der Eltern und fehlendes Vermögen, relevante Aspekte offen anzusprechen, so dass die Hilfe möglicherweise ins Leere läuft) setzt sich das Oberlandesgericht nicht auseinander. Inwieweit in Anbetracht der auch vom Gericht angenommenen markanten Schwierigkeit der Eltern, einen Unterstützungsbedarf zu erkennen, das Ziel, das Kind vor Schädigungen zu schützen, prognostisch erreicht werden kann, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Die Sachverständige hat dargelegt, dass insoweit ein Bedarf weiterer Aufklärung im Rahmen stationärer Diagnostik besteht. Dies wird ebenso wenig verarbeitet wie die Einschätzung der Sachverständigen, dass ambulante Hilfen zur Vermeidung einer Gefährdungslage nicht genügten und letztlich nur eine - nicht realisierbare - 24-Stunden-Betreuung ausreichenden Schutz des Kindes sicherstellen könne.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2016 (erlassen am 13. Oktober 2016) wird gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. ..." (BVerfG, Beschluss vom 03.02.2017 - 1 BvR 2569/16)

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Ein Verständnis von § 1632 IV BGB, das eine Verbleibensanordnung von einer mit Sicherheit zu erwartenden Kindeswohlschädigung bei Rückkehr des Kindes zu seinen Eltern abhängig macht, wird der Grundrechtsposition des betroffenen Kindes aus Art. 2 I i.V. mit Art. 1 I GG nicht gerecht (BVerfG, Beschluss vom 31.03.2010 - 1 BvR 2910/09, NJW 2010, 2336 ff).

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„... 3. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93 c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Entscheidung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet, weil die angefochtene fachgerichtliche Entscheidung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

a) Grundsätzlich ist im Rahmen der Prüfung der Verletzung eines Grundrechts die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen (vgl.BVerfGE 18, 85 <92>; 42, 143 <147 ff.>; 49, 304 <314>; 72, 122 <138> ). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleich bleibend ziehen. Sie hängt namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (vgl.BVerfGE 42, 163 <168>; 72, 122 <138>).

Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses "natürliche Recht" den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl.BVerfGE 60, 79 <88> ). Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet (vgl.BVerfGE 34, 165 <184>). In der Beziehung zum Kind muss das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (vgl. BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.).

Eine gerichtliche Entscheidung, nach der die Trennung des Kindes von seinen Eltern fortdauern kann, ist mit dem in Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG gewährleisteten Elternrecht nur dann vereinbar, wenn ein schwerwiegendes - auch unverschuldetes - Fehlverhalten und entsprechend eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls vorliegen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes (vgl.BVerfGE 7, 320 <323>; 59, 360 <376>), jene von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91> ). Das elterliche Fehlverhalten muss daher ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl.BVerfGE 60, 79 <91>).

Die Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seinen Eltern darf zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl.BVerfGE 60, 79 <89> ). Dieser gebietet die Ausrichtung der Art und des Ausmaßes des staatlichen Eingriffs am Grad des Versagens der Eltern und daran, was im Interesse der Kinder geboten ist. Der Staat muss nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl.BVerfGE 60, 79 <93> m.w.N.).

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht befunden, dass der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1666 a BGB eine Regelung geschaffen hat, um bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung tragen zu können (vgl.BVerfGE 60, 79 <90>).

Bei Weggabe eines Kindes in eine Familienpflege kann allerdings ausnahmsweise allein aufgrund der Dauer eines solchen Pflegeverhältnisses auch ohne die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 BGB eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB getroffen werden, wenn bei Herausgabe des Kindes an seine Eltern eine schwere und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens des Kindes zu erwarten ist (vgl.BVerfGE 68, 176 <191 f.> ). Auch wenn die Trennung von seiner unmittelbaren Bezugsperson für das Kind regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung bedeutet (vgl.BVerfGE 75, 201 <219> ), darf dies allerdings allein nicht genügen, um die Herausgabe des Kindes an seine Eltern zu verweigern, weil andernfalls die Zusammenführung von Kind und Eltern immer dann ausgeschlossen wäre, wenn das Kind seine "sozialen Eltern" gefunden hätte (vgl.BVerfGE 75, 201 <219 f.>; BVerfGK 2, 144 <146>).

Aufgrund der Eingriffsintensität der Trennung eines Kindes von seinen Eltern müssen die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3, die auch Pflegeeltern zugute kommen können, im Verhältnis zu dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden. Bei Pflegekindschaftsverhältnissen hat die Trennung des Kindes von der Pflegefamilie geringeres Gewicht. Diese sind institutionell auf Zeit angelegt, so dass bei einer Herausnahme des Pflegekindes aus der Familie der Pflegeeltern diesen grundsätzlich zuzumuten ist, den mit der Trennung verbundenen Verlust zu ertragen. Ein Verstoß gegen die Grundrechte der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 GG wird nur in Ausnahmefällen angenommen werden können, wenn etwa Pflegeeltern während einer jahrelangen Dauerpflege das Kind betreut haben oder andere ins Gewicht fallende Umstände von Verfassungs wegen eine Auflösung der Pflegefamilie mit der damit verbundenen Trennung des Pflegekindes von den Pflegeeltern verbieten (vgl.BVerfGE 79, 51 <60>).

Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch weitgehend die Ge-staltung und Anwendung des Verfahrensrechts. Das gerichtliche Verfahren muss daher in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl.BVerfGE 55, 171 <182>) und damit der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen (vgl. BVerfGE 84, 34 <49> ). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1993 - 1 BvR 692/92 -, NJW 1993, S. 2671).

Diesen Anforderungen werden die Gerichte nur gerecht, wenn sie sich mit den Besonderheiten des Einzelfalles auseinandersetzen, die Interessen der Inhaber des Elternrechts sowie deren Einstellung und Persönlichkeit würdigen und auf die Belange des Kindes eingehen (vgl.BVerfGE 31, 194 <210>).

Wird ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen getrennt, so ist dies der stärkste vorstellbare Eingriff in das Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, der in gleicher Intensität auch das Kind selbst betrifft. Bei dieser Sachlage können auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl.BVerfGE 60, 79 <91>; 72, 122 <138>; 75, 201 <222>).

b) An diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben gemessen ist festzustellen, dass der angegriffene Beschluss verfassungswidrig gewesen ist. Das Oberlandesgericht hat die Bedeutung des Elternrechts des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Auslegung des § 1632 Abs. 4 BGB und bei seiner Gestaltung des Verfahrens grundlegend verkannt.

aa) Schon die Annahme des Oberlandesgerichts, das Kind sei "mit zumindest konkludenter Billigung" des sorgeberechtigten Hammer Forum e.V. dauerhaft bei der Gastfamilie untergebracht worden, weshalb die Unterbringung einer Familienpflege nach § 1632 Abs. 4 BGB gleichzustellen sei, hält verfassungsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

Diese Auslegung des Begriffs der Familienpflege lässt eine Auseinandersetzung damit vermissen, dass die Kindeseltern das Kind erkennbar nur zu dem Zweck der Heilbehandlung in die Obhut des Hammer Forum e.V. - und nicht in die der Gastfamilie - gegeben haben. Die Gasteltern hätten bereits für eine regelmäßige Kontaktaufnahme zu dem Kind gemäß einer Vereinbarung des Hammer Forum e.V. mit der behandelnden Klinik einer schriftlichen Ermächtigung des Hammer Forum e.V. bedurft, die zu keiner Zeit vorlag. Diese Vereinbarung war den Gasteltern auch bekannt; der Gastvater hat sie selbst seinem Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung beigefügt. Trotzdem haben die Gasteltern das Kind einfach zu sich genommen. Es ist nicht ersichtlich, dass das Oberlandesgericht die Auswirkungen der Vereinbarung in seine Erwägungen eingestellt hat.

Im selben Zusammenhang hat das Oberlandesgericht die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 BGB bejaht, weil der "Sorgeberechtigte das Kind […] zunächst zumindest de facto anderen zur Pflege anvertraut" habe, sich "ein solches über Jahre bestehendes Pflegeverhältnis zu einer einem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechenden Beziehung entwickelt und der Sorgeberechtigte dann versucht" habe, "das Kind zur Unzeit unvermittelt aus dem Pflegeverhältnis und der gewohnten Umgebung herauszunehmen, um es in die dem Kind entfremdete eigene Familie zurückzuführen". Eine solche Herausnahme aus den gewachsenen Beziehungen und Bindungen bringe "im Normalfall eine erhebliche psychische Belastung für das Kind mit sich".

Aus dieser Begründung erhellt sich nicht, dass sich das Gericht in Bezug auf die Wahrnehmung der Pflege des Kindes des grundsätzlichen, verfassungsrechtlich gewährleisteten Vorrangs der leiblichen Eltern gegenüber der - von ihm als Pflegeeltern angesehenen - Gasteltern bewusst war. Jedenfalls lässt die Bezugnahme des Oberlandesgerichts auf den Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsge-richts vom 13. Oktober 1994 - 1 BvR 1799/94 - (FamRZ 1995, S. 24 ff.) außer Betracht, dass - anders als hier - dort bereits sehr zweifelhaft war, ob die Kindeseltern in Afghanistan überhaupt noch lebten und damit das Kind bei sich aufzunehmen im Stande waren.

bb) Das Oberlandesgericht hat auch die Anforderungen verkannt, die das Elternrecht an die Gestaltung des gerichtlichen Verfahrens stellt.

Es hat den afghanischen, mit dem deutschen Rechtssystem offensichtlich nicht vertrauten und nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer weder zu den Lebensverhältnissen der Herkunftsfamilie und zu den persönlichen Lebensperspektiven des Kindes in seinem Heimatland befragt noch anderweitig hierzu Ermittlungen veranlasst. Insoweit wäre die Einholung eines Berichts über die konkreten Lebensumstände der Familie in Afghanistan in Betracht gekommen, etwa über den Internationalen Sozialdienst, der im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge organisiert ist. Auch hat das Oberlandesgericht keine Eltern-Kind-Exploration durch die Sachverständige veranlasst, obwohl die Möglichkeit hierzu bestanden hätte. Zu beiden Fragestellungen war jedoch eine Sachverhaltsermittlung erforderlich, um zu überprüfen, ob und inwieweit das Kind einem unzumutbaren "Kulturschock" ausgesetzt würde, wie es das Gericht im Ergebnis angenommen hat.

Das Oberlandesgericht ist ferner - im Ansatzpunkt aus seiner Sicht zutreffend - in Bezug auf die Wahrnehmung der von ihm angenommenen Familienpflege davon ausgegangen, dass der Umstand, dass das Kind bei seiner Rückführung in die Herkunftsfamilie völlig überfordert und deshalb einer ernsthaften Gefahr weit reichender psychischer Schäden ausgesetzt wäre, grundsätzlich geeignet sei, ausnahmsweise eine Verbleibensanordnung auch ohne die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 BGB zu begründen. Allein die Dauer des Pflegeverhältnisses könne zu einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB führen, wenn eine schwere und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens des Kindes bei seiner Herausgabe an die Eltern zu erwarten sei.

Zur Begründung dieser Annahme bezieht sich das Oberlandesgericht indes auf das eingeholte Sachverständigengutachten, das es für "fundiert" begründet und "in seinen Aussagen überzeugend" hält. Das Gericht setzt sich jedoch in keiner Weise kritisch mit den Feststellungen des Gutachtens auseinander, obwohl es sich hierzu offensichtlich hätte veranlasst sehen müssen. Das Oberlandesgericht geht etwa davon aus, dass die "gesellschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsland" und "die erkennbare Perspektivenarmut" des Kindes zu einer zusätzlichen Belastung und damit zu einer weiteren Traumatisierung führen würden. Dies steht in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Sachverständigen, wonach die Tochter des Beschwerdeführers bei einer Rückführung in die Herkunftsfamilie "gravierende Veränderungen in nahezu allen Bereichen ihres Lebens" hinnehmen müsste. Diese Feststellungen der Sachverständigen waren jedoch erkennbar mängelbehaftet. Bereits im fachgerichtlichen Verfahren hat der Hammer Forum e.V. darauf hingewiesen, dass die besagten Einschätzungen der Sachverständigen vorurteilsbehaftet seien. Ganz offenkundig beschränkt sich die Sachverständige insoweit auf nicht durch Tatsachenfeststellungen gestützte Vermutungen, als sie Ausführungen über die Lebensverhältnisse in Afghanistan und die Zukunftsperspektiven des Kindes macht. Problematisch sind auch die Feststellungen der Sachverständigen zur Qualität der Bindungen des Kindes zu seinen Eltern. So führt die Sachverständige aus, man möge "vermuten", dass die Bindungen der Tochter an ihre Herkunftsfamilie nicht eine vergleichbare gute Qualität gehabt hätten wie momentan diejenigen an die Gasteltern. Auch diese "Vermutung" ist jedoch angreifbar, weil sie allein auf den Umstand zurückgeführt wird, dass das Kind nur sehr geringfügig Heimwehreaktionen gezeigt habe. Beispielsweise lässt sie das große Engagement der leiblichen Eltern für das Wohl des Kindes außer Betracht. Dabei hat das Kind noch in seiner Anhörung vom 22. August 2002 ausführlich davon berichtet, dass bei seiner Behandlung in Kabul stets ein Familienmitglied - mal der Vater, mal die Mutter oder die Großmutter - bei ihr gewesen sei. Auch zu diesem Punkt wäre eine Eltern-Kind-Exploration erforderlich gewesen, um die "Vermutung" zu überprüfen.

4. Weil die angegriffene Entscheidung den Beschwerdeführer bereits in seinem Elternrecht verletzte, kann dahinstehen, ob er durch die Übernahme der offensichtlich nur vermutenden Schlussfolgerungen des Sachverständigengutachtens in der angegriffenen Entscheidung und die daraus folgende Nichtberücksichtigung seiner Belange auch in seinem Art. 103 Abs. 1 GG entspringenden Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wurde, das auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu beachten ist (vgl.BVerfGE 19, 49 <51>; 75, 201 <215>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Oktober 1996 - 1 BvR 520/95 -, FamRZ 1997, S. 151 f.).

5. Die Entscheidung beruhte auf der Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht bei entsprechender Berücksichtigung des Elternrechts des Beschwerdeführers zu einer für diesen weniger belastenden Maßnahme gegriffen hätte. ..." (BVerfG, 1 BvR 476/04 vom 23.8.2006, Absatz-Nr. (1 - 41), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20060823_1bvr047604.html).

***

§ 1632 IV BGB ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass dem Herausgabeverlangen der Eltern oder eines Elternteils, mit dem nicht die Zusammenführung der Familie, sondern ein Wechsel der Pflegeeltern bezweckt wird, nur stattzugeben ist, wenn mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes ausgeschlossen werden kann. Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Pflege durch die Großeltern (einen Großelternteil ) oder eine Zusammenführung zweier Geschwister erfolgen soll. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dessen Schutz die strafrechtlich bewehrte Schweigepflicht nach § 203 I Nr. 4 StGB dient, ist auch im sorgerechtlichen Verfahren zu beachten (BVerfG, Beschluss vom 20.01.2005 - 1 BvR 2717, 2748/04).

Bei einer Entscheidung nach § 1632 IV BGB über die Anordnung des Verbleibs eines Kindes ein den Pflegeeltern verlangt die Verfassung eine Auslegung dieser Regelung, die sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 II 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 I i.V. mit 1 I GG Rechnung trägt. Auch ein Großelternteil, der zugleich Vormund des Kindes ist, kann sich auf das Elternrecht berufen (BVerfG, Beschluss vom 25.11.2003 - 1 BvR 1248/03).

*** (BGH)

Der personensorgeberechtigte Elternteil hat wie auch der umgangsberechtigte Elternteil in entsprechender Anwendung der §§ 1632 Abs. 1, 1684 Abs. 2 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Herausgabe des Kinderreisepasses. Der Herausgabeanspruch besteht nur insoweit, als der berechtigte Elternteil für die Ausübung seines Rechts den Kinderreisepass benötigt. Die berechtigte Besorgnis, dass der die Herausgabe begehrende Elternteil mit Hilfe des Kinderreisepasses seine elterlichen Befugnisse überschreiten (etwa das Kind ins Ausland entführen) will, kann dem Herausgabeanspruch entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 27.03.2019 - XII ZB 345/18).

***

Pflegeeltern können eine Rückführung des Pflegekindes nach § 1632 Abs. 4 BGB nur dann beanspruchen, wenn zwischen der Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt und der Einleitung des Verfahrens auf Anordnung des Verbleibs ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht (BGH, Beschluss vom 16.11.2016 - XII ZB 328/15).

***

Der Elternteil, dem u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen worden ist, der aber noch über Teilbereiche des Sorgerechts verfügt, ist in dem von den Pflegeeltern und dem Ergänzungspfleger geführten Verfahren auf Anordnung des Verbleibs des Kindes in der Pflegefamilie nach § 1632 Abs. 4 BGB grundsätzlich zu beteiligen (BGH, Beschluss vom 04.06.2014 - XII ZB 353/13).

***

Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die Eltern die Rückführung des Kindes, muss der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden. Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen (BGH, Beschluss vom 22.01.2014 - XII ZB 68/11 - Volltext unter § 1666 BGB).

***

Der Adressat eines nach § 1632 Abs. 2 BGB gerichtlich verhängten Kontaktverbots ist berechtigt, eine Aufhebung des Verbots zu beantragen. Gegen eine die Aufhebung ablehnende Entscheidung des Familiengerichts ist er auch beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 29.09.2010 - XII ZB 161/09 zu BGB § 1632; FGG (aF) § 20; FamFG § 59).

*** (OLG)

Während einer wirksamen Inobhutnahme wird ein Kind dem Personensorgeberechtigten nicht widerrechtlich vorenthalten, weshalb dieser gegen das Jugendamt auch keinen Anspruch auf Herausgabe des Kindes nach 1632 Abs. 1 BGB hat. Die Inobhutnahme ist wirksam, wenn sie dem Personensorgeberechtigten bekannt gegeben worden ist und wenn - im Falle eines Widerspruchs des Personensorgeberechtigten - ihre sofortige Vollziehung angeordnet und schriftlich begründet worden ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO). Gegen den Verwaltungsakt der Inobhutnahme ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Das Familiengericht entscheidet im Rahmen des von ihm nach erfolgter Mitteilung über die Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII einzuleitenden Verfahrens nicht über die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme, sondern lediglich über die Aufrechterhaltung der Fremdunterbringung und diesbezüglich zu ergreifende sorgerechtliche Maßnahmen. Erst wenn das Familiengericht die Ergreifung sorgerechtlicher Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Fremdunterbringung ablehnt und das Jugendamt die Inobhutnahme dennoch aufrecht erhält, entsteht ein Herausgabeanspruch der Personensorgeberechtigten, weil die Wirksamkeit der Inobhutnahme nach der Systematik des § 42 SGB VIII mit der Entscheidung des Familiengerichts über die zu ergreifenden sorgerechtlichen Maßnahmen endet. Entsprechendes gilt im Falle einer vorhergehenden Aufhebung der Inobhutnahme oder Aussetzung ihrer sofortigen Vollziehung durch das hierfür zuständige Verwaltungsgericht. Einem während der Wirksamkeit einer Inobhutnahme gestellten Antrag auf Herausgabe des Kindes fehlt die für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe erforderliche Erfolgsaussicht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2019 - 4 WF 145/18 - Anmerkung: Diese Entscheidung ist verfassungsrechtlich in mehrerer Hinsicht bedenklich. Die Eingriffsbefugnisse des Jugendamtes werden manifestiert. Zugleich werden die Möglichkeiten eines effektiven Rechtsschutzes weiter verkürzt, in dem vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dahinter verbergen sich keine sachlichen juristischen Grundsätze, sondern politische Motive. Die willkürliche staatliche Machtausübung durch die Jugendämter wird zulasten der Eltern gestärkt.).

***

„... 1. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 27.02.2017 ist nach § 58 FamFG zulässig und dabei insbesondere nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Denn dem Wohl des Kindes entspricht es am ehesten, dass die elterliche Sorge dem Vater übertragen wird und es beim Vater wohnen kann (§ 1671 Abs. 1 BGB). Der Antrag des Antraggegners auf Herausgabe des Kindes hat dagegen Erfolg, denn die Mutter enthält ihm das Kind widerrechtlich vor (§ 1632 Abs. 1 BGB).

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst vollumfänglich auf den präzisen, umfassend abwägenden und ausgezeichnet begründeten Beschluss des Amtsgerichts Bezug und macht sich dessen Begründung zu eigen. Diese Begründung wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben:

‚2. Der Antrag des Antragsgegners auf Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge für E. auf sich allein führt zum Erfolg. Der Antrag der Antragstellerin ist zurückzuweisen.

a) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Es ist also eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19.07.2016 - 10 UF 8/16, NZF am 2016, 808 = juris Rn. 18 ff.; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl., § 1671 Rn. 12 m.w.N.): Zunächst ist festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht (aa). Ist das Ergebnis positiv, ist weiterhin zu prüfen, ob die Übertragung auf den jeweiligen antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht (bb). Andere notwendige familiengerichtliche Maßnahmen dürfen dem nicht entgegenstehen (§1671 Abs. 4 BGB).

Diese Prüfung führt hier zur teilweisen Übertragung der elterlichen Sorge allein auf den Antragsgegner.

aa) Dem Wohl des Kindes entspricht es am besten, die bestehende gemeinsame Sorge der Eltern teilweise aufzuheben.

(1) Das Fortbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass zwischen den Elternteilen eine tragfähige soziale Beziehung und in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht (BGH, FamRZ 2008, 592; FamRZ 2011, 796). Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft sind unabdingbare Voraussetzungen für ein elterliches Zusammenwirken zur Wahrnehmung der Verantwortung für das Kind. Fehlt es hieran, weil die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind und einander ablehnen, sind Konflikte wahrscheinlich und meist unvermeidbar. Im vorliegenden Fall bestehen diese Konflikte seit Jahren und beeinträchtigen ersichtlich bereits das Wohl des Kindes.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung und aufgrund der Erkenntnisse aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle ist dem Gericht bekannt, dass betroffene Kinder irgendwann beginnen unter derartigen Konflikten der Eltern ernsthaft zu leiden. Dies wird vom Stand der aktuellen psychologischen Wissenschaft bestätigt. Für diese Frage muss das Gericht darum nicht auf ein Sachverständigengutachten zurückgreifen. Tragen die Eltern ihre Uneinigkeit und ihre Auseinandersetzungen (auch) auf dem Rücken des Kindes aus, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und unter Umständen in seiner Entwicklung geschädigt wird (vgl. OLG Brandenburg a.a.O. mit Verweis auf BVerfGE 127, 132).

Grundsätzlich haben die Eltern darum ihrem Kind gegenüber die Obliegenheit, sich intensiv um einen ausreichenden Konsens zu bemühen (BGH, FamRZ 2008, 592). Fehlt es an ausreichendem Bemühen oder ist insbesondere angesichts der vergangenen Entwicklungen zu besorgen, dass es den Eltern nicht gelingt, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge friedlich und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist eine erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BVerfGE 127, 132; BGH, FamRZ 2008, 592; OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 385). Da gilt unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat als ihre Aufhebung (BVerfG, FF 2009, 416; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.05.2015-6 UF 18/15, juris Rn 15).

(2) An diesen Maßstäben gemessen muss die gemeinsame elterliche Sorge für E. in den strittigen Punkten (Aufenthaltsbestimmung und Schul- bzw. Kindergartenangelegenheiten) aufgehoben werden. Zwischen den Elternteilen besteht offenkundig schon seit langem ein tiefgreifendes Zerwürfnis. Das wird schon allein aus der Anzahl der gerichtlichen Verfahren wegen der Umgangs- und Sorgerechte deutlich. Aus dem Inhalt der entsprechenden Verfahrensakten ist ersichtlich, dass sich Antragstellerin und Antragsgegner seit ihrer Trennung - und damit seit E.s zweitem Lebensjahr - über die Ausgestaltung von Erziehung und Kontaktpflege beinahe unverändert intensiv streiten.

Um den von der Antragstellerin geplanten Umzug mit E. nach Bayern scheint es dabei gar nicht allein zu gehen; vielmehr hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass diese Frage beiden Seiten hauptsächlich als eine Art Kristallisationspunkt für ihre Auseinandersetzung um das Kind dient. Wie ernsthaft und wichtig die Umzugspläne für die Antragstellerin tatsächlich sind, muss an dieser Stelle allerdings nicht ergründet werden. Maßgeblich ist allein, dass trotz intensiver Bemühungen von unabhängigen Vermittlungsstellen, freien Trägern der Jugendhilfe, zwei Jugendämtern, den bevollmächtigten Rechtsanwälten, dem Verfahrensbeistand und den Gerichten keine erkennbaren Fortschritte bei der Entscheidungsfindung der Eltern erzielt wurden. Selbst als das Amtsgericht Dresden einen Umgangspfleger bestellte sowie während des laufenden Ordnungsmittelverfahrens wegen Verstoßes gegen den Umgangsvergleich, waren nur temporäre Verbesserungen festzustellen, wobei diese ersichtlich nicht auf einer Befriedung zwischen den Elternteilen beruhte. Die Hartnäckigkeit, mit der die Auseinandersetzung geführt wird, ist vor allem deswegen besonders auffällig, weil das Oberlandesgericht den Beteiligten schon 2014 einen Lösungsweg aufgezeigt hatte und beide Elternteile diesem Vorschlag zugestimmt hatten.

Das Gericht hat hier mehrfach darauf hingewiesen, dass es in den fortdauernden Auseinandersetzungen und deren Begleitumständen eine Kindeswohlgefährdung sieht, die unter Umständen familiengerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB erfordern. Auch dies hat die Eltern aber nicht zu einem gemeinsamen Umdenken gebracht. So ist es nicht verwunderlich, dass E. seit spätestens Anfang 2016 Anzeichen einer Schädigung in ihrem geistigen, seelischen und körperlichen Wohl zeigt, so dass deswegen eine Mutter-Kind-Kur bewilligt wurde (Ärztliches Attest der Kurberatung Deutschland UG vom 31.03.2016, Bl. 43 des Ordnungsmittel-Unterheft).

bb) Dem Wohl entspricht die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsgegner im beantragten Umfang am besten (§1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Bei der Frage, welchem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist, ist eine Abwägung insbesondere der nachfolgend genannten Gesichtspunkte vorzunehmen (OLG Brandenburg, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.):

- Kontinuität der Lebensumstände
- Bindung an beide Elternteile und Geschwister
- Bindungstoleranz
- Wille des Kindes
- Förderungsgrundsatz
- Erziehungsfähigkeiten der Eltern

Dies führt hier dazu, dass dem Antragsgegner die Teile der elterlichen Sorge übertragen werden müssen, die er benötigt, um über den gewöhnlichen Aufenthaltsort E.s zu entscheiden und sie gegebenenfalls dauerhaft bei sich aufnehmen zu können.

(1) Der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt, spricht zunächst für die Antragstellerin, weil E. seit der Trennung ihrer Eltern bei ihr lebt und von ihr versorgt und erzogen wird. Der Antragsgegner war hiermit einverstanden und würde dies nach seinen Angaben unter anderen Umständen auch heute noch akzeptieren. Es darf daher nicht aus dem Blick geraten, dass der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zum Antragsgegner einen tiefgreifenden Einschnitt für das Kind darstellt.

Jedoch will der Antragsgegner der Antragstellerin regelmäßigen Umgang mit dem Kind gewähren. Die Antragstellerin hat angekündigt, ihre Umzugspläne aufzugeben, wenn sie nicht die Entscheidungskompetenz für den Ortswechsel des Kindes bekommt, so dass einem häufigen Umgang nichts im Weg steht.

Die Bedeutung der Kontinuität der Beziehung der Antragstellerin zum gemeinsamen Kind der Beteiligten wird auch dadurch geschmälert, dass E. trotz der Auseinandersetzungen ihrer Eltern immer noch sehr an ihrem Vater hängt und zu ihm und seiner Familie ein vertrauensvolles Verhältnis hat.

Die Gründe dafür, dass ein Wechsel E.s von der Mutter in den Haushalt des Vaters einen gravierenden Einschnitt in ihrem Leben darstellt, liegen ganz überwiegend im Verantwortungsbereich der Antragstellerin. Besonders ins Gewicht fällt dabei, dass die Antragstellerin es nicht zulässt, dass E. einen Kindergarten besucht und dass sie den Äußerungen des Kindes in seiner richterlichen Anhörung zufolge auch kaum Kontakt zu gleichaltrigen Kindern hat. Für das Gericht ist mangels Mitwirkung der Antragstellerin nicht ersichtlich geworden, ob E. überhaupt einen für ihre gesunde Entwicklung ausreichenden Kontakt zu Mitmenschen hat. Folgt man den Ausführungen der Antragstellerin, erschöpfen sich die Sozialkontakte E.s im Zusammenleben mit ihrer Mutter und Großmutter und gelegentlichen Besuchen in Bayern, wobei über Einzelheiten nichts bekannt ist. Die beste Gelegenheit für E., mit anderen Menschen in vertrauensvollen Kontakt zu kommen, stellt der Umgang mit dem Antragsgegner dar, der jedoch während des laufenden Verfahrens vor dem Familiengericht mehrfach gestört war.

Hier zeigt sich eine sehr bedenkliche Entwicklung zum Nachteil des Kindes, der durch einen Wechsel des Kindes zum Antragsgegner begegnet werden kann.

Letztlich ist zu sehen, dass die Kontinuität der Entwicklung E.s auch dann beeinträchtigt würde, wenn die Antragstellerin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht erhielte. Denn dann würde ihr bisheriges soziale Umfeld weitgehend wegbrechen, auch der Kontakt zu ihrer Großmutter, und durch die Bekannten oder Verwandten der Antragstellerin am neuen Wohnort, die E. bisher nur besuchsweise kennt, ausgetauscht.

(2) Durch das Heranwachsen bei der Antragstellerin hat E. eine enge Bindung zur Antragstellerin. Ihre Beziehung zum Antragsgegner ist aber - trotz der problematischen Entwicklung - ebenfalls gut und vertrauensvoll. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass sie spätestens nach einer gewissen Eingewöhnungszeit eine ebenso tiefe Bindung zum Antragsgegner aufbauen wird, ohne dabei ihre Bindung zur Antragstellerin aufgeben zu müssen.

Weiterhin ist zu sehen, dass der Antragsgegner bisher wenig Gelegenheit hatte, eine kontinuierliche Beziehung zu E. aufzubauen. Der Antragsgegner hatte - entgegen anfänglicher Behauptungen der Antragstellerin - von Beginn an großes Interesse an E. und hat sich auch von den ständigen Auseinandersetzungen nicht davon abhalten lassen, sich intensiv um regelmäßigen Kontakt zu ihr zu bemühen.

Bei der notwendigen Abwägung der für und wider einen Aufenthaltswechsel sprechenden Kriterien spielt es nach Ansicht des Gerichts auch eine Rolle, wenn ein Beteiligter entsprechende Argumente bewusst selbst geschaffen hat, wobei das Wohl des betroffenen Kindes stets Vorrang hat. Hier hat die Antragstellerin die Entstehung einer noch intensiveren Beziehung des Kindes zum Antragsgegner bewusst verhindert.

Um zu diesem Schluss zu kommen, muss nicht auf jeden einzelnen von beiden Seiten vorgetragenen Punkt in der bisherigen Umgangsgestaltung eingegangen werden. Bei lebensnaher Betrachtung erscheint es wenig plausibel, dass die dauerhaft und wiederkehrend auftretenden Umgangsprobleme ausschließlich zufällig entstanden oder allein vom Antragsgegner verschuldet waren. Letzteres würde auch nicht zu dem starken Interesse des Antragsgegners an E. passen, welches er in den vorhergehenden und im vorliegenden Verfahren gezeigt hat.

Der Antragsgegner hat sich dabei im Vergleich zur Antragstellerin weit mehr kompromissbereit gezeigt, während sich die Antragstellerin einer einvernehmlichen Lösung widersetzt hat. So hat sie in den ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Dresden die Erziehungs- und Umgangseignung des Antragsgegners in Zweifel gezogen und dies später ohne Begründung wieder aufgegeben. Insbesondere solle der Antragsgegner ein schwerwiegendes Alkoholproblem haben oder der Sohn des Antragsgegners ein bedenkliches Sexualverhalten an den Tag legen. Beides wurde später weder nochmals thematisiert noch hat es sich auch nur ansatzweise bestätigt. Die Familiengerichte Dresden und Riesa haben darum auch keinen Anlass gesehen, in diese Richtung zu ermitteln. Dieses Verhalten der Antragstellerin lässt auf ein rein verfahrensstrategisches Vorgehen schließen, bei dem das Wohl des Kindes für die Antragstellerin offensichtlich nicht im Mittelpunkt steht.

Das gilt auch für ihren Wunsch, mit dem Kind nach Bayern umzuziehen. Erst im späteren Verlauf der Gerichtsverfahren hat die Antragstellerin dem Gericht mitgeteilt, dass sie dort Bekannte habe und ihr erwachsener Sohn dort lebe. Dem Gericht drängt sich darum der Eindruck auf, dass die Antragstellerin zuerst den Entschluss gefasst hat, mit E. umzuziehen, und erst danach Argumente dafür gesucht hat, die Entscheidung auch für Dritte sinnvoll erscheinen zu lassen. Besonders deutlich wird diese Vorgehensweise, wenn die Antragstellerin behauptet, in der näheren Umgebung ihres derzeitigen Wohnortes keine angemessene Arbeitsstelle zu finden. Dass in der näheren Umgebung um G. und besonders im Raum Dresden zahlreiche Stellen im Pflegebereich angeboten werden, ist allgemein bekannt und weiß das Gericht insbesondere aus zahlreichen Unterhaltsverfahren. Dies hat das zuständige Jobcenter auf Anfrage des Gerichts bestätigt, auch wenn es zu der konkreten Situation der Antragstellerin keine individuellen Auskünfte erteilen wollte. Ohne dies aufgrund der Verweigerungshaltung der Antragstellerin im Einzelnen feststellen zu können, drängt sich insgesamt der Verdacht auf, dass die Antragstellerin Angebote des Jobcenters mit der Begründung ablehnt, dass sie in absehbarer Zeit nach Bayern umziehen werde und auf das laufende Familiengerichtsverfahren verweist, um zu begründen, warum der Umzug nicht schon längst stattgefunden hat. Andererseits erklärt sie vor Gericht, sie sei beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet, ihr würden aber keine angemessenen Angebote unterbreitet werden. Auf diese Weise können Jobcenter und Gericht gegeneinander ausgespielt werden.

(3) Dem Kindeswillen kann im Hinblick auf das Alter des Kindes keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Da die Antragstellerin eine psychologische Begutachtung verhindert, kann das Gericht in den Fragen, inwieweit E. in der Lage ist, einen autonomen Willen zu bilden und ob ihre Äußerungen diesem etwaigen Willen entsprechen, nicht auf psychologischen Sachverstand zurückgreifen.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass E.s Äußerungen in ihrer Anhörung am 21.11.2016 nicht uneingeschränkt zu den Ansichten der Antragstellerin passen. Dies ist umso erstaunlicher, als E. im Alltag und so auch unmittelbar vor ihrer Anhörung fast ausschließlich Kontakt zur Antragstellerin und zu deren Mutter hatte. E. sprach erst relativ spät und eher unvermittelt davon, dass der Antragsgegner und auch seine Ehefrau ‚bestraft werden müssten'; zuvor sprach sie nur positiv von ihnen. Dabei betonte sie mehrfach, dass auch ihre Mutter eine Strafe verdient habe. Außerdem habe sie sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater lieb. Mit dem Umzugsthema konnte E. zunächst wenig anfangen. Die damit verbundenen negativen Veränderungen, z.B. dass sie ihren Vater dann nur noch selten und dessen Familie wohl kaum noch sehen würde, waren ihr nicht - auch nicht in einem altersgerechten Umfang - bewusst, obwohl sie ansonsten einen sehr aufgeweckten und intelligenten Eindruck machte. E. hat weder selbst für den Umzug begeistert noch hat sie wiedergeben können, warum ihrer Mutter der Umzug wichtig ist.

Das Gericht ist im Ergebnis davon überzeugt, dass E. sich bei dem Antragsgegner und dessen Familie wohlfühlen kann und dass es ihr wenig ausmachen würde, wenn es keinen Umzug nach Bayern geben würde.

(4) Unter dem Gesichtspunkt des Förderungskompetenz ist dem Antragsgegner der Vorrang zu geben. Er kann E. aufgrund seiner eigenen Schul- und Berufsbildung im intellektuellen Bereich unterstützen, auch mit Hilfe seiner Ehefrau. Er hat gezeigt, dass er sich auch um ihre Sozialkompetenzen intensiver als die Antragstellerin kümmern würde, die sich mit E. weitestgehend in den Haushalt ihrer Mutter zurückgezogen hat. Das familiäre Umfeld im Haushalt des Antragsgegners bietet für E. deutlich mehr Anregungen. Er will E. auch wieder die Kita besuchen lassen und einen Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglichen.

(5) Der Vergleich der Erziehungsfähigkeiten fällt ebenfalls zugunsten des Antragsgegners aus. Er ist deutlich besser in der Lage und gewillt, seine Erziehungsverantwortung zum Wohl des Kindes auszuüben.

Das Gericht kommt nicht umhin, in dieser Frage auch die Verweigerungshaltung der Antragstellerin im Verfahren zu berücksichtigen. So hat der Vorsitzende nach Eingang des Auskunftsersuchens des Jobcenters mit der dortigen Sachbearbeiterin telefoniert, um abzuklären, welche Informationen dort benötigt würden. Die Sachbearbeiterin hat dabei angedeutet, dass sie auch aufgrund des Auftretens der Antragstellerin bei der Behörde persönliche Zweifel habe, ob die Antragstellerin bei ihrem Vorgehen das Wohl des Kindes im Blick behalte. Erst dadurch hat das Gericht Veranlassung gesehen, nicht nur die Fragen des Jobcenters zu beantworten, sondern seinerseits dort zu ermitteln. Die Auskünfte des Jobcenters hätten vor allem dazu dienen können, den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung auszuräumen. Das hat die Antragstellerin nun ohne nähere Begründung verhindert, indem sie ihre Schweigepflichtsentbindung gegenüber dem Jobcenter zurückzog. Dem Gericht ist in Anbetracht aller ihm bekannten Umstände des Falles kein anderer Grund für diesen Schritt ersichtlich als eine Absicht der Antragstellerin, gegen ihren Antrag sprechende Umstände zu verheimlichen. Denn anders als bei ihrer Begutachtung wäre mit der Auskunft des Jobcenters kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit verbunden oder das Bekanntwerden psychischer Auffälligkeiten oder Krankheiten.

Dieses Verhalten der Antragstellerin ist aus verfahrensrechtlicher Sicht bedenklich, denn die Beteiligten sind vor Gericht zur wahrheitsgemäßen Aussage und grundsätzlich auch zur ausreichenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet (§ 27 FamFG). Vor allem zeigt das Verhalten der Antragstellerin, dass sie das Kindeswohl zumindest an dieser Stelle aus dem Blick verloren hat.

In diesem Kontext ist es auch zu sehen, wenn die Antragstellerin die Auswahl des Verfahrensbeistandes angreift (Bl. 46 dA), ohne stichhaltige Argumente vorzutragen, und wenn sie Bedenken gegen den Sachverständigen äußert und sich lediglich auf Äußerungen im Internet bezieht, die niemand überprüfen oder hinterfragen kann. Das Gericht erlaubt sich an dieser Stelle den Hinweis, dass ihm diese Internetkommentare schon zuvor bekannt waren. Allerdings lassen sich zu fast jedem Gutachter in Kindschaftsverfahren vergleichbare Äußerungen im Internet finden. Das Gericht hat in anderen Verfahren gute Erfahrungen mit dem ausgewählten Sachverständigen gemacht. Etwaige Bedenken hätten nach Vorlage seines Gutachtens diskutiert werden können. Die Wahl fiel hier auch deswegen auf ihn, weil er die Gutachten in vergleichsweise kurzer Zeit erstattet. Zuletzt hat die Antragstellerin im Erörterungstermin am 12.10.2016 eingeräumt, dass sie ihre Mitwirkung an der Begutachtung nicht allein wegen der Auswahl des Gutachters verweigere und dass sie auch dann nicht mitarbeiten würde, wenn ein anderer Sachverständiger gewählt würde. Eine plausible Begründung hierfür hat die Antragstellerin nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Eine solche Verhaltensweise spricht gegen die Qualität der Erziehungskompetenzen der Antragstellerin.

Das gilt auch für die Einstellung der Antragstellerin zu den Sozialkontakten des Kindes. Mit ähnlicher Begründung wie für ihre dauerhafte Arbeitslosigkeit verwehrt die Antragstellerin E. den Kindergartenbesuch. Demnach würde sich dies nicht lohnen, da sie gemeinsam umziehen wollten. Die Antragstellerin sieht dabei nicht, welche nachteiligen Folgen die Isolation des Kindes mit sich bringt. Unabhängig von der Frage, in welcher Weise das Wohl des Kindes hierdurch bereits verletzt ist oder inwieweit mit einer solchen Verletzung in Zukunft zu rechnen ist, hat die richterliche Anhörung des Kindes jedenfalls eindrucksvoll gezeigt, dass E. über diesen Umstand sehr unzufrieden ist und der Mangel an angemessenen Sozialkontakten auch nicht anderweitig kompensiert wird. So hat sie deutlich erklärt, dass sie gerne wieder in den Kindergarten gehen würde und ihre damalige Freundin vermisse, die sie seitdem nicht mehr besucht habe. Diese offensichtlich ehrliche und autonom motivierte Äußerung - zu einer Lüge hatte E. hier ersichtlich keinen Anlass - hat bei dem Richter und bei Verfahrensbeistand und Jugendamtsmitarbeiterin einen starken Eindruck hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die Äußerungen der Antragstellerin dazu im anschließenden Erörterungstermin, welche kein echtes Verständnis für den Wunsch des Kindes oder ausreichende Empathie erkennen ließen.

Auch der Umgang der Antragstellerin mit der Situation nach dem Vorfall vom 12.02.2016 ist bedenklich. Ohne eine etwaige Gewaltausübung in irgendeiner Weise zu entschuldigen, sieht das Gericht in diesem Vorkommnis, soweit es überhaupt in der von der Antragstellerin geschilderten Form stattgefunden hat, jedenfalls keinen hinreichenden Anlass, an der Erziehungseignung des Antragsgegners deshalb zu zweifeln, weil E. auch in intensiven Kontakt zu dessen Ehefrau treten wird. Dass es sich nicht um eine bewusste Aggression gegen E. handelte, wird schon aus den polizeilichen Unterlagen, die das Gericht beigezogen hat, ersichtlich, ergibt sich aber auch aus der informatorischen Befragung von Frau B… Darüberhinaus hat E. auch nach diesem Vorfall ihr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu Frau B… beibehalten, wie insbesondere von Seiten des Verfahrensbeistands berichtet wird.

Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Antragstellerin diesen Vorfall offenbar nutzen will, um bei Gericht Vorbehalte gegen den Antragsgegner und seine Familie zu erzeugen. Dabei instrumentalisiert sie E. für ihre Ziele, indem sie sie z.B. vor der Polizei aussagen lässt.

Zu den weiteren auffälligen Verhaltensweisen der Antragstellerin, die gegen ihre Erziehungskompetenzen sprechen, gehört der innerfamiliäre Dauerkonflikt in ihrem Haushalt, der erst durch die spontanen Äußerungen des Kindes und auf entsprechende ausdrückliche Nachfragen des Gerichts erkennbar wurde. So hat E. angegeben, ihren Opa gerne besuchen zu wollen; er wohne mit im Haus der Antragstellerin, dürfe aber nicht mit ihr allein sein, weil er sie einmal geschlagen habe. Für das Gericht ist es bis heute nicht verständlich, wie diese Trennung der Familienmitglieder im Haushalt der Antragstellerin ausgestaltet ist. Ohne weitere Informationen kann das Gericht auch nicht beurteilen, wie sich diese Distanzierung von dem Großvater, die auf engem Raum und offenbar schon seit langem stattfindet, konkret auf E. auswirkt. Das Gericht befürchtet jedoch einen negativen Einfluss auf E.s psychische Entwicklung. Es spricht auch einiges dafür, dass der ‚Umgangsausschluss', den der Großvater hinzunehmen scheint, zumindest unverhältnismäßig ist und damit jedenfalls kein vorbildliches Verhalten darstellt.

Seltsam hat die Äußerung E.s auf das Gericht gewirkt, wonach sie sich freue, bei dem Antragsgegner ein eigenes Bett zu haben und dass er ihr abends etwas vorlese; bei der Antragstellerin schlafe sie immer gemeinsam mit ihr in deren Bett.

Unvermittelt sprach E. davon, dass sie von der Antragstellerin manchmal geschlagen werde, und zwar so, dass es ihr schmerze. Auf Nachfrage erzählte E. ein konkretes Vorkommnis, das ihr offenbar noch sehr gut in Erinnerung war, zumal sie Nasenbluten bekommen habe. Die Antragstellerin hat diesen einzelnen Vorfall danach im Erörterungstermin anders dargestellt, dabei jedoch nicht erklären können, wie das Kind zu seiner Sicht auf dieses Ereignis gekommen sein könnte oder aus welchem Grund E. sie vor Gericht falsch belasten sollte.

Selbst wenn die Antragstellerin E. in diesem Einzelfall nicht vorsätzlich verletzt hatte, muss zumindest festgehalten werden, dass E. sich in ihrer Anhörung ersichtlich bemüht hat, nicht nur (u.a.) Schlechtes über den Antragsgegner zu sagen, sondern ebenso über die Antragstellerin. In diesem Zusammenhang sagte E. wörtlich zum Richter: ‚Mit der Mama musst du auch schimpfen, nur nicht so stark wie mit dem Papa!'. Das kann den Versuch darstellen, einerseits einem Wunsch der Antragstellerin nachzukommen und den Antragsgegner in einem schlechten Licht darzustellen, andererseits aber doch auch ihre eigene Haltung wenigstens anzudeuten, nämlich dass bei der Antragstellerin nicht alles gut sei.

E. hat den erwähnten Vorfall nur als Beispiel für mehrere Vorfälle genannt. Sie werde ‚manchmal' geschlagen, und zwar mit der Hand in ihr Gesicht und auf ihr Gesäß. Die Antragstellerin hat sich anschließend auf den einzelnen Vorfall beschränkt. Inwieweit der Antragstellerin bewusst war, dass hier der Vorwurf wiederholter Gewaltanwendung gegen E. im Raum stand, ist für das Gericht nicht ersichtlich gewesen. Die Brisanz dieser Frage ist der anwaltlich vertretenen Antragstellerin wohl nicht bewusst geworden. Auch das spricht gegen ihre erzieherischen Kompetenzen.

Ob bei E. aufgrund dieser Auffälligkeiten bereits seelische Schädigungen eingetreten sind oder ob dies in absehbarer Zukunft geschieht, kann das Gericht ohne psychologischen Sachverstand nicht sicher beurteilen. Es ist aber offensichtlich, dass die von Jugendamt und Verfahrensbeistand geschilderten offeneren und toleranten Umgangsformen im Haushalt des Antragsgegners für E.s Entwicklung und Wohlbefinden förderlicher sind. Hinweise auf eine beginnende Schädigung könnten allerdings in der Schilderung des Kindes zu sehen sein, wonach sie manchmal zu einer auffallenden Atemtechnik neige (Seufzen). Neben physischen Ursachen, die vielleicht in keinem Zusammenhang mit dem Konflikt ihrer Eltern stehen, kommen hier wohl auch psychosomatische Einflüsse als Stressreaktion in Betracht. Das Gericht bedauert, dies aufgrund der Verweigerung der Antragstellerin nicht weiter untersuchen lassen zu können. Die Tatsache, dass E. eine Kur empfohlen wurde, lässt befürchten, dass erste Schädigungen schon vorliegen.

Der Vorfall vom 12.02.2016 hat in der Kindesanhörung eine überraschend geringe Rolle gespielt. E. kam hierauf zwar von selbst zu sprechen, ihre Formulierung (‚doch arg gewürgt') klang jedoch stark relativierend. Obwohl sie ansonsten schon sehr selbstbewusst auftrat und für sich selber sprechen konnte, verwies sie in diesem Zusammenhang auf die Weisungen der Antragstellerin (‚Mama hat gesagt, dass ich mit C… nicht allein sein soll.'). Dies entsprach ersichtlich nicht ihren eigenen Wünschen, denn ihr gutes Verhältnis zum Antragsgegner und seiner Ehefrau war ansonsten deutlich geworden.

Statt die Bedenken an ihrer Fähigkeit, E. ein sicheres Heim zu bieten, durch Aufklärung des Sachverhalts auszuräumen, versucht die Antragstellerin die Ermittlungen des Gerichts auch an dieser Stelle zu behindern, insbesondere indem sie Hausbesuche des Jugendamts nicht zulässt. Auf Seiten des Antragsgegners erkennt das Gericht eine viel höhere Kooperationsbereitschaft.

(6) Die notwendige Bindungstoleranz fehlt der Antragstellerin, während das Gericht in den Erörterungsterminen und aufgrund der Berichte von Jugendamt und Verfahrensbeistand andererseits überzeugt ist, dass der Antragsgegner gut in der Lage sein wird, die Bedeutung der Antragstellerin als E.s Mutter zu akzeptieren und entsprechend zu agieren. Gerade weil er lange Zeit gar nicht auf das Ziel hingearbeitet hat, E. aus dem mütterlichen Haushalt herauszuholen, sondern ausschließlich auf einen regelmäßigen und funktionierenden Umgang mit dem Kind bestanden hat, wozu auch gehörte, dass er gegen den Umzug der Antragstellerin mit dem Kind war, solange sein Umgangsrecht nicht gesichert ist, glaubt das Gericht, dass er der Antragstellerin zukünftig einen angemessenen Umgang mit dem Kind gewähren wird. Jugendamt und Verfahrensbeistand teilen diese Einschätzung.

b) Anderweitige familiengerichtliche Maßnahmen, insbesondere auf der Grundlage von § 1666 BGB sind nicht geboten. Die Gefährdung des Kindeswohls wird durch die Beseitigung des Konflikts zwischen den Eltern voraussichtlich entfallen. Das Gericht hat keine Zweifel, dass E. beim Antragsgegner und in dessen Haushalt gut versorgt und betreut wird. Soweit sehr bedenkliche Defizite in der Erziehungsfähigkeit der Antragstellerin erkennbar geworden sind, werden diese stark an Bedeutung für E. verlieren, wenn sie ihren Aufenthaltsort bei dem Antragsgegner hat. Ob sich solche Defizite auch während regelmäßiger Umgänge der Antragstellerin mit E. auswirken können, wird von den Beteiligten und dem Jugendamt zu beobachten sein.

Weniger einschneidende Maßnahme sind nicht ersichtlich. Zwar hat sich der Antragsgegner stets bereit erklärt, den Aufenthalt E.s bei der Antragstellerin zu akzeptieren, wenn er nur genügend Anteil an ihrer Erziehung und regelmäßigen Umgang mit ihr hat. Alle Versuche der Institutionen, dies gütlich zu vermitteln oder Maßnahmen des Gerichts in diese Richtung, sind jedoch gescheitert. Selbst die einvernehmlich formulierten Vorgaben, bei deren Erfüllung das Oberlandesgericht eine Chance für den Umzug der Antragstellerin gehen hatte, hat diese nicht erfüllt. Das Gericht vermag insoweit nicht einmal ernsthafte und nachhaltige Bemühungen der Antragstellerin in diese Richtung zu erkennen.
c) Im Ergebnis sind damit die für einen Aufenthaltswechsel erforderlichen Teile der elterlichen Sorge auf den Antragsgegner allein zu übertragen. Dieser trifft dann insbesondere die Entscheidung, wo E. ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und wo sie zukünftig die Schule besuchen wird, hat aber auch dafür Sorge zu tragen, dass E. ihre Bindung zur Antragstellerin nicht verliert und regelmäßigen Umgang mit ihr pflegt. Außerdem hat er die Antragstellerin in den Bereichen, in denen er nicht die Alleinsorge hat, an Entscheidungen gleichberechtigt zu beteiligen und sie im Übrigen ausreichend zu informieren.

d) Der Umgang ist nicht zur regeln. Solange sich E. bei der Antragstellerin aufhält, ist das Umgangsrecht des Antragsgegners durch familiengerichtlich gebilligten Vergleich vom 07.12.2015 rechtssicher geregelt. Bedarf an einer inhaltlichen Änderung ist nicht zu erkennen, eine Abänderung dieses Titels ist damit nicht geboten (§ 1696 BGB). Soweit der Vergleich tatsächlich nicht immer umgesetzt wird, ist dies Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Der Antragsgegner hat insoweit einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gestellt.

Sobald E.s gewöhnlicher Aufenthaltsort zum Antragsgegner wechselt, hat die Antragstellerin einen Umgangsanspruch gegen ihn (§ 1684 BGB). Der Antragsgegner hat angekündigt, der Antragstellerin dann Umgang mit E. in einem angemessenen Umfang zu gewähren. Er will der entsprechenden Umsetzung dieselben Maßstäbe zugrunde legen, die er auch im umgekehrten Fall für sein eigenes Umgangsrecht anwenden wollte (Schriftsatz der Antragsgegnerbevollmächtigten vom 13.04.2017, Bl 127 ff. dA). Aufgrund seines bisherigen Verhaltens während des laufenden Verfahrens ist das Gericht davon überzeugt, dass der Antragsgegner diese Zusage einhalten wird. Für eine gerichtliche Umgangsregelung, die gegebenenfalls vollstreckt werden müsste, ist darum gegenwärtig kein (Rechtsschutz-)Bedürfnis erkennbar.'

2. Die Einwände der Antragstellerin hiergegen greifen nicht durch.

a) Soweit sie darauf abhebt, sie sei wesentliche Bezugsperson des Kindes, erfasst dies nur einen Teil der Gesamtkonstellation und wurde vom Amtsgericht ausreichend berücksichtigt.

b) Soweit sie erklärt, das Kind würde jetzt die Vorschule, einen Theaterkurs, einen Reitkurs und einen Malkurs besuchen, würde damit zwar die soziale Isolierung des Kindes beseitigt, ändert jedoch nichts an den weiteren Feststellungen. Denn die Mutter ist in besonderer Weise eingeschränkt bei der Förderkompetenz. So hat sie in der Anhörung vor dem Senat erklärt, das Kind würde seine Geburtstage in Bayern mit den dortigen Freunden feiern. Diese Freunde sieht das Kind nach eigenen Angaben der Mutter allenfalls vier bis fünf Mal im Jahr. Dies zeigt eindrücklich, dass die Mutter kein Interesse an den sozialen Kontakten in der näheren Umgebung des Kindes hat und diese nicht fördert. Ohne dass es darauf ankäme, kann der Senat diesen Bekundungen keinen Glauben schenken. Die Mutter gab an, dass die Kurse seit mindestens einem Jahr stattfinden würden. Weder bei den Berufsbeteiligten des Verfahrens, noch beim Vater, noch bei den Anhörungen des Kindes kam dies zur Sprache, obwohl die Problematik des Sozialkontakts jeweils angesprochen wurde. Zudem hat die Mutter diese Angaben nicht einmal in der Sitzung beim Amtsgericht am 21. November 2016 gemacht, obwohl die sozialen Kontakte des Kindes auch dort thematisiert wurden. Dem Vater seien die Aktivitäten erstmals im Dezember 2016 bekannt geworden, vorher auch nicht vonseiten die Tochter.

c) Soweit sie vorträgt, kinderpsychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist dies jedenfalls nicht erfolgreich. Sie selbst räumt ein, das Kind nie bei einer Kinderpsychologie vorgestellt, allenfalls selbst Vorgespräche geführt zu haben.

d) Soweit sie den Umzug allein wegen einer Arbeitsstelle und einer Freundin im Bayern durchführen will, ist dies nicht glaubwürdig. Sie hat weder die ungefähre Adresse des zukünftigen Arbeitgebers noch die korrespondierende Himmelsrichtung innerhalb Münchens, noch den korrespondierenden Stadtbezirk mitteilen können, obwohl sie ein genaues Gehalt mitzuteilen imstande war. Soweit sie, nach einer Wohnung befragt, mitteilte, der Arbeitgeber würde sich um eine Wohnung kümmern, erscheint dies vor diesem Hintergrund und der bekannten Wohnverhältnisse innerhalb Münchens nicht glaubhaft.

3. Nach den umfassenden Feststellungen des Amtsgerichts, die der Senat bei der Anhörung von Kind und Mutter bestätigt sah, ist das Kind deutlich besser beim Vater aufgehoben. Daher ist ihm die elterliche Sorge zu übertragen.

4. Gleichzeitig war die Herausgabe des Kindes anzuordnen. Die Mutter ist mit dem Kind unerreichbar. Sie verheimlicht den Aufenthalt (§ 1632 Abs. 2 BGB). ..." (OLG Dresden, Beschluss vom 19.05.2017 - 22 UF 241/17)

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Maßgeblich für die Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes nach Art. 8 EuEhe-VO ist eine gewisse Integration der Kinder in ein soziales und familiäres Umfeld. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls. Dazu gehören die Umstände und Gründe des Aufenthalts der Kinder in einem Mitgliedsstaat sowie deren Staatsangehörigkeit. Um eine vorübergehende oder gelegentliche Anwesenheit vom gewöhnlichen Aufenthalt abzugrenzen, ist grundsätzlich eine gewisse Dauer des Aufenthalts erforderlich, wobei es jedoch keine Mindestdauer gibt. Maßgeblich ist vielmehr der Wille der Betreffenden dort den ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Interessen in der Absicht zu begründen, ihnen Beständigkeit zu verleihen. Gemessen an diesen Kriterien kann der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder praktisch mit der Übersiedlung in den anderen Mitgliedsstaat begründet werden, wenn man die Herkunft der Familie, die Staatsangehörigkeit, die Zielsetzung des Aufenthaltswechsels, die soziale Integration und das Einverständnis des Kindsvaters berücksichtigt (OLG Bamberg, Beschluss vom 24.04.2017 - 2 UF 265/16).

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Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO) in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) beherrschten Sorgerechtsverfahren ist bereits dann gegeben, wenn das Familiengericht auf Grund des eingeleiteten Verfahrens den Sachverhalt zu ermitteln hat, ggfs. eine Regelung treffen muss und sich nicht darauf beschränken kann, den Antrag ohne Weiteres, also ohne jede Ermittlung und ohne jede Anhörung der Beteiligten, zurückzuweisen. Eine Entscheidung des Familiengerichts, die den Antrag der Kindeseltern auf Rückübertragung der elterlichen Sorge ohne ausreichende Darlegung, weshalb das Kindeswohl im Falle der Rückkehr des Kindes in den mütterlichen Haushalt gefährdet ist, zurückweist, wird den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht gerecht (im Anschluss an BVerfG, 20. Januar 2016, 1 BvR 2742/15, FamRZ 2016, 439ff, bei juris Langtext Rn 13ff m.w.N.). Die Erziehungseignung von nicht mehr sorgerechtsberechtigten Kindeseltern und eine mögliche Gefährdung für das Wohl des Kindes bei dessen Herausnahme aus der Pflegefamilie können regelmäßig nicht schon im Verfahren auf Prüfung der Verfahrenskostenhilfe abschließend beurteilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2016 - II-2 WF 46/16).

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Zur Begründung einer Beschwerdeberechtigung im Verfahren betreffend die elterliche Sorge für ein Kind reicht alleine ein nachvollziehbares Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung oder Beseitigung einer vom Familiengericht getroffenen Maßnahme nicht aus; erforderlich ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer in einem ihm selbst durch Gesetz oder durch die Rechtsordnung anerkanntem und von der Staatsgewalt geschütztem materiellem Recht unmittelbar betroffen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 09.07.2012 - 9 UF 74/12 zu §§ 59 I FamFG, 1632, 1666, 1685 BGB).

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Der wesentliche Inhalt der Kindesanhörung kann - außer in der Sitzungsniederschrift oder einem gesonderten Aktenvermerk - auch im tatbestandlichen Teil der die Instanz abschließenden Entscheidung wiedergegeben werden. Dann muss das Anhörungsergebnis aber vollständig, im Zusammenhang und frei von Wertungen des Gerichts dargestellt werden. Nur auf einen dahingehenden Willen zweier 14 bzw. 15 Jahre alten Kinder kann ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasten des für sie sorgeberechtigten Elternteils oder der Erlass einer Verbleibensanordnung zu Gunsten ihrer Großeltern nicht gegründet werden. Vielmehr bedarf es hierfür der Feststellung, dass das Kindeswohl allein dadurch bereits nachhaltig gefährdet wäre, wenn man dem Kindeswillen nicht nachgäbe. Davon kann in Abwesenheit belastbarer Anhaltspunkte jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich zwischenzeitlich von seinem Lebensgefährten getrennt hat, mit dem die Kinder nicht ausgekommen waren, die Kinder ein gutes und entspanntes Verhältnis zu dem ihnen vertrauten sorgeberechtigten Elternteil haben, bei dem sie bis zu ihrem 13. bzw. 14. Lebensjahr aufgewachsen sind, den sie regelmäßig besuchen und bei dem sie auch gelegentlich übernachten (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 31.05.2012 - 6 UF 20/12 zu §§ 1632 IV, 1666 BGB, 1666a BGB, 29 III , 159 FamFG).

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„... I. Die am 5.2.1987 geborene Beschwerdeführerin ist die leibliche Mutter des betroffenen Kindes M (geb. am 11.10.2006). Sie ist außerdem Mutter von drei weiteren Kindern, G (geb. am 30.1.2008), B2 (geb. am 1.4.2009) und H2 (geb. am 27.3.2010). Leiblicher Vater der vier Kinder ist Herr H, mit dem die Kindesmutter seit Februar 2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Beide Eltern und das betroffene Kind sind italienische Staatsangehörige. Die Eltern von M sind arbeitslos. Eine gemeinsame Sorgeerklärung im Sinne des § 1629a I Nr. 1 BGB haben sie nicht abgegeben.

Die Beziehung der Kindeseltern zueinander war in der Vergangenheit von mehrfachen vorübergehenden Trennungen und Versöhnungen geprägt. In dieser Zeit wurde das betroffene Kind M geboren. Bei ihrer Geburt lebte die Kindesmutter alleine in einer Einzimmerwohnung. Sie war nicht krankenversichert und hatte keinerlei Vorkehrungen für die Zeit nach der Geburt des Kindes getroffen. Den Vorschlag der Mitarbeiter des Jugendamts, einer Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung zuzustimmen, lehnte sie ab. Daraufhin wurde M - wenige Wochen nach ihrer Geburt - im Einverständnis mit der Kindesmutter bei den Pflegeeltern U und B untergebracht. Dort lebt sie bis heute. Regelmäßige Besuchskontakte des Kindes mit seiner leiblichen Mutter finden begleitet in vierwöchigen Abständen für die Dauer von jeweils einer Stunde in den Räumen des Jugendamts statt.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.7.2008 hat die Kindesmutter ihr Einverständnis mit der Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie widerrufen und seine Rückführung in den mütterlichen Haushalt begehrt. Auf Antrag des Jugendamts der Stadt Z1 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Witten durch Beschluss vom 11.11.2008 im Wege der einstweiligen Anordnung das (als Teil der elterlichen Sorge) vorübergehend auf das Jugendamt der Stadt Z1 übertragen. Mit weiterem Beschluss vom 29.1.2009 hat es dem Jugendamt im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht zur Beantragung eines Passes für das Kind übertragen, um M eine Auslandsreise mit ihren Pflegeeltern zu ermöglichen.

Zur Frage der von der Kindesmutter begehrten Rückführung des Kindes in den mütterlichen Haushalt hat das Familiengericht ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an den Kliniken F, Frau Dr. K, eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 18.6.2009 (Bl. 55 ff. d. A.) und die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen im Termin vor dem Familiengericht vom 28.10.2009 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.11.2009 und dem Berichtigungsbeschluss vom 4.12.2009 hat es der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind M entzogen und angeordnet, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt weiterhin bei den Pflegeeltern haben soll. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschlüsse wird auf Bl.. 132 ff. und 144 f. der Akten verwiesen.

Dagegen richtet sich die befristete Beschwerde der Kindesmutter. Sie ist der Ansicht, Gründe für die Entziehung der elterlichen Sorge lägen nicht vor. Hierzu trägt sie vor, sie habe sich bei der Geburt des Kindes in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Ihre persönlichen Verhältnisse hätten sich jedoch zwischenzeitlich stabilisiert. Sie sei mit der Kindererziehung und Versorgung nicht mehr überfordert. Im übrigen sei ihr infolge der eingeschränkten Umgangskontakte mit der Tochter keine Möglichkeit eröffnet worden, eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung zu M aufzubauen.

Die Kindesmutter, deren Begehren zunächst darauf gerichtet war, dass die angefochtenen Beschlüsse des Familiengerichts insgesamt abgeändert, d. h. die Verbleibensanordnung aufgehoben und ihr die elterliche Sorge insgesamt belassen werde, hat im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ihre Beschwerde teilweise - im Hinblick auf die Verbleibensanordnung - zurückgenommen. Nunmehr beantragt sie, die angefochtenen Beschlüsse vom 16.11.2009 und vom 4.12.2009 insoweit abzuändern, dass der Entzug der elterlichen Sorge entfällt.

Die - anwaltlich vertretenen - Pflegeltern beantragen, die befristete Beschwerde der Kindesmutter zurückzuweisen.

Der Senat hat das betroffene Kind, die beteiligten Kindeseltern, das Jugendamt, die Verfahrenspflegerin und die Pflegeeltern persönlich angehört. Außerdem hat er eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen, Frau Dr. K, zur Frage der elterlichen Sorge veranlasst. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 18.5.2010 verwiesen.

II. Die gegen die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hat Erfolg, denn die Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Sorge liegen nicht vor.

1) Das Verfahren zum Erlass von Maßnahmen betreffend die elterliche Sorge für das Kind M richtet sich nach altem - bis zum 31.8.2009 geltenden - Recht, denn es ist durch Anregung des Jugendamts der Stadt Z1 im November 2008 und damit vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden (Art. 111 I FGG-RG).

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 8 I der Verordnung (EG) des Rates Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 (Brüssel II-a Verordnung), denn das betroffene Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Deutschland führt auch dazu, dass auf das Verfahren gem. Art. 21 EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB, Rz. 2, 16 m. w. N.).

2) Nach § 1666 I BGB kommt eine Entziehung der Personensorge für ein Kind nur in Betracht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei muss es sich um eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes handeln, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine Beeinträchtigung seines körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt (vgl. BGH FamRZ 2005, 344, 345). Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Da die Entziehung der elterlichen Sorge den stärksten vorstellbaren Eingriff in das durch Art. 6 II, III GG geschützte Elternrecht darstellt, ist eine solche Maßnahme nur gerechtfertigt, wenn massiv belastende Ermittlungsergebnisse und ein entsprechend hohes Gefährdungspotential vorliegen (vgl. OLG Thüringen FamRZ 2003, 1319) und keine anderen milderen Mittel gegeben sind, die geeignet sind, die bestehende Gefahr abzuwenden (vgl. § 1666a I 1, II BGB).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Entziehung der elterlichen Sorge der Kindesmutter für das betroffene Kind M widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

a) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass ein Pflegeverhältnis generell nicht so verfestigt werden darf, dass die leiblichen Eltern mit dessen Begründung nahezu in jedem Fall den dauerhaften Verbleib ihres Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 1299, 1300). Die Inpflegenahme eines Kindes stellt grundsätzlich eine vorübergehende Maßnahme dar, die zu beenden ist, sobald die Umstände es erlauben. Alle Durchführungsmaßnahmen haben mit dem anzustrebenden Ziel der Zusammenführung von Eltern und Kind in Einklang zu stehen (vgl. EGMR NJW 2004, 3401, 3404). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die vom Familiengericht verfügte und mit der befristeten Beschwerde der Kindesmutter nicht angegriffene Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB ein milderes Mittel im Sinne des § 1666a BGB gegenüber dem Entzug der gesamten elterlichen Sorge dar (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 145, 146). Denn die Verbleibensanordnung ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf eine dauerhafte Trennung von Eltern und Kind sondern darauf gerichtet, Nachteile, die die durch eine zur Unzeit vorgenommene Rückführung in den elterlichen Haushalt für das Kind entstehen, zu vermeiden indem der vorübergehende Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern für die Zeit der Vorbereitung der Rückführung verlängert wird (vgl. dazu: Palandt-Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1632 Rz. 9, 15 m. w. N.).

b) Eine auf die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Maßnahme nach § 1666 I BGB darf daher nur dann erfolgen, wenn die Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gefährdung des Kindeswohls nur durch einen dauerhaften unbefristeten Verbleib des betroffenen Kindes in der Pflegefamilie sichergestellt werden kann, wie zum Beispiel bei einer festgestellten dauerhaften Erziehungsunfähigkeit der leiblichen Eltern (vgl. OLG Hamm, a. a. O.) oder dann, wenn das Verhältnis zwischen den leiblichen Eltern und den Pflegepersonen so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge nicht stattfindet oder mit ziemlicher Sicherheit nicht zu erwarten ist (vgl. dazu auch: OLG Frankfurt a/M FamRZ 2002, 1277, 1278).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vom Familiengericht verfügte Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Wohl des Kindes M abzuwenden, bestehen nicht.

aa) Vorliegend folgt die für M bestehende Gefahr für ihr geistiges und seelisches Wohl ausschließlich aus dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie erziehungsunfähig oder in ihrer Erziehungsfähigkeit so weit eingeschränkt ist, dass sie nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge für M bei dem angeordneten Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie auszuüben, bestehen nicht.

Die Beschwerdeführerin hat nach der Inpflegegabe von M drei weitere Kinder geboren. Ihre persönlichen Verhältnisse haben sich zwischenzeitlich dahingehend stabilisiert, dass sie mit dem Vater der Kinder zusammenlebt. Beide haben die Absicht bekundet, in nicht näher genannter Zeit die Ehe miteinander schließen zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die bei ihr lebenden Kinder nicht ausreichend erzogen und versorgt werden, liegen nicht vor.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die - von der Sachverständigen beschriebene - fehlende Fähigkeit der Kindesmutter, auf die Wünsche und Bedürfnisse von M einzugehen und im Rahmen der bestehenden Umgangskontakte eine tragfähige Beziehung zu dem Kind aufzubauen, ihre Erziehungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt. Nach den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 18.6.2009 und ihren ergänzenden Ausführungen im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ist das fehlende Einfühlungsvermögen der Kindesmutter in erster Linie auf eine unrealistische Einschätzung der Problematik ihres Rückführungsverlangens für das Kind und auf einen Mangel an Erkenntnissen über das Funktionieren von Bindungsprozessen zurückzuführen. Das schließt es nicht aus, dass es der Kindesmutter in der Zukunft gelingt, gegebenenfalls mit Hilfe fachkundiger Dritter und in Zusammenarbeit mit den Pflegeeltern, eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen, die eine - schrittweise - Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt erlaubt.

Der Umstand, dass die Kindesmutter derzeit die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt als Träger der öffentlichen Hilfe ablehnt und zur Inanspruchnahme einer fachkundigen Beratung durch Dritte nicht bereit ist, schließt die Rückführung des Kindes in ihren Haushalt nicht grundsätzlich aus. Sie verhindert lediglich, dass eine Rückführung zeitnah erfolgen kann, weil der für eine Rückführung notwendige Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Mutter und Kind nach Einschätzung der Sachverständigen ohne fremde Hilfe von der hierfür verantwortlichen Kindesmutter nicht oder nur schwer geleistet werden kann.

bb) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Verhältnis zwischen der leiblichen Mutter des Kindes M und ihren Pflegeeltern so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge durch die Mutter nicht mehr möglich ist.

Zwar hat die Kindesmutter durch ihr Verhalten verhindert, dass ein für April 2009 geplanter Auslandsurlaub des Kindes mit seinen Pflegeeltern nicht stattfinden konnte, weil sie trotz Aufforderung durch die Mitarbeiter des Jugendamts keinen Pass für M beim italienischen Konsulat beantragt hat. Hinreichende Anhaltpunkte dafür, dass dieses Verhalten typisch für die Art und Weise der Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter ist und dass sie durch ihr Verhalten in Zukunft auch andere zum Wohl des Kindes zu treffende Maßnahmen verhindern wird, bestehen jedoch nicht.

Die Verweigerung der Ausweisbeantragung erfolgte im laufenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter und der von ihr außergerichtlich begehrten Ausweitung der Umgangskontakte mit dem Kind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Maßnahme mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten abgestimmt war. Im übrigen hat die Kindesmutter im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 verbindlich zugesagt, schnellst möglich die zur Ausstellung eines Passes für das Kind erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Unter diesen Umständen kann nicht von einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung der Kindesmutter in Bezug auf die notwendige Beantragung des Ausweises für das Kind ausgegangen werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Kindesmutter zukünftig in anderen Bereichen der elterlichen Sorge ihre notwendige Mitwirkung verweigern oder von der Ausweitung der Umgangskontakte mit dem betroffenen Kind abhängig machen wird. Für eine solche Prognose sind keine gesicherten Anhaltspunkte vorhanden. Vergleichbare Versäumnisse der Kindesmutter bei der Ausübung der elterlichen Sorge für M in der Vergangenheit sind nicht bekannt. Streitigkeiten zwischen ihr und den Pflegeeltern bestehen nach den übereinstimmenden Bekundungen aller Beteiligten gegenwärtig nicht. Die von ihr in der Vergangenheit im Rahmen der Umgangskontakte erhobenen Vorwürfe gegenüber der Pflegemutter bezogen sich ausschließlich auf die Geltendmachung ihres Rückführungsverlangens, über welches mit dem Erlass der Verbleibensanordnung durch das Familiengericht entschieden worden ist. Alleine die vom Jugendamt beschriebene schwierige Zusammenarbeit mit der Kindesmutter rechtfertigt die Annahme, dass sie die ihr zustehende elterliche Sorge in Zukunft missbräuchlich ausüben wird, nicht.

Ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in erster Line der Mutter selbst obliegt, die für die Rückführung des Kindes notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, insbesondere eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen. Dazu bedarf es nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. K in ihrem Gutachten und den ergänzenden Ausführungen im Senatstermin vom 18.5.2010 einer Ausweitung der bestehenden Umgangskontakte - jedenfalls derzeit - nicht. Vielmehr obliegt es der Kindesmutter, zunächst die Qualität ihres Beziehungsangebotes gegenüber dem Kind zu verbessern und ihr Verhalten im Umgang mit M entsprechend zu verändern. Ob und in welchem Umfang sie sich dazu der Inanspruchnahme fremder (fachkundiger) Hilfe bedient, liegt alleine in ihrem Verantwortungsbereich. Eine rechtliche Grundlage für eine staatliche Verordnung entsprechender Hilfen besteht nicht. ..." (OLG Hamm Beschluss vom 20.05.2010 - II-2 UF 280/09)

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Lebt ein neunjähriges Kind nach häufigen Aufenthaltswechseln zwischen Vater und Mutter jetzt seit zwei Jahren beim Vater, so kann die erzwungene Rückkehr des Kindes zur Mutter zu dessen Retraumatisierung und damit zu einer Gefährdung des Kindes führen. Wird ein in diesem Zusammenhang vom Kind geäußerter klarer und autonom gefasster Wille, beim Vater bleiben zu wollen, missachtet, so erhöht dies die Gefahr der Kindeswohlgefährdung. Um diese Kindeswohlgefährdung zu vermeiden, ist der allein sorgeberechtigen Mutter das gem. §§ 1666, 1666a BGB zu entziehen und gem. § 1680 III, II 2 BGB auf den Vater zu übertragen. Eine Verbleibensanordnung gem. § 1632 IV BGB reicht nicht aus, um die Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Eine Verbleibensanordnung gem. § 1632 IV BGB hat als das milderer Mittel zwar Vorrang vor einer Sorgerechtsbeschränkungsmaßnahme gem. § 1666 BGB. Nach ihrem Sinn und Zweck ist sie aber eine vorübergehende Maßnahme, die ein Herausnehmen des Kindes zur Unzeit verhindern und einen Aufenthaltswechsel zum erziehungsberechtigten Elternteil vorbereiten

soll. Ist mit einem Sinneswandel des Kindes und damit mit einer Rückkehr zur Mutter jedoch in absehbarer Zeit nicht zu rechnen, würde eine bloße Verbleibensanordnung den schutzwürdigen Belangen des Kindes nicht gerecht, sondern würde sowohl das Kind als auch die Eltern anhaltend und erheblich verunsichern. Deshalb muss der allein sorgeberechtigten Mutter das entzogen und auf den nicht sorgeberechtigten Vater, bei dem das Kind lebt, übertragen werden. Nur eine derart klare Regelung ist geeignet, dem stark verunsicherten Kind die notwendige Klarheit und Sicherheit für seine gesunde Entwicklung zu geben und so ein weitere Gefährdung seines Wohls abzuwehren. Damit wird sogleich die Kontinuität in der Betreuung und Erziehung des Kindes sichergestellt, und das Kind kann erfahren, dass sein Aufenthalt beim Vater gesichert und seinem Wunsch, dort zu bleiben, entsprochen ist. Nur eine solche Lösung wird dem auch zu berücksichtigenden Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 2 I i. V. mit Art. 1 I GG gerecht (KG, Beschluss vom 10.02.2005 - 13 UF 4/04, NJW-RR 2005, 878).

Die Eltern können auch verlangen, dass eine Pflegeperson ihr Kind an Großeltern herausgibt. Die Betreuung des Kindes durch die Großeltern ist in der Regel vorrangig vor einer Betreuung durch nicht familienangehörige Pflegepersonen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.09.2004 - 16 UF 88/04, FamRZ 2005, 1501).

Es kann zum Wohl des Kindes im Einzelfall geboten sein, ein afghanisches Mädchen, das von einer Hilfsorganisation mit lebensgefährlichen Kriegsverletzungen zur Behandlung nach Deutschland geholt worden ist, hier mehr als vier Jahre verbleibt und seit ca. drei Jahren in einer Familienpflege lebt, trotz guten Heilungsverlaufs nicht in sein Heimatland zurückzuführen, sondern es gegen den Willen der leiblichen Eltern in der bisherigen Familienpflege - zunächst befristet für einen gewissen Zeitraum - zu belassen (OLG Hamm, Beschluss vom 19.12.2003 - 11 UF 373/02, FamRZ 2004, 1396).

Bei der Entscheidung über eine Verbleibensanordnung zu Gunsten der Pflegeeltern ist neben dem Elternrecht aus Art. 6 III 1 GG i.V. mit Art. 1 I GG und der Grundrechtsposition der Pflegefamilie aus Art. 6 I und III GG Rechnung zu tragen. Es ist aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten, die Tragweite der Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie - unter Berücksichtigung der Intensität entstandener Bindungen - in die Entscheidung über die Verbleibensanordnung einzubeziehen. Die Erziehungsfähigkeit der Eltern ist auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventeullen Traumatisierung des Kindes gering zu halten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.12.2003 - 20 UF 47/02, FamRZ 2004, 722).

Die Voraussetzungen des § 1632 IV BGB sind gegeben, wenn ein Kind die gesamte Dauer des bisherigen Lebens - hier 18 Monate - von den Pflegeeltern betreut wurde, zu ihnen die primäre Bindung aufgebaut hat und zusätzliche Aspekte in der Persönlichkeit der handelnden Person und der konkreten Situation es erfordern, den natürlichen Wunsch der leiblichen Eltern nach eigener Betreuung des Kindes zugunsten eines Pflegekindverhältnisses zurückzustellen. Wenn nach den überzeugenden Ausführungen des vom Gericht eingeholten Gutachtens die Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Umfeld die Folge einer schwerwiegenden Traumatisierung mit nachhaltigen Störungen der weiteren Entwicklung hätte, könnte dies nur durch eine besonders kompetente Beziehungsperson mit überdurchschnittlicher Fähigkeit, die Situation eines so getrennten Kindes aufzufangen, überwunden werden. Auch wenn die Mutter des Kindes ihre Erziehungseignung im Hinblick auf drei bei ihr lebende Kinder nachgewiesen hat, reicht dies nicht aus, wenn sie aufgrund ihrer eigenen Biographie nicht die Fähigkeit hat, eine enge Beziehung zu ihrem durch einen vorausgegangenen Beziehungsabbruch besonders gestörten Kind aufzubauen. Dies wäre aber erforderlich, um in der gegebenen Situation einen Wechsel der Beziehung verantworten zu können (OLG Frankfurt, Entscheidung vom 14.10.2003 - 1 UF 64/03, FamRZ 2004, 720).

Die Übertragung des Sorgerechts auf einen Dritten (hier: die Großmutter des Kindes) in einem Vorverfahren hat keine Bindungswirkung zu Lasten der an jenem Verfahren nicht beteiligten Pflegeeltern. Dem Verlangen nach Herausgabe des Kindes nicht an einen leiblichen Elternteil, sondern an die Großmutter ist nur stattzugeben, wenn ein Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2003 - 13 UF 367/02, FamRZ 2003, 1858).

Kann und soll das (hier: 1997 geborene) Kind nicht in den Haushalt seiner leiblichen Mutter zurückkehren, so ist eine Trennung vom Pflegevater nur zulässig, wenn mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Wegnahme mit psychischen oder physischen Schäden verbunden ist. Für eine vorläufige Maßnahme, mit der die Rückkehr des Kindes zum Pflegevater angeordnet wird, ist weder die Wirksamkeit des Pflegevertrages noch das Vorliegen einer Pflegeerlaubnis Voraussetzung. Das Jugendamt ist zur Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie nur befugt, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass insoweit die Voraussetzungen des § 1666 BGB vorliegen und Gefahr im Verzug ist. Aus einem sexualisierten Verhalten des Kindes allein lässt sich kein Hinweis auf stattgefundenen sexuellen Missbrauch ableiten (OLG Bremen, Beschluss vom 24.04.2002 - 5 WF 26/02, FamRZ 2003, 54).

*** (AG)

Bei Herausnahme eines längere Zeit in Familienpflege weilenden Kindes aus dieser durch das Jugendamt kann im Interesse des Kindeswohls eine vorläufige Anordnung der Rückführung geboten sein (AG Kamenz, Beschluss vom 17.04.2003 - 1 F 162/03, FamRZ 2005, 124).

***

§ 1664 Beschränkte Haftung der Eltern

(1) Die Eltern haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge dem Kind gegenüber nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen.

(2) Sind für einen Schaden beide Eltern verantwortlich, so haften sie als Gesamtschuldner.

Leitsätze/Entscheidungen:

Eltern handeln regelmäßig widerrechtlich, wenn sie Sparguthaben ihrer minderjährigen Kinder für Unterhaltszwecke verwenden. Sie sind gegebenenfalls gemäß § 1664 BGB verpflichtet, die verwendeten Gelder an die Kinder zurückzuzahlen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.05.2015 - 5 UF 53/15):

„... Der Antragsteller ist das minderjährige, 7-jährige Kind Z der Antragsgegnerin. Z wird gesetzlich durch seinen Vater vertreten, nachdem diesem mit Beschluss des Amtsgerichts Gießen vom 17.08.2012 die elterliche Sorge für Z allein übertragen wurde. Zuvor übte die Kindesmutter das Sorgerecht für Z ihrerseits alleine aus, nachdem die Kindeseltern nicht miteinander verheiratet waren und eine Sorgeerklärung von ihnen nicht abgegeben worden war.

Im Jahre 2008 wurde für Z von seinen Großeltern väterlicherseits ein Sparbuch angelegt, das auf den Namen von Z lautet und auf das von den Großeltern 1.000 € eingezahlt wurden. Im weiteren Verlauf des Jahres 2008 erfolgte eine weitere Einzahlung in Höhe von 1.350 €, die vom Vater des Antragstellers veranlasst wurde und als Verwendungszweck "Geburts- und Taufgeld" ausweist.

Das Sparbuch war dem Kindesvater von den Großeltern ausgehändigt worden. Die Kindeseltern lebten bis zum Jahre 2011 in einem gemeinsamen Haushalt. Im Jahre 2011 kam es zur Trennung der Kindeseltern. Die Kindesmutter nahm bei ihrem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung das auf den Namen des Antragstellers lautende Sparbuch mit und hob den Betrag in Höhe von 2.367,97 €, der zum Zeitpunkt ihres Auszugs auf dem Konto aufgelaufen war, in voller Höhe ab. Die Kindesmutter und Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt des Auszugs aus der früheren gemeinsamen Wohnung berufstätig und verdiente netto 1.100 €. Sonderbedarf für Einrichtungsgegenstände für Z machte sie gegenüber dem Kindesvater nicht geltend. Der Kindesunterhalt wurde vom Kindesvater zunächst nicht gezahlt, später jedoch ausgeglichen. Sie behauptet, sie habe bei Auszug aus der früheren gemeinsamen Wohnung für Z mit dem Geld Gegenstände angeschafft. Hierbei habe es sich um ein Kinderbett nebst Lattenrost, eine hochwertige Matratze, ein Kleiderschrank, ein Kinderschreibtisch, Wandregale, Sitzhocker, ein Spielteppich, Renovierungsmaterial für das Kinderzimmer, ein Autokindersitz, Ober- und Unterbekleidung, Schuhe, Socken etc. und eine Grundausstattung Spielzeug gehandelt. Darüber hinaus sei die Anschaffung einer Waschmaschine und eines Trockners unabdingbar gewesen. Bei Auszug habe ihr der Kindesvater zugesagt, 5.000 € für die Gründung des neuen Hausstandes und Unterhalt für Z zu zahlen.

Das Amtsgericht hat zunächst im Wege des Versäumnisbeschlusses, der mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 16.01.2015 im Wesentlichen bestätigt wurde, die Kindesmutter und Beschwerdeführerin verpflichtet, an den Antragsteller 2.367,97 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Antragsteller habe aus § 1664 BGB einen Schadensersatzanspruch auf Rückzahlung der auf dem Sparbuch angelegten Summe, da die Kindesmutter nicht berechtigt gewesen sei und somit durch pflichtwidriges, schuldhaftes Handeln das Vermögen des Antragstellers geschädigt habe.

Hiergegen wendet sich die Beschwerdeführerin und beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Gießen vom 16.01.2015 aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. ...

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, die dem Sparbuch entnommene Summe an den Antragsteller zurückzuzahlen.

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass der Antragsteller im Hinblick auf das streitgegenständliche Sparguthaben forderungsberechtigter Gläubiger gegenüber der Bank und damit Kontoinhaber war bzw. ist.

Allein die Tatsache, dass Sparbücher auf den Namen der Kinder angelegt werden, gibt zwar regelmäßig keine eindeutige Auskunft über die Forderungsinhaberschaft. Entscheidend ist der erkennbare Wille der das Konto Errichtenden. Hierbei ist der Name des als Kontoinhaber benannten Dritten nur ein Indiz für den Parteiwillen. Darüber hinaus ist der Besitz des Sparbuchs von Bedeutung, da gemäß § 808 BGB der Besitzer des Sparbuchs die Verfügungsmöglichkeit über das Guthaben hat. Behält der Anleger nach Einzahlung des Geldes das Sparbuch in seinem Besitz, spricht dies dafür, dass er weiterhin Inhaber der Forderung bleiben möchte (BGH NJW 2005, 980; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 6 Auflage, Rdn. 717). So liegt der Fall hier gerade nicht. Die Großeltern Z haben das Sparbuch nicht behalten, sondern es in den Verfügungsbereich des Kindes kommen lassen. Weitere Einzahlungen auf dem Sparbuch wurden auch nicht mehr von den Großeltern getätigt, sondern vom Kindesvater mit dem Vermerk "Geburts- und Taufgeld". Hierbei ist davon auszugehen, dass es sich - entsprechend des genannten Verwendungszweckes - um Gelder handelte, die dem Antragsteller anlässlich seiner Geburt und Taufe von Dritten geschenkt worden sind. Dies ist mit dem Fall des Oberlandesgerichts Bremen (NJW 2015, 564 f.) vergleichbar, wenn Sparbücher zu dem Zweck angelegt werden, dass Dritte auf diese Sparbücher einzahlen können. Bei derartigen auf den Sparkonten befindlichen Beträgen handelt es sich von vorneherein nicht um eigenes Geld der Einzahler oder der Kindeseltern, sondern es spricht die Annahme für einen Vertrag zu Gunsten Dritter (vgl. Wever a.a.O.).

Die Antragsgegnerin, die das Sparguthaben in vollem Umfang abgehoben und verbraucht hat, ist gemäß § 1664 BGB - aus dem sich nicht nur ein Haftungsmaßstab ergibt, sondern der zugleich die Anspruchsgrundlage für Ansprüche des Kindes gegen seine Eltern darstellt (OLG Köln, FamRZ 1997, 1351; MüKo Huber, Rdn. 1; Palandt-Götz, § 1664 Rdn. 1) - verpflichtet, die dem Sparkonto entnommenen Gelder im Rahmen ihrer Schadensersatzpflicht zu erstatten. Es handelt sich bei der Abhebung des Guthabenbetrages vom Konto des Antragstellers um ein pflichtwidriges Verhalten der zum damaligen Zeitpunkt allein sorgeberechtigten Kindesmutter. Es kann hier dahinstehen, ob sie tatsächlich die behaupteten Gegenstände für den Antragsteller von der abgehobenen Summe des Sparguthabens gezahlt hat, denn auch dann stellt es pflichtwidriges Verhalten und ein Verstoß gegen die Vermögensinteressen des Antragstellers dar. Die Ausstattung des Kindes mit Einrichtungs- und Bekleidungsgegenständen haben die Kindeseltern aus eigenen Mitteln im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht zu bestreiten (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2015, 861 f.; Klein, Handbuch des Familienvermögensrecht, 2. Auflage, Kap. 7 Rdn. 342, S. 1341), Kindesvermögen darf hierzu nicht herangezogen werden (vgl. § 1602 Abs. 2 BGB). Gleiches gilt umso mehr für den Erwerb von Haushaltsgegenständen wie Waschmaschine und Wäschetrockner. Der Einsatz von Vermögen des Kindes ist insoweit nicht vorgesehen. Die Beschwerdeführerin hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen es sich hierbei um dringend notwendige Gegenstände gehandelt haben könnte, sodass eine solche Notsituation entstanden sein könnte, in der denkbar wäre, dass das Kind mit seinem Vermögen hierfür einstehen müsste. Unterstellt, dass tatsächlich die Notwendigkeit für die Anschaffung bestanden hat, wäre sie gehalten gewesen, Sonderbedarf gegenüber dem Kindesvater geltend zu machen oder hätte den Sozialhilfeträger um Unterstützung bitten müssen. Auch wenn der Kindesvater - wie sie behauptet - der Beschwerdeführerin zugesichert haben sollte, ihr 5.000 € zu Verfügung zu stellen, berechtigt dies nicht, Vermögen des minderjährigen für Unterhaltszwecke Kindes einzusetzen. Das Versprechen des Kindesvaters berührt allein das Verhältnis der beiden unterhaltsverpflichteten Eltern. ..."

***

§ 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG erfasst Ansprüche des Kindes auf Schadensersatz gemäß § 1664 BGB sowie deliktische Ansprüche auf Grund von Pflichtverletzungen bei Ausübung der elterlichen Sorge. Für einen Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer vom Antragsgegner veranlassten Beschneidung des Kindes ist das Amtsgerichts - Familiengericht - sachlich zuständig (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.09.2014 - 18 WF 219/13):

„... I. Der Antragsteller begehrt Verfahrenskostenhilfe für einen Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 12.000 € wegen einer vom Antragsgegner veranlassten Beschneidung.

Der Antragsteller ist der Sohn des Antragsgegners. Die Ehe der Eltern des Antragstellers wurde im April 2010 rechtskräftig geschieden.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürstenwalde vom 25.01.2010 (…) wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Antragsteller übertragen. Im Übrigen verblieb es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge. In einer am 25.01.2010 vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Fürstenwalde geschlossenen Vereinbarung zum Umgangsrecht einigten sich die Eltern des Antragstellers unter anderem, dass der Antragsteller nicht beschnitten werden darf.

In der Zeit vom 08.07.2011 bis zum 22.07.2011 verbrachte der Antragsteller nach Einwilligung der Kindsmutter mit dem Antragsgegner Urlaub in T.. Am 15.07.2011 wurde der Antragsteller einer Beschneidung unterzogen. Bei einer Untersuchung ihres Sohnes nach seiner Rückkehr am Abend des 23.07.2011 stellte die Mutter des Antragstellers fest, dass das Glied des Antragstellers gerötet und infiziert und die Vorhaut völlig entfernt worden war. Noch am selben Abend begab sich die Kindsmutter mit dem Antragsteller in ärztliche Behandlung.

Der Antragsteller trägt vor, dass die Beschneidung ohne wirksame Einwilligung durchgeführt worden sei. Die Beschneidung sei weder medizinisch indiziert gewesen noch nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Eine zwingend erforderliche medizinische Nachsorge habe der Antragsgegner nicht veranlasst. Es sei zu einer Entzündung mit Folgeschäden gekommen, gegebenenfalls sei ein korrigierender Eingriff notwendig. Der Antragsteller behauptet, er habe bei und infolge der Beschneidung massive Schmerzen und psychische Beeinträchtigungen erlitten. Infolge der Beschneidung habe er Verhaltensauffälligkeiten entwickelt. Der Antragsgegner ist dem Antrag entgegen getreten.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 23.07.2013 (…) wurde für den Antragsteller ein Ergänzungspfleger zur Wahrnehmung der gesetzlichen Vertretung im vorliegenden Verfahren bestellt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg vom 23.08.2013 wurde der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Das Familiengericht sei für den Anspruch auf Schmerzensgeld sachlich unzuständig. Der behauptete Anspruch stütze sich nicht auf das Bestehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses. Auf die Entscheidung wird Bezug genommen.

Gegen diese - ihm am 27.08.2013 zugestellten - Beschluss hat der Antragsteller mit am 06.09.2013 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Das Familiengericht sei gemäß § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG wegen des nach § 1664 BGB bestehenden Anspruchs zuständig. Im Übrigen habe der Antragsteller eine zunächst beim Landgericht Freiburg eingereichte Klage auf Schmerzensgeld (…) nach entsprechendem Hinweis des Einzelrichters zurückgenommen.

Der Antragsgegner beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Das Familiengericht hat der sofortigen Beschwerde des Antragstellers mit Beschluss vom 09.09.2014 nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht vorgelegt.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.

Dem Begehren des Antragstellers auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes fehlt es nicht von vornherein an der hinreichenden Erfolgsaussicht, § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Verbindung mit § 114 ZPO.

Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist hinreichend, wenn nach vorläufiger summarischer Prüfung der Rechtsstandpunkt des Antragstellers zumindest objektiv vertretbar erscheint und für den Verfahrenserfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 114 Rn. 19; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 114 ZPO Rn. 11). An die Prüfung der Erfolgsaussichten dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden, insbesondere darf die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu führen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG FamRZ 2008, 131; NJW 2010, 1129).

1. Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht - Familiengericht - sachlich für das Verfahren zuständig, §§ 23a Abs. 1 Nr. 1, 23b Abs. 1 GVG.

Es liegt eine sonstige Familiensache gemäß §§ 111 Nr. 10, 112 Nr. 3, 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG vor. § 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG erfasst aus dem Eltern-Kind-Verhältnis herrührende Ansprüche. In Ergänzung zur Zuständigkeit für Kindschaftssachen soll das Familiengericht auch für sonstige zivilrechtliche Ansprüche aus dem Eltern-Kind-Verhältnis zuständig sein (BT-Drucksache 16/6308, S. 263 linke Spalte). Dabei muss der Anspruch im Eltern-Kind-Verhältnis selbst seine Grundlage haben, ein bloßer Zusammenhang hierzu genügt nicht (BT-Drucksache 16/6308, a.a.O.).

§ 266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG erfasst dabei Ansprüche des Kindes auf Schadensersatz gemäß § 1664 BGB (MünchKomm/Erbarth, FamFG, 2. Auflage 2013, § 266 Rn. 154; Prütting/Helms, FamFG, 3. Auflage 2014, § 266 Rn. 57a; Zöller/Lorenz, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 19; Heiter FamRB 2010, 121, 123) sowie deliktische Ansprüche auf Grund von Pflichtverletzungen bei Ausübung der elterlichen Sorge (Johannsen/Henrich, a.a.O., § 266 FamFG Rn. 16; Prütting/Helms, a.a.O., § 266 Rn. 57a; Heiß FPR 2011, 96, 98; Burger FamRZ 2009, 1017, 1020).

Vorliegend kommt neben einem Anspruch des Antragstellers aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 1664 BGB in Betracht. Wenngleich § 1664 BGB nach seinem Wortlaut nur den Haftungsmaßstab für die elterliche Haftung bei der Schädigung des Kindes normiert, enthält die Vorschrift nach herrschender Meinung zugleich eine selbständige Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche eines Kindes gegen seine Eltern für den Fall einer Pflichtverletzung in Ausübung ihrer elterlichen Sorge (BGH vom 10.02.1988 - IVb ZR 111/86, juris Rn. 14; OLG Köln FamRZ 1997, 1351, juris Rn. 2; OLG Stuttgart NJW-RR 2011, 239, juris Rn. 62; OLG Karlsruhe NJW 2012, 3043, juris Rn. 25; Palandt/Götz, BGB, 73. Auflage 2014, § 1664 Rn. 1; MünchKomm/Huber, BGB, 6. Auflage 2012, § 1664 Rn. 1; Erman/Döll, BGB, 14. Auflage 2014, § 1664 Rn. 1).

2. Der vom Antragsteller geltend gemachte Schmerzensgeldanspruch hat nach den im Verfahrenskostenhilfeprüfverfahren anzuwendenden Maßstäben hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Als Anspruchsgrundlagen kommen §§ 1664, 253 Abs. 2 sowie §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB in Betracht. Eine Körperverletzung sowie eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (so OLG Frankfurt/M. FamRZ 2008, 785, juris Rn. 13) des Antragstellers liegen vor. Eine Einwilligung des zum Zeitpunkt des Eingriffs 6-jährigen Antragstellers zur Vornahme der Beschneidung kann mangels Einsichtsfähigkeit nicht angenommen werden. Die mitsorgeberechtigte Mutter des Antragstellers hatte eine Zustimmung zu einer Beschneidung ausdrücklich abgelehnt. In Hinblick auf das vorgelegte rechtsmedizinische Gutachten des Dr. K. vom 03.07.2012 spricht vieles dafür, dass für die Beschneidung des Antragstellers keine medizinische Indikation vorlag. Der Eingriff war somit rechtswidrig. Nach dem schlüssigen Vortrag des Antragstellers sind sowohl in der Veranlassung einer medizinisch nicht indizierten (und möglicherweise nicht fachgerecht durchgeführten) Beschneidung des Antragstellers, als auch in der nicht veranlassten, aber dringend erforderlichen ausreichenden medizinischen Nachsorge schuldhafte Pflichtverletzungen des Antragsgegners in der Ausübung der elterlichen Sorge zu sehen.

Dem Antrag des Antragstellers auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von jedenfalls 12.000 € kann unter Berücksichtigung seines Vortrags zu den Folgen des Eingriffs nicht von vorherein die Erfolgsaussicht versagt werden (s. OLG Frankfurt/M. FamRZ 2008, 50, juris Rn. 2: 10.000 € bei einer medizinisch ordnungsgemäß durchgeführten Beschneidung). Die Bestimmung der Höhe des angemessenen Schmerzensgeldanspruchs bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. ..."



§ 1666 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls

(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.

(3) Das Gericht kann Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge ersetzen.

(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.

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http://www.fernuni-hagen.de (Qualitätsmerkmale in der familienrechtspsychologischen Begutachtung - Gutachten unbrauchbar)

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Leitsätze/Entscheidungen:

*** (EGMR)

„... VERFAHREN

1. Der Rechtssache lagen zwei Individualbeschwerden (Nrn. 18734/09 und 9424/11) gegen die Bundesrepublik Deutschland zugrunde, die zwei österreichische Staatsangehörige, Herr B. B. und Frau F. B. („die Beschwerdeführer"), am 31. März 2009 beziehungsweise am 22. Dezember 2010 nach Artikel 34 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten („die Konvention") beim Gerichtshof eingereicht hatten. Der Kammerpräsident hat dem Antrag der Beschwerdeführer stattgegeben, ihre Namen nicht offen zu legen (Artikel 47 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs).

2. Die Beschwerdeführer, denen Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, wurden durch Frau T., Rechtsanwältin in D., vertreten. Die deutsche Regierung („die Regierung") wurde durch ihre Verfahrensbevollmächtigten, Herrn H.-J. Behrens und Frau K. Behr vom Bundesministerium der Justiz, vertreten.

3. Die Beschwerdeführer behaupteten insbesondere, dass die Entscheidung, das elterliche Sorgerecht zu entziehen, ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens unter Verstoß gegen Artikel 8 der Konvention verletzt habe.

4. Am 1. März 2012 wurden die Beschwerden der Regierung übermittelt. Nachdem sie über ihr Recht zur schriftlichen Stellungnahme informiert worden war, zeigte die österreichische Regierung an, dass sie sich am Verfahren nicht beteiligen wolle.

SACHVERHALT

I. DIE UMSTÄNDE DER RECHTSSACHE

5. Die 19.. bzw. 19.. geborenen Beschwerdeführer sind ursprünglich türkischer Herkunft und leben in D.

A. Verfahren über die Entziehung des elterlichen Sorgerechts

6. Am 23. Mai 2008 beantragte die Stadt Krefeld beim Familiengericht Krefeld, den Beschwerdeführern das Sorgerecht für ihre beiden Kinder, eine 19.. geborene Tochter und einen im Jahr 20.. geborenen Sohn, zu entziehen. Laut Auskunft der Schulleiterin des Mädchens würden beide Kinder von ihrem Vater systematisch geschlagen, wenn sie keine guten Schulnoten erhielten. Die Schule habe bereits im vorausgegangenen Halbjahr erfahren, dass das Kind geschlagen worden sei. Da die Eltern des Mädchens als sehr angepasst und überhöflich wahrgenommen würden, habe die Schule nicht sofort reagiert, sondern beschlossen, das Kind besser zu beobachten. So sei aufgefallen, dass das Mädchen von der Familie über sein Handy streng kontrolliert werde. Der Vater habe das Kind auch aus dem Biologieunterricht abgemeldet, weil Sexualkunde auf dem Stundenplan stand. Das Mädchen dürfe nicht mit ins Schullandheim fahren und werde stattdessen krankgemeldet.

7. Als eine Lehrerin das Kind beim Manipulieren der Note einer Klassenarbeit ertappte, habe es sich seiner Lehrerin endlich anvertraut. Das Mädchen habe auch geäußert, dass sein Bruder noch mehr unter Druck stehe, gute Noten zu erzielen, und „drakonisch" bestraft werde, wenn er den Anforderungen nicht genüge. Die Schulleiterin nahm Kontakt zum Kinderschutzbund Krefeld auf, der das Jugendamt informiert hatte.

8. Am 23. Mai 2008 entzog das Amtsgericht - Familiengericht - Krefeld im Wege der einstweiligen Anordnung den Beschwerdeführern das elterliche Sorgerecht für ihre beiden Kinder und übertrug es vorübergehend dem Jugendamt; es verwies insoweit auf die in dem Antrag der städtischen Behörde angeführte Begründung.

9. Am 28. Mai 2008 wurden die beiden Kinder durch das Jugendamt an ihrer Schule abgeholt und in eine Wohngruppe für Kinder gebracht. Noch am selben Tag informierte das Jugendamt die Beschwerdeführerin telefonisch und persönlich über die Gründe der Inobhutnahme. Der Aufenthaltsort der Kinder wurde den Beschwerdeführern nicht mitgeteilt. Die Beschwerdeführerin betonte, dass die Kinder nie geschlagen worden seien.

10. Am 2. Juni 2008 trugen die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren vor dem Amtsgericht vor, es stimme, dass sie es für wichtig hielten, dass ihre Kinder gute schulische Leistungen erzielten. Jedoch seien sie gegenüber den Kindern nie gewalttätig geworden. Ferner legten sie zwei ärztliche Atteste ihrer Hausärztin Dr. D. vom 29. Mai 2008 vor, in denen bestätigt wurde, dass sie beide Kinder regelmäßig in ihrer Praxis untersucht hatte. Beide Kinder hätten einen ausgeglichenen, stabilen und fröhlichen Eindruck gemacht. Es habe keine Hinweise darauf gegeben, dass sie Gewalt erfahren hätten. Die Ärztin führte ferner aus, dass sie den Jungen mit Ultraschall untersucht habe. Es habe keine Hinweise auf eine Gewaltanwendung gegenüber dem Jungen gegeben, weder Hämatome noch Verletzungen oder Blutergüsse. Die Beschwerdeführer legten darüber hinaus ärztliche Atteste vor, um zu zeigen, dass das Mädchen tatsächlich krank war, als sie nicht an dem Schulausflug teilnahm. Zudem legten sie eine Reihe von Zeugnissen vor, um darzulegen, dass die Kinder gute Noten hatten, ein angemessenes Sozialverhalten zeigten und selten die Schule versäumten. Schließlich brachten sie vor, dass die Kinder regelmäßig am Sportunterricht teilgenommen hätten. Die Beschwerdeführer behaupteten, es sei möglich, dass das Mädchen die ganze Geschichte erfunden habe, als sie beim Manipulieren von Schulnoten erwischt worden sei.

11. In einem ersten Termin vor dem Amtsgericht am 8. Juli 2008 einigten sich die Parteien darauf, dass eine persönliche Anhörung der Kinder seitens des Gerichts stattfinden solle.

12. Am 16. Juli 2008 hörte der Richter am Amtsgericht die beiden Kinder in Abwesenheit der anderen Verfahrensbeteiligten an. Wie aus dem Gerichtsprotokoll hervorgeht, wurden beide Kinder getrennt voneinander angehört. Das Mädchen erklärte, dass die Beschwerdeführer erheblichen Druck bezüglich guter Schulnoten auf sie ausübten. Sobald die verlangten Ergebnisse nicht erzielt würden, werde sie von ihrem Vater mit Händen und Gegenständen geschlagen. In den vergangenen Jahren habe ihr Vater sie mit einer Eisenstange auf die Fußsohlen geschlagen. Anschließend habe sie ihre Füße ins kalte Wasser halten müssen, um keine Spuren zu hinterlassen. Einmal habe ihre Mutter ihre Beine ausgepeitscht. Sie erklärte ferner, dass sie sich in der Wohngruppe wohl fühle und nicht wieder nach Hause wolle, da sie Angst vor weiteren Gewalttätigkeiten habe.

13. Der Junge erklärte, dass er seit dem Eintritt in die Schule ständig geschlagen worden sei, wenn er nicht die besten Schulnoten erzielte. Sein Vater habe auch Gegenstände wie eine Eisenstange verwendet. Solange sein Vater gewalttätig sei, wolle er nicht wieder zurück nach Hause.

14. Am 22. Juli 2008 richteten die Beschwerdeführer ein Schreiben an das Amtsgericht, in dem sie bestritten, die Kinder jemals geschlagen zu haben. Sie erklärten, dass ihre Tochter lüge und ihren Bruder manipuliere. Die Ärzte, die bestätigen könnten, dass sie zu keinem Zeitpunkt Symptome körperlicher Gewalt festgestellt hätten, hätten beide Kinder regelmäßig untersucht. Die Kinder hätten regelmäßig am Schul- und Sportunterricht teilgenommen; dabei hätten die Lehrer keine Misshandlungsspuren entdeckt. Die Beschwerdeführer verwiesen auch auf einen Mitarbeiter des städtischen Psychologischen Dienstes, der den Jungen mehrmals begutachtet und keine Anzeichen von körperlicher Gewalt festgestellt habe.

15. Im Hauptsacheverfahren vom 4. August 2008 entzog das Amtsgericht Krefeld den Beschwerdeführern die elterliche Sorge für ihre beiden Kinder und übertrug sie dem Jugendamt. Aufgrund eigener Ermittlungen, insbesondere der Anhörung der beiden Kinder, war das Gericht überzeugt, dass die Beschwerdeführer ihren Kindern gegenüber mehrfach gewalttätig geworden seien. Nach der Einschulung der Kinder hätten die Eltern erheblichen Druck ausgeübt, der darin gipfelte, dass die Kinder bei schulischen Leistungen, die nicht den Erwartungen entsprachen, körperlich bestraft worden seien. Beide Kinder seien unter anderem mit einer Eisenstange auf die Fußsohlen geschlagen worden.

16. Da das Gericht von der Richtigkeit der Äußerungen der Kinder überzeugt war, hielt es die Einholung eines Glaubwürdigkeitgutachtens nicht für erforderlich. Beide Kinder hätten ihre Aussagen im Beisein ihrer Mutter gegenüber dem Jugendamt bestätigt. Eine inhaltliche Beeinflussung des Jungen durch seine ältere Schwester sei auszuschließen, da die Mitarbeiter des Jugendamts ausdrücklich darauf geachtet hätten, dass die Kinder sich über die Vorfälle nicht unterhalten konnten, bevor auch der Junge befragt worden sei. Obwohl zu berücksichtigen sei, dass das Mädchen möglicherweise über eine lebendige Phantasie verfüge, hielt das Gericht es für ausgeschlossen, dass das Kind seine Eltern über einen so langen Zeitraum zu Unrecht belasten könnte. Ihre Aussagen seien vielmehr durch die Tendenz gekennzeichnet gewesen, ihre Eltern zu entlasten.

17. Das Amtsgericht war unter Berücksichtigung dieser Sachverhalte der Auffassung, dass die Beschwerdeführer derzeit erziehungsunfähig seien und eine Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt mit einer schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls verbunden wäre.

18. Am 17. September 2008 legten die Beschwerdeführer, die anwaltlich vertreten waren, Beschwerde ein. Am 8. Oktober 2008 trugen die Beschwerdeführer vor, dass die angegriffene Entscheidung auf einer unrichtigen Darstellung des Sachverhalts beruhe. Die Kinder seien insbesondere nie im Beisein ihrer Mutter befragt worden. Darüber hinaus habe das Amtsgericht es versäumt, den erheblichen Sachverhalt vor der Entscheidung über die endgültige Entziehung des elterlichen Sorgerechts hinreichend zu prüfen. Vorliegend sei die Einholung eines Gutachtens über die Glaubwürdigkeit der Kinder unverzichtbar.

19. Zu keinem Zeitpunkt habe es objektive Anhaltspunkte wie blaue Flecken, Verletzungen, häufiges Fehlen in der Schule u. s. w., die auf Misshandlungen hindeuten könnten, gegeben. Jeder Mediziner könne bestätigen, dass auch das Eintauchen ins kalte Wasser die Entstehung von blauen Flecken nicht verhindern könne, wenn die Kinder tatsächlich mit einer Eisenstange geschlagen worden wären. Zudem wären Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Taubheitsgefühl und Schmerzen die Folgen einer derartigen Misshandlung. Diese Symptome seien bei den Kindern zu keinem Zeitpunkt beobachtet worden.

20. Da die Eltern vehement bestritten, ihre Kinder je geschlagen zu haben, gab es ihres Erachtens außer den eigenen Angaben der Kinder keine objektiven Anhaltspunkte für die behauptete Misshandlung. Vor einer so einschneidenden Entscheidung wie der Entziehung des elterlichen Sorgerechts war daher nach Auffassung der Beschwerdeführer ein Sachverständigengutachten einzuholen, um die Glaubwürdigkeit der Kinder zu überprüfen.

21. Am 6. November 2008 wies das Oberlandesgericht Düsseldorf die Beschwerde der Beschwerdeführer zurück. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts war das Amtsgericht nach persönlicher Anhörung der Beschwerdeführer und der Kinder aus zutreffenden Gründen davon ausgegangen, dass die elterliche Sorge nach § 1666 BGB (siehe „Das einschlägige innerstaatliche Recht", unten) zu entziehen sei.

22. Das Oberlandesgericht teilte die von dem Amtsgericht vorgenommene Beweiswürdigung. Es komme nicht darauf an, dass das Amtsgericht davon ausgegangen sei, dass die Angaben auch in Gegenwart der Mutter gemacht worden seien.

23. Anhaltspunkte dafür, dass die Kinder, insbesondere das Mädchen, die Beschwerdeführer zu Unrecht belasteten, seien nicht ersichtlich. Dies ergebe sich aus den Gründen, auf die das Amtsgericht sich gestützt habe, und insbesondere dem Umstand, dass die Kinder, denen die Konsequenzen ihrer Vorwürfe voll und ganz bewusst gewesen seien, diese Angaben über einen längeren Zeitraum widerspruchsfrei wiederholt hätten. Dass die Kinder ihre Vorwürfe lediglich aus Angst vor der Reaktion der Lehrerin auf den Versuch des Mädchens, seine Schulnoten zu manipulieren, erfunden und daran festgehalten hätten, könne unter diesen Umständen ausgeschlossen werden.

24. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts hatte das Amtsgericht weitere Ermittlungen nicht anzustrengen. Insbesondere sei es nicht darauf angekommen, ob die die Kinder behandelnden Ärzte anlässlich der regelmäßigen Konsultationen Verletzungen festgestellt hätten, weil die Verletzungshandlungen nicht zu sichtbaren Spuren geführt haben müssten bzw. von den Ärzten übersehen worden seien oder zu Zeitpunkten erfolgt sein könnten, in denen kein Arztbesuch bevorstand.

25. Das Amtsgericht sei auch nicht verpflichtet, ein Gutachten über die Glaubwürdigkeit der Kinder einzuholen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Würdigung von Zeugenaussagen und die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen Aufgabe des Gerichts. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nur geboten, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die die Zuverlässigkeit einer Zeugenaussage in Frage stellen könnten, und wenn für die Feststellung solcher Faktoren und ihres Einflusses auf den Inhalt einer Zeugenaussage eine besondere Sachkunde erforderlich sei. Solch ein konkreter Anhaltspunkt könne nicht bereits von der Tatsache abgeleitet werden, dass die Beweisperson in kindlichem oder jugendlichem Alter war. Amtsgericht und Oberlandesgericht seien mangels entgegenstehender konkreter Umstände in der Lage gewesen, die Glaubwürdigkeit der Angaben der vom Amtsgericht angehörten Kinder ohne Hilfe eines Sachverständigen zu beurteilen.

26. Am 3. März 2009 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne weitere Begründung ab, die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführer zur Entscheidung anzunehmen.

B. Weitere Entwicklungen

27. Am 17. März 2009 beantragten die Beschwerdeführer beim Amtsgericht, ihnen ein Umgangsrecht mit ihren Kindern zu gewähren. In einem Termin vor dem Amtsgericht am 7. Juli 2009 wurde für den 16. Juli 2009 ein Treffen mit den Eltern, den Kindern und dem Jugendamt vereinbart.

28. Während des Treffens am 16. Juli 2009 gestand die Tochter, dass sie gelogen habe und die Vorwürfe, die sie im vergangenen Jahr gemacht hatte, nicht wahr seien. Der Sohn bestätige dies. Das Mädchen übergab auch je einen an ihre Eltern und an das Amtsgericht gerichteten Brief, in denen sie gestand, dass sie gelogen habe, und den Wunsch äußerte, zu ihrer Familie zurückzukehren.

29. Am 28. August 2009 bestätigten beide Kinder gegenüber dem Amtsrichter, dass ihre Eltern sie nie geschlagen hätten. Die Parteien vereinbarten, die Umgangskontakte zwischen den Beschwerdeführern und ihren Kindern mit dem Ziel der Rückführung der Kinder in den elterlichen Haushalt auszubauen.

30. Am 9. Oktober 2009 kehrten die Kinder in den Haushalt der Beschwerdeführer zurück. Am 13. April 2010 hob das Amtsgericht seinen Beschluss vom 4. August 2008 auf und übertrug den Beschwerdeführern die elterliche Sorge zurück.

II. EINSCHLÄGIGES INNERSTAATLICHES RECHT

31. § 1666 BGB sieht vor, dass das Gericht bei einer Gefährdung des Kindeswohls die erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat. Nach § 1666a Abs. 1 sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von den Eltern verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen (§ 1666a Abs.2).

32. Nach § 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

I. BEHAUPTETE VERLETZUNG VON ARTIKEL 8 DER KONVENTION

33. Die Beschwerdeführer rügten, dass die Entziehung des Sorgerechts sie in ihrem Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens nach Artikel 8 der Konvention verletze; Artikel 8 lautet wie folgt:

"1. Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

2. Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."

34. Die Regierung trat diesem Vorbringen entgegen.

A. Zulässigkeit

35. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Beschwerdeführer zwei Individualbeschwerden beim Gerichtshof eingereicht haben, die erste (Nr. 18734/09) betreffend die Inobhutnahme ihrer Kinder und die zweite (Nr. 9242/11) betreffend die Verweigerung einer Entschädigung seitens der Behörden. Angesichts des ähnlichen Gegenstands der Individualbeschwerden hält es der Gerichtshof für angemessen, diese zu verbinden.

36. Der Gerichtshof stellt fest, dass diese Rüge nicht offensichtlich unbegründet im Sinne von Artikel 35 Abs. 3 der Konvention ist. Sie ist auch nicht aus anderen Gründen unzulässig. Folglich ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

1. Das Vorbringen der Beschwerdeführer

37. Die Beschwerdeführer rügten insbesondere, dass die innerstaatlichen Behörden den erheblichen Sachverhalt nicht hinreichend geprüft hätten. Das Jugendamt und die Familiengerichte stützten sich ausschließlich auf die Aussagen der Kinder, die nicht durch Tatsachenbeweise bestätigt würden. Die Eltern hingegen hätten sämtliche Behauptungen häuslicher Gewalt fortwährend zurückgewiesen.

38. Im vorliegenden Fall gebe es genügend Gründe, den Behauptungen der Kinder zu misstrauen. Das Tagebuch des Mädchens, das auszugsweise den Gerichten vorgelegt worden sei, enthalte keine Hinweise darauf, dass sie Gewalt erfahren hätte. Die Hausärztin der Familie habe keine Hinweise auf jegliche Form der Misshandlung feststellen können. Die ärztlichen Atteste seien den Gerichten vorgelegt worden. Es sei ferner dargelegt worden, dass die Kinder regelmäßig an Freizeitaktivitäten teilgenommen hätten. Dasselbe gelte für die Zeugnisse der Kinder und die Tatsache, dass sie nur selten den Unterricht versäumt hätten. Wären sie den behaupteten Misshandlungen tatsächlich ausgesetzt gewesen, hätten sie zwangsläufig für längere Zeit in der Schule fehlen müssen.

39. Die Beschwerdeführer wiesen ferner darauf hin, dass die innerstaatlichen Gerichte eine weitere Beweiserhebung ablehnten. Weder die Lehrer der Kinder, noch die Hausärztin der Familie seien formell angehört worden. Die Gerichte ignorierten die ärztlichen Atteste und stellten keine Nachforschungen bei den Sportclubs der Kinder an. Zudem berücksichtigten sie nicht, dass auch der Mitarbeiter des Psychologischen Dienstes der Stadt, der beide Kinder kenne, keine Hinweise auf körperliche Misshandlungen festgestellt habe.

40. Auch hätten die innerstaatlichen Behörden die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sich die Kinder im Vorfeld über ihre Aussage vor Gericht verständigt hätten, und sie hätten die Kinder nicht getrennt voneinander angehört. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts seien die Kinder in der Lage gewesen, auf Türkisch zu kommunizieren, als sie in die Obhut des Jugendamts genommen worden seien.

2. Die Stellungnahmen der Regierung

41. Nach Auffassung der Regierung war die Entziehung der elterlichen Sorge notwendig, um das Wohl der Kinder zu schützen. Die Regierung wies darauf hin, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung betont habe, dass bei der Herbeiführung eines gerechten Ausgleichs zwischen den betroffenen Interessen das Kindeswohl im Vordergrund stehe. Die innerstaatlichen Entscheidungen in der vorliegenden Rechtssache seien ausschließlich so zu verstehen, dass sie dem Kindeswohl dienten.

42. Das Amtsgericht habe alle Verfahrensbeteiligten angehört. Die Aussagen der Kinder sowohl beim Jugendamt als auch vor dem Richter reichten aus, um den Schluss des Gerichts zuzulassen, dass das Wohl der Kinder ernsthaft gefährdet sei. Beide Kinder hätten beschrieben, wie sie von ihren Eltern geschlagen worden seien. Es gebe keinen Grund für eine weitere Beweisaufnahme. Die Regierung führte aus, dass hierbei die Bewertung des Sachverhalts durch das Amtsgericht aus einer ex ante Perspektive zu betrachten sei. Die Tatsache, dass die Kinder ein Jahr später, im Jahr 2009, ausgesagt hätten, sie hätten damals vor Gericht gelogen, müsse unberücksichtigt bleiben.

43. Zum damaligen Zeitpunkt hätte für das Amtsgericht kein Grund bestanden, an der Glaubwürdigkeit der Kinder zu zweifeln. Das Gericht hörte die Kinder getrennt voneinander und in Abwesenheit anderer Personen an. Beide Kinder schilderten dabei die gleichen Sachverhalte. Wenn es sich bei diesen Aussagen tatsächlich um Falschaussagen gehandelt haben sollte, dann hätte der Familienrichter davon ausgehen müssen, dass sich die Kinder im Vorfeld über ihre Aussagen verständigt hätten. Diese Annahme sei jedoch bei einem 8- und einer 12-Jährigen fernliegend. Außerdem stimmten die Aussagen der Kinder mit ihrer früheren Darstellung gegenüber dem Jugendamt überein. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Kinder bereits zwei Monate von ihren Eltern getrennt gewesen seien. Dementsprechende habe zumindest der 12-jährigen Tochter die Auswirkungen einer etwaigen falschen Aussage bewusst sein müssen. Schließlich hielten auch die Lehrerin der Kinder sowie der Leiter der Beratungsstelle des Deutschen Kinderschutzbundes in Krefeld, der den Kontakt mit dem Jugendamt aufgenommen hatte, die Aussagen der Kinder für glaubhaft. Auch später hätten sich die Kinder stets entsprechend ihrer Aussage vor Gericht geäußert.

44. Allein der Umstand, dass minderjährige Kinder vor Gericht vernommen würden, impliziere nicht automatisch, dass ihnen nicht geglaubt werden könne und zwangsläufig ein Glaubwürdigkeitsgutachten einzuholen sei. Die innerstaatlichen Gerichte hätten aufgrund der Aussagen der Kinder, an deren Glaubwürdigkeit kein Zweifel bestanden hätte, davon ausgehen müssen, dass die Beschwerdeführer gegenüber ihren Kindern massiv gewalttätig geworden sind. Die Entscheidung sei somit zum damaligen Zeitpunkt notwendig und verhältnismäßig gewesen, um das Wohl der Kinder zu schützen.

3. Würdigung durch den Gerichtshof

45. Der Gerichtshof stellt eingangs fest, dass die Bundesregierung nicht bestreitet, dass die Entziehung des elterlichen Sorgerechts in das nach Artikel 8 der Konvention geschützte Recht der Beschwerdeführer auf Achtung ihres Familienlebens eingriffen hat. Der Gerichtshof bestätigt diese Bewertung. Jeder Eingriff dieser Art stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen", verfolgte ein oder mehrere Ziele, die nach Absatz 2 dieser Bestimmung legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" angesehen werden.

46. Der Gerichtshof stellt fest, dass die angegriffene Maßnahme den Erfordernissen des innerstaatlichen Rechts entsprach und das legitime Ziel des Schutzes der Rechte anderer verfolgte, nämlich der Rechte der Kinder der Beschwerdeführer. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass er bei der Frage, ob ein Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, zu prüfen hat, ob die zur Rechtfertigung der Maßnahmen angeführten Gründe, im Lichte des Falles als Ganzem, „zutreffend und ausreichend" waren und ob der Entscheidungsprozess fair war und die gebührende Achtung der Rechte der Beschwerdeführer aus Artikel 8 sicherstellte.

47. Bei der Prüfung der zur Rechtfertigung der Maßnahmen angeführten Gründe und des Entscheidungsprozesses berücksichtigt der Gerichtshof gebührend die Tatsache, dass die innerstaatlichen Behörden den Vorteil hatten, mit allen Beteiligten unmittelbar in Verbindung zu stehen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichtshofs, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorgerechts wahrzunehmen (vgl. u.v.a, H. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 11057/02, Rdnr. 89, ECHR 2004-III). Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass die Behörden einen großen Ermessensspielraum haben, insbesondere bei der Beurteilung der Frage, ob ein Kind in Pflege zu nehmen ist. Dagegen ist eine genauere Kontrolle bei weitergehenden Beschränkungen erforderlich, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern (siehe z.B. E. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Rdnr. 64, ECHR 2000-VIII und A.D. und O.D. ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr. 28680/06, Rdnr. 83, 16. März 2010).

48. Der Gerichtshof weist erneut darauf hin, dass Fehlurteile oder -einschätzungen von Fachkräften nicht per se dazu führen, dass Maßnahmen betreffend die Sorge für die Person des Kindes mit den Erfordernissen von Artikel 8 der Konvention unvereinbar sind. Die Behörden, sowohl im medizinischen als auch im sozialen Bereich, sind zum Schutz von Kindern verpflichtet und können nicht jedes Mal dafür verantwortlich gemacht werden, wenn ein echter und gerechtfertigter Anlass zur Besorgnis hinsichtlich der Sicherheit von Kindern im Verhältnis zu Mitgliedern ihrer Familie sich - rückblickend - als fehlgeleitet erweist (R.K. und A.K. ./. Vereinigtes Königreich, Individualbeschwerde Nr.. 38000/05, Rdnr. 36, 30. September 2008 und A.D. und O.D., a.a.O., Rdnr. 84). Daraus folgt, dass die innerstaatlichen Entscheidungen nur im Lichte der Sachlage geprüft werden können, wie sie sich den innerstaatlichen Behörden zum Zeitpunkt der Entscheidungen dargestellt hat.

49. Im Hinblick auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass sich die innerstaatlichen Behörden zumindest dem ersten Anschein nach glaubhaften Behauptungen schweren körperlichen Missbrauchs gegenüber sahen. Der Gerichtshof ist daher der Ansicht, dass das Amtsgericht Krefeld auf der Grundlage der schweren Vorwürfe der Kinder hinreichende Gründe dafür hatte, die Kinder im Wege der einstweiligen Anordnung unverzüglich aus ihrer Familie herauszunehmen, um einen möglichen weiteren Missbrauch zu verhindern. Daraus folgt, dass die einstweilige Anordnung des Amtsgerichts vom 23. Mai 2008 die Rechte der Beschwerdeführer aus Artikel 8 der Konvention nicht verletzte.

50. Es bleibt noch festzustellen, ob die Entscheidung im Hauptsacheverfahren über die endgültige Entziehung der elterlichen Sorge die Rechte der Beschwerdeführer aus Artikel 8 der Konvention hinreichend gewährleistete. Der Gerichtshof stellt fest, dass der einzige Beweis, auf den das Amtsgericht Krefeld seine Entscheidung vom 4. August 2008 stützte, die persönlichen Äußerungen der beiden Kinder gegenüber dem Jugendamt und vor dem Amtsgericht waren. Es gab keinen objektiven Beweis für den behaupteten Missbrauch. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass das Amtsgericht zwar den Vorteil des unmittelbaren Kontakts zu den Kindern hatte, das Berufungsgericht hingegen seine Bewertung ausschließlich auf den Inhalt der Verfahrensakte stützte, ohne die Kinder erneut persönlich anzuhören. Die Beschwerdeführer wiederum stützten sich auf die Aussagen der behandelnden Ärzte der Kinder und eines Psychologen, die den Jungen wiederholt untersucht und keinen Hinweis auf einen Missbrauch festgestellt hatten. Sie wiesen ferner darauf hin, dass die Kinder regelmäßig die Schule besucht und an sportlichen Aktivitäten teilgenommen hätten. Auch wurde vor den innerstaatlichen Gerichten nicht bestritten, dass das Mädchen eine lebhafte Phantasie hatte. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass diese Tatsachen Zweifel am Wahrheitsgehalt der Behauptungen der Kinder aufkommen lassen.

51. Der Gerichtshof stellt weiterhin fest, dass die innerstaatlichen Gerichte bei ihrer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht unter Druck standen, eine übereilte Entscheidung zu treffen, nachdem die Kinder sicher in einer Wohngruppe für Kinder untergebracht waren. Darüber hinaus stellt der Gerichtshof fest, dass die deutschen Familiengerichte nach § 26 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen (siehe Rdnr. 33) verpflichtet sind, von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, und dass die Bundesregierung keine tatsächlichen Gründe angeführt hat, aus denen die innerstaatlichen Gerichte daran gehindert hätten sein können, den Sachverhalt vor Erlass einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiter zu untersuchen. Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die schwerwiegenden Auswirkungen, die die vollständige Entziehung der elterlichen Sorge der Beschwerdeführer auf die Familie insgesamt hatte, vertritt der Gerichtshof die Auffassung, dass die innerstaatlichen Gerichte im Hauptsacheverfahren keine hinreichenden Gründe dafür angeführt haben, den Beschwerdeführern die elterliche Sorge zu entziehen.

52. Folglich ist Artikel 8 der Konvention verletzt worden.

II. ANDERE BEHAUPTETE KONVENTIONSVERLETZUNGEN

53. Die Beschwerdeführer rügen nach Artikel 8 der Konvention, dass ihnen der Umgang mit ihren Kindern während ihrer Obhutnahme verwehrt worden sei. Darüber hinaus beanstanden sie nach Artikel 14 der Konvention, gegenüber Eltern deutscher Herkunft diskriminiert worden zu sein. Abschließend rügen sie nach Artikel 3 des Protokolls Nr. 7 zur Konvention, dass ihnen eine Entschädigung für die fehlerhaften Entscheidungen der deutschen Gerichte versagt worden sei.

54. Unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und soweit die gerügten Angelegenheiten unter seine Zuständigkeit fallen, stellt der Gerichtshof allerdings fest, dass hier keine Anzeichen für eine Verletzung der in der Konvention oder den Protokollen dazu bezeichneten Rechte und Freiheiten ersichtlich sind.

Daraus folgt, dass dieser Teil der Beschwerde offensichtlich unbegründet ist und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

III. ANWENDUNG VON ARTIKEL 41 DER KONVENTION

55. Artikel 41 der Konvention lautet:

„Stellt der Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies notwendig ist."

A. Schaden

56. Die Beschwerdeführer verlangen die Zahlung von insgesamt 35.923,74 Euro in Bezug auf den materiellen Schaden. Sie trugen vor, sie hätten in eine andere Stadt ziehen müssen, weil sie es nicht hätten ertragen können, in Krefeld zu leben, nachdem ihnen die Kinder weggenommen worden seien. Die Ausgaben für den Umzug in eine neue Wohnung, einschließlich der Anschaffung neuer Möbel und zusätzlicher Ausgaben, sowie die Unterbringungskosten in Höhe von 1.834,93 Euro, die sie an das Jugendamt zahlen mussten, finanzierten sie mit einem Kredit in Höhe von 21.095,34 Euro. Darüber hinaus brachten sie vor, der erste Beschwerdeführer sei infolge erheblicher Traumatisierung arbeitslos geworden, und errechneten einen Verdienstausfall in Höhe von 14.828,40 Euro.

57. Die Regierung führte aus, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen dem behaupteten Verstoß und dem Umzug bestehe, der eine freiwillige Entscheidung der Beschwerdeführer gewesen sei. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer den behaupteten Verdienstausfall sowie den kausalen Zusammenhang zwischen der behaupteten Verletzung ihrer Konventionsrechte und des Verlusts des Arbeitsplatzes des Beschwerdeführers nicht substantiiert.

58. Der Gerichtshof kann keinen hinreichenden Kausalzusammenhang zwischen der festgestellten Verletzung, dem Umzug der Beschwerdeführer, der Anschaffung neuer Möbel, den Kosten des Privatkredits und dem behaupteten Verdienstausfall erkennen. Jedoch spricht er den Beschwerdeführern 1.834,93 in Euro für die Unterbringungskosten der Kinder, als sie in behördlicher Obhut standen, zu.

59. Die Beschwerdeführer verlangten ferner jeweils 55.000 EUR als Entschädigung für den immateriellen Schaden. Sie trugen vor, dass sie 497 Tage von ihren Kindern getrennt gewesen seien, dass sie mit der Tatsache leben müssten, dass ihre Tochter im Heim sexuell missbraucht worden sei, und dass der erste Beschwerdeführer seinen Arbeitsplatz verloren habe.

60. Die Regierung hielt den von den Beschwerdeführern geltend gemachten Betrag für überzogen. Angesichts der Tatsache, dass die innerstaatlichen Gerichte keinen Grund gehabt hätten, an der Glaubwürdigkeit der Behauptung der Kinder zu zweifeln, sei es in der vorliegenden Rechtssache nicht angezeigt, eine Entschädigung für immaterielle Schäden zuzusprechen.

61. Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Beschwerdeführer aufgrund der Verletzung ihrer Rechte vor den innerstaatlichen Gerichten große Angst und Frustration verspürt haben müssen. Im Hinblick ferner auf die weitreichenden Folgen, die die angefochtenen Entscheidungen für die Familie der Beschwerdeführer insgesamt hatten, entscheidet der Gerichtshof nach Billigkeit und spricht jedem Beschwerdeführer unter dieser Rubrik 25.000 Euro zu.

B. Kosten und Auslagen

62. Die Beschwerdeführer, die sich auf Belege stützen, verlangten 3.078,74 EUR für Kosten und Auslagen vor den innerstaatlichen Gerichten. Darüber hinaus machten sie einen Pauschalbetrag in Höhe von 300 Euro für Fahrtkosten, Porto, Papier und Arztkosten geltend.

63. Nach Auffassung der Regierung haben sie lediglich Gerichts- und Anwaltskosten in Höhe von 2.095,41 Euro nachgewiesen.

64. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat ein Beschwerdeführer nur soweit Anspruch auf Ersatz von Kosten und Auslagen, als nachgewiesen wurde, dass diese tatsächlich und notwendigerweise entstanden waren und der Höhe nach angemessen sind. In der vorliegenden Rechtssache hält es der Gerichtshof unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der oben genannten Kriterien für angemessen, für Kosten und Auslagen im innerstaatlichen Verfahren 2.095,41 EUR zuzusprechen.

C. Verzugszinsen

65. Der Gerichtshof hält es für angemessen, für die Berechnung der Verzugszinsen den Spitzenrefinanzierungssatz der Europäischen Zentralbank zuzüglich drei Prozentpunkten zugrunde zu legen.

AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG:

1. Die Individualbeschwerden werden verbunden;
2. Die Rüge nach Artikel 8 der Konvention bezüglich der Entziehung der elterlichen Sorge wird für zulässig und die Individualbeschwerde im Übrigen für unzulässig erklärt;
3. Artikel 8 der Konvention ist verletzt worden;
4. a) Der beschwerdegegnerische Staat hat den Beschwerdeführern binnen drei Monaten nach dem Tag, an dem das Urteil nach Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig wird, folgende Beträge zu zahlen:
i) an beide Beschwerdeführer zusammen 1.834,93 Euro (eintausendachthundertvierunddreißig Euro und dreiundneunzig Cent) für den materiellen Schaden, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
ii) an jeden Beschwerdeführer 25.000 EUR (fünfundzwanzigtausend Euro) für den immateriellen Schaden, zuzüglich gegebenenfalls zu berechnender Steuern;
iii) an beide Beschwerdeführer zusammen 2.095,41 Euro (zweitausendundfünfundneunzig Euro und einundvierzig Cent) für Kosten und Auslagen, zuzüglich der den Beschwerdeführern gegebenenfalls zu berechnenden Steuern;
b) Nach Ablauf der vorgenannten Frist von drei Monaten fallen für die obengenannten Beträge bis zur Auszahlung einfache Zinsen in Höhe eines Zinssatzes an, der dem Spitzenrefinanzierungssatz (marginal lending rate) der Europäischen Zentralbank im Verzugszeitraum zuzüglich drei Prozentpunkten entspricht;
5. Im Übrigen wird die Forderung der Beschwerdeführer nach gerechter Entschädigung zurückgewiesen. ..." (EGMR, Urteil vom 14.03.2013 - 18734/09, 9424/11)

***

„... SACHVERHALT

Der 19… geborene Beschwerdeführer, Herr D., ist deutscher Staatsangehöriger und in B. wohnhaft.

A. Die Umstände des Falls

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

1. Der Hintergrund der Rechtssache

Der Beschwerdeführer hat einen Sohn, der 1995 nichtehelich geboren wurde. Noch im selben Jahr erkannte er die Vaterschaft für das Kind an. Da die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hatten, erhielt die Mutter nach § 1626a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (‚BGB' - siehe ‚Das einschlägige innerstaatliche Recht') die alleinige elterliche Sorge.

Von 1995 bis Dezember 1997, als die Eltern sich trennten und die Mutter in eine andere Wohnung in der Nachbarschaft umzog, lebten der Beschwerdeführer und die Kindesmutter zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in B. Im Zeitraum von Januar 1998 bis Januar 2002 betreuten beide Eltern das Kind wöchentlich abwechselnd im selben Umfang.

Im Januar 2002 verzog die Mutter mit dem Sohn von B. nach S., einer Stadt, die 650 km von B. entfernt ist, ohne dies mit dem Beschwerdeführer abgesprochen zu haben. Die Mutter behauptete, sie sei umgezogen, weil das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit dem Wohl des Kindes geschadet habe.

2. Das Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs

(a) Das Verfahren bis zur Regelung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers

Mit Schriftsätzen vom 29. Januar und 1. Februar 2002 beantragte der Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht B., ihm die elterliche Sorge, hilfsweise das für das Kind zu übertragen. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer Umgang mit seinem Sohn abwechselnd wöchentlich sowie darüber hinaus eine einstweilige Anordnung hinsichtlich einer vorläufigen Regelung seines Umgangs mit dem Kind.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 teilte das Gericht dem Beschwerdeführer mit, dass die Sache an das Amtsgericht S. abgegeben worden sei; dort wurden zwei getrennte Verfahren eröffnet: ein Verfahren über die Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer (Az.: 41 F 36/02) und ein weiteres Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf Umgang mit seinem Sohn (Az.: 41 F 37/02). In der Folgezeit wurden die Verfahren weitgehend gleichzeitig geführt.

Am 1. März 2002 erstattete der Beschwerdeführer Strafanzeige gegen die Mutter u. a. wegen Kindesentziehung. Das daraufhin gegen die Mutter eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Nachdem die Mutter den Beschwerdeführer beschuldigt hatte, das Kind sexuell missbraucht zu haben, leitete die Staatsanwaltschaft B. gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein.

Am 21. Juni 2002 teilte das Jugendamt S. dem Amtsgericht mit, dass es eine Stellungnahme zu der Frage, wie der Umgang des Vaters mit dem Sohn geregelt werden sollte, nicht abgeben könne, da die Mutter Gesprächsangebote abgelehnt habe.

Bei einer Anhörung im Verfahren über das Umgangsrecht (Az.: 41 F 37/02) am 26. Juni 2002 beantragte der Beschwerdeführer unbetreuten Umgang mit seinem Sohn.

Mit Beschluss vom 5. November 2002 räumte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung betreuten Umgang unter Einschaltung des Ortsverbandes S. (nahe S.) des Deutschen Kinderschutzbundes ein. Das Gericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf unbetreuten Umgang mit der Begründung ab, dass darüber erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden könne, nachdem das Gericht ein Gutachten zu einer möglichen Regelung des Umgangs zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn eingeholt habe.

In den Hauptsacheverfahren (Az.: 41 F 37/02 and 41 F 36/02) wurden die Eltern und das Kind am 11. bzw. 18. Dezember 2002 angehört. Das Kind äußerte den Wunsch, abwechselnd eine Woche bei seiner Mutter und eine Woche bei seinem Vater zu verbringen.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 ordnete das Amtsgericht S. ein psychologisches Sachverständigengutachten zu der Frage an, welche Ausgestaltung des Sorge- und Umgangsrechts dem Kindeswohl dienlich wäre, und bestellte eine Gutachterin. Beide Elternteile wandten sich gegen die Entscheidung des Gerichts und lehnten die Gutachterin ab. Später weigerte sich die Mutter, mit der Gutachterin zusammenzuarbeiten.

Zwischen dem 27. Dezember 2002 und dem 18. Juli 2003 hatte der Beschwerdeführer in etwa zwölf Mal betreuten Umgang mit seinem Sohn in den Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes Schifferstadt. Dann stellte er die Besuche ein, da er die Bedingungen, unter denen der Umgang mit seinem Sohn stattfand, als für das Wohl des Kindes schädlich ansah.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2003 teilte die Staatsanwaltschaft B. dem Beschwerdeführer mit, dass das 2002 gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs seines Sohnes eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.

Am 2. und 16. Juli 2003 beantragte der Beschwerdeführer erneut im Wege einer einstweiligen Anordnung ein unbetreutes Umgangsrecht und verwies zur Begründung darauf, dass nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens kein Grund mehr bestehe, sein Recht auf Umgang mit seinem Sohn Einschränkungen zu unterwerfen.

In einem Beschluss vom 16. Januar 2004, mit dem die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags des Beschwerdeführers gegen den mit der Sache befassten Richter am Amtsgericht S. bestätigt wurde, wies das Oberlandesgericht Zweibrücken darauf hin, dass eine missbräuchliche Vereitelung des Umgangs des Beschwerdeführers mit dem Kind durch die Mutter Zweifel an ihrer Erziehungseignung begründen und sogar den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur Folge haben könne.

Mit Beschluss vom 27. Januar 2004 gab das Amtsgericht den Parteien auf, mit der Sachverständigen zusammenzuarbeiten, und drohte im Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu 2.000,00 Euro an.

Am 29. Januar 2004 verbrachte der Beschwerdeführer mit Einverständnis der Mutter vier Stunden allein mit seinem Sohn.

Ein erstes Treffen zwischen der Sachverständigen und der Mutter fand im März 2004 statt.

Am 11. März 2004 hob das Oberlandesgericht Zweibrücken den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Januar 2004 auf und stellte fest, dass Eltern zwar nach dem Gesetz nicht verpflichtet seien, ihr Kind begutachten zu lassen, und ihnen deshalb auch kein Zwangsgeld angedroht werden könne, die beharrliche Weigerung der Mutter, mit der Sachverständigen zusammenzuarbeiten, im vorliegenden Fall jedoch Zweifel an ihrer Geeignetheit zur Ausübung der elterlichen Sorge aufkommen lassen könne.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2004 wies das Amtsgericht S. den Antrag des Beschwerdeführers ab, seinen Beschluss vom 5. November 2002 abzuändern und ihm nicht betreuten Umgang mit seinem Sohn einzuräumen. Das Gericht stellte fest, dass in Anbetracht der von der Mutter erhobenen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs ein nicht betreuter Umgang erst dann in Betracht kommen könne, wenn das Gutachten vorliege und Klarheit in Bezug auf den Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen bestehe.

Am 18. Juni 2004 sprach die Sachverständige mit dem Kind.

Am 5. und 8. Juli 2004 beantragte der Beschwerdeführer im Wege einer einstweiligen Anordnung erneut unbetreuten Umgang mit seinem Sohn.

Nachdem ein Richterwechsel stattgefunden hatte, bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Juli 2004 eine Verfahrenspflegerin für das Kind.

Am 5. August 2004 wurden die Eltern und das Kind erneut angehört.

Mit Beschluss vom 11. August 2004 bestellte das Amtsgericht einen neuen Sachverständigen, nachdem hinsichtlich der Kompetenz und Objektivität der zunächst bestellten Gutachterin Zweifel entstanden waren.

Mit Beschluss vom selben Tag wies das Amtsgericht nach Anhörung der Eltern und des Kindes sowie unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme der zunächst bestellten Gutachterin vom 8. Juli 2004 den erneuten Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Anordnung des unbetreuten Umgangs bis zur Fertigstellung eines Gutachtens durch den neu bestellten Sachverständigen ab. Das Gericht war nach Anhörung der Mutter der Auffassung, dass die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs nicht gänzlich unsubstantiiert seien und deshalb auf ein Sachverständigengutachten nicht verzichtet werden könne. Die ausdrückliche Weigerung des Beschwerdeführers, seinen Sohn unter den Bedingungen eines betreuten Umgangs zu sehen oder andere Formen des betreuten Umgangs zu akzeptieren, ließen Zweifel an der Bedeutung aufkommen, die er dem Wohl des Kindes zumesse.

Das Gutachten wurde am 12. November 2004 erstattet, nachdem die Eltern und das Kind befragt worden waren. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass es unter den gegebenen Umständen dem Kindeswohl abträglich wäre, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen und die alleinige Sorge dem Vater zu übertragen. Ein gemeinsames Sorgerecht diene dem Kindeswohl auch nicht, denn das Verhältnis zwischen den Eltern sei immer noch angespannt. Der Sachverständige empfahl jedoch regelmäßigen Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn. Zunächst könne vorgesehen werden, dass der Vater seinen Sohn an jedem zweiten Wochenende in S. besucht; nach einer Probezeit von sechs Monaten könnten längere Aufenthalte des Kindes im Haushalt des Vaters in Betracht gezogen werden.

Nachdem sie die Eltern und das Kind angehört hatte, sprach sich die Verfahrenspflegerin in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 3. und 27. Dezember 2004 ebenfalls gegen eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer aus, empfahl aber, ihm sofort ein Recht auf unbetreuten Umgang mit seinem Sohn einzuräumen. Die Verfahrenspflegerin wies darauf hin, dass nach dem anwendbaren Recht die Übertragung der Alleinsorge auf den nichtehelichen Vater, wenn die Zustimmung der Mutter nicht vorliege, nach § 1666 BGB nur dann möglich sei, wenn die Mutter erziehungsunfähig und dadurch das Wohl des Kindes gefährdet sei. Der Mutter könne zwar vorgeworfen werden, dass sie den Sohn ohne einen triftigen Grund aus seiner vertrauten Umgebung in B. herausgerissen und ihm den Vater als Bezugsperson entzogen habe, aber es gebe keine Anhaltspunkte für die Behauptungen des Beschwerdeführers, dass sie psychisch gestört und deshalb erziehungsunfähig sei. Die Verfahrenspflegerin war ferner der Meinung, dass in Anbetracht der anhaltenden Streitigkeiten und der Uneinigkeit zwischen den Eltern über die Erziehung des Kindes ein gemeinsames Sorgerecht ebenfalls ausscheide.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2005 räumte das Amtsgericht S. dem Beschwerdeführer unbetreuten Umgang mit dem Kind an jedem zweiten Wochenende mit der Maßgabe ein, dass die Begegnungen im Umkreis von 30 km vom Wohnsitz der Mutter stattfinden müssten. Gegen diesen Beschluss legten beide Parteien Rechtsmittel ein.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2005 änderte das Oberlandesgericht Zweibrücken den Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Februar 2005 ab und gewährte dem Beschwerdeführer regelmäßigen unbetreuten Umgang mit dem Kind an jedem dritten Wochenende sowie während der Hälfte der Schulferien.

In der Folgezeit konnte der Beschwerdeführer sein Umgangsrecht anscheinend dementsprechend ausüben.

(b) Das Sorgerechtsverfahren im Übrigen

Im Rahmen der Vorbereitung auf einen Sitzungstermin in dem noch immer anhängigen Sorgerechtsverfahren, in dem der Sachverständige sein Gutachten vom 12. November 2004 näher erläutern sollte, beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht S. die Zulassung eines Diplom-Pädagogen, der den psychologischen Sachverständigen an seiner Stelle befragen sollte, da weder er noch sein Anwalt über den erforderlichen psychologischen Sachverstand verfügten, um die relevanten Fragen zu stellen. Mit Beschluss vom 25. Juli 2005 wies das Gericht den Antrag des Beschwerdeführers mit der Feststellung zurück, sein Anwalt habe dem Sachverständigen bereits schriftlich eine Liste mit relevanten Fragen vorgelegt, die den von ihm behaupteten Mangel an Sachverstand nicht erkennen lasse. Das Gericht war außerdem der Meinung, dass der vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Pädagoge nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfüge. Unter Hinweis darauf, dass Verhandlungen in Familiensachen grundsätzlich nicht öffentlich seien und die Zulassung von weiteren Beiständen für die Parteien deshalb die Ausnahme bleiben müsse, vertrat das Gericht die Auffassung, dass außergewöhnliche Umstände, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen würden, im vorliegenden Fall nicht gegeben seien.

Am 19. Juni 2006 fand eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der Sachverständige weitere Ausführungen machte. Die Verfahrenspflegerin berichtete, dass das Kind nach seinem letzten Besuch beim Vater Anfang Juni 2006 den Wunsch geäußert habe, er wolle jetzt bei seinem Vater wohnen und seine Mutter nur besuchen.

Mit Beschluss vom 23. August 2006 wies das Amtsgericht S. den Antrag des Beschwerdeführers zurück, ihm nach § 1672 bzw. 1666 BGB die alleinige elterliche Sorge für das Kind, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Seinen weiter hilfsweise gestellten Antrag, die gemeinsame Sorge herzustellen und die nach § 1672 Abs. 1 BGB erforderliche Zustimmung der Mutter hierzu nach Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB, einer vom deutschen Gesetzgeber am 31. Dezember 2003 eingeführten Übergangsvorschrift (siehe ‚Das einschlägige innerstaatliche Recht'), zu ersetzen, wies das Gericht ebenfalls zurück.

In Bezug auf die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellte das Gericht zunächst fest, dass der Antrag des Beschwerdeführers, sofern er nach § 1672 BGB gestellt sei, als unzulässig zurückgewiesen werden müsse. Das Gericht wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer und die Kindesmutter niemals miteinander verheiratet gewesen seien und keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hätten und dass die elterliche Sorge daher nach § 1626a BGB der Mutter allein zustehe. Gemäß § 1672 Abs. 1 könne, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt lebten und die elterliche Sorge für das Kind nach § 1626a BGB der Mutter zustehe, der Vater nur mit Zustimmung der Mutter beantragen, dass ihm das Gericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein übertrage. Da die Mutter im vorliegenden Fall ihre Zustimmung verweigert habe, scheide § 1672 Abs. 1 als Rechtsgrundlage für den diesbezüglichen Antrag des Vaters aus. Auf die Gründe, aus denen die Mutter die Zustimmung verweigert habe, komme es nicht an, denn die genannte Vorschrift sehe die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung der Mutter grundsätzlich nicht vor. Dabei sei leider hinzunehmen, dass nach wie vor keine Gleichstellung von Vätern nichtehelicher Kinder mit den Vätern ehelicher Kinder erreicht sei.

Anschließend befasste sich das Gericht mit der Frage, ob eine Übertragung des Sorgerechts durch eine Gerichtsentscheidung ohne Zustimmung der Mutter unter den in § 1666 BGB genannten Ausnahmen in Betracht kommen könnte; danach sei das Familiengericht befugt, die erforderlichen Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet sei und die Eltern nicht gewillt seien, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Das Gericht war jedoch insbesondere unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten vom 12. November 2004, das in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006 ergänzt worden war, der Auffassung, dass das Wohl des Kindes im vorliegenden Fall durch das alleinige Sorgerecht der Mutter nicht gefährdet sei. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl widersprechen würde, insbesondere im Hinblick auf das angespannte Verhältnis zwischen den Eltern, das im Wesentlichen darauf zurückzuführen sei, dass der Vater versuche, die von der Mutter geleistete Erziehungsarbeit zu untergraben. Die früher von der Mutter erhobenen sexuellen Missbrauchsvorwürfe könnten nicht zu einer anderen Einschätzung führen, denn sie habe diese Vorwürfe vor ihm nicht aufrechterhalten und aus der Exploration des Kindes ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Vater und Sohn infolge der Behauptungen der Mutter Schaden genommen habe. Der Sachverständige führte weiter aus, dass es keine Anhaltspunkte für die Behauptung des Vaters gebe, dass die Mutter an einer pathologischen Persönlichkeitsstörung leide und deshalb erziehungsunfähig sei. Dass das Kind nach seinem letzten Aufenthalt bei seinem Vater im Juni 2006 den Wunsch geäußert habe, er wolle nunmehr auch einmal bei seinem Vater leben und seine Mutter nur besuchen, sei eine normale Konfliktreaktion eines Kindes, dessen Eltern sich getrennt haben. Doch da der Sohn erst 11 Jahre alt und deshalb nicht fähig sei, sich die Konsequenzen eines Umzugs zu seinem Vater vorzustellen, könnten die Äußerungen des Kindes keine Änderung seiner Schlussfolgerung, nämlich die alleinige elterliche Sorge der Mutter beizubehalten, bewirken.

Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen deckten sich mit den Schilderungen der Verfahrenspflegerin in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006; sie hatte kurz vor dem Verhandlungstermin mit dem Kind gesprochen und bestätigt, dass das Kind emotional stabil sei. Nach alledem war das Gericht der Auffassung, dass eine weitere Anhörung des Kindes nicht erforderlich sei.

Abschließend stellte das Gericht fest, dass der Hilfsantrag des Beschwerdeführers auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach dieser Übergangsvorschrift sei es zwar grundsätzlich möglich, die gemeinsame elterliche Sorge anzuordnen und die diesbezügliche Zustimmung der Mutter zu ersetzen, wenn sich die Eltern, wie im vorliegenden Fall, vor dem 1. Juli 1998 getrennt und vor der Trennung mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit dem Kind zusammengelebt hätten, aber Voraussetzung sei auch, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl diene. Unter Bezugnahme auf seine Begründung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Übertragung der alleinigen oder gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1666 BGB sowie die Einschätzung des Sachverständigen in der Anhörung vom 19. Juni 2006 und die Stellungnahmen der Vertreterin des Jugendamts und der Verfahrenspflegerin gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass in Anbetracht der anhaltenden Spannungen zwischen den Eltern die gemeinsame Sorge zu weiteren Auseinandersetzungen über die Erziehung des Sohnes, seine Betreuung und die Frage seines Aufenthaltsorts führen würde. Diese Auseinandersetzungen könnten die positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn gefährden und liefen somit dem Kindeswohl zuwider. Das Gericht hob ferner hervor, dass sich keine Zweifel an der Fachkompetenz des bestellten Gutachters oder der Richtigkeit seiner Feststellungen ergeben hätten.

Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 6. November 2006 Beschwerde ein. Er machte insbesondere geltend, dass in Anbetracht der Tatsache, dass das Kind vom Gericht und von dem Sachverständigen zuletzt im Jahr 2004 angehört worden sei, im Juni 2006 aber gegenüber der Verfahrenspflegerin erklärt habe, dass es nun bei seinem Vater leben wolle, eine erneute Anhörung seines Sohnes durch das Gericht sowie ein neues Sachverständigengutachten unverzichtbar seien für eine Entscheidung über die Frage, welche Zuordnung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl dienen würde.

Am 10. Januar 2007 wies das Oberlandesgericht Zweibrücken die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Oberlandesgericht schloss sich den Feststellungen des Amtsgerichts S. an und wies ergänzend darauf hin, dass die gemeinsame elterliche Sorge ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern voraussetze; im vorliegenden Fall, in dem die unüberbrückbaren Konflikte zwischen den Eltern durch eine gemeinsame Sorge eher noch verschärft würden, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Diese Feststellungen könnten aus dem Inhalt der Akten und ohne Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens getroffen werden. Einer weiteren Anhörung des Kindes oder der übrigen Prozessbeteiligten habe es ebenfalls nicht bedurft, da hiervon keine weiteren, für die Entscheidung bedeutsamen Erkenntnisse hinsichtlich der Übertragung der elterlichen Sorge zu erwarten gewesen seien.

Am 30. Januar 2007 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge zum Oberlandesgericht Zweibrücken.

Am 14. Februar 2007 erhob er Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts S. vom 23. August 2006 sowie gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10. Januar 2007 und focht die Ablehnung seines Antrags auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, hilfsweise der gemeinsamen Sorge für seinen Sohn gemäß § 1666 BGB bzw. Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB an.

Mit Beschluss vom 22. Februar 2007 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. In Ergänzung der in seinem Beschluss vom 10. Januar 2007 angeführten Gründe vertrat das Oberlandesgericht die Auffassung, dass das Amtsgericht den Sachverhalt umfassend ermittelt und seine Entscheidung auf der Grundlage der Erklärungen der Verfahrensbeteiligten getroffen habe, die mit Ausnahme des Kindes zeitnah angehört worden seien. Seit dem Beschluss des Amtsgerichts hätten sich keine entscheidungserheblichen tatsächlichen Änderungen ergeben, und es könne deshalb ausgeschlossen werden, dass eine erneute Anhörung zu einer anderen Einschätzung des Sachverhalts führen würde. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter erziehungsungeeignet sei oder das Kindeswohl in einem Maß gefährdet habe, das die Entziehung ihres Sorgerechts nach § 1666 BGB rechtfertigen würde. Außerdem stehe außer Zweifel, dass der erhebliche Konflikt zwischen den Eltern eine gemeinsame elterliche Sorge unmöglich mache; ein weiteres Sachverständigengutachten oder eine erneute Anhörung des Kindes könne daher für die Entscheidung darüber, wer das Sorgerecht erhalte, keine Rolle spielen.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2007 erstreckte der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Februar 2007.

Am 3. März 2009 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne weitere Begründung ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 846/07). Die Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 23. März 2009 zugestellt.

3. Das Verfahren vor dem Gerichtshof

Am 14. September 2005 erhob der Beschwerdeführer beim Gerichtshof eine erste Individualbeschwerde nach Artikel 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Individualbeschwerde Nr. 40014/05) betreffend das Sorgerecht für seinen Sohn und das Recht auf Umgang mit ihm. Unter Berufung auf Artikel 6 Abs. 1 sowie die Artikel 8 und 14 der Konvention rügte er die Dauer des innerstaatlichen Verfahrens und die Weigerung der innerstaatlichen Gerichte, ihm unbetreuten Umgang mit seinem Sohn zu gewähren.

In seinem Urteil hierüber vom 8. Juli 2010 entschied der Gerichtshof, dass zwar die Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens noch konventionskonform sei, die Dauer des Sorgerechtsverfahrens aber das in Artikel 6 der Konvention verankerte Gebot der Entscheidung innerhalb ‚angemessener Frist' verletzt habe, und erklärte die Beschwerde im Übrigen für unzulässig. Der Gerichtshof erklärte dazu allerdings, dass die Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 8 ausschließlich das Umgangsrechtsverfahren betreffe und die Vereinbarkeit des Sorgerechtsverfahrens mit dieser Vorschrift Gegenstand einer gesonderten Individualbeschwerde sei (vorliegende Individualbeschwerde Nr. 50216/09).

B. Das einschlägige innerstaatliche Recht und die innerstaatliche Praxis

Nach Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) sind die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Die Gesetzesbestimmungen zu Sorge- und Umgangsrecht finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das Kind zu sorgen (elterliche Sorge).

Nach § 1666 BGB hat das Familiengericht die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch Vernachlässigung gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt sind, diese Maßnahmen selbst zu treffen. Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von einem Elternteil verbunden ist, sind nur zulässig, wenn das Kind andernfalls in Gefahr wäre (§ 1666a BGB).

Nichtehelich geborene Kinder standen - nach § 1705 BGB in der früheren Fassung - automatisch unter der elterlichen Sorge der Mutter. Diese Bestimmung wurde jedoch 1996 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Am 1. Juli 1998 trat die Reform zum Kindschaftsrecht (Bundesgesetzblatt 1997, S. 2942) zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1996 in Kraft. Die einschlägigen Bestimmungen im BGB wurden wie folgt geändert: Nach § 1626a Abs. 1 können die Eltern eines nichtehelichen minderjährigen Kindes die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, wenn sie eine entsprechende Erklärung abgeben (Sorgeerklärung) oder einander heiraten. Andernfalls sieht § 1626a Abs. 2 vor, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht erhält.

Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die alleinige elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 2 BGB der Mutter zu, so sieht § 1672 Abs. 1 BGB vor, dass das Familiengericht die elterliche Sorge dem Vater allein übertragen kann, wenn ein Elternteil mit Zustimmung des anderen Elternteils den entsprechenden Antrag stellt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient.

Im Gegensatz hierzu führen Eltern nach ihrer Trennung das Sorgerecht gemeinsam fort, wenn sie vor ihrer Trennung die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt haben, entweder weil das Kind ehelich geboren wurde, weil die Eltern einander nach der Geburt des Kindes geheiratet haben, oder weil sie eine Sorgeerklärung abgegeben haben, es sei denn, ein Gericht spricht einem Elternteil auf dessen Antrag hin, und wenn es dem Wohl des Kindes dient, nach § 1671 BGB das alleinige Sorgerecht zu.

Am 29. Januar 2003 befand das Bundesverfassungsgericht, dass § 1626a BGB nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, da eine Übergangsregelung für unverheiratete Eltern fehle, die 1996 zusammengelebt, sich aber noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt hätten (also diejenigen, denen es unmöglich war, eine Sorgeerklärung abzugeben). Um die oben genannte mangelnde Verfassungsmäßigkeit zu beheben, führte der deutsche Gesetzgeber am 31. Dezember 2003 Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein, wonach ein Gericht auf Antrag des Vaters die Sorgeerklärung der Mutter ersetzen kann, wenn nicht miteinander verheiratete Eltern mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit ihrem Kind zusammengelebt und sich vor dem 1. Juli 1998 getrennt haben, vorausgesetzt, die gemeinsame elterliche Sorge dient dem Kindeswohl.

In seinem Urteil vom 29. Januar 2003 befand das Bundesverfassungsgericht auch, dass § 1626a Abs. 2 BGB - von der fehlenden Übergangsregelung abgesehen - das Recht von Vätern nichtehelich geborener Kinder auf Achtung ihres Familienlebens nicht verletze.

In einem späteren Urteil vom 21. Juli 2010 stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch u. a. unter Bezugnahme auf die Schlussfolgerungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Z. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 22028/04, 3. Dezember 2009) fest, dass das nach Artikel 6 Abs. 2 GG garantierte Elternrecht des Vaters dadurch verletzt werde, dass dieser generell von der Sorgetragung für ein nichteheliches Kind ausgeschlossen werde, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung verweigere, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder die alleinige Sorge für das Kind auf ihn selbst zu übertragen sei. Das Bundesverfassungsgericht entschied folglich, dass § 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB verfassungswidrig und bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge gemeinsam oder allein übertrage, soweit zu erwarten sei, dass dies dem Kindeswohl entspreche.

RÜGEN

Der Beschwerdeführer rügte nach Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention, dass die Tatsache, dass ihm das Sorgerecht für seinen Sohn nur deshalb verwehrt worden sei, weil er mit der Kindesmutter nicht verheiratet gewesen sei, einen Verstoß gegen sein Recht auf Achtung seines Familienlebens und eine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen des Geschlechts darstelle. Ferner rügte er, dass die innerstaatlichen Gerichte seinen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, hilfsweise der gemeinsamen Sorge für seinen Sohn gemäß § 1666 BGB sowie Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB abgelehnt hätten.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

1. Unter Berufung auf Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention rügte der Beschwerdeführer, dass die innerstaatlichen Behörden mit ihrer Entscheidung, ihm jegliches Sorgerecht für seinen Sohn mit der Begründung zu verweigern, dieser sei nichtehelich geboren, seine Elternrechte im Vergleich zur Kindesmutter unverhältnismäßig stark beschnitten hätten.

Artikel 8 sieht Folgendes vor:

‚(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.'

Artikel 14 lautet wie folgt:

‚Der Genuss der in [der] Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten.'

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Vater eines nichtehelich geborenen Kindes im vorliegenden Fall im Wesentlichen eine gegen Artikel 8 und 14 der Konvention verstoßende Ungleichbehandlung gegenüber der Mutter rügte, da er keine Möglichkeit habe, ohne deren Zustimmung das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht zu erlangen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind nach § 1626a BGB zunächst der Mutter zukommt, es sei denn, die beiden Elternteile einigen sich darauf, die gemeinsame elterliche Sorge zu beantragen. Die einschlägigen Bestimmungen schließen zwar nicht kategorisch aus, dass der Vater künftig das gemeinsame Sorgerecht erlangen kann, doch nach §§ 1666 und 1672 BGB kann das Familiengericht das Sorgerecht nur dann auf den Vater übertragen, wenn das Wohl des Kindes durch Vernachlässigung seitens der Mutter gefährdet ist oder wenn ein Elternteil mit Zustimmung des anderen Elternteils einen entsprechenden Antrag stellt. Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, d.h. war das Wohl des Kindes nicht gefährdet und stimmte die Mutter einer Übertragung des Sorgerechts nicht zu, wie im vorliegenden Fall festgestellt wurde, sah das zur Zeit des hier in Rede stehenden Verfahrens geltende deutsche Recht grundsätzlich keine gerichtliche Überprüfung der Frage vor, ob dem Kindeswohl mit der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater oder mit der Einrichtung der gemeinsamen Sorge beider Elternteile gedient wäre.

Das Amtsgericht S. hat in seinem Beschluss vom 23. August 2006 mithin festgestellt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge oder eines Teilbereichs davon, sofern er nach § 1672 Abs. 1 BGB gestellt sei, als unzulässig zurückzuweisen sei, da eine solche Übertragung nur mit Zustimmung der Mutter möglich sei. Dabei sei leider hinzunehmen, dass in dieser Hinsicht nach wie vor keine Gleichstellung von Vätern nichtehelicher Kinder mit den Vätern ehelicher Kinder erreicht sei.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde gegen den genannten Beschluss des Amtsgerichts S. und in seiner anschließenden Verfassungsbeschwerde lediglich das Ergebnis der Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte in seinem besonderen Fall angefochten hat, nämlich deren Ablehnung seines Antrags auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB, hilfsweise der gemeinsamen Sorge gemäß Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB. Er hat anscheinend nicht gerügt, dass er im Vergleich zur Mutter insoweit diskriminiert wurde, dass ihm nach §§ 1626a und 1672 BGB die Möglichkeit verwehrt war, das alleinige Sorgerecht oder die gemeinsame Sorge ohne die Zustimmung der Mutter zu erlangen oder die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen.

Selbst unter der Annahme, der innerstaatliche Rechtsweg wäre diesbezüglich erschöpft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass er bereits die Frage geprüft hat, ob die Bestimmungen des BGB, nach denen die alleinige Sorge für ein nichtehelich geborenes Kind der Mutter zusteht und eine Übertragung des Sorgerechts oder eines Teilbereichs davon auf den Vater ihrer Zustimmung bedarf, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung für den Fall einer Verweigerung der Zustimmung vorgesehen ist, mit Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention vereinbar sind (siehe Z. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 42 ff, und S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 38102/04, 7. Dezember 2010). Der Gerichtshof ließ zwar gelten, dass die ursprüngliche Zuweisung der Alleinsorge für ein nichteheliches Kind an die Mutter zum Schutz des Kindeswohls gerechtfertigt war, stellte aber fest, dass der grundsätzliche Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Zuweisung des alleinigen Sorgerechts an die Mutter hingegen nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stand, nämlich dem Schutz des Wohls eines nichtehelichen Kindes. Der Gerichtshof stellte folglich fest, dass Artikel 14 i. V. m. Artikel 8 der Konvention verletzt wurde (siehe Z., a. a. O., Rdnrn. 55 und 63). Der Gerichtshof nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 21. Juli 2010 u. a. unter Bezugnahme auf das Urteil Z. die Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des BGB (§§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1) festgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht erließ bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung eine verbindliche Übergangsregelung, nach der die genannten Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden waren, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind gemeinsam oder allein überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Im Hinblick auf die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache weist der Gerichtshof allerdings darauf hin, dass bereits zur Zeit des hier in Rede stehenden Verfahrens nach der Übergangsbestimmung in Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB eine Ausnahme vom Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Zuweisung der Alleinsorge an die Mutter einen nichtehelichen Kindes gegeben war. Nach dieser Bestimmung kann das Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge anordnen und bei nicht miteinander verheirateten Eltern, die sich vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt und vor ihrer Trennung mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit dem Kind zusammengelebt haben, die diesbezügliche Zustimmung der Mutter ersetzen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient. Während sich die Eltern im Fall Z. nach dem 1. Juli 1998 getrennt hatten und die Übergangsregelung somit nicht galt, haben sich die Eltern in der vorliegenden Rechtssache im Dezember 1997 getrennt und die innerstaatlichen Gerichte konnten somit - anders als im Sorgerechtsverfahren im Fall Z. - auf Antrag des Beschwerdeführers in vollem Umfang überprüfen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Sohnes des Beschwerdeführers dienen würde.

Nach alledem stellt der Gerichtshof fest, dass dieser Teil der Beschwerde offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

2. Der Beschwerdeführer rügte ferner, dass der Verfahrensausgang sein Recht auf Achtung seines Familienlebens verletzt habe. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass diese Rüge allein nach Artikel 8 der Konvention zu prüfen ist. Er erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Rüge des Beschwerdeführers wegen der Dauer des Sorgerechtsverfahrens sowie seine Rügen in Bezug auf das Umgangsrechtsverfahren bereits im Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 2010 (Individualbeschwerde Nr. 40014/05) behandelt wurden und nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sind. In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof zu entscheiden, ob die innerstaatlichen Gerichte bei ihren Entscheidungen in dem Sorgerechtsverfahren das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens beachtet haben.

Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass für einen Elternteil und sein Kind das Zusammensein einen grundlegenden Bestandteil des Familienlebens darstellt, selbst wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerbrochen ist, und innerstaatliche Maßnahmen, welche die Betroffenen an diesem Zusammensein hindern, einen Eingriff in das durch Artikel 8 der Konvention geschützte Recht bedeuten (siehe u. a. E. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Rdnr. 43, ECHR 2000-VIII).

Die angegriffenen Maßnahmen im vorliegenden Fall, nämlich die Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte, mit denen die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer, hilfsweise die Erstellung der gemeinsamen Sorge, die das Recht auf Ausübung der elterlichen Sorge u. a. in Bezug auf die Erziehung und Betreuung seines Sohnes sowie die Bestimmung seines Aufenthalts einschließt, abgelehnt wurde, waren einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens. Ein solcher Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist ‚gesetzlich vorgesehen', verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Absatz 2 dieser Bestimmung legitim sind, und kann als ‚in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' angesehen werden.

Die maßgeblichen Entscheidungen des Amtsgerichts S., mit denen dieses ablehnte, der Mutter das alleinige Sorgerecht zu entziehen und es dem Beschwerdeführer zu übertragen bzw. die gemeinsame elterliche Sorge für seinen Sohn herzustellen, beruhten auf innerstaatlichem Recht, nämlich auf § 1666 BGB bzw. Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB. Der Gerichtshof ist ferner überzeugt, dass die angegriffenen Gerichtsentscheidungen den Schutz des Kindeswohls zum Ziel hatten und somit ein legitimes Ziel im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 verfolgten.

Bei der Entscheidung darüber, ob die angegriffenen Maßnahmen ‚in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' waren, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen angeführten Gründe in Anbetracht der Rechtssache insgesamt im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 zutreffend und ausreichend waren. Von entscheidender Bedeutung ist bei jeder Rechtssache dieser Art zweifellos die Überlegung, was dem Kindeswohl am besten dient. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die nationalen Behörden insoweit im Vorteil sind, als sie unmittelbaren Kontakt zu allen Beteiligten haben. Die Aufgabe des Gerichtshofs besteht demnach nicht darin, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorge- und Umgangsrechts wahrzunehmen, sondern er hat vielmehr im Lichte der Konvention die Entscheidungen zu überprüfen, die diese Behörden im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums getroffen haben (siehe S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 30943/96, Rdnr. 64, EGMR 2003-VIII).

Welcher Beurteilungsspielraum den zuständigen innerstaatlichen Behörden dabei einzuräumen ist, hängt von der Art der streitigen Fragen und der Bedeutung der betroffenen Interessen ab. Insbesondere bei Sorgerechtsentscheidungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Behörden insofern einen großen Spielraum haben. Einer genaueren Kontrolle bedarf es jedoch bei weitergehenden Beschränkungen, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch diese Behörden, sowie bei allen gesetzlichen Maßnahmen, die einen wirksamen Schutz des Rechts von Eltern und Kindern auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Solche weitergehenden Beschränkungen bergen die Gefahr, dass die Familienbeziehungen zwischen einem kleinen Kind und einem oder beiden Elternteilen endgültig abgeschnitten werden (siehe N. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 39741/02, Rdnr. 64, 12. Juli 2007).

Der Gericht weist insoweit erneut darauf hin, dass die innerstaatlichen Behörden nach Artikel 8 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen der Eltern herbeizuführen und dabei dem Wohl des Kindes, das je nach seiner Art und Bedeutung den Interessen der Eltern vorgehen kann, besonderes Gewicht beizumessen haben. Insbesondere kann ein Elternteil nach Artikel 8 der Konvention nicht beanspruchen, dass Maßnahmen getroffen werden, die der Gesundheit und der Entwicklung des Kindes schaden würden (siehe S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 31871/96, Rdnr. 64, ECHR 2003-VIII). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof gelten lassen, dass es triftige Gründe dafür geben kann, einem nicht verheirateten Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen; wenn Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden können (siehe Z., a. a. O., Rdnr. 56).

Im Hinblick auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte insbesondere unter Bezugnahme auf die Feststellungen des psychologischen Sachverständigen vom 12. November 2004, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 19. Juni 2006 ergänzt wurden, zu dem Schluss kamen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Wohl des Kindes durch die aktuelle Sorgerechtsregelung gefährdet sei, und deshalb auch keine Veranlassung bestehe, der Mutter nach § 1666 BGB das alleinige Sorgerecht zu entziehen und es dem Vater zu übertragen. In Anbetracht der anhaltenden Spannungen zwischen den Eltern und der Versuche des Vaters, die Erziehungsarbeit der Mutter zu untergraben, waren die Gerichte der Auffassung, dass vielmehr eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl abträglich wäre. Die Feststellungen des Sachverständigen deckten sich mit der Einschätzung der für das Kind bestellten Verfahrenspflegerin. Die innerstaatlichen Gerichte trugen dem Umstand, dass sich das Kind nach seinem letzten Aufenthalt bei seinem Vater in B. im Jahr 2006 dahingehend geäußert hatte, nun bei seinem Vater leben und seine Mutter nur besuchen zu wollen, zwar Rechnung, waren aber gleichwohl von der Einschätzung des Sachverständigen überzeugt, dass das Kind aufgrund seines jungen Alters nicht fähig sei, sich die Konsequenzen einer solchen Entscheidung vorzustellen, und sich deshalb durch eine entsprechende Äußerung des Kindes eine Änderung der Einschätzung der Situation nicht ergeben könne. In seinem Beschluss vom 23. August 2006 führte das Amtsgericht S. auch aus, warum Zweifel an der Fachkompetenz des Sachverständigen oder der Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen nicht veranlasst seien.

Insbesondere in Anbetracht der anhaltenden und unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Eltern sowie der mangelnden Einigung in Fragen der Erziehung, der Betreuung und des Aufenthaltsortes ihres Sohnes kamen die innerstaatlichen Gerichte zu dem Schluss, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl auch nicht dienlich wäre, und wiesen deshalb den Antrag des Beschwerdeführers, die diesbezügliche Zustimmung der Mutter nach Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB zu ersetzen, zurück.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die innerstaatlichen Gerichte die Begründung ihrer Beschlüsse auf Erwägungen gestützt haben, die auf eine Übertragung der elterlichen Sorge zum Wohl des Kindes gerichtet waren, und dass diese Gründe daher im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 zutreffend und ausreichend waren.

Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der erforderliche Schutz der Interessen des Beschwerdeführers im Entscheidungsprozess der innerstaatlichen Gerichte nicht gewährleistet war. Das Amtsgericht S. hörte die Eltern an und berücksichtigte Äußerungen und Berichte der Verfahrenspflegerin und des zuständigen Jugendamts sowie die Feststellungen des psychologischen Sachverständigen. Der Beschwerdeführer konnte in den Verfahren vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht alle Argumente für eine Übertragung des Sorgerechts für seinen Sohn auf ihn vorbringen. Es wurde ihm insbesondere Gelegenheit gegeben, den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006 zu befragen, und er hatte auch Zugang zu allen maßgeblichen Informationen, auf die sich die Gerichte gestützt haben.

Im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers, den Sachverständigen von einem Pädagogen befragen zu lassen, stellte das Amtsgericht S. in seinem Beschluss vom 25. Juli 2005 fest, dass die beantragte Maßnahme im innerstaatlichen Recht regelmäßig nicht vorgesehen sei, und führte schlüssig begründet aus, dass im Fall des Beschwerdeführers keine besonderen Umständen vorlägen, die eine Abweichung von dieser Regel rechtfertigen würden. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass es generell Sache der nationalen Gerichte ist, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen; dies gilt auch für die Mittel zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Vidal ./. Belgien, 22. April 1992, Rdnr. 33, Serie A Band 235-B).

Hinsichtlich des Problems, dass das Kind vom Amtsgericht zuletzt im Jahr 2004, d.h. zwei Jahre vor dessen Beschluss vom 23. August 2006, angehört worden war, stellt der Gerichtshof fest, dass die Entscheidung der innerstaatlichen Gerichte, das Sorgerecht für den Sohn allein bei der Mutter zu belassen, auf ihrer Einschätzung beruhte, dass eine Übertragung des Sorgerechts bzw. die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes nicht dienlich sei, weil die Eltern offensichtlich und unbestritten keine Kooperationsbereitschaft zeigten. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Verfahrenspflegerin, die an der Gerichtsverhandlung am 19. Juni 2006 teilnahm, erst kurz vor diesem Termin mit dem Kind gesprochen hatte. Unter diesen Umständen durften das Amtsgericht und das Oberlandesgericht zu der Einschätzung gelangen, dass eine erneute Anhörung des Kindes für die Entscheidung über eine Sorgerechtsübertragung nicht nötig war und es keines weiteren psychologischen Sachverständigengutachtens bedurfte.

Der Gerichtshof erinnert außerdem daran, dass der Wunsch des Kindes, bei seinem Vater zu wohnen, im Rahmen des früheren Umgangsrechtsverfahrens berücksichtigt worden war. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 5. November 2002 war dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung ein Recht auf betreuten Umgang mit seinem Sohn eingeräumt worden; dieses Recht wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juli 2005 durch ein Recht auf regelmäßigen nicht betreuten Umgang mit seinem Sohn ersetzt. Der Gerichtshof ist der Meinung, dass diese Entscheidungen darauf gerichtet waren, eine übermäßige Einschränkung des Verhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn zu vermeiden.

Aus den vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung des großen Beurteilungsspielraums, der den innerstaatlichen Behörden in Sorgerechtsfragen zusteht, ist der Gerichtshof überzeugt, dass die Verfahrensweise der deutschen Gerichte unter den gegebenen Umständen angemessen war und dass sie mit ihren Beschlüssen in dem Sorgerechtsverfahren einen gerechten Ausgleich zwischen dem Wohl des Kindes und den Interessen der Eltern hergestellt haben.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass dieser Teil der Beschwerde ebenfalls offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof die Individualbeschwerde mit Stimmenmehrheit für unzulässig. ..." (EGMR, Entscheidung vom 21.02.2012 - 50216/09)

***

„... Die Bf., die Axel Springer AG, hat ihren Sitz in Hamburg. Die von ihr herausgegebenen Bild-Zeitung veröffentlichte am 29.9.2004 auf der Titelseite folgende Schlagzeile in großen Buchstaben : ‚Kokain ! TV-Kommissar Y auf dem Oktoberfest erwischt !' Sie berichtete über die Festnahme des bekannten Schauspielers X in einem Bierzelt auf dem Münchner Oktoberfest, der seit 1998 die Rolle des Kommissars Y in einer bekannten Fernsehserie spielte. Der Artikel wurde mit drei Fotos von X illustriert und im Inneren des Blatts fortgesetzt. Dort wurde unter der Überschrift ‚ TV-Star X mit Kokain erwischt. Eine Brezn, eine Maß und eine Nase Koks' berichtet. In dem Artikel heißt es, X habe die Aufmerksamkeit der Polizei erregt, weil er seine Nase gewischt habe. Eine Überprüfung habe ergeben, dass er 0,23 Gramm Kokain bei sich hatte. X sei schon im Juli 2000 wegen Drogenbesitzes zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Am 7.7.2005 veröffentlichte die Bild-Zeitung im inneren Teil einen weiteren Artikel unter der Schlagzeile : ‚TV-Kommissar X. Kokain-Beichte vor Gericht. 18 000 Euro Strafe !' Auch dieser Artikel war mit einem Foto von X illustriert.

X beantragte unmittelbar nach Erscheinen des ersten Artikels eine einstweilige Verfügung gegen die Bf.. Das LG Hamburg gab dem Antrag am 30.9.2004 statt und verbot der Bf. die weitere Veröffentlichung des Artikels und am 6.10.2004 auch der Fotos. Mit zwei Urteilen vom 12.11.2004 bestätigte es die einstweiligen Verfügungen. Die Bf. focht die Entscheidung nicht an, die sie sich auf die Fotos bezog. Die im Übrigen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Im Hauptverfahren verbot das LG Hamburg mit Urteil vom 11.11.2005 jede weitere Veröffentlichung des nahezu vollständigen ersten Artikels unter Androhung eines Ordnungsgelds und verurteilte die Bf. zur Zahlung von 5000 Euro für die erste Veröffentlichung. Das Recht des X auf Achtung seines Privatlebens überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das OLG Hamburg wies die Berufung dagegen am 21.3.2006 zurück und setzte den zu zahlenden Betrag auf 1000 Euro herab. Der BGH wies die Beschwerde des Verlags gegen die Nichtzulassung der Revision am 7.11.2006 zurück, am 11.12.2006 eine Anhörungsrüge.

Wegen des zweiten Artikels über die Verurteilung des X hatte das LG Hamburg am 5.5.2006 ein entsprechendes Verbotsurteil erlassen, gegen das Berufung und Revision erfolglos blieben. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde des Verlags am 5.3.2008 nicht zur Entscheidungan.

Am 18.8.2008 hat die Bf. beim Gerichtshof Beschwerde eingelegt und sich gegen das Verbot der Berichterstattung über die Festnahme und Verurteilung des allgemein bekannten Schauspielers wegen eines Drogendelikts gewendet. Am 30.3.2010 hat eine Kammer der V. Sektion die Sache nach Art. 30 EMRK an die Große Kammer abgegeben. Der Präsident hat der Media Lawyers Association, der Media Legal Defence Initiative, dem International Press Institute und der World Association of Newspapers and News Publishers nach Art. 36 II EMRK, Art. 44 II VerfO Gelegenheit gegeben, schriftlich Stellung zu nehmen. Am 7.2.2012 hat der Gerichtshof aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.10.2012 die Beschwerde einstimmig für zulässig erklärt, mit 12 : 5 Stimmen festgestellt, dass Art. 10 EMRK verletzt ist, und Deutschland nach Art. 41 EMRK (Gerechte Entschädigung) verurteilt, an die Bf. binnen drei Monaten

17 734,80 Euro als Ersatz für Nichtvermögensschaden und
32 522, 80 Euro als Ersatz für Kosten und Auslagen zu zahlen. ...

II. Behauptete Verletzung von Art. 10 EMRK

[53] Die Bf. wendet sich gegen das ihr gegenüber ausgesprochene Verbot der Berichterstattung über die Festnahme und Verurteilung von X. Sie beruft sich auf Art. 10 EMRK. ...

A. Zulässigkeit

[54] Die Beschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet i. S. von Art. 35 III lit. a EMRK und auch nicht aus einem anderen Grund unzulässig. Deswegen ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

I. Vortrag der Parteien (zusammengefasst)

1. Die Regierung

[55 - 64] Die Regierung macht geltend, die Beschwerde sei unbegründet. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte griffen zwar in den Schutzbereich von Art. 10 EMRK ein, seien aber ‚gesetzlich vorgesehen' und verfolgten ein berechtigtes Ziel i. S. von Art. 10 II EMRK, nämlich den Schutz der Privatsphäre. Der Eingriff sei auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen. X sei ein allgemein bekannter Schauspieler und eine Person des öffentlichen Lebens. Die Berichterstattung habe ein geringfügiges Drogendelikt betroffen. Bei der Beurteilung hätten die Gerichte einen Ermessensspielraum, den sie nicht überschritten hätten.

II. Die Bf.

[65 - 70] Die Bf. tragen vor, X sei ein allgemein bekannter Schauspieler, der die Hauptrolle in einer sehr beliebten Krimi-Serie im Fernsehen gespielt habe. Er sei also nicht eine gewöhnliche Person, für die sich die Medien nicht interessierten. Eine Straftat sei nie eine private Angelegenheit und das Publikumsinteresse an Informationen darüber habe mehr Gewicht als das Recht von X auf Achtung seines Privatlebens. Er selbst habe die öffentliche Aufmerksamkeit gesucht. Im Gegensatz dazu habe im Fall von Hannover/Deutschland Nr. 2 (in diesem Heft S. …) die Bf. zu 1 ständig versucht, ihr Privatleben abzuschirmen. Die Tatsachen, über die berichtet worden sei, seien unstreitig richtig. Die Bild-Zeitung habe im Übrigen erst über die Verhaftung berichtet, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen und die Identität von X bekannt gemacht habe. Die Aufgabe der Presse dürfe nicht darauf reduziert werden, nur über Politiker zu berichten. ...

3. Beurteilung durch den Gerichtshofs

[75] Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte in das in Art. 10 EMRK geschützte Recht der Bf. auf Freiheit der Meinungsäußerung eingegriffen haben.

[76] Ein solcher Eingriff verletzt Art. 10 EMRK, wenn er nicht nach Art. 10 II EMRK gerechtfertigt ist. Deswegen ist zu prüfen, ob er ‚gesetzlich vorgesehen' war, eines oder mehrere der in dieser Vorschrift genannten berechtigten Ziele verfolgte und ‚in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' war, um das Ziel zu erreichen.

[77] Der Eingriff war unstreitig in § 823 I BGB und § 1004 I BGB, ausgelegt unter Berücksichtigung des Rechts auf Schutz des Persönlichkeitsrechts, vorgesehen. ...Die Parteien stimmen auch darin überein, dass er ein berechtigtes Ziel verfolgte, nämlich den Schutz des guten Rufs oder der Rechte anderer i.S. von Art. 10 II EMRK, was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfassen kann (s. EGMR, Slg. 2004-VI Nr. 70 - Chauvy u.a./Frankreich; EGMR, NJW-RR 2008, 1218 Nr. 35 - Pfeifer/Österreich). Streitig ist aber, ob der Eingriff ‚in einer demokratischen Gesellschaft notwendig' war.

(a) Grundsätze

(i) Freiheit der Meinungsäußerung

[78-79] (Der Gerichtshof wiederholt die im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft S. ] in Nrn. 101, 102 niedergelegten Grundsätze zu Art. 10 EMRK).

[80] Die Aufgabe der Presse bezieht sich auch auf die Berichterstattung und Kommentierung von Gerichtsverfahren, die, wenn sie die genannten Grundsätze berücksichtigt, zu deren Öffentlichkeit beitragen und deswegen mit dem Erfordernis nach Art. 6 I EMRK, dass gerichtliche Verfahren öffentlich sind, im Einklang stehen. Es ist nicht vorstellbar, dass es über ein Gerichtsverfahren keine vorherige oder gleichzeitige Diskussion in Spezialzeitschriften oder in der breiten Öffentlichkeit geben dürfte. Die Medien haben nicht nur die Aufgabe, solche Informationen und Ideen zu vermitteln, die Öffentlichkeit hat auch das Recht,sie zu erhalten (s. EGMR, Slg. 2000-I Nr. 56 = MR 2000, 221 - News Verlags GmbH & Co. KG/Österreich; EGMR, Slg. 2007-VII Nr. 35 = NJW 2008, 3412 - Dupuis u. a./Frankreich; EGMR, Urt. v. 24.4.2008 - 17107/05 Nr. 31- Campos Dâmaso/Portugal).

[81] Zur journalistischen Freiheit gehört auch die Möglichkeit einer gewissen Übertreibung und sogar Provokation (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 71 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark). Außerdem ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs und auch nicht der staatlichen Gerichte, anstelle der Presse über die anzuwendende Technik zu entscheiden (s. EGMR, 1994, Serie A, Bd. 298 Nr. 31 = NStZ1995, 237 -Jersild/Dänemark; EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 65 - Eerikäinen u.a./Finnland).

(ii) Grenzen der Meinungsfreiheit

[82] Art. 10 II EMRK bestimmt aber, dass die Freiheit der Meinungsäußerung ‚mit Pflichten und Verantwortung verbunden' ist. Das gilt für die Medien auch bei der Berichterstattung über Angelegenheiten großen öffentlichen Interesses. Diese Pflichten und Verantwortung können von besonderer Bedeutung sein, wenn die Gefahr besteht, den guten Ruf eines namentlich Genannten zu schädigen oder die ‚Rechte anderer' zu verletzen. Daher müssen besondere Gründe vorliegen, um die Medien von der sie grundsätzlich treffenden Verpflichtung zu entbinden, die Richtigkeit ehrverletzender Tatsachenbehauptungen über andere zu prüfen. Ob solche Gründe gegeben sind, hängt insbesondere von Art und Gewicht solcher ehrverletzender Behauptungen ab und davon, wie weit die Medien ihre Quelle vernünftigerweise als vertrauenswürdig ansehen können (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 78 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Slg. 2007-III Nr. 89 - Tønsbergs Blad A.S. u. Haukom/Norwegen).

[83] Das Recht auf Schutz des guten Rufs ist als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens von Art. 8 EMRK geschützt (s. EGMR, Slg. 2004-VI Nr. 70 - Chauvy u.a./Frankreich; EGMR, NJW-RR 2008, 1218 Nr. 35 - Pfeifer/Österreich; EGMR, Urt. v. 21.9.2010 - 34147/06 Nr. 40 - Polanco Torres u. Movilla Polanco/Spanien). Der Begriff ‚Privatleben' ist umfassend und einer erschöpfenden Definition nicht zugänglich. Darunter fallen die geistige und körperliche Identität einer Person und damit zahlreiche Aspekte der Persönlichkeit, wie die geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung, der Name oder Aspekte, die das Recht einer Person am eigenen Bild betreffen (s. EGMR, Slg. 2008 Nr. 66 = NJOZ 2010, 696 - S. u. Marper/Vereinigtes Königreich). Der Begriff umfasst auch persönliche Informationen, von denen der Betroffene berechtigterweise erwarten kann, dass sie nicht ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 75 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Urt. v. 12.10.2010 - 184/06 Nr. 61 - Saaristo u.a./Finnland).

Um Art. 8 EMRK ins Spiel zu bringen, muss der Angriff auf den guten Ruf einer Person eine bestimmte Schwere erreichen und die Ausübung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigen (s. EGMR, NJW-RR 2010, 1483 Nr. 64 - A./Norwegen). Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass sich eine Person nicht nach Art. 8 EMRK über eine Verletzung ihres guten Rufs beschweren kann, wenn die Verletzung vorhersehbare Folge einer eigenen Handlung ist, z.B. des Begehens einer Straftat (s. EGMR, Slg. 2004-VIII Nr. 49 - Sidabras u. Dziautas/Litauen).

[84] Wenn zu prüfen ist, ob ein Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft ‚zum Schutz des guten Rufs oder der Rechte anderer' notwendig ist, kann es erforderlich sein festzustellen, ob die staatlichen Behörden und Gerichte einen gerechten Ausgleich beim Schutz von zwei in der Konvention geschützten Rechten hergestellt haben, die in bestimmten Fällen kollidieren können, z. B. die in Art. 10 EMRK geschützte Freiheit der Meinungsäußerung und das in Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Privatlebens (s. EGMR, Urt. v. 14.6.2007 - 71111/01 Nr. 43 - Hachette Filipacchi Associés/Frankreich; EGMR, NJOZ 2012, … Nr. 142 - MGN Limited/Vereinigtes Königreich).

(iii) Ermessensspielraum

[85 - 88] ( Der Gerichtshof führt aus, die staatlichen Behörden und Gerichte hätten einen Ermessensspielraum, und wieder- holt die im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft] Nrn. 104-107 wiedergegebenen Grundsätze).

(iv) Grundsätze für die Interessenabwägung

[89 - 92, 94] Wenn das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens abgewogen werden muss, gelten die nachstehenden Grundsätze. (Der Gerichtshof weist darauf hin,dassdie im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft] Nrn. 109 - 112 genannten Grundsätze zu beachten sind, nämlich ob der Bericht zu einer Diskussion allgemeinen Interesses beigetragen hat, der Bekanntheitsgrad des Betroffenen und der Gegenstand des Berichts, das vorherige Verhalten des Betroffenen, die Umstände der Aufnahme von Fotos sowie Inhalt und Form der Veröffentlichung. Er fügt zwei Gesichtspunkte hinzu)

(dd) Wie die Information erlangt worden ist und ihre Richtigkeit

[93] Weiterere wichtige Gesichtspunkte sind die Art und Weise, wie die Information erlangt wurde, und ob sie zutreffend ist. Der Schutz, den Art. 10 EMRK Journalisten für ihre Berichterstattung über Fragen allgemeinen Interesses gewährt, setzt voraus, dass sie sich in gutem Glauben auf der Grundlage exakter Tatsachen äußern und ‚zuverlässige und genaue' Informationen in Übereinstimmung mit ihrem Berufsethos liefern (s. u.a. EGMR, Slg. 1999-I Nr. 54 = NJW 1999, 1315 - Fressoz u. Roire/Frankreich; EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 78 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Slg. 2007-V Nr. 103 = NJW-RR 2008, 1141 - Stoll/Schweiz). ...

(ff) Schwere der verhängten Sanktion

[95] Schließlich müssen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Freiheit der Meinungsäußerung Art und Schwere der verhängten Sanktion berücksichtigt werden (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 93 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 43349/05 Nr. 77 -Jokitaipale u.a./Finnland).

(b) Anwendung im vorliegenden Fall

(i) Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses

[96] Die Zeitungsartikel betrafen die Festnahme und Verurteilung des Schauspielers X , also öffentliche Tatsachen aus der Justiz, die in bestimmten Maß von allgemeinem Interesse sind. Die Öffentlichkeit hat in der Regel ein Interesse, über Strafverfahren unterrichtet zu werden und sich unterrichten zu können, wobei die Unschuldsvermutung strikt beachtet werden muss (s. EGMR, Slg. 2000-I Nr. 56 = MR 2000, 221 - News Verlags GmbH & Co. KG/Österreich; EGMR, Slg. 2007-VII Nr. 37 = NJW 2008, 3412 - Dupuis u. a./Frankreich; EGMR, Urt. v. 24.4.2008 - 17107/05 Nr. 32- Campos Dâmaso/Portugal; só auch die Empfehlung (2003)13 des Ministerkomitees des Europarats über Informationen durch die Medien bezüglich Strafverfahren, insbes. Grundsätze 1 u. 2 der Anlage ...). Das Interesse ist allerdings unterschiedlich groß und kann nach der Festnahme im Lauf des Verfahrens größer werden, wobei mehrere Faktoren eine Rolle spielen, wie der Bekanntheitsgrad des Betroffenen, die Unmstände des Falls und andere Entwicklungen während des Verfahrens.

(ii) Bekanntheit von X und Gegenstand der Artkel

[97] Die deutschen Gerichte sind bei der Beurteilung des Bekanntheitsgrads von X zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Das LG nahm an, X habe nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht in einem Ausmaß gesucht, dass angenommen werden könne, er habe auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechts verzichtet, wenn er auch ein bekannter Schauspieler sei und häufig im Fernsehen aufgetreten sei … Das OLG nahm demgegenüber an, X sei allgemein bekannt und sehr populär, er habe lange Zeit die Rolle eines Kommissars gespielt, ohne das Idol oder ein Vorbildcharakter des Ordnungshüters geworden zu sein, was ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit hätte begründen können zu erfahren, ob er selbst einem solchen Leitbild entsprechend lebe...

[98] Grundsätzlich ist es in erster Linie Aufgabe der staatlichen Gerichte, den Bekanntheitsgrad einer Person festzustellen, insbesondere wenn die Person hauptsächlich im betroffenen Land bekannt ist. X war zur maßgebenden Zeit Hauptdarsteller in einer sehr populären Krimi-Serie, in der er die Hauptrolle des Kommissars Y spielte. Seine Popularität geht im Wesentlichen auf die Fernseh-Serie zurück, von der bei Erscheinen des ersten Zeitungsartikels 103 Episoden gesendet worden waren, in 54 davon hatte X den Kommissar Y gespielt. Er war also nicht, wie das LG annahm, ein weniger bedeutender Schauspieler, dessen Bekanntheit trotz vieler Filmrollen (mehr als 200 …) begrenzt geblieben sei. Das OLG hat nicht nur darauf hingewiesen, dass es X-Fan-Clubs gab, sondern auch darauf, dass seine Fans möglicherweise dazu ermutigt worden wären, ihn durch Drogenkonsum nachzuahmen, wenn die Straftat der Öffentlichkeit nicht verborgen geglieben wäre. ...

[99] Es trifft zwar zu, dass die Öffentlichkeit im Allgemeinen zwischen dem Schauspieler und der Person, die er darstellt, unterscheidet. Trotzdem kann es eine enge Verbindung zwischen beiden geben, besonders, wenn der Schauspieler, wie hier, hauptsächlich wegen einer bestimmten Rolle bekannt ist. Im Fall des X war das noch dazu die Rolle eines Polizeikommissars, dessen Aufgabe es ist, für Gesetzestreue zu sorgen und Verbrechen zu bekämpfen. Das steigerte das Interesse der Öffentlichkeit daran, über die Festnahme des X wegen einer Straftat informiert zu werden. Unter Berücksichtigung dessen und der Begründung der deutschen Gerichte für seinen Bekanntsheitsgrad war X jedenfalls so gut bekannt, dass er als Person des öffentlichen Lebens eingestuft werden kann. Das hat das Interesse der Öffentlichkeit, über seine Festnahme und das Strafverfahren gegen ihn informiert zu werden, verstärkt.

[100] Was den Gegenstand der zwei Zeitungsartikel angeht, haben die deutschen Gerichte festgestellt, dass die von X begangene Straftat nicht geringfügig war, weil Kokain eine harte Droge ist.Trotzdem habe die Straftat nur mittleres, ja geringes Gewicht, weil X nur eine geringe Menge der Droge bei sich gehabt habe und nur für den eigenen Konsum, und wegen der großen Zahl von derartigen Straftaten und Strafverfahren. Die deutschen Gerichte haben der Tatsache, dass X schon wegen eines ähnlichen Delikts verurteilt worden war, kein großes Gewicht beigemessen und darauf hingewiesen, dass es seine einzige Vortat gewesen sei, die außerdem schon vor einigen Jahren begangen worden sei. Sie sind zu dem Schluss gekommen, das Interesse der Bf. an der Veröffentlichung der Artikel beruhe nur darauf, dass X eine Straftat begangen habe, über die vermutlich nie berichtet worden wäre, wenn eine in der Öffentlichkeit unbekannte Person sie begangen hätte. ...

Dem ist im Wesentlichen zuzustimmen. Hinzuweisen ist aber darauf, dass X in der Öffentlichkeit festgenommen worden ist, in einem Zelt auf dem Münchner Oktoberfest. Das hat nach Auffassung des OLG in der Öffentlichkeit großes Interesse erregt, wenn es sich auchnicht auf die Beschreibung und Charakterisierung der Straftat bezogen hat, die nicht in der Öffentlichkeit begangen worden war.

(iii) Verhalten des X vor der Veröffentlichung

[101] Zu berücksichtigen ist weiter das vorherige Verhalten des X gegenüber den Medien. Er hatte selbst in vielen Interviews Einzelheiten über sein Privatleben offenbart …, also die Öffentlichkeit aktiv gesucht, só dass angesichts seines Bekanntheitsgrads seine ‚berechtigte Erwartung', dass sein Privatleben wirksam geschützt werde, reduziert war (s. mutatis mutandis EGMR, MR 2009, 298 Nr. 53 - Hachette Filipacchi Associés (ICI PARIS)/Frankreich und andererseits EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 66 - Eerikäinen u.a./Finnland).

(iv) Wie die Information erlangt wurde und ob sie richtig war.

[102] Was die Art und Weise angeht, wie sie zu den veröffentlichten Informationen gekommen ist, trägt die Bf. vor, sie habe über die Festnahme von X erst berichtet, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen und die Identität des X bekannt gemacht hätten. Alle von ihr veröffentlichten Informationen seien schon vorher , insbesondere auf einer Pressekonferenz und in einer Presseerklärung der StA der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden .. Die Regierung bestreitet, dass es eine Pressekonferenz der StA gegeben habe, und trägt vor, erst nach Erscheinen des ersten Artikels habe StA W anderen Medien gegenüber die Tatsachen bestätigt, über welche die Bf. berichtet hatte.

[103] Aus den Unterlagen, die dem Gerichtshof vorliegen, ergibt sich nicht nicht, dass die Behauptung der Bf. zutrifft, vor der Veröffentlichung des ersten Artikels seien eine Pressekonferenz abgehalten und eine Presseerklärung herausgegeben worden. Im Gegenteil hat sich die Behauptung nach einer vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage als unzutreffend erwiesen. Das Verhalten der Bf. ist insoweit bedauerlich.

[104] Aus den im weiteren Verlauf ergangenen Entscheidungen der deutschen Gerichte und dem Parteivortrag dazu in den Gerichtsverfahren ergibt sich aber, dass die Gerichte auf diese Frage nicht eingegangen sind. Für die Prüfung des vorliegenden Falls genügt die Feststellung, dass die Bf. allen ihren Stellungnahmen in den verschiedenen Verfahren vor den deutschen Gerichten die Erklärung einer ihrer Journalistinnen beigefügt hat, wie die am 29.9.2004 veröffentlichten Informationen erlangt worden sind, … und dass die Regierung das nicht bestritten hat. Die Bf. kann also nicht geltend machen, sie habe nur Informationen veröffentlicht, welche die StA München auf einer Pressekonferenz schon vorher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte. Doch bleibt, dass die veröffentlichten Informationen, insbesondere über die Identität von X, von der Polizei und StA W stammten,dem damaligenPressesprecher der StA München.

[105] Der erste Zeitungsartikel hatte also eine ausreichende Tatsachengrundlage, weil er auf Informationen des Pressesprechers der Münchner StA beruhte (s. EGMR, Slg. 1999-IIINr. 72 = NJW 2000, 1015 - Bladet Tromsø u. Stensaas/Norwegen; EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 64 - Eerikäinen u.a./Finnland; EGMR, Entsch. v. 15.5.2009 - 4020/03 - Pipi/Türkei). Die Wahrheit der Informationen in den beiden Artikeln war vor den deutschen Gerichten und ist vor dem Gerichtshof nicht streitig (s. EGMR, Slg. 2004-X Nr. 44 = NJW 2006, 591 - Karhuvaara u. Iltalehti/Finnland).

[106] Die deutschen Gerichte waren der Meinung, aus der Tatsache, dass die Informationen von der StA München stammten, ergebe sich nur, dass sich die Bf. auf ihre Richtigkeit verlassen konnte. Das habe sie aber nicht von der Verpflichtung entbunden, ihr Interesse an der Veröffentlichung gegen das Recht des X auf Achtung seines Privatlebens abzuwägen. Nur die Presse könne diese Abwägung vornehmen, weil eine Behörde oder ein Gericht nicht wissen könnten, wie und in welcher Form die Information veröffentlicht würde. ...

[107] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Abwägung nicht vorgenommen worden ist. Richtig ist aber, dass die Bf., welche eine Bestätigung der Information von den Strafverfolgungsbehörden selbst erhalten hatte, unter Berücksichtigung der von X begangenen Straftat, seinem Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit und den Umständen seiner Festnahme sowie der Richtigkeit der Information keine ausreichenden Gründe hatte anzunehmen, sie müsse die Anonymität von X wahren. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass StA W anderen Zeitschriften und Fernsehkanälen noch am Tage des Erscheinens des ersten Artikels alle von der Bf. enthüllten Informationen bestätigt hat. Als der zweite Artikel erschien, waren die der Verurteilung von X zugrunde liegenden Tatsachen der Öffentlichkeit bereits bekannt (s. mutatis mutandis EGMR, Urt. v. 16.12.2010 - 24061/04 Nr. 49 - Aleksey Ovchinnikov/Russland). Auch das OLG nahm an, der Bf. könne nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil die von der StA mitgeteilten Information sie dazu veranlassen konnte anzunehmen, der Bericht sei legal … Danach ist nicht nachgewiesen, dass die Bf. bei der Veröffentlichung in bösem Glauben gehandelt hat.

(v) Inhalt, Form und Auswirkungen der Artikel

[108] Der erste Artikel berichtete nur über die Festnahme von X, die von der StA erhaltenen Informationen und eine rechtliche Beurteilung des Gewichts der Straftat durch einen juristischen Sachverständigen … Der zweite Artikel schilderte das vom Gericht am Ende der mündlichen Verhandlung und nach dem Geständnis von X erlassene Urteil … Die Artikel enthielten also keine Einzelheiten über das Privatleben von X, sondern nur über die Umstände und Ereignisse nach seiner Festnahme (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 84 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 43349/05 Nr. 72 -Jokitaipale u.a./Finnland). Sie enthielten keine abschätzigen Bemerkungen oder grundlose Behauptungen … Dass der erste Artikel Wendungen enthielt, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen sollten, wirft nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Probleme auf (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 74 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Entsch. v. 15.5.2009 - 4020/03 - Pipi/Türkei).

Im Übrigen hat das LG die Veröffentlichung der Fotos, welche die Artikel illustrierten, verboten, und die Bf. hat das auch nicht angefochten. Deswegen ist anzunehmen, dass die Form der Artikel keinen Grund für ein Verbot ihrer Veröffentlichung darstellten. Die Regierung hat im Übrigen nicht dargelegt, dass die Veröffentlichung der Artikel für X Schäden zur Folge hatte.

(vi) Schwere der Sanktion

[109] Die der Bf. auferlegte Sanktion war war zwar mild, konnte aber eine abschreckende Wirkung haben. Jedenfalls war sie aus den erwähnten Gründen nicht gerechtfertigt.

(c) Ergebnis

[110] Die von den deutschen Gerichten angeführten Gründe sind also zwar stichhaltig, aber nicht ausreichend, um zu belegen, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war. Trotz des den Konventionsstaaten zustehenden Ermessensspielraums gab es kein angemessenes Verhältnis zwischen den von den deutschen Gerichten verfügten Einschränkungen des Rechts der Bf. auf Freiheit der Meinungsäußerung einerseits und dem verfolgten berechtigten Ziel andererseits. Deswegen ist Art. 10 EMRK verletzt. ..." (EGMR, Urteil 07.02.2012 - 39954/08)

*** (BVerfG)

1a. Der Schutz des Elternrechts (Art 6 Abs 2 S 1 GG) erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts. Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar. Art 6 Abs 3 GG erlaubt eine solche Trennung nur unter der strengen Voraussetzung einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28 f.>; stRspr). (Rn.39)
1b. Der strenge Prüfungsmaßstab gilt auch dann, wenn die Eltern mit einer Fremdunterbringung des Kindes durch den Inhaber des Sorgerechts einverstanden sind (vgl BVerfG, 13.07.2017, 1 BvR 1202/17 <Rn 7f, 16ff>). Er gilt gleichfalls, wenn dem Vormund als Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts die Rechtsmacht eingeräumt wird, ohne weitere fachgerichtliche Entscheidung eine Fremdunterbringung zu veranlassen, selbst wenn er dies - wie hier - nicht anstrebt (vgl BVerfG, 17.03.2014, 1 BvR 2695/13 <Rn 24>). (Rn.46)
1b. Eine nachhaltige Gefährdung als Voraussetzung einer Fremdunterbringung ist dann anzunehmen, wenn bei dem Kind bereits ein Schaden eingetreten ist oder sich eine erhebliche Gefährdung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl BVerfG, 07.03.2023, 1 BvR 221/23 <Rn 10>; stRspr). Die negativen Folgen einer Trennung des Kindes von den Eltern sind dabei zu berücksichtigen und müssen durch die hinreichend gewisse Aussicht auf Beseitigung der festgestellten Gefahr aufgewogen werden, so dass sich die Situation des Kindes in der Gesamtbetrachtung verbessert (vgl BVerfG, 23.04.2018, 1 BvR 383/18 <Rn 15ff>). (Rn.40)
1c. Lässt sich demnach eine erhebliche Gefährdung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen, hängt die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines auf die Trennung des Kindes von den Eltern gerichteten Entzugs des Sorgerechts nach §§ 1666, 1666a BGB von der Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs in das Elternrecht ab (vgl BVerfG, 21.09.2020, 1 BvR 528/19 <Rn 31>). (Rn.41)
2. Hier:
2a. Soweit das OLG dem Beschwerdeführer (und der Mutter) das Sorgerecht für die fremduntergebrachte Tochter entzogen hat, mangelt es bereits an hinreichend konkreten Feststellungen zu der drohenden Kindeswohlgefährdung. Mit Blick auf Feststellungen zu einer besonders positiven Entwicklung der Tochter hätte es konkreterer Darlegungen bedurft, um auf deren Grundlage eine erhebliche Gefährdung ihres Kindeswohls wegen der angenommenen Parentifizierung prognostizieren zu können. (Rn.47) (Rn.48)
2b. Zur Begründung der Entziehung des Sorgerechts für die beiden Söhne des Beschwerdeführers beruht die Annahme einer jeweils bereits eingetretenen Schädigung des Kindeswohls zwar auf einer hinreichend tragfähigen Grundlage. Die angegriffene Entscheidung lässt jedoch nicht hinreichend erkennen, dass der vollständige Entzug des Sorgerechts insoweit ein zur Überwindung der Schädigung verhältnismäßiger Eingriff in das Elternrecht ist (wird ausgeführt). (Rn.49)
2c. Für alle drei Kinder lässt das OLG die erforderliche Gesamtbetrachtung vermissen, die darauf gerichtet ist zu prüfen, ob sich die Situation der Kinder auch unter Berücksichtigung der mit der Sorgerechtsentscheidung verbundenen Folgen (vor allem die Trennung von Eltern und Kind) insgesamt verbessert. Eine solche Verbesserung infolge der angegriffenen Entscheidung liegt aber bei keinem der Kinder auf der Hand. (Rn.54)
2d. Es bestehen überdies Zweifel daran, ob sich das Oberlandesgericht für die Anordnung des vollständigen Sorgerechtsentzugs die verfassungsrechtlich gebotene hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage verschafft hat. Ua scheint der Sachverständige von einem in Kinderschutzfällen einfachrechtlich unzutreffenden Maßstab auszugehen, indem er ausführt, dass ein Sorgerechtsentzug "dem Kindeswohl am besten" entspreche. Maßgeblich wäre jedoch, ob eine Gefahr für das Kind nicht anders abwendbar ist, insb nicht durch mildere Mittel wie etwa Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. (Rn.55) ((BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17.11.2023 - 1 BvR 1037/23)

***

1a. Kinder haben nach Art 2 Abs 1 und Abs 2 S 1 iVm Art 6 Abs 2 S 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können (zur Schutzverantwortung des Staates vgl BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, BVerfGE 24, 119 <144>; BVerfG, 19.02.2013, 1 BvL 1/11, BVerfGE 133, 59 <73 Rn. 42>).
1b. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates (vgl BVerfG, 16.01.2003, 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104 <117>).
1c. Diese Schutzpflicht gebietet dem Staat im äußersten Fall, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten. Zwar ist stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung zu tragen (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG; Art 6 Abs 3 GG). Genügen allerdings helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen zur Zielerreichung nicht, so darf und muss der Staat den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend, ggf sogar dauernd entziehen (vgl BVerfGE 24, 119 <144f>; BVerfG, 24.06.2014, 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382 <391 Rn 28>; BVerfG, 19.11.2014, 1 BvR 1178/14 <Rn 23>; stRspr ).
1d. Ob die Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab.
2a. Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht oder nicht mehr für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art 6 Abs 2 S 2 GG grds nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt.
2b. Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insb dann, wenn das Gericht nicht der Einschätzung der Sachverständigen oder der beteiligten Fachkräfte folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor (vgl BVerfG, 14.04.2021, 1 BvR 1839/20 <Rn 20>).
3. Zum strengen Kontrollmaßstab bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, die die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern oder des Aufrechterhaltens einer Trennung zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung betreffen, siehe bereits BVerfGE 136, 382 (391 Rn 28); BVerfG, 03.02.2017, 1 BvR 2569/16 (Rn 52); stRspr.
4. Hier: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Verfahrensbeiständin eines Kleinkindes gegen eine Entscheidung über dessen Rückführung von seinen Pflegeeltern zu seinem Vater (§ 1632 Abs 4 BGB) trotz Gefährdung des Kindeswohls.
4a. Die angegriffene Entscheidung legt nicht hinreichend dar, sich eine ausreichend zuverlässige Grundlage für die Prognose über die dem Kind drohenden Beeinträchtigungen verschafft zu haben, und weicht dennoch von den Empfehlungen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie des Ergänzungspflegers ab (wird ausgeführt).
4b. Zudem übergeht das OLG in seiner Abwägung erhebliche Umstände, die für eine Gefährdung des Kindeswohls bei der Betreuung durch den Vater sprechen (wird insb mit Blick auf Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und -willigkeit der im Entscheidungszeitpunkt mit dem Vater zusammenlebenden Mutter des betroffenen Kindes ausgeführt).
5a. Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Vollzug der angegriffenen Rückführungsentscheidung einstweilen außer Vollzug gesetzt wurde, siehe den Kammerbeschluss vom 07.03.2022, 1 BvR 65/22.
5b. Ablehnung des Antrags der im vorliegenden Verfahren äußerungsberechtigten Mutter des betroffenen Kindes (§ 94 Abs 3 BVerfGG) auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels Vorbringens neuer Gesichtspunkte (zum Maßstab: BVerfG, 24.01.1995, 1 BvR 1229/94, BVerfGE 92, 122 <123ff>). (BVerfG, Beschluss vom 05.09.2022 - BvR 65/22, juris-Orientierungssätze)

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1a. Der Schutz des Elternrechts (Art 6 Abs 2 S 1 GG) erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts. Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar, der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf (vgl BVerfG, 27.11.2020, 1 BvR 836/20 <Rn 25>). Art 6 Abs 3 GG gestattet diesen Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen (vgl BVerfG, 21.09.2020, 1 BvR 528/19
1b. Die fachgerichtlichen Annahmen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Trennung des Kindes von den Eltern im Einzelfall erfüllt sind, unterliegen wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Der verfassungsgerichtliche Kontrollmaßstab kann sich ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl BVerfG, 24.06.2014, 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382 <391 Rn 28>; stRspr; zu den Anforderungen an die Sachaufklärung im Sorgerechtsverfahren siehe BVerfG, 05.11.1980, 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171 <182>; stRspr; siehe auch BVerfG, 12.10.1988, 1 BvR 818/88, BVerfGE 79, 51 <62>).
1c. Deutliche Fehler bei der Feststellung des Sachverhalts liegen jedenfalls dann vor, wenn nicht hinreichend erkennbar wird, auf welche Erkenntnisgrundlage die Gerichte ihre tatsächlichen Annahmen stützen. Gleiches kommt in Betracht, wenn die Erkenntnisquellen des Gerichts zu einer entscheidungserheblichen Frage inhaltlich voneinander abweichen und das Gericht in einem solchen Fall nicht weitere Erkenntnisquellen nutzt oder nicht deutlich macht, aus welchem Grund es einer der voneinander abweichenden Erkenntnisquellen folgt.
2a. Vor diesem Hintergrund ist es in fachrechtlicher Hinsicht bedenklich, wenn die Gerichte ein von dem zuständigen Abteilungsrichter des Familiengerichts geführtes Telefongespräch mit dem von einer Sorgerechtsentziehung mit Fremdunterbringung betroffenen Minderjährigen (hier: 15-Jähriger) als persönliche Anhörung iSv § 159 FamFG ausreichen lassen. Die Vorschrift verlangt grds, dass ein 15-jähriges Kind durch das Gericht persönlich anzuhören ist. Steht - wie hier - der Entzug der elterlichen Sorge bezüglich dieses Kindes in Rede und sind insofern die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung, muss sich das Gericht selbst einen persönlichen Eindruck von dem Kind verschaffen (vgl BGH, 28.04.2010, XII ZB 81/09, BGHZ 185, 272 <285f Rn 40>; BGH, 16.03.2011, XII ZB 407/10 <Rn 65>; zum Verfassungsrecht vgl BVerfGE 55, 171 <179f>), also das Kind visuell und akustisch wahrnehmen.
2b. Selbst unter der Geltung des strengen verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs geht aber nicht mit jedem Verstoß gegen einfaches Recht stets eine Verletzung von Verfassungsrecht einher. Verfassungsrechtlich kommt es bei der Beurteilung eines Eingriffs in das Elternrecht darauf an, ob die Gerichte den Sachverhalt dergestalt ermittelt haben, dass eine möglichst zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung vorliegt.
2c. Hat das Gericht aber eine zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung ermittelt, kann selbst der vollständige Verzicht auf eine einfachrechtlich vorgesehene persönliche Anhörung in Sorgerechtsangelegenheiten mit Verfassungsrecht in Einklang stehen, wenn er mit dem Zweck der betroffenen Anhörungsregelung vereinbar ist (vgl BVerfG, 20.08.2020, 1 BvR 886/20 <Rn 9>). Entsprechendes gilt - selbst bei der durch Art 6 Abs 3 GG gebotenen strengen verfassungsrechtlichen Kontrolle - im Fall einer den fachrechtlichen Anforderungen wohl nicht genügenden Durchführungsform der Kindesanhörung.
3. Hier: 3a. Zwar begegnet es hinsichtlich der fachrechtlichen Anforderungen Bedenken, dass das AG den 15-jährigen Sohn der Beschwerdeführerin lediglich telefonisch angehört und das OLG auf dieses Basis von einer persönlichen Anhörung abgesehen hat. Allerdings verfügten die Fachgerichte über den eindeutigen Inhalt der telefonischen Anhörung hinaus über weitere Erkenntnisquellen (Äußerungen des Sohnes gegenüber dem Sachverständigen, dem Jugendamt, der Verfahrensbeiständin und Betreuern der Wohngruppe) zu dem mehrfach klar geäußerten Wunsch des Sohnes, nicht in den Haushalt der Beschwerdeführerin zurückkehren zu wollen.
3b. Soweit die Beschwerdeführerin hinsichtlich der lediglich telefonischen Anhörung ihres Sohnes eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend macht, ist sie mit Blick auf den offensichtlichen Interessenkonflikt zwischen ihr und ihrem Sohn im Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht vertretungsbefugt (vgl BVerfG, 12.02.2021, 1 BvR 1780/20 <Rn 19>; Orientierungssätze BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07.02.2022 - 1 BvR 1655/21).

***

„... Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des betroffenen Kindes aus Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG) und gibt ihr statt. Die Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Bestellung als Verfahrensbeiständin befugt, Verfassungsbeschwerde einzulegen und mit dieser - ausnahmsweise - fremde Rechte in eigenem Namen geltend zu machen (so zur Position des Verfahrenspflegers im Betreuungsverfahren bei ähnlicher Interessenlage und gesetzlicher Ausgestaltung BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2013 - 1 BvR 372/13 -, juris, Rn. 4 ff.; ebenso Engelhardt, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 158 Rn. 44a).

2. Die angegriffene Entscheidung verletzt das betroffene Kind in seinen Grundrechten.

a) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates (aa). Mit den materiell- und verfahrensrechtlichen Maßgaben von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG korrespondieren Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung (bb). Lehnt das Fachgericht eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ab, obwohl Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass eine nachhaltige Gefahr für das Wohl des Kindes besteht, unterliegt dies strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle (cc).

aa) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn seine Eltern ihm nicht den Schutz und die Hilfe bieten, die es benötigt, um gesund aufzuwachsen und sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln (1). Diese Schutzpflicht kann dem Staat gebieten, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine Trennung aufrechtzuerhalten, wenn das Kind in der Obhut seiner Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (2). Die Entscheidung, ob eine Trennung des Kindes von den Eltern geboten ist, verlangt dem Gericht eine Prognose ab und unterliegt darum besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens (3).

(1) Das Kind hat nach Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können.

Das Kind, dem die Grundrechte, insbesondere das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als eigene Rechte zukommen, steht unter dem besonderen Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 24, 119, <144>; 55, 171 <179>; 57, 361 <382>; 133, 59 <73 Rn. 42>). Kinder bedürfen des Schutzes und der Hilfe, um sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln und gesund aufwachsen zu können (vgl. BVerfGE 107, 104 <117>; 121, 69 <92 f.>; 133, 59 <73 Rn. 42>). Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Leben und auf körperliche Unversehrtheit verpflichten den Staat, Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für seine Entwicklung und sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 57, 361 <383>; 133, 59 <73 f. Rn. 42>). Diese Schutzverantwortung für das Kind teilt das Grundgesetz zwischen Eltern und Staat auf. In erster Linie ist sie den Eltern zugewiesen; nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind Pflege und Erziehung die zuvörderst den Eltern obliegende Pflicht. Dem Staat verbleibt jedoch eine Kontroll- und Sicherungsverantwortung dafür, dass sich ein Kind in der Obhut seiner Eltern tatsächlich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit entwickeln und gesund aufwachsen kann (vgl. BVerfGE 133, 59 <74 Rn. 42>).

Werden Eltern der ihnen durch die Verfassung zugewiesenen Verantwortung nicht gerecht, weil sie nicht bereit oder in der Lage sind, ihre Erziehungsaufgabe wahrzunehmen oder können sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten, kommt das ‚Wächteramt des Staates' nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zum Tragen. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates (vgl. BVerfGE 24, 119 <144>; 60, 79 <88>; 72, 122 <134>; 107, 104 <117>).

(2) Diese Schutzpflicht gebietet dem Staat im äußersten Fall, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten.

Ob der Staat zum Schutz des Kindes tätig werden muss und darf und welche Schutzmaßnahmen zu ergreifen sind, bestimmt sich nach Art und Ausmaß der Gefahr für das Kind. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit verpflichtet und berechtigt den Staat, die Eltern von der Pflege und Erziehung auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen; vielmehr ist stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung zu tragen. Die Eltern haben ein Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), die Kinder haben ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf elterliche Pflege und Erziehung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), beide sind gemäß Art. 6 Abs. 3 GG besonders dagegen geschützt, voneinander getrennt zu werden (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 29>). Der Staat darf und muss daher zunächst versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen. Darauf ist er jedoch nicht beschränkt, sondern er darf und muss, wenn solche Maßnahmen nicht genügen, den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend, gegebenenfalls sogar dauernd entziehen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; stRspr).

Der Staat kann verfassungsrechtlich berechtigt (Art. 6 Abs. 3 GG) und verpflichtet (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG) sein, zur Wahrung des Kindeswohls die räumliche Trennung des Kindes von den Eltern zu veranlassen oder aufrechtzuerhalten. Das ist dann der Fall, wenn das Kind bei einem Verbleib in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 72, 122 <140>; 136, 382 <391 Rn. 28>; stRspr). Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt nach ständiger Rechtsprechung voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 19. November 2014 - 1 BvR 1178/14 -, Rn. 23, m.w.N.; s. auch BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

Ist ein Kind, wie hier, seit längerer Zeit bei einer anderen Pflegeperson untergebracht, kann die Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner Pflegeperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer durch diese Trennung womöglich verursachten Traumatisierung des Kindes gering zu halten (vgl. BVerfGK 17, 212 <221>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 2006/98 -, juris, Rn. 13; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner Pflegefamilie nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes hinnehmbar sind (vgl. BVerfGE 68, 176 <187 ff.>; 72, 122 <140>; 75, 201 <217 ff.>; 79, 51 <64>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31).

(3) Ob eine Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt danach regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab. Dem muss die Ausgestaltung des gerichtlichen Verfahrens Rechnung tragen. Das gerichtliche Verfahren muss geeignet und angemessen sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für die vom Gericht anzustellende Prognose über die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu erlangen. Ob etwa Psychologen als Sachverständige hinzuziehen sind, um die für die Prognose notwendigen Erkenntnisse zu erlangen, muss das erkennende Gericht im Lichte seiner grundrechtlichen Schutzpflicht nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>).

bb) Mit diesen materiell- und verfahrensrechtlichen Maßgaben des Grundgesetzes korrespondieren Anforderungen an die Begründung der gerichtlichen Entscheidung.

Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG grundsätzlich nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 25 f.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 48 ff.; jeweils zu Art. 6 Abs. 3 GG).

Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insbesondere dann, wenn das Gericht der Einschätzung der Sachverständigen nicht folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor. Zwar schließt die Verfassung nicht aus, dass das Fachgericht im Einzelfall von den fachkundigen Feststellungen und Wertungen gerichtlich bestellter Sachverständiger abweicht. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass das Gericht zu einer abweichenden Einschätzung und Bewertung von Art und Ausmaß einer Kindeswohlgefährdung gelangt. Es muss dann aber eine anderweitige verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung haben und diese offenlegen. Ein Abweichen von den gegenläufigen Einschätzungen der Sachverständigen bedarf hier eingehender Begründung (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 2. Juni 1999 - 1 BvR 1689/96 -, juris, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 34). Weicht das Gericht von den Feststellungen und Wertungen weiterer beteiligter Fachkräfte ab (insbesondere Verfahrensbeistand, Jugendamt, Familienhilfe, Vormund), gilt im Grundsatz das Gleiche (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 44 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 27. August 2014 - 1 BvR 1822/14 -, juris, Rn. 37; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. Januar 2016 - 1 BvR 2742/15 -, juris; jeweils zu Art. 6 Abs. 3 GG).

cc) Lehnt das Fachgericht eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ab, obwohl Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass eine nachhaltige Gefahr für das Wohl des Kindes vorliegt, unterliegt dies strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle.

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92>; 42, 143 <147 ff.>; 49, 304 <314>). Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeit des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängen namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (vgl. BVerfGE 42, 163 <168>; 79, 51 <63>).

Stellt sich wie hier die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung, besteht wegen des sachlichen Gewichts der teils parallelen, teils gegenläufigen Grundrechte der Beteiligten Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen, zumal die Entscheidung über eine Trennung für alle Beteiligten von existenzieller Bedeutung sein kann (vgl. BVerfGE 60, 79 <90 f.>; 68, 176 <190>; 72, 122 <138 f.>; 75, 201 <221>; 79, 51 <63>; 136, 382 <391 Rn. 28>). Dies gilt auch, wenn das Bundesverfassungsgericht wie hier zu überprüfen hat, ob die Ablehnung einer Trennung des Kindes von seinen Eltern mit der Pflicht des Staates zum Schutz des Kindes vereinbar ist. Bei dieser Sachlage können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 42, 163 <169>; 60, 79 <91>; 68, 176 <190 f.>; 75, 201 <222>; 79, 51 <63>). Die verfassungsgerichtliche Kontrolle erstreckt sich ausnahmsweise auch auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>).

b) Die angegriffene Entscheidung genügt diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Es bestehen mehrere Anhaltspunkte dafür, dass eine nachhaltige Gefahr für das Kind vorliegt, sodass das Gericht mit Rücksicht auf die Art und Schwere der dem Kind drohenden Gefahr bezüglich seiner gegenläufigen Einschätzung besonders hohen Begründungsanforderungen unterliegt (aa). Diese hat es nicht erfüllt. Es weicht ohne hinreichende Begründung und anderweitige verlässliche Grundlage von der Einschätzung der Sachverständigen und anderer am Verfahren Beteiligter ab (bb). Dessen ungeachtet ist die Würdigung des Oberlandesgerichts auch für sich genommen nicht hinreichend nachvollziehbar (cc).

aa) Die Anforderungen an die Begründung einer Rückführung sind hier besonders hoch, weil es - vom Oberlandesgericht näher zu klärende und zu bewertende - Anhaltspunkte dafür gibt, dass das Kind bei einer Rückkehr in die elterliche Obhut schwerste körperliche Misshandlungen erleiden könnte. In der Vergangenheit ist es bereits zu einer solchen Misshandlung gekommen (neunfacher Rippenbruch, der eine kräftige Gewalteinwirkung voraussetzt), deren Umstände nicht aufgeklärt sind, für die die Eltern indessen auf die ein oder andere Art für verantwortlich gehalten werden. Das Risiko einer neuerlichen schweren körperlichen Misshandlung realisiert sich, wenn es denn eintritt, nicht in einer prozesshaften Entwicklung, die beobachtet und nachträglich aufgehalten werden könnte; der Schadenseintritt ist vielmehr unumkehrbar. Eine Rückführung verlangt unter diesen Umständen ein hohes Maß an Prognosesicherheit, dass dieser Schaden nicht eintreten wird, was sich in hohen Begründungsanforderungen niederschlägt.

bb) Das Oberlandesgericht weicht mit der Verneinung einer nachhaltigen Kindeswohlgefahr von der - von anderen Beteiligten (insbesondere Verfahrensbeiständin und Jugendamt) im Wesentlichen geteilten - Einschätzung der Sachverständigen (1) ab, ohne dies hinreichend zu begründen (2) und insbesondere ohne darzulegen, inwiefern es anderweitig über eine verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung verfügt (3).

(1) Die Sachverständige legt im Befund ihres Gutachtens ausführlich dar, wie sie aufgrund der in der Begutachtung gewonnenen Daten die Entwicklung und Erziehungsbedarfe des Kindes, die Bindungs- und Beziehungsstrukturen sowie die Erziehungsfähigkeit der Eltern einschätzt. Zusammenfassend sieht sie ein Risiko einer erneuten Misshandlung des Kindes und bezweifelt, dass die aus ihrer Sicht eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern ausreicht, dem nach ihrer Einschätzung erhöhten erzieherischen Bedarf des Kindes gerecht zu werden:

‚… prognostisch besteht … ein erhöhter erzieherischer Bedarf und eine dauerhaft erhöhte Fragilität durch die Frühgeburtlichkeit und die erfahrene Beeinträchtigung (wiederholte Klinikaufenthalte, wechselnde Betreuungspersonen und Umgebungsbedingungen, Frakturen mit einhergehenden erheblichen Schmerzen, bei welchen am ehesten von Misshandlungen durch eine Betreuungsperson ausgegangen werden kann).'

‚Unter der Prämisse einer Misshandlung des Kindes durch einen Elternteil ist von einem wesentlichen Wiederholungsrisiko auszugehen, hier mit potentiell weitreichenden Folgen angesichts des entwicklungs- und altersbedingt noch erhöhten Schutz- und Betreuungsbedarfs bzw. fehlender Möglichkeit zum selbständigen Schutz des Kleinkindes. Neben den Anforderungen an elterliche, insbesondere … mütterliche Belastbarkeit durch eine ganztätige Betreuung des Kindes kämen weitere Belastungen auf die Mutter durch die zu erwartende Unruhe des Kindes aufgrund des Bezugspersonen- und Umgebungswechsels zu, was die Kapazitäten der Familie noch zusätzlich beanspruchen würde. Elterliche Überforderungen mit nochmaliger Erhöhung eines etwaigen Misshandlungsrisikos können in der Gesamtschau nicht ausgeschlossen werden, wenn die Eltern die alleinige Verantwortung für das Mädchen trügen.

Bei beiden Eltern ergaben sich Hinweise auf Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit. Eine von einem Elternteil ausgehende unmittelbare Gefährdung des Kindes ist nicht auszuschließen. Das Risiko lässt sich durch aufsuchende Hilfen nicht ausreichend kompensieren.'

‚Sachverständigerseits werden in der Gesamtschau bei den Eltern wesentliche Risikofaktoren gesehen, welche besonders vor dem Hintergrund des bestehenden Missbrauchsbefundes durch die Rechtsmedizin ernst zu nehmen sind. Für den Fall einer Misshandlung des Kindes durch einen Elternteil, beispielsweise als Ausdruck der Reinszenierung eigener traumatischer Kindheitserfahrungen, ist das Risiko neuerlicher Übergriffe deutlich erhöht. Insbesondere ist die Gefahr impulsiver plötzlicher Übergriffigkeit in Erwägung zu ziehen, besonders in Überforderungssituationen wie bei anhaltendem Weinen des Kindes, Trotzreaktionen bei zunehmendem Alter, ausgeprägten Explorationswünschen etc.

Angesichts der, wenn auch sicherlich situativ mitbedingten, eingeschränkten Offenheit der Eltern, der, soweit beurteilbar bestehenden Zurückhaltung, eigene Schwierigkeiten, Sorgen und Ängste oder Überforderungen offen zu machen, sowie der besonders bei der Mutter bedenklichen Selbstwahrnehmung erscheint prognostisch unsicher, ob und inwieweit die Eltern, beispielsweise in einem stationären Setting, zu einer ausreichend offenen Haltung, eigenständigem Benennen von Unsicherheiten und Überforderung und auch dem Einfordern von Unterstützung finden könnten.'

‚Aus fachlicher Sicht ist derzeit nur eingeschränkt beurteilbar, ob und inwieweit die Eltern unter Alltagsanforderungen und insbesondere schwierigen Situationen reagieren würden. … Aus fachlicher Sicht ist es angesichts der auszumachenden erhöhten Risikosituation … empfehlenswert, dass sich die Eltern zunächst gemeinsam mit L. einer stationären Diagnostik unterziehen. … Prognostisch kann sich erst im Zuge eines begleiteten diagnostischen Settings zeigen, inwieweit unter Alltagsbelastung Hinweise auf wesentliche Überforderung und einhergehend konkret gefährdende Situationen auftreten bzw. ob und inwieweit die Eltern tatsächlich längerfristig zur Reflexion und Annahme von Hilfen bzw. Korrektur bereit sind. Es sollte ein stationäres Setting gefunden werden, welches dem Kind aber auch den Eltern durch engmaschige Begleitung Schutz, Anleitung und Korrektur bietet.'

Ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts äußerte die Sachverständige in der zweiten mündlichen Verhandlung, ‚dass sie in jedem Fall eine 24-Stunden-Betreuung für erforderlich halte; auch nachts'.

(2) Mit dieser Einschätzung der Sachverständigen und den von der Sachverständigen zugrunde gelegten Befunden setzt sich das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung nicht hinreichend auseinander und legt auch nicht dar, weshalb es der Einschätzung der psychologischen Sachverständigen nicht folgt. Das Gericht beschränkt sich vielmehr auf die Aussage, es vermöge ‚konkrete Anhaltspunkte für wiederholt drohende elterliche Gewalt … weder dem Sachverständigengutachten noch dem übrigen Inhalt der familiengerichtlichen staatsanwaltlichen oder jugendamtlichen Akten zu entnehmen'. Die Sachverständige hat indessen zu einer Reihe von Faktoren nähere Ausführungen gemacht, die nach ihrer Einschätzung auf Risiken aufgrund der Biografie und der Persönlichkeit beider Eltern hindeuten: etwa die unbemerkte oder verleugnete Schwangerschaft, massive Gewalterfahrungen der Kindesmutter durch ihre eigene Mutter, die nicht durchgehend behandelte Epilepsieerkrankung der Kindesmutter, die fragliche Epilepsieerkrankung und die ebenfalls nicht weiter aufgeklärte Alkoholproblematik des Vaters, Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit insbesondere im Bereich emotionaler Schwingungsfähigkeit und Feinfühligkeit, fehlende Offenheit auch gegenüber ‚eigenen lebensgeschichtlichen Lerndefiziten und eigenen potentiell traumatisierenden Erfahrungen', insbesondere die geringe Aufklärungsbereitschaft gegenüber physischen, psychischen Defiziten sowie Anzeichen für eine Überlastungsreaktion und in diesem Zusammenhang die Gefahr weiterer ‚impulsiver unkontrollierter Reaktionen gegenüber dem Kind'. Auf die hierzu und zu weiteren Aspekten von der Sachverständigen in der Begutachtung gewonnenen Einschätzungen, die sie ihrem ausführlich mitgeteilten Befund - nicht offensichtlich unplausibel - zugrunde legt, geht das Gericht nicht näher ein. So ist nicht erkennbar, warum das Gericht die von der Sachverständigen herangezogenen Daten und den Befund nicht als ‚konkrete Anhaltspunkte' für die von der Sachverständigen bejahte Wiederholungsgefahr gelten lässt.

(3) Es ist nicht ersichtlich, dass das Gericht über eine anderweitige verlässliche Grundlage für seine Einschätzung verfügt. Insbesondere hat es nicht selbst ein Sachverständigengutachten eingeholt, auf das es seine gegenläufige Einschätzung stützen könnte. Demgegenüber hatte die Sachverständige ausführlich dargelegt, dass es weiterer Aufklärung bedürfe, um die Alltagsbelastbarkeit der Eltern und deren Reaktionsmöglichkeiten unter höherer Belastung zu erfassen und um die sich aus ihrer Sicht häufenden unklaren Gesichtspunkte insbesondere hinsichtlich des Vaters wie den Hinweis auf Absencen, den Verdacht auf Epilepsie und den Alkoholkonsum aufzuklären.

Das Gericht gibt an, auch aufgrund des Eindrucks, den es von beiden Eltern bei ihrer Anhörung gewonnen hat, zu der Auffassung gelangt zu sein, den Eltern könne zugetraut werden, für das Kind in ausreichender Weise Verantwortung zu übernehmen. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen, dass das Gericht aufgrund der mündlichen Verhandlung zu einem solchen Eindruck kommt und auf dieser Grundlage zu einer optimistischeren Risikobewertung gelangt als die anderen Beteiligten. Das Gericht hätte hierfür jedoch konkret benennen müssen, welche Umstände, insbesondere welche Aussagen und welches Verhalten der Eltern in der mündlichen Verhandlung seiner abweichenden Einschätzung zugrunde liegen und weshalb diese geeignet sind, die von der Sachverständigen benannten Risikofaktoren zu entkräften. Das ist hier nicht geschehen. Das Gericht hat den Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht näher dargelegt und auch kein aussagekräftiges Protokoll gefertigt, aus dem sich Gründe für die optimistischere Bewertung erschließen könnten.

cc) Ungeachtet der entgegenstehenden Einschätzung der Sachverständigen, der Verfahrensbeiständin und des Jugendamts ist die eigene Würdigung der Gefährdungsaspekte durch das Oberlandesgericht auch für sich genommen nicht hinreichend nachvollziehbar. Das Oberlandesgericht hat die hier zutage getretenen Gefährdungsaspekte, insbesondere im Hinblick auf etwaig drohende weitere Misshandlungen (1) sowie in Bezug auf die spezifisch mit der Rückführung verbundenen Belastungen des Kindes (2) weder im Einzelnen noch in ihrem Zusammenwirken hinreichend nachvollziehbar gewürdigt. Das gilt auch für die Einschätzung, die Gefährdung könne hier durch öffentliche Hilfen abgewendet werden (3).

(1) Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, es drohe keine erneute Misshandlung, ist nicht plausibel begründet.

(a) Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ‚deuten die übrigen Umstände eher auf ein Augenblicksversagen als auf wiederholte, in vergleichbarer Weise auch künftig zu erwartende Misshandlungen hin'. Dafür findet sich jedoch keine nachvollziehbare Begründung. Insbesondere bleibt offen, welche ‚übrigen Umstände' das Gericht hier meint.

(b) Die Einschätzung des Gerichts, es drohe keine erneute Misshandlung, ist nicht frei von Widersprüchen. Das Gericht nimmt einerseits an, dass die Eltern für die massiven Rippenbrüche des Kindes jedenfalls mitverantwortlich sind und hält die ursprüngliche Inobhutnahme des Kindes zur Abwendung der Gefährdungslage für erforderlich. Aus der Entscheidung geht andererseits nicht hervor, inwiefern sich die Gefahrenlage verbessert haben soll. Es ist nicht dargelegt, was sich in der Zeit der Fremdunterbringung auf Seiten der Eltern im Vergleich zur damaligen Familiensituation, in der es zu dem Übergriff kam, in der Weise verändert haben soll, dass eine Abweichung von der vorangegangenen Risikobewertung angezeigt erschiene. Zudem steht nun die Geburt eines weiteren Kindes bevor, so dass es bei der Betreuung beider Kinder vermehrt zu Stresssituationen kommen kann. Hierzu wären nähere Prüfungen und Ausführungen erforderlich gewesen (vgl. BVerfGK 17, 212 <219>).

(2) Es bestehen auch Anhaltspunkte dafür, dass eine nachhaltige Kindeswohlgefahr aus den rückführungsspezifischen Belastungen resultieren könnte, weil die leiblichen Eltern den hierdurch gesteigerten Anforderungen an die Erziehungsfähigkeit nicht gerecht werden könnten. Insoweit hat es das Gericht bereits an der gebotenen Sachverhaltsaufklärung fehlen lassen.

Das Oberlandesgericht hat sich nicht ausreichend mit der Frage befasst, ob und in welchem Maße zu den jetzigen Pflegeeltern Bindungen entstanden sind und eine abermalige Herausnahme aus dem sozialen Umfeld eine nicht hinnehmbare Schädigung des Kindes nach sich ziehen kann. Die Annahme, dass das seit April 2016 bei der Dauerpflegefamilie lebende Kind noch keine beachtlichen Bindungen zu der jetzigen Pflegefamilie entwickelt habe, stützt das Gericht allein auf eine nicht näher wiedergegebene Angabe der Pflegeeltern, die auch nicht aussagekräftig protokolliert ist.

Mögliche aus der Rückführung erwachsende weitere Belastungen für das ohnehin schon erheblich vorbelastete Kind sind nicht näher untersucht worden. Die Gründe des angegriffenen Beschlusses lassen demgemäß auch nicht erkennen, dass das Oberlandesgericht der Frage nachgegangen ist, ob die leiblichen Eltern in der Lage sind, die mit der Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie verbundenen nachteiligen Folgen so gering wie möglich zu halten. Auch insoweit hätten die im elterlichen Umfeld erfolgte und nicht aufgearbeitete Misshandlung des Kindes sowie die eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern in Bezug auf Emotionalität, Feinfühligkeit und Empathie Anlass für eine eingehende Prüfung - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme sachverständiger Unterstützung - gegeben.

Schließlich hat das Oberlandesgericht für die Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt lediglich eine Befristung von sechs Wochen vorgesehen, ohne zu prüfen, auf welche Weise der Wechsel des Kindes so vorbereitet werden könnte, dass er das betroffene Kind von seinen bisherigen Bezugspersonen nicht zu abrupt und ohne einen Aufbau von Beziehungen zu seinen Eltern trennt. Hier wäre in Erwägung zu ziehen gewesen, ob durch eine sich intensivierende Umgangsregelung ein allmählicher Bindungsaufbau zu den noch fremden leiblichen Eltern erreicht werden könnte (vgl. BVerfGK 2, 144 <147>; 17, 212 <222>). Zur Ausgestaltung eines behutsamen Übergangs des Kindes von der Pflegefamilie zu den Eltern bestand in gesteigertem Maße Anlass angesichts der besonders belastenden Vorgeschichte des Kindes, der Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Eltern und des Umstandes, dass seit mehreren Monaten Umgangskontakte der leiblichen Eltern mit ihrem Kind nur alle zwei Monate für eine Stunde stattfinden.

(3) Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, die - in der Entscheidung nicht näher spezifizierte - Gefährdung für das Kind in elterlicher Obhut könne durch öffentliche Hilfen abgewendet werden, ist angesichts des Ausmaßes der hier in Rede stehenden Gefahren nicht ausreichend begründet. Das Gericht versäumt insoweit, Möglichkeiten und Grenzen öffentlicher Hilfen im konkreten Fall aufzuklären und darzulegen. Welche Hilfen im Einzelnen welche Gefährdungsrisiken kompensieren sollen, wird weder im Tenor noch in den Gründen der Entscheidung nachvollziehbar ausgeführt. Mit den Bedenken der Sachverständigen auch in diesem Zusammenhang (fehlende Reflexion der Eltern und fehlendes Vermögen, relevante Aspekte offen anzusprechen, so dass die Hilfe möglicherweise ins Leere läuft) setzt sich das Oberlandesgericht nicht auseinander. Inwieweit in Anbetracht der auch vom Gericht angenommenen markanten Schwierigkeit der Eltern, einen Unterstützungsbedarf zu erkennen, das Ziel, das Kind vor Schädigungen zu schützen, prognostisch erreicht werden kann, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Die Sachverständige hat dargelegt, dass insoweit ein Bedarf weiterer Aufklärung im Rahmen stationärer Diagnostik besteht. Dies wird ebenso wenig verarbeitet wie die Einschätzung der Sachverständigen, dass ambulante Hilfen zur Vermeidung einer Gefährdungslage nicht genügten und letztlich nur eine - nicht realisierbare - 24-Stunden-Betreuung ausreichenden Schutz des Kindes sicherstellen könne.

3. Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 7. Oktober 2016 (erlassen am 13. Oktober 2016) wird gemäß § 93c Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 2 BVerfGG aufgehoben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

4. Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). ..." (BVerfG, Beschluss vom 03.02.2017 - 1 BvR 2569/16)

***

„... I. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass ihm - wie auch der Mutter - die elterliche Sorge für eine im Februar 2013 geborene Tochter entzogen und auf das Jugendamt übertragen wurde.

1. Der Beschwerdeführer stammt aus G. und lebt seit Anfang 2012 zunächst als Asylbewerber, inzwischen geduldet in Deutschland. Die Mutter leidet unter gravierenden psychischen Erkrankungen, keines ihrer vier älteren Kinder lebt bei ihr. Sie wurde in den Monaten vor der Entbindung in einem Mutter-Kind-Heim betreut. Der Beschwerdeführer und die Mutter haben sich noch während der Schwangerschaft getrennt, der Beschwerdeführer hat eine neue Lebensgefährtin.

Im Oktober 2012 haben der Beschwerdeführer und die Mutter vorgeburtlich eine Vaterschaftsanerkennung und gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben.

a) Unter Verweis auf die psychische Situation der Mutter und die nicht transparente Wohn- und Lebenssituation des Beschwerdeführers regte das Jugendamt unmittelbar vor dem voraussichtlichen Geburtstermin an, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Das Amtsgericht entzog daraufhin beiden Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Recht zur Beantragung öffentlicher Hilfen und bestellte das Jugendamt zum Ergänzungspfleger.

Mitte Februar 2013 wurde die Tochter des Beschwerdeführers geboren. Sie wurde nach der Entlassung aus dem Krankenhaus in einer Pflegefamilie untergebracht, wo sie seitdem lebt. Anfang Mai 2013 traf das Amtsgericht eine Umgangsregelung, nach der begleitete Kontakte stattfanden.

b) Im hier verfahrensgegenständlichen Hauptsacheverfahren beantragte der Beschwerdeführer, ihm das alleinige Sorgerecht zu übertragen.

aa) Das Amtsgericht gab ein Sachverständigengutachten dazu in Auftrag, ob die Eltern in der Lage seien, das körperliche, geistige und seelische Kindeswohl sicherzustellen und somit erziehungsfähig seien. Die Sachverständige hielt die Mutter für krankheitsbedingt erziehungsunfähig und den Beschwerdeführer nur teilweise für erziehungsfähig; sie empfahl, das Kind weiterhin in einer Pflegefamilie unterzubringen.

Nach mündlicher Verhandlung entzog das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. September 2013 beiden Eltern die gesamte elterliche Sorge und bestellte das Jugendamt zum Vormund. Das Kindeswohl sei gefährdet. Die Mutter sei krankheitsbedingt erziehungsunfähig. Der Beschwerdeführer sei derzeit nur eingeschränkt erziehungsfähig. Dies habe die Sachverständige, welche dem Gericht auch aus anderen Verfahren als kompetente und erfahrene Gutachterin bekannt sei, in ihrem schlüssigen, nachvollziehbaren und uneingeschränkt verwertbaren Gutachten festgestellt, dem das Gericht sich vollumfänglich anschließe.

Der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen. Es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindeserziehung. Ihm habe nach den Ausführungen der Sachverständigen in den von ihr beobachteten Umgangskontakten oft die Fähigkeit gefehlt, auf die konkreten Bedürfnisse des Kindes einzugehen. So habe er mehrmals versucht, das Kind mittels Schütteln auf dem Arm zu beruhigen, was alle Beteiligten als dem Alter der Tochter unangemessen beschrieben hätten.

Bei dem Beschwerdeführer liege weiter eine erhebliche Bindungsintoleranz in Bezug auf die Mutter vor, denn er habe ausdrücklich bekundet, sich nur seine derzeitige Lebensgefährtin als Mutter der Tochter vorzustellen, die Kindesmutter tauche in der Lebensplanung nicht mehr auf.

Zudem sei sein aufenthaltsrechtlicher Status nach wie vor nicht endgültig geklärt. Zwar löse dies allein keine Kindeswohlgefahr aus. Die damit verbundene ungewisse wirtschaftliche und räumliche Situation wiege aber schwer und stelle nach den nachvollziehbaren Bekundungen der Sachverständigen auch eine Kindeswohlgefährdung dar, weil es bei dem Kind in erster Linie auf feste Strukturen im Alltagsleben ankomme.

Die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem sei derart problematisch, dass er derzeit sicher kein Vorbild für das Kind darstellen könne. So scheine er nicht einmal einzusehen, dass sein Aufenthalt in Deutschland bis vor kurzem noch illegal war. Er ziehe afrikanische Erziehungsmethoden den europäischen Standards vor und distanziere sich nicht von der selbst erlebten, teilweise gewalttätigen Erziehung.

Andere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Das Kind entwickle sich in der Pflegefamilie gut.

bb) Der Beschwerdeführer legte Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Das Oberlandesgericht holte Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin ein. Von einer mündlichen Verhandlung sah es ab.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2014 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde zurück. Zur Begründung verwies es auf die in der Sache und in den Gründen zutreffende amtsgerichtliche Entscheidung. Das Kindeswohl sei gefährdet, wenn das Kind in der Obhut des Beschwerdeführers lebe. Seine Erziehungsfähigkeit sei nach den überzeugenden und verwertbaren Ausführungen der Sachverständigen so eingeschränkt, dass eine Fremdunterbringung erforderlich sei und mildere Maßnahmen nicht in Betracht kämen. Dem Beschwerdeführer mangele es nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen an den Fähigkeiten und Fertigkeiten, um die körperliche Versorgung des Kindes sicherzustellen. So habe er mehrmals versucht, seine Tochter durch Schütteln zu beruhigen. Es mangele auch an einer ausreichenden Zuwendung und Stabilität emotionaler Beziehungen. In der Interaktion habe sich nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen gezeigt, dass der Beschwerdeführer die Schwierigkeiten und physischen Defizite des Kindes und auch ihre Entwicklungsfortschritte nicht erkenne und nicht adäquat reagiere. Es fehle die Fähigkeit, feine Signale des Kindes zu erkennen und dessen emotionale Bedürfnisse angemessen wahrzunehmen. Seine Bindungstoleranz sei eingeschränkt, denn nach den Feststellungen des Amtsgerichts tauche die Mutter in der Lebensplanung nicht mehr auf. Vielmehr stelle sich der Beschwerdeführer vor, dass seine jetzige Lebensgefährtin die Mutterrolle übernehme.

Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wurde im April 2014 zurückgewiesen.

Ende April 2014 wurde das Bereitschaftspflegeverhältnis für die Tochter in eine Dauerpflege in derselben Familie umgewandelt.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 sowie von Art. 103 Abs. 1 GG. Sein Elterngrundrecht sei verletzt, weil die Voraussetzungen für eine Entziehung des Sorgerechts nach Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG nicht vorlägen. Im ganzen Verfahren sei nicht festgestellt worden, welche konkreten Bedürfnisse des Kindes der Beschwerdeführer nicht erfüllen könne. Seine Erziehungsfähigkeit sei nicht eingeschränkt, auch ein schwerwiegendes Fehlverhalten sei nicht festgestellt worden. Es treffe nicht zu, dass wegen seines Aufenthaltsstatus keine ausreichende Kontinuität sichergestellt sei, denn er hätte als sorgeberechtigter Vater Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Möglichkeiten staatlicher Erziehungshilfe seien gar nicht in Erwägung gezogen worden, obwohl das Gutachten auf diese Möglichkeit hinweise.

3. Die Akten des Ausgangsverfahrens (Hauptsache) lagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Nordrhein-Westfalen, der Verfahrensbeiständin aus dem Ausgangsverfahren, dem Jugendamt als Vormund und der Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Das Land hat von einer Äußerung abgesehen, Mutter und Verfahrensbeiständin haben sich nicht geäußert. Das Jugendamt sprach sich dafür aus, das Kind in der Pflegefamilie zu belassen. Es äußerte Zweifel an der Erziehungseignung des Beschwerdeführers. Außerdem stelle ein Beziehungsabbruch mit den Pflegeeltern eine deutliche Kindeswohlgefährdung dar. Einen Wechsel zum Beschwerdeführer solle erst geprüft werden, wenn die Tochter die nötige Reife erlangt habe, tragfähige Entscheidungen zu treffen, und sie dann beim Beschwerdeführer leben wolle.

II. Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts des Beschwerdeführers angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

1. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar. Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt diesen Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen.

Art. 6 Abs. 3 GG erlaubt es nur dann, ein Kind von seinen Eltern gegen deren Willen zu trennen, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder sich eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfGK 16, 517 <528>; 19, 295 <301>; BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 30; vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, FamRZ 2005, S. 344 <345>).

Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, unterliegt einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung, die sich wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken kann (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 24. Juni 2014 - 1 BvR 2926/13 -, juris, Rn. 28).

b) Die angegriffenen Entscheidungen des Amts- wie des Oberlandesgerichts genügen diesen strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung des Eingriffs nicht. Die Annahme, es bestehe eine die Trennung der Tochter vom Beschwerdeführer legitimierende Kindeswohlgefahr, erweist sich als verfassungsrechtlich nicht haltbar. Die Ausführungen des Amtsgerichts zur Begründung einer Kindeswohlgefährdung durch den Beschwerdeführer sind gemessen an der enormen Tragweite der Entscheidung für Kind und Vater - auch im Vergleich zu sonstigen, regelmäßig besonders ausführlichen, familiengerichtlichen Entscheidungen zu ähnlichen Sachverhalten - knapp gehalten. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts sind mit 16 Zeilen sehr dürftig ausgefallen. Beide Gerichte stützen sich maßgeblich auf die Feststellungen im Sachverständigengutachten. Dessen Verwertbarkeit unterliegt hier jedoch erheblichen verfassungsrechtlichen Zweifeln. Das schlägt auf die angegriffenen Entscheidungen durch, weil die von der Gutachterin getroffenen Feststellungen im Wesentlichen übernommen und allenfalls ansatzweise eigenständig tatsächlich eingeordnet und rechtlicher Würdigung unterzogen werden (aa). Die angegriffenen Entscheidungen verfehlen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung auch deshalb, weil sie zwar auf mögliche Defizite bei der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingehen, ohne dass sich daraus aber ergibt, von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren (bb). Dass eine die Fremdunterbringung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls in der Sache vorläge, ist auch nicht indirekt durch die in den Entscheidungen und im Sachverständigengutachten getroffenen Feststellungen belegt (cc).

aa) Beide Entscheidungen stützen die Annahme einer Kindeswohlgefahr maßgeblich auf die schriftlichen und mündlichen Ausführungen der Sachverständigen. An deren Verwertbarkeit bestehen jedoch Zweifel,
- weil dem Gutachten Fragestellungen zugrunde gelegt sind, mittels derer die von Verfassungs wegen zu ermittelnden tatsächlichen Umstände nicht ohne Weiteres geklärt werden können (1) und
- weil die Sachverständige dem Beschwerdeführer möglicherweise nicht mit der gebotenen Neutralität begegnet ist (2).
- Zweifel dieser Art führen zwar nicht zwangsläufig dazu, dass die Ausführungen von Sachverständigen vollständig unverwertbar wären. Die Gerichte müssen dem jedoch Rechnung tragen. Das ist hier nicht geschehen (3).

(1) Im Sachverständigengutachten wird die verfassungsrechtlich gebotene Frage nach einer nachhaltigen Gefährdung des Kindeswohls weder explizit noch in der Sache gestellt. Zwar gehört es zur Aufgabe von Sachverständigen, aus der juristischen Fragestellung wissenschaftlich beantwortbare Fragen des eigenen Fachgebiets abzuleiten. Die aus der Beweisfrage des Gerichts abgeleiteten Fragestellungen der Sachverständigen sind aber für sich genommen nicht geeignet, das rechtliche Merkmal der Kindeswohlgefahr umfassend aufzuklären. Das hätten die Gerichte bei der Verwertung der Feststellungen des Sachverständigengutachtens berücksichtigen und die Feststellungen eigenständig auf ihre rechtliche Relevanz hin auswerten müssen. Dies ist nicht in der gebotenen Weise geschehen.

Im Sachverständigengutachten wurde aus der gerichtlichen Beweisfrage die psychologische Fragestellung abgeleitet, ob die Eltern ihre Erziehungsfähigkeit anhand der acht Herausforderungen des Lebens unter Beweis stellen können, zu denen neben der Kindererziehung die Bereiche Arbeit, Leistung und Beruf, kulturelles Leben und staatliche Rechts- und Werteordnung, Freizeitgestaltung, Verhältnis zu den Mitmenschen, Dauerpartnerschaft und Liebe, Umgang mit Konflikten und Einteilung von Ressourcen zählten. Die Erziehungseignung wurde unter anderem davon abhängig gemacht, ob die Eltern dem Kind vermittelten und vorlebten, dass es ‚sinnvoll und erstrebenswert ist, zunächst Leistung und Arbeit in einer Zeiteinheit zu verbringen, sich dabei mit anderen messen zu können und durch die Erbringung einer persönlichen Bestleistung ein Verhältnis zu sich selbst und damit ein Selbstwertgefühl aufbauen zu können, [und es] selbst wenn die Kindeseltern arbeitslos sind, sinnvoll ist, sich eigeninitiativ um Arbeit zu bemühen, an Trainingsmaßnahmen teilzunehmen, Termine beim Sozialamt wahrzunehmen', ob die Eltern der ‚geistigen Entwicklung ihres Kindes größtmögliche Unterstützung und Hilfe zukommen lassen, damit die Kinder hier nach ihrem geistigen Vermögen auf eine persönliche Bestleistung hin gefördert werden und diese erbringen können' und dass die Eltern den Kindern ein ‚adäquates Verhältnis zu Dauerpartnerschaft und Liebe vorleben'.

Mit diesen Fragestellungen wird die Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers an einem Leitbild gemessen, das die von Art. 6 Abs. 2 und Abs. 3 GG geschützte primäre Erziehungszuständigkeit der Eltern in mehrerlei Hinsicht verfehlt. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88>). Die primäre Erziehungszuständigkeit beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von seinen Eltern wahrgenommen werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>) und die spezifisch elterliche Zuwendung dem Wohl der Kinder grundsätzlich am besten dient (vgl. BVerfGE 133, 59 <73 f., Rn. 42 f.>). Daher müssen die Eltern ihre Erziehungsfähigkeit nicht positiv ‚unter Beweis stellen'; vielmehr setzt eine Trennung von Eltern und Kind umgekehrt voraus, dass ein das Kind gravierend schädigendes Erziehungsversagen mit hinreichender Gewissheit feststeht. Außerdem folgt aus der primären Erziehungszuständigkeit der Eltern in der Sache, dass der Staat seine eigenen Vorstellungen von einer gelungenen Kindererziehung grundsätzlich nicht an die Stelle der elterlichen Vorstellungen setzen darf (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>; 16, 517 <529>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 30 f.). Daher kann es keine Kindeswohlgefährdung begründen, wenn die Haltung oder Lebensführung der Eltern von einem bestimmten, von Dritten für sinnvoll gehaltenen Lebensmodell abweicht und nicht die aus Sicht des Staates bestmögliche Entwicklung des Kindes unterstützt. Dem tragen die im Sachverständigengutachten aufgeworfenen Fragen nicht hinreichend Rechnung.

(2) Das Gutachten bietet auch deshalb keine verlässliche Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung, weil sich Hinweise darauf finden, dass die Sachverständige dem Beschwerdeführer nicht mit der gebotenen Unvoreingenommenheit begegnet ist. Angesichts der ins Auge springenden Zweifel hätten die Gerichte darlegen müssen, inwiefern sie das Gutachten gleichwohl für verwertbar halten.

(a) Darauf, dass sich die Sachverständige von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen, deuten zahlreiche Feststellungen zu Lasten des Beschwerdeführers hin, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zur von der Gutachterin konkret aufgeworfenen Frage stehen. So finden sich etwa zu dem ersten im Sachverständigengutachten betrachteten ‚Herausforderungsfeld', das mit ‚Verhältnis zur Arbeit, Leistung und Beruf' bezeichnet ist und in dem ermittelt werden soll, ob das Kind ‚durch die Erziehung des Beschwerdeführers ein Verhältnis zur Arbeit, Leistung und zum Beruf entwickeln kann', Beobachtungen zu verschiedensten angeblichen Mängeln des Beschwerdeführers, deren Relevanz für die zuvor formulierte Frage sich großenteils kaum oder gar nicht erschließt und die die abschließende Feststellung, ‚der Kindesvater erfüll[e] somit das Herausforderungsfeld nicht', nicht tragen. Es heißt dort (Hervorhebungen gemäß Original):

‚6.1.3.1 Verhältnis zur Arbeit, Leistung und Beruf …
Zum Kindesvater:

Der Kindesvater [Beschwerdeführer] gibt an, neben einer gymnasiumähnlichen Ausbildung mit Abschluss eine Schweißerlehre absolviert zu haben. Ebenfalls habe er in Afrika eine Selbständigkeit mit der damaligen Lebenspartnerin und Mutter seines [in Afrika lebenden] Sohnes durchgeführt, die jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Situation in einen Konkurs gemündet sei. Aufgrund dessen sei er nach Europa, hier nach Italien, gereist, um dort zu arbeiten.

Da sein Aufenthaltsstatus hier in Deutschland ungeklärt ist, ist davon auszugehen, dass der Kindesvater auch in Italien keinen anerkannten Aufenthaltsstatus vorwies. [Der Beschwerdeführer] gibt an, dass ihm Arbeit und Beruf wichtig seien. Jedoch könne er aufgrund seines Aufenthaltsstatus zum aktuellen Zeitpunkt hier nicht arbeiten.

Lt. seiner eigenen Aussage nimmt er regelmäßig Mahlzeiten zu sich.

Da sich der Kindesvater trotz offizieller Angabe nicht in dem Übergangswohnheim, sondern bei seiner neuen Partnerin befindet, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie sich in wirtschaftlich geringen Verhältnissen bewegt und er jedoch einen Teil seines Geldes dazu verwenden kann, um seinen Sohn in G. unterstützen zu können.

Trotzdem der Kindesvater schon seit einiger Zeit im Land lebt, befindet er sich weiterhin noch in einer Übergangssituation.

Es ist nicht klar feststellbar, ob der Kindesvater überhaupt jemals eine Nacht in dem Übergangswohnheim verbringt.

Da die Umgangskontakte mit [der hier betroffenen Tochter des Beschwerdeführers] bisher unter geschützten Bedingungen in der Caritasbegegnungsstätte stattfinden, ist diese Situation nicht auf eine ‚normale Situation' übertragbar.

Während der Umgänge im Jugendamt der Stadt P. zeigte sich der Kindesvater bemüht, angemessen mit [der Tochter] umzugehen. Jedoch weist er große Unsicherheiten vor, adäquat mit unruhigeren Verhaltensweisen [der Tochter] umzugehen. Von allen involvierten Instanzen und auch seitens der Unterzeichnerin ist hier festzuhalten, dass der Kindesvater durch sein Verhalten das ängstliche Verhalten des Kindes eher durch starkes Schaukeln und lauteres Ansprechen verstärkt, statt es aufzulösen.

Konkrete Fördermaßnahmen im Hinblick auf den Erwerb von Bildung etc. benennt [der Beschwerdeführer] nicht.

Insgesamt ist jedoch festzuhalten, dass [dem Beschwerdeführer] die Bedeutung von Arbeit und selbst erwirtschaftetem Geld deutlich ist.

Er hat angegeben, nach Regelung seines Aufenthaltsstatus das Herausforderungsfeld zukünftig durch Nachgehen einer geregelten Tätigkeit bestehen zu wollen.

Jedoch hat er nicht mitteilen können, wie er [die Tochter] im Falle einer solchen Tätigkeit versorgen will.

Hier hat der Kindesvater nur undeutlich angedeutet, dass er sich die Betreuung [der Tochter] dann mit seiner jetzigen Lebenspartnerin …, teilen wolle.

In der Interaktion hat sich insgesamt gezeigt, dass [der Beschwerdeführer] nur bedingt in der Lage ist, die Schwierigkeiten und physischen Defizite [der Tochter] und auch ihre Fortschritte in ihrer Entwicklung zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Er neigt dazu, diese zu verallgemeinern und als ‚normal' darzustellen. Es fehlt ihm hier an der Fähigkeit, die feinen Signale [der Tochter] erkennen zu können. Ebenfalls nimmt er die emotionalen Bedürfnisse [der Tochter] nicht angemessen wahr.

Im Hinblick auf die Rechts- und Werteordnung unseres Staates ist beim Kindesvater deutlich geworden, dass der Kindesvater aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland eingereist ist, um hier zu arbeiten, jedoch hat er einen Asylantrag gestellt, was an sich schon ein Widerspruch ist.

Der Kindesvater bezieht in Deutschland Geld über das Sozialamt bzw. das Asylgeld, welches noch unter dem Selbstbehalt liegt.

Er vermittelt den Eindruck, dass er ‚nach jedem Strohhalm' greift, um in Deutschland bleiben zu können.

Mit der Schwangerschaft der [Mutter] und seiner Vaterschaft über [die Tochter] hat sich der Kindesvater jetzt ein Bleiberecht verschafft.

Aus der Historie des Kindesvaters geht weiterhin hervor, dass er in der Kindheit autoritär erzogen worden ist und seine Eltern auch ihm selbst gegenüber physische Gewalt angewendet haben.

Obwohl [der Beschwerdeführer] diesen Umstand insofern kommentiert, als er der Meinung sei, dass die Eltern sich nicht zuletzt aus religiöser Sicht so verhalten hätten, sondern um ihn auf den ‚rechten Weg' zu führen.

Dass Kinder ein Recht auf Unversehrtheit haben, wie es bereits im Grundgesetz in Deutschland verankert ist, widerspricht zumindest der erlebten, eigenen Erziehung/Prägung und den Bindungsmustern des Kindesvaters.

Die Nachfragen in dem Explorationsgespräch lassen deutlich werden, dass der Kindesvater über kein pädagogisches Werkzeug im Sinne einer partnerschaftlichen oder demokratischen Erziehung verfügt und hier im Zweifelsfall davon ausgegangen werden muss, dass der Kindesvater anhand der, ihm selbst ‚am eigenen Leibe' vermittelten Erziehung seine Normen und Werte weitervermitteln wird.

Das Verhalten [des Beschwerdeführers], die hiesigen Gesetze, z.B. das Asylantengesetz zu unterlaufen, lassen deutlich werden, dass er kein Vorbild im rechtsstaatlichen Sinne für [die Tochter] darstellt.

Den Asylantrag hat [der Beschwerdeführer] erst nach der Geburt [der Tochter] zurückgezogen, wobei sein Aufenthaltsstatus zu aktuellen Zeitpunkt weiterhin noch geduldet ist.

Weiterhin bleibt fraglich, welche Motivation hinter der Partnerschaft mit [seiner jetzigen Lebensgefährtin] steht, da diese über einen deutschen Pass verfügt und somit den Aufenthalt des Kindesvaters im Falle einer Heirat legalisieren würde.

Der Kindesvater erfüllt somit das Herausforderungsfeld nicht.'

(b) Auf das Fehlen der gebotenen Neutralität weist insbesondere hin, dass die Sachverständige Äußerungen und Verhaltensweisen des Beschwerdeführers ebenso wie seine von der Gutachterin wiederholt in den Vordergrund gerückte Herkunft aus einem afrikanischen Land in sachlich nicht nachvollziehbarem Maße negativ bewertet.

So geht die Sachverständige (gestützt auf ihre Annahme, der Beschwerdeführer sei illegal eingereist und seine oberste Priorität bestehe nun darin, in Deutschland bleiben zu dürfen) von einer umfassenden Instrumentalisierung aller nahen zwischenmenschlichen Beziehungen aus - sowohl zur Kindesmutter und zur Tochter (‚mit der Schwangerschaft [der Mutter] und seiner Vaterschaft über [die Tochter] hat sich der Kindesvater jetzt ein Bleiberecht verschafft'), als auch zur neuen Partnerin (es bleibe fraglich, ‚welche Funktion seine Freundin […] nun ausfüllt. Die Motivation der Beziehung aus aufenthaltsrechtlichen Gründen ist nicht auszuschließen'; ‚welche Motivation hinter der Partnerschaft […] steht, da [die neue Partnerin] über einen deutschen Pass verfügt und somit den Aufenthalt des [Beschwerdeführers] im Falle einer Heirat legalisieren würde'). Zudem hält sie vor diesem Hintergrund Äußerungen des Beschwerdeführers tendenziell für unglaubwürdig: Sie habe ‚den Eindruck, dass [er] jede sich ihm bietende Gelegenheit nutzt, um im Land bleiben zu können. Auf die sich verändernden Rahmenbedingungen pariert [er] mit Veränderungen in den Darstellungen der vermeintlichen Fakten seines Lebens und passt sie den Erfordernissen an!'; er ‚vermittelt in allen Gesprächen den Eindruck, sozial erwünscht zu antworten' und ‚konstruiert nachweislich die Fakten bzw. sortiert diese so ein, dass sie auf die jeweilige Fragestellung passen'. Nicht näher begründete negative Stereotype finden sich in Bezug auf die Kindererziehung in afrikanischen Ländern, die sie dem Beschwerdeführer ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte (s.u. cc) (4)) zuschreibt. Die Sachverständige bezeichnet eine autoritäre, gewaltsame und von Unterwerfung der Kinder geprägte Erziehung als ‚afrikanische Erziehungsmethode' und stellt fest, die ‚afrikanischen Verhaltensweisen' deckten sich nicht mit dem Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung aus § 1618a BGB. Sie hält es für problematisch, dass der Beschwerdeführer ‚die afrikanischen Erziehungsmethoden deutlich höher wertet als die europäischen' und hält ‚Nachschulungen' im Hinblick auf ‚die Einsichtsfähigkeit in die europäischen Erziehungsmethoden' für erforderlich.

Daneben thematisiert die Sachverständige etwa die Entscheidung des Beschwerdeführers, der obdachlosen und suchtkranken Mutter während der Schwangerschaft weiter Obdach zu gewähren und nach Unterstützung für sie zu suchen, nur im Hinblick darauf, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits eine Beziehung mit der jetzigen Partnerin begonnen hatte, die über das Zusammenwohnen mit der werdenden Mutter wohl nicht im Bilde war. Die Sachverständige hat die jetzige Partnerin hierzu im Rahmen einer Exploration intensiv befragt und hat diese nach eigenen Schilderungen wohl überhaupt erst über die damalige Wohnsituation des Beschwerdeführers informiert. Obwohl die neue Partnerin der Sachverständigen erklärt hat, die Gewährung von Obdach an die schwangere Mutter spreche eher für den Beschwerdeführer, urteilt die Sachverständige, die Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer und seiner derzeitigen Lebensgefährtin beruhe ‚nicht auf einer wahrhaftigen Basis'; ‚mittels einer Falschaussage in Bezug auf die damalige Wohnsituation [der Mutter] hat sich der Beschwerdeführer das weitere Zusammenleben mit der [neuen Partnerin] manipulativ sichern können'. Darauf stützt die Sachverständige zugleich ihre Einschätzung, dass die - von ihr im Grunde positiv bewertete - Beziehung des Beschwerdeführers zu seiner jetzigen Lebensgefährtin und deren fünfjährigem Sohn derzeit gleichwohl nicht zugunsten des Beschwerdeführers spreche: ‚Da […] die Reaktionen [der Partnerin] auf die im gutachterlichen Zeitraum ergangenen Informationen, deren Verarbeitung noch abzuwarten sind, kann der bisherige Beziehungsstand somit nicht als Maßstab dienen'.

(3) Dass das Sachverständigengutachten und die ergänzenden mündlichen Ausführungen für sich genommen keine verlässliche Grundlage für die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung bieten, führt nicht ohne Weiteres zur Verfassungswidrigkeit der Entscheidungen. Gegen die Gerichtsentscheidungen wäre von Verfassungs wegen nichts einzuwenden, wenn

- sie die Mängel thematisierten,
- die fachliche Qualifikation der Sachverständigen näher klärten und
- nachvollziehbar darlegten, inwiefern Aussagen aus dem Gutachten gleichwohl verwertbar sind und zur Entscheidungsfindung beitragen können.
Dies ist hier nicht geschehen.

Die Entscheidungen hielten selbst bei völliger Unverwertbarkeit der sachverständigen Begutachtung verfassungsgerichtlicher Kontrolle stand, wenn sich das Vorliegen einer die Trennung von Kind und Vater rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung aus den Entscheidungsgründen auch ohne Einbeziehung der sachverständigen Aussagen hinreichend nachvollziehbar ergäbe. Auch dies ist hier jedoch nicht der Fall (s. bb), cc)).

bb) Die angegriffenen Entscheidungen verfehlen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Gefahrenfeststellung auch deshalb, weil sie zwar auf mögliche Defizite bei der Erziehungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingehen, ohne dass sich daraus aber ergibt, von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie eine Fremdunterbringung legitimieren. Für die Fachgerichte ergibt sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG das Gebot, die dem Kind drohenden Schäden ihrer Art, Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit nach konkret zu benennen und sie vor dem Hintergrund des grundrechtlichen Schutzes vor der Trennung des Kindes von seinen Eltern zu bewerten. Die Fachgerichte werden dem regelmäßig nicht gerecht, wenn sie ihren Blick nur auf die Verhaltensweisen der Eltern lenken, ohne die sich daraus ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder darzulegen (vgl. nur BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14 -, juris, Rn. 24, 26 f.; vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 23, 26 f.; vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 26 f.; vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 31 f.; BVerfGK 19, 295 <301>).

Beide Entscheidungen benennen in ihren sehr knappen Ausführungen lediglich angebliche Defizite in der Lebenssituation, dem Verhalten und den Einstellungen des Beschwerdeführers. Ob und wie sich diese auf das Kind nachteilig ausgewirkt haben oder künftig auswirken könnten, wird nicht erläutert. Indessen wäre im vorliegenden Fall eine besonders sorgfältige Prüfung und Bewertung der Gefahren durch die Fachgerichte geboten gewesen. Denn die Fachgerichte konnten hier nicht auf gesicherte Erkenntnisse aus der Vergangenheit zurückgreifen. Die Tochter hat nie in der Obhut des Beschwerdeführers gelebt, von seinem älteren Sohn lebt er schon lange in sehr großer räumlicher Entfernung und es bestehen keinerlei Hinweise, dass der Sohn seiner Lebensgefährtin in der Obhut des Beschwerdeführers Schaden erlitten hätte. Zudem steigen die Prüfungs- und Darlegungsanforderungen, je weniger deutlich die (mutmaßlichen) Lebens- und Erziehungsbedingungen eines Kindes an die Schwelle heranreichen, ab welcher der Staat im Rahmen seines Wächteramts zu Korrekturen verpflichtet und berechtigt ist. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG erlaubt dem Staat nicht, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen oder seine Vorstellungen von einer geeigneten Kindererziehung an die Stelle der elterlichen Vorstellungen zu setzen. Die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (vgl. BVerfGE 60, 79 <94>; BVerfGK 13, 119 <124>; 16, 517 <529>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 30 f.). Zwar bedarf es danach etwa bei einer unzureichenden Grundversorgung der Kinder keiner ausführlichen Darlegung, dass Kinder derartige Lebensbedingungen nicht ertragen müssen. Stützen die Gerichte eine Trennung des Kindes von den Eltern jedoch - wie hier - auf Erziehungsdefizite und ungünstige Entwicklungsbedingungen, müssen sie besonders sorgfältig prüfen und begründen, weshalb die daraus resultierenden Risiken für die geistige und seelische Entwicklung des Kindes die Grenze des Hinnehmbaren überschreiten. Dies ist hier nicht geschehen.

cc) Eine die Fremdunterbringung verfassungsrechtlich rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls ist auch nicht indirekt durch die in den Entscheidungen und durch die Sachverständige getroffenen Feststellungen belegt. Das Amtsgericht, dem sich das Oberlandesgericht uneingeschränkt angeschlossen hat, stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf vier Annahmen. Der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen; es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindeserziehung (1); es liege eine erhebliche Bindungsintoleranz gegenüber der Kindesmutter vor (2); aus dem ungeklärten Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers ergäben sich hier Kindeswohlgefährdungen (3); die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem sei so problematisch, dass er derzeit kein Vorbild für das Kind darstellen könne (4). Keine dieser Annahmen bildet eine tragfähige Grundlage für die Feststellung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung.

(1) Dies gilt zunächst für die Annahme, der Beschwerdeführer könne derzeit das körperliche, geistige und seelische Wohl der Tochter nicht sicherstellen, es fehle ihm (noch) an Kernkompetenzen bei der Kindererziehung; er sei nicht ausreichend in der Lage, im Kontakt mit der Tochter auf deren Bedürfnisse einzugehen.

(a) Insbesondere trägt die Annahme der Fachgerichte nicht, der Beschwerdeführer sei nicht ausreichend in der Lage, im Kontakt mit der Tochter auf deren Bedürfnisse einzugehen.

(aa) Ein solches Defizit des Beschwerdeführers lässt sich den Schilderungen seines Verhaltens während der Umgangskontakte nicht mit hinreichender Gewissheit entnehmen. Die Fachgerichte stützen sich insoweit im Anschluss an das Gutachten auf die erfolglosen Versuche des Beschwerdeführers, das Kind während der Umgangskontakte zu beruhigen. Er könne die emotionalen Bedürfnisse des Kindes nicht angemessen wahrnehmen und ihm fehle die Fähigkeit, feine Signale des Kindes zu erkennen. Er verkenne die physischen Defizite und auch die Entwicklungsfortschritte des Kindes und reagiere nicht adäquat darauf.

Aus den Umgangskontakten werden jedoch nur Schwierigkeiten beschrieben, die sich ohne Weiteres mit der durch die Fremdunterbringung verursachten Unerfahrenheit des Beschwerdeführers erklären lassen. Dies gilt für die von der Sachverständigen beobachtete - und als Ausdruck mangelnder Wahrnehmung der kindlichen Bedürfnisse bewertete - Situation, dass der Beschwerdeführer das Baby gewickelt habe, obwohl die Pflegemutter erkannt hatte, dass das nicht nötig war. Auch belegt es nicht notwendig eine mangelnde Feinfühligkeit, wenn es dem Beschwerdeführer in den von mehreren Menschen (Jugendamt, Umgangsbegleiter, Pflegemutter, Sachverständige) begleiteten Umgangskontakten nicht gelingt, seine Tochter zu beruhigen, die durch die Gestaltung der Umgangskontakte nach fachlicher Einschätzung des Umgangsbegleiters überfordert ist und sich hauptsächlich an der ihr vertrauten Pflegemutter orientiert.

Es finden sich auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer körperliche Einschränkungen der Tochter verkennt. Die einzigen gesundheitlichen Probleme, die benannt werden, sind leichte Krampfanfälle, die unmittelbar nach der Geburt aufgetreten waren und durch die Gabe von Kalzium behoben wurden. Außerdem stellte die Kinderärztin ‚leichte Anspannung im Körper, d.h. einen erhöhten Muskeltonus' des Babys fest, weshalb die Pflegemutter täglich krankengymnastische Übungen durchführt. Nach Auskunft des Jugendamts und den Beobachtungen der Sachverständigen hat sich der Beschwerdeführer für diese krankengymnastische Therapie interessiert.

Im Übrigen äußert keine der beteiligten Fachkräfte Zweifel an der Zuneigung und Zuwendung des Beschwerdeführers zum Kind; übereinstimmend wird der Beschwerdeführer als sehr bemüht um die Tochter und ihr sehr zugetan beschrieben. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts und der Umgangsbegleiter schilderten gegenüber der Sachverständigen und in der mündlichen Verhandlung außerdem, dass der Beschwerdeführer Ratschläge annehme und sein Umgang mit dem Kind sich verbessert habe.

(bb) Dessen ungeachtet führte ein geringes Maß an elterlicher Feinfühligkeit ohnehin nicht ohne Weiteres zu einer nachhaltigen, die Trennung rechtfertigenden Gefährdung des Kindeswohls (vgl. BVerfGK 16, 517 <528 f.>). Hinweise dafür, dass die beschriebenen Verhaltensweisen die Beziehung oder den Kontakt zwischen der Tochter und dem Beschwerdeführer nachhaltig beeinträchtigt haben, finden sich nicht. Die nicht näher begründete Aussage der Sachverständigen, weil der Beschwerdeführer die ‚feinen Bedürfnisse des Säuglings' nicht erkenne, sei mit Einschränkungen der kindlichen Entwicklung und mit Defiziten im Vater-Kind-Verhältnis zu rechnen, ‚die vorwiegend in der Selbstwirksamkeitserwartung, der mangelnden Bedürfnisbefriedigung und dem erwartungsgemäßen Resultat des daraus gebildeten defizitären Selbstwerts begründet sind', bleibt weit hinter dem zurück, was hier im verfassungsrechtlichen Sinne eine mit ziemlicher Sicherheit vorhersehbare erhebliche Schädigung des Kindes begründen könnte.

(b) Als nicht tragfähig erweist sich auch die Annahme des Oberlandesgerichts, der Beschwerdeführer gefährde das körperliche Wohl seiner Tochter, weil er sie mehrfach geschüttelt habe. Zwar haben die umgangsbegleitenden Mitarbeiterinnen des Jugendamts, der Umgangsbegleiter und die Sachverständige beobachtet, dass der Beschwerdeführer bei einigen Kontakten im Frühjahr 2013 versucht hat, seine damals noch sehr junge Tochter durch stärkeres Schaukeln und Schuckeln auf dem Arm zu beruhigen. Diese Verhaltensweise wird als wenig feinfühlig und ungeeignet beschrieben. Keine der am Umgang beteiligten Fachkräfte hat aber gesundheitliche Schäden befürchtet. Wollten die Gerichte ihre Annahme einer Kindeswohlgefahr auf ernsthaft gesundheitsgefährdendes Verhalten stützen, müssten sie dies konkret benennen. Vage Andeutungen, die wie hier eine Gefährdungssituation assoziativ in den Raum stellen (‚schütteln'), ohne den konkreten Sachverhalt zu beschreiben und auf sein tatsächliches Gefährdungspotenzial hin zu analysieren, genügen demgegenüber nicht.

(2) Auch die Ausführungen zur Bindungsintoleranz gegenüber der Mutter tragen die Fremdunterbringung nicht.

Die Annahme, beim Beschwerdeführer liege eine erhebliche Bindungsintoleranz vor, er wolle das Kind der Mutter vorenthalten, findet weder in den Entscheidungen noch ansonsten eine hinreichende Grundlage. Der Beschwerdeführer hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zu den Perspektiven für ein gemeinsames Leben mit der Tochter geäußert und auf die Nachfrage, wer die Mutterrolle einnehmen solle, geantwortet, dies solle seine aktuelle Lebensgefährtin sein. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass der Beschwerdeführer die Mutter aus dem Leben der Tochter ausschließen will. Denn nicht nur der Beschwerdeführer, sondern auch die Sachverständige und die Gerichte gehen davon aus, dass die psychisch schwer erkrankte, alkoholabhängige und labile Mutter auch bei diesem, ihrem fünften Kind voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die Mutterrolle auszufüllen. Weitere Belege für die unterstellte Bindungsintoleranz finden sich nicht. In der Begutachtung hatte der Beschwerdeführer angegeben, er befürchte, die Mutter könne einen negativen Einfluss haben, er wolle aber trotzdem Umgangskontakte ermöglichen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer sich um die mittel- und hilflose Mutter nicht nur während der Schwangerschaft, sondern auch später gekümmert hat.

Dessen ungeachtet begründete selbst eine negativ-manipulative Beeinflussung der Kinder gegen den anderen Elternteil, die zum völligen Kontaktabbruch führte, nicht ohne Weiteres eine die Fremdunterbringung rechtfertigende Kindeswohlgefahr. Eine Fremdunterbringung könnte nur dann auf eine fehlende Bindungstoleranz gestützt werden, wenn deshalb besonders gravierende Entwicklungseinbußen eingetreten oder zu erwarten wären, die die nachteiligen Folgen einer Trennung des Kindes von beiden Eltern überwögen (vgl. BVerfGK 19, 295 <303>; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. September 2014 - 1 BvR 2108/14 - (noch nicht veröffentlicht); vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, FamRZ 2012, S. 99 <102 f.>). Dass die kritische Haltung des Beschwerdeführers gegenüber den erzieherischen Möglichkeiten der Mutter hier solche Folgen haben könnte, ist nicht ersichtlich.

(3) Auch der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers begründet keine die Trennung rechtfertigende Kindeswohlgefahr. Das Amtsgericht, dem sich das Oberlandesgericht vollumfänglich angeschlossen hat, leitet aus der (mutmaßlich) ungeklärten Aufenthaltssituation eine Gefahr für das Kindeswohl ab. Es sei unklar, ob der Beschwerdeführer im gesamten Bundesgebiet wohnen und ob er arbeiten dürfe, was zu einer ungewissen Situation führe, derentwegen der Beschwerdeführer seiner Tochter keine festen Strukturen im Alltagsleben gewährleisten könne. Der Aufenthaltsstatus ist jedoch für sich genommen ohne Bedeutung für die Frage der Erziehungsfähigkeit (vgl. BVerfGK 14, 347 <353 f.>). Es erschließt sich auch nicht, weshalb die durch eine asylrechtlich begründete Residenzpflicht entstehende Sesshaftigkeit oder die durch ein aufenthaltsrechtlich bedingtes Arbeitshindernis entstehende ganztägige Verfügbarkeit Eltern daran hindern sollten, feste Strukturen im Alltagsleben mit Kleinkindern zu schaffen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer bei Wiedererlangung des Sorgerechts für seine deutsche Tochter grundsätzlich einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG hat. Die genannten Einschränkungen würden also bei einer für den Beschwerdeführer positiven Entscheidung der Familiengerichte voraussichtlich entfallen.

(4) Schlechterdings nicht nachvollziehbar ist, inwiefern das Amtsgericht eine die Trennung von Kind und Eltern legitimierende Gefahr für das Wohl des zum damaligen Zeitpunkt sieben Monate alten Babys darin sehen konnte, dass der Beschwerdeführer seinem Kind hinsichtlich der ‚Einstellung zum deutschen Rechte- und Wertesystem' nach den Feststellungen der Sachverständigen ‚sicher kein Vorbild' sein könne.

Dass die Einstellung des Beschwerdeführers zum deutschen Rechts- und Wertesystem ‚derart problematisch' sei, stützt das Amtsgericht zum einen darauf, dass der Beschwerdeführer ‚nicht einmal einzusehen [scheine], dass sein Aufenthalt in Deutschland bis vor kurzem noch illegal war'. Die in Bezug genommene Feststellung im Sachverständigengutachten lautet: ‚Das Verhalten [des Beschwerdeführers], die hiesigen Gesetze, zum Beispiel das Asylantengesetz zu unterlaufen, lassen deutlich werden, dass er kein Vorbild im rechtsstaatlichen Sinne für [die Tochter] darstellt.' Abgesehen davon, dass der Sachverständigen insoweit augenscheinlich das erforderliche juristische Fachwissen fehlt und die Gerichte die näheren Umstände der Einreise und ihre aufenthaltsrechtliche Bewertung gar nicht geklärt haben, ist nicht erkennbar, welche Bedeutung die Umstände der Einreise des Beschwerdeführers in das Bundesgebiet und seine Äußerungen zu diesem Thema im familiengerichtlichen Verfahren für die Frage der Erziehungseignung haben sollten.

Zum anderen bemängelt das Amtsgericht, der Beschwerdeführer ziehe afrikanische Erziehungsmethoden den europäischen Standards vor und distanziere sich nicht von der selbst erlebten, teilweise gewalttätigen Erziehung. Es lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, auf welche Verhaltensweisen oder Äußerungen die Sachverständige ihre - der Einschätzung des Amtsgerichts zugrunde liegende - Aussage stützt, dass der Beschwerdeführer eine autoritäre und gewaltsame Erziehung befürworte. Den im Sachverständigengutachten dokumentierten Aussagen des Beschwerdeführers lässt sich nicht entnehmen, dass er Gewalt als Mittel der Erziehung befürwortet. Befragt zu seiner eigenen Erziehung hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei ‚autoritär' erzogen worden, seine Eltern hätten ‚auch Gewalt eingesetzt', die er aber nie als willkürlich empfunden habe. Sein älterer Sohn werde nun in G. von seinen eigenen Eltern großgezogen, dafür sei er ihnen dankbar. Die Sachverständige klärte die genauen Erziehungsmethoden der Eltern des Beschwerdeführers und seine Haltung dazu nicht weiter auf. Auf Nachfrage, wie er denn später seine Tochter erziehen wolle, erklärte der Beschwerdeführer, ihm sei daran gelegen, ihr ebenfalls ‚Respekt und Achtung' zu vermitteln. Im Gegensatz zu der deutschen Gesellschaft seien ihm diese Werte sehr wichtig. Auf erneute Nachfrage der Sachverständigen, wie er reagieren werde, wenn seine Tochter sich seinen Forderungen nach entsprechenden Verhaltensweisen widersetzen sollte, erklärte er, dass er dann warten wolle, bis sie die Konsequenzen aus ihrem negativen Verhalten ziehen würde und dann zu ihm zurückkehre, in dem Sinne, dass sie dann dem Vater sagen könne, dass er ja recht gehabt habe. Von der Sachverständigen um ein Beispiel gebeten, teilte er mit, dass er so vorgehen wolle, wenn die Tochter zum Beispiel rauchen würde. Es ist nicht nachvollziehbar, wie die Sachverständige auf dieser Grundlage zu dem Schluss kommt, der Beschwerdeführer habe ‚Traumatisierungen durch Gewalt in der Kindheit benannt, die er nicht als solche verstanden habe', aus seiner Sicht seien Respekt und Achtung vor den Eltern ‚nur mittels Einsatzes von Gewalt bzw. Korrektiven zu erreichen'; er sei ‚auf das Erziehungsmodell seiner Eltern konditioniert'; das kindliche Recht auf körperliche Unversehrtheit ‚widerspreche zumindest der erlebten, eigenen Erziehung/Prägung und den Bindungsmustern' des Beschwerdeführers; ‚physische Übergriffe und Gewaltanwendungen [seien] für ihn moralisch vertretbar und [deckten] sich mit den religiösen Sichtweisen'. Der von der Sachverständigen hergestellte religiöse Zusammenhang dürfte insbesondere darin bestehen, dass der Beschwerdeführer, zu seinem Freizeitverhalten befragt, angegeben hat, vor allem in der Bibel zu lesen.

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den Verstößen gegen das Elterngrundrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers getroffen hätten. ..." (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2014 - 1 BvR 1178/14)

***

„...I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Entziehung der elterlichen Sorge für sein Kind und Anordnung von Vormundschaft.

1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines 2005 geborenen Sohnes. Er und die Mutter des Kindes waren gemeinsam sorgeberechtigt. Seit August 2012 leben die Eltern getrennt. Seither erheben beide Elternteile gegenseitige Vorwürfe, dass das Kind in der Obhut des jeweils anderen Elternteils von diesem seelisch und körperlich misshandelt werde.

Nachdem der Beschwerdeführer und die Mutter zunächst jeweils Anträge auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gestellt hatten, leitete das Amtsgericht nach weiteren Misshandlungsvorwürfen im Februar 2013 von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB ein. Das Amtsgericht bestellte einen Verfahrensbeistand und ordnete die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern an. Im März 2013 legte die Sachverständige ihr Gutachten vor. Danach verfügen beide Eltern nur über eine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit. Die Mutter habe keinen emotional unbefangenen Zugang zum Kind. Der Beschwerdeführer wiederum fokussiere sich ausschließlich auf das Fehlverhalten der Mutter und sei überzeugt davon, dass die Mutter das Kind gefährde. Dabei setze die Mutter des Beschwerdeführers - also die Großmutter väterlicherseits - den Beschwerdeführer massiv unter Druck und beeinflusse ihn. Das Kind sei massiv in den Familienkonflikt zwischen den Eltern eingespannt, habe dadurch bereits Anpassungsschwierigkeiten in der Schule und warte mit ersten Suizidgedanken auf. Der anhaltende Elternkonflikt führe bei dem Sohn zu einem stressreichen emotionalen Ausnahmezustand. So zeige er Loyalitätskonflikte, aggressive Verhaltensweisen, Schwierigkeiten in der Beziehungsgestaltung zu Gleichaltrigen (z.B. Hauen und sexuelle Bemerkungen), geringes Selbstwirksamkeitserleben und internalisierende Verhaltensprobleme (z.B. Rückzug). Er habe sich der sehr abfälligen Sichtweise des Beschwerdeführers und der Großmutter gegenüber der Mutter angeschlossen. Die Ablehnung, die das Kind entwickelt habe, sei jedoch nicht erlebnisbasiert, sondern suggestiv beeinflusst durch den Beschwerdeführer. Insbesondere ließen sich die geschilderten Gewalterfahrungen durch die Mutter nicht nachvollziehen. Die Anpassung an eine nicht mit dem kindlichen Erleben in Einklang stehende Situation, welche zu einer Überdistanzierung von der Mutter bei gleicher Überidentifikation mit dem Beschwerdeführer führe, stelle eine Kindeswohlgefährdung dar. In Anbetracht der Konfliktlage des Kindes würde die dauerhafte Verlagerung des Lebensmittelpunktes zu einem Elternteil zwangsläufig zu dem Verlust des anderen Elternteils führen. Gegenwärtig sei daher eine Fremdunterbringung zu befürworten, da diese das Kind stabilisieren und ihm die Möglichkeit geben würde, eine gesunde und emotional stabile Beziehung zu beiden Elternteilen zu entwickeln, welche der Realität entspreche. Der Verfahrensbeistand und das Jugendamt gaben ebenfalls schriftliche Stellungnahmen ab, welche sich im Wesentlichen mit den Einschätzungen der Sachverständigen deckten. Der Beschwerdeführer machte deutlich, dass nötigenfalls - sollte es zu einer Sorgerechtsentziehung kommen - auch die Großmutter väterlicherseits als Vormund zur Verfügung stehe.

2. Nach Anhörung des Kindes, der Sachverständigen und aller übrigen Beteiligten entzog das Amtsgericht mit nicht angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2013 beiden Eltern die elterliche Sorge für das Kind und ordnete Vormundschaft an. Zur Begründung seiner auf § 1666 BGB gestützten Entscheidung bezog sich das Amtsgericht im Wesentlichen auf das Gutachten der Sachverständigen. Es liege eine erhebliche Kindeswohlgefährdung vor, welche nur durch eine Fremdunterbringung abgewendet werden könne. Der Sohn wurde sodann vom Jugendamt in Obhut genommen. Mit späterem Beschluss bestellte das Amtsgericht durch den Rechtspfleger den A. e.V. zum Vormund. Seit Mitte Mai lebt das Kind in einer betreuten Wohngruppe. Gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 2. Mai 2013 legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein.

Das Kammergericht ordnete die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens an, insbesondere zu den Auswirkungen der Heimunterbringung und zu einer Folgenabwägung zwischen einer Heimunterbringung einerseits und dem dauerhaften Aufenthalt bei einem Elternteil andererseits. Im April 2014 legte die Sachverständige ihr Ergänzungsgutachten vor. Die Sachverständige gelangte zu dem Ergebnis, dass gegenwärtig nur eine Heimunterbringung in Betracht komme, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Die Beeinflussung des Kindes durch den Beschwerdeführer sei eine ‚psychische Kindesmisshandlung', da der Junge mittlerweile gegen seine eigenen Bedürfnisse agieren müsse. Gegenwärtig würde die Heimunterbringung als die weniger schädliche Lebensalternative angesehen. Eine von dem Sohn zwischenzeitlich begonnene Psychotherapie sei bei einem Verbleib in der Herkunftsfamilie nicht zielführend, da diese Situation ihn beschädige. Sein Verhalten gegenüber der Mutter sei nicht ablehnend, sondern ambivalent. Auf seine Mutter angesprochen, habe er geäußert, jetzt verstehe er sich mit ihr. Der Verfahrensbeistand, das Jugendamt, die Pflegeeinrichtung und die Umgangsbegleiter gaben ebenfalls schriftliche Stellungnahmen ab, aus denen eine innere Zerrissenheit des Kindes im Konflikt zwischen Beschwerdeführer und Mutter in vielen Situationen hervorgeht.

3. Nach Anhörung des Kindes, der Sachverständigen und aller übrigen Beteiligten wies das Kammergericht mit angegriffenem Beschluss vom 30. Juni 2014 die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Kammergericht stellte ergänzend und vertiefend zur amtsgerichtlichen Entscheidung und unter Bezugnahme auf das Ergänzungsgutachten sowie die weiteren Stellungnahmen und Anhörungen der Beteiligten klar, dass der massive Elternkonflikt zu einer erheblichen Kindeswohlgefährdung führe. Das Kind habe für den Beschwerdeführer Partei ergriffen. Dieser wiederum erkenne nicht, dass sich sein Sohn mit der väterlichen Sichtweise identifiziere und - um dem Beschwerdeführer zu gefallen - auch die Unwahrheit über vermeintliche Übergriffe der Mutter bei Umgängen erzähle. So sei die im Rahmen der gerichtlichen Anhörung aufgestellte Behauptung des Sohnes, die Mutter habe ihn beim letzten Umgang beschimpft und angespuckt, nachweislich unwahr, da keine der am Umgang sonst beteiligten Personen derartiges berichtet habe. Der Beschwerdeführer übernehme diese Äußerungen unreflektiert und meine, sich sodann schützend vor seinen Sohn stellen zu müssen. Dieses Verhalten sei für eine realitätsbezogene Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ungeeignet und führe zu einer erheblichen Kindeswohlgefährdung. Indem der Sohn als Ausdruck uneingeschränkter Loyalität gegenüber dem Beschwerdeführer die Mutter ablehne, obwohl er durchaus Bindungen an sie habe, schädige ihn dies in seiner Persönlichkeit. Bereits jetzt habe dies Auswirkungen auf den Bereich der Motivation und Selbstwirksamkeit des Kindes und führe zu den im Gutachten geschilderten Verhaltensauffälligkeiten. Eine sofortige Rückführung in die Herkunftsfamilie komme nicht in Betracht, da der Sohn gezwungen wäre, sich im Elternkonflikt erneut zu positionieren. Eine zwischenzeitlich begonnene Psychotherapie, bei der er reflektieren könne, ob die Mutter für den Streit und die Trennung die Verantwortung trage, könne nur gelingen, wenn er nicht beim Beschwerdeführer lebe. Die Unterbringung des Sohnes und die Entziehung der elterlichen Sorge des Beschwerdeführers, welche nicht dauerhaft sein solle, sondern das Ziel der Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt habe und auch Umgänge ermöglichen solle, sei für das Kind die weniger schädliche Alternative. Eine andere Maßnahme komme nicht in Betracht, um die Kindeswohlgefahr abzuwenden. Die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter, welche im Gegensatz zum Beschwerdeführer den Verbleib des Sohnes in der Einrichtung akzeptiere, scheide aus, da der Sohn die Mutter gegenwärtig ablehne und eine Sorgeübertragung auf die Mutter ihn in einen noch größeren unlösbaren Konflikt mit der Haltung zum Beschwerdeführer bringen würde. Ob die Großmutter väterlicherseits als Vormund in Betracht komme, sei nicht zu prüfen gewesen, da die Auswahl des Vormundes durch ein gesondertes Verfahren des Rechtspflegers erfolgt sei und damit außerhalb des Verfahrens- und Beschwerdegegenstandes liege.

4. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG sowie einen Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Weiterhin beantragt er Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren. Er meint, die besonderen Voraussetzungen für eine Sorgerechtsentziehung würden nicht vorliegen. Das Kammergericht habe außer Acht gelassen, dass die Mutter den Sohn körperlich und seelisch misshandelt habe. Es könne dem Beschwerdeführer nicht angelastet werden, dass sich dieser nur schützend vor seinen Sohn habe stellen wollen. Das Kind habe sich unmissverständlich für einen Verbleib bei dem Beschwerdeführer entschieden. Das Kammergericht habe sich nicht mit den besonders gravierenden Folgen einer Fremdunterbringung beschäftigt. Die Erforderlichkeit der angeordneten Maßnahme habe das Kammergericht nicht sorgfältig überprüft. So sei vor dem Sorgerechtsentzug eine Verhaltenstherapie für das Kind geplant gewesen, welche als mildere Maßnahme in Betracht gekommen wäre. Schließlich habe das Kammergericht nicht gewürdigt, dass auch die Großmutter väterlicherseits als mildere Maßnahme zum Vormund hätte bestellt werden können.

II. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG.

1. Die Entscheidung betrifft das Elternrecht des Beschwerdeführers. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung der Kinder von ihren Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Kontrolle. Sie ist nach Art. 6 Abs. 3 GG allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen, und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. dazu zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 18 ff. m.w.N.).

2. Die angegriffene Entscheidung des Kammergerichts hält die Entziehung wesentlicher Bestandteile des Sorgerechts durch das Amtsgericht aufrecht und greift darum mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht des Beschwerdeführers ein. Der Eingriff ist aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da er den vorgenannten Anforderungen gerecht wird.

a) Nach umfassender und sorgfältiger Ermittlung des Sachverhalts, unter anderem durch Einholung von zwei ohne Weiteres nachvollziehbaren, mündlich ergänzend erläuterten Gutachten, Einholung diverser Stellungnahmen des Verfahrensbeistands, des Jugendamtes, der Heimeinrichtung und durch persönliche Anhörung aller Beteiligten, haben die Fachgerichte ohne Verfassungsverstoß angenommen, dass der permanente Elternkonflikt das Kindeswohl in so hohem Maße und mit so hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet, dass dies eine Fremdunterbringung rechtfertigt. Zwar reicht die Beeinflussung des Kindes durch einen Elternteil und die dadurch bei dem Kind hervorgerufene Verweigerungshaltung gegenüber dem anderen Elternteil für sich genommen regelmäßig nicht aus, um eine Unterbringung des Kindes bei Dritten zu veranlassen. Wegen des Fehlverhaltens eines Elternteils würde das Kind ansonsten praktisch beide verlieren (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1666 Rn. 147; Salgo, in: Festschrift für Dieter Schwab, 2005, S. 891 <906>). Die Gutachten der Sachverständigen, auf welche die Fachgerichte Bezug genommen haben, legen allerdings dar, dass der massive Elternkonflikt hier bereits zu erheblichen Schädigungen und im Einzelnen benannten Verhaltensauffälligkeiten bis hin zu Suizidgedanken bei dem Kind geführt hat. Dieser Befund gibt Anlass zu einer Sorgerechtsmaßnahme nach § 1666 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, juris, Rn. 26) und vermag einen Eingriff in das elterliche Erziehungsgrundrecht auch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Die Gerichte haben schlüssig und plausibel unter konkretem Rückgriff auf die Gutachten ausgeführt, dass sich das Kind in einem emotionalen Ausnahmezustand befindet, weil es permanent gegen sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse ankämpfen muss, da es den Beschwerdeführer aus Loyalität in dessen negativen Sichtweise gegenüber der Mutter bestätigten möchte und der Beschwerdeführer eine nicht realitätsbezogene Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zusätzlich fördert. Die Beobachtungen, welche die Sachverständige zur Interaktion zwischen dem Kind und dem Beschwerdeführer und der Mutter gemacht hat, werden von zahlreichen weiteren Stellen, die im direkten Kontakt mit dem Kind und seinen Eltern stehen, bestätigt (Verfahrenspfleger, Jugendamt, Heimeinrichtung, Umgangsbegleitung). Auch mit diesen Stellungnahmen setzen sich die Gerichte im Einzelnen auseinander. Den Einwand des Beschwerdeführers, die Mutter habe ihren Sohn misshandelt, so dass sich der Beschwerdeführer bloß schützend vor das Kind habe stellen wollen, haben die Fachgerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Fachgerichte haben unter Auswertung der Gutachten und sonstigen Stellungnahmen sorgfältig erörtert und aufgezeigt, dass der Sohn durchaus Bindungen zu seiner Mutter verspürt und Wünsche nach Wiedervereinigung der Eltern äußert, so dass das permanente und schädliche Ankämpfen des Kindes gegen seine eigenen Gefühle, wenn es dem Beschwerdeführer seine Loyalität durch Ablehnung der Mutter bekundet, deutlich zum Ausdruck kommt. Dass eine Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie zu weiteren erheblichen Schädigungen führen würde, ist nicht zuletzt auch angesichts des zur Akte gereichten kinderpsychiatrischen Befundberichts vom Oktober 2013 einleuchtend und hinreichend wahrscheinlich, wonach das Kind bereits jetzt an einer erheblichen Störung des Sozialverhaltens mit Anteilen einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Als Ursache dafür sieht die Sachverständige die familiäre Situation und das hochgradig konfliktbehaftete Elternverhältnis an, mit dem der Sohn bei einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie derzeit zwangsläufig wieder in Berührung kommen würde.

b) Die angegriffene Entscheidung genügt auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

aa) Die Sorgerechtsentziehung ist zur Erreichung des verfassungsrechtlich legitimen Zwecks, eine nachhaltige Gefährdung des Kindes in seinem körperlichen, geistigen und seelischen Wohl abzuwenden, geeignet.

(1) Geeignet ist eine Sorgerechtsentziehung, wenn sie die konkrete Gefahr, welche dem Kind bei einem Verbleib in der Familie droht, beseitigt oder abmildert. An der Geeignetheit fehlt es allerdings, wenn die Sorgerechtsentziehung und die dadurch vorbereitete Trennung des Kindes von den Eltern mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergehen, welche durch die Beseitigung der festgestellten Gefahr nicht aufgewogen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Folgen der Fremdunterbringung für das Kind nicht gravierender sein dürfen als die Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 38).

(2) Hier haben die Fachgerichte schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die nachhaltige Kindeswohlgefahr durch eine Heimunterbringung abgewendet werden kann, da das Kind unter Einbindung in eine Therapie die Gelegenheit erhält, zu einer realitätsbezogenen Wahrnehmung seiner Beziehung zum Beschwerdeführer und zu seiner Mutter zurückzukehren, ohne permanenter Beeinflussung durch den Beschwerdeführer ausgesetzt zu sein, welche bislang zu einem Ankämpfen gegen die eigene Erlebnis- und Gefühlswelt geführt und bereits Schädigungen und Verhaltensauffälligkeiten hervorgerufen hat.

(3) Auch hat sich die angegriffene Entscheidung mit den Folgen der Fremdunterbringung befasst und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise unter Auseinandersetzung mit den Gutachten dargelegt, dass die Heimunterbringung bei einem Vergleich mit den Folgen eines Verbleibs in der Herkunftsfamilie die weniger schädliche Alternative für das Kind ist. Zudem hat der Sohn in der gerichtlichen Anhörung selbst geäußert, noch länger in der Einrichtung bleiben zu wollen, um nachzudenken. Seine positive Einstellung gegenüber dem derzeitigen Aufenthalt spiegelt sich auch in einer Äußerung gegenüber dem Verfahrensbeistand wider, wonach er in der Einrichtung noch Zeit bis Weihnachten verbringen möchte. Vor Gericht hat er angegeben, sich in der Einrichtung wohlzufühlen. Zwar können die nachteiligen Folgen einer Fremdunterbringung (plötzliche Herausnahme aus einer gewohnten Umgebung, Verlust der Bezugsperson) durchaus gravierend sein. Im vorliegenden Fall kann jedoch in Anbetracht der durchaus differenzierten Äußerungen des Kindes davon ausgegangen werden, dass der Nutzen einer nicht auf Dauer angelegten und mit dem Ziel der Kindesrückführung verbundenen Herausnahme aus der Familie überwiegt und letztlich die Gesamtsituation des Kindes verbessert wird.

bb) Die Maßnahme ist auch erforderlich.

(1) Eine Maßnahme ist nur dann erforderlich, wenn aus den zur Erreichung des Zwecks gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also das die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird. Der Staat muss daher, bevor er Kinder von ihren Eltern trennt, nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 3190/13 -, juris, Rn. 35). Dabei ist auch zu beachten, dass ein Eingriff in das Elternrecht regelmäßig durch eine Unterbringung des Kindes bei Verwandten abgemildert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2012 - 1 BvR 206/12 -, juris, Rn. 28).

(2) Hier hat sich das Gericht mit alternativen Maßnahmen ausführlich auseinandergesetzt und unter Bezugnahme auf die Sachverständigengutachten nachvollziehbar ausgeführt, dass die notwendige Psychotherapie des Sohnes bei Fortsetzung einer ihn beschädigenden Situation in der Familie des Beschwerdeführers nicht gelingen würde, da die Eltern mit dem Konflikt überfordert wären und sich das Kind erneut entgegen seiner eigenen Gefühls- und Erlebniswelt einzig und allein auf Seiten des Beschwerdeführers positionieren würde mit der Konsequenz einer erneuten Überidentifikation mit diesem bei gleichzeitiger Überdistanzierung von der Mutter. Weniger einschneidende Maßnahmen als die Fremdunterbringung, welche gleich geeignet sind, stehen nicht zur Verfügung. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das gesamte Sorgerecht entzogen wurde, nachdem der Beschwerdeführer ausweislich der Feststellungen der angegriffenen Entscheidung sein Verhalten nicht reflektiert und bei sich selbst keine Ursache für das Problem des Sohnes erkennt. Der Beschwerdeführer lehnt die Unterbringung seines Sohnes in der Einrichtung ab und verlangt dessen sofortige Rückkehr, so dass für die erforderliche Kooperation mit dem Jugendamt und Vormund im Falle des Verbleibs einzelner Sorgerechtsbefugnisse beim Beschwerdeführer keine hinreichende Grundlage gegeben wäre. Auch die Erwägungen des Kammergerichts, wonach eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter, welche mit einem Verbleib des Sohnes in der Einrichtung einverstanden ist, nicht in Betracht kommt, da dieser die Mutter gegenwärtig ablehnt, sind von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

(3) Schließlich dringt der Beschwerdeführer auch nicht mit dem Einwand durch, das Kammergericht habe nicht erwogen, als milderes Mittel die Großmutter als Vormund zu bestellen. Die Großmutter kann nach den übereinstimmenden Schilderungen von Verfahrensbeistand und Gutachterin nicht zur Stabilisierung der Lage beitragen, da sie ihrerseits den Beschwerdeführer beeinflusst und ihn in seinem Konflikt mit der Mutter bestärkt. Außerdem wohnen der Beschwerdeführer und die Großmutter unter derselben Anschrift. Die Großmutter lebt offenbar auch in derselben Wohnung, jedenfalls geht sie - wie sich aus den Ausführungen des Sachverständigengutachtens ergibt - in der Wohnung des Beschwerdeführers ein und aus. Die gebotene räumliche Trennung zwischen Kind und Beschwerdeführer ließe sich auf diese Weise nicht sicherstellen.

cc) Die Maßnahme der Sorgerechtsentziehung ist angemessen. Die Trennung des Kindes von seinen Eltern steht zur Abwendung der Kindeswohlgefahr nicht außer Verhältnis.

dd) Ob es in der vorliegenden Konstellation mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer Sorgerechtsentziehung vereinbar ist, dass der Familienrichter des Amtsgerichts mit der Sorgerechtsentziehung nicht zugleich selbst nach § 6 RPflG über die Person des Vormundes entschieden hat, bedarf hier keiner Entscheidung. Dies ist allerdings nicht frei von Zweifeln (vgl. Schneider/Faber, FuR 2012, S. 580 <581>; Harm/Mix/Opitz/Pütz/Rotax/Rütting, FamRZ 2012, S. 1849 <1853>), weil sowohl die Eignung als auch die Erforderlichkeit der Sorgerechtsentziehung sowie der Anordnung von Vormundschaft von der konkreten Vormundauswahl abhängen können. So sind Fallgestaltungen denkbar, in denen eine Sorgerechtsentziehung nur zum Zweck der Übertragung auf einen verwandten Vormund, nicht aber zwecks Übertragung auf einen außenstehenden Vormund eine geeignete Maßnahme darstellt, weil nur die Vormundschaft eines Verwandten die Nachteile der Trennung von den Eltern kompensieren könnte. Auch hängt die Erforderlichkeit der Auswahl eines außenstehenden Vormunds, wie gesehen, insbesondere davon ab, dass die Unterbringung des Kindes bei Verwandten nicht in Betracht kommt. Wenn die Bestimmung des Vormunds aber nicht bereits mit der Sorgerechtsentziehung erfolgt, lassen sich deren Geeignetheit und Erforderlichkeit insoweit nicht beurteilen. Die Vormundauswahl ist unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit integraler Bestandteil der Sorgerechtsentscheidung, von der abhängen kann, ob diese überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist.

Indessen liegt hier schon deshalb kein Verfassungsverstoß vor, weil zum Zeitpunkt der mit der Verfassungsbeschwerde allein angegriffenen Entscheidung des Kammergerichts der Rechtspfleger längst einen Vormund ausgewählt hatte. Da der Vormund ohne Verstoß gegen das Gebot der Auswahl naher Verwandter bestellt war, konnte das Kammergericht insoweit von der Verhältnismäßigkeit der Sorgerechtsentziehung ausgehen. ..." (BVerfG, Beschluss vom 22.09.2014 - 1 BvR 2108/14)

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„... I. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Aufrechterhaltung des Entzugs der elterlichen Sorge für ihre beiden Kinder im Eilverfahren.

1. a) Aus der mittlerweile geschiedenen Ehe der Eltern sind im März 2006 geborene Zwillinge hervorgegangen. Seit der Trennung der Eltern im Spätsommer 2006 leben beide Kinder bei der Mutter. Die elterliche Sorge und der Umgang waren seither Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren. Dabei gelang es den Eltern bis zuletzt nicht, einen funktionierenden Umgang zu organisieren. Bereits in einem in einem Umgangsverfahren im Frühjahr 2012 eingeholten Sachverständigengutachten wird der Elternkonflikt als hochstrittig bezeichnet. Insbesondere die Beschwerdeführerin weise Beeinträchtigungen in ihrem Verhalten dahingehend auf, dass sie sich weiterhin - unter anderem aufgrund von Gewalterfahrungen in der Beziehung - in einer starken Vorwurfshaltung gegenüber dem Vater befinde und jegliches Verhalten von diesem in einem negativen Licht interpretiere. Beide Elternteile sähen sich als Opfer des anderen an, die hohe Anspannung zwischen ihnen übertrage sich auf die Kinder, die sich bereits in einem Loyalitätskonflikt befänden.

Die Situation spitzte sich im Herbst 2012 zu, nachdem die gemeinsame Tochter berichtet haben soll, der Vater habe ihr absichtlich an der Scheide wehgetan. Fortan stand die Mutter weiteren Umgangskontakten der Kinder mit dem Vater noch ablehnender gegenüber.

b) Das Amtsgericht nahm die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs zum Anlass, von Amts wegen ein Hauptsacheverfahren nach § 1666 BGB zur Regelung der elterlichen Sorge und der Umgangskontakte einzuleiten. Dieses Verfahren wurde mit einem aufgrund von wechselseitig gestellten Anträgen der Eltern auf Zuweisung der Alleinsorge nach § 1671 BGB eingeleiteten Verfahren verbunden. Im April 2013 führte das Amtsgericht eine mündliche Verhandlung mit den Eltern, dem Verfahrensbeistand sowie dem Jugendamt durch, in der auch ein Antrag des Vaters auf Einrichtung einer Umgangspflegschaft zum selbigen Verfahren dazu verbunden wurde. Auch der Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Sorge und Umgang wurde in diesem Termin erörtert. In der wenige Tage später erfolgten Anhörung erklärten beide Kinder, den Vater nicht mehr sehen zu wollen.

Mit Beschluss vom 8. Mai 2013 beauftragte das Gericht im Hauptsacheverfahren einen Sachverständigen, der klären sollte, welche Aufenthalts- und Sorgerechtsregelung sowie welche Umgangsregelung "dem Wohl der betroffenen Kinder am besten dient". Zugleich sollten die Angaben des Mädchens zu etwaigen sexuellen Übergriffen aussagepsychologisch bewertet werden.

c) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 8. Mai 2013 entzog das Amtsgericht beiden Elternteilen vorläufig das Sorgerecht und ordnete eine Vormundschaft durch das Jugendamt an. Gleichzeitig wurde der Umgang beider Kinder mit dem Vater ausgesetzt. Die Entscheidung stützte das Amtsgericht auf § 1671 Abs. 3 BGB (a.F.), §§ 1666, 1666a BGB, § 157 Abs. 3 FamFG und führte zunächst aus, dass eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht komme, die soziale Beziehung und Kommunikation der Eltern sei aufgrund des bis heute unbewältigten, massiven Paarkonflikts seit Jahren nachhaltig gestört. Auch eine Sorgerechtsübertragung nach § 1671 Abs. 2 Ziff. 2 BGB (a.F.) auf einen Elternteil scheide aus, denn es bestünden Verdachtsmomente, die die Erziehungseignung beider Elternteile in Frage stellten. Sollten sich die geschilderten sexuellen Übergriffe auf das Mädchen als wahr herausstellen, wäre dem Vater die Erziehungseignung abzusprechen. Sollten die eigenen Ängste und Vorbehalte der Mutter zu einer verzerrten Realitätswahrnehmung bei beiden Kindern in Bezug auf den Vater führen, wäre insoweit der Mutter eine Erziehungseignung abzusprechen. Vor diesem Hintergrund erscheine es sachgerecht, die Sorgebefugnisse einstweilen beiden Elternteilen zu entziehen und auf das Jugendamt zu übertragen. Dabei befürwortete das Gericht vorläufig einen Verbleib der Kinder in der Obhut der Mutter, denn eine Trennung derselben von ihrer primären Bezugsperson unter Herausnahme aus ihrer bisherigen Bezugswelt sei mit schwerwiegenden Belastungen verbunden, die derzeit nicht gerechtfertigt erschienen.

d) Nach Vorlage des Sachverständigengutachtens im November 2013 wurde Termin auf den 10. Februar 2014 anberaumt. In einem Schreiben vom 4. Februar 2014 äußerte sich der Vormund dahingehend, dass er bei beiden Kindern ausgehend von dem Gutachten und bei Fortbestand der Belastungssituation Entwicklungsstörungen und den Verlust der Kinder-Vater-Bindung befürchte. Eine Umgangspflegschaft sowie die Einrichtung einer ambulanten Erziehungshilfe werde befürwortet, die Einrichtung einer kompletten Vormundschaft werde für nicht angezeigt gehalten, jedenfalls würde die Einrichtung einer Pflegschaft für Aufenthalt, Gesundheit und Schule ausreichen.

Aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2014 ergibt sich, dass eine Endentscheidung aufgrund eines Befangenheitsantrags der Beschwerdeführerin gegen den Sachverständigen nicht erging. Das zunächst ebenfalls in dem Hauptsacheverfahren geführte Umgangsverfahren wurde abgetrennt, dort wurde ebenfalls am 10. Februar 2014 mit dem Einverständnis aller Beteiligter eine Umgangspflegschaft zum Zwecke der Durchführung begleiteter Umgangskontakte eingerichtet.

2. a) Am 11. Februar 2014 stellte die Mutter einen Eilantrag auf Rückübertragung des Sorgerechts, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie der Sorgebereiche Schule und Gesundheit, hilfsweise des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Das Hauptsacheverfahren werde verzögert, bislang sei kein hinreichender Grund für den Entzug des Sorgerechts dargelegt, der Entzug sei unverhältnismäßig, die Kinder seien nachweislich gut entwickelt, sie seien sehr gute, zuverlässige und wissbegierige Schüler und bei ihr bestens versorgt. Eile sei geboten, da im Termin am 10. Februar 2014 sogar die Herausnahme der Kinder angedroht worden sei.

b) Das Amtsgericht wies den Antrag mit angegriffenem Beschluss vom 17. Februar 2014 zunächst ohne mündliche Verhandlung zurück. Der von der Beschwerdeführerin abgelehnte Sachverständige habe sich im Hauptsacheverfahren dahingehend geäußert, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter signifikant eingeschränkt sei; er habe sich im Ergebnis für eine Fortdauer der Vormundschaft ausgesprochen. Eine Abänderung der ergangenen einstweiligen Anordnung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht angezeigt, die familiären Verhältnisse hätten sich nicht zugunsten der Mutter verändert. Die Zweifel an deren Erziehungsfähigkeit seien durch das von ihr angefochtene Gutachten sowie durch deren kompromissloses Verhalten in Bezug auf die Teilnahme der Kinder am Religionsunterricht noch verstärkt worden. Den rechtlichen Streit um die Teilnahme der Kinder an diesem Unterricht habe die Mutter faktisch dadurch gelöst, dass sie für die Kinder in ihrem Haushalt eine unerträgliche Belastungssituation habe entstehen lassen, so dass der Vormund die Kinder schließlich vom Religionsunterricht habe befreien lassen.

Auf Antrag der Beschwerdeführerin fand eine mündliche Verhandlung statt. Aus dem entsprechenden Protokoll ergibt sich, dass das Gericht davon ausging, dass eine Abänderung der Ursprungsentscheidung nur dann erfolgen könne, wenn seit deren Erlass eine wesentliche Änderung der zugrunde liegenden tatsächlichen Umstände eingetreten wäre und wenn ein dringendes Bedürfnis bestehe, noch vor Erlass der Hauptsacheentscheidung eine neue einstweilige Anordnung zu erlassen. Beides sah das Gericht nicht als gegeben an.

c) Mit angegriffenem Beschluss vom 17. März 2014 wurde die Erstentscheidung aufrechterhalten. Es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund dargetan oder glaubhaft gemacht, der eine abändernde einstweilige Anordnung rechtfertigen könne.

d) Gegen den Beschluss legte die Beschwerdeführerin eine als sofortige bezeichnete Beschwerde ein. Es gebe keinen Grund, die Erziehungseignung der Mutter in Frage zu stellen. Die Empfehlungen des Gutachtens gingen dahin, dass die Kinder weiterhin bei ihr selbst leben sollten. Somit ergebe sich aus dem - angegriffenen - Gutachten, dass bei ihr keineswegs eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB vorliege. Die Voraussetzungen zur Entziehung des kompletten Sorgerechts seien nie gegeben gewesen. Solange ihr das komplette Sorgerecht entzogen sei, könne die Inobhutnahme der Kinder jederzeit ohne weitere gerichtliche Prüfung erfolgen, dies sei als "Präventivmaßnahme" nicht verhältnismäßig.

e) Der sofortigen Beschwerde half das Amtsgericht mit angegriffenem Beschluss vom 28. März 2014 nicht ab.

f) Das Oberlandesgericht wies die sofortige Beschwerde mit angegriffenem Beschluss vom 2. Mai 2014 zurück. Jedenfalls im Eilverfahren komme eine Abänderung der Entscheidung nicht in Betracht. Die Kinder lebten durchgängig bei der Mutter, eine Herausnahme der Kinder sei nicht geplant, so dass keine Veranlassung für eine einstweilige Regelung erkennbar sei. Nachdem sich die gegen den Vater erhobenen Vorwürfe ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens als weitgehend nicht nachweisbar erwiesen hätten, im Gegenteil eher Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bei der Mutter gegeben seien, komme - ungeachtet der Tatsache, dass die Frage der Befangenheit noch zu klären sei - eine vorläufige Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter derzeit nicht in Betracht. Die Situation der Kinder bei der Mutter sei unverändert, gleiches gelte für die Bedenken an deren Erziehungsfähigkeit. Die Entscheidung in der Hauptsache steuere nach derzeitiger Betrachtung nicht auf eine Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter zu. Eine Kindeswohlgefährdung durch den angegriffenen Beschluss oder den Beschluss vom 8. Mai 2013 könne auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse nicht gesehen werden.

g) Die gegen die obergerichtliche Entscheidung eingelegte Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung wurde mit nicht angegriffenem Beschluss vom 17. Juni 2014 zurückgewiesen. Es bestehe entgegen der Darstellung der Mutter gerade keine aktuelle Gefahr einer Herausnahme der Kinder, die ohnehin nur im Fall einer Kindeswohlgefährdung bei der Mutter in Betracht käme. Der Vormund habe auf Anfrage erneut klargestellt, dass eine Herausnahme der Kinder nicht geplant sei, vielmehr in Kürze eine Familienhilfe eingerichtet werde.

3. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Elternrechts. Die jetzige Rechtslage stelle sich als "Vorratsbeschluss" dar, welcher es ermögliche, die Kinder jederzeit in Obhut zu nehmen. Da die Kinder nach wie vor bei ihr lebten und dies auch seitens des Gutachtens und vom Jugendamt nicht in Frage gestellt werde, ergebe sich, dass offensichtlich keine Kindeswohlgefährdung bei ihr vorliege.

4. Die Akten des Ausgangsverfahrens, des Hauptsacheverfahrens sowie weiterer Vorverfahren lagen dem Bundesverfassungsgericht vor.

5. Das Bundesverfassungsgericht hat der Regierung von Nordrhein-Westfalen, dem Jugendamt und dem Vater Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

II. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 17. Februar 2014 und 17. März 2014 sowie gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2014 richtet, nimmt die Kammer die insoweit zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG.

1. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich dabei auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>), wobei das Kindeswohl stets die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein muss (vgl. BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.).

Die angegriffenen Entscheidungen halten die in einem vorangegangenen Eilverfahren bereits erfolgte Entziehung des Sorgerechts aufrecht und greifen daher mit hoher Intensität in das Elterngrundrecht der Beschwerdeführerin ein. Dass das Jugendamt als Vormund beide Kinder bislang in ihrem Haushalt belassen hat, ändert daran nichts. Zum einen ist die Beschwerdeführerin bereits durch die Entziehung des gesamten Sorgerechts erheblich belastet, weil sie dies in der Ausübung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG auch dann merklich einschränkt, wenn die Kinder bei ihr leben. Zum anderen hätte das Jugendamt auf der Grundlage des ihm übertragenen Aufenthaltsbestimmungsrechts die Möglichkeit, die Kinder ohne weitere Mitwirkung des Familiengerichts aus ihrem Haushalt zu entfernen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2014 - 1 BvR 2695/13 -, juris, Rn. 24).

Aus diesem Grund findet vorliegend auch Art. 6 Abs. 3 GG als Prüfungsmaßstab Anwendung. Zwar meint Art. 6 Abs. 3 GG mit dem Begriff der "Trennung" des Kindes zunächst die tatsächliche Wegnahme des Kindes aus dem elterlichen Haushalt (vgl. BVerfGE 24, 119 <139>). Allerdings hat die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und Übertragung auf das Jugendamt regelmäßig die tatsächliche Trennung zugunsten eines staatlichen Erziehungseinflusses zum Ziel (vgl. BVerfGE 76, 1 <48>). Auch wenn die Fachgerichte vorliegend eine Trennung der Kinder von der Mutter vorläufig nicht bezweckt haben, kann diese doch, solange das Sorgerecht bei einem Vormund liegt, jederzeit geschehen.

b) Nach Art. 6 Abs. 3 GG dürfen Kinder gegen den Willen der Sorgeberechtigten nur von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat, auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11).

c) Maßnahmen, die eine Trennung des Kindes von seinen Eltern ermöglichen, dürfen zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs müssen sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach richten, was im Interesse der Kinder geboten ist. Der Staat ist daher gehalten, sein Ziel durch helfende, unterstützende und auf (Wieder-)Herstellung eines verantwortlichen Elternverhaltens gerichtete Maßnahmen zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>).

d) Wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern im Falle eines Sorgerechtsentzugs, der eine Trennung des Kindes von ihnen ermöglicht, unterliegt dieser strenger Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Neben der Frage, ob die angegriffenen Entscheidungen Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruhen, bleiben auch einzelne Auslegungsfehler sowie deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts nicht außer Betracht (vgl. BVerfGE 55, 171 <181>; 60, 79 <91>; 75, 201 <221 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, juris, Rn. 8).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht geworden.

a) Das Amtsgericht geht bereits einfachrechtlich von einem fehlerhaften Abänderungsmaßstab aus, womit zugleich die Verkennung des Elternrechts der Beschwerdeführerin verbunden ist. Der Antrag der Mutter auf Rückübertragung der elterlichen Sorge löste im Hinblick auf die bestehende vorläufige Sorgeentscheidung ein Abänderungsverfahren nach § 54 FamFG aus. Die Aufhebung oder Abänderung einer von Amts wegen getroffenen Entscheidung im Eilverfahren setzt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine Veränderung der Sach- oder Rechtslage voraus. Das Gericht ist nicht an seine ursprüngliche Entscheidung gebunden, es hat den Sachverhalt umfassend neu zu würdigen und kann ihn auch abweichend beurteilen (vgl. Stößer, in: Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 54 Rn. 2 f.; Löhnig/Heiß, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 54 Rn. 6; Giers, in: Keidel, FamFG, 18. Aufl. 2014, § 54 Rn. 11; Borth/Grandel, in: Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl. 2013, § 54 Rn. 6; Feskorn, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 54 FamFG Rn. 3 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 28. Mai 1986 - IVb ZB 36/84 -, juris, Rn. 8). Hiernach war es auch nicht an der Beschwerdeführerin, ein dringendes Regelungsbedürfnis für die Rückübertragung des ihr von Amts wegen entzogenen Sorgerechts darzulegen. Schon in dieser - die Chancen der Beschwerdeführerin auf Wiedererlangung des Sorgerechts erheblich reduzierenden - Sichtweise liegt eine Verkennung des Elternrechts der Beschwerdeführerin. Insbesondere hat sich das Amtsgericht, indem es einen fehlerhaften einfachrechtlichen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat, der verfassungsrechtlich gebotenen Prüfung, ob die getroffene Maßnahme (weiterhin) verhältnismäßig war, begeben.

b) Die Ausführungen in den angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts lassen auch sonst nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den vorgenommenen Sorgerechtsentzug erfüllt sind.

aa) Allein aus der Begründung der angegriffenen Beschlüsse ergibt sich nicht, worin das Amtsgericht überhaupt eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung gesehen hat und wie es diese nach Art und Gewicht bewertet hat. In dem Beschluss vom 17. Februar 2014 heißt es hierzu nur, dass sich die zuvor bestehenden Zweifel an der Erziehungsfähigkeit der Mutter durch das angefochtene Gutachten und durch das kompromisslose Verhalten der Mutter in Bezug auf den Religionsunterricht noch verstärkt haben. Wie sich diese Zweifel an der Erziehungsfähigkeit konkret auf das Wohl der Kinder auswirken, hat das Amtsgericht nicht ausgeführt.

bb) Auch der Verweis auf die Ausführungen im Beschluss vom 8. Mai 2013 ergibt insoweit nichts anderes. In dem genannten Beschluss klingt lediglich an, dass eine Gefährdungslage durch das Verhalten der Mutter in Bezug auf den Umgang der Kinder mit dem Vater und die Vermittlung einer verzerrten Realitätswahrnehmung in Bezug auf diesen gegeben sein könnte. Zu Art und Gewicht der aus Sicht des Gerichts für beide Kinder drohenden Gefahren finden sich auch dort keine Ausführungen. Vielmehr ging das Gericht offenbar bis zuletzt davon aus, dass im Haushalt der Mutter gerade keine ein sofortiges Einschreiten rechtfertigende nachhaltige Gefährdungslage vorlag, ansonsten hätte es die Kinder nicht - insoweit mit nachvollziehbaren Erwägungen - im Haushalt der Beschwerdeführerin belassen.

cc) Die vorbeschriebenen Begründungsmängel werden vorliegend auch nicht mit der nur pauschalen Bezugnahme auf das im Hauptsacheverfahren eingeholte und von der Beschwerdeführerin angegriffene Sachverständigengutachten beseitigt. Aus diesem Gutachten ergeben sich zwar deutliche Hinweise darauf, dass aufgrund eines defizitären Bindungsverhaltens der Beschwerdeführerin der Kontakt der Kinder zu ihrem Vater bereits derzeit mit negativen Auswirkungen auf deren Entwicklungsperspektive gefährdet ist und die Mutter die Kinder einem für diese nicht lösbaren Loyalitätskonflikt aussetzt. Dies kann, insbesondere im Zusammenhang mit dem verschärften Elternkonflikt, eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Kindeswohls darstellen, die die Gefährdungsgrenze des § 1666 Abs. 1 BGB erreicht - ohne dass damit freilich zugleich gesagt wäre, dass in derartigen Fällen ohne weiteres gerade ein vollständiger Sorgerechtsentzug - zumal im Eilverfahren - das geeignete Mittel zur Behebung dieser Gefährdungslage wäre (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, 2009, § 1666 Rn. 146 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 -, juris, Rn. 26 ff. unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 -, juris, dort Rn. 19 ff. sowie auf BGH, Beschluss vom 12. März 1986 - IVb ZB 87/85 -, juris, dort Rn.16 ff.).

Dass der Sachverständige einen Verbleib der Kinder im Haushalt der Mutter empfohlen hat und auch festgestellt hat, dass eine Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt eine Belastung der Kinder darstellte, für welche aktuell keine zwingende Notwendigkeit etwa in Form einer akuten Kindeswohlgefährdung bestehe, wird vom Gericht nicht verarbeitet. Ebenso wird nicht berücksichtigt, dass der Sachverständige in den Bereichen der Grundversorgung, Haushaltsführung und Gesundheitsfürsorge keine bedeutsame Einschränkung der Eltern festgestellt hat und dass die Kinder bislang - trotz zahlreicher Fehlzeiten auch hinsichtlich des Schulbesuchs - eine vergleichsweise unauffällige Entwicklung genommen haben. Vor diesem Hintergrund weiterhin ein Bedürfnis für einen vollständigen vorläufigen Sorgerechtsentzug anzunehmen, ist nicht nachvollziehbar.

dd) Die angegriffenen Entscheidungen genügen auch nicht den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. So ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass der aufrechterhaltene - vollständige - Sorgerechtsentzug geeignet gewesen wäre, die vom Gericht angenommene nachhaltige Kindeswohlgefährdung abzuwehren. An der Eignung einer sorgerechtlichen Maßnahme fehlt es, wenn sie nicht zur Beendigung des zuvor als gefährlich erkannten Zustands beitragen kann und sich die Situation der Kinder durch diese letztlich nicht verbessert (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 17. März 2014 - 1 BvR 2695/13 -, juris, Rn. 27 und BGH, Beschluss vom 12. März 1986 - IVb ZB 87/85 -, juris, Rn. 17). So liegt es aber hier. Beide Kinder sollten vorläufig bei der Mutter verbleiben in der - verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden - Annahme, dass die mit einer Trennung der Kinder von ihrer Hauptbezugsperson verbundenen Vorteile die damit einhergehenden Nachteile nicht überwögen, diese mithin unverhältnismäßig wäre. Entsprechend erwog auch der Vormund selbst keine Fremdunterbringung der Kinder. Der Verbleib im mütterlichen Haushalt führte aber gleichzeitig dazu, dass die Kinder auch im Einflussbereich der Mutter verblieben. Welche weiteren Maßnahmen der insoweit bestellte Vormund hätte ergreifen sollen, um dem mütterlichen Einfluss auf die Kinder zu begegnen, ist nicht erkennbar.

Auch die Erforderlichkeit des vollständigen Sorgerechtsentzugs im Eilverfahren liegt nicht auf der Hand. Dies gilt bereits für die zur Abänderung stehende Ausgangsentscheidung vom 8. Mai 2013. In diesem Beschluss wurde der Umgang der Kinder mit ihrem Vater ausgesetzt, so dass es jedenfalls keinerlei Bedürfnis für einen wie auch immer gearteten Sorgerechtsentzug zur Ermöglichung von Umgangskontakten mit dem Vater gab. Entsprechendes gilt auch zum Zeitpunkt des Erlasses der hier angegriffenen Entscheidungen. Denn mit gerichtlich gebilligter Vereinbarung vom 10. Februar 2014 wurde eine Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB eingerichtet, die gegenüber einem Sorgerechtsentzug zur Ermöglichung eines Umgangs gerade das mildere Mittel darstellt (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11 -, juris, Rn. 33).

Zur Überprüfung der Erforderlichkeit des vollständigen vorläufigen Sorgerechtsentzugs hätte aber auch im Hinblick auf das Schreiben des vorläufig eingesetzten Vormunds vom 4. Februar 2014 Anlass bestanden, der sich selbst gegen einen vollständigen Sorgerechtsentzug ausgesprochen hatte und eine Familienhilfe - also mildere Maßnahmen - organisieren wollte. Auch hiermit setzt sich das Amtsgericht nicht auseinander.

3. Aus denselben Erwägungen verstößt auch die angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts fußt auf der bereits einfachrechtlich fehlerhaften Annahme, dass es kein dringendes Regelungsbedürfnis für eine Abänderung der ersten vorläufigen Sorgerechtsentscheidung gebe, da die Kinder sich weiterhin bei der Beschwerdeführerin befänden und eine Herausnahme derselben aus der mütterlichen Familie nicht geplant sei. Die nach § 54 FamFG und aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfende Frage, ob (weiterhin) ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung des vorläufigen vollständigen Sorgerechtsentzuges besteht, wird auch von dem Senat letztlich nicht geprüft. Worin eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung gesehen wird, die die Aufrechterhaltung des sofortigen Entzugs des gesamten Sorgerechts rechtfertigen könnte, ergibt sich aus dem angegriffenen Beschluss nicht. Die Ausführungen, dass eine Kindeswohlgefährdung durch den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts beziehungsweise durch denjenigen vom 8. Mai 2013 nicht gesehen werde, geben umgekehrt Grund zur Annahme, dass das Oberlandesgericht den Prüfungsmaßstab grundlegend verkannt hat. Letzteres legte auch der nicht angegriffene Anhörungsrügebeschluss vom 17. Juni 2014 nahe, in dem sinngemäß ausgeführt wird, dass ein dringendes Regelungsbedürfnis für den Antrag der Mutter nicht bestehe, da das Jugendamt eine Herausnahme der Kinder nicht beabsichtige, die ohnehin nur im Falle einer Kindeswohlgefährdung bei der Mutter in Betracht käme. Mit diesen Ausführungen verneint der Senat letztlich eine Kindeswohlgefährdung, ohne aber eine Abänderung der amtsgerichtlichen Anordnung zum vollständigen Sorgerechtsentzug auch nur in Erwägung zu ziehen. Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz finden sich ebenfalls keinerlei Überlegungen.

4. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 17. Februar 2014 und vom 17. März 2014 sowie der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2. Mai 2014 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Gerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten.

III. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 28. März 2014 richtet, wird sie nicht zur Entscheidung angenommen. Von dem Nichtabhilfebeschluss geht keine eigenständige Beschwer aus, so dass die Verfassungsbeschwerde insoweit bereits unzulässig ist.

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

IV. 1. Es wird lediglich der Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil dies den Interessen der Beschwerdeführerin, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten, am besten dient (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 17. Juni 2014 über die Zurückweisung der Anhörungsrüge sowie der hilfsweise erhobenen Gegenvorstellung ist damit gegenstandslos. ..." (BVerfG, Beschluss vom 27.08.2014 - 1 BvR 1822/14)

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Entziehung des Sorgerechts für ein Kind, das im Waisenhaus untergebracht ist (BVerfG, Beschluss vom 14.06.2014 - 1 BvR 725/14):

„... Die Kammer nimmt die zulässige Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung des als verletzt gerügten Elternrechts der Beschwerdeführerin angezeigt ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Diese Entscheidung kann von der Kammer getroffen werden, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde danach offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG. Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Absatz 2 Satz 1 GG verletzt.

1. a) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts, ohne die Elternverantwortung nicht ausgeübt werden kann (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine Trennung des Kindes von seinen Eltern stellt den stärksten Eingriff in dieses Recht dar und unterliegt strenger verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Dabei kann sich die verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen des besonderen Eingriffsgewichts auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 26; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 25). Die Trennung ist allein zu dem Zweck zulässig, das Kind vor nachhaltigen Gefährdungen zu schützen (b) und darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (c). Entsprechendes gilt, wenn wie hier einem Elternteil das Sorgerecht für sein bereits von ihm getrenntes Kind entzogen und damit die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihm gesichert wird. Dabei greift der starke Schutz des Elterngrundrechts auch dann ein, wenn ein Elternteil die Trennung von seinem Kind zunächst freiwillig herbeigeführt hatte und es nunmehr um die Aufrechterhaltung dieses Zustands geht (vgl. Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 11. November 1988 - 1 BvR 585/88 -, juris, Rn. 29).

b) Ein Kind darf von seinen Eltern gegen deren Willen nur dann getrennt werden, wenn die Eltern versagen oder wenn das Kind aus anderen Gründen zu verwahrlosen droht. Dabei berechtigen nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Es gehört nicht zur Ausübung des Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten des Kindes zu sorgen. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, muss das elterliche Fehlverhalten vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder einer Rückführung in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Ihren einfachrechtlichen Ausdruck hat diese Anforderung in § 1666 Abs. 1 BGB gefunden. Die Annahme einer nachhaltigen Gefährdung des Kindes setzt voraus, dass bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine Gefahr gegenwärtig in einem solchen Maße besteht, dass sich bei ihrer weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 24. März 2014 - 1 BvR 160/14 -, juris, Rn. 28; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 18; BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2004 - XII ZB 166/03 -, juris, Rn. 11).

Begehren Eltern - wie hier - die Rückführung ihres bereits fremduntergebrachten Kindes, kann eine solche Gefahr für das Kind gerade aus der Rückführung resultieren. In einem solchen Fall ist es verfassungsrechtlich geboten, bei der Kindeswohlprüfung nach § 1666 BGB die Tragweite einer Trennung des Kindes von seiner bisherigen Bezugsperson einzubeziehen und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung zu berücksichtigen, die negativen Folgen einer eventuellen Traumatisierung der Kinder gering zu halten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. August 2000 - 1 BvR 2006/98 -, FamRZ 2000, S. 1489). Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Bindungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu berücksichtigen und das Kind aus seiner neuen Obhut nur herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von seinen bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 31). Allerdings macht es einen Unterschied, ob das Kind bei Pflegeeltern, oder aber - wie hier - in einem Waisenhaus untergebracht ist. Lebt ein Kind in einem Waisenhaus, entstehen zum einen an die dortigen Bezugspersonen regelmäßig geringere Bindungen als an Pflegeeltern. Zum anderen wird das Kind nicht langfristig in dem Waisenhaus leben, so dass ein Wechsel der Betreuungspersonen und des Betreuungsumfelds ohnehin bevorsteht (vgl. BVerfGE 72, 122 <141>). Bei dieser Sachlage kommt dem Bindungsabbruch grundsätzlich geringere Bedeutung zu als bei der Rückführung aus einer Pflegefamilie.

c) Die Trennung des Kindes von seinen Eltern darf nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen und aufrechterhalten werden (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). In Übereinstimmung mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen erklärt § 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur dann für zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes schlagen sich insbesondere in einer Verpflichtung nieder, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen ein Zueinanderfinden von Kind und Eltern gelingen kann. Stets ist zu fragen, ob sich die Kindeswohlgefahren durch eine behutsame, insbesondere zeitlich gestreckte, Rückkehr ausräumen lassen. Sind die Eltern nicht ohne Weiteres in der Lage, den erzieherischen Herausforderungen gerecht zu werden, vor die sie im Fall der - sei es auch zeitlich gestreckten - Rückkehr eines über längere Zeit fremduntergebrachten Kindes gestellt sind, sind sie hierbei durch öffentliche Hilfen zu unterstützen (§ 1666a Abs. 1 Satz 1 BGB; vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 35, m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn nicht die Rückkehr aus einer Pflegefamilie, sondern - wie hier - aus einem Waisenhaus in Rede steht. In einer solchen Situation steht dem Kind ohnehin ein weiterer Wechsel der Bezugsperson bevor, so dass die Rückkehr zu den Eltern in dieser Hinsicht keine Mehrbelastung des Kindes bedeutet. Zudem stehen einander in einer solchen Situation nur die Grundrechtspositionen der Eltern und des Kindes gegenüber (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 31. März 2010 - 1 BvR 2910/09 -, juris, Rn. 25; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 23. August 2006 - 1 BvR 476/04 -, juris, Rn. 23), nicht aber die von Pflegeeltern. Hier gilt daher umso mehr, dass vorrangig versucht werden muss, den Schutz des Kindes durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>) und eine behutsame Rückführung zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen verletzt die Entscheidung des Amtsgerichts das Elternrecht.

a) Dass das Kind bei einer Rückkehr zur Beschwerdeführerin in einer die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigenden Weise gefährdet wäre, lässt sich den Ausführungen des Gerichts nicht entnehmen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

aa) Das Gericht begründet das Vorliegen einer erheblichen Kindeswohlgefährdung im Fall der Rückführung zum einen damit, dass das Kind dringend einer verlässlichen, individuellen und kontinuierlichen Zuwendung bedürfe, dass die Mutter hierzu aber nicht in der Lage sei, da sie keine Arbeit habe, in einem Obdachlosenheim wohne und ihre partnerschaftlichen Verhältnisse nicht geklärt seien. Sie könne eine zuverlässige und altersgerechte Betreuung nicht sicherstellen.

In dieser sehr knappen Begründung bezieht sich das Gericht im Wesentlichen auf die Berichte des Jugendamts vom 23. Juli 2013, des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 und des Kinderzentrums vom Januar und März 2013. Eine eigenständige Würdigung insbesondere im Hinblick auf das entgegenstehende Vorbringen der Kindsmutter zu ihrer aktuellen Lebenssituation (Trennung vom Partner, Wohnen im Frauenobdach), den Schwierigkeiten bei der Umgangswahrnehmung aufgrund eigener Berufstätigkeit sowie der Nichthinzuziehung zu den Untersuchungen des Kinderzentrums unterbleibt. Da das Kind bereits fremduntergebracht war und ihm schon deshalb seitens der Beschwerdeführerin keine Gefahr drohte, drängte der Sorgerechtsentzug zeitlich nicht so sehr, dass das Gericht ausnahmsweise von einer näheren Begründung hätte absehen können.

Die Bezugnahme auf die Berichte des Kinderzentrums vom Januar und März 2013 ist bereits deshalb problematisch, weil nicht erkennbar ist, dass die dort bezüglich des damals erst wenige Monate alten Kindes getroffenen Feststellungen zum Entscheidungszeitpunkt noch unverändert zutrafen. Aus dem Bericht des Verfahrensbeistands vom 16. August 2013 ergibt sich vielmehr, dass sich die zuletzt geschilderten Spannungszustände des Kindes gelöst haben. Auch würdigt das Gericht nicht, dass die in den Berichten geschilderten Probleme maßgeblich auf die Fremdunterbringung des Kindes in dem Waisenhaus zurückzuführen waren und dass die Empfehlung der Ärzte dahin ging, dem Kind eine verlässliche Bezugsperson zur Seite zu stellen. Insoweit war grundsätzlich an die Mutter des Kindes zu denken. Dass die Ärzte eine Empfehlung in Richtung von Pflegeeltern aussprachen, beruhte offenbar weniger auf einer eigenen Sachprüfung als vielmehr auf einer nicht geprüften Übernahme der Angaben der das Kind vorstellenden Personen.

Soweit das Gericht ausführt, dass ein Wechsel des Kindes zur Mutter aufgrund ihrer Lebensumstände nicht in Betracht komme, tragen die Ausführungen nicht. Schilderungen zu ‚komplexen Verhältnissen zu dem Ex-Partner' sowie der ‚externen Beeinflussung' durch Dritte, auch durch die Halbschwester, bleiben vage und es erschließt sich nicht hinreichend, welche Gefährdung für das Kind hieraus resultieren soll. Soweit das Gericht die Obdachlosigkeit der Beschwerdeführerin für maßgeblich erachtet, kann dies zwar einen Gefährdungsgrund darstellen. Eine Obdachlosigkeit im eigentlichen Sinn lag aber nicht vor. Die Beschwerdeführerin lebte zum Zeitpunkt der Entscheidung in einem Frauenobdach, das auf Mütter mit Kindern eingerichtet ist und damit eine kindgerechte Unterkunft bietet.

bb) Soweit das Gericht zum anderen für maßgeblich erachtet, dass die Beschwerdeführerin die sozialen Bedürfnisse des Kindes, wie sie im Bericht des Kinderzentrums vom 1. März 2013 aufgezeigt worden seien - gemeint ist wohl das Bedürfnis nach einer festen Bezugsperson -, gar nicht erst erkenne, legt es nicht dar, worauf diese Annahme beruht und welche Art und welcher Grad von Kindeswohlgefährdung hieraus resultieren könnten. Wenn das Gericht insoweit auf eine fehlende Erziehungseignung der Beschwerdeführerin schließen möchte, hätte auch dies weiterer Darlegungen bedurft. Zwar mag die Beschwerdeführerin im Umgang mit dem Kind Defizite aufgewiesen haben. Dass diese die Aufrechterhaltung der Trennung rechtfertigen könnten, ist jedoch nicht ersichtlich. Es ist nicht dargelegt und auch nicht ohne Weiteres erkennbar, dass diese nicht hätten ausgeräumt werden können und inwiefern diese überhaupt zu einer schweren Schädigung der seelischen oder geistigen Entwicklung des Kindes führen würden.

cc) Dass das Kind wegen der spezifischen Belastungen einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren ausgesetzt wäre, legt das Gericht nicht dar. Zwar kann die Rückführung aus der Pflegestelle zu den Eltern das Kind belasten, weil damit der Abbruch von Bindungen verbunden sein kann, die in der Pflegestelle entstanden sind. Wie gesehen, kommt dem jedoch bei der Rückkehr aus einem Waisenhaus regelmäßig geringere Bedeutung zu als bei der Rückkehr von Pflegeeltern (s.o., II.1.b). Das Gericht hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen und zur Notwendigkeit durch eine Trennung entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen und hat dazu, soweit ersichtlich, auch keine Ermittlungen angestellt.

dd) Zur unzutreffenden Bejahung der Voraussetzungen der Aufrechterhaltung einer Trennung des Kindes von der Mutter mag beigetragen haben, dass das Amtsgericht insofern einen falschen Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt haben könnte. Ausweislich des Beweisbeschlusses vom 7. Januar 2014 zur Einholung eines Sachverständigengutachtens im hier nicht gegenständlichen Hauptsacheverfahren hat das Gericht dort die Frage sachverständiger Begutachtung unterzogen, ‚welche Sorgerechtsregelung am ehesten dem Kindeswohl entspricht'. Dabei sei ‚auch darauf einzugehen, inwieweit die Rückführung des Kindes zur leiblichen Mutter dem Verbleib in einer Pflegefamilie vorzuziehen' sei. Beide Fragen entsprechen weder dem in § 1666 BGB vorgesehenen noch dem verfassungsrechtlich gebotenen Prüfungsmaßstab, wonach die Aufrechterhaltung der Trennung nur dann zulässig ist, wenn dem Kind bei den Eltern die nachhaltige Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung droht (s.o., II.1.b).

b) Ungeachtet des Fehlens einer die Sorgerechtsentziehung rechtfertigenden Kindeswohlgefährdung verstößt die Entscheidung des Amtsgerichts gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da das gesamte elterliche Sorgerecht entzogen wurde. Dies wurde nicht begründet und die Notwendigkeit ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Inwieweit die Entscheidung darüber hinaus unverhältnismäßig ist, weil sie sich nicht mit dem Vorhandensein etwaiger milderer Mittel auseinandersetzt, bedarf keiner Entscheidung.

3. Auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

a) Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass im Falle der Rückführung des Kindes zur Beschwerdeführerin eine den Grundrechtseingriff rechtfertigende nachhaltige Gefahr einer erheblichen Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes besteht.

aa) Das Oberlandesgericht stützt die Annahme einer den teilweisen Sorgerechtsentzug rechtfertigenden Situation zunächst darauf, dass sich bereits aus dem einleitenden Bericht des Jugendamts vom 23. Juli 2013 ergeben habe, dass die Lebensverhältnisse der leiblichen Eltern von Beginn an äußerst unstet waren. Die Feststellungen des Gerichts hierzu bleiben jedoch zu vage, als dass sich daran eine entsprechende Kindeswohlgefährdung ablesen ließe. Dass die Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin unter Kindeswohlgesichtspunkten untragbar unstet seien, macht das Gericht vor allem an ihrer Wohnsituation fest. Zu dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin seit dem 1. Januar 2014 eine Einzimmerwohnung von ca. 40 qm angemietet hat, führt das Gericht dabei jedoch lediglich aus, ein schriftlicher Mietvertrag liege noch nicht vor; inwieweit damit aktuell die Wohnsituation der Beschwerdeführerin gesichert sei, könne noch nicht abschließend eingeschätzt werden. Bei Zweifeln an der tatsächlichen Vermietung oder der Eignung des Wohnraums für die Aufnahme eines Kindes hätte das Oberlandesgericht aber nähere Ermittlungen anstellen müssen. In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage zu schaffen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Weil bereits der vorläufige Entzug des Sorgerechts einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Eltern und des Kindes darstellt und weil schon die vorläufige Herausnahme des Kindes aus der Familie oder die vorläufige Aufrechterhaltung der bereits erfolgten Trennung Tatsachen schaffen kann, welche später nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind, sind grundsätzlich auch bei einer Sorgerechtsentziehung im Eilverfahren hohe Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. April 2014 - 1 BvR 3121/13 -, juris, Rn. 19 ff.). Die erforderlichen Ermittlungen hätten auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung angestellt werden können und hätten zu keiner wesentlichen Verfahrensverzögerung geführt.

bb) Zwar stellt das Oberlandesgericht fest, dass sich das Jugendamt im Termin am 21. Januar 2014 eine vorsichtige Anbahnung der Rückführung des Kindes zur Mutter vorstellen konnte. Gleichwohl hat das Oberlandesgericht die Aufrechterhaltung des Sorgerechtsentzugs für angezeigt gehalten, weil eine Rückführung derzeit noch nicht verantwortet werden könne. Inwieweit die Wahrung des Kindeswohls der Einleitung der Rückführung entgegensteht, lässt sich den Ausführungen des Gerichts jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen.

Soweit das Oberlandesgericht auf die Berichte des Kinderzentrums vom 29. Januar und 1. März 2013 rekurriert, liegt die Situation, wie sie noch in den Berichten beschrieben wurde, nicht mehr vor. Auslöser einer zum damaligen Zeitpunkt beginnenden Anpassungsstörung war offenbar das Fehlen einer festen Bezugsperson für das Kind angesichts der Unterbringung in einem Waisenhaus mit wechselnden Betreuungspersonen. Dass diese Situation ein Jahr nach Erstellung des ersten Berichts so nicht mehr bestand, ergibt sich bereits aus den die weitere Entwicklung des Kindes beschreibenden Berichten des Verfahrensbeistands und des Jugendamts. Soweit das Gericht in diesem Zusammenhang darauf abstellt, in dem Bericht vom März 2013 heiße es, dass keineswegs abgewartet werden könne, bis die Eltern verschiedenen Auflagen nachkämen, waren damit Auflagen im Zusammenhang mit der Wohnsituation gemeint, die die Mutter jedenfalls nunmehr unzweifelhaft erfüllt hat. Dass die ohne Einbeziehung der Mutter erlangten Untersuchungsergebnisse Rückschlüsse auf deren ‚erhebliche Defizite' zulassen könnten, wie das Gericht ohne nähere Erläuterung feststellt, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil das Kind bereits eine Woche nach der Geburt von ihr getrennt wurde.

cc) Auch die übrigen Ausführungen tragen die Annahme einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung nicht. Der Hinweis des Gerichts auf die unsicheren Bindungen zwischen Mutter und Kind lässt für sich genommen nicht darauf schließen, dass bei der Rückführung für das Kind nicht hinnehmbare Belastungen eintreten würden, die von der Mutter nicht aufgefangen werden könnten. Der Hinweis auf die ‚anhaltend schwierigen Lebensumstände' der Mutter bleibt in diesem Zusammenhang ebenso vage wie die Feststellung, dass bei einem Wechsel zur Mutter die Grundbedürfnisse des Kindes nicht erfüllt werden könnten. Auch eine nach Einschätzung des Gerichts bis vor kurzem konflikthafte Beziehung zum früheren Partner kann eine Aufrechterhaltung der Trennung eines Kindes von seiner Mutter nicht ohne Hinzutreten weiterer Gefährdungsmomente rechtfertigen.

dd) Dass das Kind wegen der spezifischen Umstände einer Rückführung nicht hinnehmbaren Gefahren durch Bindungsabbrüche ausgesetzt wäre, legt auch das Oberlandesgericht nicht dar. Es hat zur Bedeutung der im Waisenhaus entstandenen Bindungen für das Kind und zur Notwendigkeit, durch eine Trennung etwa entstehenden Beeinträchtigungen zu begegnen, keine Feststellungen getroffen.

b) Die Entscheidung ist, soweit der vom Amtsgericht beschlossene Sorgerechtsentzug bestätigt wird, auch nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

Unverhältnismäßig ist insbesondere die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Selbst wenn man - was das Gericht nicht darlegt - unterstellt, dass dem Kind bei einer sofortigen Rückkehr zur Mutter wegen damit einhergehender Bindungsabbrüche nicht hinnehmbare Gefahren drohten, war die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts unverhältnismäßig. Das Gericht hat sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Beschwerdeführerin ihre Einsicht in die Notwendigkeit einer behutsamen Rückführung des Kindes bekundet hat, eine missbräuchliche Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrecht durch die Beschwerdeführerin daher nicht zu erwarten und ein Sorgerechtsentzug entsprechend schon aus diesem Grund nicht erforderlich war (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Mai 1984 - BReg 1 Z 91/83 -, juris, Rn. 11). Dafür, dass sich die Beschwerdeführerin nicht an ihrer Äußerung festhalten lassen würde, gibt es keine Anhaltspunkte, das Oberlandesgericht hat hierzu auch nichts ausgeführt.

Das Gericht hat sich auch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit etwaige durch eine Rückführung zur Mutter entstehende Belastungen des Kindes durch mildere Mittel, gegebenenfalls unterstützt durch öffentliche Hilfemaßnahmen nach §§ 27 ff. SGB VIII, aufgefangen werden und entsprechende Rückführungshindernisse ausgeräumt werden könnten.

Schließlich hat das Gericht nicht hinreichend in Rechnung gestellt, dass in Fällen, in denen die Rückkehr eines Kindes zu seinen Eltern nicht sofort erfolgen kann, der durch Aufrechterhaltung der Trennung bewirkte Grundrechtseingriff grundsätzlich nur dann verhältnismäßig im engeren Sinne ist, wenn der Staat durch geeignete Fördermaßnahmen auf eine langfristige Rückführung des Kindes hinwirkt und die Rückführungsperspektive offenhält (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, juris, Rn. 32; BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 68/11 -, juris, Rn. 29). Dies gilt auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung, da auch in diesem aufgrund der nicht absehbaren Dauer des Hauptsacheverfahrens die Gefahr sich verfestigender Verhältnisse besteht. Das Gebot, Maßnahmen zur Familienzusammenführung zu prüfen, gewinnt gerade im Falle der Trennung eines Kindes unmittelbar nach der Geburt mit Zeitablauf zunehmend an Gewicht (vgl. EGMR (GK), K. u. T. ./. Finnland, Urteil vom 12. Juli 2001, Nr. 25702/94, NJW 2003, S. 809). Das Oberlandesgericht hat letztlich - wie zuvor das Amtsgericht - der Frage zu wenig Beachtung geschenkt, wie eine alsbaldige Wiedervereinigung der Familie erreicht werden könnte, um zu verhindern, dass eine weitere Verfestigung der offenbar bereits begonnenen Entfremdung des Kindes eintreten kann. Insoweit hätte es zumindest nahegelegen, zur Vorbereitung der Rückführung eine die Bindung des Kindes zur Mutter intensivierende Umgangsregelung zu treffen, wie es von der Beschwerdeführerin ausdrücklich angeregt worden war. Die im Termin seitens des Jugendamts angesprochene Vereinbarung mit dem Waisenhaus, den Umgang zu erweitern, wurde bislang lediglich dahingehend realisiert, dass der Beschwerdeführerin über die derzeit zweimal wöchentlich stattfindenden Umgangstermine hinaus eine weitere Stunde begleiteten Umgangs eingeräumt werden soll.

4. Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 19. September 2013 und des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2014 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei verfassungsgemäßer Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten. ..."

***

„... 2. Die Verfassungsbeschwerde im Übrigen ist zulässig und begründet.

a) Das angegriffene Urteil vom 5. Januar 2011 des Oberlandesgerichts beruht auf willkürlichen Feststellungen zum Sachverhalt und verletzt die Beschwerdeführerin zu 1) sowie den Beschwerdeführer zu 2), soweit dessen Klage in Ansehung des materiellen Schadens abgewiesen wurde, dadurch in ihrem Grundrecht aus Art. 18 Abs. 1 SächsVerf.

aa) Die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts ist zwar Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch den Verfassungsgerichtshof entzogen; bei einer Verletzung spezifischen Verfassungsrechts durch diese kann der Verfassungsgerichtshof jedoch auf eine Verfassungsbeschwerde hin eingreifen (SächsVerfGH, Beschluss vom 4. November 2010 - Vf. 68-IV-10). Dies ist der Fall, wenn ein Richterspruch gegen das Willkürverbot verstößt, weil er bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich erscheint und daher offensichtlich unhaltbar ist (vgl. SächsVerfGH, Beschluss vom 3. November 2011 - Vf. 45-IV-11; st. Rspr.).

bb) Als in diesem Sinne willkürlich stellt sich bereits die im Obersatz des Oberlandesgerichts gemachte Unterstellung dar, wonach die Annahme des Jugendamts der Beklagten zumindest vertretbar gewesen sei, dass ‚aufgrund der mitgeteilten Gewalttätigkeiten und der mitgeteilten Verhaltensauffälligkeiten' des Beschwerdeführers zu 2) ein Antrag auf vorläufige Entziehung der elterlichen Sorge beim Amtsgerichts zu stellen sei. Allerdings kann insoweit im Ausgangspunkt dahingestellt bleiben, ob der Maßstab der Vertretbarkeit zutreffend ist. Jedenfalls ist offensichtlich, dass der Antrag des Jugendamts im Hinblick auf die Begründung der Gefährdung des Kindeswohls nicht auf Gewalttätigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten des Beschwerdeführers zu 2) abstellte, sondern darauf, dass aus sozialpädagogischer Sicht die altersgemäße Entwicklung der Beschwerdeführerin zu 1) in der weiteren Verantwortung der allein sorgeberechtigten Kindesmutter nicht sicher und insbesondere die Kindesmutter in ihrer Erziehungsfähigkeit eingeschränkt erschien. Eine etwaige Amtspflichtwidrigkeit des Antrags ist offenkundig nur auf der Grundlage der diesem zugrunde gelegten Tatsachen zutreffend zu beurteilen.

cc) Als willkürlich stellt sich ebenfalls die Annahme des Oberlandesgerichts dar, dass ‚aus damaliger Sicht des Jugendamts ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme' vorhanden gewesen seien, ‚dass eine konkrete Gefahr für Leib und Leben des Kleinkindes bestand und in diesem Rahmen ein unverzügliches Tätigwerden erforderlich war'. Diese Feststellung ist bei verständiger Würdigung der die Verfassung beherrschenden Gedanken nicht verständlich.

(1) Ein Anhaltspunkt dafür, dass Leib und Leben der Beschwerführerin zu 1) gefährdet gewesen sein könnten, ergab sich insbesondere nicht ohne Weiteres aus dem ‚gewalttätigen' Streit zwischen dem Beschwerdeführer zu 2) und der Kindesmutter. Ausweislich des Polizeiberichts soll es während dieses Streits, von dem das Kind dem Anschein nach nichts mitbekommen habe, zu keinen Handgreiflichkeiten gekommen sein. Auch habe nicht festgestellt werden können, dass einer der Beteiligten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gestanden habe. ‚Gewalt' sei nur gegen zwei Möbel ausgeübt worden, ohne dass fremdes Gut geschädigt worden sei.

Dem Oberlandesgericht kann zwar darin zugestimmt werden, dass ein derartiger Kontrollverlust des Beschwerdeführers zu 2) eine beachtliche ‚Verhaltensauffälligkeit' darstellte, die ggf. auch ein Indiz für eine Beeinträchtigung der Erziehungsfähigkeit sein kann. Wie hieraus jedoch auf eine Gefahr für Leib und Leben des Kindes hätte geschlossen werden können, ist nicht erklärlich.

Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der vom Oberlandesgericht - an sich zutreffend - entwickelten und verfassungsrechtlich aufgrund des in Art. 22 SächsVerf enthaltenen Grundrechts gebotenen strengen Voraussetzungen, die an eine Entscheidung über die Entziehung der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB zu stellen sind. Diese ist nur zulässig, wenn bereits ein Schaden des Kindes eingetreten ist oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. BVerfG. Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11; BVerfG, Beschluss vom 29. Januar 2010 - 1 BvR 374/09 - juris Rn. 41). Dass eine körperliche Schädigung des Kindes in einem derart hohen Maße aufgrund des Vorfalls vom 29. Januar 2008 wahrscheinlich gewesen sein könnte, ist weder ersichtlich noch vom Oberlandesgericht auch nur ansatzweise erklärt worden, abgesehen davon, dass eine körperliche Schädigung in dem hier allein zur Beurteilung stehenden Antrag des Jugendamtes auch gar nicht als Bezugspunkt einer Gefährdungsprognose verwendet wurde.

(2) Ferner konnte das Oberlandesgericht nicht auf den Umstand verweisen, dass die Beschwerdeführerin zu 1) nach Mitteilung ihrer Tagesmutter ‚bei einem Wurf mit einer CD im Gesicht verletzt' worden sei. Im Aktenvermerk der Beklagten zu dem vermeintlich anonymen Telefonanruf heißt es im Hinblick auf diesen Vorfall lediglich: ‚S. bei anderen Streitigkeiten mit CD's geschmissen, hat dabei A. am Kopf getroffen und verletzt.' Damit war nicht einmal klar, welcher Art die angebliche Verletzung der Beschwerdeführerin zu 1) war und ob sie absichtlich zugefügt wurde. Der Vorfall mit der CD war nach Aktenlage ein hinsichtlich der genauen Umstände unbestätigtes Gerücht, dass gegenüber der Beklagten einzig von der Tagesmutter verlautbart worden war. Was diese genau gehört und weitergesagt hatte, konnte in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht nicht abschließend aufgeklärt werden. Weshalb aus dieser Mitteilung auf eine mit ziemlicher Sicherheit eintretende weitere und erhebliche körperliche Schädigung des Kindes hätte geschlossen werden können und inwieweit eine solche auf Gerüchten gegründete Annahme den Anforderungen an eine Gefährdungseinschätzung nach § 8a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII genügt, ist aus den Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht ersichtlich.

(3) Noch weniger konnte sich das Oberlandesgericht darauf berufen, dass die Tagesmutter gegenüber der Beklagten über blaue Flecken an Ohr und Oberlippe sowie eine Verletzung des Unterkiefers im Dezember 2007 berichtet habe. In ihrer Vernehmung vor dem Landgericht hatte die Tagesmutter ausdrücklich erklärt, dass diese Verletzungen ihrer Einschätzung nach auf kindstypische Unachtsamkeit zurückzuführen gewesen seien; sie habe keinen Verdacht auf Misshandlungen geäußert. Dieser Aussage ist die Mitarbeiterin der Beklagten in ihrer anschließenden Vernehmung vor dem Landgericht nicht entgegengetreten. Auch aus den Vermerken der Beklagten oder dem Antrag an das Amtsgericht vom 1. Februar 2008 ist nicht ersichtlich, dass ein Verdacht auf Misshandlungen oder wenigstens auf eine erhebliche Verletzung der Aufsichtspflicht bestanden hatte. Hinzu kam, dass ein Attest der Kinderärztin der Beschwerdeführerin zu 1) vorlag, dass diese regelmäßig vorgestellt worden, ‚in gutem Allgemeinzustand ohne Zeichen von Kindesmisshandlung' und ‚altersgemäß entwickelt' sei. Den Verdacht auf Misshandlungen im Hinblick auf diese Verletzungen hatte einzig das Oberlandesgericht geäußert. Indem es dann noch erklärte, dass die Aussagen der Eltern, es habe sich um kindstypische Verletzungen gehandelt, ‚wenig glaubhafte Schutzbehauptungen' seien, veränderte es den Prozessstoff zum Nachteil der Beschwerdeführer.

(4) Soweit das Oberlandesgericht des Weiteren darauf hinwies, dass die Beklagte von einem anonymen Anrufer bzw. der Tagesmutter Mitteilung darüber bekommen habe, dass sich die Mutter nicht mehr um ihr Kind kümmere, kann in der Tat ein Vernachlässigen des Kindes Sorgerechtsentscheidungen nach § 1666 BGB rechtfertigen. Die Information, es liege eine Vernachlässigung des Kindes durch die sorgeberechtigte Mutter vor, hatte die Tagesmutter jedoch nur vom Hörensagen erhalten. Dagegen hatte die Nachschau der Beklagten ergeben, dass nach dem Zustand des Kindes und der elterlichen Wohnung keine Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bzw. Verwahrlosung bestanden. Auch aus dem Attest der Kinderärztin ergaben sich hierfür keine Anhaltspunkte. Damit ist nicht begreiflich, weshalb eine Trennung des Kindes von beiden Eltern erforderlich gewesen sein könnte, um eine mit ziemlicher Sicherheit bevorstehende Verwahrlosung zu verhindern. Noch unverständlicher ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Oberlandesgerichts, ‚der bloße Zustand der Wohnung und des Kindes' sei für eine Entscheidung über die Trennung des Kindes von seinen Eltern, die auf eine Vernachlässigung bzw. Verwahrlosung des Kindes gestützt werden soll, ‚kein maßgebliches Kriterium'. Vielmehr ist der Zustand des Kindes hierbei ein Hauptkriterium.

(5) Es ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb das Oberlandesgericht meinte, die Beklagte habe davon ausgehen können, dass Leib und Leben der Beschwerdeführerin zu 1) deshalb gefährdet gewesen sein könnte, weil der Beschwerdeführer zu 2) ‚kiffe', zumal zum Ausmaß und zu den Umständen des ‚Kiffens' im Hinblick auf die Betreuung der Beschwerdeführerin zu 1) jegliche Feststellungen fehlen.

(6) Schließlich ist nicht verständlich, weshalb die Beklagte Anlass hätte haben können, von einer Gefahr für Leib und Leben der Beschwerdeführerin zu 1) auszugehen, weil sie den regelmäßigen Alkoholkonsum des Beschwerdeführers zu 2) ‚samt hieraus resultierenden Gewalttätigkeiten' habe berücksichtigen müssen bzw. den Umstand, dass sein ‚Suchtverhalten' ‚von Gewaltausbrüchen begleitet' sei.

Zwar mögen Anhaltspunkte für eine solche Gefahr im Einzelfall gegeben sein, wenn ein Kindesvater regelmäßig alkoholisiert ist und in diesem Zustand zur Ausübung von Gewalt - z.B. gegen Familienmitglieder - neigt. Die Unterstellung, dass der Beschwerdeführer zu 2) sich derart verhalte, war auf Grundlage des in der Berufungsinstanz vorliegenden Akteninhalts aber vollends unverständlich und damit ebenfalls willkürlich. Dafür, dass der Beschwerdeführer zu 2) unter Alkoholeinfluss zu Gewalttaten gegen Personen oder gar gegen sein Kind neige, lagen vielmehr keine Anhaltspunkte vor. Die einzige nach Akteninhalt nachgewiesene ‚Gewalttat' des Beschwerdeführers zu 2) war eine solche gegen Sachen, indem er am 29. Januar 2008 zwei Möbelstücke beschädigte; ausweislich des Berichts der nach diesem Vorfall herbeigerufenen Polizeibeamten konnte jedoch keine Alkoholisierung des Beschwerdeführers zu 2) festgestellt werden und hatte die an dem Streit beteiligte Kindesmutter auf Nachfrage Handgreiflichkeiten verneint; der Bericht enthält auch keine Angaben zu einem Drogeneinfluss. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer zu 2) jemals wegen einer Gewalttat gegen eine Person auffällig geworden sei. Die Feststellung, er sei ein unter regelmäßigem Alkoholeinfluss gewalttätiger Mensch, ist nach dem Prozessstoff nicht haltbar.

(7) Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts beruht auch auf dem aufgezeigten Verstoß gegen das Willkürverbot. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei willkürfreien Feststellungen zu dem seiner Meinung nach entscheidungserheblichen Sachverhalt zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.

Entscheidungserheblich war für das Oberlandesgericht, dass der Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG schon deshalb nicht gegeben sei, weil der Beklagten keine Amtspflichtverletzung zur Last falle. Zu dieser Einschätzung gelangte das Gericht, weil der Antrag der Beklagten auf Entziehung der elterlichen Sorge ‚zumindest vertretbar' gewesen sei. Die Vertretbarkeit der Entscheidung der Beklagten, einen familiengerichtlichen Antrag zu stellen, folgerte das Oberlandesgericht wiederum aus der - nach vorstehenden Ausführungen willkürlichen - Feststellung, dass aus damaliger Sicht des Jugendamts ausreichend Anhaltspunkte für die Annahme einer konkreten Gefahr für Leib und Leben der Beschwerdeführerin zu 1) bestanden hätten und daher das Erfordernis eines unverzüglichen Tätigwerdens habe angenommen werden dürfen. Damit ist nicht auszuschließen, dass das Oberlandesgericht sich womöglich der Sichtweise des Landgerichts Leipzig angeschlossen hätte, wenn es Anhaltspunkte für eine Gefahr für Leib und Leben verneint hätte.

Tragfähige Alternativbegründungen finden sich in der angegriffenen Entscheidung nicht. Wie bereits erläutert, befand das Oberlandesgericht es insbesondere nicht für nötig, sich näher mit der Vertretbarkeit der tatsächlichen Begründung des Antrags vom 1. Februar 2008 auseinanderzusetzen. Lediglich im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Verweisung des Beschwerdeführers zu 2) aus der elterlichen Wohnung ein milderes Mittel als die Trennung des Kindes von beiden Eltern gewesen sei, erwähnt das Oberlandesgericht, die Beklagte habe nach damaligem Erkenntnisstand davon ausgehen dürfen, dass ‚auch' die Kindesmutter das Kindeswohl erheblich gefährde. Zur Begründung finden sich allerdings lediglich in einem Klammerzusatz die Wörter ‚Verdacht der Verletzung des Kindes mittels geworfener CD; Vernachlässigung von Sorgepflichten', womit das Oberlandesgericht sich wiederum auf Anhaltspunkte bezog, aus denen es willkürlich auf eine Gefahr für Leib und Leben geschlossen hatte. Ob es mit der Beklagten der Meinung gewesen wäre, dass alternativ die Gefahr einer verzögerten ‚altersgerechten Entwicklung' des Kindes ein unverzügliches Einschreiten vertretbar gerechtfertigt hätte, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen. Der knappe Hinweis des Oberlandesgerichts auf bestehende Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung durch die Mutter lässt daher das Beruhen des Urteils auf dem oben erläuterten Willkürverstoß nicht entfallen.

Angesichts dessen erübrigt sich auch ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob das Jugendamt dem Amtsgericht die vollständigen Informationen zur Nachvollziehbarkeit der Gefährdungsprognose vorgelegt hatte, ob das Verfahren der Gefährdungsprognose den Anforderungen des § 8a Abs. 1 SGB VIII entsprach und ob die Darstellung, es handele sich um anonyme Hinweise, obwohl dem Jugendamt der Name der Hinweisgeberin bekannt war, einer korrekten Antragstellung entsprach.

b) Ob weitere Grundrechte - etwa Art. 78 Abs. 2 oder Art. 22 SächsVerf - verletzt wurden, kann aufgrund des bereits festgestellten Grundrechtsverstoßes dahinstehen. ..." (Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, Beschluss vom 19.07.2012 - Vf. 68-IV-11).

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Verletzung des Elternrechts bei mangelnder Verhältnismäßigkeit einer familiengerichtlichen Maßnahme (BVerfG, Beschluss vom 08.03.2012 - 1 BvR 206/12):

„... a) Die Beschwerdeführer werden durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 <88>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den engen Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Das elterliche Fehlverhalten muss dabei ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 <91>).

Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen gesichert werden soll, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>).

bb) Danach sind die Fachgerichte in den angegriffenen Entscheidungen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht geworden.

(1) Die Fachgerichte sind zunächst in nachvollziehbarer sowie verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gekommen, dass angesichts der berichteten allgemeinen Entwicklungsverzögerungen des Kindes sowie der nachlässigen Gesundheitssorge für das Kind hinreichende Anhaltspunkte für eine erhebliche Kindeswohlgefährdung gegeben sind, die eine Entziehung des Sorgerechts für das Kind erfordern. Die Bewertung haben die Gerichte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf der Grundlage der Stellungnahmen des Jugendamts, der Familienhelfer und der Verfahrensbeiständin ohne Überschreitung der Grenzen des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG getroffen.

Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar dargestellt, dass gravierende Entwicklungsverzögerungen des Kindes bestehen, deren Ursache die mangelnde Erziehungsfähigkeit der Kindeseltern ist. Diese Ansicht wird insbesondere durch die berichteten Beobachtungen der Pflegemutter anlässlich der Besuchskontakte gestützt. Auch die weiteren Angaben der Familienhelfer und des Jugendamts in der mündlichen Verhandlung sowie der Verfahrensbeiständin bestätigen die Annahme, dass das Kind durch seine Eltern nicht ausreichend gefördert wurde, nachdem ein insgesamt fürsorglicher Umgang mit dem Kind nicht beobachtet werden konnte.

Ferner unterliegt es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Fachgerichte im Hinblick auf die nachlässige gesundheitliche Versorgung des Kindes von einer erheblichen Gefährdung für das körperliche Wohl des Kindes ausgegangen sind. Dies zeigen nicht nur die in den angegriffenen Entscheidungen geschilderten Vorgänge hinsichtlich einer Fiebererkrankung und eines Schädelbruchs des Kindes, sondern auch der Umstand, dass sich der Vater aus nicht nachvollziehbaren Motiven weigert, die Krankenkassenkarte, deren Besitz unabdingbar für eine ärztliche Versorgung des Kindes ist, an die Pflegefamilie herauszugeben.

(2) Soweit die Beschwerdeführer rügen, dass die Gerichte die einstweilige Anordnung ohne vorherige Einholung eines Sachverständigengutachtens getroffen haben, greift ihr Einwand nicht durch. Das Verfahren muss zwar grundsätzlich geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. Die Fachgerichte sind aber verfassungsrechtlich nicht stets gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Sie müssen allerdings anderweit über eine hinreichend zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (vgl. BVerfGK 9, 274 <279>).

Die Gerichte haben sich vorliegend zur Überzeugungsbildung hinreichender Beweismittel in Gestalt der persönlichen Anhörung des Kindes, der Kindeseltern, der Verfahrensbeiständin sowie des Jugendamts und der Familienhelfer bedient. Tatsachen, die darüber hinaus im Rahmen des Eilverfahrens die Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens erfordert hätten, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführer nicht.

(3) Die angegriffenen Entscheidungen lassen allerdings hinsichtlich der Auswahl der angeordneten Maßnahmen eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vermissen. Die Fachgerichte haben von ihrem nach § 1779 Abs. 2 BGB eingeräumten Auswahlermessen nur unzureichenden Gebrauch gemacht und damit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.

(a) Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die konkret getroffenen Anordnungen zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich sind. Erforderlich ist eine Maßnahme dann, wenn von den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel gewählt wird (BVerfGE 100, 313 <375>). Die Gerichte mussten sich insoweit damit auseinandersetzen, ob mildere Mittel zur Verfügung standen, die ebenso geeignet gewesen wären, die festgestellte Gefährdung von dem Kind abzuwenden.

Als mildere Maßnahme wäre insbesondere die Anordnung der Vormundschaft der Großmutter väterlicherseits in Betracht zu ziehen gewesen.

Gemäß § 1773 Abs. 1 in Verbindung mit § 1779 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht für einen Minderjährigen, der nicht unter elterlicher Sorge steht, einen Vormund auszuwählen. Dabei hat das Familiengericht bei der Auswahl mehrerer geeigneter Personen unter anderem den mutmaßlichen Willen der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels und die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel zu beachten, § 1779 Abs. 2 BGB. Durch § 1779 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber die Grundlage für einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlichen Positionen der Betroffenen, insbesondere mit dem durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht, geschaffen. Unter mehreren geeigneten Vormündern hat das Familiengericht die Auswahl nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen.Dieses Ermessen hat der Gesetzgeber aber wiederum in verfassungsgemäßer Konkretisierung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange rechtlich durch § 1779 Abs. 2 Satz 2 BGB sowie durch § 1775 BGB gebunden (vgl. Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Auflage 2012, § 1779 Rn. 4).

Soweit Elternwille oder Kindesbindung nicht bereits eindeutig die Auswahl eines bestimmten Vormunds verlangen, hat das Familiengericht Verwandte und Verschwägerte des Mündels zu ermitteln. Das Gericht wählt unter den geeigneten Familienangehörigen nach pflichtgemäßem Ermessen aus (vgl. Wagenitz, a.a.O., § 1779 Rn. 10). Eine unzureichende Prüfung, welche geeigneten Familienangehörigen vorhanden sind, beeinträchtigt die mit der gesetzlichen Auswahlvorschrift geschützten Grundrechte der Betroffenen.

Angesichts der von den Beschwerdeführern benannten Verwandten, die als Betreuungspersonen in Betracht kommen, hätte es hier besonders sorgfältiger Erwägungen und Ausführungen zur Auswahl des Vormunds bedurft, zumal in der Beschwerdeschrift an das Oberlandesgericht der Wille der Eltern, im Falle der Entziehung der elterlichen Sorge einen Verwandten zum Vormund zu bestimmen, deutlich zum Ausdruck kam. Zwar hat das Oberlandesgericht die Cousine der Beschwerdeführerin zur mündlichen Verhandlung geladen. Nicht nachvollziehbar ist jedoch, weshalb das Oberlandesgericht unter Verweis darauf, die Großmutter sei nicht als Vormund benannt worden, eine nach § 1779 Abs. 3 BGB gebotene Anhörung der Großmutter sowie eine nähere Prüfung der Betreuungsmöglichkeit durch die Großmutter unterlassen hat, obwohl diese als Zeugin benannt wurde und bereits zu einem früheren Zeitpunkt das Kind für einige Tage in Obhut genommen hatte, ohne dass es dabei erkennbar zu Beanstandungen gekommen ist.

Der ohnehin gravierende Eingriff in das Elternrecht durch die Entziehung des Sorgerechts und Trennung des Kindes von den Eltern hätte hier möglicherweise durch eine Unterbringung des Kindes bei Verwandten, zu denen nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern regelmäßig eine engere Bindung als zu fremden Personen haben, abgemildert werden können. Umgangskontakte der Eltern mit dem Kind, die vorliegend grundsätzlich nicht als schädlich angesehen wurden, hätten dadurch möglicherweise erleichtert und gefördert werden können. Dies galt es insbesondere vor dem Hintergrund zu berücksichtigen, dass es sich lediglich um eine vorläufige Maßnahme handelte und eine Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt nicht von vornherein ausgeschlossen werden darf. Aus den angegriffenen Entscheidungen ist jedoch nicht erkennbar, dass diesbezügliche Erwägungen angestellt wurden.

(b) Insoweit setzen sich die Entscheidungen auch nicht hinreichend mit den Auswirkungen der angeordneten Maßnahmen auf das Kindeswohl auseinander. Insbesondere hätten vor dem Hintergrund, dass die Regelung nur temporäre Geltung besitzt, sämtliche Mittel ausgeschöpft werden müssen, um die möglicherweise traumatischen Erfahrungen einer Fremdunterbringung auch für das Kind abzuschwächen. Die vorläufige Unterbringung bei einer verwandten Person, zu der das Kind eine vertrauensvolle Beziehung hat, hätte auch aus Kindessicht eine weniger einschneidende Maßnahme bedeuten können.

b) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fachgerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von einer Übertragung des Sorgerechts auf das Jugendamt als Vormund abgesehen hätten.

c) Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (BVerfGE 102, 197 <198, 224>; 105, 197 <202, 235>).

d) Es erscheint angezeigt, nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil den Beschwerdeführern damit besser gedient ist. Denn es liegt in ihrem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). ..."

***

Entzug der elterlichen Sorge ohne hinreichende Begründung einer Kindeswohlgefährdung und unzureichende Verhältnismäßigkeitsprüfung verletzt betroffenen Elternteil in Grundrecht aus Art 6 Abs 2 S 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 28.02.2012 - 1 BvR 3116/11):

„... II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.

1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Eltern-rechts der Beschwerdeführerin geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungs-rechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde offensichtlich zulässig und begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffenen Entscheidungen in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses ‚natürliche Recht' den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 <88>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 <91>).

Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen gesichert wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (vgl. BVerfGE 60, 79 <89>). Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfGE 24, 119 <145>; 60, 79 <93>). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht befunden, dass der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666a BGB eine Regelung geschaffen hat, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 60, 79 <90>; 72, 122 <138>).

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängen namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr). Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern oder Elternteilen das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, besteht wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (BVerfGE 55, 171 <181>; 72, 122 <138>). Daher können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222>).

bb) Danach sind die Fachgerichte in den angegriffenen Entscheidungen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht geworden.

Die Ausführungen lassen nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die Gerichte die hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Trennung eines Kindes von seinem Elternteil gegen dessen Willen (§ 1666 Abs. 1 BGB) sowie für die Abänderung einer bereits bestehenden Sorgerechtsregelung (§ 1696 BGB) berücksichtigt haben, die in § 1666 Abs. 1, § 1666a, § 1696 BGB ihren einfachrechtlichen Ausdruck gefunden haben. Das Oberlandesgericht erkennt zwar, dass es sich bei den getroffenen Anordnungen um ungewöhnliche und harte Entscheidungen handelt, deren Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht auf der Hand liegen. Das Oberlandesgericht zieht daraus jedoch ebenso wenig wie das Amtsgericht die verfassungsrechtlich gebotene Konsequenz einer besonders sorgfältigen Darlegung der Erfordernisse des Kindeswohls einerseits und der Notwendigkeit der ergriffenen Maßnahmen andererseits.

(1) Die von den Gerichten getroffenen Feststellungen belegen nicht hinreichend, dass eine die Grundrechtseingriffe rechtfertigende Beeinträchtigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Kinder H. T. und S. besteht oder zu befürchten ist. Inwiefern die angeordneten Maßnahmen ihre Grundlage in § 1666 BGB oder in § 1696 BGB finden sollen, geht aus den Entscheidungen nicht klar hervor. Für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde ist dies allerdings im Ergebnis unerheblich. Der Gesetzgeber hat in beiden Bestimmungen den potentiellen Konflikt zwischen elterlichem Erziehungsrecht und den zu schützenden Rechten des Kindes, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes, in verfassungsmäßiger Weise konkretisiert. Die gerichtlichen Feststellungen genügen angesichts des erheblichen Grundrechtseingriffs weder zur Begründung einer Gefährdung des Kindeswohls im Sinne des § 1666 BGB noch zur Feststellung triftiger, das Wohl des Kindes nachhaltig berührender Gründe im Sinne des § 1696 BGB.

(a) Voraussetzung der Entziehung der elterlichen Sorge ist gemäß § 1666 BGB eine Gefährdung des Kindeswohls, also ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich für die weitere Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. Diederichsen, in: Palandt, BGB, 71. Aufl., § 1666 Rn. 10).

Die Abänderung gemäß § 1696 BGB setzt triftige, das Kindeswohl nachhaltig berührende Gründe voraus. Die für die Abänderung maßgebenden Gründe müssen die mit einer Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen. Maßgebend ist das Wohl des Kindes (vgl. Büte, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. 2010, § 1696 Rn. 11).

Die Ausführungen des Oberlandesgerichts lassen keine hinreichenden Erwägungen dazu erkennen, in welcher Art und welchen Ausmaßes seelische Schäden durch das Verbleiben der Kinder bei der Mutter zu befürchten sind. Das Gericht lenkt seinen Blick weitgehend auf die von ihm als negativ bewerteten Verhaltensweisen der Mutter, ohne die sich daraus seiner Auffassung nach ergebenden schwerwiegenden Konsequenzen für die Kinder näher darzulegen. Hinsichtlich der Kinder führt das Oberlandesgericht zwar aus, durch das Verhalten der Mutter werde den Kindern die Vaterfigur genommen und so ohne jede Not eine wesentliche Entwicklungskomponente für die Kinder ausgeblendet beziehungsweise extrem negativ besetzt. Die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Folgen für das weitere Leben der Kinder, die fast vorhersagbaren Persönlichkeitsdefizite würden von der Sachverständigen eindringlich beschrieben. Sie seien aber ohnehin inzwischen fast Allgemeingut und jedenfalls dem Senat aus einer Reihe von Verfahren mit ähnlichen Grundtendenzen des betreuenden Elternteils bekannt. Worin die negativen Folgen für die weiteren Leben der Kinder sowie deren fast vorhersagbare Persönlichkeitsdefizite bestehen, wird jedoch nicht dargelegt. Der nicht konkretisierte Hinweis auf die Beschreibungen der Sachverständigen führt insofern nicht weiter, weil auch aus deren Gutachten nicht hinreichend deutlich hervorgeht, worin genau die hier von Verfassungs wegen zu fordernde schwerwiegende Entwicklungsgefahr für die Kinder besteht. Es kann darum anhand der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht beurteilt werden, ob die vom Gericht für wahrscheinlich gehaltenen Entwicklungen von solcher Art und Gewicht sind, dass sie den schweren Eingriff in das Elternrecht der Mutter rechtfertigen könnten.

Das Amtsgericht hatte in der vom Oberlandesgericht bestätigten Entscheidung unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung ebenfalls bejaht. Es führte aus, im Falle einer Aussetzung der Umgangskontakte bestünden Risiken in Form der Beeinträchtigung der Bindungsbereitschaft, der Verfestigung des negativen Vaterbildes mit der Gefahr einer Selbstwertproblematik, der nicht gelingenden Persönlichkeits- und Autonomieentwicklung, des Stehenbleibens auf einer kindlichen Abhängigkeitsbeziehung von der Mutter sowie einer zukünftigen Belastung der Beziehung zur Mutter. Ein bereits eingetretener Schaden der Kinder lässt sich dieser Aufzählung und auch den weiteren Ausführungen des Amtsgerichts nicht entnehmen, es wird vielmehr von Gefahren für das Kindeswohl ausgegangen, die sich möglicherweise in der Zukunft verwirklichen. Das Ausmaß der eventuell eintretenden Schäden wird jedoch nicht näher festgestellt. Die in Anlehnung an das Sachverständigengutachten beschriebene, zu erwartende Entwicklung der Kinder ist zweifelsfrei nicht das, was einem Kind zu wünschen ist. Dass die Kinder damit im rechtlichen Sinne besonders gravierende Entwicklungseinbußen zu gegenwärtigen hätten, erschließt sich indes nicht. Auch das Amtsgericht setzt sich insoweit nicht damit auseinander, dass für den Entzug des Sorgerechts nicht eine irgendwie geartete Kindeswohlgefährdung ausreicht, sondern eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten sein muss. Das Amtsgericht übernimmt vielmehr die Einschätzung der psychologischen Sachverständigen, dass es sich bei den aufgezählten Risiken um eine Kindeswohlgefährdung handele, ohne die tatsächlichen Ausführungen und Wertungen der Sachverständigen einer spezifisch rechtlichen Bewertung zu unterziehen, derer es hier bedürfte, um das Gewicht der Kindesbelange im Verhältnis zum Elternrecht der Mutter würdigen zu können.

(b) Auf der anderen Seite befassen sich die Entscheidungen auch nicht hinreichend mit den für das Kindeswohl nachteiligen Folgen der Maßnahmen. Eine Maßnahme kann nicht ohne Weiteres als im Sinne der §§ 1666, 1696 BGB aus Gründen des Kindeswohls geboten angesehen werden, wenn sie ihrerseits nachteilige Folgen für das Kindeswohl haben kann.

Das Oberlandesgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Folgen der Fremdunterbringung für die Kinder nicht gravierender sein dürfen als die Folgen eines weiteren Verbleibens bei der Mutter. So lässt die Entscheidung des Oberlandesgerichts eine nähere Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass die Kinder im Wege der getroffenen Anordnungen in eine ihnen fremde Umgebung verbracht werden und ihnen die bisherige Bezugsperson genommen wird, wobei die Situation aus Kindessicht dadurch verschärft wird, dass vorläufig auch der Vater nicht als Betreuungsperson in Betracht kommt und die Kinder für einige Zeit in einer Pflegestelle unterzubringen sind. Unzureichend sind auch die Darlegungen zu möglichen nachteiligen Folgen hinsichtlich der überraschenden Herausnahme der Kinder aus der Obhut der Mutter.

Das Amtsgericht führte in diesem Zusammenhang aus, ihm sei bewusst, dass mit der Herausnahme der Kinder deren erneute Traumatisierung verbunden sein werde. Die Schwere des Eingriffs sei jedoch die Folge der massiven Umgangsverweigerung. Auch das Amtsgericht hat damit die Folgen der plötzlichen Herausnahme der Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung sowie der Trennung von ihrer Mutter und die vorübergehende Unterbringung in einer Pflegestelle nicht hinreichend ins Verhältnis zu den negativen Folgen eines weiteren Verbleibens der Kinder bei der Mutter gesetzt.

(2) Die angegriffenen Entscheidungen lassen zudem eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vermissen. Das Oberlandesgericht erkennt zwar, dass es sich bei den getroffenen Anordnungen um ungewöhnliche und harte Entscheidungen handelt, deren Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit nicht auf der Hand liegen. Gleichwohl verzichtet es auf eine nähere Begründung der Verhältnismäßigkeit der ergriffenen Maßnahmen. Gerade wegen dieses ungewöhnlichen Charakters der Anordnungen und der damit für Mutter und Kinder verbundenen Härten hätte es hier jedoch besonders sorgfältiger Erwägungen und Ausführungen zur Erforderlichkeit bedurft.

(a) Dass die getroffenen Anordnungen einen legitimen Zweck verfolgen und auch geeignet sind, den verfolgten Schutzzweck zu erreichen, ist den Ausführungen hinreichend deutlich zu entnehmen.

(b) Nicht hinreichend dargelegt ist jedoch, dass die Anordnungen zur Erreichung des verfolgten Zwecks erforderlich sind. Die Erforderlichkeit beinhaltet das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, also die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen ( BVerfGE 100, 313 <375>). In Anbetracht des massiven Eingriffs in das Elternrecht der Beschwerdeführerin, der nicht offensichtlich schweren Kindeswohlgefährdung im Fall des Verbleibens bei der Mutter und der aus Sicht des Kindeswohls nicht offensichtlich unproblematischen Wirkungen der ergriffenen Maßnahmen hätten sich die Gerichte intensiv damit auseinandersetzen müssen, ob mildere Mittel zur Verfügung gestanden hätten, die ebenso geeignet gewesen wären, die Kontakte der Kinder zum Vater zu fördern. An die Geeignetheit des milderen Mittels sind hier angesichts der genannten Besonderheiten des Falls keine überzogenen Anforderungen zu stellen.

(aa) Es hätte nahe gelegen, als milderes Mittel Maßnahmen in den Blick zu nehmen, die zur Wiederaufnahme des Umgangs des Vaters mit den Kindern beitragen. Wie die Sachverständige in ihrem Gutachten ausgeführt hat, dienen gerade die Umgangskontakte dem Kindeswohl. Das Gericht hätte darum genauer darlegen müssen, warum die Wiederherstellung des Umgangs mit dem Vater kein geeignetes Mittel zur Wahrung des Kindeswohls ist. Wäre nach genauerer Prüfung die Wiederaufnahme des Umgangs als milderes Mittel grundsätzlich in Betracht gekommen, hätte in einem zweiten Schritt untersucht werden müssen, ob wirksame Maßnahmen zur in der Vergangenheit problematischen Realisierung des Umgangs zur Verfügung stehen. Neben der Anordnung von Zwangsmitteln wären hierzu insbesondere die Installation einer Umgangspflegschaft oder die Anordnung einer Therapie der Kinder zu zählen gewesen. Hiermit hat sich das Oberlandesgericht jedoch, insofern folgerichtig, gar nicht befasst. Erwähnung finden diese alternativen Mittel im Beschluss des Amtsgerichts. Sie werden jedoch auch dort nicht mit der angesichts des erheblichen Grundrechtseingriffs gebotenen Sorgfalt erörtert.

(bb) Zum einen hätte genauerer Betrachtung bedurft, ob zur Durchsetzung des bestehenden Umgangsbeschlusses die Anordnung von Zwangsmitteln gemäß §§ 88 ff. FamFG in Betracht kommt. Soweit das Amtsgericht ausführt, die Verhängung von Zwangsmitteln werde die Mutter nicht davon abhalten, ihre Ängste und ihre Ablehnung des Vaters weiterhin auf die Kinder zu übertragen, ist dem Beschluss nicht zu entnehmen, auf welche konkreten Umstände das Gericht diese Annahme stützt, da - soweit ersichtlich - bisher keine Vollstreckungsversuche unternommen wurden. Ein Gericht kann aber grundsätzlich nicht ohne nähere Darlegung die von der Rechtsordnung zur Durchsetzung des Rechts vorgesehenen Instrumente für untauglich erklären.

(cc) Zum anderen wäre die Möglichkeit genauer zu erörtern gewesen, vor einer Fremdunterbringung und Entzug des Sorgerechts eine Umgangspflegschaft gemäß § 1684 Abs. 3 Sätze 3 - 6 BGB zur Gewährleistung der Durchführung der Umgangskontakte anzuordnen. Zwar führt das Amtsgericht aus, auch die Bestellung eines Umgangspflegers verspreche keinen Erfolg, da die notwendige Mitwirkung der Mutter nicht zu erwarten sei. Vielmehr wären wieder längere Unterbrechungen der Kontakte zu erwarten, mit der Folge, dass sich die Kinder weiter vom Vater entfernten. Hier fehlt es jedoch an differenzierten Erwägungen zu der Möglichkeit der Installation einer Umgangspflegschaft. Die Umgangspflegschaft umfasst den Anspruch auf Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs sowie das Recht, für die Dauer des Umgangs den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen. Insbesondere für den Fall der Umgangsverweigerung durch einen Elternteil und die damit einhergehende Beeinträchtigung des Kindeswohls ist sie als geeignete Maßnahme anzusehen. Da die Umgangspflegschaft den Eingriff auf das zunächst erforderliche Maß beschränkt, ist sie als milderes Mittel einem vollständigen Entzug des Sorgerechts nach § 1666 BGB vorzuziehen. Ihre Anordnung kann nur dann unterbleiben, wenn die Umgangspflegschaft offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 247/11 - FamRZ 2012, S. 99 <101 f.>). Zwar hilft die Bestellung eines Umgangspflegers nicht weiter bei einem Elternteil, der sich - trotz Androhung und Verhängung von Zwangsgeldern - nachhaltig und erfolgreich geweigert hat, einen Umgang einzuräumen (Ziegler, in: Klein, Das gesamte Familienrecht, Bd. 3, § 1684 Rn. 37 <Dez. 2011>). Dies ist aus den angegriffenen Entscheidungen und der beigezogenen Akte jedoch nicht ersichtlich. Die Anordnung von Zwangsmitteln wurde offensichtlich mangels Antrags des Vaters gar nicht erst in Erwägung gezogen, so dass auch die Einrichtung einer Umgangspflegschaft nicht ohne nähere Begründung als aussichtslos angesehen werden kann.

(dd) Schließlich wäre auch eine Therapieauflage in Betracht zu ziehen gewesen, wonach der Mutter auferlegt wird, die Kinder einer therapeutischen Behandlung zuzuführen, um die Umgangskontakte mit dem Vater zu fördern. Hierzu finden sich keinerlei Überlegungen.

b) Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 10. und 28. Oktober 2011 und des Oberlandesgerichts vom 17. November 2011 beruhen auf den Verstößen gegen das Elternrecht der Beschwerdeführerin. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von einer Sorgerechtsentziehung und Abänderung der Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts abgesehen hätten.

c) Es erscheint angezeigt, nur den Beschluss des Oberlandesgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an einen anderen Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG), weil der Beschwerdeführerin damit besser gedient ist. Denn es liegt in ihrem Interesse, möglichst rasch eine das Verfahren abschließende Entscheidung über die von der Sachverständigen angeregte Entziehung ihres Sorgerechts zu erhalten (vgl. BVerfGE 84, 1 <5>; 94, 372 <400>). ..."

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Vorläufige Rückführung eines Sohnes in eine Pflegestelle (BVerfG, 1 BvR 303/11 vom 20.06.2011, Absatz-Nr. (1 - 27), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20110620_1bvr030311.html):

„... I. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vorläufige Rückführung seines Sohnes in eine Pflegestelle.

1. Der Beschwerdeführer ist der nichteheliche Vater eines im Dezember 2002 geborenen Sohnes. Das Sorgerecht stand beiden Kindeseltern gemeinsam zu. Das Kind lebte bei der Mutter in V.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2010 entzog das Amtsgericht der Kindesmutter im Wege einer einstweiligen Anordnung das Sorgerecht für den Jungen und übertrug es auf den Beschwerdeführer zur alleinigen Ausübung mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das dem Kreisjugendamt V. als Pfleger übertragen wurde. Der Kindesmutter wurde aufgegeben, das Kind unverzüglich an den Beschwerdeführer herauszugeben. Zur Begründung führte das Amtsgericht unter Berufung auf §§ 1666 f. BGB aus, dass die Kindesmutter derzeit zur Ausübung der elterlichen Sorge nicht in der Lage und daher das Wohl des Kindes akut gefährdet sei. Der Beschwerdeführer stimme der von der gerichtlichen Sachverständigen für erforderlich gehaltenen Unterbringung des Kindes in einer heilpädagogischen Einrichtung zu und werde es nicht sogleich in seinen Haushalt integrieren. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf das Jugendamt erfolge im Hinblick auf die angestrebte heilpädagogische Maßnahme, deren Voraussetzungen das Jugendamt bestens kenne.

Das Kind wurde in eine Übergangspflegestelle im Landkreis des Pflegers aufgenommen. Die Kindesmutter legte gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Beschwerde ein.

In Ziffer 1) des angegriffenen, nicht begründeten Beschlusses vom 21. Januar 2011 setzte das Oberlandesgericht den amtsgerichtlichen Beschluss vom 7. Oktober 2010 einstweilen außer Vollzug mit der Maßgabe, dass dem Landkreis V. als Pfleger einstweilen das Recht zur Aufenthaltsbestimmung - mit Ausnahme einer Ortsveränderung - und zur Gesundheitsfürsorge für das betroffene Kind übertragen wird. Daneben traf es noch weitere Anordnungen.

Am 22./23. Januar 2011 zog das Kind in Absprache mit dem Pfleger in den Haushalt des Beschwerdeführers in den Landkreis H.

Mit weiterem Beschluss vom 25. Januar 2011 gab das Oberlandesgericht dem Pfleger auf, das Kind sofort wieder in den Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes V. zurückzubringen und es in einer Pflegestelle unterzubringen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Kind entgegen seinen Anordnungen im vorangegangenen Beschluss vom 21. Januar 2011 nach H. verbracht worden sei und sich jetzt im Bereich des dortigen Jugendamtes befinde. In dieser Verbringung des Kindes und seinem fortdauernden Aufenthalt dort sehe der Senat eine mögliche Gefahr für das Kindeswohl, weil das Kind nicht nur aus seiner gewohnten Umgebung (Mutter, Wohnung, Schule, Freunde etc.) entfernt worden sei, sondern auch den Umgang mit seiner Mutter entbehren müsse, ohne dass geklärt sei, welcher Aufenthalt auf Dauer seinem Wohl eher zuträglich sei. Ein längerer Aufenthalt des Kindes in H. und damit seine entsprechende Eingewöhnung seien nicht zu verantworten, solange nicht abzusehen sei, wo letztlich sein endgültiger Aufenthalt sein werde. Das Jugendamt V. werde daher gemäß § 1666 BGB angewiesen, die zur Beseitigung der Gefahr erforderliche Maßnahme, nämlich den Rücktransport des Kindes nach V., sofort zu veranlassen.

Gegen den Beschluss vom 21. Januar 2011 erhob der Pfleger Anhörungsrüge, hilfsweise Gegenvorstellung. Er führte unter anderem aus, dass die Rückführung des Kindes in seine frühere Pflegestelle nicht mit seinem Wohl vereinbar sei. Das Kind werde hierdurch erneut verunsichert, nachdem der Wechsel zum Beschwerdeführer vorbereitet worden sei und das Kind die Situation für sich verstanden habe. Unter dem 27. Januar 2011 beschloss das Oberlandesgericht, die Gegenvorstellung des Pflegers gebe keinen Anlass zur Änderung des Beschlusses vom 21. Januar 2011, die Anhörungsrüge sei unstatthaft. Mit Verfügung vom 28. Januar 2011 teilte es dem Pfleger außerdem mit, dass derzeit die Kindesmutter - mit den bekannten Ausnahmen - einzige Inhaberin des Sorgerechts sei. Der Senat gehe davon aus, dass die Rückkehr des Kindes spätestens am 6. Februar 2011 erfolgen werde. Sollte eine Rückführung in die frühere Pflegestelle nicht möglich sein, bleibe es beim Beschluss vom 25. Januar 2011. Selbstverständlich komme dabei eine Rückführung in den Haushalt der Mutter nicht - jedenfalls nicht vor Abschluss des Verfahrens - in Betracht.

Der Beschwerdeführer erhob Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 21. Januar 2011 und wies auf das gemeinsame Sorgerecht der Kindeseltern hin. Hierauf teilte der Berichterstatter des Senats dem Beschwerdeführer mit, dass nach erneuter Prüfung die Verfügung vom 28. Januar 2011 dahin klargestellt werde, dass aufgrund gemeinsamer Sorgeerklärung Inhaber des Sorgerechts auch der Beschwerdeführer sei.

2. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 6 GG durch die vom Oberlandesgericht angeordnete Fremdunterbringung des Kindes.

3. Mit Beschluss vom 4. Februar 2011 hat das Bundesverfassungsgericht im Wege einer einstweiligen Anordnung die Vollziehung der Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2011 bezüglich Ziffer 1) und vom 25. Januar 2011 bis zur Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen weitere Anordnungen (Ziffer 2 bis 4) im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2011 richtete, hat es die Verfassungsbeschwerde mangels Zulässigkeit nicht zur Entscheidung angenommen.

4. Die Verfassungsbeschwerde wurde der Niedersächsischen Landesregierung, der Kindesmutter, dem Pfleger des Kindes und der Verfahrenbeiständin des Ausgangsverfahrens zugestellt. Es wurden keine Stellungnahmen abgegeben.

5. Die Akte des Ausgangsverfahrens lag der Kammer vor.

II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt.

1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Elternrechts des Beschwerdeführers geboten (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die Verfassungsbeschwerde zulässig und offensichtlich begründet ist (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

a) Die Verfassungsbeschwerde ist - soweit noch über sie zu entscheiden ist - zulässig.

aa) Sie ist dahingehend auszulegen, dass der Beschwerdeführer sich nicht nur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21. Januar 2011, sondern auch gegen die ergänzende Anordnung des Oberlandesgerichts vom 25. Januar 2011 wendet. Denn die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen die Rückführung des Kindes in die Pflegestelle, die zugleich Gegenstand der Anordnung vom 25. Januar 2011 war.

bb) Der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde steht nicht der Subsidiaritätsgrundsatz entgegen, obgleich die angegriffenen Entscheidungen im einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen sind und eine Entscheidung in der Hauptsache noch aussteht.

Der Grundsatz der Subsidiarität fordert über das Gebot der Rechtswegerschöpfung hinaus, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (BVerfGE 104, 65 <70 f.>; stRspr). Das ist dem Beschwerdeführer vorliegend nicht möglich. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Fremdunterbringung seines Kindes, die gerade durch die angegriffenen Eilentscheidungen ermöglicht werden soll. Er rügt damit eine Verfassungsverletzung durch die Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz selbst. Eine Grundrechtsverletzung könnte wegen der noch vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens beabsichtigten Herausnahme des Kindes aus seinem Haushalt durch die Hauptsacheentscheidung nicht mehr vollständig ausgeräumt werden.

b) Der Beschwerdeführer wird durch die Anordnung der erneuten Fremdunterbringung seines Kindes in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses ‚natürliche Recht' den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (vgl. BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Nicht jede mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohls berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Vielmehr kommt ein solcher Eingriff nur in Betracht, wenn das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>). Diese sich unmittelbar aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 GG ergebenden Anforderungen sind auch beim Erlass vorläufiger Eilmaßnahmen zu beachten.

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die vorläufige Aussetzung des amtsgerichtlichen Beschlusses und der Anordnung der erneuten Unterbringung des Kindes in einer Pflegestelle das Elternrecht des Beschwerdeführers in seiner Bedeutung und Tragweite verkannt. Den angegriffenen Entscheidungen sind keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass das Kind bei einem Verbleiben im Haushalt des sorgeberechtigten Beschwerdeführers in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Allein der Umstand, dass das Kind durch den Wechsel aus der Pflegestelle zum Beschwerdeführer seine gewohnte Umgebung in V. verliert, rechtfertigt keine Trennung des Kindes von seinem Vater, an dessen Betreuungs- und Erziehungseignung nach den vom Oberlandesgericht nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Amtsgerichts keine grundsätzlichen Bedenken bestehen. Einer möglicherweise kindeswohlgefährdenden Entfremdung des Kindes von der Mutter, in deren Haushalt das Kind auch nach Auffassung des Oberlandesgerichts derzeit nicht zurückkehren kann, kann durch eine angemessene Umgangsregelung Rechnung getragen werden.

c) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem Verstoß gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht bei gebotener Berücksichtigung des Elternrechts des Beschwerdeführers von einer Aussetzung des amtsgerichtlichen Beschlusses und der Anordnung der unverzüglichen Rückführung des Kindes in eine Pflegestelle abgesehen hätte.

2. Die Entscheidung über die teilweise Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers im Verfassungsbeschwerdeverfahren folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. In Anbetracht des Umfangs, in dem der Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde erfolgreich ist, ist eine Erstattungsanordnung von vier Fünftel seiner Auslagen angemessen.

Mit der Anordnung der überwiegenden Auslagenerstattung zugunsten des Beschwerdeführers erledigt sich dessen - nach der teilweisen Nichtannahme seiner Verfassungsbeschwerde gestellter - Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (vgl. BVerfGE 105, 239 <252>).

3. Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>). Weder die subjektive oder die objektive Bedeutung der Sache noch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit rechtfertigen hier eine höhere Festsetzung. ..."

***

Unzulässige Psychotherapie-Auflage im Sorgerechtsverfahren (BvR 1572/10 vom 1.12.2010, Absatz-Nr. (1 - 27), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20101201_1bvr157210.html):

„... Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer - bereits teilweise nicht zur Entscheidung angenommenen - Verfassungsbeschwerde unter anderem gegen die ihr im Rahmen eines Sorgerechtsverfahrens erteilte Auflage, eine bereits begonnene Psychotherapie nach Weisung des Jugendamtes fortzusetzen.

1. Die unverheiratete Beschwerdeführerin ist Mutter einer im Mai 2001 geborenen Tochter und eines im Januar 2005 geborenen Sohnes. Sie war für beide Kinder allein sorgeberechtigt. Mit Beschluss vom 4. November 2008 bestätigte das Amtsgericht im Rahmen eines vom Jugendamt angeregten Verfahrens nach §§ 1666 f. BGB seine zuvor ergangene einstweilige Anordnung, mit der der Beschwerdeführerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge sowie das Recht, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, für ihren Sohn entzogen und auf das Jugendamt als Pfleger übertragen worden war. Zugleich traf es eine Umgangsregelung. Seit Dezember 2008 lebt der Sohn der Beschwerdeführerin in einer Dauerpflegefamilie.

Mit Beschluss vom 6. Mai 2010 wies das Oberlandesgericht die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung gerichtete Beschwerde der Beschwerdeführerin zurück. Es änderte den amtsgerichtlichen Beschluss in der Umgangsregelung sowie dahingehend ab, dass der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Tochter die Auflage erteilt wurde, ‚die bereits begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt - in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten - als erforderlich ansieht'. Die Auflage sei auf Antrag von Jugendamt und Verfahrenspflegerin zu verhängen, um zum Wohle des Mädchens zu gewährleisten, dass die bereits begonnene Therapie fortgesetzt werde. Das erscheine aufgrund der Vorfälle der letzten zwei Jahre und wegen der eingeschränkten Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin als erforderlich.

2. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 4. November 2008 und des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 Verfassungsbeschwerde eingelegt und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Mit Beschluss vom 13. Juli 2010 hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, soweit sich die Beschwerdeführerin hiermit gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 4. November 2008 und gegen die Zurückweisung der hiergegen gerichteten Beschwerde sowie die Umgangsregelung im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 gewandt hat. Damit hat sich zugleich ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erledigt.

3. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen die Auflage der Therapiefortsetzung im Beschluss des Oberlandesgerichts richtet, wurde sie der Regierung des Landes Hessen zugestellt. Diese hat von einer Stellungnahme abgesehen.

4. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Auflage, die begonnene Psychotherapie fortzusetzen, solange es das Jugendamt für erforderlich halte, verletze sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Es fehle an einer verfassungsrechtlich gebotenen klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Grundlage für einen solch weitreichenden Eingriff. Eine solche könne insbesondere nicht in § 1666 BGB gesehen werden. Eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts ergebe sich zudem daraus, dass das Oberlandesgericht ausdrücklich auf eine Absprache des Jugendamtes mit dem Therapeuten abstelle und damit dem Jugendamt einen Auskunftsanspruch einräume.

5. Die Akten des Ausgangsverfahrens lagen der Kammer vor.

II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, soweit sie sich gegen die Auflage zur Fortsetzung der Psychotherapie im Beschluss des Oberlandesgerichts vom 6. Mai 2010 richtet, und gibt ihr statt.

1. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen einer stattgebenden Kammerentscheidung sind gegeben (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Persönlichkeitsrecht sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84 f.>; 84, 192 <194 f.>; 89, 69 <82 ff.>; 96, 56 <61>; 121, 69 <90 f.>). Die Verfassungsbeschwerde ist, soweit sie sich gegen die Auflage der Fortsetzung der Psychotherapie richtet, zulässig und begründet.

a) Die Verfassungsbeschwerde ist insoweit zulässig. Insbesondere hat die Beschwerdeführerin gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG hinreichend dargetan, dass die angegriffene Auflage zur Fortsetzung der Psychotherapie sie in ihrem Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verletzen könnte.

Der Beschwerdeführerin fehlt auch nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung einer hiergegen gerichteten Verfassungsbeschwerde, weil sie möglicherweise ohnehin gewillt ist, die Psychotherapie zu Ende zu führen. Dies schließt nicht aus, dass sich ihre Meinung im Laufe der Behandlung ändert und sie dann die Therapie aufgrund der gerichtlichen Anordnung gegen ihren Willen fortsetzen müsste. Ebenso wenig lässt der Umstand, dass die Anordnung mangels hinreichender Bestimmtheit der zu absolvierenden Therapie nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar ist, das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin entfallen. Denn die im Beschlusswege ergangene Anordnung hat gleichwohl verbindlichen Charakter und kann von der Beschwerdeführerin nicht ohne Rechtsverstoß missachtet werden.

b) Die Auflage, die begonnene Psychotherapie bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, den das Jugendamt - in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten - als erforderlich ansieht, verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.

aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (vgl. BVerfG 65, 1; 80, 367). Hierzu zählt auch der Schutz vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter des Einzelnen (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>; 89, 69 <82>). Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 f.>; 65, 1 <45 f.> ; 89, 69 <82 f.>).

Ungeachtet der konkret angewandten Form der Psychotherapie besteht ihr Ziel darin, im Wege der Interaktion mit dem Therapeuten persönliche Verhaltensweisen und/oder bestimmte Persönlichkeitsstrukturen zu ändern, um psychische Störungen oder Leiden zu mindern oder zu beheben. Eine solche Behandlung erfordert regelmäßig eine stete Analyse der seelischen Verfassung und persönlichen Denkweisen des Patienten durch den Therapeuten und verlangt vom Patienten seinerseits eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst. Sie berührt damit den höchstpersönlichen, durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Lebensbereich des Betroffenen. Dieser umfasst auch den Willen und die Entscheidung des Einzelnen, sich einer psychotherapeutischen Einflussnahme auf die eigene Persönlichkeit zu unterwerfen oder aber dies nicht zu tun.

bb) Wird jemand kraft gerichtlicher Anordnung verpflichtet, sich einer Psychotherapie gegebenenfalls auch gegen seinen Willen zu unterziehen, greift dies in das Recht auf Achtung seiner Privatsphäre ein (vgl. BVerfGK 1, 167 <169 f.> zur Erzwingung einer psychologischen Begutachtung). Dabei ist nicht entscheidend, ob die erteilte Auflage im Falle einer Weigerung mit Zwangsmitteln durchsetzbar wäre. Bereits die gerichtlich verbindlich getroffene Anordnung beeinträchtigt den Betroffenen in seiner Entscheidungsbildung, zumal der verpflichtete Elternteil im Falle des Nichtbefolgens gleichwohl mit negativen Konsequenzen, etwa einem erneuten Verfahren nach §§ 1666 f. BGB rechnen muss.

Die angegriffene Auflage greift zudem auch insoweit in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beschwerdeführerin ein, als die Entscheidung über die Therapiedauer in das Ermessen des Jugendamtes ‚in Abstimmung mit dem jeweiligen Therapeuten' gestellt wird. Eine Abstimmung setzt einen Informationsaustausch zwischen Jugendamt und Therapeut zumindest über den bisherigen Erfolg der Therapie sowie die etwaige Notwendigkeit weiterer therapeutischer Maßnahmen und damit über dem Schutz von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG unterfallende Sachverhalte voraus. Die Anordnung einer solchen Datenübermittlung durch das Gericht beschneidet das Recht der Beschwerdeführerin, grundsätzlich selbst über die Weitergabe grundrechtlich relevanter Informationen zu entscheiden.

cc) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>; 65, 1 <44>; 89, 69 <84>; 96, 56 <61>). Aus der gesetzlichen Grundlage müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>; 121, 69 <91>; BVerfGK 1, 167 <170>). In grundlegenden normativen Bereichen hat der Gesetzgeber dabei alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 61, 260 <275>; 88, 103 <116>).

(1) Für den erheblichen Eingriff einer gerichtlich angeordneten Psychotherapie zur Verbesserung der Erziehungsfähigkeit fehlt eine solcherart klare und unmissverständliche gesetzliche Grundlage. Die - hier allein in Betracht kommende - Vorschrift des § 1666 Abs. 1 und 3 BGB genügt diesen Anforderungen insoweit nicht (vgl. hierzu auch OLG Saarbrücken, Beschluss vom 19. Oktober 2010 - 6 UF 48/09 -, NJW-RR 2010, S. 146 <148>, OLG Bremen, Beschluss vom 2. November 2009 - 4 UF 83/09 -, FamRZ 2010, S. 821 <822>; zur zwangsweisen Begutachtung in Sorgerechtsverfahren vgl. außerdem: BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09 -, NJW 2010, S. 1351 <1352>; sowie zur Zulässigkeit von Therapieauflagen im Rahmen von § 1684 (§ 1634 a.F.) BGB: BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1993 - XII ZB 88/92 -, FamRZ 1994, S. 158 <160>; OLG Brandenburg, Beschluss vom 21. November 2001 - 9 UF 219/01 -, FamRZ 2002, S. 975 <977 f.>; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Februar 2003 - 20 WF 152/02 -, FamRZ 2004, S. 56 <57>; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. Januar 2007 - 17 UF 190/06 -, NJW-RR 2007, S. 1083).

§ 1666 BGB erlaubt Eingriffe in die elterliche Sorge, wenn das Kindeswohl gefährdet ist und die Eltern in ihrer Schutzfunktion ausfallen. Die Regelung wurde durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls vom 4. Juli 2008 (BGBl I S. 1188) neu gefasst. Dabei wurde in Absatz 3 eine beispielhafte Aufzählung der Rechtsfolgen von § 1666 Abs. 1 BGB aufgenommen. Mit der Änderung sollte exemplarisch klargestellt werden, welche familiengerichtlichen Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle der Sorgerechtsentziehung möglich sind (BTDrucks 16/6815, S. 11). Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung einer Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes oder seines Vermögens erforderlich sind, sofern die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören gemäß Absatz 3 der Regelung insbesondere Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen (Nr. 1), Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen (Nr. 2), Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält (Nr. 3), Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen (Nr. 4), die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge (Nr. 5) und die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge (Nr. 6).

(a) Die Anordnung, dass sich ein Elternteil selbst einer psychiatrischen Therapie zu unterziehen hat, lässt sich keinem der in Absatz 3 beispielhaft aufgeführten Maßnahmen zuordnen oder ist ihnen vergleichbar. Insbesondere handelt es sich bei der Aufnahme oder Weiterführung einer Psychotherapie weder um eine öffentliche Hilfe noch um eine Maßnahme der Gesundheitsfürsorge für das Kind im Sinne von Absatz 3 Nr. 1. Die im Interesse vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten des Gerichts weit gefasste Formulierung des § 1666 Abs. 1 BGB (vgl. BTDrucks 16/6815, S. 11) lässt jedenfalls nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit erkennen, dass die Aufnahme beziehungsweise Fortsetzung einer Psychotherapie durch ein Elternteil hiernach zulässigerweise zur Auflage gemacht werden kann. Gegen eine solche Auslegung spricht vielmehr der systematische Gesichtspunkt, dass die psychotherapeutische Behandlung der Eltern - anders als die in Absatz 3 genannten Ge- und Verbote - keine Maßnahme ist, die die sorgerechtlichen Beziehungen zum Kind berührt. Dieses ist nur insoweit mittelbar betroffen, als infolge der angestrebten Veränderung der elterlichen Persönlichkeitsstrukturen oder Verhaltensweisen des Elternteils eine Verbesserung seiner Erziehungsfähigkeit erreicht werden soll.

Die verbindliche Auflage, eine Psychotherapie durchzuführen beziehungsweise fortzusetzen, kann angesichts des hiermit verbundenen erheblichen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Elternteils zudem nicht etwa als milderes Mittel gegenüber dem in § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB aufgeführten Sorgerechtsentzug angesehen werden. Auch der Entstehungsgeschichte lassen sich keine Hinweise dahingehend entnehmen, dass vom Regelungszweck der Vorschrift ein derartiger Eingriff in das nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht der Eltern umfasst sein sollte. Allerdings hindert der Umstand, dass nach alldem die verpflichtende Anordnung einer Psychotherapie der Eltern unzulässig ist, das Gericht nicht, dem betroffenen Elternteil die Aufnahme oder Weiterführung einer psychotherapeutischen Behandlung anzuraten, durch die eine Verbesserung seiner Erziehungsfähigkeit erreicht werden könnte. Besteht die Kindeswohlgefährdung fort, weil der Elternteil der Anregung nicht nachkommt oder aber die Therapie zu keiner hinreichenden Verbesserung der Erziehungsfähigkeit führt, bleibt dem Gericht als ultima ratio die Möglichkeit, gemäß § 1666 Abs. 1 und 3 Nr. 6 BGB dem Elternteil das Sorgerecht oder Teile hiervon zu entziehen.

(b) Soweit der angegriffene Beschluss eine Abstimmung des Jugendamtes mit dem jeweiligen Therapeuten über die Fortdauer der Psychotherapie vorsieht, fehlt es ebenfalls an einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. § 1666 BGB enthält keine Befugnis zur Anordnung derartiger Aufklärungsmaßnahmen durch das Jugendamt. Im Übrigen lässt das Oberlandesgericht unberücksichtigt, dass der Therapeut möglicherweise der Schweigepflicht nach § 203 StGB unterliegt und daher eine Abstimmung des Jugendamtes mit dem Therapeuten über die Erforderlichkeit der Therapiefortsetzung ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin gar nicht möglich ist.

(2) Die angegriffene Auflage, die Psychotherapie fortzusetzen, ist zudem unverhältnismäßig. Sofern die Beschwerdeführerin - wozu der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts keine Feststellungen enthält - die Psychotherapie selbst fortsetzen möchte, ist die beschlossene Auflage zur Abwehr der Gefährdung des Wohls des Kindes jedenfalls derzeit nicht erforderlich. Sollte die Beschwerdeführerin hingegen zu einer Weiterführung der psychiatrischen Therapie nicht bereit sein, bestehen erhebliche Zweifel, dass die zwangsweise verordnete Maßnahme den beabsichtigten Erfolg einer Verbesserung der Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin herbeiführen kann. Denn neben einem tragfähigen Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Therapeut wird der Erfolg einer Psychotherapie regelmäßig von der Bereitschaft des Betroffenen abhängig sein, sich auf die Analyse seiner Persönlichkeit und Verhaltensweisen einzulassen, an der Erarbeitung von Lösungsstrategien mitzuarbeiten und gegenüber Hilfestellungen durch den Therapeuten offen zu sein. Hieran dürfte es jedoch häufig fehlen, wenn sich ein Elternteil einer Psychotherapie nur widerwillig aufgrund gerichtlicher Verpflichtung unterwirft. Vor diesem Hintergrund hätte das Gericht zumindest näher darlegen müssen, woraus es seine Überzeugung schöpft, dass die angeordnete Maßnahme zur Gefahrenabwehr geeignet ist.

dd) Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht bei Beachtung der Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts davon abgesehen hätte, die Beschwerdeführerin zu einer Fortsetzung der Therapie nach Weisung des Jugendamtes zu verpflichten. ..."

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Die durch Art. 6 II 1 GG garantierte primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden könnten. Die Eltern und deren sozio-ökonomischen Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Zum Wächteramt des Staates zählt nicht die Aufgabe, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 II 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Voraussetzung der Entziehung der elterlichen Sorge ist gem. § 1666 BGB eine Gefährdung des Kindeswohls, also ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Die hinreichende Tatsachengrundlage dafür ist vom Gericht näher darzutun (BVerfG, Beschluss vom 29.01.2010 - 1 BvR 374/09, NJW 2010, 2333 ff).

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Unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes ist es nicht zu beanstanden, wenn erstmals in der Beschwerdeinstanz zur Durchsetzung des Umgangsrechts eine teilweise Sorgerechtsentziehung (Einrichtung einer Umgangspflegschaft) verfügt wird (BVerfG, Beschluss vom 30.08.2005 - 1 BvR 1895/03).

*** (BGH)

Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 - XII ZB 408/18, FamRZ 2019, 598 und vom 23. November 2016 - XII ZB 149/16, BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Während die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Sorge nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich bei ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig ist, können weniger einschneidende Eingriffe, zu denen die im Katalog des § 1666 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BGB exemplarisch aufgeführten Maßnahmen zählen, bereits im Fall einer nicht überwiegend wahrscheinlichen Gefahr angemessen sein, soweit es um die Abwehr einer massiven Rechtsgutbeeinträchtigung geht (Fortführung der Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2019 - XII ZB 408/18, FamRZ 2019, 598 und vom 23. November 2016 - XII ZB 149/16, BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). Wird durch eine auf § 1666 Abs. 3 Nr. 3 und 4 BGB gestützte Schutzanordnung der persönliche Umgang des Elternteils mit dem Kind eingeschränkt oder ausgeschlossen, muss sich diese Anordnung auch an den Voraussetzungen des § 1684 Abs. 4 BGB messen lassen (BGH, Beschluss vom 21.09.2022 - XII ZB 150/19).

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Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - XII ZB 149/16, BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Eine nur abstrakte Gefährdung genügt nicht (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - XII ZB 149/16, BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die - auch teilweise - Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 23. November 2016 - XII ZB 149/16, BGHZ 213, 107 = FamRZ 2017, 212). Die Differenzierung der Wahrscheinlichkeitsgrade auf der Tatbestandsebene und der Rechtsfolgenseite ist geboten, um dem Staat einerseits ein - gegebenenfalls nur niederschwelliges - Eingreifen zu ermöglichen, andererseits aber im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Korrekturmöglichkeit zur Verhinderung übermäßiger Eingriffe zur Verfügung zu stellen (BGH, Beschluss vom 06.02.2019 - XII ZB 408/18).

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Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Die Aufzählung der Ge- und Verbote in § 1666 Abs. 3 BGB ist nicht abschließend, so dass auch andere zur Abwendung der Gefahr geeignete Weisungen in Betracht kommen. Soweit diese einen erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeuten, ist die Regelung in § 1666 Abs. 1 und 3 BGB nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn es sich um die in § 1666 Abs. 3 BGB ausdrücklich benannten oder diesen vergleichbare Maßnahmen handelt. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die - auch teilweise - Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011, XII ZB 247/11. FamRZ 2012, 99; BGH, Beschluss vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16).

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Zu den Voraussetzungen einer Trennung des Kindes von den Eltern wegen erzieherischer Defizite der Eltern. Das Umgangsbestimmungsrecht ist selbstständiger Teil der Personensorge, der im Fall der Kindeswohlgefährdung gesondert entzogen werden kann. Bei einem Konflikt unter den Eltern sind eine gerichtliche Umgangsregelung und die Bestimmung eines Umgangspflegers als mildere Mittel stets vorrangig. Das Verbot der reformatio in peius gilt in Beschwerdeverfahren über eine (teilweise) Sorgerechtsentziehung nur eingeschränkt und schließt - nach entsprechendem Hinweis an die Beteiligten - eine im Sinne des Kindeswohls gebotene Entziehung weiterer elterlicher Sorgebefugnisse auch dann nicht aus, wenn nur die Eltern Beschwerde eingelegt haben (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2007, XII ZB 42/07, FamRZ 2008, 45; BGH, Beschluss vom 06.07.2016 - XII ZB 47/15 - Volltext unter http://www.leitsatzkommentar.de/sorgerecht.htm - § 1626 BGB).

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„... a) Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht allerdings angenommen, dass die Beschwerdeberechtigung nach § 59 Abs. 1 FamFG eine unmittelbare Beeinträchtigung des Beschwerdeführers in einem ihm zustehenden subjektiven Recht voraussetzt (vgl. nur Senatsbeschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 623/11 - NJW 2012, 2039 Rn. 8; MünchKommFamFG/Fischer 2. Aufl. § 59 Rn. 2). Ein bloßes berechtigtes Interesse an der Änderung oder Beseitigung der Entscheidung genügt insoweit nicht. Ebenso wenig kann die Mutter ihre Beschwerdeberechtigung allein aus dem Elternrecht gemäß Art. 6 Abs. 2 GG herleiten. Insoweit unterscheidet sich in Kindschaftssachen die Rechtslage nach § 59 Abs. 1 FamFG nicht von der früheren nach § 20 Abs. 1 FGG (zu Letzterem Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - XII ZB 103/08 - FamRZ 2009, 220 Rn. 13).

Aus diesen Vorgaben folgt, wie das Oberlandesgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, dass die bloße formelle Beteiligung im amtsgerichtlichen Verfahren ebenso wenig wie ein bloßes Interesse, den anderen Elternteil von der elterlichen Sorge auszuschließen, eine Beschwerdeberechtigung der Mutter zu begründen vermag.

b) Der wegen einer Maßnahme nach § 1666 BGB nicht mehr sorgeberechtigte Elternteil ist aber gegen die Übertragung des Sorgerechts vom Amtsvormund auf den anderen Elternteil beschwerdeberechtigt, weil er durch diese Entscheidung unmittelbar in seinen Rechten im Sinne von § 59 Abs. 1 FamFG betroffen ist.

Maßnahmen nach § 1666 BGB sind mit erheblichen Eingriffen in das durch Art. 6 Abs. 2 und 3 GG geschützte Elternrecht verbunden. Daher müssen sie zur Abwehr der Gefahr für das Kindeswohl geeignet, erforderliche und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (BVerfG FamRZ 2009, 1472 Rn. 19 mwN; vgl. auch Britz FamRZ 2015, 793, 794 ff.). Solche Maßnahmen sind daher grundsätzlich nur als vorübergehend anzusehen und erwachsen nur in formelle, nicht jedoch in materielle Rechtskraft (BVerfG FamRZ 2005, 783, 784 f.). Letzteres zeigt § 1696 Abs. 2 BGB. Nach dieser Vorschrift müssen die Maßnahmen von Amts wegen aufgehoben werden, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist (vgl. Johannsen/Henrich/Büte Familienrecht 6. Aufl. § 1696 BGB Rn. 33). Die Vorschrift bringt damit den im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur als Eingriffs-, sondern auch in zeitlicher Hinsicht als Bestandsvoraussetzung einer Maßnahme nach § 1666 BGB zum Ausdruck (BT-Drucks. 16/6308 S. 346) und schützt insofern - neben dem Kindeswohl - unter den genannten Voraussetzungen auch das Recht von Eltern auf Rückübertragung des Sorgerechts, wenn diese von Maßnahmen nach § 1666 BGB betroffen waren.

Im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung nach vorausgegangenem Entzug der elterlichen Sorge ist deshalb immer auch zu prüfen, ob der von der Maßnahme nach § 1666 BGB betroffene Elternteil die elterliche Sorge wieder erhalten kann. Indem das Gericht eine solche Rückübertragung der elterlichen Sorge nicht durchführt, greift es unmittelbar in die Rechtsstellung dieses Elternteils ein (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Juni 2010 - XII ZB 35/10 - FamRZ 2010, 1242 Rn. 9 ff.).

c) Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Sie ist aufzuheben und die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG). Eine abschließende Entscheidung in der Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG ist dem Senat nicht möglich, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist. Das Beschwerdegericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - bislang nur über die Zulässigkeit und damit noch nicht in der Sache entschieden. ..." (BGH, Beschluss vom 27.04.2016 - XII ZB 67/14)

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Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die Eltern die Rückführung des Kindes, muss der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden. Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen (BGH, Beschluss vom 22.01.2014 - XII ZB 68/11):

„... I. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 sind die Eltern des im November 2007 nichtehelich geborenen Kindes A. Die Vaterschaft des Beteiligten zu 2 wurde im Januar 2009 gerichtlich festgestellt; eine gemeinsame Sorgeerklärung besteht nicht. Mutter und Kind sind Staatsangehörige der Dominikanischen Republik, der Vater stammt aus dem Kosovo.

Bereits während der Schwangerschaft zeigte die Mutter des Kindes wiederholt psychisch auffälliges Verhalten und befand sich deswegen zwischen März 2007 und März 2009 insgesamt zehn Mal in stationärer psychiatrischer Behandlung. Nachdem bei der Mutter unter anderem eine akute polymorphe psychotische Episode mit Symptomen einer Schizophrenie festgestellt worden war, wurde 2007 eine Betreuung für die Angelegenheiten Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitssorge, Vertretung gegenüber Versicherungen, Behörden (Rechtsangelegenheiten), Heimen und Wohnungsangelegenheiten eingerichtet. Im April 2008 wurde die Mutter mit dem Verdacht eines Suizidversuchs in eine Klinik eingewiesen. Das Kind wurde vom Jugendamt in Obhut genommen und zunächst in eine Bereitschaftspflegefamilie gebracht. Ende April 2008 stellte das Amtsgericht das Ruhen der elterlichen Sorge für das Kind fest und bestimmte das beteiligte Jugendamt zum Vormund des Kindes. Seit Juli 2008 lebt das Kind in Vollzeitpflege bei den Beteiligten zu 5 und zu 6.

Auch in der Folgezeit verhielt sich die Mutter zunächst weiter psychisch auffällig, so dass nach einem weiteren Klinikaufenthalt im Oktober 2008 im Betreuungsverfahren ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet wurde.

Auf Anregung des Jugendamts hat das Amtsgericht der Mutter mit Beschluss vom 3. August 2009 das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Gesundheitssorge und das Antragsrecht auf Kinder- und Jugendhilfe entzogen und das Jugendamt zum Ergänzungspfleger bestellt. Die Beschwerde beider Eltern blieb erfolglos. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich die Mutter weiter gegen die Entziehung des Sorgerechts.

II. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2011, 1514 f. veröffentlicht ist, hält den teilweisen Entzug der elterlichen Sorge gemäß § 1666 Abs. 1 BGB für erforderlich, um den Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern zu sichern.

Die von den Eltern geplante Rückführung des Kindes stelle eine Gefahr für dessen körperliches, geistiges oder seelisches Wohl dar. Die Eltern seien weder gewillt noch in der Lage, diese Gefahr abzuwenden. Die Gefahr für das Kindeswohl gehe zwar nicht mehr von einer fehlenden Erziehungsfähigkeit der Mutter aus. Nach den Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen stehe die bei der Mutter vorhandene Grunderkrankung einer Betreuung des Kindes nicht mehr entgegen, zumal bei der Mutter inzwischen ausreichende Krankheitseinsicht vorliege. Auch die kinderpsychologische Sachverständige gehe von einer grundsätzlichen Erziehungsfähigkeit der Mutter aus.

Eine Gefährdung des Kindeswohls ergebe sich jedoch daraus, dass die Eltern im Fall der Rückübertragung der entzogenen Teile der elterlichen Sorge planten, das Kind wieder zu sich zu nehmen, wodurch das Kindeswohl gefährdet sei. Bei einer Trennung des Kindes von den Pflegeeltern sei nach den Ausführungen der kinderpsychologischen Sachverständigen mit Sicherheit von nachhaltigen Beeinträchtigungen für das Kind auszugehen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte eine Rückführung nachteilige Auswirkungen auf die seelische Gesundheit des Kindes und seine weitere Entwicklung. Im Fall eines Bindungsabbruchs zu den Pflegeeltern bestehe ein hohes Risiko für die Entwicklung einer psychischen Störung, die das Kind sein weiteres Leben begleiten würde und die massives Leid und massive Nachteile bedeutete. Selbst im Fall eines optimalen Rückführungsszenarios bestehe eine Gefahr für eine erhebliche psychische Störung. Nach diesen Feststellungen sei die Risikogrenze für eine überwiegende Wahrscheinlichkeit von Schädigungen des Kindes im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Rückführung zu einem leiblichen Elternteil überschritten.

Aufgrund des Gutachtens sei unmittelbar plausibel, dass ein Bindungsabbruch zu den Pflegeeltern eine traumatische Belastungsreaktion bei dem Kind hervorrufen würde, deren Bewältigung eine besondere Erziehungskompetenz der Eltern voraussetze. Über diese Kompetenz verfügten die leiblichen Eltern hingegen nicht. Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls könne ein geordnetes Rückführungsszenario auch nicht durch intensive, gegebenenfalls auch therapeutische Begleitung und Beratung über einen gewissen Zeitraum erarbeitet werden. Einerseits verfügten die leiblichen Eltern nicht über die besondere Erziehungskompetenz. Andererseits hätten sich die Pflegeeltern aufgrund einer frühzeitigen Zusage des Jugendamts, es handle sich um eine Dauerpflege, bereits emotional so auf das Kind eingelassen und Bindungen aufgebaut, dass es ihnen schwer falle, das Kind zu den Eltern zurückzulassen. Es sei nicht nur nicht möglich, ein Rückführungsszenario zu erarbeiten, bei dessen Durchführung das Kind nicht geschädigt werde. Vielmehr würde das Kind nicht nur für die Dauer des Rückführungsprozesses einschließlich der Zeit der Trauer, sondern dauerhaft dem hohen Risiko einer psychischen Störung ausgesetzt sein.

Eine andere Beurteilung folge auch nicht aus der Überlegung, dass die Rückführung des Kindes nicht an der fehlenden Bereitschaft der Pflegeeltern, sich auf ein Rückführungsszenario einzulassen, scheitern dürfe. Zwar habe die Entscheidung des Jugendamts, das Kind in die dauerhafte Betreuung einer Pflegefamilie zu geben, dem verfassungsrechtlichen Auftrag, erforderliche Maßnahmen immer mit der Zielrichtung der Rückführung zu den leiblichen Eltern zu treffen, nicht Rechnung getragen. Gleichwohl sei aus Kindeswohlgründen nunmehr an dieser Entscheidung festzuhalten, zumal die fehlende Möglichkeit, ein Rückführungsszenario zu erarbeiten, nicht in erster Linie im Verhalten der Pflegeeltern begründet sei, sondern insbesondere in der fehlenden Einsicht der leiblichen Eltern, denen die erforderliche Sensibilität und Zurückhaltung in der gegebenen Situation fehle.

Eine Übertragung der entzogenen Teile der elterlichen Sorge auf den Vater sei nicht möglich, da hierdurch das Kindeswohl gefährdet wäre. Auch er plane eine Rückführung des Kindes zu sich bzw. zu der Mutter.

Eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB komme vorliegend nicht als milderes Mittel in Betracht. Denn die Eltern verfügten nicht über die Erziehungseignung, die für das Kind in der gegebenen Situation erforderlich sei. Das Kind könne nicht zu ihnen zurückkehren, so dass ein Eingriff in die elterliche Sorge erforderlich sei. Eine Verbleibensanordnung reiche demgegenüber nicht aus. Die Beteiligten bedürften einer klaren Regelung.

Zu Recht sei neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht auch die Gesundheitssorge und das Antragsrecht für Kinder- und Jugendhilfe entzogen worden, da nicht zu erwarten sei, dass zwischen Pflegeeltern, Jugendamt und Eltern in gesundheitlichen Fragen eine Kooperation stattfinden werde. Dies sei jedoch erforderlich, da in gesundheitlichen Fragen erfahrungsgemäß schnell reagiert werden müsse. Von der Entziehung weiterer Teile der elterlichen Sorge bis hin zur gesamten elterlichen Sorge der Mutter sei aber abzusehen, weil eine Gefährdung des Kindeswohls insoweit bisher nicht eingetreten sei.

III. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht weiterhin anwendbar, weil das Verfahren vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn. 18).

2. Im Ausgangspunkt zu Recht ist das Oberlandesgericht von der Anwendung deutschen Rechts ausgegangen (Art. 5 Abs. 1, 15 Abs. 1 des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 - Haager Kinderschutzübereinkommen - KSÜ). Ferner hat es zutreffend erkannt, dass über die Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 Abs. 1 BGB zu entscheiden ist, nachdem die Mutter trotz der vorangegangenen Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge noch Inhaberin der elterlichen Sorge war (vgl. Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1675 Rn. 1).

3. Die Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB nur angeordnet werden dürfen, wenn der Gefährdung des Kindeswohls nicht durch weniger einschneidende Mittel begegnet werden kann.

a) Nach § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Als derartige Maßnahme kommt auch die Entziehung einzelner Teile des Personensorgerechts, insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts, in Betracht.

Bei der Auslegung und Anwendung des § 1666 BGB ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG steht. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses ‚natürliche Recht' den Eltern nicht vom Staat verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen und Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569 und FamRZ 1989, 145, 146).

Soweit den Eltern das Sorgerecht für ihr Kind entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung des Kindes von ihnen gesichert wird, darf dies nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569; Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969 Rn. 32). Dieser gebietet, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist (BVerfG FamRZ 1968, 578, 584 und FamRZ 1989, 145, 146). Die anzuordnende Maßnahme muss zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung effektiv geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig sein. Die Erforderlichkeit beinhaltet dabei das Gebot, aus den zur Erreichung des Zweckes gleich gut geeigneten Mitteln das mildeste, die geschützte Rechtsposition am wenigsten beeinträchtigende Mittel zu wählen (BVerfG FamRZ 2012, 1127, 1129). Der Staat muss daher vorrangig versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. BVerfG FamRZ 1968, 578, 584 und FamRZ 1982, 567, 570). Mit § 1666 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1666 a BGB hat der Gesetzgeber eine Regelung geschaffen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für besonders einschneidende Eingriffe in das Elternrecht, nämlich die Trennung des Kindes von den Eltern und den Entzug der Personensorge, verdeutlicht (BVerfG FamRZ 1982, 567, 569).

Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die leiblichen Eltern dessen Rückführung, muss auch der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden (BVerfG FamRZ 1989, 145, 146; BayObLG FamRZ 2001, 563). Nach dieser Vorschrift kann das Familiengericht anordnen, dass das bereits seit längerer Zeit in Familienpflege lebende Kind bei der Pflegeperson verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme von der Pflegeperson gefährdet wäre. § 1632 Abs. 4 BGB geht davon aus, dass zwischen dem Kind und den Pflegeeltern als Folge eines länger dauernden Pflegeverhältnisses eine gewachsene Bindung entstanden sein kann, die nicht zum Schaden des Kindes zerstört werden soll (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969 Rn. 31). Eine Verbleibensanordnung kann deshalb immer dann ergehen, wenn das Kindeswohl dadurch gefährdet ist, dass die Eltern eine Rückführung zu sich planen und durch eine damit verbundene Zerstörung der Bindung an die Pflegeeltern eine schwere und nachhaltige Schädigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens des Kindes zu erwarten ist.

Auch wenn allgemein davon auszugehen ist, dass mit der Herausnahme aus der gewohnten Umgebung ein Zukunftsrisiko für ein Kind verbunden sein kann, darf dies nicht dazu führen, dass die Zusammenführung von Kind und Eltern grundsätzlich ausgeschlossen ist, wenn das Kind seine ‚sozialen Eltern' gefunden hat. Aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG folgt, dass ein Pflegeverhältnis nicht in der Weise verfestigt werden darf, dass die leiblichen Eltern mit der Wegnahme in nahezu jedem Fall den dauernden Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen. Schon die Wendung in § 1632 Abs. 4 BGB ‚wenn und solange' fordert flexible Lösungen, die im Wege eines gleitenden Übergangs auf ein Zueinanderfinden von Kind und leiblichen Eltern nach einer Umstellungsphase gerichtet sind (BVerfG FamRZ 1985, 39, 42 und FamRZ 1987, 786, 789). Hierbei ist auch in den Blick zu nehmen, ob die ursprüngliche Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern auf einer missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge oder einem unverschuldeten Versagen der Eltern beruhte. Gerade wenn die Voraussetzungen des § 1666 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der Wegnahme des Kindes nicht vorlagen, wird verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden müssen, um die behutsame Rückführung des Kindes erreichen zu können (BVerfG FamRZ 1985, 39, 42 mwN sowie unter Hinweis auf BT-Drucks. 8/2788 S. 40).

b) Den danach bestehenden strengen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen an einen Entzug des Sorgerechts und dem hierbei zu beachtenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen (BayObLG FamRZ 2001, 563; OLG Hamm FamRZ 1998, 447, 448). Vielmehr reicht dann in der Regel die Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung aus. Soweit das Oberlandesgericht von einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls durch die von den Eltern beabsichtigte Rückführung des Kindes ausgegangen ist, hätte es deshalb im Einzelnen ausführen müssen, aus welchen Gründen es die angenommene Gefahr für die Entwicklung des Kindes nur durch die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und nicht durch eine Verbleibensanordnung als milderes Mittel für abwendbar gehalten hat (BVerfG FamRZ 1989, 145, 146).

(1) Das Oberlandesgericht durfte sich nicht mit der Annahme begnügen, eine Rückkehr des Kindes zu den Eltern sei ausgeschlossen, weil diese nicht über die in der gegebenen Situation erforderliche besondere Erziehungseignung verfügten, um der mit der Trennung von den Pflegeeltern erwarteten traumatischen Belastungsreaktion des Kindes begegnen zu können.

Zum einen hat das Oberlandesgericht festgestellt, die Mutter sei grundsätzlich erziehungsgeeignet und verfüge über gute elterliche Kompetenzen. Beide Elternteile seien grundsätzlich ausreichend stabil, um zusätzliche erzieherische Aufgaben zu bewältigen. Zum anderen ist es davon ausgegangen, dass ein Rückführungsszenario derzeit aus in den Persönlichkeiten der leiblichen Eltern und der Pflegeeltern liegenden Gründen nicht erarbeitet werden könne.

Letzteres mag zwar die Schlussfolgerung tragen, dass eine Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht in Frage kommt. Es rechtfertigt aber noch nicht den Entzug von Teilen der elterlichen Sorge. Denn der Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern kann gleichermaßen mit dem Erlass einer Verbleibensanordnung gesichert werden (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 563). Zwar kann es in Einzelfällen denkbar sein, dass eine Verbleibensanordnung zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht glei-chermaßen geeignet ist wie der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder der gesamten elterlichen Sorge. Dies wird jedoch nur ausnahmsweise der Fall sein, etwa wenn die leiblichen Eltern das Pflegeverhältnis dergestalt beein-trächtigen, dass dies wiederum eine Gefährdung des Kindeswohls zur Folge hat (MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1632 Rn. 59; FAKomm-FamR/Ziegler 5. Aufl. § 1632 Rn. 11; Palandt/Götz 73. Aufl. § 1632 Rn. 19), oder wenn eine Rückkehr des Kindes dauerhaft ausgeschlossen ist, weil Misshandlungen durch die leiblichen Eltern drohen (Staudinger/Salgo BGB [2009] § 1666 Rn. 50).

Derartige Umstände hat das Oberlandesgericht nicht festgestellt. Es ist vielmehr von der grundsätzlichen Erziehungseignung der Mutter ausgegangen. Dass mit einer Beeinträchtigung des Pflegeverhältnisses durch störende Einflüsse der sorgeberechtigten Mutter zu rechnen ist, hat das Oberlandesgericht ebenfalls nicht festgestellt. Allein aus den Schwierigkeiten bei den Umgangskontakten kann dies nicht geschlossen werden. Auch die Annahme, dass auf absehbare Zeit mangels Erarbeitung eines Rückführungsszenarios eine Rückführung des Kindes nicht in Betracht komme, stellt keinen Grund für den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts dar (so aber OLG Hamm FamRZ 1995, 1507, 1508; Siedhoff FamRZ 1995, 1254, 1255 f.; wohl auch Staudinger/Salgo BGB [2009] § 1666 Rn. 50 aE). Denn die Verbleibensanordnung ist deshalb zur Sicherstellung des weiteren Aufenthalts des Kindes bei den Pflegeeltern nicht weniger geeignet. § 1632 Abs. 4 BGB lässt nicht nur Lösungen zu, die im Wege eines gleitenden Übergangs auf eine Rückführung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern nach einer Umstellungsphase gerichtet sind, sondern auch Verbleibensanordnungen, deren Endpunkt noch nicht abzusehen ist (BayObLG FamRZ 2001, 563, 564; MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1632 Rn. 57, 58; Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1632 Rn. 18).

Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge hat das Oberlandesgericht ferner dem verfassungsrechtlichen Auftrag, auch bei eingeleiteter Dauerpflege eine Rückkehroption für das Kind offen zu halten, nicht hinreichend Rechnung getragen. In seine Abwägungsentscheidung hätte das Oberlandesgericht einbeziehen müssen, dass das Kind aufgrund einer akuten psychischen Erkrankung der Mutter und damit ohne deren Verschulden vom Jugendamt in Obhut genommen worden war. Gerade wenn die ursprüngliche Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern auf einem unverschuldeten Versagen der Eltern beruht, muss nach Wegfall der Gründe für die Trennung verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, um die behutsame Rückführung des Kindes zu erreichen. Das Oberlandesgericht hätte - gerade in Anbetracht des jungen Alters des Kindes - Anlass zu der Überlegung gehabt, wie ein Zueinanderfinden von Kind und leiblichen Eltern gelingen könnte. Mit dem Entzug von wesentlichen Teilbereichen der elterlichen Sorge wird dagegen das Pflegeverhältnis weiter verfestigt und eine Rückführung zu den Eltern erschwert.

(2) Auch die weitere Begründung des Oberlandesgerichts, die Beteiligten bedürften einer klaren Regelung, um auf dieser Grundlage zukünftig spannungsfreier Umgangskontakte aufzubauen, trägt die Entscheidung nicht. Dieser Gesichtspunkt allein ist zur Begründung eines Sorgerechtsentzugs nicht ausreichend (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 145, 146). Denn auch mit dem Erlass einer Verbleibensanordnung ist für die Beteiligten verbindlich geklärt, wo das Kind weiterhin seinen Lebensmittelpunkt hat.

(3) Hinsichtlich der Entziehung der Gesundheitssorge hat das Oberlandesgericht nicht ausreichend geprüft, ob eine diese Maßnahme rechtfertigende Gefährdung des Kindeswohls vorliegt und ein Sorgerechtsentzug zur Abwendung der Gefahr erforderlich ist. Der hierfür gegebenen Begründung, eine Kooperation in gesundheitlichen Fragen sei zwischen den Pflegeeltern, dem Jugendamt und den Eltern nicht zu erwarten, liegen keine entsprechenden Feststellungen zugrunde. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die allein sorgeberechtigte Mutter in gesundheitlichen Fragen ihre Kooperation verweigern würde und damit eine Gefährdung des Kindeswohls verbunden wäre, sind nicht festgestellt. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den Problemen bei der Durchführung der Umgangskontakte, die maßgeblich durch den leiblichen Vater des Kindes verursacht sein sollen.

Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, warum die Pflegeeltern aufgrund der rechtlichen Befugnisse nach § 1688 Abs. 1 BGB nicht ausreichend handlungsfähig wären, sondern zusätzlich der Entzug der Gesundheitssorge erforderlich ist. Nach § 1688 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Pflegeperson in Angelegenheiten des täglichen Lebens berechtigt, selbst Entscheidungen zu treffen und den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten. Zu den Angelegenheiten des täglichen Lebens gehört die gewöhnliche medizinische Versorgung. Nach § 1688 Abs. 1 Satz 3 BGB in Verbindung mit § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB besteht ferner bei Gefahr im Verzug die Berechtigung der Pflegeperson, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind. Der Sorgerechtsinhaber ist anschließend über die vorgenommenen Handlungen zu unterrichten. Eine weitere Absicherung würden die Pflegeeltern durch § 1688 Abs. 4 BGB erfahren, wonach ihre Entscheidungsbefugnisse nach § 1688 Abs. 1 BGB nicht durch den Inhaber der elterlichen Sorge eingeschränkt werden können, wenn sich das Kind aufgrund einer gerichtlichen Verbleibensanordnung bei der Pflegeperson befindet.

(4) Für den Entzug des Antragsrechts für Kinder- und Jugendhilfe findet sich in der angegriffenen Entscheidung keine Begründung. Er kann schon deshalb keinen Bestand haben.

c) Der angefochtene Beschluss ist daher insgesamt aufzuheben. Der Senat ist nicht in der Lage, abschließend zu entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Das Oberlandesgericht wird unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu prüfen haben, ob der Schutz des Kindeswohls durch den Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB erreicht werden kann. Dabei werden nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen einer Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern einzubeziehen sein, sondern auch die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung des Kindes von seinen leiblichen Eltern (so bereits Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969 Rn. 35 zu Art. 8 EMRK; BVerfG FamRZ 2012, 1127, 1129). Demgegenüber geht mit dem teilweisen Sorgerechtsentzug die Gefahr einer weiteren Entfremdung des Kindes von seinen Eltern einher. Die Gefährdung der familiären Beziehung des Kindes zu seinen leiblichen Eltern bedeutet aber zugleich eine Trennung des Kindes von seinen Wurzeln (Senatsbeschluss vom 26. September 2007 - XII ZB 229/06 - FamRZ 2007, 1969 Rn. 34). Deshalb wird auch zu prüfen sein, ob und wie eine weitere Annäherung der leiblichen Eltern und des Kindes und die damit einhergehende Lockerung des Verhältnisses zu den Pflegeeltern erfolgen können, wobei die Belastungen des Kindes soweit als möglich vermindert werden sollten. Entsprechende Maßnahmen sind von der kinderpsychologischen Sachverständigen aufgezeigt worden. Diese hatte nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts dargelegt, dass an eine Rückführung des Kindes nur zu denken wäre, wenn Pflegeeltern und Eltern miteinander ins Gespräch kämen, wobei beide Seiten der Beratung und einer intensiven und hochfrequenten familientherapeutischen Begleitung bedürften. Mit Rücksicht darauf erscheint die Annahme nicht gerechtfertigt, im Hinblick auf die Persönlichkeiten der beteiligten Personen könne auch nicht durch intensive therapeutische Begleitung und Beratung über einen gewissen Zeitraum ein Rückführungsszenario erarbeitet werden. Nachdem das Oberlandesgericht festgestellt hat, dass die Mutter nicht über die besondere Erziehungskompetenz verfügt, um der mit der Trennung von den Pflegeeltern zu erwartenden traumatischen Belastungsreaktion des Kindes begegnen zu können, werden auch verstärkte Unterstützungsmaßnahmen für die leiblichen Eltern mit dem Ziel der Stärkung der Erziehungskompetenz zu erwägen sein.

Bei der Prüfung der Entziehung weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge (hier: Gesundheitssorge und Antragsrecht auf Kinder- und Jugendhilfe) wird die nach den Feststellungen der Sachverständigen gegebene grundsätzliche Erziehungseignung der Mutter zu berücksichtigen sein. Nachdem diese aufgrund des vorangegangenen Ruhens der elterlichen Sorge seit mehreren Jahren keine Erziehungsentscheidungen für ihr Kind treffen durfte, liegen negative Erkenntnisse über ihr Erziehungsverhalten jedenfalls nicht vor.

Falls eine Verbleibensanordnung erlassen werden sollte, wird künftig zu prüfen sein, ob sich die Mutter konstruktiv verhält oder mit Störungen des Pflegeverhältnisses zu rechnen ist. Nur in dem zuletzt genannten Fall könnte es dann notwendig werden, über die Verbleibensanordnung hinaus zur Abwehr von Kindeswohlgefährdungen weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge nach § 1666 Abs. 1 BGB zu entziehen. ..." (BGH, Beschluss vom 22.01.2014 - XII ZB 68/11)

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Die Regelung in § 18 FamFG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Frist zur Nachholung der Begründung der Rechtsbeschwerde nicht zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt (im Anschluss an BGH, 4. März 2010, V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 und BGH, 29. Mai 2008, IX ZB 197/07, NJW 2008, 3500). Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden. Auch bei Wahl des mildesten Mittels hat ein Eingriff in das Sorgerecht (hier: Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zweck der Heimunterbringung) zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984, IVb ZB 73/83, FamRZ 1985, 169, 171; BGH, Beschluss vom 26.10.2011 - XII ZB 247/11 - zu §§ 1666, 1666a BGB, 1684 BGB, §§ 18, 26 FamFG).

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Großeltern, die das minderjährige Kind nach dem Tod der allein sorgeberechtigten Mutter betreut haben und betreuen, sind gegen eine familiengerichtliche Entscheidung, die das Sorgerecht dem Vater und wichtige Einzelbefugnisse einem Pfleger überträgt, grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 02.02.2011 - XII ZB 241/09 zu BGB §§ 1666, 1680; FGG §§ 20, 57, 59, 64; FamFG § 59).

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Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 16.06.2010 - XII ZB 35/10 zu BGB §§ 1626 a, 1666, 1672, 1680; GG Art. 6; FGG § 20).

In Verfahren nach § 1666 BGB kann ein Elternteil mangels einer gesetzlichen Grundlage nicht gezwungen werden, sich körperlich oder psychiatrisch/psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen (im Anschluss an BVerfG FamRZ 2009, 944 f.; 2004, 523 f.). Verweigert in Verfahren nach § 1666 BGB ein Elternteil die Mitwirkung an der Begutachtung, kann dieses Verhalten nicht nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung gewürdigt werden. In Betracht kommt allerdings, den die Begutachtung verweigernden Elternteil in Anwesenheit eines Sachverständigen gerichtlich anzuhören und zu diesem Zweck das persönliche Erscheinen des Elternteils anzuordnen und gegebenenfalls gemäß § 33 FGG durchzusetzen (vgl. auch § 33 FamFG; BGH, Beschluss vom 17.02.2010 - XII ZB 68/09; GG Art. 6; BGB § 1666; FGG §§ 12, 33; FamFG §§ 26, 29, 33).

Hat das Familiengericht der nach § 1626 a II BGB allein sorgeberechtigten Mutter das Sorgerecht (teilweise) nach § 1666 BGB entzogen und es nicht zugleich nach § 1680 II und III BGB auf den Vater übertragen, kann der Vater insoweit das alleinige Sorgerecht weder durch Sorgeerklärung noch durch Heirat mit der Mutter, sondern allein durch eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1696 BGB erlangen (BGH, Beschluss vom 25.05.2005 - XII ZB 28/05).

Die Gefahr, dass bei einem Mädchen gambischer Staatsangehörigkeit während eines Aufenthalts in Gambia eine Beschneidung vorgenommen wird, rechtfertigt es, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht gem. § 1666 I BGB insoweit zu entziehen, als es um die Entscheidung geht, ob das Kind nach Gambia verbracht wird. Ob diese Maßnahme allein ausreicht, um einen effektiven Schutz des Kindes zu gewährleisten, hat der Tatrichter im Rahmen seines Auswahlermessens zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 15.12.2004 - XII ZB 166/03).

*** (OLG)

Bei einer Weigerung der Eltern, das Kind eine Schule besuchen zu lassen, kommt eine Kindeswohlgefährdung in Betracht, auch wenn die Eltern auf andere Weise für eine hinreichende Wissensvermittlung und sonstige Entwicklung des Kindes sorgen. Allein die Möglichkeit von schulrechtlichen Maßnahmen entbindet das Familiengericht nicht von der Pflicht, bei Schulverweigerung eine Kindeswohlgefährdung zu prüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2023 - 5 UF 188/22).

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§§ 1666, 1666a BGB ermöglichen lediglich ein staatliches Einschreiten zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung, nicht die Durchsetzung einer bestmöglichen Förderung des jeweils betroffenen Kindes. Im Falle einer Schulverweigerung kann nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden, sondern alle wesentlichen Aspekte des konkreten Einzelfalls sind zu ermitteln und hinsichtlich einer konkreten Kindeswohlgefährdung zu bewerten. Allgemeine Erwägungen reichen zur Begründung einer konkreten und erheblichen Gefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB nicht aus. Für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen ist nicht Aufgabe des Familiengerichts. Vielmehr stehen der Schulbehörde hierfür die sich aus Art. 118, 119 i.V.m. Art. 35 BayEUG ergebenden Maßnahmen zur Verfügung, die von dieser in eigener Zuständigkeit zu prüfen sind (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.11.2021 - 2 UF 220/20).

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Zur Anhörungspflicht von Kindern in Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a BGB durch das Familiengericht nach § 159 Abs. 1 FamFG in der ab 1. Juli 2021 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder, BGBl. 2021 I 1810). Wird durch das Beschwerdegericht eine Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung an das Familiengericht beabsichtigt, gilt § 68 Abs. 5 FamFG in der ab 1. Juli 2021 geltenden Fassung nicht (OLG Brandenburg, Beschluss vom 04.10.2021 - 9 UF 167/21):

„ ... I. Gegenstand des vorliegenden Hauptsacheverfahrens ist der Entzug der Personensorge für das betroffene Kind M… R…, geboren am … 2008, zulasten seiner Mutter, der Beschwerdeführerin.

Die Kindesmutter war bei Geburt des betroffenen Kindes 13 Jahre alt. Die Vormundschaft für das betroffene Kind wurde zunächst durch seine Großmutter, Frau S… R… ausgeübt, diese betreute und versorgte das betroffene Kind in der Folgezeit. Eine Feststellung der Vaterschaft zum betroffenen Kind ist - soweit bekannt - bislang nicht erfolgt.

Mit dem Eintritt der Volljährigkeit der Kindesmutter wurde eine Familienpflegschaft eingerichtet und als Familienpflegerin die vorgenannte Großmutter eingesetzt (vgl. auch Bl. 10 f.).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 29.05.2020 (Az. 53 F 99 / 20) wurde die Personensorge für das betroffene Kind der Kindesmutter im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig entzogen und insoweit das Jugendamt des Landkreises S… als Ergänzungspfleger eingesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hat der Senat mit Beschluss vom 12.08.2020 (Az. 9 UF 121 / 20, vgl. Bl. 153 ff.) zurückgewiesen. Grundlage dieser auf § 1666 Abs. 1 BGB beruhenden Entscheidungen war (neben weiteren Auffälligkeiten) insbesondere ein sexualisiertes wie auch impulsiv-aggressives Verhalten des betroffenen Jungen, welcher mehrfach andere Jungen an verschiedenen Örtlichkeiten in den Schritt gegriffen und an die Hoden gefasst hatte. Im Zuge einer stationären Diagnostik wurde eine erhebliche Störung des sozialen und sexuellen Nähe-/Distanzverhältnisses beim betroffenen Jungen diagnostiziert. Trotz der entsprechend festgestellten Störungen beim betroffenen Kind waren weder die Großmutter als Familienpflegerin noch die Kindesmutter in der Lage bzw. bereit, weitere Schäden vom Kind abzuwenden und mit den zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten. Ebenso wurden entsprechende gerichtliche Anordnungen negiert bis hin zu dem Versuch, sich Kontakten durch Gerichte bzw. Behörden vollständig zu entziehen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgenannte Senatsentscheidung Bezug genommen (dort ab Seite 3 f. der Gründe).

Seit Juli 2020 lebt M… in einer Wohngruppe; sein sexualisiertes Verhalten zeigt sich dort nach wie vor.

Mit Beschluss vom 04.08.2021 hat das Amtsgericht Cottbus der Kindesmutter die Personensorge für das betroffene Kind entzogen und das Fortbestehen der Pflegschaft durch das Jugendamt Landkreis S… angeordnet. Grundlage dessen waren weitergehende Ermittlungen des Amtsgerichtes insbesondere im Zuge der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und der Einholung ärztlicher Stellungnahmen sowie solcher des Jugendamtes Cottbus, des Ergänzungspflegers des Kindes sowie seines Verfahrensbeistandes. Nach den Gründen der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht von der persönlichen Anhörung des betroffenen Kindes abgesehen und dazu ausgeführt, sein ausdrücklicher Wunsch sei es, wieder nach Hause zurückzukehren; der Verfahrensbeistand habe das Kind über Gegenstand, Verlauf und möglichen Ausgang des Verfahrens informiert, eine weitere Anhörung durch das Familiengericht sei nicht erforderlich.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter, mit welcher sie zugleich die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren begehrt.

II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der Kindesmutter hat nach derzeitigem Stand dahingehend Erfolg, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Durchführung an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist. Das Verfahren vor dem Amtsgericht leidet an einem wesentlichen Mangel, der zur Aufhebung und Zurückweisung an das Amtsgericht gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG (die Kindesmutter hat einen entsprechenden Antrag gestellt) führt. In erster Instanz ist verfahrensfehlerhaft die Anhörung des Kindes und das sich Verschaffen eines persönlichen Eindrucks von dem Kind unterblieben. Dies gilt erst recht angesichts der vor kurzem in Kraft getretenen, teilweisen Reform der Verfahrens(Anhörungs)rechte im FamFG, welche ohne Übergangsfrist seit dem 01.07.2021 in allen laufenden Verfahren gelten (vgl. zu letzterem Witt FamRZ 2021, 1510, 1518). Ob darüber hinausgehend auch verfahrensfehlerhaft die Einholung eines Sachverständigengutachtens unterblieben ist, wie dies seitens der Kindesmutter ebenfalls gerügt wird, kann dahinstehen.

1. Dabei ist zunächst festzustellen, dass eine persönliche Anhörung des betroffenen Kindes - soweit dies nach Aktenlage zurückverfolgt werden kann - bislang seitens des Gerichtes weder im vorangegangenen Eil- noch im hiesigen Hauptsacheverfahren erfolgt ist.

2. Gemäß § 159 Abs. 1 FamFG in der ab 01.07.2021 geltenden neuen Fassung (Gesetz zur Bekämpfung sexueller Gewalt gegen Kinder, BGBl. I S. 1810) hat das Gericht das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a BGB, die die Person des Kindes betreffen, kann von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nur abgesehen werden, wenn ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun, wie aus dem Zusammenspiel der §§ 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 und S. 2 FamFG n.F. folgt. Im Falle der § 1666 und 1666a BGB ist das Kind daher selbst dann persönlich anzuhören, wenn an sich seine Neigungen, Bindungen oder sein Wille für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen nicht angezeigt wäre. Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen, § 159 Abs. 3 S. 1 FamFG n.F.

Vorliegend hat das Amtsgericht die Anhörung des Kindes unterlassen, ohne Gründe nach § 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder 2 FamFG n.F. im angefochtenen Beschluss darzulegen. Bereits dies stellt sich angesichts der dargestellten Reform als schwerwiegender Verfahrensfehler dar. Zudem sind solche - lediglich sehr ausnahmsweise gegebenen - Gründe für ein Absehen von der Anhörung nicht einmal im Ansatz ersichtlich. Ein schwerwiegender Grund (§ 159 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG n.F.) setzt kindeswohlschädliche Umstände voraus, die deutlich über die mit jeder richterlichen Anhörung für das Kind verbundene Beeinträchtigung hinausgehen (vgl. bereits zum inhaltsgleichen § 159 Abs. 3 FamFG a.F.: BGH FamRZ 2019, 115). Es ist nichts dafür erkennbar, dass das betroffene Kind im Falle seiner persönlichen Anhörung einer solchen besonderen Schädigung ausgesetzt wäre. Der vom Verfahrensbeistand mitgeteilte Inhalt der durch ihn erfolgten Anhörung des Kindes spricht schon für sich betrachtet dafür, dass der Junge in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Alleine der durch den Verfahrensbeistand mitgeteilte Willen des betroffenen Kindes genügt aber ersichtlich nicht, da es auf die persönliche Anhörung des betroffenen Kindes durch das Gericht ankommt.

3. Vorsorglich sei noch darauf hingewiesen, dass die zuvor benannte Teilreform des FamFG nicht dazu führt, dass der Senat statt einer schriftlichen Entscheidung eine mündliche Verhandlung anzuberaumen hätte.

Zwar gilt (ebenfalls seit dem 01.07.2021) die in § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ermöglichte schriftliche Entscheidung dann nicht, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der Entscheidungen über die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des BGB in Betracht kommt, § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG n.F.. Dafür bedarf es aber - wie der Wortlaut zeigt - einer Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Sache. Wird eine Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung an das Familiengericht beabsichtigt, gilt § 68 Abs. 5 FamFG daher nicht, weil es dann nicht zu einer Sachentscheidung kommt (vgl. auch BT-Drucks. 19/23707 S. 52 sowie Witt, FamRZ 2021, 1510, 1511). ..."

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Wird der allein sorgeberechtigten Kindesmutter das Sorgerecht entzogen, kann eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht nur dann ausscheiden, wenn sie kindeswohlgefährdend wäre, sondern schon dann, wenn ihr weniger gewichtige Nachteile für das Kind entgegenstehen, die im konkreten Fall die Übertragung als dem Wohl des Kindes widersprechend erscheinen lassen (hier: unsicher-vermeidende Bindung des seit mehr als 20 Monaten fremdplatzierten vierjährigen Kindes an den in seiner Erziehungsfähigkeit deutlich eingeschränkten Kindesvater, der aktuell versucht, im Wege eines begleiteten Umgangs eine stabile Beziehung zu dem Kind aufzubauen; OLG Bremen, Beschluss vom 08.12.2020 - 5 UF 66/20).

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Die Anordnung eines Umgangs im Wechselmodell ist ausgeschlossen, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, die zwischen ihnen bestehenden Konflikte einzudämmen und sich bei ihrem Handeln allein von den Bedürfnissen des gemeinsamen Kindes leiten zu lassen, sondern egoistische Motive verfolgen. Eine von den Eltern vereinbarte, individuelle Regelung zum Umgang mit dem Kind trägt regelmäßig die Vermutung in sich, mit dem Kindeswohl am besten im Einklang zu stehen. Die gemeinsam getroffene Elternentscheidung indiziert die Kindeswohlgemäßheit, und deshalb kann einer gerichtlichen Entscheidung in einer Umgangssache die von den Eltern erzielte Einigung grundsätzlich zugrunde gelegt werden (KG Berlin, Beschluss vom 26.11. 2020 - 16 UF 138/19).

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Bevor die verweigerte Zustimmung eines sorgeberechtigten Elternteils zur psychologischen Begutachtung eines Kindes gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung ersetzt wird, ist zu prüfen, ob der Sachverständige auch ohne eingehende Exploration des Kindes eine ausreichende Datengrundlage gewinnen kann, um zu der Frage, ob eine Kindeswohlgefährdung zu bejahen ist, aus psychologischer Sicht Stellung nehmen zu können (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 17. Februar 2010 - XII ZB 68/09, FamRZ 2010, 720). Das Familiengericht ist in diesem Zusammenhang insbesondere befugt, auch gegen den Willen des sorgeberechtigten Elternteils das Kind in Anwesenheit und unter Mitwirkung des Sachverständigen gerichtlich anzuhören. Eine solche Vorgehensweise ist unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten als gegenüber der Ersetzung der Zustimmung des sorgeberechtigten Elternteils gem. § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB milderes Mittel geboten (OLG Hamm, Beschluss vom 04. September 2020 - II-2 UF 154/20).

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Mehrfacher Aufenthaltswechsel des Kindes im einstweiligen Anordnungsverfahren (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.05.2020 - 9 UF 92/20 zu § 1697a BGB):

„... Die gemäß §§ 57 S. 2 Nr. 1, 58 ff. FamFG statthafte Beschwerde der Kindesmutter ist zulässig. In der Sache bleibt sie ohne Erfolg, sie ist unbegründet.

Die Unbegründetheit folgt aus dem Umstand, dass in sorgerechtlichen Eilverfahren innerhalb der Beschwerdeinstanz ein unter Umständen mehrfacher Wechsel des Aufenthaltsortes des Kindes zu vermeiden ist. Deshalb hat es bei der vorläufigen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die betroffenen Kinder auf den Kindesvater zu verbleiben.

1. In dem summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung sind abschließende Feststellungen zu der Frage, wie dem Kindeswohl am besten gedient ist, meist nicht möglich, zumal es hierzu häufig der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens bedarf. Streiten die Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind, ist daher vor allem eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese hat sich nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren (vgl. BVerfG, FamRZ 2007, 1626; FamRZ 2011, 622 OLG Brandenburg FamRZ 2009, 445).

Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antragsteller mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entständen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfG, FamRZ 2007, 1626). Entsprechend geht es, wenn in der ersten Instanz eine einstweilige Anordnung erlassen worden ist, im Beschwerdeverfahren vorrangig um die Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers - hier der Kindesmutter - gegenüber den Nachteilen, die bei Aufhebung der erlassenen einstweiligen Anordnung zu Lasten der Kinder entständen. Regelmäßig entspricht es dem Wohl von Kinder nicht, eine bereits vollzogene einstweiligen Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor einer etwaigen Entscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden. Es handelt sich um ein seit langem allgemein anerkanntes Prinzip (vgl. ausführlich Völker/Clausius, Sorge- und Umgangsrecht, 6. Aufl. 2014, § 7 Rz. 56 ff.; Giers, Einstweiliger Rechtsschutz in der familiengerichtlichen Praxis, 2015, Rz. 277). Selbst unter gebührender Berücksichtigung des hohen Gewichts des Elternrechts ist ein derartiges „Hin und Her" beim Lebensmittelpunkt des Kindes dessen Wohl, der obersten Richtschnur in derartigen Verfahren (§ 1697a BGB), abträglich. Wenn das Hauptsacheverfahren noch offen ist, ist daher regelmäßig ausschlaggebend, dass ein mehrfacher Wechsel des Wohnortes und der unmittelbaren Bezugsperson, der das Kindeswohl in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigen würde, zu vermeiden ist (vgl. BVerfG, a. a. O.; st. Rspr. der Senate des Brandenburgischen OLG, vgl. Brandenburgisches OLG FamRZ 2015, 1216 m.N.; s. auch OLG Celle FamRZ 2013, 48).

2. Vorliegend ist diesem Grundsatz hier erst recht deshalb zu folgen, weil es bereits in der Vergangenheit zu einem solchen Wechsel des Aufenthaltsortes der Kinder, der zudem letztendlich durch die Kindesmutter vorgenommen wurde, gekommen ist.

Es ist insoweit unstreitig, dass die Kindesmutter gemeinsam mit den Kindern im Zuge der Trennung der Kindeseltern aus dem Haus des Kindesvaters und damit dem sozialen Umfeld der Kinder in eine Wohnung nach … verzogen war. Im September 2019 ist sodann der Rückzug aus dieser Wohnung in das Haus des Kindesvaters erfolgt. Dabei ist zwar nicht zu verkennen, dass dem beachtenswerte und auch dem persönlichen Interesse des Kindesvaters - der schwerkrank ist - dienende Gründe zugrunde liegen. Aus Sicht des Kindeswohls und gerade im Rahmen der summarischen Prüfung des einstweiligen Anordnungsverfahrens kommt es darauf aber nicht an. Maßstab ist vielmehr der mehrmalige Wohnortwechsel der Kinder, den es im Rahmen des einstweiligen Verfahrens nunmehr zu vermeiden gilt, wie auch das Jugendamt zutreffend betont.

3. Sonstige Gründe, hiervon sehr ausnahmsweise Abstand zu nehmen, sind nicht erkennbar. Zwar ist für die Kinder bei Verbleib im väterlichen Haushalt durchaus eine Belastungssituation angesichts seiner schweren Erkrankung erkennbar. Einerseits haben dies die Eltern aber jedenfalls ursprünglich gemeinsam so gewollt. Andererseits ist nichts dafür bekannt, dass der Kindesvater trotz seiner Krankheit nicht gleichwohl die elterliche Sorge - wenngleich möglicherweise auch mit Hilfestellung Dritter - ordnungsgemäß ausüben kann und insofern eine Kindeswohlgefährdung zu befürchten wäre. Zudem müssen letztendlich auch jüngere Kinder an eine solche Situation herangeführt werden. Bei fürsorglicher Betreuung durch beide Elternteile und Dritte wird ihnen dies auch im väterlichen Haushalt gelingen.

Soweit die Kindesmutter möglicherweise das erstinstanzliche Unterlassen der persönlichen Anhörung der betroffenen Kinder rügt, begründet dies keinen Verfahrensfehler. Angesichts der Corona-Pandemie wird mittlerweile allgemein angeraten, Kinder frühestens ab dem Lebensalter 6 persönlich anzuhören (vgl. nur Ernst/Meysen, FF 2020, 178 [Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstages]); dieses Lebensalter haben die Kinder bislang nicht erreicht. ..."

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Elterliche Sorge für IS-Rückkehrerin: Die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (hier: Islamischer Staat in Syrien) rechtfertigt nach der Rückkehr der Eltern und der im Ausland geborenen Kinder nach Deutschland ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen mit der Trennung der Kindern von den Eltern verbundenen Entzug der elterlichen Sorge. Werden die Eltern nach ihrer Rückkehr inhaftiert, und wünschen sie für die Dauer ihrer Inhaftierung eine Unterbringung der Kinder bei einem ebenfalls in Deutschland lebenden aufnahmebereiten Großelternteil, setzt ein Entzug der elterlichen Sorge zum Zwecke der Fremdunterbringung der Kinder voraus, dass das Wohl der Kinder im Haushalt des Großelternteils konkret gefährdet wäre. Dass der Großelternteil selbst unter Betreuung steht, reicht für die Feststellung einer mit der Aufnahme in seinen Haushalt verbundenen Gefährdung des Kindeswohls ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht aus. Allerdings setzt die Aufnahme von vier nach der Inhaftierung der Eltern in Obhut genommenen Kindern im Alter zwischen einem und vier Jahren in den Haushalt des ihnen bislang nicht persönlich bekannten, selbst auf Unterstützung angewiesenen Großelternteils voraus, dass - ggf. mit Hilfe des örtlich zuständigen Jugendamts - vorab geklärt ist, wie die Kinder in der Wohnung untergebracht werden und welche Kinderausstattung dort noch benötigt wird, wie die Kontaktanbahnung zu dem Großelternteil erfolgen soll und welche konkrete Unterstützung - durch Familienangehörige und durch öffentliche Hilfen bzw. Einrichtungen - der Großelternteil bei der Betreuung und Versorgung der Kinder erhält (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.05.2020 - 4 UF 82/20).

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Die Entscheidung eines Familiengerichts, die Inobhutnahme eines Kinder zu bestätigen, ist prozessual verfehlt, weil die Inobhutnahme als Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 SGB X) einer Bestandsprüfung durch das Familiengericht entzogen ist. Soweit ein Beteiligter die Inobhutnahme gegen den Willen des Jugendamtes beenden will, kommen hierfür Widerspruch und Anfechtungsklage in Betracht, über die das Verwaltungsgericht nach Maßgabe der VwGO zu entscheiden hat, nicht aber das Familiengericht (vgl. BeckOGK/C. Schmidt, 1. April 2019, SGB VIII § 42 Rn. 182 m.w.N.). Ruft das Jugendamt bei Widerspruch eines Sorgeberechtigten gemäß § 42 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB VIII das Familiengericht an, muss dieses entscheiden, welche kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen zugunsten des Kindeswohls zu ergreifen sind. Hierbei hat es gemäß §§ 1666, 1666a BGB die notwendigen sorgerechtlichen Maßnahmen im Anschluss an die Eilmaßnahme der Inobhutnahme zu treffen (vgl. MüKoBGB/Tillmanns, 7. Aufl. 2017, SGB VIII § 42 Rn. 17 m.w.N.). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts in einer Familiensache unterbleibt wegen fehlender Erforderlichkeit (§ 78 Abs. 2 FamFG), wenn Umfang, Schwierigkeit und Bedeutung der Sache bei Eingang des Gesuchs keinen Anlass mehr zu der Befürchtung geben, der Hilfsbedürftige werde nach seinen persönlichen Fähigkeiten außerstande sein, seine Rechte in dem von ihm eingeleiteten Beschwerdeverfahren sachgemäß wahrzunehmen und die notwendigen Maßnahmen zu veranlassen (vgl. BGH FamRZ 2003, 1547; (OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.07.2019 - 13 UF 121/19).

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Eine richterliche Anhörung kann in Anwesenheit eines gerichtlich bestellten Sachverständigen erfolgen, obgleich ein alleinsorgeberechtigter Elternteil die sachverständige Exploration des Kindes im Verfahren verweigert. Verweigert der alleinsorgeberechtigte Elternteil die sachverständige Exploration des Kindes kommt ein teilweiser Sorgerechtsentzug und die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Ziel in Betracht, dass dieser anstelle des Elternteils über die Möglichkeit einer Exploration des Kindes entscheidet (OLG Celle, Beschluss vom 03.06.2019 - 10 WF 87/19).

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Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit dürfen konkrete Bereiche der elterlichen Sorge nur insoweit entzogen werden, als es zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung erforderlich ist. Die Entziehung eines Sorgerechtsbereichs nach §§ 1666, 1666a Abs. 2 BGB setzt voraus, dass in diesem Bereich für die Kinder ein konkretes Handlungsbedürfnis besteht. Reine Praktikabilitätserwägungen können die Entziehung von Sorgerechtsbereichen nicht rechtfertigen (OLG Schleswig, Beschluss vom 16.04.2019 - 10 UF 13/19).

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Ermächtigungsgrundlage für ein gegen einen nicht sorgeberechtigten Elternteil ausgesprochenes gerichtliches Kontaktverbot ist eine in einer Umgangssache zu treffende Regelung nach § 1684 Abs. 4 BGB. Es kann weder auf § 1666 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB gestützt werden, wenn dem Elternteil die elterliche Sorge nicht (mehr) zusteht, noch auf § 1666 Abs. 4 BGB, da der nichtsorgeberechtigte Elternteil nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.04.2019 - 1 UF 247/17).

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Die Folgenabwägung zur Prüfung einer einstweiligen Entziehung der elterlichen Sorge ist nicht von einem bestimmten Ausmaß der Aufklärung des Sachverhalts abhängig. Die Beurteilung, ob die mit dem Unterlassen der Anordnung verbundenen Nachteile schwerer wiegen als die Folgen einer sich schließlich als unnötig erweisenden Anordnung, ist schon dann möglich, wenn nur wenig Umstände bekannt sind oder wenn die Zuverlässigkeit des Mitgeteilten noch fraglich erscheint. Allein die Unvollständigkeit oder die Unsicherheit der Tatsachengrundlage kann nur dann zur Beanstandung einer einstweiligen Anordnung führen, wenn so wenig oder so vage Anhaltspunkte ersichtlich sind oder wenn die Erkenntnisquellen so unzuverlässig sind, dass selbst eine Folgenabschätzung auf dieser Grundlage nicht möglich ist und ein Grundrechtseingriff deshalb nicht gerechtfertigt werden kann. Eine einstweilig angeordnete Familientrennung scheitert nicht ohne Weiteres daran, dass die bislang mögliche und vorgenommene Sachverhaltsaufklärung hinter derjenigen zurückbleibt, die im Verlaufe eines Hauptsacheverfahrens zu verlangen ist. Die Grundrechte sowohl der Eltern als auch des Kindes stehen einem schweren Eingriff auf unsicherer Tatsachengrundlage nur entgegen, wenn der zu erwartende Schaden gering sein wird und zudem in noch zeitlicher Ferne liegt. Der Entwicklung eines jugendlichen Kindes, das sich aus Misstrauen und im Schutz- und Abwehrinteresse dem erzieherischen Einfluss Erwachsener vollständig verschließt und verweigert, droht schwerwiegender Schaden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2019 - 13 UF 8/19).

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Kein Sorgerechtsentzug bei Streit über schulische Angelegenheiten (OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.12.2018 - 15 UF 192/18):

„ ... Die Voraussetzungen für den einstweiligen Entzug dieses Teilbereiches der elterlichen Sorge liegen nicht vor.

Ein Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist gem. § 1666 Abs. 1 BGB nur gerechtfertigt, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, diese Gefährdung abzuwenden. Von einer Gefährdung des Kindeswohls ist (erst) dann auszugehen, wenn eine Schädigung oder eine gegenwärtige (vgl. dazu OLG Brandenburg, FamRZ 2016, 1180), in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung des Kindeswohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Palandt/Götz, BGB, 77. Aufl., § 1666, Rn. 8; MüKo-BGB/Olzen, BGB, 7. Aufl., § 1666, Rn. 50; jurisPK-BGB/ Poncelet/Onstein, 8. Aufl., § 1666 BGB, Rn. 20, jeweils m.w.N.; BVerfG, FamRZ 2018, 1084).

Hierfür genügen weder der anhaltende Streit der Eltern darüber, wer die Kinder besser schulisch fördern kann, noch ihre allgemeinen Kommunikationsdefizite bzw. die anhaltenden Elternstreitigkeiten, da diese allenfalls geeignet sind, eine abstrakte Gefährdung des Kindes-wohls zu begründen. Ob der zwischen den Eltern bestehende Dissens über die Wahl der weiterführenden Schule, die C... in knapp einem Jahr besuchen soll, eine Gefährdung von deren Wohl darstellt, kann dahinstehen. Er begründet jedenfalls nicht den Entzug des Rechts zur elterlichen Sorge in Schulangelegenheiten für C..., weil ein solcher (partieller) Sorgerechtsentzug nicht verhältnismäßig ist. Ein staatlicher Eingriff in das grund-rechtlich geschützte Elternrecht kommt nur dann in Betracht, wenn er geeignet und auch erforderlich ist, die Gefährdung des Kindeswohls abzuwenden. Erforderlich ist ein solcher Eingriff in der Regel nicht, wenn die Gefährdung des Kindeswohls bereits dadurch abgewendet werden könnte, dass einem Elternteil die Befugnis, über die zwischen den Eltern streitige Frage der Schulwahl zu entscheiden, allein übertragen würde. Anhaltspunkte für Zweifel daran, dass jeder Elternteil für sich genommen in der Lage wäre, eine am Wohl des Kindes ausgerichtete Schulwahl zu treffen, hat keiner der Beteiligten dargetan; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich. Der Senat hat nach Aktenlage, aber auch im Hinblick auf die Vorbefassung mit anderen Verfahren, an denen die Eltern beteiligt waren, auch keinen Zweifel daran, dass die Eltern im Falle eines sich abzeichnenden Dissenses über die Schulwahl einen Antrag gem. § 1628 S. 1 BGB bei dem Familiengericht stellen würden. Dann aber kann der Streit der Eltern, mag dieser auch den für die Minderjährigen bestehenden Loyalitätsdruck erhöhen, einen Entzug des Elternrechts nicht begründen. Dies trifft auch hinsichtlich der vom Jugendamt geschilderten psychischen Belastung zu, den der Elternstreit für L... darstellt. Insoweit erscheint selbst ein vollständiger Entzug des elterlichen Sorgerechts bereits deshalb nicht geeignet, der bestehenden Belastung des Kindes durch den Elternstreit zu begegnen, weil das Kind infolge der - von dem Senat wegen § 57 FamFG nicht abänderbaren - einstweiligen Anordnung eines paritätischen Umgangsrechts der Eltern durch das Amtsgericht, an die auch ein Vormund gebunden wäre, dem Elternstreit tatsächlich weiter ausgesetzt wäre.

Der Entzug der elterlichen Sorge als staatlicher Eingriff in das Elternrecht scheidet schließlich auch dann aus, wenn es nicht um die Abwendung der unmittelbaren Gefahr einer erheblichen Schädigung des Kindeswohls geht, sondern lediglich um die Schaffung besserer oder gar optimaler Bedingungen für die Kindesentwicklung. Nicht jede Beeinträchtigung des Kindeswohls ist so erheblich, dass dies den Entzug des elterlichen Sorgerechts begründet. Es gehört nicht zur Ausübung des staatlichen Wächteramts, gegen den Willen der Eltern für eine bestmögliche Förderung der Fähigkeiten eines Kindes zu sorgen (BVerfG, FamRZ 2014, 907). Die bloße Existenz "besserer" Alternativen vermag den Entzug der elterlichen Sorge nicht zu rechtfertigen (BVerfG, FamRZ 2017, 1577). Mithin kann das Verhalten der Eltern, teilweise zu verhindern, dass die Kinder Schulmaterialien zu dem jeweils anderen Elternteil mitnehmen, keinen Anlass bieten, ihnen das Recht auf Bestimmung der Schulangelegenheiten zu entziehen, sodass es nicht darauf ankommt, dass dieses Recht ohnehin nicht die tatsächliche Verfügungsbefugnis oder Sachherrschaft über Schulbücher und sonstige Schulutensilien vermittelt und dessen Entzug zudem nicht geeignet wäre, das Verhalten der Eltern zu ändern. ..."

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Die Verweigerung einer beantragten Terminsverlegung kann ausnahmsweise - und zwar auch in Verfahren, in denen das Vorrang- und Beschleunigungsgebot des § 155 Abs. 1 FamFG gilt (hier: Verfahren nach § 1666 BGB) - die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn zwingende Gründe für die Terminsverlegung offensichtlich vorliegen, die Zurückweisung des Antrags für den betreffenden Beteiligten schlechthin unzumutbar wäre und somit dessen Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzte. Ein solch zwingender Grund kann auch eine Teilnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten an einer mehrtägigen Fortbildungsveranstaltung sein, wenn dem Beteiligten im konkreten Einzelfall weder eine Wahrnehmung des Erörterungstermins ohne anwaltlichen Beistand noch eine Vertretung seines Verfahrensbevollmächtigten durch einen anderen Rechtsanwalt zugemutet werden kann (hier bejaht; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 12.10.2018 - 6 WF 130/18).

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Zur Zulässigkeit von Anordnungen gem. § 1666, 1666a BGB wegen Kindeswohlgefährdung durch die Verwendung von Smartphones und Internetzugängen durch Minderjährige (OLG Frankfurt, Beschluss vom 15.06.2018 - 2 UF 41/18):

„... Grundsätzlich kann das Gericht zwar Maßnahmen nach § 1666 BGB von Amts wegen ergreifen, wenn diese im Interesse des Kindeswohls erforderlich sind. Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Maßnahmen nach § 1666 Abs. 1 BGB sind zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird. § 1666 BGB ist eine Ausprägung des dem Staat gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG obliegendem Wächteramtes, das dem Schutz des Kindes bei Gefährdung seines Wohls dient. Im Hinblick darauf, dass staatliche Maßnahmen insoweit immer auch die Grundrechte der Eltern nach Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG tangieren, stellt insbesondere das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen für staatliche Eingriffe in die elterliche Personensorge (ständige Rechtsprechung vgl. Bundesverfassungsgericht FamRZ 2016, 439, FamRZ 2015, 112, FamRZ 12, 1127, FamRZ 14, 907, 1177 jeweils m.w.N.). Eine gerichtliche Maßnahme nach § 1666 Abs. 1 BGB setzt demgemäß zunächst die positive Feststellung voraus, dass bei weiterer Entwicklung der vorliegenden Umstände der Eintritt eines Schadens zum Nachteil des Kindes mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist, die bloße Möglichkeit des Schadenseintritts rechtfertigt eine eingreifende Maßnahme nicht. (vgl. Poncelet/Onstein in Herberger/Martinek-Rüßmann, Juris Praxiskommentar zum BGB, 8. Aufl., § 1666 Rdn. 20). Es gehört insoweit nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine bestmögliche Förderung des Kindes und seiner Fähigkeit zu sorgen, sondern die staatlichen Organe haben sich von der Erwägung leiten zu lassen, dass die Interessen des Kindes in aller Regel am besten von den Eltern wahrgenommen werden, und zwar auch dann, wenn dabei im Einzelfall wirkliche oder vermeintliche Nachteile des Kindes durch bestimmte Verhaltensweisen oder Entscheidungen der Eltern in Kauf genommen werden müssen. Aufgabe des Staates ist es daher nicht, die im Interesse des Kindeswohls objektiv beste Art der Sorgerechtsausübung - soweit eine solche überhaupt festgestellt werden kann - sicherzustellen, sondern staatliche Maßnahmen können erst dann ergriffen werden, wenn die Eltern ihrer Verantwortung nicht gerecht werden (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 BvR 1202/17; Beschluss vom 14. Juni 2014 - 1 BvR 725/14). Bei der Anwendung des § 1666 BGB ist der verfassungsrechtlich abgesicherte Elternvorrang zu beachten, d.h. familiengerichtliche Eingriffe sind selbst bei Gefährdung des Kindeswohls nur zulässig, wenn festgestellt werden muss, dass die Eltern auch künftig nicht bereit oder in der Lage sind, eingetretene Gefährdungen abzuwenden (vgl. Coester in Staudinger/Kommentar zum BGB 2016, § 1666 BGB Rdn. 169 ff. m.w.N.).

Dieser Subsidiaritätsvorbehalt, der Eingriffen nach §§ 1666 BGB demgemäß immanent ist, wurde vom Amtsgericht im hier zugrundeliegenden Verfahren bei der Anordnung der Auflagen nach § 1666 Abs. 3 BGB nicht hinreichend beachtet.

Hinsichtlich der Auflage Maßnahmen der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen fehlt es schon an der Erforderlichkeit der Anordnung. Da Maßnahmen nach § 1666 BGB immer als Grundrechtseingriff auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliegen, sind sie nicht gerechtfertigt, wenn sie zur Sicherung des Kindeswohls nicht erforderlich sind. Die vom Familiengericht erlassene Anordnung hat verbindlichen Charakter und greift damit in das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter ein. Dieser Eingriff ist vorliegend nicht gerechtfertigt, da er zur Wahrung der Kindesinteressen nicht nötig ist, weil die Kindesmutter die entsprechenden Hilfemaßnahmen von sich aus wahrnehmen will (vgl. auch Bundesverfassungsgerichts Beschluss vom 1.12.2010 - 1 BvR 1572/10).

Anhaltspunkte dafür, dass die bestehende Bereitschaft zur Annahme von Hilfsangeboten des Jugendamts nur dem laufenden gerichtlichen Verfahren geschuldet waren, sind nicht gegeben, da die Initiative zu Gesprächen im Jugendamt bereits vor Beginn des Verfahrens von den Eltern ausging. Im Rahmen der Anhörung der Beteiligten im Beschwerdeverfahren hat die Vertreterin des Jugendamts ausgeführt, dass die Kindeseltern bereits vor Durchführung des erstinstanzlichen Anhörungstermins im November 2017 im Jugendamt vorstellig geworden sind und Anträge zur Hilfe auf Erziehung unterzeichneten. Wie die in der Familie tätige sozialpädagogische Familienhilfe im Rahmen ihres Zwischenberichts ausgeführt hat, sind auch beide Eltern aktiv an den Hilfemaßnahmen beteiligt und arbeiten engagiert mit.

Unter diesen Umständen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass entsprechende Auflagen nach § 1666, 1666 a BGB gegenüber den Eltern erteilt werden müssen, um sicherzustellen, dass die bereits angelaufene Hilfe fortgesetzt wird. Die Kindeseltern waren und sind bereit, entsprechende Angebote freiwillig zu nutzen und müssen hierzu nicht durch das Gericht angehalten werden.

Auch hinsichtlich der Anordnungen betreffend der Mediennutzung und der Nutzung eines Smartphones greifen die Auflagen des Amtsgerichts unberechtigt in die grundrechtlich geschützten Elternrechte der Kindesmutter ein.

Weder seitens des zuständigen Jugendamts noch seitens des Verfahrensbeistands wurde eine konkrete Gefährdung des betroffenen Kindes durch die stattgefundene Mediennutzung festgestellt und mit der Kindesmutter thematisiert. Es erscheint vor diesem Hintergrund schon zweifelhaft, ob überhaupt im zugrundeliegenden Fall eine konkrete Gefährdung des Kindes anzunehmen ist, die ein Eingreifen des Familiengerichts von Amts wegen rechtfertigen würde. Die allgemeinen Risiken der Nutzung smarter Technologien und Medien durch Minderjährige begründen nicht per se eine hinreichend konkrete Kindeswohlgefährdung, die Maßnahmen nach § 1666 BGB rechtfertigen würde, sondern es ist im Einzelfall zu prüfen, ob das Kindeswohl Schutzmaßnahmen durch staatliche Organe erfordert. Die Nutzung digitaler Medien muss zum Schutz von Minderjährigen gegebenenfalls pädagogisch begleitet werden, hier ergeben sich jedoch individuelle Spielräume, die - solange keine konkrete Kindeswohlgefährdung vorliegt - innerhalb der jeweiligen Familien eigenverantwortlich festgelegt werden kann (vgl. Herberger juris PR-FamR 14/17 Anm. 2; juris FamR 7/2018 Anm. 2, Leipold NZFam 2016, 953).

Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts nicht, nach der Auflagen gem. §§ 1666, 1666a BGB erforderlich sind, wenn sich im Verlauf eines Verfahrens herausstellt, dass ein Kind oder Jugendlicher Smartphones oder Tablets nutzt und dabei auch den - letztlich von den Eltern ermöglichten - Internet- oder WhatsApp-Zugang nutzt. Gleiches gilt, wenn sich herausstellt, dass das Kind oder der Jugendliche Zugang zu Computerspielen hat, die nicht altersgerecht sind. Ohne Vorliegen weiterer, erheblicher Anzeichen für eine konkrete Gefährdung des Kindes lässt sich hier nicht darauf schließen, dass ein Tätigwerden im Rahmen des den Familiengerichten zusammen mit den Jugendämtern überantworteten staatlichen Wächteramts zulässig ist.

Mit den Entscheidungen des Amtsgerichts Bad Hersfeld (Beschluss vom 15. Mai 2017, 63 F 120/17 EASO, Beschluss vom 20.3.2017, 63 F 111/17 EASO; Beschluss vom 27.10.2017 - 63 F 290/17, NZFam 2018, 414 - mit Anm. Leipold) ist davon auszugehen, dass Medien- und Internetkonsum durch Kinder und Jugendliche Gefahren birgt, denen Eltern geeignet begegnen müssen. Das betrifft sowohl die zeitliche Begrenzung des Medienkonsums als auch die inhaltliche Kontrolle. Der Zugang jugendgefährdender Inhalte über Youtube oder andere Filmplattformen kann im Einzelfall schädliche Wirkung auf Kinder und Jugendliche haben, auch die Teilnahme an nicht für die aktuelle Altersgruppe freigegebenen Spielen konfrontiert sie möglicherweise mit verstörenden, schädigenden Inhalten. Die Verwendung von WhatsApp durch Jugendliche oder Kinder eröffnet ein weites Feld an Missbrauchsmöglichkeiten des Jugendlichen, da er als Sender und Empfänger gewünschter oder unerwünschter Nachrichten betroffen sein kann (zum sog. Sexting Döll, FamRZ 2017, 1729).

Äußerst fraglich ist, ob generell eine Schädlichkeit angenommen werden kann, die ein Eingreifen der Familiengerichte erforderlich erscheinen lässt, wenn Eltern ihren Kindern - technisch - die Möglichkeiten eröffnen, Medien in der erörterten Weise zu nutzen (skeptisch Leipold, NZFam 2018, 416, offener Rake, FamRZ 2016, 2118,2119). Der Senat ist der Auffassung, dass die - wegen der Neuartigkeit der Gefährdungen durch das Internet aktuell vieldiskutierten - Schädigungsformen im Kinderschutz im Ergebnis nicht anders zu bewerten sind, als technisch seit längerer Zeit bekannte Medien. Auch zu ausgedehnte Fernsehzeiten oder das Anschauen kindergefährdender Sendungen im öffentlich-rechtlichen oder privaten Rundfunk sollten Eltern geeignet verhindern. In gleichem Maß gilt es zu verhindern, dass Kinder sich ausschließlich von Junkfood ernähren, müssen Eltern darauf achten, dass ihre Kinder die ihrem Schutz dienenden Straßenverkehrsregeln einhalten, Körper- und Zahnhygiene betreiben, verordnete Medikamente regelmäßig einnehmen etc pp. In all diesen Bereichen kann Vernachlässigung oder fehlende Kontrolle dazu beitragen, dass Kinder der Gefahr einer Schädigung ausgesetzt sind. Allein der Besitz eines Smartphones, Tablets, Computers oder Fernsehers mit oder ohne Internetzugang rechtfertigt indes nicht die Annahme, dass Eltern durch die Eröffnung eines Zugangs ihr Kind schädigen. Dazu müssen im konkreten Einzelfall Anhaltspunkte hinzutreten, aus denen sich die konkrete Gefahr einer Schädigung ergeben. Liegt sodann in dem vom Bundesverfassungsgericht geforderten Maß der Eintritt eines Schadens nahe, kann das Familiengericht einschreiten.

Es muss insoweit auch hier berücksichtigt werden, dass es nicht zum staatlichen Wächteramt gehört, für eine bestmögliche Förderung des Kindes und seiner Fähigkeiten zu sorgen. Das in Art. 8 EMRK niedergelegte Recht auf Achtung des Familienlebens lässt Eingriffe des Staates nur unter den engen gesetzlich normierten Voraussetzungen zu, sodass der Staat den Eltern grundsätzlich auch keine bestimmte Lebensführung vorschreiben kann. Eingriffe sind insoweit nur zulässig, wenn das Kindeswohl diese konkret erfordert und können nicht unter dem Aspekt bestmöglicher Sorgerechtsausübung gerechtfertigt werden (vgl. Poncelet/Onstein a.a.O. § 1666 Rdn. 40 m.w.N.).

Die Anordnungen zur Mediennutzung und Gebrauch smarter Geräte beachtet jedenfalls auch den Grundsatz der Subsidiarität staatlichen Eingreifens nicht hinreichend, da im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens nicht einmal geprüft wurde, inwieweit die Kindesmutter selbst bereit ist, Mediennutzung und Nutzung des Smartphones durch ihre Tochter kritisch zu hinterfragen und entsprechende Einschränkungen vorzunehmen. Der Umstand, dass die Kindesmutter bereits kurz nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entsprechende Vereinbarungen und Nutzungsmodalitäten mit Hilfe der sozialpädagogischen Familienhilfe gefunden hat, spricht dafür, dass auch hier möglicherweise eingetretene Gefährdungen von der Kindesmutter selbst ohne Auflage des Gerichts beseitigt worden wären. Die Möglichkeit der Gefahrabwehr durch die Kindeseltern selbst ist nach § 157 FamFG bei Maßnahmen nach § 1666 BGB ausdrücklich mit den Beteiligten zu erörtern, was schon zur Meidung von Überraschungsentscheidungen geboten, aber darüber hinaus auch zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes der Subsidiarität staatlicher Eingriffe in Elternrechte unabdingbar ist.

Nach alledem waren die der Kindesmutter vom Familiengericht erteilten Auflagen sämtlich aufzuheben. ..."

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Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der es einem sorgeberechtigten Elternteil untersagt wird, aus der Bundesrepublik Deutschland auszureisen (sog. Ausreiseverbot) sowie das Bundespolizeipräsidium ersucht wird, durch geeignete Maßnahmen die Ausreise zu verhindern, bedarf aufgrund der damit verbundenen Einschränkung des Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Ermächtigungsgrundlage. Der Gefährdung des Kindeswohls durch eine befürchtende Verletzung der (mit-)sorgeberechtigten Befugnisse des anderen Elternteils kann mit einer Maßnahme auf Grundlage des § 1666 BGB begegnet werden. Auf Grundlage des § 1666 Abs. 1 BGB kann die Bundespolizei um präventivpolizeiliche Maßnahmen ersucht wird. Nach §§ 30 Abs. 3, 5, 39 Abs. 2 BPolG sind die Grenzschutzbehörden ermächtigt, personenbezogene Daten in den Fahndungsbestand des polizeilichen Informationssystems aufzunehmen (sog. Grenzsperre), soweit die Gefahr besteht, dass ein Minderjähriger der Obhut eines Personensorgeberechtigten entzogen werden soll. Der Erlass entsprechender kinderschutzrechtlicher Maßnahmen des Familiengerichts setzt neben der Kindeswohlgefährdung die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraus, dass ein Elternteil das Kind nach einer Ausreise aus dem Ausland nicht zurückzubringen beabsichtigt. Das Verfahren ist in derartigen Fällen geprägt vom Grundsatz der Amtsermittlung sowie die auch im Amtsverfahren bestehenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten (OLG Frankfurt, Beschluss vom 07.06.2018 - 1 UF 50/18).

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Eine Gefährdung des Kindeswohls ist bereits in dem Anfertigen der Bilder von den eigenen Töchtern in kinderpornografischer Pose zu sehen, ganz gleich, ob diese für eigene Zwecke oder aber zur Weiterleitung an andere Personen angefertigt wurden. Bereits durch das Abfotografieren der Kinder in diesen eindeutig sexualisierten bzw. kinderpornografischen Positionen liegt eine Degradierung der Mädchen zu einem bloßen Sexobjekt und eine sexuelle Ausbeutung zu pornografischen Aktivitäten und hiermit verbunden der naheliegende Eintritts eines Schadens für die körperliche und psychische Unversehrtheit der Mädchen. Nach dem im einstweiligen Anordnungsverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab ergibt sich daraus auch eine Kindeswohlgefährdung für die erst wenige Monate alte und damit besonders vulnerable Schwester der bislang betroffenen Mädchen. Insofern besteht nach Auffassung des Senats die erhebliche und nachhaltige Gefahr, dass auch der Säugling vom Lebensgefährten der Kindesmutter zur Befriedigung eigener und fremder sexueller und kinderpornografischer Interessen missbraucht würde. Bereits der einmalige Missbrauch begründet aber die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung des Kindes (vgl. BGH NJW 2017, 1032 = FamRZ 2018, 212), welchem zudem aufgrund seines sehr jungen Alters jede Möglichkeit fehlt, sich zu wehren oder Dritten anzuvertrauen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2018 - 1 UF 4/18).

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Eltern können das Jugendamt zur Ausübung der elterlichen Sorge bzw. von Teilbereichen der elterlichen Sorge bevollmächtigen, wodurch sich Maßnahmen nach § 1666 Abs. 3 BGB erübrigen können. Durch eine Vollmachtserteilung an das Jugendamt werden die Eltern als Inhaber der rechtlichen Sorge für ihr Kind nicht aus ihrer Elternverantwortung entlassen. Sie sind daher zur fortdauernden Kommunikation und Kooperation mit dem bevollmächtigen Jugendamt verpflichtet, um eine dem Kindeswohl entsprechende Sorgerechtsausübung zu gewährleisten. Erfüllen die Eltern die Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem bevollmächtigten Jugendamt nicht, kommen - trotz Vollmachterteilung - Maßnahmen nach § 1666 Abs. 3 BGB in Betracht (OLG Bremen, Beschluss vom 05.01.2018 - 4 UF 134/17).

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Zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bei psychischer Belastung der Mutter und Gefahr der Parentifizierung des Kindes. Zu den Anforderungen an die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung bei verbleibenden Verdachtsmomenten hinsichtlich einer Verletzung der körperlichen Integrität des Kindes und Fehlen weiterer Aufklärungsmöglichkeiten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.10.2017 - 18 UF 154/17):

„... 1. Nach § 1666 BGB kann das Familiengericht den Sorgeberechtigten das Sorgerecht teilweise oder vollständig entziehen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden (§ 1666 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 6 BGB). Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann (§ 1666a Abs. 1 S. 1 BGB).

Gefährdung des Kindeswohls gemäß § 1666 BGB heißt, dass ein Schaden des Kindes bereits eingetreten ist oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei weiterer Entwicklung eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG vom 29.01.2010 - 1 BvR 374/09, FamRZ 2010, 713, juris Rn. 41; BGH vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16, FamRZ 2017, 212, juris Rn. 11 und Rn. 13 m.w.N.; Palandt/Götz, BGB, 76. Auflage 2017, § 1666 Rn. 10). Generell ist für Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich, dass eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls vorliegt, zu deren Abwendung die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder in der Lage sind. Dabei kann das erforderliche Maß der Gefahr nicht abstrakt generell festgelegt werden. Denn der Begriff der Kindeswohlgefährdung erfasst eine Vielzahl von möglichen, sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen. Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen. Nach allgemeinen Grundsätzen der Gefahrenabwehr bestimmt sich die notwendige Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in Relation zur Wertigkeit des bedrohten Rechtsguts und der zeitlichen Nähe. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt (BGH vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16, FamRZ 2017, 212, juris Rn. 14; OLG Karlsruhe vom 25.05.2009 - 5 UF 224/08, FamRZ 2009, 1599, juris Rn. 20; Staudinger/Coester, BGB, § 1666 Rn. 91 [Stand 2016]; MünchKomm/Olzen, BGB, 7. Auflage 2017, § 1666 Rn. 50). Schließlich muss der drohende Schaden für das Kind erheblich sein.

Bei der Anwendung und Auslegung der Vorschriften §§ 1666, 1666a BGB ist der besondere Schutz zu beachten, unter dem die Familie sowohl nach Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG als auch nach Art. 8 EMRK steht. Danach ist die Erziehung des Kindes primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, die grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden können, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen. Daraus folgt zugleich, dass nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern den Staat berechtigen, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschließen (BVerfG vom 10.09.2009 - 1 BvR 1248/09, FamRZ 2009, 1897, juris Rn. 16, und vom 29.01.2010 - 1 BvR 374/09, FamRZ 2010, 713, juris Rn. 34). Vielmehr zählen die Eltern und deren sozioökonomische Verhältnisse, ihre Werte sowie Verhaltensweisen grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (BVerfG vom 29.01.2010, a.a.O. Rn. 46). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BGH vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16, FamRZ 2017, 212, juris Rn. 10, und vom 27.07.2016 - XII ZB 623/15, FamRZ 2016, 1752, juris Rn. 21 f.), so dass dieses bei Interessenkonflikten zwischen dem Kind und seinen Eltern letztlich bestimmend sein muss (BVerfG vom 31.03.2010 - 1 BvR 2910/09, FamRZ 2010, 865, juris Rn. 25).

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der Staat nach Möglichkeit versuchen muss, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der leiblichen Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. nur BVerfG vom 29.01.2010 - 1 BvR 374/09, FamRZ 2010, 713, juris Rn. 35 mit weiteren Nachweisen).

Die Richtigkeit erstinstanzlicher Entscheidungen in Kindschaftssachen gemäß § 151 FamFG wird vom Beschwerdegericht ohne Bindung an das mit der Beschwerde verbundene Ziel in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht von Amts wegen vollständig und unabhängig von den Rügen der Beteiligen geprüft. Maßstab der Entscheidung des Senats ist allein das Kindeswohl. Ein Beschwerdeführer muss im Interesse des Kindeswohls sogar eine Schlechterstellung hinnehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 11.07.2017 - 18 UF 118/16, juris Rn. 10 m.w.N.).

2. Nach diesen Maßstäben ist vorliegend zunächst eine Gefährdung des geistig-seelischen Kindeswohls festzustellen (dazu a), der derzeit nur mit der Entziehung der gesamten Personensorge hinreichend sicher begegnet werden kann (dazu b). Eine Übertragung auf den Vater kommt - weiterhin - nicht in Betracht (c).

a) Im Falle einer Rückkehr ... zu ihrer Mutter bestünde zur Überzeugung des Senats eine Gefahr für das geistig-seelische Wohl von ... . Es droht - wie es das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss (dort S. 8) überzeugend ausgeführt hat - eine seelische Überforderung und emotionale Mangelversorgung des Kindes und letztlich eine erhebliche Beeinträchtigung seiner sozial-emotionalen Entwicklung mit der Gefahr langfristiger, mit psychischen Problemen verbundener Entwicklungsstörungen.

Das ergibt sich in erster Linie aus den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen ... (dazu aa). Diese können sich auf gut dokumentierte Beobachtungen sowie Einschätzungen weiterer Fachkräfte aus jüngster Zeit stützen (bb). Mit den in diesem und anderen Verfahren zu früheren Zeitpunkten dargelegten Einschätzungen der Sachverständigen sowie anderer Sachverständiger stehen die aktuellen Ausführungen nicht im Widerspruch; vielmehr ergibt sich ein stimmiges Gesamtbild, nach dem eine Kindeswohlgefährdung zum jetzigen Zeitpunkt - anders als früher - bejaht werden muss. Der Senat ist davon überzeugt, dass die von der Sachverständigen beschriebenen Defizite in der Betreuung ... durch die Mutter nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie auf die Belastungssituation in Folge der Inobhutnahme ..., der Geburt ... und dessen Inobhutnahme zurückgeführt werden können; er kann daher auch nicht annehmen, dass die Gefährdungssituation zum heutigen Zeitpunkt, in dem diese - selbstverständlich stark belastenden - Ereignisse etwas zurückliegen, entfallen wäre (cc). Hinzu kommt, dass Umgangstermine zwischen Mutter und Kind seit Ende März 2017 nicht mehr stattgefunden haben (dd). Dass eine (feststellbare) Schädigung ... sich bislang noch nicht realisiert hat, steht dem Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung nicht entgegen (ee).

aa) Die Sachverständige ..., die dem Senat auch aus anderen Verfahren als erfahren und sachkundig bekannt ist, hat in ihrer schriftlichen gutachterlichen Äußerung vom 03.06.2017 (As. I 309 ff.) auf der Grundlage insbesondere der schriftlichen Berichte der Kinderarztpraxis ... (dazu unter bb) und ergänzender Telefonate mit Frau ... zusammenfassend im Wesentlichen ausgeführt:

Aufgrund der schwankenden und im Ergebnis zu wenig überzeugenden persönlichen Entwicklung von Frau ... berge eine Rückführung zum aktuellen Zeitpunkt die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung. Diese würde sich in einer seelischen Überforderung des Kindes manifestieren sowie in einer emotionalen Mangelversorgung. Erkennbar werde dies etwa darin, dass ... sich Fremden gegenüber distanzlos zeige, sowie in der Parentifizierung des Kindes, welches sich im Kontakt mit der Mutter mehr um deren, als um seine eigenen Bedürfnisse kümmere. Es werde dem Gericht empfohlen, die weitere persönliche Entwicklung der Mutter abzuwarten und (derzeit) keine Rückführung von ... zu ihrer Mutter zu beschließen. Die Mutter zeige mangelnde Präsenz für die emotionalen Bedürfnisse des Kindes. Diese Aussage werde in Kenntnis der vorhandenen positiven Bindung von ... zu ihrer Mutter (... freue sich, ihre Mutter zu sehen) getroffen, da die depressive Erkrankung der Mutter ausdauernd sei und nicht zuletzt auch als Folge ihrer Lebensgestaltung gesehen werden müsse (Gutachten v. 03.06.2017 S. 15 f.).

Die persönliche Entwicklung der Mutter habe mit den vorhandenen Alltagsanforderungen in der Erziehung und Versorgung ... nicht Schritt gehalten. So habe sich ihre Fähigkeit in der Bewältigung des Alltags (Herstellen und Aufrechterhalten einer kindeswohldienlichen Ordnung in der Wohnung) nicht positiv entwickelt. Auch habe sie ihre Problemlösungsstrategien nicht weiterentwickeln können, was sich unter anderem in der Verheimlichung der Schwangerschaft mit ... und in der mangelnden Fähigkeit zur Kooperation mit der SPFH gezeigt habe. Entgegen ihrer Absichtserklärung habe sie es nicht vermocht, eine neue Familienhelferin zu organisieren (Gutachten v. 03.06.2017 S. 14).

In den Beobachtungen von Frau ... komme eine Parentifizierung von ... zum Ausdruck, die auch in den Beobachtungen der Umgangsbegleiterin Frau ... zu erkennen sei. Es komme zum Ausdruck, dass Frau ... in der Bewältigung der vergangenen Traumatisierungen und in ihrer (seinerzeit nochmals verschlimmerten) depressiven Verstimmung nicht in der Lage sei, in einem ausreichenden Maß emotional für sich und somit auch nicht für ihre Tochter zu sorgen. Dies habe gravierende Auswirkungen und stelle die damals - zuletzt am 12.10.2016 - bestimmte (noch ausreichende) Erziehungsfähigkeit in Frage und leite in den Bereich der Kindeswohlgefährdung über (Gutachten S. 14 f.).

Diese Feststellungen der Sachverständigen sind nachvollziehbar und ihre darauf abgeleitete Einschätzung, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliege, plausibel. Dem Senat ist die Problematik der Parentifizierung, das heißt des Rollentauschs zwischen Eltern und Kind, bei dem das Kind in nicht altersgerechter Weise Sorge und Verantwortung für einen Elternteil übernimmt und eigene Wünsche zurückstellt, um Eltern zufriedenzustellen, aus zahlreichen eigenen Verfahren sowie aus der aktuellen Rechtsprechung vertraut (vgl. nur EGMR vom 12.02.2008 - 34499/04, juris Rn. 35; Brandenburgisches OLG vom 15.02.2016 - 10 UF 216/14, juris Rn. 81 ff.; OLG Hamm vom 27.06.2011 - II-8 UF 63/11, juris Rn. 20; Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e. V., FamRZ 2014, 1157, 1159). Sie wird in der Literatur als typische Folgeerscheinung psychischer Erkrankungen von Eltern oder Elternteilen beschrieben (vgl. Lau/Lau, FamRZ 2011, 862 m.w.N). Die Parentifizierung geht typischerweise einher mit Schuldgefühlen und führt zu einem negativen Selbstbild (vgl. hierzu etwa EGMR vom 12.02.2008 - 34499/04, juris Rn. 35). Als drohende (Langzeit-) Folgen für die betroffenen Kinder werden in der Literatur Depressionen, ein fragiles Selbstwertgefühl, Ablösungs- und Identitätsprobleme sowie suizidales Verhalten genannt (vgl. Lau/Lau a.a.O. m.w.N.).

bb) Eine wesentliche Tatsachengrundlage findet die Einschätzung der Sachverständigen nachvollziehbar in den aktuellen entwicklungsdiagnostischen Berichten der Facharztpraxis für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in ... (1) sowie in den Berichten der Umgangsbegleiterin Frau ... (2).

(1) Am 20.04.2017 fand eine Interaktionsbeobachtung durch die Kinderärztin ...statt. Zusammenfassend führt der Bericht vom 01.06.2017 (As. I 331 ff.; dort S. 2) aus, Frau ... habe sich sehr angespannt gezeigt. Auch ... habe bis auf das Ballspielen immer sehr angestrengt und ernst gewirkt. Blickkontakt habe wenig stattgefunden. Frau ... habe auf die Emotionen und Regungen ihrer Tochter nicht eingehen können, habe auch nicht Vorbild sein können, z.B. im Spiel ... mit einem Stofftier (Bär). Frau ... habe sich auf die kindlichen Wünschen nicht einlassen und die emotionalen Bedürfnisse ihrer Tochter nicht erkennen können. ... habe ihre Mutter geschützt, sie habe sehr ernst gewirkt, wie eine Erwachsene, im Sinne einer Parentifizierung; sie sei sehr vorsichtig, begehre nie auf.

Ähnliche Feststellungen enthält der Bericht der Heilpädagogin Frau ... über die Interaktionsbeobachtungen vom 12.04. und 17.05.2017. Am 12.04.2017 konnte die Heilpädagogin bei ihrem Eintreffen zunächst keine Kommunikation zwischen Tochter und Mutter beobachten, was auch der Pflegemutter aufgefallen war (Bericht vom 22.05.2017 S. 1, 3.). In der Spielbeobachtung sei aufgefallen, dass zwischen ... und Frau ... immer wieder kurze Sequenzen der Kontaktaufnahme stattfanden, jedoch keine Interaktion auf der Spielebene zu beobachten war. Frau ... sei sehr auf der kognitiven Ebene geblieben und habe sich nicht auf ein Rollenspiel mit den Tieren einlassen können. Sie habe distanziert gewirkt und bis auf ein kurzes belustigtes Lächeln keine emotionalen Reaktionen gezeigt. Die zunächst bei Mutter und Tochter feststellbare Anspannung habe sich im Lauf der Stunde etwas gelöst. ... habe einmal gelächelt und während der Beobachtung immer wieder Blickkontakt mit der Beobachterin aufgenommen, was diese - für den Senat nachvollziehbar - als Rückversicherung deutete.

Am 17.05. habe ... sehr freudig auf ihre Mutter reagiert und sie umarmt die Mutter sei hierbei stumm geblieben (S. 3). In der eine Stunde dauernden Interaktionsbeobachtung erlebte die Beobachterin ... als extrem verunsichert und angespannt. Erst als der ältere Bruder, der zunächst dabei gewesen sei, das Zimmer verlassen habe, habe sie sich zum Puppenhaus getraut. Sie habe im Vergleich zur ersten Beobachtung sehr viel mehr Kontakt zur Beobachterin aufgenommen, obwohl diese sich bewusst zurückgehalten habe. Wieder hätten Mutter und Tochter nicht in ein Spiel gefunden. Bei der Ankündigung des baldigen Endes der Spielstunde habe sich ... sehr angepasst gezeigt und - obwohl sie augenscheinlich noch habe weiterspielen wollen - sofort mit dem Aufräumen begonnen (Bericht vom 22.05.2017 S. 5).

In Würdigung aller drei Beobachtungen kommt der Bericht vom 01.06.2017 (dort S. 2) zu dem Ergebnis, für ... sei es langfristig wichtig, dass sie eine stabile, kindgerechte und gute Mutter-Kind Beziehung kennenlernen könne, eine Beziehung, die auch auf emotionaler Basis ihren Bedürfnissen gerecht werden könne. Diese emotionalen Bedürfnisse könne Frau ... zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennen und der Entwicklung des Kindes entsprechend befriedigen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine Rückführung zur leiblichen Mutter daher nicht zu vertreten, da eine erhebliche Beeinträchtigung der sozial-emotionalen Entwicklung des Kindes zu befürchten sei und damit langfristig Entwicklungsstörungen mit psychischen Problemen. Frau ... benötige Unterstützung; sie müsse erst lernen, auf die Bedürfnisse eines kleinen Kindes einzugehen.

(2) Die Berichte der Umgangsbegleiterin von März 2017 zeigen in noch höherem Maße ein unemotionales, nicht kindgerechtes Verhalten der Mutter. So berichtet Frau ... über den 10.03.2017, Frau ... habe ... gegenüber keine Zuneigung gezeigt (As. I 247). Am 17.03.2017 habe die Mutter hoch belastet und depressiv gewirkt, sie habe mit versteinerter Miene eine Stunde auf dem Boden gesessen, wirkliche Kommunikation mit ... habe nicht stattgefunden (I 249). Am 23.03.2017 habe ein hochproblematischer Umgangstermin stattgefunden, bei dem keine Nähe zu den Kindern (neben ... war auch ... anwesend) hergestellt worden sei. ... sei schließlich unbemerkt verschwunden und sei im Aufzug aufgefunden worden (I 253).

cc) In ihren früheren Stellungnahmen vom 28.04.2015 und 12.10.2016 hat die Sachverständige eine Kindeswohlgefährdung zwar noch nicht bejaht. Sie hat aber im Oktober 2016 bereits Risikofaktoren der weiteren Entwicklung benannt; es ist für den Senat nachvollziehbar und überzeugend, dass sich die Einschätzung schließlich geändert hat.

Im Gutachten vom 28.04.2015 stellt die Sachverständige eine sichere Bindung ... an die Mutter fest. Es hätten keine Daten erhoben werden können, die auf eine Gefährdung des Kindeswohls hindeuteten, wenn sie weiterhin ganztags von Frau ... betreut werde. Frau ... sei mit der Versorgung ihrer Tochter nicht überfordert (Gutachten v. 28.04.2015 S. 156 ff.).

Im Gutachten vom 12.10.2016 findet sich bereits ein differenziertes Bild. Die Bindung zwischen ... und ihrer Mutter wird nach wie vor als gut beschrieben (Gutachten S. 39 f.). Im Rahmen der Interaktionsbeobachtung wird allerdings schon seinerzeit festgestellt, dass Frau ... gegenüber mimisch zurückhaltend bis verarmt wirke und auch in ihrer Innigkeit sehr verarmt sei. Die Sachverständige stufte dies allerdings als „im Rahmen des Spektrums einer im normalen Rahmen liegenden Mutter-Kind-Interaktion" liegend ein und vermutete, Frau ... bleibe in der „Prüfungssituation" eher unter ihren Möglichkeiten. Es sei Frau ... zuzutrauen, dass sie ihre Mimik und Gestik mehr entwickele und ausdifferenziere (S. 40 f.). In ihrer ergänzenden mündlichen Anhörung äußerte die Sachverständige, dass sie „allenfalls eine mittelfristige bis langfristige Gefahr einer Schädigung des Kindes sehe, wenn sich nicht äußere Umstände der Mutter ändern würden" (I 41).

Diese seinerzeitige Einschätzung hat die Sachverständige in ihrem Gutachten vom 03.06.2017 auf Grund aktueller Erkenntnisse nachvollziehbar teilweise revidiert und ausgeführt, in der Gesamtschau der aktuellen Beobachtungen werde das seinerzeitige Bild zum jetzigen Zeitpunkt als Ausdruck einer die Interaktionsfähigkeit der Mutter einschränkenden depressiven Entwicklung gesehen (Gutachten v. 03.06.2017 S. 14 f.).

Gestützt wird diese Schlussfolgerung weiter dadurch, dass bereits der Sachverständige ...in seinem im Rahmen des Strafverfahrens erstellten Gutachten vom 08.11.2013 als psychische Auffälligkeit bei der Mutter u.a. deren „Beziehungsstörung ... i.S. erheblicher Schwierigkeiten bezüglich tiefergehenden emotionalen Bindungen, sei es zu Partnern, sei es zu ihren Kindern, aber auch hinsichtlich freundschaftlicher Beziehungen" festgestellt hat; von verschiedener Seite sei die distanzierte und emotionsarme Interaktion mit ihren Kindern beschrieben worden (Gutachten = Sonderband IX zu 14 Ns 110 Js 10737/13, S. 50 siehe auch S. 49). Es handelt sich bei den beschriebenen Schwierigkeiten also durchaus um eine Konstante in der Biographie von Frau ..., unabhängig davon, dass die exakte diagnostische Einordnung nicht ganz einheitlich ist. Während die Sachverständige ... im Einklang mit der Therapeutin und Beiständin der Mutter, Frau ..., von einer depressiven Erkrankung ausgeht, kam der Sachverständige ... zu der Diagnose einer akzentuierten Persönlichkeitsstruktur, nachdem er eine Einordnung als AD(H)S des Erwachsenenalters, als dependente Persönlichkeitsstruktur oder als emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ erwogen, aber letztlich verworfen hatte (Gutachten S. 51 ff.).

Zwar hat ... im Termin vom 21.09.2017 nachvollziehbar und auch gestützt durch den Bericht ihrer Therapeutin Frau ... darauf hingewiesen, dass ihre psychische Verfassung besser sei als insbesondere im Februar/März 2017, als die Inobhutnahme ... noch nicht lange zurücklag und die zweifellos sehr belastende Erfahrung der bereits kurz nach der Geburt erfolgten Inobhutnahme ... noch ganz frisch war. Die offenbar über Jahre hinweg bestehende Kontinuität in der Schwierigkeit beim Aufbau emotionaler Bindungen spricht indes entscheidend dagegen, dass es sich bei der Einschätzung der Sachverständigen nur um eine ungünstige Momentaufnahme handelt.

dd) Eine zusätzliche Problematik ergibt sich daraus, dass es seit dem 23.03.2017 abgesehen von den Interaktionsbeobachtungen keinen weiteren Umgang der Mutter mit ... mehr gegeben hat.

(1) Zum einen zeigt sich nach Einschätzung des Senats auch darin das eher passive, durch eine gewisse Antriebslosigkeit und fehlende Problemlösungsstrategien gekennzeichnete Verhalten von ....

Dass das Jugendamt nach dem Umgangstermin vom 23.03.2017 zunächst auf einer Aufarbeitung bestanden hat, erscheint nach den über diesen Termin vorliegenden Berichten - denen die Mutter auch nicht substantiiert entgegengetreten ist - nachvollziehbar und richtig. Nach den Erörterungen im Termin am 21.09.2017 erscheint es zwar möglich, dass der geplante Gesprächstermin am 22.05.2017 vor allem an einer unglücklich verlaufenden Kommunikation zwischen dem Jugendamt und der Mutter bzw. ihrem seinerzeitigen Rechtsanwalt gescheitert ist. Der Senat muss aber davon ausgehen, dass sich ... auch in der Folge wenn überhaupt, dann eher formal und ohne Nachdruck um die Fortsetzung des Umgangs mit ihrer Tochter bemüht hat. Denn trotz ihrer langjährigen, zweifellos leidvollen Verfahrensgeschichte hat sie ihre Behauptung, nach dem gescheiterten Termin nochmals den Kontakt mit dem Jugendamt gesucht und Herrn ... auch auf den Anrufbeantworter gesprochen zu haben, in keiner Weise substantiieren, geschweige denn belegen können - was Zweifel an der Richtigkeit ihrer Darstellung wecken muss. Ähnliches gilt, soweit die Mutter behauptet und versichert, sie habe einen Antrag auf Durchführung einer Mutter-Kind-Kur bereits Ende April beim Jugendamt gestellt. Das Jugendamt hat hierzu angemerkt, ein solcher Antrag sei dort nicht eingegangen. Von einem solchen Antrag habe man vielmehr erstmals telefonisch von Herrn ... gehört, der im Mai im Auftrag der Mutter angerufen habe; auf den Hinweis, dass der Antrag dem Jugendamt nicht vorliege, sei dann wiederum nicht reagiert worden. Erst jüngst sei ein entsprechender Antrag gestellt worden. Der Senat ist danach nicht davon überzeugt (und hält es auch nicht für überwiegend wahrscheinlich), dass ein von der Beschwerdeführerin gestellter Antrag beim Jugendamt verloren gegangen ist. Ferner ist nicht plausibel, wieso die Mutter bis in den September 2017 hinein nicht nachdrücklich auf die Angelegenheit zurückgekommen ist und - insbesondere nach der Herrn ... erteilten Auskunft - nicht zeitnah einen neuen Antrag gestellt hat.

(2) Unabhängig hiervon hält es der Senat nach dem durchaus problematischen Verlauf der letzten Kontakte zwischen Mutter und Kind und der aus sachverständiger Sicht darauf gestützten Schlüsse nicht für verantwortbar, eine Rückführung nach einer mehrmonatigen Unterbrechung jeglichen Kontakts in Betracht zu ziehen, ohne dass zuvor begleitete Umgangskontakte stattgefunden haben. Solche Kontakte müssten zudem durch ihren Verlauf auf eine substantielle Verbesserung des Interaktionsverhaltens der Mutter schließen lassen.

ee) Wenn eine nachhaltige Schädigung der seelischen Entwicklung ... bislang nicht eingetreten ist - wofür erfreulicherweise Einiges spricht -, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass eine solche Schädigung auch in Zukunft nicht zu erwarten wäre.

Das Gutachten der Sachverständigen vom 12.10.2016 hat zwar die Erziehungsfähigkeit der Mutter bereits als „eingeschränkt/schwankend" bewertet, doch wurde eine Kompensation durch Hilfsangebote als möglich angesehen. Ausdrücklich festgehalten wurde, dass eine Schädigung des Kindes in der Obhut der Mutter nicht eingetreten sei (Gutachten vom 12.10.2016). In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 20.10.2016 führte die Sachverständige aus, dass ... offenkundig Schutzfaktoren entwickelt habe (I 41). Soweit die günstige Einschätzung wegen der noch nicht abgeschlossenen Entwicklungsdiagnostik bei ... noch unter einem gewissen Vorbehalt stand, wurde die positive Tendenz des Sachverständigengutachtens durch den heilpädagogischen Bericht vom 07.11.2016 (I 57) und das Ergebnis der Entwicklungsdiagnostik vom 23.11.2016 (I 53) in der Folge eher gestützt: Es seien völlig normale Befunde im Bereich Körpermotorik, Handmotorik, Sprachentwicklung und in der Skala der sozial-emotionalen Fähigkeiten festzustellen. Ein leichtes Entwicklungsdefizit in der kognitiven Entwicklung solle beobachtet werden (Bericht vom 23.11.2016 S. 2).

Dem entspricht es, dass der Senat bei der Anhörung am 18.09.2017 von ... einen positiven Eindruck gewonnen hat; sie hat fröhlich und unbelastet gewirkt und einen altersgemäß entwickelten Eindruck gemacht.

Danach spricht aus Sicht des Senats zwar einiges dafür, dass ... über eine hohe Resilienz verfügt, die sie bislang vor einer nachhaltigen Schädigung geschützt haben mag. Die Ergebnisse der aktuellen Interaktionsbeobachtungen (oben bb)(1)) zeigen jedoch deutlich, dass die vorhandenen Schutz- bzw. Resilienzfaktoren Verhaltensauffälligkeiten ... im Umgang mit ihrer Mutter und letztlich auch einer einsetzenden Parentifizierung nicht oder jedenfalls nicht mehr entgegenstehen. Die Sachverständige hat zuletzt ausgeführt, bei ... handle es sich um ein emotional belastetes Kind, was sich an dem bei ihr durch KiTa und Ergänzungspflegerin beobachteten „Freezing" bzw. Erstarren des Gesichts gezeigt habe (Gutachten v. 03.06.2017 S. 8). Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang auch die Anmerkung der Kinderärztin ... in ihrem Bericht vom 01.06.2017 (dort S. 2), sie habe bereits mehrfach Gelegenheit gehabt, ... im Kreis ihrer Pflegeeltern kennenzulernen und zu beobachten. ... sei in diesen Situationen ein ganz anderes Kind, sie sei fröhlich, lache, spreche, spiele sofort und nehme Kontakt zur Umgebung auf, sei wesentlich lebhafter, wolle ständig mit dem älteren Sohn er Pflegefamilie spielen, nehme Blickkontakt auf, zeige auch Widerstand und Opposition und könne auch ihre Wünsche dann äußern und energisch durchsetzen. Das (in Gegenwart der Mutter zu beobachtende) starre, fast eingefrorene Verhalten von ... bestehe im Rahmen der Pflegefamilie nicht. Dieser Schilderung entspricht wiederum auch der Eindruck, den ... bei ihrer Anhörung durch den Senat hinterlassen hat.

b) Die Entziehung der gesamten Personensorge ist zur Abwendung der geschilderten Kindeswohlgefährdung erforderlich. Die Maßnahme ist geeignet (aa). Weniger einschneidende Mittel stehen derzeit nicht zur Verfügung (bb-cc).

aa) Die - seit Dezember 2016 bestehende - Fremdunterbringung ... ist geeignet, der Gefahr einer Schädigung ... durch eine nicht kindgerechten Betreuung seitens ihrer Mutter entgegenzuwirken.

Soweit die Beschwerde dies mit der Erwägung in Zweifel zieht, dass auch die Herausnahme des Kindes und die Fremdunterbringung Gefahren für das Kindeswohl mit sich brächten, ist zunächst festzuhalten, dass sowohl die Beobachtungen von Frau ... zum Umgang ... mit ihrer Pflegefamilie (oben a)ee), 4. Absatz) als auch der persönliche Eindruck, den der Senat von ... hat, gegen eine Traumatisierung oder sonstige Schädigung des Kindes durch die Inobhutnahme sprechen. Im Übrigen ist maßgebend für den Senat nicht die nachträgliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme, sondern die Frage, ob aktuell im Falle der Fortdauer der Fremdunterbringung eine Gefährdung droht, die mindestens genau so schwer wiegt wie diejenige im Falle einer Rückführung zur Mutter. Dafür aber gibt es nach dem gegenwärtigen Sachstand keinerlei konkrete Anhaltspunkte.

Zur Aufrechterhaltung der bestehenden Fremdunterbringung ist angesichts der klaren Ablehnung dieser Maßnahme durch die Mutter und ihrer fehlenden Kooperation mit dem Jugendamt die Entziehung der gesamten Personensorge erforderlich. Soweit das Amtsgericht im angefochtenen Beschluss nur Teile der Personensorge entzogen und der Beschwerdeführerin insbesondere das Umgangsbestimmungsrecht belassen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es ist nach den Ausführungen unter a) gerade der Umgang mit der Mutter, der für das Kindeswohl problematisch ist. Im Übrigen hat die Mutter trotz formaler Belassung des Umgangsbestimmungsrechts auch seit dem Beschluss des Amtsgerichts über die Umgangskontakte faktisch nicht bestimmen können. Auf die bei einer Entscheidung über die Beschwerde drohende - jedenfalls formale - Verschlechterung hat der Senat im Termin vom 21.09.2017 ausdrücklich hingewiesen.

bb) Eine Rückführung ... im Rahmen eines Schutzkonzepts, das die Kompensation der Betreuungsdefizite durch die Mutter zum Ziel haben müsste, setzt zunächst die Etablierung eines - funktionierenden, befriedigend verlaufenden - begleiteten Umgangs voraus. Mit der Vereinbarung eines Besprechungstermins für den 09.10.2017 in der Anhörung vom 21.09.2017 ist ein erster wichtiger Schritt in dieser Richtung erfolgt. Ob, inwieweit und in welchem zeitlichen Rahmen sich hier belastbare Verbesserungen ergeben, ist derzeit jedoch noch nicht abzusehen.

cc) Auch die von der Mutter im Termin am 21.09.2017 thematisierte und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung untermauerte Möglichkeit einer betreuten gemeinsamen Unterbringung in einem Mutter-Kind-Heim nach § 19 SGB VIII kann - soweit sie praktisch in Betracht kommt - zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht dazu führen, der Mutter die Personensorge ganz oder teilweise zu belassen.

(1) Ob der dem Jugendamt nunmehr erstmals vorliegende Antrag positiv beschieden werden kann, steht nach Rückfrage beim Jugendamt noch nicht fest. Es wird maßgeblich darauf ankommen, ob sich ein freier, geeigneter Platz in einer Einrichtung in ... oder an einem anderen Ort findet und ob die Beschwerdeführerin sich mit den noch im Einzelnen zu klärenden Rahmenbedingungen einverstanden erklären kann. Es ist jedenfalls - wie das Jugendamt bereits im Verhandlungstermin mitgeteilt hat - nicht vorn vornherein auf Grund des Alters der Beschwerdeführerin, ihrer familiären Situation o.ä. ausgeschlossen, dass die Maßnahme durchgeführt werden kann. Das angesichts der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts bzw. dem vorliegenden Beschluss formell fehlende Antragsrecht der Mutter steht ebenfalls nicht entgegen, da die Ergänzungspflegerin den Antrag stellen oder sich ihm anschließen kann.

(2) Der Senat würde eine Durchführung der beantragten Maßnahme - soweit die Voraussetzungen für eine Bewilligung vorliegen oder geschaffen werden können - begrüßen. Er sieht hierin einen sinnvollen Ansatz, um in einem geschützten Rahmen den Umgang der Mutter mit ... zu reaktivieren und somit eine zentrale Voraussetzung für eine Rückführung zu schaffen. An der Erforderlichkeit der Entziehung der Personensorge ändert diese Option jedoch derzeit nichts. Die Durchführung der beantragten Maßnahme wird - ebenso wie eine Reaktivierung des Umgangs in anderer Form - in hohem Maße von der Kooperation der Beschwerdeführerin mit dem Jugendamt und den betreffenden Einrichtungsträgerin abhängen. Diese Kooperation hat jedoch in der Vergangenheit nicht verlässlich stattgefunden, und es gibt bislang keine hinreichend belastbaren Anhaltspunkte für eine nachhaltige Veränderung zum Positiven.

Seit der Geburt ... hat eine Vielzahl gerichtlicher Verfahren stattgefunden, deren Hintergrund immer wieder die fehlende Bereitschaft der Mutter war, mit dem Jugendamt und der eingesetzten SPFH zu kooperieren und Einblick in ihren Alltag zu gewähren. Auch in der Anhörung durch den Senat hat sich gezeigt, dass ... dem Jugendamt mit Misstrauen und Ablehnung begegnet. Dem liegt offenbar die Überzeugung der Mutter zu Grunde, dass es der vom Jugendamt gewünschten engmaschigen Überwachung und der Interventionen (etwa der Einrichtung einer SPFH oder der erst auf nachdrückliches Betreiben des Jugendamts und des Familiengerichts erfolgten Anmeldung ... in einem Kindergarten) im Grunde nicht bedarf. In besorgniserregender Weise haben sich das fehlende Problembewusstsein und die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Mutter in der Verheimlichung ihrer Schwangerschaft mit ... gezeigt. So verständlich (und berechtigt) die Sorge der Mutter gewesen sein mag, man werde ... in Obhut nehmen, so ungeeignet und kontraproduktiv war die Strategie der Verheimlichung, die so weit ging, das Frau ... auch ihre Therapeutin nicht ins Vertrauen gezogen hat.

Unter solchen Umständen kann eine erfolgreiche Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten betreuten gemeinsamen Unterbringung derzeit nicht annähernd sicher prognostiziert werden. Selbst wenn die Mutter besser mit dem Jugendamt kooperiert, wird sich erst zeigen müssen, ob, inwieweit und in welchem zeitlichen Horizont sich eine Verbesserung des Umgangs mit ... einstellt. Eine (vollständige oder teilweise) Rückübertragung des Sorgerechts zum jetzigen Zeitpunkt wäre damit auch im Fall einer Verbindung mit der Auflage, die geplante betreute Unterbringung in Anspruch zu nehmen, aus Sicht des Senats verfrüht, da das Risiko eines Scheiterns zu hoch ist und durch die Rückübertragung des Sorgerechts noch vergrößert würde. Umgekehrt bestehen nach § 1696 Abs. 2 BGB keine Hinderungsgründe für die Mutter, im Falle positiver Entwicklungen jederzeit wieder die jetzt getroffene Entscheidung überprüfen zu lassen.
c) Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater nach § 1680 BGB kommt weiterhin nicht in Betracht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts (S. 10 des angefochtenen Beschlusses) wird Bezug genommen. Auch im Beschwerdeverfahren hat sich der Vater - abgesehen von einem Hinweis auf seine Verhinderung am Anhörungstermin vom 21.09.2017 und die damit verbundene knappe Äußerung, ... solle zu ihrer Mutter zurückgeführt werden, hilfsweise wolle er für seine Tochter sorgen - nicht beteiligt.

3. Angesichts der unter 2. getroffenen Feststellungen bedarf es derzeit keiner abschließenden Beurteilung, ob und inwieweit das Wohl ... auch darüber hinaus gefährdet ist. Denn die getroffenen Maßnahmen sind jedenfalls ausreichend, um etwaige weitere Gefahren mit abzuwenden. Der Vollständigkeit halber und mit Blick auf die Zukunft merkt der Senat an:

a) Die Gefahr einer körperlichen Misshandlung ... durch ihre Mutter darf nach gegenwärtiger Beurteilung durch den Senat nicht überbewertet werden. Sie kann aber auch nicht außer Betracht bleiben, sobald eine Rückführung ernsthaft im Raum steht.

Konkrete Hinweise darauf, dass es zu einer körperlichen Misshandlung ... durch ihre Mutter gekommen sein könnte, haben sich bislang lediglich einmal ergeben, nämlich im Zusammenhang mit der Inobhutnahme ... am 08.12.2016. Der - durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung ihres Sohnes ... im Termin vom 21.09.2017 bekräftigten - Angabe der Mutter, sie habe ... nicht geschlagen, stehen nach wie vor gewichtige gegenteilige Indizien gegenüber. So kommt die Stellungnahme des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin beim Universitätsklinikum ... vom 08.12.2016 zu dem Ergebnis, dass das bei ... damals vorhandene Hämatom im Bereich der linken Wange keiner typischen Unfalllokalisation entspreche; hierauf gründete der „Therapievorschlag" der Inobhutnahme. Auch liegen weitere Indizien vor, die gegen die Mutter sprachen und sprechen, namentlich die Beobachtung von POMin ..., dass Frau ... beim Weg zum Universitätsklinikum ... erklärt habe, sie solle „nichts sagen, dann passiert auch nichts", sowie die Tatsache, dass die Erklärung der Mutter über eine unfallbedingte Entstehung von zwei von der Mutter angegebenen, vom Jugendamt telefonisch befragten Zeugen nicht bestätigt wurde (Bericht des Jugendamts vom 09.12.2016, 46 F 2948/16 As. 87).

Eine strafrechtliche Verurteilung wird sich hierauf jedenfalls nach der im Bewährungswiderrufsverfahren 22 BWL 36/14 geäußerten Einschätzung des Amts- und Landgericht Freiburg auch unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse im Verfahren 512 Js 1655/17 nicht stützen lassen. Der das Strafverfahren prägende Grundsatz „in dubio pro reo" gilt allerdings im Rahmen des Kinder- und Jugendschutzes nach Maßgabe von §§ 1666, 1666a BGB nicht (vgl. OLG Karlsruhe vom 28.01.2014 - 18 UF 361/12; MünchKomm-BGB/Olzen, , 7. Auflage 2017, § 1666 Rn. 64; Heilmann, Anmerkung zu OLG Hamm vom 21.10.2009 - II-12 UF 283/08, FamRZ 2010, 40 [42]; ähnlich, wenn auch missverständlich OLG Frankfurt vom 30.06.1995 - 6 UF 60/95, FamRZ 1995, 1432, juris Rn. 8). Maßnahmen auf der Grundlage dieser Vorschriften setzen vielmehr - schon im Ansatz grundsätzlich unabhängig vom Nachweis in der Vergangenheit erfolgter Misshandlungen - lediglich eine gegenwärtige oder unmittelbar drohende Gefährdung des Kindes voraus (vgl. MünchKomm/Olzen, a.a.O., § 1666 Rn. 50; Staudinger/Coester, BGB, § 1666 Rn. 91 [Stand 2016]).

Ob sich aus den geschilderten, konkret das Kind ... betreffenden Anhaltspunkten allein das Vorliegen einer erheblichen Gefahr für ... Wohl in Form ihrer körperliche Integrität herleiten ließe, erscheint dennoch zweifelhaft. Auch weitere Auffälligkeiten im Verhalten ... nach der Inobhutnahme - etwas die Angst vor dem Baden, das Weinen beim Wickeln und die Äußerungen „da kommt Blut raus" und „Ah, der Gurt ist weg" unter Zeigen auf den Intimbereich haben trotz Aufklärungsbemühungen seitens des Jugendamts (einschließlich einer Untersuchung auf möglichen Missbrauch) kein klares Bild ergeben. Bei einer Gesamtwürdigung muss aber auch berücksichtigt werden, dass ... wegen Misshandlung von vieren ihrer Kinder im Jahr 2014 strafrechtlich verurteilt wurde (vgl. ergänzend zur Auseinandersetzung mit der Beweislage - vor Ergehen des mittlerweile rechtskräftigen landgerichtlichen Urteils - Senatsbeschlüsse vom 31.07.2014 - 18 UF 86/14 und 122/14).

Angesichts dessen werden das Jugendamt und das Familiengericht bzw. der Senat auch im Falle einer künftigen Rückführung durch Vereinbarung oder Auferlegung eines geeigneten Schutzkonzepts Sorge dafür tragen müssen, dass es unter keinen Umständen zu Misshandlungen der Kinder ... kommt. Insofern kann nicht ohne Weiteres darauf vertraut werden, bei der Betreuung lediglich eines - augenscheinlich auch eher „pflegeleichten" - Kindes und der Abwesenheit eines problematisches Partners werde „schon nichts passieren". Das gilt insbesondere angesichts der psychischen Auffälligkeiten ... (vgl. oben 2.a)cc), die ihren Ausdruck offenbar immer wieder im Zustand ihrer Wohnung gefunden haben (unten b). Auch die Schwangerschaft mit ... und der Umgang der Mutter mit ihr zeigt deutlich, dass Belastungssituationen im Leben von ... weiter auftreten können.

In diesem Punkt werden in Zukunft auf Seiten der Beschwerdeführerin in stärkerem Maße als bisher Problembewusstsein und Kooperationsbereitschaft vorhanden sein müssen, um eine Rückführung ... - wenn diese ernstlich im Raum steht - nicht zu gefährden.

b) Ähnliches gilt für den im Verlauf dieses Verfahrens und anderer Verfahren immer wieder thematisierten Zustand der Wohnung der Beschwerdeführerin. Auch wenn die Äußerungen der Verfahrensbeiständin ... sowie der Therapeutin und Beiständin der Beschwerdeführerin im Termin vom 21.09.2017 darauf hindeuten, dass dieser aktuell akzeptabel ist, kann daraus nicht geschlossen werden, dass eine sichere und (einigermaßen) kindgerechte Umgebung für ... dauerhaft sichergestellt wäre. Der Zustand der Wohnung wurde von behördlicher Seite immer wieder - zuletzt bezogen auf den 08.12.2017 - als über die Maßen unordentlich und auch gesundheitlich unzuträglich („vermüllt", abgedunkelt, Uringestank etc.) beschrieben. Die Sachverständige hat dies zudem mit Blick auf die weitere Entwicklung ... (Scham, wenn sie Freunde nach Hause einladen möchte) für problematisch erachtet. Wenn es der Beschwerdeführerin gegenwärtig gelungen ist, diesen Zustand zu beheben, müsste doch im Fall einer Rückführung noch geraume Zeit darauf geachtet werden, dass dies auch so bleibt.

4. Die Anordnung der ergänzenden Pflegschaft in Konsequenz der teilweisen Entziehung des Sorgerechts beruht auf § 1909 BGB. Das Amtsgericht hat eine erfahrene und kompetente Ergänzungspflegerin ausgewählt, der der Senat nunmehr die Wahrnehmung der Personensorge für ... insgesamt überträgt. ..."

***

„... Die gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Kindesmutter bleibt in der Sache insgesamt ohne Erfolg.

1. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung festgestellt, dass sorgerechtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB gegen den Vater nicht veranlasst sind, insbesondere die Voraussetzungen für einen Entzug seines elterlichen (Mit-)Sorgerechts nicht vorliegen.

1.1 Gemäß § 1666 Abs. 1 BGB hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts ist Voraussetzung einer (teilweisen) Entziehung der elterlichen Sorge eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. statt aller BVerfG FamRZ 2015, 112; BGH FamRZ 2017, 212 - jeweils zitiert nach juris und mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Dabei kann das erforderliche Maß der Gefahr nicht abstrakt generell festgelegt werden. Denn der Begriff der Kindeswohlgefährdung erfasst eine Vielzahl von möglichen, sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen. Erforderlich ist daher seine Konkretisierung mittels Abwägung der Umstände des Einzelfalls durch den mit dem Fall befassten Tatrichter. Unzureichend ist es insbesondere, allein oder entscheidend den Blick auf (Fehl-)Ver-haltensweisen der Eltern zu lenken, ohne daraus konkrete schwerwiegende Konsequenzen für das betroffene Kind abzuleiten und darzulegen, von welcher Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit die befürchteten Beeinträchtigungen des Kindes sind und weshalb diese Gefahren so gravierend sind, dass sie einen (teilweisen) Sorgerechtsentzug rechtfertigen. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Umgekehrt sind selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines allerdings nicht erheblichen Schadens Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt (vgl. BGH a.a.O.).

1.2.1 Gemessen an diesen Grundsätzen rechtfertigt der Verdacht sexuellen Kindesmissbrauchs zum Nachteil der Schwestern F…s durch den Vater einen selbst teilweisen Entzug dessen (Mit-)Sorgerechts für F… nicht.

Der Senat hat in dem parallel geführten Umgangsverfahren zum Az. 9 UF 110/16 mit Beschluss vom heutigen Tage eingehend ausgeführt, dass nach Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Ermittlungsansätze davon auszugehen ist, dass der Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens des Vaters zwar nicht völlig ausgeschlossen werden kann, ein tatsächliches Missbrauchsgeschehen durch den Vater indes nicht wahrscheinlich ist. Das (Rest-)Risiko pädosexueller Handlungen des Vaters an F… ist danach als äußerst gering einzuschätzen; eine konkrete Gefährdung, die es erforderlich oder nur gerechtfertigt erscheinen ließe, Schutzmaßnahmen durch eine (dauerhafte) Umgangsbegleitung zu ergreifen, lässt sich nicht feststellen. Auf die dortigen Ausführungen (unter Ziffer II.2) wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen.

Fehlt es danach also bereits an der Notwendigkeit für besondere Schutzmaßnahmen in der direkten Kontaktpflege zwischen dem Vater und F…, so fehlt es anknüpfend an diesen Verdacht umso mehr an einem hinreichenden Gefährdungspotenzial für die Entwicklung F…s für den Fall fortgesetzter Ausübung des (Mit-)Sorgerechts des Vaters.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht steht ohnehin allein der Mutter zu, die es dahin ausübt, dass F… mittelfristig in der gewohnten Pflegefamilie bleiben kann. Der Vater ist und bleibt absehbar von einer hauptverantwortlichen alltäglichen Betreuung, Versorgung und Erziehung F…s in eigener Person faktisch ausgeschlossen; in der persönlichen Beziehungsgestaltung ist er bis auf Weiteres auf Umgangsbegegnungen in Form von zunächst stundenweisen Begegnungen und ab Ende Mai 2017 von Tagesbeurlaubungen F…s in seinen Haushalt ohne Übernachtung beschränkt. Die Ausübung des Mitsorgerechts konzentriert sich unter den gegebenen Umständen also ohnehin auf die erfahrungsgemäß sehr selten anfallenden Entscheidungen in wichtigen Belangen des Kindes, wie etwa der Besuch eines Kindergartens, der Schulbesuch, besondere medizinische oder ein sonst wie gearteter therapeutischer Behandlungsbedarf des Kindes o.ä. Tatsächlich ist schon weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwieweit der Vater in einer verantwortungsvollen - also auf die wohl verstandenen Interessen F…s ausgerichteten - Ausübung seines so gestalteten Mitsorgerechts überhaupt auch nur teilweise eingeschränkt sein soll, nur weil der Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens auf die Schwestern F…s nicht mit letzter Sicherheit ausgeräumt werden konnte. Es ist überhaupt nicht erkennbar, dass und vor allem welche konkreten Gefahren gerade daraus überhaupt für die weitere Entwicklung F…s drohen sollen.

1.2.2 Die im Zuge der (wiederholten) familienpsychologischen und zuletzt der sexualmedizinischen Begutachtung des Vaters in den Jahren 2011/12 und 2014/15 zutage getretenen besonderen Dispositionen der Persönlichkeit des Vaters bieten aus denselben Gründen - ganz offensichtlich - keinen hinreichend tragfähigen Ansatzpunkt für sorgerechtliche Maßnahmen.

Der Senat verweist auch hierzu auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom heutigen Tage in dem Umgangsverfahren (dort zu Ziffer II.3). In keinem der Sachverständigengutachten werden konkret drohende Gefahrenmomente für das Wohl F…s aufgrund der selbstunsicheren und paranoiden Persönlichkeit(s-akzentuierung bzw. -störung) des Vaters aufgezeigt. Die Behauptung der Mutter in der Beschwerdeschrift, der Vater sei persönlichkeitsbedingt überhaupt nicht in der Lage, wichtige Entscheidungen für die Kinder in deren Interesse zu treffen, wird gerade nicht von dem hierfür in Bezug genommenen (sexualmedizinischen) Gutachten des Prof. Dr. Dr. B… vom 30. November 2015 gestützt und auch anderweitig nicht ansatzweise argumentativ untermauert oder zumindest durch geeignete Beispiele aus der Vergangenheit belegt.

Tatsächlich gibt es keinerlei hinreichend belastbare Anknüpfungstatsachen für die These, der Vater könne die mit der Ausübung des Mitsorgerechts in dem Umfang, in dem es besteht, einhergehende Mitentscheidungsbefugnis nicht verantwortungsvoll, sachlich-inhaltlich abgewogen und reflektiert im Interesse F…s ausüben. Der Umstand, dass der Vater weiterhin anstrebt, alle Töchter, insbesondere auch F… in seinem Haushalt schnellst möglich hauptverantwortlich zu betreuen, ist allzu verständlich und nicht einmal ein schwaches Indiz für eine nach § 1666 BGB zu sanktionierende Verantwortungslosigkeit. Abgesehen davon, dass die Mutter im Kern, wenn auch mit einer anderen zeitlichen Perspektive ebenso nachvollziehbar eigene entsprechende Ziele verfolgt, findet der Vater insoweit jedenfalls ausdrücklich die Unterstützung der familienpsychologischen Sachverständigen S…, die in dem Berliner Parallelverfahren zum Sorgerecht für die Schwestern Am… und M… sogar die Rückführung in den väterlichen Haushalt empfohlen hat, also sogar die mit sehr viel mehr praktischer Verantwortung beladene Alltagsbetreuung der Schwestern - wieder - in die Hände des Vaters zu legen anrät.

1.2.3 Der von der Kindesmutter weiter vorgebrachte Umstand, dass zwischen den Eltern keinerlei Kommunikationsbasis mehr bestehe, nachdem sie mit Blick auf den Verdacht, der Vater habe sich sexuell an seinen Töchtern vergangen, jegliches Vertrauen in die Person des Vaters verloren habe, trägt die damit erstrebte Entziehung des Mitsorgerechts des Vaters nicht. Auch insoweit bleibt die Mutter die Herstellung eines Kausalzusammenhangs zu der daraus ihrer Ansicht nach erwachsenden Kindeswohlgefährdung, der zudem allein mit sorgerechtlichen Maßnahmen gerade gegen den Vater begegnet werden müsste, schuldig.

Richtig ist allein, dass die Mutter ersichtlich nicht in der Lage war, die bei ihr selbst verfestigte Vorwurfshaltung gegen den Vater im Zusammenhang mit dem Verdacht übergriffigen Verhaltens von den Töchtern fernzuhalten. In den bereits zitierten Gutachten und aus einer Vielzahl von Beobachtungen von Verhaltensweisen bzw. Äußerungen aller Töchter in der Einrichtung bzw. gelegentlich von Umgangskontakten ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass durch die Mutter der (letztlich unbestätigte) Vorwurf bei den Kindern - auch der zuvor völlig unbelasteten F… - präsent gehalten und dadurch eine negative Haltung der Töchter gegen den Vater erzeugt werden soll.

Festzustellen ist auch, dass es auf Seiten des Vaters bis zuletzt und noch ausdrücklich im Anhörungstermin vor dem Senat am 16. Februar 2017 die Bereitschaft zur Fortsetzung von (gemeinsamen) Elterngesprächen auch im Rahmen einer vom Jugendamt an diesem Tage (im Zusammenhang mit dem Übergang zu unbegleiteten Umgangskontakte zwischen F… und dem Vater) angeregten Elternmediation gegeben hat. Die Mutter hingegen - die jedenfalls in der Anhörung durch den Senat eine weit weniger ausgeprägte Impulskontrolle als der Vater und eine deutlich egoistischere, weit weniger am Interesse der gemeinsamen Töchter ausgerichtete Haltung unter Beweis gestellt hat - hat dieses Ansinnen nicht nur strikt abgelehnt, sondern diese Ablehnung in einer verbal aggressiven und sachgrundlos vorwurfsvollen Art und Weise an das Jugendamt adressiert, so dass jede weitere sachlich-inhaltliche Erörterung hierzu im Keim erstickt war. Bei allem Verständnis dafür, dass ein unbelasteter Umgang mit dem Vater mit Blick auf das (allerdings objektiv zu vernachlässigende Rest-)Risiko eines Missbrauchsgeschehens nicht einfach ist, bleibt die Mutter im Interesse ihrer Kinder aber gleichwohl verpflichtet, diesen Konflikt von den Kindern fernzuhalten, jeden eigenen Beitrag zu Verschärfung eines Loyalitätskonflikts der Töchter zu verhindern und an der Wiederherstellung einer ausreichenden sozialen Basis zum Vater (die schon mit Blick auf das nach derzeitiger Beschlusslage fortbestehende gemeinsame Sorgerecht für Am… und M… notwendig ist) mitzuwirken.

Tragfähige Anknüpfungstatsachen, die wegen einer drohenden Kindeswohlgefährdung aus dem aktuell tatsächlich wieder eskalierten Elternstreit (dazu sogleich gesondert) sorgerechtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB gerade gegen den Vater angezeigt erschienen ließen, liegen nach alledem nicht vor.

1.2.4 Schließlich besteht auch kein Grund, dem Vater zumindest das Umgangsbestimmungsrecht zu entziehen, nachdem der Vater einem fortgesetzten unbegleiteten Umgang zwischen der Mutter und den Töchtern seine Zustimmung versagt hat, weil jüngst aufgrund auffällig sexualisierter Verhaltensweisen der Kinder Verdacht sexuell übergriffigen Verhaltens gegen eine der oder die Töchter im Haushalt der Mutter aufgekommen ist.

Die Befugnis zur Umgangsbestimmung kann als Teil der Personensorge nach §§ 1666, 1666 a BGB den Eltern oder einem Elternteil entzogen werden. Ob eine solche Maßnahme angezeigt ist, ist anhand der strengen Eingriffsvoraussetzungen der Sorgerechtsentziehung zu beurteilen. Dabei sind insbesondere die Geeignetheit und die Erforderlichkeit der Maßnahme zu beachten. So wird als milderes Mittel je nach den Umständen des Falles eine gerichtliche Umgangsregelung nach § 1684 BGB (oder ein zu befristender Umgangsausschluss nach § 1684 Abs. 4 BGB oder die Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 BGB) zu erwägen sein, die gegenüber der Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts als speziellere und zugleich weniger einschneidende Maßnahmen in jedem Falle vorrangig ist (vgl. dazu BGH FamRZ 2016, 1146 - Rdnr. 44 ff. bei juris).

Gemessen daran verbietet sich vorliegend tatsächlich die Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts des Vaters. Der Widerstand gegen fortgesetzte unbegleitete persönliche Kontakte zwischen Mutter und Töchtern in Ansehung der neu aufgetretenen und noch gänzlich unaufgeklärten Vorwürfe, denen mit derselben Sorgfalt nachzugehen sein wird, wie dies umgekehrt nach dem 3. September 2014 auf Seiten des Vaters erfolgt ist, ist ohne Weiteres nachvollziehbar. Die Mutter muss sich insoweit daran erinnern lassen, dass sie ihrerseits noch im Anhörungstermin vor dem Senat jeden unbegleiteten Umgang zwischen dem Vater und F… abgelehnt hat, obwohl im Ergebnis umfangreicher Ermittlungen ein tatsächliches Missbrauchsgeschehen unwahrscheinlich ist. Die Mutter wird ihren eigenen nachhaltigen Widerstand gegen - vom Jugendamt bisher mit großem Aufwand und durchaus erfolgreich unterstützten - Elterngespräche aufgeben müssen, um zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung zu gelangen. Notfalls muss - um tatsächlich einen Kontaktabbruch zu verhindern, der ganz sicher nicht im Interesse der Töchter ist - eine gerichtliche Umgangsregelung erwirkt werden, die zügig erreicht werden kann. Darüber hinaus aber besteht derzeit keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Vater einer solchen notfalls vorläufigen gerichtlichen Umgangsregelung im Verhältnis zwischen der Mutter und F… nicht Folge leisten bzw. eine solche in irgendeiner Weise „torpedieren" würde. Dem Vater fehlen hierzu grundsätzlich die Möglichkeiten, weil er F… gar nicht betreut, sondern selbst auf zeitlich stark limitierte Umgangskontakte beschränkt ist. Auch die Dipl.-Psych. S… hat in dem jüngsten familienpsychologischen Gutachten aus April 2015 beiden Eltern eine grundsätzlich ausreichend vorhandene Bindungstoleranz bescheinigt, die allerdings durch die aktuellen Vorwürfe und Vorgehensweisen im Sorgerechtsverfahren beidseits negativ berührt wurde. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es sogar während der laufenden Gerichtsverfahren in Berlin und Brandenburg jedenfalls noch im November 2016 unter Mithilfe des Jugendamtes zu einer einvernehmlichen grundlegende Neugestaltung der Umgänge der Töchter mit den beiden Elternteilen und der Geschwisterumgänge gekommen ist. Bei dieser Sachlage erscheint es nicht fernliegend, dass die momentane krisenhafte Zuspitzung in der Umgangsproblematik mit der jedenfalls bis auf Weiteres endgültigen Klärung der den erkennenden Senat und parallel dazu das Kammergericht (wohl am 17. März 2017) befassenden sorge- bzw. umgangsrechtlichen Fragen eine spürbare Entschärfung erfahren wird und wieder mehr Raum für Beratungsgespräche und einvernehmliche Regelungen besteht.

Festzustellen bleibt, dass auch die Entziehung des Umgangsbestimmungsrechts des Vaters bei der gegebenen Sachlage nicht veranlasst ist.

Nach alledem ist festzuhalten, dass die Voraussetzungen für einen auch nur teilweisen Entzug des Mitsorgerechts des Vaters (soweit dieses besteht) nicht vorliegen und auch ansonsten sorgerechtliche Maßnahmen gegen den Vater nach § 1666 BGB in Bezug auf F… nicht veranlasst sind, weil eine Kindeswohlgefährdung durch die wieder auflebende Ausübung des Mitsorgerechts des Vaters nicht zu besorgen ist. Lediglich aus Klarstellungsgründen hat der Senat ausdrücklich festgestellt, dass die anders lautende einstweilige Anordnung keine Wirkung mehr entfaltet.

2. Daneben muss auch der (Hilfs-)Antrag der Kindesmutter auf Auflösung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts und Übertragung desselben insgesamt auf sie allein ohne Erfolg bleiben.

Nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist die gemeinsame elterliche Sorge bei getrennt lebenden Eltern aufzuheben und auf den Antragsteller zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Die Mutter gründet ihren Antrag darauf, dass es im Verhältnis der Eltern zueinander an einer ausreichend tragfähigen Grundlage für ein Zusammenwirken im Sinne des Kindeswohls fehlt, weil sie selbst aufgrund mangelnden Vertrauens in die Person bzw. Persönlichkeit des Vaters nicht mehr in der Lage sei, gemeinsam mit diesem Abstimmungen betreffend die Kinder vorzunehmen und gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Damit lässt sich im Streitfall die Auflösung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts aus Gründen F…s Kindeswohls nicht tragfähig begründen.

2.1 Richtig ist, dass die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt. Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher aufzuheben, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen. Maßgeblich ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und das Wohl des Kindes haben wird. Die Gefahr einer erheblichen Belastung des Kindes kann sich im Einzelfall auch aus der Nachhaltigkeit und der Schwere des Elternkonflikts ergeben. Das Vorliegen eines Elternkonflikts oder die Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Mutter sprechen für sich genommen allerdings noch nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge (vgl. BT-Drucks. 17/11048, S. 17). Allein die Verweigerungshaltung eines Elternteils ist kein entscheidender Gesichtspunkt dafür, dass die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl widerspricht. Dass Eltern in Einzelfragen verschiedener Meinung sind und ihre Meinungsverschiedenheiten im Einzelfall streitig ausgetragen haben, genügt ebenfalls nicht, um die gemeinsame elterliche Sorge abzulehnen. Es gehört zur Normalität im Eltern-Kind-Verhältnis, dass sich in Einzelfragen die für das Kind beste Lösung erst aus Kontroversen herausbildet. Insbesondere sieht das Gesetz für einzelne kontrovers diskutierte und von den Eltern nicht lösbare Fragen mit § 1628 BGB ein geeignetes Instrumentarium vor. Für die Auflösung gemeinsamen Sorgerechts bedarf es der begründeten Besorgnis, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen. Notwendig ist hierfür die Einschätzung im Einzelfall, ob der Elternkonflikt so nachhaltig und so tiefgreifend ist, dass gemeinsame, dem Kindeswohl dienliche Entscheidungen der Eltern in den wesentlichen Belangen der elterlichen Sorge auch für die Zukunft nicht gewährleistet sind (vgl. zum Ganzen BGH FamRZ 2016, 1439 - Rdnr. 21 ff. bei juris mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

2.2 Im Streitfall lässt sich ein derart nachhaltiges und tiefgreifendes Zerwürfnis auf Elternebene mit daraus zu erwartenden Belastungen für F… nicht feststellen.

Die Mutter beschreibt im Beschwerderechtszug lediglich völlig undifferenziert und unreflektiert ihre eigene - für die erstrebte Aufhebung des Mitsorgerechts des Vaters allein gerade unzureichende - Weigerungshaltung in Bezug auf eine Kommunikation und Kooperation mit dem Vater hinsichtlich wichtiger Belange der Töchter. Unzweifelhaft gibt es nachhaltige Differenzen der Eltern in Bezug auf den künftigen dauerhaften Lebensmittelpunkt aller Töchter und in Bezug auf die Ausgestaltung des Umgangs der seit September 2014 allesamt außerhalb der Herkunftsfamilie untergebrachten Töchter mit dem jeweils anderen Elternteil. Das allein rechtfertigt allerdings nicht die Besorgnis, die Eltern könnten - den zu erwartenden guten Willen für eine konstruktive, sachlich-inhaltlich konzentrierte Suche nach gemeinsamen Lösungen für F… vorausgesetzt - jenseits dessen nicht zu abgewogenen gemeinsamen Entscheidungen gelangen. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat die Mutter ohnehin allein inne, so dass einem Herausgabeverlangen des Vaters schon rechtlich der Boden entzogen war und bleibt, abgesehen davon, dass auch er bis auf weiteres einen Verbleib F…s in der Pflegefamilie ausdrücklich befürwortet hat. Der Umstand, dass bei anderer Sach- (nicht Rechts-)Lage in der Vergangenheit bereits offener Streit über den Lebensmittelpunkt F… ausgetragen worden ist, zeigt im Übrigen, dass das Nichtbestehen gemeinsamer elterlicher Sorge kein Allheilmittel ist, um Kindern Elternstreit und die daraus möglicherweise erwachsenden Belastungen zu ersparen. Der Streit über den Umgang des Vaters mit F… ist durch die abschließende gerichtliche Entscheidung des Senates vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren 9 UF 110/16 bereits beigelegt. Der die jüngste Eskalation auf Elternebene hervorrufende Streit um den Umgang zwischen der Mutter und F… (und ggf. auch den beiden anderen Töchtern) muss notfalls durch gesonderte gerichtliche Regelung entschieden werden. Bei der gegebenen Sachlage (vgl. dazu oben 1.2.4) ist die Auflösung des gemeinsam bestehenden Umgangsbestimmungsrechts - und noch weniger die Übertragung desselben auf die Mutter allein - jedenfalls nicht das Mittel der Wahl, um die Kinder aus dem sich inzwischen in Ansätzen zeigenden Loyalitätskonflikt zu entlasten.

Es besteht ein - sich jüngst wieder zuspitzender - hochstrittiger Elternkonflikt vor allem in Umgangsangelegenheiten; ansonsten aber ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es den Eltern in der Vergangenheit nicht gelungen ist und auch zukünftig nicht gelingen könnte, in wichtigen Angelegenheiten F…s zu gemeinsam getragenen Lösungen im wohl verstandenen Interesse des Kindes zu kommen. Vater und Mutter haben eine tragfähige Basis der Zusammenarbeit mit den Pflegeeltern gefunden und konnten in allen wichtigen Angelegenheiten F…s über all die Jahre zu einvernehmlichen Lösungen kommen. Selbst in Bezug auf die Umgangsgestaltung konnte - obwohl seinerzeit die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Vater längst im Raum standen - unter tätiger Mithilfe des Jugendamtes noch im November 2016 (!) eine grundlegende Neuregelung erreicht werden, auch wenn diese Einigung nur mit Hilfe eines aufwändigen und schwierigen Beratungsprozesses gelingen konnte.

Unter den gegebenen Umständen ist deshalb in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Jugendamtes und des Verfahrensbeistands an der gemeinsamen elterlichen Sorge (jenseits des der Mutter allein zustehenden Aufenthaltsbestimmungsrechts) festzuhalten. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dies auch der Empfehlung der familienpsychologischen Sachverständigen S… und der darauf gründenden Entscheidung des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vom 30. Juni 2016 in dem die Schwestern F…s betreffenden Sorgerechtsverfahren entspricht, die nach hiesiger Kenntnis (wegen des Entzugs des Aufenthaltsbestimmungsrechts) allein von dem Vater angefochtenen worden ist.

Zur Vermeidung künftiger Missverständnisse hat der Senat im Tenor ausdrücklich klargestellt, in welchem Umfang das Mitsorgerecht des Vaters demnach fortbesteht.

Der Senat hat - im ausdrücklichen Einverständnis aller übrigen Verfahrensbeteiligten - von einer persönlichen Anhörung des betroffenen Kindes abgesehen, weil in Bezug auf den Streitgegenstand wesentliche Erkenntnisse daraus nicht zu erwarten sind. Ob und in welchem Umfang das Mitsorgerecht des Vaters fortbesteht, hängt nicht entscheidend vom Willen des Kindes ab; die insoweit tragenden Aspekte entziehen sich ohnehin dem Einschätzungshorizont des erst 5-jährigen Kindes. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.02.2017 - 9 UF 113/16)

***

Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO) in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) beherrschten Sorgerechtsverfahren ist bereits dann gegeben, wenn das Familiengericht auf Grund des eingeleiteten Verfahrens den Sachverhalt zu ermitteln hat, ggfs. eine Regelung treffen muss und sich nicht darauf beschränken kann, den Antrag ohne Weiteres, also ohne jede Ermittlung und ohne jede Anhörung der Beteiligten, zurückzuweisen. Eine Entscheidung des Familiengerichts, die den Antrag der Kindeseltern auf Rückübertragung der elterlichen Sorge ohne ausreichende Darlegung, weshalb das Kindeswohl im Falle der Rückkehr des Kindes in den mütterlichen Haushalt gefährdet ist, zurückweist, wird den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht gerecht (im Anschluss an BVerfG, 20. Januar 2016, 1 BvR 2742/15, FamRZ 2016, 439ff, bei juris Langtext Rn 13ff m.w.N.). Die Erziehungseignung von nicht mehr sorgerechtsberechtigten Kindeseltern und eine mögliche Gefährdung für das Wohl des Kindes bei dessen Herausnahme aus der Pflegefamilie können regelmäßig nicht schon im Verfahren auf Prüfung der Verfahrenskostenhilfe abschließend beurteilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2016 - II-2 WF 46/16).

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„... 1. Die Kindeseltern streiten - parallel zu einem seit längerer Zeit anhängigen sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren (Az. 39 F 185/13 des Amtsgerichts Oranienburg) - seit September 2015 im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens mit wechselseitigen Anträgen um vorläufige Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Kinder J… und E….

Mit Beschluss vom 11. September 2015 hat das Amtsgericht nach mündlicher Anhörung der Beteiligten am 10. September 2015 und der betroffenen Kinder am 11. September 2015 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder vorläufig auf den Kindesvater allein übertragen und den gegenläufigen Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens abgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Gegen diese ihr am 14. September 2015 zugestellte Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 28. September 2015 eingegangenen Beschwerde, die sie dahin begründet, dass die den Beschluss entscheidend (mit-)tragenden Erwartungen des Gerichts in das Verhalten des Vaters nicht eingetreten seien. Entgegen seiner Zusagen „scheinen die Kinder (vom Haushalt der Schwester des Vaters) in den Haushalt des Kindesvaters gewechselt zu sein", was den Schluss zulasse, dass der Vater den Kindern die für so wichtig erachtete Stabilität und Kontinuität tatsächlich nicht zu gewährleisten bereit sei. Außerdem beeinflusse der Vater die Kinder (weiter) gegen die Mutter und gewähre nur sehr unzureichend Kontakt zwischen den Söhnen und der Mutter, was sie zur Einleitung eines weiteren Eilverfahrens wegen Umgangs veranlasst habe. Sie hat in der Beschwerdebegründung vom 27. November 2015 „zugesagt, bei einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich die Kinder in ihrer jetzigen Kita zu belassen, um ihnen keinen weiteren Wechsel zuzumuten. Dem Kindesvater würde sie ein großzügiges Umgangsrecht einräumen und den Kindern solle auch dessen Schwester als Bezugsperson erhalten bleiben" (Bl. 158 GA).

Der Kindesvater tritt den Behauptungen der Mutter zu den Entwicklungen seit Erlass der Eilentscheidung dezidiert entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Den Antrag der Mutter auf einstweilige Regelung unbegleiteten Umgangs mit den Söhnen hat das Amtsgericht Oranienburg mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 - Az. 39 F 222/15 - zurückgewiesen, weil es trotz ausdrücklicher Erklärungen der Mutter, sie habe keine Auswanderungsabsichten, die Besorgnis bestehe, sie werde Deutschland verlassen und dem Vater die Kinder entziehen.

Die Mutter ist - wohl im Januar 2016, Genaueres ist nicht bekannt - in die Schweiz verzogen, weil ihr Verlobter dort eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe und sie für sich selbst dort auch bessere berufliche Chancen sehe.

2. Die Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden, mithin zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat - im Ergebnis zu Recht und unter besonderer Betonung der Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität - dem Vater im Wege einstweiliger Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den heute 5 ¼-jährigen E… und den knapp vier Jahre alten J… D… übertragen.

a) Der Umstand, dass dem Kindesvater (neben der Kindesmutter) mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Mai 2015 - Az. 39 F 185/13 - im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung des Umgangs, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Regelung von Kitaangelegenheiten und von Angelegenheiten der Entwicklungsverzögerung sowie zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung entzogen worden war und diese Entscheidung für seine Person Bestandskraft erlangt hat, während und weil allein die Kindesmutter seinerzeit das Rechtsmittelgericht angerufen und - für sich - die Aufhebung dieses Beschlusses erreicht hat (Beschluss des Senates vom 24. August 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. März 2016, Az. 9 UF 90/15), steht der jetzigen Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater nicht entgegen.

(1) Zum einen enthält der das hiesige Verfahren einleitende Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Söhne auf ihn allein vom 3. September 2015 zumindest konkludent den Antrag auf Aufhebung der zuvor erfolgten Entziehung wesentlicher Teile des Sorgerechts, jedenfalls des Entzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts. In der Antragsbegründung hat sich der Vater ausdrücklich auf die Senatsentscheidung vom 24. August 2015, mit der - versehentlich falsch tenoriert und inzwischen berichtigt - der nach §§ 1666, 1666a BGB, 49 ff. FamFG ergangene Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Mai 2015 insgesamt aufgehoben worden war, gestützt.

Jenseits dessen ist gemäß § 1696 Abs. 2 BGB ohnehin eine sorgerechtliche Maßnahme nach §§ 1666, 1666a BGB - kraft Gesetzes und von Amts wegen - aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(2) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für den Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts des Vaters für die beiden Söhne J… und E… nicht (mehr) vor.

Der Vater hat schon seit Erlass des Senatsbeschlusses vom 24. August 2015 tatsächlich Elternverantwortung wahrgenommen. Es gibt keinerlei tragfähige Anknüpfungstatsachen für eine - gerichtliche sorgerechtliche Eilmaßnahmen allein rechtfertigende - irgendwie geartete akute Kindeswohlgefährdung bei fortgesetzter Betreuung der Söhne in der Verantwortung des Vaters.

Die Kinder leben seit dem 3. Juli 2015 und anhaltend bis heute im Haushalt der Schwester des Vaters in O…; die Schwester war - seinerzeit im Einvernehmen mit beiden Eltern - bereits während der Zeit der vom 1. Oktober 2013 bis Mai 2014 währenden Strafhaft der Mutter umfassend in die Versorgung und Betreuung der Kinder involviert und hat seinerzeit mit dem Jugendamt gut kooperiert (vgl. Sitzungsvermerk des Amtsgerichts vom 21. Mai 2015, Az. 39 F 185/13, Bl. 284 jener Akte). Der seinerzeit zustände Amtspfleger hatte deshalb am 3. Juli 2015 erneut den Wohnsitz der Schwester als Lebensmittelpunkt der Kinder bestimmt. Die Schwester war und ist für J… und E… eine wichtige Bezugsperson. Sie hat die Betreuung und Versorgung der Kinder in der Vergangenheit zuverlässig wahrgenommen, insbesondere für einen regelmäßigen Kitabesuch (vgl. Kitabescheinigungen vom 14. Oktober 2015, Bl. 281 GA, und vom 14. Dezember 2015, Bl. 241) und eine kontinuierliche Wahrnehmung der gesundheitlichen Belange der Kinder Sorge getragen; für irgendwelche Versäumnisse, die Rückschlüsse auf etwaige Gefahren für das Kindeswohl zuließen, gibt es derzeit keinerlei Anhaltspunkte.

Der Vater, der aufgrund seiner Erwerbstätigkeit, die auch Auslandseinsätze (zuletzt im Herbst 2015 am norwegischen Polarkreis) einschließt, die Betreuung und Versorgung der Söhne nicht durchgängig persönlich sicherstellen konnte/kann, nimmt gern die Unterstützung seiner Schwester in der Gestaltung eines - für die hier betroffenen Kinder besonders wichtigen - verlässlichen Alltags für J… und E… in Anspruch. Er bringt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Betreuung der Söhne ein und erhält und festigt damit die bestehende Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater hat jedenfalls zwischenzeitlich die besondere Bedeutung einer zuverlässigen und stabilen Betreuungssituation für die Kinder, die mit Blick auf die bereits bestehenden und ärztlich attestierten Entwicklungsverzögerungen in besonderer Weise auf eine verlässliche räumlich-soziale Kontinuität angewiesen sind, erkannt und sein Verhalten im Interesse der Kinder daran ausgerichtet. Es besteht derzeit kein Zweifel daran, dass der Vater jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens dafür Sorge tragen wird, dass J… und E… in dem ihnen vertrauten Umfeld in der Häuslichkeit seiner Schwester verbleiben können, in dem sie sich wohlfühlen, eine verlässliche Alltagsgestaltung erleben, über den kontinuierlichen Kitabesuch regelmäßige Kontakte zu Gleichaltrigen pflegen und in ihrer sozialen und sprachlichen Entwicklung weitere Fortschritte machen können. Wie die Mutter hat auch der Vater - auf ausdrückliche Empfehlung des Jugendamtes, das im Übrigen das vom Vater unterstützte Betreuungsmodell im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht in dieser Sache im September 2015 ausdrücklich befürwortet hat und davon nicht abgerückt ist - außerdem einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung für die beiden Kinder gestellt (Bl. 92 GA).

Dieses Verhalten des Vaters lässt auf eine hinreichende und entscheidend von den Bedürfnissen der Kinder und ihrem Wohlergehen geleitete Übernahme elterlicher Verantwortung schließen.

Die noch im Mai 2015 den Entzug wesentlicher Teile seines Sorgerechts begründenden Umstände im Verhalten des Vaters überzeugen nicht (mehr) und haben jedenfalls eine durchgreifende Änderung erfahren. Soweit die sorgerechtliche Maßnahme mit einem über Jahre anhaltenden und eskalierenden Elternstreit, der die Kinder in einen massiven Loyalitätskonflikt gestürzt habe, der erhebliche Gefahren für die seelisch-emotionale Entwicklung der Kinder berge, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 24. August 2015 ausgeführt, dass daraus allein ein Entzug von weiten Teilen des Sorgerechts nicht gerechtfertigt ist. Der Senat bleibt dabei, dass es ausgesprochen bedauerlich, aber leider zunehmend Lebenswirklichkeit geworden ist, dass Kinder getrennt lebender Eltern in Streitigkeiten um den Lebensmittelpunkt und das Umgangsrecht verstrickt und dadurch - auch schwer - belastet werden. Dies mag Anlass geben zu einer einstweilige Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an einen Elternteil oder zu vorläufigen adäquaten Umgangsregelungen, darf aber für sich betrachtet - jenseits eines hier nicht vorliegenden Ausnahmefalles - kein Grund für eine vorläufige Entziehung großer Teile des elterlichen Sorgerechts sein. Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen Elternteilen, die sie beide lieben, hineingezogen werden, ist nämlich nicht damit gedient, dass sie mit der Folge einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Beziehung zu beiden Elternteilen außerhalb der Familie untergebracht werden (so schon im dem zitierten Senatsbeschluss, dort S. 4 f.), was seinerzeit unmittelbare Folge des gerichtlich angeordneten Sorgerechtsentzuges im Mai 2015 war.

Zumindest die bis in das Frühjahr 2015 zu beobachtende ambivalente Haltung des Vaters zur Mutter und zur Ausübung des (Mit-)Sorgerechts, die - einhergehend mit wiederholten Aufenthaltswechseln, der Installierung eines letztlich nicht funktionierenden Wechselmodells und unstet durchgeführten und von streitigen Auseinandersetzungen begleiteten Umgangsregelungen - gewiss zu der Verunsicherung der Kinder in ihrer Beziehung zu den Eltern bei- und den Sorgerechtsentzug mitgetragen hat, hat ein Ende gefunden. Es gibt eine von beiden Elternteilen geteilte endgültige Trennung auf der Paarebene; das Scheidungsverfahren wurde im Herbst 2015 übereinstimmend vorangetrieben. Der Vater hat sich klar für eine Übernahme elterlicher (Allein-)Verantwortung positioniert. Der in den sorgerechtlichen (Eil-)Verfahren eindrucksvoll beschriebene erhebliche Konflikt auf der Elternebene mit durchgreifenden Problemen in der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit von Vater und Mutter im Interesse ihrer gemeinsamen Kinder und entsprechenden Rückwirkungen auf die Bindungstoleranz besteht zwar fort. Diesen ist aber - unter Berücksichtigung der demnächst zu erwartenden Ergebnisse des Sachverständigengutachtens im parallel laufenden sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren - vorrangig mit den Mitteln einer Zuweisung des elterlichen Sorgerechts oder von Teilen desselben an einen Elternteil im Rahmen von § 1671 BGB und geeigneten Umgangsregelungen wirksam zu begegnen. Der (fortbestehende) Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts des Vaters ist insoweit nicht erforderlich und jedenfalls unverhältnismäßig; derzeit bestehen keine auch nur ansatzweise tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass bei Wiederherstellung des uneingeschränkten Sorgerechts des Vaters eine akute Gefährdung für das Wohlergehen der Kinder zu besorgen ist, die allein zu Maßnahmen nach § 1666 f. BGB vor dem - demnächst zu erwartenden - Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum Sorgerecht Anlass geben könnte.

Im Ergebnis dessen war zunächst der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Mai 2015 auch den vorläufigen Entzug der dort im Einzelnen genannten Bereiche des Sorgrechts des Vaters betreffend und daher nunmehr insgesamt aufzuheben.

b) Die Voraussetzungen für die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen der mit gegenläufigen Anträgen insoweit streitenden Elternteile nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen vor.

(1) Die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Eilentscheidung lagen und liegen weiterhin vor. Insoweit kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die auch keiner der Beteiligten in Zweifel zieht, Bezug genommen werden. Mit dem zwischenzeitlich erfolgten Umzug der Mutter in die Schweiz und der dadurch geschaffenen großen räumlichen Entfernung macht sich angesichts des fortbestehenden Elternstreits über den Lebensmittelpunkt der Kinder eine einstweilige Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht umso erforderlicher.

(2) Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für E… und J… war einstweilen antragsgemäß auf den Vater allein zu übertragen. Auch insoweit kann der Senat auf die in der Sache in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verweisen, die durch die weitergehenden Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren nicht etwa in Zweifel gezogen, sondern vielmehr ausdrückliche Bestätigung finden.

Schon das Familiengericht hat gründend auf die für das Wohl der hier betroffenen noch recht jungen Kinder nachteiligen Folgen ihrer in außergewöhnlichem Maße unstetigen Lebensverhältnisse mit vielfach wechselnden Wohnungen und vor allem Bezugspersonen zu Recht die besondere Bedeutung der Gewährung eines zuverlässigen und stabilen Lebensumfeldes mit einer räumlichen Kontinuität, die mit einer sicheren Anbindung an soziale und familiäre Bezugspersonen einhergeht, betont. Derart verlässliche und stabile Lebensumstände für E… und J… zu bieten, ist von beiden Elternteilen ganz offenkundig allein der Vater willens und in der Lage.

Soweit die Kindesmutter ihr Rechtsmittel noch in der Beschwerdebegründung vom 27. November 2015 ausdrücklich auf die Zusage gestützt hat, „bei einer Aufenthaltsbestimmung auf sich die Kinder in ihrer jetzigen Kita zu belassen, um ihnen keinen weiteren Wechsel zuzumuten", kann davon angesichts des im Januar 2016 vollzogenen Umzuges in die Schweiz keine Rede mehr sein.

Wie dem Senat im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens bekannt wurde, hat die Kindesmutter offensichtlich schon seit längerer Zeit Auswanderungspläne gehabt und diese wohlweißlich verschwiegen. Schon in dem zuletzt von der Kindesmutter eingeleiteten Umgangsverfahren - Az. 39 F 222/15 - gab es Indizien für Auswanderungspläne der Mutter. Die Schwester des Vaters hat über entsprechende Postings der Kindesmutter und ihres Partners in sozialen Netzwerken bzw. über entsprechende Gespräche mit anderen Familienangehörigen der Mutter (deren Mutter bzw. deren Tochter M…) von Auswanderungsplänen der Mutter nach Norwegen schriftlich Zeugnis abgelegt (Bl. 221 GA). Das Amtsgericht hat ermittelt, dass die Bewährungshelferin der Mutter mitgeteilt hat, dass diese ihr gegenüber erklärt habe, sie beabsichtige nach Norwegen auszuwandern (Bl. 236 GA). Unstreitig gab es im Sommer auch eine (Urlaubs-)Reise der Mutter nach Norwegen. Die Mutter ließ allerdings in dem Umgangsverfahren und in der hiesigen Beschwerdebegründung noch im November 2015 jegliche Auswanderungspläne ausdrücklich bestreiten. Gleichwohl ist sie dann schon wenige Wochen später in die Schweiz ausgewandert. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen:

Entweder geschah dies völlig unvorbereitet und spontan, also ohne dass eine irgendwie gesicherte Lebensperspektive dort bestanden hat und jedenfalls ganz offensichtlich motiviert ausschließlich von eigenen Wünschen und Bedürfnissen, nämlich der Verwirklichung der Lebenspartnerschaft mit ihrem Verlobten und weil sie „für sich bessere berufliche Chancen in der Schweiz als in Deutschland sieht". Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass und welche Gedanken sie sich gemacht hat, was dieser Umzug in ein anderes Land unter - erneutem - Abbruch sämtlicher sozialer Beziehungen und Herstellung einer ganz erheblichen räumlichen Distanz zum Wohnort des Vaters mit Rückwirkungen auf die Beziehungs- und Umgangsintensität für die Kinder, die im Übrigen auf einen erneuten Umgebungswechsel nicht ansatzweise vorbereitet worden sind, bedeutet. Dies muss der Mutter umso mehr angelastet werden, als in den hiesigen Sorgerechtsverfahren wiederholt die besondere Bedeutung stabiler Lebensverhältnisse der Kinder betont worden ist. Die Fortsetzung der vom Jugendamt zu Recht schon bei Einleitung des Hauptsacheverfahrens im Jahre 2013 als für die Kinder besonders kritisch beschriebenen unsteten Lebenswandels mit Wohnsitzverlagerungen in bemerkenswert kurzen Intervallen kann nur als besonders egoistisch und rücksichtslos gegen die Interessen und Bedürfnisse ihrer Kinder charakterisiert werden.

Andernfalls - und angesichts der vorstehend geschilderten Wahrnehmungen Dritter zu Auswanderungsplänen der Mutter eher wahrscheinlich - hat die Mutter die Auswanderung durchaus mehr oder weniger umfassend und auch unter Klärung der Frage, wie welche Anschlussbetreuungen und -förderungen für ihre Kinder in E… stattfinden können, vorbereitet und diese für die Frage der Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erkennbar bedeutsame Tatsache bewusst verschwiegen und damit die Verfahrensbeteiligten mit der Zusicherung des Erhalts des sozialen Umfeldes der Kinder zu täuschen versucht.

Solche Täuschungsversuche zur Durchsetzung eigener Interessen, die mit den Bedürfnissen der Kinder nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen sind bzw. ihnen gar zuwiderlaufen, sind der Mutter ersichtlich nicht fremd. Ein vergleichbares Verhaltensmuster findet sich in der Vorlage einer fachlichen „Bestätigung" ihrer angeblich uneingeschränkten Erziehungsfähigkeit durch ihren angeblichen Therapeuten vom 7. September 2015, die unter dem Briefkopf des in N… und B… ansässigen Dipl.-Sozialpädagogen und Heilpraktikers für Psychotherapie P… B… verfasst worden (Bl. 78 GA) und von diesem als „Fälschung" entlarvt worden ist (Bl. 235 GA). Auch die vielfachen strafrechtlichen Verurteilungen der Kindesmutter (vgl. dazu Bl. 72 ff. GA), u.a. mehrfach wegen Betruges, legen beredtes Zeugnis von einem massiv gestörten Verhältnis zur Wahrheit und einer von Rücksichtslosigkeit und Egoismus geprägten Grundhaltung ab. Die hierzu im Rahmen des hiesigen Beschwerdeverfahrens gewonnenen Erkenntnisse rechtfertigen zwanglos die Annahme des Senates, dass es sich hierbei um verfestigte Verhaltensmuster handelt, die zum einen grundsätzliche Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Mutter und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Verfahren rechtfertigen. Dies gilt etwa für die erkennbar ohne jeden konkreten Anhaltspunkt und Anlass und ins Blaue hinein unterbreitete Behauptung in der Beschwerdebegründung, der Vater sei biologisch nur der Vater von J… und beabsichtige, die Kinder mittelfristig zu trennen, was dieser glaubhaft bestreitet - die Darstellung der Mutter ist entweder (wahrscheinlich) heute gelogen oder die Mutter hat den Vater über Jahre darüber im Unklaren gelassen, dass der ehelich geborene E… nicht von ihm abstammt. Die zutage getretene Neigung zu Halb-/Unwahrheiten, die auch wiederholt in delinquentes Verhalten gemündet ist, hat nicht allein unter dem Gesichtspunkt schädlicher Vorbildwirkung sorgerechtliche Relevanz.

Es kommt hinzu, dass - auch darauf hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht hingewiesen - der Widerruf der Aussetzung des Restes der 2013/2014 bereits verbüßten mehrmonatigen Haftstrafe droht, weil die Mutter erneut angeklagt worden ist, wie sie selbst im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht eingeräumt hat. Es liegt auf der Hand, dass die Gefahr einer erneuten Inhaftierung einer stabilen Lebensperspektive der Kinder im Haushalt der Mutter diametral entgegensteht.

Soweit die Mutter weiter eine unzureichende Bindungstoleranz des Vaters anbringt, kommt diesem Aspekt angesichts der herausragenden Bedeutung der Wahrung der räumlich-sozialen Kontinuität der Lebensverhältnisse der Kinder am derzeitigen Wohnort, kein entscheidendes Gewicht bei. Vor dem überraschenden/kurzfristigen Wegzug der Mutter in die Schweiz ist in Abstimmung mit dem Jugendamt begleiteter Umgang organisiert und durchgeführt worden; der Antrag der Mutter auf unbegleiteten Umgang ist im Eilverfahren - wie sich gezeigt hat völlig zu Recht - mit der Sorge um Auswanderungsabsichten der Mutter zurückgewiesen worden. Die mit der großen räumlichen Distanz einhergehenden Unzuträglichkeiten für die Mutter-Sohn-Beziehung hat die Mutter zu verantworten, nicht der Vater. Der Senat verhehlt nicht, dass es - etwa aus dem Bericht des Verfahrensbeistands in dem vorzitierten Eilverfahren zum Umgang vom 5. November 2015 (Bl. 177 GA) - durchaus Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Bindungstoleranz des Vaters gibt, der allerdings der (glaubhaften ?) Behauptung der Mutter, es würde auch kein telefonischer Kontakt gewährt, mit der Behauptung entgegen getreten ist, die „Telefonate finden in der vereinbarten Form statt, es sei denn die Mutter hält den vorgesehenen Termin samstags 9.00 Uhr nicht ein". Im Übrigen bestehen nach Aktenlage und hier insbesondere derjenigen im Hauptsacheverfahren nicht weniger Bedenken gegen eine uneingeschränkte Bindungstoleranz auf Seiten der Mutter. Diesem Aspekt kann im hiesigen Eilverfahren jedenfalls keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden.

Im vorliegenden Verfahren muss in der Abwägung der Kriterien des Kindeswohls - auch angesichts des fortgeschrittenen Stadiums des Hauptsacheverfahrens - der Schwerpunkt auf der Erhaltung des jetzigen Lebensumfeldes der Kinder liegen. Bei der gegebenen Sachlage kommt danach einzig die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder auf den Vater allein in Betracht.

Der gemäß dem Hinweis vom 21. Januar 2016 ins Auge gefasste Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts der Mutter war derzeit nicht veranlasst. Dies war seinerzeit von der - fortbestehenden - Überzeugung des Senates getragen, dass eine Rückführung E…s und J…s in den mütterlichen Haushalt kindeswohlschädlich ist. Den aus der umgesetzten Auswanderung der Mutter und einem etwaigen Herausreißen aus der gewohnten Umgebung für den Fall der Rückführung in den mütterlichen Haushalt unmittelbar drohenden Gefahren für die Entwicklung der Kinder kann aber im Rahmen des hier auf der Grundlage von § 1671 BGB und insoweit konzentriert auf den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts geführten einstweiligen Anordnungsverfahrens durch die vorgenommene bzw. bestätigte Übertragung dieses Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater allein und unter Ausschluss der Mutter insoweit bereits wirksam begegnet werden. Weitergehender Handlungsbedarf, der unter den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1666, 1666a BGB einen einstweilige Entzug weiterer Teilbereiche des Sorgerechts der Mutter rechtfertigen würde und diesen verhältnismäßig erscheinen ließe, kann derzeit tatsächlich nicht festgestellt werden. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.03.2016 - 9 UF 142/15)

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Der Entzug des Umgangsbestimmungsrechts setzt - unabhängig von einem diesbezüglichen Einvernehmen der Verfahrensbeteiligten - voraus, dass mit der Umgangsbestimmung des sorgeberechtigten Elternteils eine anders - also auch durch eine gerichtliche Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB oder die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen - nicht abwendbare konkrete Gefährdung des Kindeswohls einhergeht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.04. 2015 - 4 UF 54/15).

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Die Einhaltung der Schulpflicht dient nicht allein öffentlichen Interessen, sondern auch dem Kindeswohl, weil dem Kind durch den Schulbesuch das Erlernen bestimmter sozialer Kompetenzen, aber auch der Erwerb formaler Bildungsabschlüsse ermöglicht wird, von dem künftige Lebenschancen abhängen. Von daher steht die Absicht der Kindeseltern, in ein Land ohne Schulpflicht auswandern zu wollen, einer Sorgerechtsentziehung wegen beharrlicher Schulverweigerung nicht zwingend entgegen (Abgrenzung zu OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. August 2014, 6 UF 30/14, FamRZ 2014, 1857; OLG Köln, Beschluss vom 02.12.2014 - 4 UF 97/13).

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Während eines anhängigen Scheidungsverfahrens durch das Familiengericht eingeleitete Kindschaftsverfahren können nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag eines Ehegatten in den Scheidungsverbund einbezogen werden (OLG Dresden, Beschluss vom 05.06.2014 - 20 WF 439/14).

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In einem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 1666 BGB ist das betroffene Kind grundsätzlich persönlich anzuhören. Ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach den §§ 1666, 1666a BGB kommt nur bei akuten und unmittelbar bestehenden bzw. unmittelbar bevorstehenden erheblichen Gefährdungen des Kindeswohls in Betracht, bei denen ein Hauptsachverfahren nicht abgewartet werden kann. Eine "vorsorgliche" Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist unzulässig. Für ein sofortiges Eingreifen des Jugendamtes in Gefahrensituationen stellt § 42 SGB VIII eine ausreichende Rechtsgrundlage dar (OLG Schleswig, Beschluss vom 14.04.2014 - 10 UF 19/14).

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Selbst eine scheinbar heillose Zerstrittenheit der Eltern rechtfertigt die Aufhebung der gemeinsamen Sorge nur dann, wenn der Elternstreit sich zum einen ungünstig auf das Kindeswohl auswirkt und wenn zum anderen allein durch die Übertragung der Alleinsorge Abhilfe zu erwarten ist. Um den Eingriff in das Elternrecht und in das Recht des Kindes, von beiden Eltern erzogen zu werden (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), rechtfertigen zu können, muss eine günstige Prognose der Entscheidungswirkung gestellt werden können. Diese Grundrechte werden verletzt, wenn von dem Eingriff in die Sorgerechtsverhältnisse mindestens gleich ungünstige Auswirkungen auf das Kindeswohl zu erwarten sind wie vom Beibehalten der gegebenen, dringend verbesserungsbedürftigen Verhältnisse (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2014 - 13 UF 175/13).

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Sofern ein hochbegabtes Kind aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten "unbeschulbar" ist, die allein sorgeberechtigte Kindesmutter eine erforderliche Begutachtung aber verhindert, kann ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Bereich der Gutachtenerstattung entzogen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 17.02.2014 - 4 UFH 1/14).

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Verweigert ein sorgeberechtigter Elternteil im Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB die Zustimmung zur Durchführung einer Haaranalyse bei seinem Kind, obwohl aufgrund zweier vorangegangener Haaranalysen feststeht, dass in der Umgebung des Kindes mit Drogen umgegangen wurde, so kann das Familiengericht die Zustimmung des Elternteils im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB ersetzen (OLG Bremen, Beschluss vom 10.02.2014 - 4 UF 7/14).

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Das Hessische Kinderschutzgesetz verzichtet auf die zwangsweise Durchsetzung der Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen, sondern begründet lediglich für das Jugendamt einen Gefahrerforschungsauftrag. Das Familiengericht hat nicht zu prüfen, ob das Jugendamt im Rahmen dieses Gefahrerforschungsauftrags zu Recht die verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Mitteilung an das Familiengericht (hier: nach § 8a Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 SGB VIII) angenommen hat. Denn ungeachtet der verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen der Regelung verpflichtet schon der bloße Eingang einer solchen Mitteilung das Familiengericht zur eigenständigen Prüfung, ob gerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB geboten sind. Allerdings kann die Feststellung, es liege eine Kindeswohlgefährdung vor, nicht allein schon daraus hergeleitet werden, dass Vorsorgeuntersuchungen nicht durchgeführt wurden bzw. keine entsprechende Meldung (hier: an das Hessische Kindervorsorgezentrum) erfolgt ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.09.2013 - 1 UF 105/13).

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Eine Entziehung von Teilbereichen der elterlichen Sorge einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann im Wege der einstweiligen Anordnung auch gerechtfertigt sein, um im Hauptsacheverfahren eine dringend gebotene Begutachtung zu ermöglichen, wenn die Eltern nicht gewillt sind, am Verfahren mitzuwirken (OLG Hamm, Beschluss vom 31.07. 2013 - 8 UF 17/13).

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Auch wenn die Schulpflicht in erheblicher Weise verletzt wird, kann es im Einzelfall unverhältnismäßig sein, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen (OLG Hamm, Beschluss vom 12.06.2013 - 8 UF 75/12):

„... Gemäß dem § 1666 Abs. 1 BGB waren den Kindeseltern Teilbereiche der elterlichen Sorge zu entziehen.

1) Das geistige und seelische Wohl von K ist durch das Erziehungsversagen seiner Eltern im Hinblick auf seine Schulverweigerungshaltung nachhaltig im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB gefährdet.

Insoweit hat der Sachverständige nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass das Kindeswohl trotz altersgerechten Wissensstands gefährdet sei. Da die Eltern die Schulpflicht nicht akzeptierten und die Schulunlust von K auch zukünftig von ihnen gefördert und unterstützt würde, bedeute dies, dass K nicht nur die Bildungsinhalte einer weiterführenden Schule vorenthalten würden, sondern auch wichtige außerfamiliäre soziale Erfahrungen und die Gewöhnung an gesellschaftliche Pflichten. Hierfür hätten die Kindeseltern kein Problembewusstsein.

Dass diese Einschätzung des Sachverständigen zutreffend ist, zeigt sich bereits an den Ausführungen der Kindesmutter und Ks anlässlich ihrer Anhörungen. K werden keine Grenzen und Regeln gesetzt. Die Eltern und insbesondere die Kindesmutter richten sich nach den Wünschen und dem Willen Ks. Pflichten sind ihm unbekannt. Auf die Frage, ob er zu Hause auch Dinge machen müsse, die er nicht wolle, fiel K nichts ein. Er lehnte sogar eine Hausbeschulung durch externe Lehrkräfte ab, da er dann nicht entscheiden könne, was zu lernen sei. Seiner Mutter könne er beispielsweise sagen, dass er heute keine Lust auf Deutsch habe.

Hieran zeigt sich, dass K bereits jetzt nicht in der Lage ist, sich an Regeln zu halten und Pflichten zu akzeptieren.

Dahinstehen kann daher, ob für K durch den von der Kindesmutter gestalteten Heimunterricht eine hinreichende Wissensvermittlung gewährleistet ist. Abgesehen davon, dass die Kindesmutter trotz ihrer Ausbildung nicht in der Lage sein dürfte, sämtliche Lerninhalte einer weiterführenden Schule adäquat zu vermitteln, dient der Schulbesuch nämlich nicht nur der reinen Wissensvermittlung. Durch den Schulbesuch sollen Kinder auch die Gelegenheit erhalten, in das Gemeinschaftsleben hineinzuwachsen (vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 20.02.2007, Aktenenzeichen 6 UF 53/06, veröffentlicht bei juris.de). Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Nichtannahmebeschluss vom 31.05.2006 insoweit ausgeführt, dass sich der staatliche Erziehungsauftrag nicht nur auf die Vermittlung von Wissen richtet, sondern auch auf die Erziehung zu einer selbstverantwortlichen Persönlichkeit und die Heranbildung verantwortlicher Staatsbürger, die gleichberechtigt und verantwortungsbewusst an demokratischen Prozessen in einer pluralistischen Gesellschaft teilhaben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.05.2006, 2 BVR 1963/04, veröffentlicht bei BeckRS 2009, 38783). Soziale Kompetenz, gelebte Toleranz, Durchsetzungsvermögen und Selbstbehauptung einer von der Mehrheit abweichenden Überzeugung könnten effektiver eingeübt werden, wenn Kontakte mit der Gesellschaft und den in ihr vertretenen Auffassungen nicht nur gelegentlich stattfinden, sondern Teil einer mit dem regelmäßigen Schulbesuch verbundenen Alltagserfahrung sind (vgl. BVerfG a.a.O.).

Wie bereits vom Sachverständigen insofern zutreffend ausgeführt, ist es daher äußerst wichtig, K auch anderen Einflüssen als denen seines Elternhauses auszusetzen, damit er die für sein zukünftiges Leben erforderlichen Erfahrungen machen und die erforderlichen Fähigkeiten entwickeln kann.

2) Die Kindeseltern sind nicht gewillt oder in der Lage, die Kindeswohlgefährdung abzuwenden. Beide Eltern sind nach ihren eigenen Bekundungen - die Kindesmutter schon aufgrund ihrer Überzeugung - nicht gewillt, irgendeine Form der Beschulung gegen den Willen von K durchzuführen.

3) Der Senat hatte daher gemäß § 1666 Abs. 1 BGB die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwehr der Gefahr erforderlich sind, wobei die Grundsätze des § 1666a BGB zu beachten waren.

a) Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts

Im Gegensatz zum Amtsgericht ist der Senat sachverständig beraten zur Überzeugung gelangt, dass der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts unverhältnismäßig ist.

Nach Auffassung des Sachverständigen stelle eine Fremdunterbringung keine geeignete Lösung der Problematik dar. Zwar sei davon auszugehen, dass K in einem außerfamiliären Umfeld regelmäßig die Schule besuchen würde, allerdings würde die Fremdunterbringung des in der Familie gut integrierten und an die Kindesmutter tragfähig gebundenen Jungen seiner Ansicht nach andere massive Defizite und Symptome nach sich ziehen. Diese Einschätzung des Sachverständigen stimmt auch mit der Auffassung der ehemaligen Schulamtsärztin Dr. S überein, die K am 13.04.2011 untersucht und in einem Vermerk u.a. ausgeführt hatte, dass bereits bei empfundenem Druck die Gefahr bestehe, dass K sich verschließe, verweigere, seelisch zerbreche oder sich etwas antue.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung der Auffassung, dass K - zumindest vorerst - im familiären Umfeld zu belassen ist, so dass die Beschwerde insoweit begründet war. Auch das Kreisjugendamt verfolgt nicht mehr das Ziel, K aus der Familie herauszunehmen.

b) Entzug des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten

Das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten war den Eltern zu entziehen. Die Eltern und insbesondere die Kindesmutter haben durch ihr Verhalten in der Vergangenheit gezeigt, dass sie nicht willens oder in der Lage sind, die Schulpflicht durchzusetzen. Ganz im Gegenteil akzeptieren und unterstützen sie die Verweigerungshaltung von K, indem sie - wie es bereits der Sachverständige dargestellt hat - zwar eine Bildungspflicht akzeptieren, nicht aber eine ‚Schulgebäudeanwesenheitspflicht'. Gegenüber dem Gericht oder dem Jugendamt gemachte Zusagen wurden unter Hinweis auf den entgegenstehenden Willen von K nicht eingehalten.

Die Eltern sind nach Auffassung des Senats, die auch durch die im Rahmen der Anhörungen gemachten Angaben von K sowie der Kindesmutter gestützt wird, nicht in der Lage, sich gegenüber dem Kind durchzusetzen, wobei es nicht darum geht, den Willen von K ‚zu brechen'.

Aus diesen Gründen ist der Entzug des Rechts zur Regelung schulischer Angelegenheiten nicht nur verhältnismäßig, sondern auch das allein geeignete Mittel - vor dem Hintergrund, dass K in der Familie belassen wird -, um die Schulpflicht durchzusetzen.

c) Entzug des Rechts der Gesundheitsfürsorge

Ähnliches gilt für das Recht der Gesundheitsfürsorge. Bereits in dem Vermerk der Schulamtsärztin Dr. S vom 13.04.2011 wurde eine kinderpsychiatrische Beratung angeregt. Nach dem im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2013 vorgelegten Arztbericht des St. G- Hospital Ahlen vom 18.10.2011 wurde auch von dieser Seite dringend eine weitere kinderpsychotherapeutische Diagnostik und Behandlung empfohlen. Eine begleitende Kinderpsychotherapie empfiehlt schließlich auch der Sachverständige.

Entgegen diesen von verschiedenen Seiten geäußerten Empfehlungen haben die Eltern die Möglichkeiten einer solchen Therapie bislang jedoch nicht genutzt; möglicherweise auch deswegen nicht, weil eine stationäre Behandlung im Raum stand (siehe Arztbericht des St. G- Hospital Ahlen vom 18.10.2011). Die Vorstellung bei Dr. T erfolgte insoweit noch vor der Empfehlung der Schulamtsärztin.

Der Senat hält es daher insbesondere aufgrund der Angaben des Sachverständigen für dringend geboten und verhältnismäßig, K spätestens während der voraussichtlichen Schulwiedereingliederungsversuche kinderpsychologisch bzw. kinderpsychiatrisch zu begleiten, um auf diese Weise mögliche Gründe für seine Schulverweigerung festzustellen, aber auch, um eventuelle Gefahren für K bzw. eine mögliche Überforderung durch professionelle Unterstützung möglichst frühzeitig zu erkennen bzw. zu verhindern.

Da die Eltern einer solchen Therapie ablehnend gegenüberstehen, war ihnen bereits aus diesem Grund das Recht der Gesundheitsfürsorge zu entziehen.

d) Entzug des Rechts, Hilfen zur Erziehung zu beantragen

Auch dieser Teilbereich der elterlichen Sorge war den Eltern zu entziehen. Da die Eltern - wie bereits erwähnt - die Schulverweigerungshaltung von K akzeptieren, haben sie in der Vergangenheit - aus ihrer Sichtweise konsequent - keinerlei Hilfen zur Erziehung beantragt oder angefordert. Aber auch insoweit muss zur Überzeugung des Senats jede Möglichkeit wahrgenommen werden, K zur Einhaltung der Schulpflicht anzuhalten. Vorstellbar wäre insoweit zum Beispiel ein Schulbegleiter, der während des Schulaufenthalts von K zumindest für eine Übergangszeit anwesend ist.

e) Maßnahmen gem. § 1666 Abs. 3 Ziff. 2 BGB

Da die zukünftigen Versuche, die Schulverweigerungshaltung von K aufzulösen, voraussichtlich nicht ohne Mithilfe der Eltern erfolgreich sein können, sollen die Kindeseltern mit den Auflagen zu Ziffern 1. bis 4. im Sinne des Kindeswohls angehalten werden, die getroffenen bzw. noch zu treffenden Maßnahmen zu unterstützen und nicht durch eine Blockadehaltung zu boykottieren.

4) Da der Senat § 1666 Abs. 3 Nr. 2 BGB i.V.m. den landesrechtlichen Regelungen zur Schulpflicht in Übereinstimmung mit dem Bundesgerichtshof nicht für verfassungswidrig hält, ist es der Anregung des Verfahrensbevollmächtigten des Kindes, das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, nicht gefolgt (vgl. auch BGH, Beschl. v. 11.09.2007, XII ZB 41/07 = NJW 2008, 369, 370). Insbesondere sind die Länder nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes befugt, die Schulpflicht zu regeln, wie es das Land Nordrhein-Westfalen in Art. 8 der Landesverfassung und §§ 34 ff. des Schulgesetzes getan hat. Diese Vorschriften verstoßen auch nicht gegen Art. 6 GG. Art. 6 Abs. 2 GG schließt ein staatliches Erziehungsrecht in Schulen - neben dem elterlichen Erziehungsrecht - nicht aus, wie sich auch aus der Zusammenschau mit Art. 7 GG ergibt. Insbesondere lässt Art. 7 Abs. 2 GG den Umkehrschluss zu, dass die Eltern nicht das Recht haben, über die Teilnahme ihres Kindes am Unterricht (abgesehen vom Religionsunterricht) zu bestimmen. Auch die Regelungen zum Privatschulwesen zeigen, dass Art. 7 Grundgesetz vom Bestehen einer Schulpflicht (selbstverständlich) ausgeht. ..."

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„... Die gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt und begründet worden. Das somit zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

Die ausdrücklich auf die §§ 1666, 1666 a BGB gestützte Entziehung nicht nur des vollständigen Personensorgerechts, sondern auch noch des Rechts der Vermögenssorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung, gestützt auf einen angeblichen Umgangsboykott über einen längeren Zeitraum, die „Instrumentalisierung und Manipulation ihrer Kinder im Alltag, ihrer Uneinsichtigkeit auch gegenüber gerichtlichen Empfehlungen und Androhungen nebst ihrer Unzuverlässigkeit hinsichtlich Absprachen zwischen Familiengericht und Mutter und Mutter und Jugendamt, und aktuell zusätzlich durch die Instrumentalisierung im Rahmen des Verfahrens durch ein Fernsehteam, soweit dies sich zu Lasten der Kinder auswirkt", ist schon materiell-rechtlich und noch weniger im Eilverfahren gerechtfertigt.

Der Senat verkennt nicht, dass es durchaus greifbare Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Kindesmutter - biografisch und/oder persönlichkeits- und/oder krankheitsbedingt - möglicherweise nicht uneingeschränkt und in jeder Beziehung über eine ausgeprägte Erziehungsfähigkeit verfügt, es ihr insbesondere an der inneren Einsicht für die besondere Rolle fehlt, die ein Vater auch nach der Trennung der Eltern im Leben eines Kindes spielt. Man kann sich unter Berücksichtigung aller hier vorliegenden Schriftsätze und Unterlagen auch nicht des Eindrucks erwehren, dass die Mutter in der Vergangenheit (über Jahre) eher nicht alles ihr Zumutbare dafür getan hat, dass F… einen kontinuierlichen und unbelasteten persönlichen Kontakt zu seinem Vater erleben konnte, sondern - durch die Mutter besonders beeinflusst oder auch nur unbewusst - nach und nach eine ablehnende Haltung seiner Mutter übernommen hat. Es spricht auch Einiges dafür, dass der nach Aktenlage eher unstete Lebenswandel mit verschiedenen verhältnismäßig kurze Zeit dauernden ehelichen oder nichtehelichen Partnerschaften und damit zusammenhängenden vielfachen Wechseln von Wohnort und damit sozialem Umfeld und nicht zuletzt männlichen Bezugspersonen für die Entwicklung des heute gut 10-jährigen und wohl auch unter ADHS leidenden F… nicht unbedingt zuträglich gewesen sein dürfte. Möglicherweise hat die Kindesmutter tatsächlich ihre eigenen Bedürfnisse den berechtigten Belangen ihres Sohnes gelegentlich vorangestellt. All diese durchaus berechtigten Bedenken gegen eine Alleinverantwortung der Mutter hinsichtlich des Personensorgerechts für F… boten sicherlich hinreichenden Anlass für die Einleitung eines sorgerechtlichen Hauptsacheverfahrens durch den Kindesvater, der seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 zur Verfassungswidrigkeit der §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB (abgedruckt u.a. FamRZ 2010, 1403) auch gegen den Willen der Mutter die Beteiligung am elterlichen Sorgerecht oder notfalls auch die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts erreichen konnte, oder auch durch die nach Aktenlage seit 2007 in dem Umgangskonflikt der Beteiligten zu 1. und 2. involvierten Jugendämter in Be… und O…. Die Einleitung des Hauptsacheverfahrens durch den Kindesvater im November 2012 war bei dieser Sachlage durchaus nachvollziehbar und hat - zu Recht - zur Anordnung einer sachverständigen Begutachtung geführt, die einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung unter dem Aspekt des Kindeswohls dient.

Der hier allerdings vorliegende Entzug des gesamten Personen- und Vermögenssorgerechts der Kindesmutter im Wege eines Eilverfahrens war und ist bei der gegebenen Ausgangslage nicht berechtigt. Anlass für diese Maßnahme war ganz offenkundig einzig der Umstand, dass die Kindesmutter „eigenmächtig" nach Nordrhein-Westfalen verzogen ist, verbunden mit nachgerade wilden, jedenfalls durch keine greifbaren Anhaltspunkte tatsächlich gestützten Spekulationen über eine nachhaltige Verweigerung jeder weiteren Mitarbeit im hiesigen (Hauptsache-)Verfahren und mehr noch über eine Flucht nach Kroatien oder Bosnien, Impulsdurchbrüche der Mutter bis hin zu einem etwaigen erweiterten Suizid. Das Amtsgericht muss dringend daran erinnert werden, dass das elterliche Sorgerecht und insbesondere die §§ 1666, 1666 a BGB kein Instrument zur Disziplinierung schwieriger, vielleicht eher konfrontativ und weniger kooperativ, vielleicht auch - etwa mit der Herstellung einer aufdringlichen Medienöffentlichkeit ohne Rücksicht auf die involvierten Kinder - ungeschickt agierender sorgeberechtigter Eltern ist.

Der Senat bleibt bei seiner - auch im Parallelverfahren betreffend den weiteren Sohn S… St… geäußerten - Einschätzung dahin, dass es bedingt durch die Trennung der bestehenden Partnerschaft zu dem Vater des weiteren Kindes und dem damit einhergehenden Verlust des bisherigen Wohnraums am 5. Februar 2013 hinreichende sachliche Gründe für den am 7. Februar 2013 erfolgten Umzug nach S… in die Umgebung der dort ansässigen Familie gegeben hat. Im Übrigen bietet der vorliegende Fall jeden Anlass, sämtliche Verfahrensbeteiligten darauf hinzuweisen, dass es der allein sorgeberechtigten Kindesmutter überlassen bleiben muss(te), wo sie ihren und des Sohnes Lebensmittelpunkt begründet. Es bestand insbesondere keinerlei Rechtspflicht, das involvierte Jugendamt oder das Amtsgericht oder den Vater vorher um Erlaubnis zu fragen oder diesen Institutionen auch nur in die Überlegungen einzubeziehen. Das Amtsgericht hat in den im hiesigen Eilverfahren ergangenen Beschlüssen auch nicht etwa konkrete Feststellungen getroffen, dass und in welcher Weise durch den Umzug der Mutter der Fortgang des Hauptsacheverfahrens konkret gefährdet wäre.

Selbst wenn man - was nicht aus der Luft gegriffen ist - davon ausgeht, dass das seelische Wohl F…s bei einem Verbleib in der mütterlichen Obhut wegen einer absoluten Bindungsintoleranz der Mutter in einem solchen Maße gefährdet wäre, dass eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten wäre, so ist doch weder aus der angefochtenen Entscheidung noch aus den Ausführungen der übrigen Verfahrensbeteiligten nur ansatzweise erkennbar, weshalb im Streitfall der Ausgang des anhängigen Hauptsacheverfahrens nicht mehr abgewartet werden könnte und vielmehr ohne Rücksicht auf eine belastbare Aufklärung der Angelegenheit und insbesondere ohne sorgfältige Abwägung der Kindeswohlaspekte die hier getroffene Eilentscheidung hat ergehen müssen. Es gab - folgt man den Ausführungen des Kindesvaters und des Jugendamtes - seit Jahren (seit 2007) Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Bindungstoleranz der Mutter, ohne dass allerdings deutlich wäre, mit welcher Konsequenz diese Problematik in den Folgejahren bearbeitet worden wäre. Die offenbar verschiedentlich angestrengten gerichtlichen Sorge- und Umgangsverfahren - die Beteiligten bleiben hier eher vage - scheinen danach nicht zielführend betrieben worden zu sein, ohne dass belastbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass dies einzig der Mutter anzulasten gewesen wäre. Der Senat kann sich jedenfalls des Eindrucks nicht erwehren, dass hier eine frühzeitige konsequente Sachaufklärung unterblieben ist. Das kann aber für sich betrachtet nun nicht dazu führen, dass nunmehr im Wege einer Eilentscheidung ein schwerwiegender Sorgerechtseingriff gerechtfertigt wäre. Bei der gegebenen Ausgangslage war und ist der vollständige Entzug des Personen- und Vermögenssorgerechts offenkundig überzogen und unverhältnismäßig. Selbst zur Beseitigung einer konkreten Gefährdung für das Kindeswohl darf nämlich grundsätzlich nur das mildeste Mittel gewählt werden. Im Streitfall ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, weshalb es aus Gründen des Wohls F…s dringend erforderlich sein sollte, die Kindesmutter insgesamt von jeder elterlichen (Mit-)Verantwortung schlichtweg auszuschließen.

Im Übrigen hat ein Eingriff in das Sorgerecht zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung des Kindeswohls führt (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011, XII ZB 247/11). Im Streitfall ist nicht erkennbar, wie die gegen den wiederholt erklärten Willen des Kindes vollzogene vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für F… auf den Kindesvater mit der Folge eines neuerlichen Wechsels des räumlich-sozialen Umfeldes und insbesondere auch mit der Konsequenz eines mehrwöchigen Kontaktabbruchs und mindestens eines sehr restriktiven (begleiteten) Umgangs zu der ihn seit Jahren betreuenden Hauptbezugsperson, zu der er nach den Feststellungen des involvierten Jugendamtes B… eine gute und tragfähige emotionale Beziehung hat, dem seelischen Wohl des Kindes zuträglich sein soll. Es ist überhaupt nicht erkennbar, dass das Amtsgericht oder die übrigen Verfechter dieses erzwungenen Aufenthaltswechsels auch nur in den Blick genommen haben, welche - natürlich zu erwartenden - psychologisch-emotionalen bzw. seelische Beeinträchtigungen F… dadurch drohen. F… sehnt(e) sich nach seinem Aufenthaltswechsel ausdrücklich nach seiner Mutter und seinem Bruder und war erkennbar nicht glücklicher als zuvor im Haushalt seiner Mutter. Es kommen im Streitfall offen zutage tretende praktische Probleme in der Umsetzung der amtsgerichtlichen Entscheidung hinzu, die weitere Unzuträglichkeiten für den Jungen erwarten ließen, würde der angefochtene Beschluss bestätigt. Der Vater hat - dies war ganz sicher eine wohl ausgewogene Entscheidung - das Aufenthaltsbestimmungsrecht dahin ausgeübt, dass der Junge vorläufig bei seinen Großeltern väterlicherseits seinen Lebensmittelpunkt begründet. Der Senat will auch noch annehmen, dass der Vater und dessen Eltern trotz der unterschiedlichen Wohnsitze die mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht einhergehenden Befugnisse zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens verantwortlich und zum Wohle des Kindes ausüben. Deutlich geworden ist allerdings, dass der eingesetzte Amtspfleger - gründend auf die räumliche Entfernung zwischen Dienstsitz und Wohnsitz des Kindes bei einem fortdauernden Aufenthalt des Jungen in B… - sich außer Stande sieht, die ihm zukommenden Aufgaben sachgerecht wahrzunehmen. Das ist aus Sicht des Kindes eine nicht nur unbefriedigende, sondern unerträgliche Situation. Es bleibt im Übrigen die sehr konkret anstehende Frage, inwieweit der Beteiligte zu 3. in Ansehung des Umstandes, dass weder Vater noch Mutter noch der Junge ihren ständigen Aufenthalt in dessen Amtskreis haben, weiterhin Unterstützung und Hilfe anbieten kann oder wer wann wie in welcher Weise dafür Sorge tragen soll und kann, dass entsprechende Angebote realisiert werden. Auch diese Unsicherheiten, die besondere Bedeutung bei einem durch den erzwungenen Aufenthaltswechsel psychisch belasteten Kind erlangen, finden keinerlei Berücksichtigung in der angefochtenen Entscheidung oder bei den Verfechtern derselben.

Für eine Trennung eines Kindes von der ihn seit Jahren betreuenden Hauptbezugsperson zur Durchsetzung einzig des Umgangsrechts des nicht betreuenden Elternteils im Wege einer Eilentscheidung, parallel zu einem bereits im Zuge der Sachaufklärung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens befindlichen Hauptsacheverfahren muss es schon sehr besondere Gründe geben, die hier - wie vorstehend ausgeführt - nicht erkennbar sind bzw. definitiv nicht vorliegen.

Dies gilt umso mehr, als zu erwarten ist, dass die Kindesmutter - dies ist ihr im Interesse ihrer Kinder jedenfalls dringend anzuraten -, sei es auch zunächst nur unter dem Druck der Sorgerechtsverfahren alles Mögliche und Zumutbare unternehmen wird, um einerseits ihren Söhnen und den jeweiligen Vätern auch in Ansehung der jetzt großen räumlichen Entfernung einen kontinuierlichen persönlichen, unbelasteten Kontakt zueinander zu ermöglichen und andererseits - auch hier zur Entlastung der Kinder - einen zügigen Fortgang der Hauptsacheverfahren durch sachgerechte Mitwirkung an der Begutachtung zu gewährleisten.

Bei der gegebenen Ausgangslage war deshalb der angefochtene Beschluss - ersatzlos - aufzuheben. Einer (Rück-)Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der sonstigen Bestandteile des elterlichen Sorgerechts auf die Kindesmutter bedurfte es nicht. Da die Antragsgegnerin bis zu den angefochtenen Entscheidungen des Amtsgerichts Inhaberin des alleinigen Sorgerechts für das Kind F… K… war, bewirkt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, dass sie das ihr zustehende Sorgerecht wieder uneingeschränkt allein ausüben kann, jedenfalls solange im Hauptsacheverfahren oder - unter geänderten Umständen - auch in einem erneuten Verfahren nach §§ 49 ff. FamFG eine anderweitige bzw. abschließende Entscheidung getroffen wird. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.04.2013 - 9 UF 36/13)

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Liegen in einem Verfahren zur elterlichen Sorge gegensätzliche Anträge der beiden Elternteile und Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vor, ist darüber in einer einheitlichen Entscheidung zu befinden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.04.2013 - 7 UF 399/13).

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Ein Wechselmodell darf grundsätzlich nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (KG Berlin, Beschluss vom 14.03.2013 - 13 UF 234/12):

„... Die gemäß § 58 FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind auf die Mutter allein übertragen.

Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (BGH FamRZ 2011, 796-801; FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH, FamRZ 1990, 392, 393 mwN; FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte in tatsächlicher Hinsicht soweit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohlgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897).

Das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrechts war hierbei schon deshalb aufzuheben, weil den Eltern - jedenfalls aktuell - die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit fehlt und durch einen andauernden Streit zwischen den Eltern über den Lebensmittelpunkt ihrer Tochter weiterer Schaden für das Kind droht.

Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in aller Regel eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Dabei kommt es insbesondere darauf an, dass eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistet. Elterliche Gemeinsamkeit lässt sich weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten verordnen; streiten sich Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind (vgl. BGH FamRZ 2005, 1167 ff.; BGH FamRZ 1999, 1646, 1647). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Senats erfüllt.

Die Eltern können sich nicht darüber einigen, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll. Sie haben es nicht vermocht, außer- oder auch innerhalb des hiesigen Verfahrens über diese Frage zu Reden. Die Verfahrensbeiständin hat bereits im ersten Termin vor dem Amtsgericht am 29.9.2011 eingeschätzt, dass die Kommunikation zwischen den Eltern bei ‚null' liege. Die Sachverständige spricht in ihrem Gutachten von einer ‚zusammengebrochen' Kommunikation zwischen den Eltern. Auch zeigten beide Eltern erhebliche Tendenzen, sich konflikthaft auf der Partnerschaftsebene auseinanderzusetzen, statt sich gemeinsam um die Belange des Kindes zu kümmern. Frau M...-H... vom Jugendamt Lichtenberg hat in ihrer Stellungnahme vom 27.6.2011 dem Vater die Bereitschaft abgesprochen, mit der Mutter zu kommunizieren. Auch der Senat hat im Anhörungstermin den Eindruck nahezu völliger Sprachlosigkeit zwischen den Eltern gewonnen; der von beiden nach der amtsgerichtlichen Entscheidung besuchte Kurs ‚Kind im Blick' hat insoweit keinen Erfolg gebracht.

Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Eltern ohne Hilfe zu einer zum Wohle ihres Kindes notwendigen Kommunikation in der Lage sein werden. Sie haben es bisher nicht einmal vermocht, sich über die von der Sachverständigen mit klaren Worten angemahnte psychotherapeutische Behandlung ihrer Tochter zu verständigen. Die Sachverständige hat hierzu in ihrem Gutachten ausgeführt, dass sich ohne eine solche Intervention die ‚bereits erheblichen sozial-emotionalen Auffälligkeiten des Mädchens ... weiter verfestigen und mit einiger Wahrscheinlichkeit prognostisch zu einer seelischen Störung des Kindes führen' werden. Dieses Gutachten ist den Verfahrensvertretern der Eltern vor über einem Jahr übersandt worden. Darauf vom Senat angesprochen, haben beide Eltern zwar berichtet, jeweils an den anderen mit einem Vorschlag zur Behandlung herangetreten zu sein. Da der andere jedoch nicht reagiert bzw. zugestimmt habe, sei bisher nichts geschehen. Die dazu weiter vorgebrachten Erklärungen der Eltern lassen es sogar nicht ausgeschlossen erscheinen, dass die von der Verfahrensbeiständin im Termin angeregte vorübergehende Fremdunterbringung des Kindes in Zukunft notwendig werden wird. Dies zu verhindern, haben allein die Eltern in der Hand, wobei der erste und unverzüglich zu gehende Schritt sein muss, gemeinsam die notwendige psychologische Unterstützung für ihre Tochter zu veranlassen. Um dies möglichst sicher zu stellen, war gem. § 1666 Abs. 3 BGB den Eltern aufzugeben, einen Antrag beim Jugendamt zur stellen, auf Aufnahme ihres Kindes in eine Trennungs- und Scheidungskindergruppe. Die Eltern werden jedenfalls im Anschluss an diese Maßnahme eigenverantwortlich zu prüfen und zu überlegen haben, ob eine weitere professionelle psychologische Unterstützung ihrer Tochter notwendig ist.

Es konnte auch nicht bei dem gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Maßgabe eines gerichtlich angeordneten Wechselmodells verbleiben. Auch nach Ansicht des Senats kann gegen den Willen eines Elternteils ein Betreuungs-Wechselmodell nicht familiengerichtlich angeordnet werden (ebenso: OLG Hamm NJW 2012, 398; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 120; OLG Koblenz, FamRZ 2010, 738; OLG Dresden, FamRZ 2005, 125; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1759). Der Vater hat seine ablehnenden Haltung zum Wechselmodell mehrfach betont. Die am Ende des Anhörungstermins vor dem Senat bekundete Bereitschaft, nun doch ein Wechselmodell zu akzeptieren, war lediglich eine Reaktion auf die sich abzeichnende Entscheidung und entsprang keinem Sinneswandel. Der Senat macht dem Vater diesen Versuch, einen Wechsel des Lebensmittelpunktes seiner Tochter zur Mutter zu verhindern, nicht zum Vorwurf. Dieser ist vielmehr Ausdruck des ehrlichen Bemühens um das Wohlergehen seiner Tochter.

Dahinstehen kann, ob in Ausnahmefällen auch gegen den Willen eines Elternteils ein Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden kann (vgl. KG, Bs v. 28.2.2012 18 UF 184/09, zitiert nach juris). In dem dort entschiedenen Fall war das Wechselmodell im Hinblick auf das Kindeswohl geboten und entsprach dem eindeutig geäußerten und belastbaren Willen des Kindes. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor:

Ein Wechselmodell würde dem Kind eher schaden. Es bestünde die Gefahr, dass die notwendig entstehenden Konflikte aufgrund der fehlenden Kommunikation - wenn auch ungewollt - auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Das Konfliktpotential wäre vorliegend sogar größer, da sich der Vater auf das Wechselmodell letztlich nur gezwungenermaßen eingelassen hätte. Hinzu kommen die anscheinend erheblichen unaufgearbeiteten Probleme der Eltern auf der Partnerschaftsebene. Die hierzu vom Vater im Termin verbal bekundete Bereitschaft, die ‚Probleme in den Müll zu schmeißen', schafft sie nicht aus der Welt, sondern könnte nur ein erster Schritt dazu sein. Auch die Sachverständige sieht ‚erhebliche Tendenzen' beider Eltern, sich konflikthaft auf der Partnerschaftsebene auseinanderzusetzen, statt sich gemeinsam um die Belange des Kindes zu kümmern. Im Anhörungstermin vor dem Senat hat sie sich, ebenso wie die Verfahrensbeiständin, klar gegen ein Wechselmodell ausgesprochen.

Um eine dem Kindeswohl dienende Verbesserung der Kommunikation zwischen den Eltern zu erreichen und damit einer weiteren Kindeswohlgefährdung entgegenzuwirken, war den Eltern gem. § 1666 Abs. 3 BGB aufzugeben, Elterngespräche bei einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle zu führen.

Daneben ist für das Kind nach Auffassung des Senats ein eindeutiger Lebensmittelpunkt unabdingbar. Das Kind musste in der Vergangenheit bereits mehrfach einen Wechsel des Lebensmittelpunktes verkraften. Teilweise waren diese Wechsel verbunden mit einem zeitweiligen vollständigen Abbruch des Kontaktes des Kindes zum anderen Elternteil. Ein ständiger Wechsel zwischen zwei Haushalten, ohne ein eindeutiges Zuhause, dient schon deshalb nicht dem Kindeswohl.

Letztlich ist der geäußerte Wille des Kindes nach einer gleichmäßigen Betreuung durch beide Elternteile nicht belastbar. Die Sachverständige führt dazu in ihrem Gutachten aus, dass das Kind derzeit nicht zu einer elternunabhängigen Willensformulierung in der Lage sei. Die Eltern beeinflussten bzw. manipulierten das Kind in der Willenbildung. Auch der Senat hat in der Kindesanhörung den schon von der Gutachterin beschriebenen Eindruck gewonnen, dass L... ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinten anstellt, um es beiden Eltern recht machen zu können.

Es ist zu erwarten, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht allein auf die Mutter dem Wohl des Kindes am ehesten entspricht. Namentlich entspricht es dem Wohl L... im Moment am ehesten, wenn sie bei der Mutter wohnt. Gleichzeitig ist ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater unabdingbar.

Diese Entscheidung beruht zunächst auf den vom Senat während der ca. 40 Minuten dauernden Kindesanhörung gewonnenen Eindrucks einer bestehenden Gefahr für die psychische Gesundheit des Kindes. L... verhielt sich auffallend distanzlos gegenüber drei ihr vorher unbekannten Erwachsenen. Auch vermochte sie es nur für kurze Zeit, sich auf das angebotene Spiel zu konzentrieren und stand immer wieder vom Tisch auf. Bereits nach kurzer Zeit überließ sie ihre Spielfiguren der Verfahrensbeiständin. Das Kind braucht nach Auffassung des Senats im Moment neben dem festen Lebensmittelpunkt insbesondere elterliche emotionale Zuwendung.

Diese Zuwendung sucht und findet das Kind stärker bei der Mutter. Während der Anhörung der Eltern hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass sich der Vater vorbildlich um die körperliche Gesundheit seiner Tochter, um deren schulische Belange und auch um ein äußerlich stabiles Zuhause gekümmert hat. Auch die Sachverständige hat dies in ihrem Gutachten betont. Der Senat hat aber auch den Eindruck gewonnen, dass der Vater zur Zeit nicht in der Lage ist, dem Kind die emotionale Zuwendung zu geben, die es braucht. Er ist konzentriert auf die körperliche Gesundheit L..., so z.B. auf die Übungen, die sie zur Korrektur einer Fußfehlstellung machen soll. Angesichts dessen und evt. auch aufgrund seiner beruflichen Beanspruchung hat er keinen Blick für die anderen im Moment dringlicheren Bedürfnisse seiner Tochter.

Auch die Sachverständig hat sich im Termin - und insbesondere angesichts des dort gewonnenen Eindrucks - für einen Wechsel zur Mutter ausgesprochen. Es sei für L... wichtig, mehr Mutter zu erleben. Bereits in ihrem Gutachten hatte die Sachverständige ausgeführt, dass L... eine deutliche emotionale Beziehungspräferenz zugunsten der Mutter gezeigt habe.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung die Gefahr erwogen, dass der Vater sich zurückziehen könnte, weil er diese angesichts seiner Betreuungs- und Erziehungsleistungen in der Vergangenheit als ungerecht empfindet. Der Senat verbindet mit der Entscheidung jedoch die Hoffnung, dass der Vater diese nicht als negatives Urteil über seine Leistungen ansieht, sondern erkennt, dass auch angesichts seiner Leistungen allein zum Wohle seiner Tochter der Wechsel zur Mutter erforderlich ist. Der Vater soll und wird nach Überzeugung des Senats auch künftig für seine Tochter da sein. Er ist eine sehr wichtige Bezugsperson für seine Tochter und muss es in ihrem Interesse bleiben.

Der Senat geht davon aus, dass die Mutter den Umgang des Vaters mit dem Kind zulassen und im Interesse des Kindes sogar fördern wird. Insbesondere sei hier an die ‚Zusage' im Termin erinnert, nicht mit dem Kind aus Berlin fortzuziehen. Das Kind braucht zwar im Moment mehr seine Mutter; es braucht aber weiterhin seinen Vater.

Vor diesem Hintergrund führt der Kontinuitätsgrundsatz zu keiner anderen Entscheidung; auch wenn der Senat - wie bereits ausgeführt - anerkennt, dass der Vater seiner Tochter seit August 2007 ein stabiles Zuhause geschaffen hat.

Die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten sind bei der Mutter gegeben. Es ist ferner davon auszugehen, dass das Kind bei der Mutter ausreichende und kindgerechte Wohnverhältnisse vorfindet.

Entscheidende Erziehungsdefizite sind bei beiden Elternteilen nicht festzustellen. Der Senat hat angesichts des Eindruck während der Anhörung auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich des psychischen Stabilität der Mutter. Der Mutter war jedoch gem. § 1666 Abs. 3 BGB aufzugeben, einen Erziehungsbeistand (Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27, 30 SGB VIII) in Anspruch zu nehmen und mit dem Beistand zusammenzuarbeiten. Der Senats sieht ohne diese sozialpädagogische Hilfe eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung als nicht gewährleistet an und hält diese Hilfe für die Entwicklung des Kindes für geeignet und notwendig. ..."

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„... I. Die Beteiligten streiten um die Frage fort, ob und in welchem Ausmaß dem Kindesvater die Kontaktaufnahme zum Kind zu untersagen ist.

Das Kind ... lebte - nach der Trennung seiner Eltern - zunächst beim Kindesvater. Dieser brachte es im Juni 2012 zum Zwecke einer Rehabilitationsmaßnahme in die ...-Klinik .... Ende Juli 2012 begehrte er dort, dass ... zu ihm entlassen werde. In der Folgezeit stieg ... auf das Fensterbrett eines geöffneten Fensters und drohte, dort heraus- und herunterzuspringen, um sich das Leben zu nehmen. Daraufhin wurde ... im Rahmen einer Inobhutmaßnahme in die Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik in ... verlegt; zugleich entzog das Familiengericht durch Beschluss vom 17.08.2012, Az. 61 F 772/12 eASO, beiden Eltern die bis dahin gemeinsam bestehende (Personen-) Sorge und bestellte vorläufig insoweit das Jugendamt des ...-Kreises zum (Amts-)Pfleger. Diese Entscheidung bestätigte es aufgrund mündlicher Erörterung mit den dortigen Beteiligten vom 30.08.2012 durch Beschluss vom gleichen Tag. Das auf Veranlassung des Kindesvaters durchzuführende Beschwerdeverfahren ist beim Senat zu Az. 4 UF 254/12 anhängig.

Am 01.11.2012 passte der Kindesvater das Kind vor der (klinikeigenen) Schule ab und verbrachte es zur Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Limburg, Außenstelle Wetzlar, damit es dort eine Aussage tätige. ... kehrte dann im Laufe des Tages nach ... zurück, von wo er Anfang/Mitte November 2012 in eine vollstationäre Jugendhilfeeinrichtung in … entlassen wurde. Den Vorfall vom 01.11.2012 nahm der Amtspfleger zum Anlass, in Vertretung des Kindes am 09.11.2012 beim Familiengericht den Erlass einer Einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu beantragen, so dass dem Kindesvater geboten werden sollte, keine Verbindung zu ... aufzunehmen.

Im sodann geführten hiesigen Verfahren bestellte das Familiengericht für das Kind einen Verfahrensbeistand und bestimmte einen Erörterungstermin auf den 29.11.2012, zu dem es auch das persönliche Erscheinen von ... anordnete. Nach Kenntnis hiervon erlitt ... einen "Impulsdurchbruch" und attackierte Mitarbeiter und Mitbewohner der Jugendhilfeeinrichtung. Er wurde sodann notfallmäßig in der Jugendpsychiatrie ... aufgenommen, am Folgetag indes in eine Inobhutnahmegruppe einer anderen Einrichtung entlassen. Aktuell befindet er sich in einer intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung nach § 35 SGB VIII.

Mit Beschluss vom 29.11.2012 verbot das Familiengericht dem Kindesvater im Wege einstweiliger Anordnung, Verbindung mit dem Kind aufzunehmen und ein Zusammentreffen mit diesem herbeizuführen bzw. sich dem Aufenthaltsort und der Schule von ... weniger als 100m zu nähern. Es stützte seine Entscheidung darauf, dass diese Maßnahme nötig seien, um Gefahren für das Kindeswohl von ... abzuwenden, §§ 1666, 1666a BGB.

Diese Entscheidung wurde dem Amtspfleger am 03.12.2012 und dem Kindesvater am 06.12.2012 zugestellt. Beide legten am 13.12.2012 bzw. schon 04.12.2012 Beschwerde ein.

Der Senatsberichterstatter hat am 18.02.2013 darauf hingewiesen, dass die Beschwerden unzulässig sein dürften, da die getroffenen Anordnungen sich zutreffender Weise aus umgangsrechtlichen Vorschriften herleiteten, insoweit jedoch im einstweiligen Anordnungsverfahren die Beschwerde unstatthaft sei.

II. Die beiderseitigen Beschwerden des Kindes und des Kindesvaters waren infolge Unstatthaftigkeit der Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, § 68 II 2 FamFG.

Nach § 57 S. 2 FamFG ist eine in einer Familiensache erlassene einstweilige Anordnung nur dann mittels der Beschwerde anfechtbar, wenn sie in einem dort abschließend genannten Regelungsbereich - nach Erörterung mit den Beteiligten - getroffen wurde.

Dies ist vorliegend nicht der Fall; im Einzelnen:

a) Es liegt kein Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz vor, wie auch zutreffend vom Familiengericht erkannt, so dass keine Beschwerdemöglichkeit nach § 57 S. 2 Nr. 4 FamFG gegeben ist. Denn nach § 3 I GewSchG gelten anstelle der §§ 1, 2 GewSchG im Verhältnis zu den Eltern die für das Sorge-, Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht maßgeblichen Vorschriften, sofern die verletzte oder bedrohte Person unter elterlicher Sorge, Vormundschaft oder Pflegschaft steht.

So verhält es sich hier: Die als bedroht oder verletzt bezeichnete Person, ..., steht nach der Entscheidung des Familiengerichts vom 17.08.2012 zwar nicht mehr unter der Personen-, aber nach wie vor unter der Vermögenssorge seiner Eltern. Im Übrigen wurde durch die genannte Entscheidung im Bereich der Personensorge ein Pflegschaftsverhältnis begründet. Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz scheiden damit im Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern, hier dem Vater, aus. b) Es liegt aber auch kein einstweiliges Anordnungsverfahren aus dem Bereich des Sorgerechts vor, für welches die Beschwerdemöglichkeit nach § 57 S. 2 Nr. 1 FamFG eröffnet wäre.

Der zutreffender Weise als Anregung des Jugendamtes auszulegende Antrag vom 09.11.2012 (Verfahren nach den §§ 1666, 1684, 1696 BGB sind Amtsverfahren im Sinne des § 24 FamFG und keine Antragsverfahren nach § 23 FamFG) konnte vom Familiengericht nicht so verstanden werden, ein einstweiliges Anordnungsverfahren wegen Sorgerechtsregelungen, insbesondere nach § 1666 Abs. 1 bis 3 BGB, einzuleiten, da sich diesbezügliche Maßnahmen des Familiengerichts nur gegen insoweit sorgeberechtigte Personen richten können (vergl. MüKo-Olzen, § 1666 BGB, Rz. 38; Staudinger-Coester, § 1666 BGB, Rz. 20), die Kindeseltern aber gemäß der bisher nicht geänderten Entscheidung des Familiengerichts vom 17.08.2012 über kein Personensorgerecht mehr verfügten. Da sich das Recht der Kindeseltern zur Kontaktaufnahme zuvörderst aus ihrem Personensorgerecht, vergl. § 1631 I BGB, ergibt, können bestimmte Detailregelungen in diesem Bereich nicht mehr auf § 1666 I - III BGB gestützt werden, wenn den Eltern in diesem Bereich die elterliche Sorge bereits entzogen war.

Aber auch ein Verfahren nach § 1666 Abs. 4 BGB gegen Dritte kam in Bezug auf den nichtsorgeberechtigten Kindesvater nicht in Betracht, da Dritter im Sinne dieser Vorschrift nur jede Person jenseits der (rechtlichen) Eltern ist (Staudinger-Coester, § 1666 BGB, Rz. 236 m.w.N.).

c) Es liegt vielmehr ein Verfahren aus dem Bereich des Umgangsrechts, insbesondere zur Ausgestaltung dessen Ausschlusses, § 1684 IV BGB, vor: Gerichtliche Maßnahmen zur Vermeidung einer Kontaktaufnahme zwischen nicht-(personen-)sorgeberechtigten Elternteilen und ihren Kindern können daher nur nach Maßgabe dieser Vorschrift erfolgen (Staudinger-Coester, a.a.O., Rz. 145), zumal der Prüfungsmaßstab deutlich unterschiedlich ist (§ 1684 IV 1 BGB: Ausschluss möglich, soweit kindeswohlerforderlich - § 1666 IV BGB Ausschluss nur möglich, soweit Kindeswohlgefährdung vorliegend).

d) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, da der Senat es für geboten erachtete, von der Kostenregelung des § 84 FamFG abzuweichen. Für die im Namen des Kindes eingelegte Beschwerde ergibt sich dies aus § 81 III FamFG, wonach einem minderjährigen Beteiligten keine Kosten in Verfahren aufzuerlegen sind, die - wie vorliegend - seine Person betreffen. Aber auch hinsichtlich der Beschwerde des Kindesvaters erachtet der Senat eine von § 84 FamFG abweichende Kostenentscheidung für angezeigt, da der Kindesvater durch den vom Familiengericht gewählten Prüfungsmaßstab und die genutzte, auf einer Sorgerechtsentscheidung basierende Rechtsmittelbelehrung zu der Einlegung der Beschwerde (mit-)veranlasst wurde. Insofern entsprach es der Billigkeit, von der Gerichtskostenerhebung, § 81 I 2 FamFG, und der Anordnung einer Auslagenerstattung, § 81 II FamFG, abzusehen. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.03.2013 - 4 UF 305/12)

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Dem nicht sorgeberechtigten Kindesvater steht gegen einen Beschluss, durch welchen der Kindesmutter Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen worden sind, die Beschwerdebefugnis zu, weil er nach § 1680 BGB gegebenenfalls sorgeberechtigt werden kann. Eine bestehende Heroinabhängigkeit der Kindesmutter begründet jedenfalls dann nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Entzug der elterlichen Sorge, wenn sich die Kindesmutter bereits seit Jahren im Methadon-Programm befindet und das Kind in der Vergangenheit im mütterlichen Haushalt gut versorgt worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 21. Februar 2013 - 2 UF 246/12).

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„... Nach § 1666 Abs. 1 BGB kann dem Sorgeberechtigten die elterliche Sorge entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch deren missbräuchliche Ausübung, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird, sofern der Erziehungsberechtigte nicht in der Lage ist, die Gefahr abzuwenden, d.h. die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dabei sind Maßnahmen, die mit einer Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden sind, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise begegnet werden kann, § 1666 a BGB.

Maßstab für die zu treffende Entscheidung ist das Wohl des Kindes, mithin der umfassende Schutz des in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt stets vor, wenn das Kind bereits einen Schaden erlitten hat. Sie ist aber auch dann anzunehmen, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Wohl des Kindes, d.h. seine körperliche bzw. geistige Entwicklung bzw. sein Eigentum und Vermögen, beeinträchtigt würde (OLG Nürnberg FamRZ 1981, 707; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1557). Allerdings muss es sich um eine gegenwärtige erhebliche Gefahr handeln, die bei unveränderter Weiterentwicklung der Verhältnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit den Eintritt einer Schädigung befürchten lässt (BVerfG FamRZ 2010, 713; OLG Celle FamRZ 2003, 1490). Die begründete Besorgnis einer Schädigung entsteht regelmäßig aus in der Vergangenheit liegenden Vorfällen, wobei ein einzelnes Fehlverhalten regelmäßig nicht ausreicht (OLG Stuttgart NJW 1985, 68). Auf Seiten des Sorgeberechtigten ist zudem kein Missbrauch der elterlichen Sorge notwendig. Es genügt, dass dieser das Kind vernachlässigt, d.h. ausreichende Maßnahmen, die unter Berücksichtigung der sozialen, kulturellen und ökonomischen Situation der Familie eine ungestörte und beständige Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege des Kindes im Familienverband gewährleisten sollen, unterlässt (vgl. Rotax/Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl., Teil 4 Rz. 456). Möglich ist auch ein unverschuldetes Versagen der Eltern, wobei mit dem entsprechenden Auffangtatbestand bezweckt wird, akute und schwerwiegende Gefährdungen des körperlichen und seelischen Wohls des Kindes abzuwehren. Die Gründe für das elterliche Versagen sind dabei unerheblich (OLG Brandenburg FamRZ 2008, 1556).

Liegen die skizzierten Voraussetzungen vor, hat das Gericht die zur Gefahrenabwehr erforderlichen und geeigneten Maßnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Das Elternrecht einerseits und die Menschenwürde des Kindes sowie dessen Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit andererseits sind in diesem Rahmen gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 24, 119 ff).

Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze sind der Mutter nur die in der Beschlussformel genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge zu entziehen.

Eine Gefährdung des Wohls des Kindes I… liegt vor. Die Beteiligte zu 3. leidet an einer massiven depressiven Störung, die Krankheitswert besitzt und eine fortdauernde ambulante psychische Behandlung sowie die Einnahme von Medikamenten, die die Wiederaufnahme von Serotonin hemmen, notwendig macht. Aufgrund dieser chronischen, unbehandelt episodenhaft in schweren Schüben auftretenden Erkrankung hat sich die Mutter jedenfalls bis in die jüngste Vergangenheit nicht in der Lage gezeigt, in der erzieherisch gebotenen Weise auf die Belange I…s einzugehen, vor allem für eine kontinuierliche Betreuung unter Berücksichtigung der objektiven Kindesinteressen zu sorgen. Im Gegenteil stellte sie weder den kontinuierlichen Besuch des Kindes in der Kindereinrichtung sicher, noch reagierte sie zu jeder Zeit angemessen auf die Wünsche und Bedürfnisse I…s. Ihr gelang es, wie der vom Senat gehörte Sachverständige Dr. W… überzeugend ausgeführt hat, phasenweise nicht, eigene Interessen zurückzustellen, soweit dies dem Kindeswohl förderlich gewesen wäre, nämlich eine kontinuierliche Versorgung und Betreuung I…s sichergestellt hätte. Ihr Wunsch nach eigenen, auch abendlichen und nächtlichen Freizeitaktivitäten war stärker als der, sich in der erzieherisch gebotenen Weise mit den Belangen des Kindes zu beschäftigen. Da ihr zudem eine vorausschauende Tages- sowie Terminplanung nicht gelang, mussten die Großeltern häufig spontan tätig werden und I… in Obhut nehmen. Umgekehrt verlangte die Beschwerdeführerin das Kind zur Unzeit heraus und trug Konflikte mit ihren Eltern in Gegenwart des Kindes aus. Die Beschwerdeführerin zeigte im Zuge ihrer Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. W… zudem erhöhte Werte einer emotional instabilen und paranoiden Persönlichkeit, so dass dieser einschätzte, die Ausprägungen ihrer Erkrankung würden eher noch zunehmen können, wobei es unerlässlich sei, dass die Beteiligte zu 3. durch Klärung der medikamentösen und therapeutischen Intervention dafür Sorge trage, dass die Wahrscheinlichkeit rezidivierender depressiver Zustände deutlich verringert werde. Insbesondere die erzieherische Nichteignung der Eltern bzw. des (personen)sorgeberechtigten Elternteils wegen bestehender erheblicher psychischer Erkrankungen (OLG Stuttgart FamRZ 2010, 1090; OLG Karlsruhe JAmt 2001, 192; BayObLG FamRZ 1997, 956; OLG Düsseldorf FamRZ 2010, 308) kann aber staatliche Eingriffe nach § 1666 BGB rechtfertigen bzw. notwendig machen.

Die persönliche Situation der Kindesmutter hat sich bislang erst ansatzweise stabilisiert. Sie hält sich an die Medikationsvorgaben und hat sich in ambulante tiefenpsychologische Behandlung begeben, die erste Erfolge im Hinblick auf berufliche Belange und den Aufbau von Alltagsstrukturen zeitigt, wie der sie behandelnde Diplompsychologe K… mit Schreiben vom 15.10.2012 eingeschätzt hat. Gleichwohl ist damit - auch angesichts der erst verhältnismäßig kurzen Therapiedauer - noch keine dauerhafte Besserung, d.h. ein ausreichendes Maß an Verlässlichkeit der Beteiligten zu 3. im Hinblick auf ihre Erziehungspflichten, erreicht. Vor allem ist es ihr bislang nicht gelungen, das Verhältnis zu den Beteiligten zu 1. und 2., ihren Eltern, grundlegend zu entspannen, obwohl dies bereits angesichts der Tatsache wünschenswert gewesen wäre, dass diese I… nach den bisherigen Planungen des Jugendamtes weiterbetreuen und mit ihnen deshalb gegenseitige Kontakte stattfinden werden sowie bindende Absprachen zu treffen sein werden. Aus alledem ergibt sich, dass das Wohl des Kindes gefährdet wäre, wenn die Mutter die elterliche Sorge uneingeschränkt ausübte. Sie leidet - unverschuldet - an einer Erkrankung, die es ihr jedenfalls derzeit, solange sie noch nicht den Umgang mit ihr nachhaltig verinnerlicht und keine ausreichenden Maßnahmen ergriffen hat, die die Gefahr künftig auftretender erneuter heftiger Krankheitsschübe bereits jetzt weitestgehend minimieren, noch immer nicht mit hinreichender Sicherheit ermöglicht, auf die Belange I…s hinreichend einzugehen und ihren Erziehungspflichten in einer dem Kindeswohl entsprechenden Weise uneingeschränkt nachzukommen. Insofern ist ihr, zumal weniger einschneidende Maßnahmen noch nicht in Betracht kommen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für I… zu entziehen.

Neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ist der Mutter auch das Recht der Gesundheitsfürsorge zu entziehen. Denn sie ist aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur jedenfalls bisher nicht ausreichend dazu in der Lage gewesen, die gesundheitlichen Belange I…s wahrzunehmen. Das zeigte sich bereits daran, dass sie den das Kind betreffenden terminlichen Verpflichtungen nicht immer regelmäßig nachgekommen, zu einer vorausschauenden Terminsplanung nicht in der Lage gewesen ist und die Befriedigung ihrer eigenen Bedürfnisse zeitweilig in den Vordergrund gestellt hat. Diese Umstände stellen aber ihr Vermögen nachhaltig in Zweifel, auf eventuelle akut auftretende gesundheitliche Probleme I…s - wie erforderlich -angemessen sowie zeitnah zu reagieren. Hinzu kommt, dass sie den Umgang mit dem Kind und die damit verbundenen Alltagsverpflichtungen erst wieder einüben muss, wächst I… doch seit nunmehr fast zwei Jahren fast ausschließlich im Haushalt der Großeltern auf. Vor diesem Hintergrund ist es darüber hinaus geboten, die Entscheidungen über die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger zu übertragen.

Schließlich ist der Beteiligten zu 3. das Recht der Bestimmung der Schule, des Horts und des Kindergartens sowie der erforderlichen An- und Abmeldung zu entziehen. Auch insoweit kann nämlich angesichts der bereits dargelegten unverschuldeten erzieherischen Defizite in der Person der Beschwerdeführerin noch nicht davon ausgegangen werden, dass diese sich um die im Zusammenhang mit der anstehenden Einschulung I…s erforderlichen Entscheidungen in einem dem Kindeswohl I…s entsprechenden Umfang kümmern und ihren Pflichten sachgerecht nachkommen wird, zumal ihr wegen der bislang eher sporadischen und nur kurzzeitigen Kontakte mit I… und der bestehenden Kommunikationsdefizite mit den die Belange des Kindes bislang nahezu ausschließlich wahrnehmenden Großeltern die in diesem Zusammenhang erforderlichen Entscheidungsgrundlagen fehlen.

Weitergehende Maßnahmen sind im Interesse des Kindeswohls hingegen nicht geboten. Die angegriffene Entscheidung bleibt in diesem Umfang eine tragfähige, nachvollziehbare Begründung schuldig. Es sind bislang gerade keine Tatsachen bekannt geworden, die den Rückschluss darauf zuließen, die Beschwerdeführerin sei nicht willens oder dazu in der Lage, den Belangen der Vermögenssorge im Sinne I…s nachzukommen oder verweigere trotz der insofern bestehenden Defizite schlechterdings die Annahme jeglicher erzieherischer Hilfen oder Ratschläge zum Nachteil des Kindes. In diesem Zusammenhang zeitweilig entstandene Schwierigkeiten sind augenscheinlich einem, wenn auch unbegründeten, Vertrauensverlust geschuldet gewesen und konnten zwischenzeitlich offenbar verringert werden. Weshalb Gründe des Kindeswohls den Entzug der elterlichen Sorge insgesamt rechtfertigen sollten bzw. welche weitergehenden konkreten, nicht anders abwendbaren Gefahren für I… aus der mangelhaften Interaktion der Mutter mit dem Jugendamt konkret erwachsen sollten, erschließt sich danach unter Berücksichtigung der auf Seiten der Beschwerdeführerin streitenden Grundrechte gerade nicht.

Zur Ausübung der der Mutter entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge für I… ist dem Kind ein Ergänzungspfleger zu bestellen (§ 1909 BGB). Eine Übertragung der Teilbereiche auf den Vater (§ 1680 Abs. 2 S. 2 BGB) scheidet aus, da dies dem Wohl des Kindes nicht entspräche. I… hat seit Jahren nahezu keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater, der Umgangskontakte mit ihr aufgrund des zerrütteten Verhältnisses zur Beschwerdeführerin, der er aus dem Wege geht, ablehnt. Er ist mithin in der Erziehung des Kindes nicht erprobt, und es ist auch nicht zu erwarten, dass die Eltern in dem notwendigen Umfang das Kind betreffend miteinander kommunizieren werden. Zwischen Vater und Tochter bestehen keine nennenswerten Bindungen, und es entspricht dem Kindeswohl besser, dieses weiter in seiner vertrauten Umgebung aufwachsen zu lassen. Hinzu kommt, dass er nach seinen Angaben vor dem Senat nicht bereit ist, die Tochter in Obhut zu nehmen, solange sie Kontakt zu ihrer Mutter hat. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.12.2012 - 3 UF 84/12)

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Zur Begründung einer Beschwerdeberechtigung im Verfahren betreffend die elterliche Sorge für ein Kind reicht alleine ein nachvollziehbares Interesse des Beschwerdeführers an der Änderung oder Beseitigung einer vom Familiengericht getroffenen Maßnahme nicht aus; erforderlich ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer in einem ihm selbst durch Gesetz oder durch die Rechtsordnung anerkanntem und von der Staatsgewalt geschütztem materiellem Recht unmittelbar betroffen ist (OLG Hamm, Beschluss vom 09.07.2012 - 9 UF 74/12 zu §§ 59 I FamFG, 1632, 1666, 1685 BGB).

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Der wesentliche Inhalt der Kindesanhörung kann - außer in der Sitzungsniederschrift oder einem gesonderten Aktenvermerk - auch im tatbestandlichen Teil der die Instanz abschließenden Entscheidung wiedergegeben werden. Dann muss das Anhörungsergebnis aber vollständig, im Zusammenhang und frei von Wertungen des Gerichts dargestellt werden. Nur auf einen dahingehenden Willen zweier 14 bzw. 15 Jahre alten Kinder kann ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasten des für sie sorgeberechtigten Elternteils oder der Erlass einer Verbleibensanordnung zu Gunsten ihrer Großeltern nicht gegründet werden. Vielmehr bedarf es hierfür der Feststellung, dass das Kindeswohl allein dadurch bereits nachhaltig gefährdet wäre, wenn man dem Kindeswillen nicht nachgäbe. Davon kann in Abwesenheit belastbarer Anhaltspunkte jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich zwischenzeitlich von seinem Lebensgefährten getrennt hat, mit dem die Kinder nicht ausgekommen waren, die Kinder ein gutes und entspanntes Verhältnis zu dem ihnen vertrauten sorgeberechtigten Elternteil haben, bei dem sie bis zu ihrem 13. bzw. 14. Lebensjahr aufgewachsen sind, den sie regelmäßig besuchen und bei dem sie auch gelegentlich übernachten (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 31.05.2012 - 6 UF 20/12 zu §§ 1632 IV, 1666 BGB, 1666a BGB, 29 III , 159 FamFG).

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Vorrangige Maßnahmen nach § 1666a BGB sind die öffentlichen Hilfen nach den §§ 11 bis 40 SGB VIII. Das Gericht kann gegenüber den Eltern anordnen, solche Hilfen in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als milderes Mittel darstellen. Das Jugendamt hat grundsätzlich in eigener Verantwortung die Eignung öffentlicher Hilfen zu Abwehr einer Kindeswohlgefährdung zu beurteilen und sie anzubieten, § 8a SGB VIII. Andererseits ist dem Familiengericht das staatliche Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG in eigener Verantwortung auferlegt. Es besteht eine Verantwortungsgemeinschaft von Familiengericht und Jugendamt sowie die Pflicht zu einer kooperativen Zusammenarbeit. Gelingt die vorrangige Verantwortungsgemeinschaft von Familiengericht und Jugendamt nicht, besteht zwingend eine Letztverantwortlichkeit und ein Letztentscheidungsrecht des Familiengerichts. Ein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666a BGB ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Erziehungsfähigkeit nachzuweisen (OLG Koblenz, Beschluss vom 29.05.2012 - 11 UF 266/12).

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Die Zustimmung des alleinsorgeberechtigten Elternteils zur Fremdunterbringung des eigenen Kindes ist nicht geeignet, eine in seinem Haushalt bestehende Gefährdung für das kindliche Wohl abzuwenden, wenn die akute und gegenwärtige Gefahr eines jederzeitigen Widerrufs seiner Zustimmung zur Fremdunterbringung besteht (OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2012 - 9 UF 57/12).

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Zur - § 26 FamFG geschuldeten - Erforderlichkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zur zuverlässigen Ermittlung des wahren Kindeswillens, wenn ein zehnjähriges Kind einen Umgang mit dem nicht betreuenden Elternteil verbal ablehnt (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 03.04.2012 - 6 UF 10/12 zu § 1684 IV, §§§ 26, 89 II FamFG):

„... Das Familiengericht hat verfahrensfehlerhaft seiner Pflicht, den entscheidungserheblichen Sachverhalt amtswegig zu ermitteln, nicht genügt.

In welchem Umfang vom Gericht zur Beurteilung des Kindeswohls Tatsachen zu ermitteln sind, bestimmt sich nach § 26 FamFG. Danach hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Zwar muss das Gericht nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachgehen und besteht insbesondere keine Pflicht zu einer Amtsermittlung „ins Blaue hinein", weshalb bloße Verdachtsäußerungen, die jeglicher tatsächlichen Grundlage entbehren, keinen Ermittlungsanlass geben (dazu BGH FamRZ 2011, 1047). Eine Pflicht zu der Aufklärung dienlichen Ermittlungen besteht jedoch insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der Sachverhalt als solcher bei sorgfältiger Prüfung hierzu Anlass geben. Die Ermittlungen sind erst dann abzuschließen, wenn von weiteren Ermittlungen ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGH FamRZ 2010, 720), wobei in kindschaftsrechtlichen Familiensachen besondere Anforderungen an die tatrichterliche Sachaufklärung zu stellen sind.

Denn das Umgangsrecht eines Elternteils steht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Absprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten und einer Entfremdung vorzubeugen, sowie dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Sowohl Sorge- als auch Umgangsrecht erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. An die - einfachrechtlich auf § 1684 Abs. 4 BGB zu gründende - Einschränkung oder gar den Ausschluss des Umgangsrechts eines Elternteils sind strenge Maßstäbe anzulegen, deren Wahrung das Gericht von Amts wegen und wegen des stets letztentscheidenden Kindeswohls (vgl. BVerfGE 56, 363; BVerfG FuR 2008, 338) auch unabhängig von einem etwaigen Einvernehmen der Eltern (vgl. dazu BGH FamRZ 2012, 533) zu überprüfen hat. Eine Einschränkung des Umgangsrechts ist nur veranlasst, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 399; BGH FamRZ 1994, 158; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2011 - 6 UF 116/10 -, FamRZ 2011, 1409). Letzteres setzt eine gegenwärtige Gefahr in solchem Maße voraus, dass sich bei ihrem weiterem Fortschreiten eine erhebliche Schädigung der weiteren Entwicklung des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11 -, juris; BVerfG FamRZ 2009, 1472; Senatsbeschlüsse vom 16. Februar 2010 - 6 UF 96/09 -, FamRZ 2010, 1746 m.w.N., und vom 29. Februar 2012 - 6 UF 13/12 -).

Diese verfassungsrechtliche Dimension von Art. 6 Abs. 2 GG beeinflusst auch das Verfahrensrecht und seine Handhabung im Kindschaftsverfahren. Das gerichtliche Verfahren muss in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen sein, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen wirkungsvoll zu dienen. Das bedeutet nicht nur, dass die Verfahrensgestaltung den Elternrechten Rechnung tragen muss. Vielmehr steht das Verfahrensrecht auch unter dem Primat des Kindeswohls, zu dessen Schutz der Staat im Rahmen seines Wächteramtes gemäß Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG verpflichtet ist. Deshalb muss das Gericht insbesondere die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich entscheidungserheblicher Tatsachen ausschöpfen und sein Verfahren so gestalten, dass es möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen kann (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 291, 399 und 1897; 2007, 105; BGH FF 2012, 67 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2010, 720). Zu diesem Zweck ist das Gericht nicht stets gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen. Insbesondere bei Entscheidungen von großer Tragweite kann es allerdings erforderlich sein, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen, das etwa zu Qualität der Bindungen des Kindes zum umgangsberechtigten Elternteil, seinem wirklichen Willen und den in Betracht kommenden familiengerichtlichen Maßnahmen näheren Aufschluss geben kann (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897; BGH FamRZ 2010, 1060).

Der genaue Umfang der erforderlichen Ermittlungen richtet sich nach den im konkreten Einzelfall betroffenen Kindeswohlbelangen (BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060, jeweils m. Anm. Völker). Dazu gehört - bei der hier vorliegenden Problemstellung des Umgangsausschlusses wegen einer vom Kind verbal geäußerten Ablehnung von Umgangskontakten - jedenfalls die möglichst zuverlässige Feststellung des wahren Kindeswillens. Denn der vom Kind geäußerte Wille hat nicht nur Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen auch zum Umgangsberechtigten (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078; vgl. - zum Sorgerecht - auch BVerfG FamRZ 2008, 1737; BGH FamRZ 1990, 392), sondern ist mit zunehmendem Alter auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam (§ 1626 Abs. 2 S. 2 BGB; dazu BVerfG FamRZ 2007, 105; 2008, 845; vgl. ferner - zum Sorgerecht - BVerfG FamRZ 2008, 1737). Weil der Kindeswille nur insoweit zu berücksichtigen ist, als er dem Kindeswohl entspricht (BVerfG FamRZ 1981, 124; 2008, 1737), und in tatsächlicher Hinsicht in Rechnung zu stellen ist, dass ein durch einen Elternteil maßgeblich beeinflusster Kindeswille nicht beachtlich ist (vgl. BGH FamRZ 1985, 169; vgl. auch BVerfG FamRZ 2009, 399), muss das Kind im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhalten, seine wirklichen persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen (vgl. BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 399 und 1897).

An diesen verfassungs- und einfachrechtlichen Maßstäben gemessen hätte das Familiengericht vorliegend nicht ohne Einholung eines kinderpsychologischen Sachverständigengutachtens entscheiden dürfen. Denn es bestehen greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der vom zehn Jahre alten M. geäußerte, einen Umgang ablehnende Wille möglicherweise nicht seinem wirklichen Willen und seiner wahren Bindung zu seinem Vater entspricht.

M. hat seine Haltung gegenüber dem Familiengericht und seinem Verfahrensbeistand im Wesentlichen damit begründet, dass der Vater ihn in der Vergangenheit angelogen und Dinge getan habe, die ihn in seinem sozialen Umfeld in Schwierigkeiten gebracht hätten. Aufgrund eines im Frühjahr 2011 in der BILD-Zeitung erschienenen Artikels - dem lag ein Gespräch des Vaters mit einem Reporter über die Umgangsschwierigkeiten zugrunde, dem Artikel ist ein Bild hinzugefügt, auf dem neben dem Vater auch M. (mit allerdings nicht erkennbarem Gesicht) zu sehen ist - sei er erheblichen Hänseleien im schulischen Umfeld ausgesetzt gewesen. Aufgrund eines Vorfalles an der Schulbushaltestelle - der Vater habe seinen Halbbruder J. vom Bus weg auf die Straße gestoßen - hätten Kinder schon letztes Jahr aus Angst vor dem Vater nicht zu seiner Geburtstagsfeier kommen wollen. Der Vater habe außerdem ein Handy und Spielsachen von ihm zurückbehalten. Im April 2011 habe der Vater die Mutter angespuckt, da habe er, M., zurückgespuckt; ein solches Verhalten gehe nicht an.

Zu letzterem Vorfall hat der Vater vorgetragen, die Mutter habe zuvor ihn angespuckt, was der im Auto sitzende M. nicht habe sehen können. Aus dem im Verfahren 54 F 97/11 EAUG erstellten Jugendamtsbericht vom 18. April 2011 geht ferner hervor, dass der Vater im April 2011 aufgrund dieses Vorfalls zu M. gesagt hat, dass er keinen Sohn mehr habe und ihn zukünftig nicht mehr abholen werde. M. hat in den Osterferien 2011 auf die Abholung durch den Vater gewartet und als dieser nicht gekommen ist, beim Jugendamt nachgefragt. Dieses hat den Vater angerufen, der erklärt hat, es gebe keine emotionale Bindung zu seinem Sohn; er habe resigniert und werde künftig keinen Umgang mehr mit M. pflegen.

M. hat den Feststellungen des Familiengerichts in der richterlichen Anhörung vom 3. November 2011 zufolge wiederholt erklärt, dass er derzeit keine Kontakte mit dem Vater wolle. Die Anregung, ein gemeinsames Gespräch mit dem Vater in Anwesenheit einer dritten Person zur Klärung von Ereignissen aus der Vergangenheit zu führen, hat M. vehement abgelehnt. Er hat sich aber vorstellen können, in Zukunft hin und wieder Umgangskontakte mit seinem Großvater väterlicherseits auszuüben und im Rahmen dieser Kontakte vielleicht auch mit dem Vater zusammenzutreffen, vielleicht samstags tagsüber. M. hat sich aber gewünscht, sich das noch weiter überlegen zu können.

Aktenkundig ist ferner, dass der Vater dem Verfahrensbeistand erzählt hat, im Sommer 2011 einmal M. persönlich begegnet und zweimal - an dessen Geburtstag und zwei Tage später - mit ihm telefoniert zu haben; beide Male habe M. sich bezüglich weiteren Umgangs mit ihm positiv geäußert. Keiner der anderen Beteiligten hat dies in Zweifel gezogen.

Das Familiengericht hat über dieses Vorbringen weder mit M. in der Kindesanhörung gesprochen noch hat es sich damit in der angegangenen Entscheidung auseinandergesetzt.

Jedenfalls im Lichte dieser vom Vater unwidersprochen mitgeteilten Unterredungen mit M. im Sommer 2011 und der - Begegnungen mit dem Vater im Beisein des Großvaters nicht ausschließenden - Äußerungen des Kindes in seiner Anhörung vor dem Familiengericht hätte dieses - unbeschadet des selbstredend gravierenden Fehlverhaltens des Vaters gegenüber M. - die angegriffene Entscheidung nicht ohne Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens erlassen dürfen. Dies gilt umso mehr, als das Familiengericht ausweislich seiner Entscheidungsgründe selbst - ebenso wie der Verfahrensbeistand - davon ausgeht, dass M.s Willensäußerung von der Mutter nicht unbeeinflusst ist. Dass die Mutter ihrer Umgangsförderungspflicht aus § 1684 Abs. 2 BGB (dazu BGH FamRZ 2012, 533; Senatsbeschluss vom 24. Januar 2011 - 6 UF 116/10 -, FamRZ 2011, 1409) seit langem nicht nachkommt, ist dem Senat schon durch die beiden bis zu ihm zwischen den Eltern geführten Vollstreckungsbeschwerdeverfahren bekannt. Auch im vorliegenden Verfahren zeigen die Äußerungen des Kindes - etwa die vom Verfahrensbeistand in seinem Bericht vom 28. Oktober 2011 wiedergegebene Behauptung des Kindes, dass der Vater die Mutter geschlagen habe, was es aber selbst nicht gesehen habe - dass beide Eltern - auch die Mutter -M. nicht aus dem intensiven Elternstreit heraushalten. Dementsprechend hat der Verfahrensbeistand in diesem Bericht auch seinen Eindruck wiedergegeben, dass M. verschiedene Dinge „wie aus der Pistole geschossen" aufgezählt habe.

Dessen unbeschadet ist das Familiengericht in seinem Beschluss - ohne auf die insoweit vom Vater ausdrücklich aufgeworfene Frage einzugehen - davon ausgegangen, die Sache ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens entscheiden zu können. Worauf das Familiengericht seine - stillschweigende - Annahme stützt, über ausreichende kinderpsychologische Sachkunde zu verfügen, um bei diesen Gesamtumständen ohne sachverständige Beratung den zuverlässigen Schluss ziehen zu können, dass es dem wahren Willen von M. entspricht, keinerlei (!) Umgang mit seinem Vater zu haben, erhellt das angefochtene Erkenntnis nicht und ist auch sonst nicht nachvollziehbar. Allein dass M. sich - wie das Familiengericht ausführt - problemlos artikulieren, klar Stellung beziehen und seine Meinung zum Ausdruck bringen kann, einen ausgesprochen aufgeschlossenen, keineswegs verängstigten oder eingeschüchterten Eindruck macht und keinerlei Scheu vor der Anhörungssituation hat und bereitwillig über die mit dem Umgang in Zusammenhang stehenden Themenbereiche spricht, besagt nichts über den wirklichen Inhalt des von ihm geäußerten Willens. Dessen möglichst verlässliche Bewertung ist aber gerade bei Maßnahmen mit einer so hohen Eingriffsintensität, wie sie dem vom Familiengericht angeordneten langfristigen Umgangsausschluss innewohnt, dem Kindeswohl geschuldet.

Nach alledem ist die angegangene Entscheidung aufzuheben und die Sache nach Maßgabe der Entscheidungsformel zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Mithin kommt es nicht mehr darauf an, wie die Länge der vom Familiengericht angeordneten Ausschlussfrist von vierundzwanzig Monaten auf dem Boden des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes i.V.m. Art. 8 EMRK zu bewerten ist. Der Senat gibt vorsorglich für die weitere Behandlung der Sache zu bedenken, dass die nationalen Gerichte die Vorschriften der EMRK in der Ausprägung, die sie durch die Rechtsprechung des EGMR gefunden haben, im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu beachten haben, und diese als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten des Grundgesetzes dienen (vgl. BVerfGE 111, 307). Die Rechtsprechung des EGMR könnten darauf hindeuten, dass ein längerer Umgangsausschluss als ein Jahr eingehender Begründung bedarf und regelmäßig nur gerechtfertigt ist, wenn bereits im Ausgangsverfahren gutachterlich festgestellt wird, dass schon die mit einer kürzeren Ausschlussfrist verbundene früher mögliche Prüfung eines Umgangsbegehrens des Umgangsberechtigten selbst dem Kindeswohl schaden würde (vgl. EuGHMR FamRZ 2011, 1484 [Heidemann/Deutschland] m. Anm. Wendenburg; vgl. auch EuGHMR, Urteil vom 19.6.2003 - Individualbeschwerde Nr. 46165/99 [Nekvedavicius/Deutschland] -, n.v.).

Dahinstehen kann infolge der Kassierung des angefochtenen Erkenntnisses auch, dass darin dem Umgangsausschluss entgegen § 89 Abs. 2 FamFG kein Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen den Titel beigegeben worden ist, obwohl die Pflicht zur Folgenankündigung nach gefestigter Senatsrechtsprechung auch bei negativen Umgangsregelungen wie einem Umgangsausschluss besteht, weil der Begriff „Zuwiderhandlung" auch diese Alternative umfasst, zumal ansonsten ein Umgangsausschluss, der gerade dem Schutz des Kindes vor einer Gefährdung dienen soll, nicht vollstreckt werden könnte (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2011 - 6 UF 116/10 -, FamRZ 2011, 1409 m.z.w.N.; vgl. auch OLG Celle ZKJ 2011, 393).

Ebenso wenig bedarf schließlich der Vertiefung, dass das Familiengericht sich in seiner Entscheidung nicht ansatzweise zu milderen Maßnahmen verhalten hat, die bei den vorliegenden Gegebenheiten geeignet sein könnten, den Umgang zwischen Vater und M. wiederherzustellen. Insoweit wird das Familiengericht bei seiner erneuten Entscheidung insbesondere die Möglichkeit des Erlasses einer dem Konkretheitsgebot genügenden (dazu BGH FamRZ 2012, 533) Umgangsregelung, verbunden mit der Einrichtung einer Umgangspflegschaft nach § 1684 Abs. 3 S. 3 BGB zu wägen haben (vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11 -, juris; BGH FF 2012, 67 m. Anm. Völker). Sollte es die Anordnung begleiteten Umgangs in Erwägung ziehen - auch hierauf ist das Familiengericht im angegriffenen Beschluss nicht gehaltvoll eingegangen -, wird es sich auch mit den diesbezüglichen Anforderungen nach Grund (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2008, 494; BGHZ 51, 219; Senatsbeschluss vom 25. März 2010 - 6 UF 136/09 -, FamRZ 2010, 2085) und Ausgestaltung (dazu Senatsbeschluss a.a.O.; OLG Köln ZKJ 2011, 181) auseinandersetzen müssen. ..."

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Zu den Voraussetzungen eines Entzuges der Gesundheitssorge unter der Verdachtsdiagnose der Transsexualität eines 11jährigen Kindes (KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2012 - 19 UF 186/11 zu §§ 1629, 1666, 1696, 1909 BGB u.a.):

„... 1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Kindesmutter nach § 68 Abs. 3 S.2 FamFG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Nachdem die Beteiligten vor dem Amtsgericht angehört worden sind, sind neue Erkenntnisse aus einem weiteren Anhörungstermin nicht zu erwarten. Die Beteiligten haben gegen diese mit gerichtlichem Schreiben vom 6.2.2012 angekündigte Vorgehensweise keine Einwendungen erhoben.

Das Kind wird in diesem Verfahren durch seine gemeinsam sorgeberechtigten Eltern gem. § 1629 Abs. 1 S.1 BGB vertreten. Der Entziehung der Vertretungsbefugnis der Eltern für dieses Verfahren gem. § 1629 Abs. 2 S.3 BGB und der Bestellung einer Ergänzungspflegschaft für die Wahrnehmung der Beteiligtenstellung des Kindes nach § 7 Abs. 2 Nr.1 FamFG bedarf es nicht. Denn auch wenn ein Interessenkonflikt vorliegt, können die Interessen des Kindes in der Regel ausreichend durch einen nach § 158 FamFG zu bestellenden Verfahrensbeistand wahrgenommen werden (BGH Beschluss v. 7.9.2011 Az. XII ZB 12/11 - Rn 17 ff). Das gilt erst recht, wenn von der Bestellung des Verfahrensbeistandes abgesehen werden kann, weil die Kindesinteressen - wie hier - durch die Ergänzungspflegerin vertreten werden.

Zwar ist die Bestellung eines Verfahrensbeistandes regelmäßig nach § 158 FamFG geboten, um zu gewährleisten, dass die Interessen des Kindes in dem seine Person betreffenden Verfahren eingeführt und vertreten werden. Ohne der rechtliche Vertreter zu sein wird der Verfahrensbeistand als „Anwalt" des Kindes bezeichnet (vgl. BGH Beschluss v. 7.9.2011 - Az. XII ZB 12/11 - Rn 21; Stößer in Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 158 Rn 1). In die gleiche Richtung - und noch darüber hinaus - geht auch die Aufgabe der Ergänzungspflegerin, die nach den §§ 1915 Abs. 1 S.1, 1793 S.1 in dem Teilbereich, für den sie eingesetzt ist, für das Kind zu sorgen hat und zwar nach Möglichkeit im Einvernehmen mit diesem, § 1793 Abs. 1 S.2 i.V.m. § 1626 Abs. 2 BGB. Nach § 1800 BGB stehen ihr insoweit dieselben Pflichten zu wie den sorgeberechtigten Eltern nach den §§ 1631 bis 1633 BGB. Gegenstand dieser Sorge ist die Wahrnehmung der Kindesinteressen. Aufgrund der hier bereits eingerichteten und ausgeübten Ergänzungspflegschaft ist damit die von den Eltern unabhängige Einführung der Kindesinteressen in das Verfahren gewährleistet und die zusätzliche Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht erforderlich. Beiden Instituten liegt gleichermaßen der Gedanke zugrunde, dass die Eltern an der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, die Kindesinteressen zu wahren, gehindert sind. Die weitergehende Ergänzungspflegschaft ersetzt in der hier gegebenen Konstellation den Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG (vgl. Stößer a.a.O., § 158 FamFG Rn 26).

Etwas anderes gilt hier auch nicht in Anbetracht der von der Kindesmutter geäußerten Bedenken gegenüber der Ergänzungspflegerin S.. Denn es kommt für die Ergänzungspflegerin ebensowenig wie für einen Verfahrensbeistand darauf an, ob sie im Sinne und Interesse der Kindesmutter handelt. Von diesem hat der Beistand des Kindes sich gerade zu distanzieren. Auch ist hier nicht - wie die Kindesmutter meint - davon auszugehen, dass die Ergänzungspflegerin „zu Lasten des Kindeswohls wissentlich falsch vorträgt" (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter v. 6.2.2012, S. 3, Bl. II 24 d.A.). Mangels Konkretisierung dieses Vorwurfs nimmt der Senat an, dass damit die in dem Schriftsatz vom 11.1.2012 (Bl. I 123, 128) angeführten Abweichungen zwischen Aussagen von Dr. K. und deren Wiedergabe in dem Bericht der Ergänzungspflegerin v. 4.12.2011 zu dem Verfahren 84 F 255/11, S. 5 (Bl. 44 d. Beiakte) gemeint sind. Die Gegenüberstellung verdeutlicht im Wesentlichen eine abweichende Gewichtung der Aussagen durch die Ergänzungspflegerin einerseits und die Kindesmutter bzw. ihre Verfahrensvertreter andererseits. Ferner hat auch das Jugendamt Herrn Dr. K. dahingehend verstanden, dass er in Sorge um den psychischen Zustand der Mutter sei (Schreiben vom 1.2.2012, S. 3 unten, Bl. II 8 d.A.). Auch ein Handeln „zu Lasten des Kindeswohls" ist keinesfalls erkennbar. Vielmehr hat die Ergänzungspflegerin sich nach Lage der Akten mit der gebotenen Sorgfalt der Besonderheiten des ihr übertragenen Falles angenommen. Eine konkrete Maßnahme, die dem Kindeswohl zuwider liefe, ist von ihr nicht ergriffenen worden. Das gilt auch für die angestrebte stationäre Diagnostik. Diese mag zwar nicht den Vorstellungen der Mutter entsprechen, wird aber von fachlicher Seite unterstützt bzw. für vertretbar erachtet (vgl. Schriftsatz der Ergänzungspflegerin vom 27.1.2012, S. 43, Bl. I 178 f) und liegt damit im Rahmen des der Ergänzungspflegerin zustehenden Ermessens. Jedenfalls soweit es auf die Frage ankommt, ob die Interessen des Kindes in dem hiesigen Verfahren sachgerecht von der Ergänzungspflegerin wahrgenommen werden, kann aus der beabsichtigten Diagnostik daher nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Ein Rechtsverstoß ihrerseits liegt ebensowenig vor. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zum Zwecke der Durchführung der stationären Maßnahme ist von der Ergänzungspflegerin in dem Verfahren 84 F 401/11 bei dem Amtsgericht Schöneberg beantragt worden und nicht dem Senat mit der hiesigen Beschwerde zur Entscheidung angefallenen. Dass die Ergänzungspflegerin sich über die Grenzen der ihr eingeräumten Kompetenzen hinwegsetzt, ist von der Kindesmutter nicht aufgezeigt worden.

2. Die Gefahr für das Wohl des Kindes, die den Entzug der Gesundheitsfürsorge und seine Übertragung auf einen Ergänzungspfleger erforderlich gemacht hat, besteht weiterhin fort. Eine Aufhebung der Maßnahme nach § 1696 Abs. 2 BGB kommt derzeit nicht in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts nach § 1666 BGB ist das Vorliegen einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH Beschluss v. 26.10.2011 - Az. XII ZB 247/11 - Rn 25 m.w.N.). Bei der Entscheidung und der Auswahl des Mittels zur Abwehr einer festgestellten Gefahr ist das verfassungsrechtlich verbürgte Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S.1 GG zu beachten und die Verhältnismäßigkeit zu wahren (VerfGH Berlin Beschluss v. 20.9.2011 - Az. 38/11 - Rn 17). Ein Eingriff durch den Staat darf nicht bereits erfolgen, um dem Kind eine denkbare bessere Position zukommen zu lassen. Vielmehr muss das Wohl des Kindes gemessen an objektiven Kriterien derart gefährdet sein, dass der Staat in der Wahrnehmung seines Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S.2 GG zum Einschreiten verpflichtet ist. Das gleiche gilt für die Aufrechterhaltung der Maßnahme.

a. Hier besteht die dringende Notwendigkeit, E. im Hinblick auf die im Raume stehende Transsexualität ärztlich zu behandeln. Dies sehen auch die Kindeseltern, können allerdings keine Einigkeit über die Art und Weise der Behandlung erzielen. Während für die Kindesmutter die Transsexualität des Kindes nicht in Frage steht und sie angesichts der bevorstehenden Pubertät eine Hormonbehandlung befürwortet, lehnt der Vater einen solchen Eingriff derzeit ab und möchte Entscheidungen über irreversible Eingriffe in die Sexualität des Kindes zurückstellen und dem Kind nach Eintritt der Volljährigkeit selbst überlassen. In dieser Situation besteht die konkrete Gefahr, dass die Eltern sich gegenseitig bei der Entscheidung über die einzuleitende Diagnostik oder Therapie blockieren und E. im Ergebnis keinerlei medizinische Unterstützung erhält.

Zu Unrecht geht die Kindesmutter davon aus, dass die abzuwehrende Kindeswohlgefährdung durch die mögliche Transsexualität des Kindes begründet wird. Diese ist auch weder von dem Jugendamt noch dem Amtsgericht oder einem anderen Beteiligten als Begründung für den Entzug der Gesundheitsfürsorge angeführt worden, weshalb die entsprechenden wiederholten Angriffe der Kindesmutter gegen eine solche Gleichsetzung von Transsexualität mit Kindeswohlgefährdung an der Sache vorbeigehen. Abzustellen ist allein auf die - von allen Beteiligten dem Grunde nach gleichermaßen gesehene und bereits von dem Kammergericht in seinem Beschluss vom 1.2.2008, Az. 17 WF 13/08 angeführte - Notwendigkeit einer medizinischen Begleitung des Kindes. Solange die Eltern nicht in der Lage sind, diese zu gewährleisten, ist es Aufgabe des Staates, sie herbeizuführen, da eine Blockade weiterer Diagnostik eine massive Schädigung des Wohls des Kindes mit sich bringen würde. Es ist dringend geboten, die Frage der Transsexualität zu klären und in der gebotenen Form zu behandeln, was auch eine Unterstützung dieser Entwicklung unter Einschluss von Maßnahmen vor Eintritt der Volljährigkeit beinhalten kann. Dabei geht es nicht darum, bereits über einen bestimmten Behandlungsweg zu befinden, sondern dem Kind den Zugang zu einer medizinischen Behandlung überhaupt offen zu halten. Hinzu kommt die Notwendigkeit, E. aus dem Spannungsfeld des zwischen seinen Eltern um seine Behandlung geführten Konflikts, der nach den Angaben der behandelnden Ärzte und des Jugendamtes (vgl. Schreiben vom 1.2.2012, Bl. II 2 ff d.A) derzeit die stärkste Belastung für das Kind darstellt, herauszuholen. Um diese Gefahr - und daran anschließend die Verhältnismäßigkeit der Entzuges der Gesundheitsfürsorge sowie deren Übertragung auf einen Ergänzungspfleger - festzustellen, bedarf es entgegen der Ansicht der Kindesmutter (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten v. 6.2.2012, S. 4, Bl. II 25 d.A.) keines Sachverständigengutachtens. Die Gefahr ist unstreitig und wird von der Mutter selbst angeführt, um die von ihr befürwortete Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf sie allein zu rechtfertigen. Auch sie macht geltend, dass E. „dringend fachliche Hilfe und Unterstützung benötigt" (Antragsschrift v. 14.7.2011 S. 3, Bl. I 3 d.A.). Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist eine juristische, die nicht durch ein Gutachten geklärt, sondern vom Senat beantwortet werden muss.

b. Die Entziehung der elterlichen Sorge für den Bereich Gesundheit im Zusammenhang mit der Bestellung einer Ergänzungspflegschaft ist geeignet, die festgestellte Gefahr von dem Kind abzuwenden. Der Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist nur zulässig, wenn durch die Maßnahme die Gefahr für das Kind abgewendet werden kann und mit ihr nicht andere Belastungen einher gehen, die schwerer wiegen als der abzuwendende Schaden (vgl. BGH Beschluss v. 26.10.2011 - Az. XII ZB 247/11 - Rn 29). Dabei kommt es nicht darauf an, ob seit dem Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg v. 17.12.2007, Az. 161 F 15498/06, die Aufgabe durch das zunächst eingesetzte Jugendamt Steglitz-Zehlendorf hinreichend wahrgenommen wurde. Dafür spricht allerdings, dass die Eltern sich in der gerichtlichen Verhandlung am 17.2.2009 - Az. 161 F 15498/06, Bl. 222 d. Beiakte - mit der damaligen Ergänzungspflegerin darauf verständigt haben, es zunächst bei einer ambulanten Therapie zu belassen, die Mitte 2011 von E. unter Befürwortung der Kindesmutter abgebrochen wurde. Entgegen der Darstellung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter in dem Schriftsatz v. 23.12.2011, S. 7 (Bl. I 81 d.A.), war die Ergänzungspflegerin anschließend bemüht, eine neue Therapie einzurichten, konnte aber keinen Konsens mit der Mutter und E. herstellen (vgl. Schreiben des Jugendamtes v. 8.12.2011, S. 2 (Bl. I 46 b d.A.) und v. 1.2.2012, S. 2, Bl. II 7 d.A.). Jedenfalls ist nun eine neue Ergänzungspflegerin bestellt worden, die sich der Angelegenheit angenommen hat und ihre Aufgabe aktiv wahrnimmt. Die Beurteilung der von ihr befürworteten bzw. ergriffenen Maßnahmen, insbesondere die Einleitung der stationären Diagnostik von E., ist nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Dieses betrifft allein die Frage, ob die Entziehung und Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf einen Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB erforderlich ist. Die Überwachung der von dem Ergänzungspfleger ergriffenen Maßnahmen ist nach § 53 Abs. 3 SGB VIII in erster Linie Aufgabe des Jugendamtes, das darauf zu achten hat, dass die eingesetzte Ergänzungspflegerin zum Wohle des Kindes handelt und bei ihren Entscheidung die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens nicht überschreitet.

Bei der Ausübung ihres Amtes ist die Ergänzungspflegerin auf die Kooperation des Kindes und auch der Eltern angewiesen, da eine Vielzahl von Behandlungsmaßnahmen, wie etwa eine Therapie, nur zielführend sein können, wenn das Kind ihnen positiv gegenübersteht. Hier liegt eine wesentliche Schwierigkeit der Maßnahme, da die Kindesmutter in der Vergangenheit wenig kooperativ erschienen ist und Maßnahmen, die mit ihren Vorstellungen über die Behandlung des Kindes nicht zu vereinbaren waren, abgelehnt hat. Dafür sprechen jedenfalls der nicht wahrgenommene Informationstermin am 17.1.2012 in der Charité sowie der ebenfalls ausgelassene Gesprächstermin am 23.1.2012. Auf den Schriftsatz der Ergänzungspflegerin S. vom 27.1.2012, S. 50 ff (Bl. I I 185 d.A.) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Auch das Jugendamt hat die fehlende Kooperationsbereitschaft beanstandet (vgl. Schreiben vom 1.2.2012, Bl. II 3 d.A.). Die Mutter übt einen so starken Einfluss auf das Kind aus, dass es dem Senat zweifelhaft erscheint, ob es E. - bei Fortbestand der elterlichen Sorge im Übrigen - überhaupt möglich sein wird, zu einer eigenen, von der Mutter unabhängigen Orientierung zu finden. Den Versuch zu unternehmen, dies zugunsten des Kindes sicherzustellen und eine Kooperationsbereitschaft zu erreichen, wird eine der wesentlichen Aufgaben der Ergänzungspflegerin sein, die hierfür ggf. die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausnutzen muss.

Anhaltspunkte für eine überwiegend nachteilige Auswirkung des Entzugs der Gesundheitsfürsorge auf E. liegen nicht vor. Sie können im Beschwerdeverfahren auch nicht mit den Belastungen, die nach Auffassung der Kindesmutter eine stationäre Diagnostik für E. mit sich bringen würde, begründet werden, da Gegenstand dieses Verfahrens nicht einzelne Maßnahmen der Ergänzungspflegerin sind, sondern einzig und allein die Übertragung der Gesundheitsfürsorge als solche.

c. Nach wie vor steht ein milderes Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht zur Verfügung. Ein Entzug der Gesundheitsfürsorge nur für ein Elternteil mit der Folge der partiellen Alleinsorge des anderen Elternteils, § 1680 Abs. 3 BGB, ist gerade unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Elternrechte derzeit kein geeignetes Mittel. Zwar könnte dadurch die Herbeiführung der anstehenden Entscheidungen ermöglicht werden. Es ist aber - wie oben ausgeführt - davon auszugehen, dass der andere Elternteil aufgrund der diametral entgegengesetzten Haltung der Eltern zu dem Umgang mit der im Raume stehenden Transsexualität diese Entscheidung nicht akzeptieren könnte. Dies wiederum würde den Konflikt zwischen den Eltern verschärfen und sich im Ergebnis negativ auf das Kind auswirken, das bereits jetzt massiv unter dem Streit der Eltern leidet (vgl. Bericht des Jugendamtes v. 1.2.2012, Bl. II 6 d.A.).

Abgesehen davon, dass er keinen entsprechenden förmlichen Antrag gestellt hat, spricht gegen eine Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf den Vater, dass E. derzeit den Kontakt mit ihm verweigert, weshalb er das Kind zu den Arztbesuchen nicht begleiten und E. von dem Vater getroffene Entscheidungen nicht annehmen könnte. Welche Ursache dies hat, muss an dieser Stelle offen bleiben. Denn die Tatsache der Verweigerung des Kindes als solche macht eine Ausübung der Fürsorge durch den Vater unmöglich. Eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Kind und Vater kann nicht abgewartet werden, da nach Meinung aller Beteiligten die bevorstehende Pubertät ein schnelles Handeln erforderlich macht.

Die Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf die Mutter allein scheidet schon deshalb aus, weil dem Senat derzeit nicht gesichert erscheint, dass sie diese allein zum Wohle des Kindes ausüben würde. Bereits die Möglichkeit, dass die bereits gelebte Transsexualität von E. auf eine Beeinflussung durch die Mutter zurückzuführen sein könnte, steht dem entgegen. Zwar handelt es sich hierbei derzeit nur um eine nicht auszuschließende Ursache unter mehreren anderen, der eine länger zurückliegende ärztliche Einschätzung (Schreiben der Charitè vom vom 29.6.2007 (Bl. 75 der Beiakte 161 F 15498/06) und vom 25.6.2008), eine ausführlich begründete Besorgnis der Ergänzungspflegerin S. (vgl. ihr Schriftsatz vom 27.1.2012, S. 15 ff, Bl. I 150 d.A.) sowie eine Stellungnahme des Jugendamtes (Schreiben von Frau Peters v. 1.2.2012, Bl. II 6 dA.) zugrunde liegen. Auf der anderen Seite stehen die dem widersprechende ärztliche Stellungnahme von Prof. M. sowie der Bericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf v. 12.6.2007 (Bl. 81 der Beiakte 161 F 15498/06), nach denen keine Anzeichen für eine induzierte Transsexualität vorliegen. Betrachtet man aber die Schäden durch einen irreversiblen Eingriff in die Sexualität des Kindes, die drohen, sofern sich eine Induzierung durch die Mutter bestätigen sollte, genügt bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Vermutung, um der drohenden Gefahr entgegen zu treten. Auch im Verhältnis zur Mutter gilt wiederum, dass eine Aufklärung der möglichen Beeinflussung des Kindes oder gar die Herbeiführung einer etwaigen Änderung der Einstellung der Mutter nicht abgewartet werden kann, da aktuell Handlungsbedarf zugunsten des Kindes besteht. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach den gegenwärtig aktenkundigen Anhaltspunkten eine Festlegung der Mutter auf die Transsexualität des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann. Es besteht daher die ausreichend konkrete Gefahr, dass sie die Möglichkeit einer anderen Entwicklung, insbesondere die von ärztlicher Seite wiederholt geäußerte Option einer Änderung der geschlechtlichen Ausrichtung des Kindes in der Pubertät, nicht hinreichend berücksichtigt und sich Hinweisen, die nicht ihrer Überzeugung entsprechen, verschließen könnte. Dafür spricht jedenfalls ihre bisherige Haltung, trotz des Entzuges der Gesundheitsfürsorge einerseits eigenmächtig ärztliche Termine für E. zu vereinbaren und wahrzunehmen und auf der anderen Seite die Maßnahmen der Ergänzungspflegerin, die sie nicht befürwortet, zu boykottieren. Eine zum Wohle von E. mit der Ergänzungspflegerin gebotene Kooperation findet gegenwärtig nicht statt. Nachdrücklich strebt die Mutter stattdessen die nach ihrer Auffassung gebotene ambulante Therapie an (vgl. noch das Schreiben der Kindesmutter vom 22.1.2012, Anlage zu dem Schriftsatz der Ergänzungspflegerin S. vom 27.1.2012). Die Kooperation der Kindesmutter mit der Presse lässt zudem die Befürchtung zu, dass sie für die Verfolgung des aus ihrer Sicht einzig richtigen Weges bereit ist zu Mitteln zu greifen, die nicht angemessen sind und nicht dem Kindeswohl gerecht werden. Denn selbst wenn die Berichterstattung in der taz vom 19.1.2012 nicht von ihr selbst initiiert gewesen ist, hätte es doch nahegelegen, jedenfalls das Kind in seinem eigenen Interesse nicht in ein Interview einzubeziehen, durch das ihm der Streit zwischen den Eltern sowie der Mutter und der Ergänzungspflegerin erneut vor Augen geführt wird. Nicht von der Hand zu weisen ist demnach die Befürchtung des Jugendamts, dass die Mutter E. damit in einen Loyalitätskonflikt bringt und das Kind an sich bindet (vgl. Schreiben des Jugendamts v. 1.2.2012, Bl. II 4 d.A.). Geboten wäre dagegen eine zurückhaltende Einstellung und eine Förderung des Kindes dahingehend, dass es sich seine eigene Meinung unter ernstlicher Abwägung auch anderer Auffassungen als der der Mutter bilden kann.

Der Hinweis der Kindesmutter auf die Erforderlichkeit von zwei ärztlichen Gutachten, die eine Hormonbehandlung befürworten, um diesen schwerwiegenden und folgenreichen Schritt einzuleiten, ist nicht geeignet, die Bedenken gegen die Ausübung der Gesundheitsfürsorge durch sie allein auszuräumen. Den von ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Leitlinien ist schon nur eine Soll-Vorschrift zu entnehmen (vgl. Ziff. 4.3. der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings, Kindes- und Jugendalter, Störung der Geschlechtsidentität, Bl. I 105 d.A.). Entscheidend ist überdies die Befürchtung, dass es der Mutter freistünde, für diese Diagnostik zwei medizinische Einrichtungen aufzusuchen, von denen sie aus den bereits gesammelten Erfahrungen annehmen dürfte, dass dort ihr Standpunkt geteilt wird. Diese Befürchtung ist keine theoretische Erwägung. Denn die Mutter hat die Absicht geäußert, E. zu diesem Zwecke an den Kliniken in Frankfurt/M und Hamburg-Eppendorf vorzustellen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 9.12.2011m Bl. I 47 d.A.), von denen sie weiß, dass dort insbesondere der Verdacht einer induzierten Transsexualität nicht geteilt wird. Eine Begutachtung in Berlin, München oder Kiel wird abgelehnt (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten v. 6.2.2012, S. 11 unten, Bl. II 32). Die Einrichtungen in diesen Städten sind diejenigen, die einer Hormonbehandlung eher kritisch gegenüberstehen. Zutreffend hat daher bereits das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Kindesmutter demnach keinerlei Bereitschaft erkennen lässt, auch den kritischen Stimmen nachzugehen. Im Gegenteil hat sie auch in der Vergangenheit versucht, auf die Therapie bei Herrn W. Einfluss zu nehmen und auf eine hormonelle Behandlung hinzuwirken (vgl. Schreiben des Jugendamtes v, 8.12.2011, S. 3, Bl. 46 c d.A.). Selbst wenn es der Mutter trotz dieser Bedenken nicht gelingen sollte, durch zwei Ärzte eine Hormonbehandlung befürworten zu lassen, würde sie umgekehrt möglicherweise auch nichts unternehmen, was die Diagnose der Transsexualität ausräumen oder dem Kind andere Wege eröffnen könnte.

Als milderes Mittel kommt es schließlich nicht in Betracht, lediglich einzelne Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsfürsorge anzuordnen. Es geht hier nicht um die Frage der Notwendigkeit einer einzelnen medizinischen Maßnahme, wie etwa der stationären Diagnostik, sondern um eine längerfristige medizinische Begleitung des Kindes. Würde die Gesundheitsfürsorge bei den Eltern bleiben, wäre bereits jetzt absehbar, dass das Familiengericht wiederholt für Einzelentscheidungen eingeschaltet werden müsste. Selbst wenn die stationäre Diagnostik aufgrund einer Einzelentscheidung angeordnet würde, ist davon auszugehen, dass sich ein Elternteil der daran anschließenden, auf dem Ergebnis der Diagnostik beruhenden Behandlung verschließen würde. Die Kontinuität in der Behandlung, die für eine Stabilisierung von E. dringend geboten ist, könnte auf diesem Wege nicht erreicht werden. Ebenso wie die elterliche Sorge insgesamt einer sozialen Basis und Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern bedarf (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, FamR, 5. Aufl. 2010, § 1671 BGB, Rn 63 m.w.N.), gilt dies für Teilbereiche. Da der Konflikt zwischen den Eltern sich in dem Bereich der Gesundheitsfürsorge zugespitzt hat, kann das Problem nur für diesen Bereich insgesamt und nicht durch singuläre Maßnahmen gelöst werden.

d. Der mit dem Entzug der Gesundheitsfürsorge verbundene Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S.1 GG ist letztendlich auch angemessen im Verhältnis zu der hierdurch abzuwehrenden Gefahr für das Kind. Die medizinische Versorgung hat für E. eine über das normale Maß hinausgehende existentielle Bedeutung, der so großes Gewicht zu kommt, dass für die Eltern der sachlich beschränkte Eingriff in ihr Elternrecht hinzunehmen ist. ..."

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„... Die nach §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127, 569 ZPO zulässige Beschwerde gegen den die beantragte Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts hat in der Sache Erfolg.

1. Nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Verfahrensführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinsichtlich der Bewilligungsvoraussetzungen in Kindschaftssachen gemäß §§ 111 Nr. 2, 151 ff FamFG gelten die allgemeinen Grundsätze. Damit ist auch in Verfahren nach § 1666 BGB grundsätzlich die Erfolgsaussicht nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen (FamVerf/Gutjahr, 2. Aufl., § 2 Rdn. 62 unter Hinweis auf das Gesetzgebungsverfahren). Allerdings ist gerade bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung, in denen es um den (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge geht, Zurückhaltung bei der Versagung von Verfahrenskostenhilfe für die Eltern im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in das Grundrecht der Eltern nach Art. 6 Abs. 2 GG geboten (OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1775; FamVerf/Gutjahr, a.a.O., Rdn. 63). In diesen Amtsverfahren kann sich daher die Notwendigkeit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auch allein aus dem möglichen Eingriff in Grundrechte der Beteiligten ergeben (Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl., § 76 Rdn. 4 m.w.N.).

Stand die elterliche Sorge der Mutter gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein zu, so hat im Fall des Sorgerechtsentzugs das Familiengericht nach § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Diese Regelung begründet ein subjektives Recht des Vaters (BGH, FamRZ 2010, 1242). In Verfahren, die die Prüfung des Sorgerechtsentzuges der Mutter nach § 1666 BGB zum Gegenstand haben, ist der Kindesvater unmittelbar in eigenen Rechten betroffen (so auch OLG Schleswig, NJW-RR 2011, 1229 m.w.N.). Dementsprechend ist der Beteiligte zu 3 vom Amtsgericht auch als Beteiligter in die Verfahren gemäß § 7 Abs. 2 FamFG einbezogen worden.

Dem Amtsgericht ist zuzugeben, dass eine Sorgerechtsübertragung auf den Beteiligten zu 3 nach Aktenlage von Anfang an eher unwahrscheinlich war und vom Beteiligten zu 3 in der Folge auch nicht angestrebt worden ist. Dem Beteiligten zu 3 kann gleichwohl ein erhebliches Interesse an der Aufklärung des erhobenen Vorwurfs und der Verhinderung des Teilsorgerechtsentzuges und der damit verbundenen Trennung der Kinder von der Beteiligten zu 2 als Mutter nicht abgesprochen werden. Da der im Raum stehende Verdacht der Kindesmisshandlung im einstweiligen Anordnungsverfahren selbst zu überprüfen war, kann dem Beteiligten zu 3 die beantragte Verfahrenskostenhilfe nicht versagt werden.

2. Auch die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 78 Abs. 2 FamFG sind unter Berücksichtigung der hierzu entwickelten Grundsätze (BGH, FamRZ 2010, 1427) angesichts der Schwere des erhobenen Vorwurfs erfüllt. ..." (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 02.03.2012 - 2 WF 20/12)

***

„... II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters hat in der Sache Erfolg. Eine Entziehung der elterlichen Sorge ist nicht gerechtfertigt, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (§§ 1666, 1666 a BGB) gegenwärtig nicht vorliegen. Auf Antrag des Vaters ist ihm die elterliche Sorge für S… und A… allein zu übertragen, weil dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Vater hält an seiner im Termin erklärten Zustimmung, dass das Jugendamt zum Vormund für die Töchter bestellt wird und sie bis zu einer Entscheidung des Jugendamts über ihren zukünftigen Lebensmittelpunkt in der Wohneinrichtung O… leben, nicht fest. Da die Zustimmung des Vaters frei widerruflich ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2011 - 2 UF 481/11, juris), hat sein in erster Instanz erklärtes Einverständnis mit einer Bestellung des Jugendamts zum Vormund für S… und A… und Fortdauer ihrer Fremdunterbringung keinen Bestand mehr.

2. Die Eingriffsvoraussetzungen für den Entzug aller Teilbereiche der elterlichen Sorge gemäß §§ 1666, 1666 a BGB und die damit verbundene Trennung der Kinder S… und A… von den Eltern liegen gegenwärtig nicht vor.Es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Kinder im Haushalt der Eltern einer akuten Gefährdung ausgesetzt wären, die es erforderlich machen könnten, die seit 2/2011 andauernde Fremdunterbringung der Kinder nach §§ 1666, 1666 a Abs. 1 BGB aufrechtzuerhalten.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt dem Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung, das ihnen durch Artikel 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) garantiert ist, eine hohe Bedeutung zu. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden können. Dementsprechend darf die Trennung des Kindes von seinen Eltern als stärkster Eingriff in das Elternrecht nur unter sehr strengen Voraussetzungen erfolgen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Artikel 6 Abs. 2 S. 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschließen oder gar selbst die Aufgabe zu übernehmen. Das elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleib in der Familie in seinem körperlichen, seelischen oder geistigen Wohl erheblich und nachhaltig gefährdet ist (vgl. hierzu z.B. BVerfG, FamRZ 2010, 528; FamRZ 2010, 713). Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen umgesetzt wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O.).In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666 a BGB eine Regelung geschaffen, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Hierzu zählt auch die Inanspruchnahme von Familienhilfe, auf die Eltern gemäß §§ 27 ff. SGB VIII auch Anspruch haben.

b) Es kann dahinstehen, ob S… und A… vor dem Hintergrund der strengen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts betreffend §§ 1666, 1666 a BGB in der Vergangenheit bzw. seit ihrer Fremdunterbringung in 2/2009 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht in ihrer kindgerechten Entwicklung in einem so schwerwiegenden Maß gefährdet waren, dass dem nur durch gerichtliche Eingriffe in Form einer Sorgerechtsentziehung und Fremdunterbringung der Kinder zu begegnen war. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 1666, 1666 a BGB lässt sich eine gegenwärtige konkrete Kindeswohlgefährdung nicht mit der vom Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung rechtfertigen. Sie machen ein fehlerhaftes Verständnis der Vorschriften der §§ 1666, 1666 a BGB deutlich.

Gemäß § 1666 BGB ist Voraussetzung für ein gerichtliches Eingreifen und den Entzug elterlicher Sorge eine körperliche, geistige oder seelische Kindeswohlgefährdung, die abzuwenden die Kindeseltern nicht willens oder nicht in der Lage sind und die nicht durch andere Maßnahmen als den Sorgerechtsentzug abwendbar ist. Eine Gefahr für das Kindeswohl im Sinne von § 1666 BGB setzt eine gegenwärtige, in solchem Maße vorhandene Gefahr voraus, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2012, 99; FamRZ 2010, 720; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 146; OLG Naumburg, OLGReport 2007, 543; OLG Hamm, FamRZ 2006, 359). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich die Situation zwischen den Eltern gegenwärtig so darstelle, dass sie weder miteinander kommunizieren noch kooperieren könnten. Eine gemeinsame Basis bestehe zwischen den Eltern nicht, so dass auch nicht Teile der elterlichen Sorge von ihnen weiter gemeinsam ausgeübt werden könnten. Es sei deshalb erforderlich, die aus dem Tenor des angefochtenen Beschlusses ersichtlichen Maßnahmen zu treffen, die mit der Trennung der Kinder von der elterlichen Familie verbunden seien. Der Gefahr für das Kindeswohl könne nicht auf andere Weise begegnet werden, da andere Maßnahmen ein Minimum an Kommunikationsbereitschaft bei beiden Elternteilen voraussetzen würden. Dies sei jedoch vorliegend nicht gegeben. Weiter führt das Amtsgericht aus, da die Eltern nicht in der Lage seien, ihr Konfliktpotential auf der Partnerschaftsebene abzubauen, sei ihnen die Auflage erteilt worden, eine Paartherapie aufzunehmen. Hiermit sollten sie in die Lage versetzt werden, zum Wohle der Kinder wieder eine vernünftige Kommunikation aufzubauen, um weiteren Schaden von den Kindern abzuwenden.

Ein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666 a BGB zum Zweck der Aufrechterhaltung einer Fremdunterbringung ist jedoch nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation (wieder) herzustellen bzw. nachzuweisen. Ein derartiger Nachweis kann Eltern nicht abverlangt werden, ebenso wenig reichen Zweifel an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit aus, Kinder aus der elterlichen Umgebung zu nehmen bzw. ihre Fremdunterbringung aufrechtzuerhalten.

Getrennt lebende Eltern sind zwar im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge zu einer Konsensfindung verpflichtet, solange ihnen dies zum Wohle ihrer Kinder zumutbar ist (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1671, Rn. 21). Trotz der entsprechenden Verpflichtung lässt sich jedoch in der Realität eine Konsensfindung sowie elterliche Gemeinsamkeit nicht verordnen bzw. erzwingen (vgl. hierzu z. B. BGH FamRZ 2008, 592; FamRZ 2005, 1167; BVerfG, FamRZ 2007, 1876; FamRZ 2004, 354; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB, Rn. 36 c). Die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt ein Mindestmaß an objektiver und subjektiver Verständigung zwischen den Eltern in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge voraus (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2004, 354 und 1015). Konflikte zwischen den Eltern und das daraus resultierende Fehlen einer Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation stellt dabei für sich genommen keine Fehlhandlung oder ein Erziehungsunvermögen der Eltern dar. Allein damit lässt sich folglich nicht die Annahme einer Kindeswohlgefährdung im Sinne von §§ 1666, 1666 a BGB und ein Eingriff in das Sorgerecht der Eltern rechtfertigen. Ob unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, § 1666) eine ausreichende Grundlage vorhanden ist für die gerichtlich angeordnete Auflage einer Paartherapie zur Verbesserung der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern, erscheint zweifelhaft (vgl. hinsichtlich der Frage einer Psychotherapie BVerfG, FamRZ 2011, 179). Zudem ist eine solche Paartherapie ohne die Zustimmungserklärung beider Elternteile und vor allem die innere Bereitschaft zu einer solchen Therapie gar nicht möglich. Beides fehlt hier aber auf Seiten der Mutter, so dass das Ziel der (Wieder-) Herstellung der elterlichen Kommunikation und Kooperation in absehbarer Zeit nicht zu erreichen ist. Wenn es aber dauerhaft an der Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern zu einer Kommunikation und Kooperation zwischen ihnen fehlt, folgt daraus nicht eine dauerhafte Kindeswohlgefährdung im Sinne von §§ 1666, 1666 a BGB, die zu einer unbefristeten Fremdunterbringung der Kinder führen könnte. Vielmehr machen gravierende Kommunikations- und Kooperationsdefizite zwischen den Eltern die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge erforderlich und die Übertragung der vollen oder partiellen Alleinsorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 BGB. Denn das Fehlen der erforderlichen Bereitschaft zu einer Konsensfindung und Kommunikation kann einerseits für das Kindeswohl abträgliche Auswirkungen haben, reicht aber für sich genommen nicht aus, Kinder aus der elterlichen Umgebung zu nehmen bzw. ihre Fremdunterbringung aufrechtzuerhalten.

c) Es sind nach den Umständen auch keine anderen nach §§ 1666, 1666 a BGB für einen Sorgerechtsentzug erforderlichen Anzeichen einer konkreten Gefahr für das Wohl von S… und A… erkennbar.

Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem psychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch… vom 17.6.2011. Dieser hat lediglich festgestellt, dass die beteiligten Eltern nicht in der Lage sind, einvernehmliche Konzepte der zukünftigen Aufteilung ihrer Elternverantwortung zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund einer hohen Konflikthaftigkeit ihrer Beziehung, die auch im Senatstermin vom 26.1.2012 zum Ausdruck gekommen ist, können die Eltern nach Einschätzung des Sachverständigen in Fragen betreffend ihre Kinder weder miteinander kommunizieren noch kooperieren. Diese einer Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehenden Umstände rechtfertigen jedoch - wie dargestellt - nicht eine Fremdunterbringung der Kinder, weil daraus für sich genommen nicht die Annahme einer fehlenden Erziehungseignung der Eltern hergeleitet werden kann. Die gravierenden Konflikte zwischen den Eltern machen, ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderlich, weil hier auch keine sonstigen Gefahren für das Kindeswohl zu erkennen sind.

2. Die Sorge für die gemeinsamen Kinder der beteiligten Eltern ist dem Vater allein zu übertragen, da dies dem Wohl und der weiteren Entwicklung von S… und A… im Sinne von § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB am besten entspricht.

a) Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nach der Trennung der Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge oder eines Teilbereichs davon sowie die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Dabei geht der Senat von dem bereits dargestellten Grundsatz aus, dass beim Fehlen der Kooperationsbereitschaft und/oder -fähigkeit sowie eines tragfähigen Grundkonsenses der Eltern in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge die Nachteile oder Risiken für das Wohl des Kindes, das vom zu erwartenden Streit oder von den Konflikten der Eltern über die einzelnen Sorgerechtsangelegenheiten mitbetroffen, wenn nicht gar in den Streit hinein gezogen werden wird, so groß sind, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge - ganz oder teilweise - im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2003, 1953; Johannsen/ Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671, Rn. 38 m.w.N.). „Funktioniert" also die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht, so ist nach der Rechtsprechung der Alleinsorge der Vorzug zu geben (vgl. hierzu z. B. BGH, FamRZ 2008, 592; FamRZ 2005, 1167; BVerfG, FamRZ 2007, 1876; FamRZ 2004, 354 und 1015).

Von diesen Grundsätzen ausgehend scheidet hier für die Zukunft eine Ausübung der gemeinsamen Sorge durch die beteiligten Eltern aus, und es bedarf der Begründung der Alleinsorge eines Elternteils.

b) Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der eltern- und kindbezogenen Kriterien ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Wohl von S… und A… gegenwärtig am besten entspricht, wenn der Vater die gesamte elterliche Sorge für sie allein ausübt.

Angesichts der fehlenden Voraussetzung für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge gewinnen für die Frage, auf welchen Elternteil das Sorgerecht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu übertragen ist, insbesondere folgende Gesichtspunkte Bedeutung, wobei der hier gewählten Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. hierzu auch Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB, Rn. 84):

- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung, einschließlich der Bindungstoleranz, also der Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern,

- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,

- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist, sowie

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt.

Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 796; FamRZ 2010, 1060). Die Beurteilung des Kindeswohls anhand der genannten Gesichtspunkte und deren Gewichtung ist Aufgabe des Senats. Im Ergebnis führt dies hier zu einer Sorgerechtsübertragung auf den Vater.

Der Sachverständige Dr. Sch… hat in seinem psychologischen Gutachten vom 17.6.2011 festgestellt, dass der Vater von seiner Persönlichkeit her durchaus in der Lage sei, bei entsprechender Unterstützung durch eine Familienhilfe, eine kindeswohlförderliche Erziehung zu garantieren, d. h. die Bedürfnisse seiner beiden Töchtern wahrzunehmen und ihnen eine normale körperliche, seelische und geistige Entwicklung zu sichern. Er sei auch in der Lage, den Kindern ausreichende soziale Kontakte zu ermöglichen. Es ist danach davon auszugehen, dass der Vater zu einer verantwortlichen Ausübung des Sorgerechts in der Lage ist. Er hat im Senatstermin auch ausdrücklich seine Bereitschaft zur Annahme der zu seiner Unterstützung erforderlichen Familienhilfe erklärt.

Ferner hat der Sachverständige festgestellt, es habe sich im Rahmen der Begutachtung gezeigt, dass die emotionale Bindung der Kinder an die Eltern unterschiedlich sei. Die Kinder seien an den Vater emotional sicher gebunden, an die Mutter unsicher-ambivalent. Die Bindungsintensität von S… und A… zum Vater ist danach höher als diejenige zur Mutter einzuschätzen.

Des Weiteren hat der Sachverständige festgestellt, neben dieser emotionalen Bindung sei hier auch der kindliche Wille von Bedeutung. Dieser sei auch aus psychologischer Sicht ein wichtiges Kindeswohlkriterium. Zur Willensbildung und -haltung von Kindern sei aus psychologischer Sicht festzustellen, dass etwa ab dem 4. Lebensjahr der geäußerte Kindeswille für eine Sorgerechtsregelung bedeutsam sei, auch wenn der Bedürfnishintergrund und die Motivation des Kindes sowie das Ziel und die Stabilität des geäußerten Willens zu hinterfragen seien. Ebenso sei zu prüfen, ob der Kindeswille eventuell ein sich selbst gefährdender Wille sei. Im Ergebnis seiner Begutachtung ist der Sachverständige Dr. Sch… jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass es der ausdrückliche Wunsch und Wille von S… und A… sei, beim Vater zu leben. Dies spiegele sich auch in den Ergebnissen der von ihm durchgeführten Tests, insbesondere des Erziehungsstil-Inventars und des Familien-Identitätstests, wider. Es sei dabei nach dem Stand ihrer Persönlichkeitsentwicklung und einer ausreichenden Reife von einem stabilen, autonomen und nicht das Kindeswohl gefährdenden Wunsch der Kinder, beim Vater leben zu wollen, auszugehen. Das Vorhandensein eines entsprechenden stabilen kindlichen Wunsches und Willens nach ihrem zukünftigen Lebensmittelpunkt beim Vater hat der Sachverständige auch im Senatstermin im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen des schriftlichen Gutachtens wiederholt.

Der Kontinuitätsgrundsatz, nachdem sich diejenige Sorgerechtsregelung empfiehlt, die die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der erzieherischen Kontinuität, der räumlichen Kontinuität und der Kontinuität des sozialen Umfelds wahrt oder am wenigsten stört, spricht vorliegend für keinen Elternteil. S… und A… leben seit 2/2009, also bereits seit zwei Jahren, im Kinderheim R…. Ihre derzeitigen Lebensverhältnisse haben sich durch diesen Zeitablauf derart gefestigt, dass es auf den Kontinuitätsgesichtspunkt, insbesondere den früheren Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Mutter, hier nicht entscheidend ankommt. Ein dem Kindeswohl zuwiderlaufender Bruch der Kontinuität ist mit dem Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters jedenfalls nicht verbunden.

Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen empfohlen, aus seiner psychologischen Sicht für die Kinder zunächst noch einen Vormund zu bestellen. Davon abgesehen hat er es jedoch als „dringend geboten" erachtet, eine Rückführung der Kinder zu einem Elternteil vorzunehmen, und zwar nach seiner Einschätzung wegen der bestehenden stärkeren Bindungen und Beziehungen zum Vater. Jedenfalls solle der Lebensmittelpunkt der Kinder zukünftig nicht mehr in der Wohneinrichtung sein. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten mit der ausdrücklichen Empfehlung abgeschlossen, dem Wunsch und Willen der Kinder zu entsprechen, beim Vater leben zu können und dies mit Blick auf seine durch Gespräche und Tests erzielten Untersuchungsergebnisse im Senatstermin bekräftigt.

Der Senat folgt - abweichend von den Empfehlungen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts - dieser Einschätzung des Sachverständigen zum künftigen Lebensmittelpunkt von S… und A…. Dabei steht angesichts des Alters von S… und A… weniger der Kindeswille, sondern die gutachterlich festgestellte stärkere Bindung der Kinder zum Vater und seine vorhandene Kompetenz, die Kinder in Zukunft umfassend und ausreichend zu versorgen, zu erziehen und zu fördern, im Vordergrund. Er ist für S… und A… (sowie für T…) eine stabile Bezugsperson und kann es gewährleisten, sich adäquat um die gemeinsamen Kinder zu kümmern, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren. Da der Vater zur verantwortlichen Ausübung des Sorgerechts in der Lage ist, ist hier aus Rechtsgründen wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Eltern und vor allem mit Blick auf die vorstehend dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 1666, 1666 BGB kein Raum für eine Aufrechterhaltung der vom Amtsgericht angeordneten Entziehung der elterlichen Sorge.

Zwar wird der Vater nach einem Umzug der Kinder in seinen Haushalt öffentlicher Hilfe bedürfen, um durch helfende und unterstützende Maßnahmen die Bedingungen für einen dauerhaften Verbleib von S… und A… in seinem Haushalt zu verbessern und ihm zu einer positiven Entwicklung der Kinder zu verhelfen. Der Vater hat jedoch im Senatstermin ausdrücklich erklärt, entsprechende Familienhilfe annehmen zu wollen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Absicht des Vaters nicht ernst gemeint sei.

Auch die Frage der bislang noch nicht sichergestellten adäquaten Wohnsituation lässt sich nach den vorgelegten Bescheinigungen bzw. der in Aussicht gestellten Aufnahme des Vaters und der beiden Kinder in das Wohnprojekt „M…" lösen. Der Senat geht davon aus, dass der Vater den tatsächliche Wechsel von S… und A… aus dem Kinderheim in seinen Haushalt in verantwortlicher Ausübung der ihm übertragenen elterlichen Sorge erst dann vornimmt, wenn er die ihm in Aussicht gestellte Wohnung übernommen und eingerichtet hat und damit den notwendigen äußeren Rahmen für die Sorgerechtsauübung geschaffen hat. Zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Kindeswohls wird er bis dahin die beiden Mädchen im Kinderheim zu belassen haben.

Nach alldem ist der Senat der Auffassung, dass es dem Vater mit Unterstützung durch eine entsprechende Familienhilfe gelingen wird, die Bedürfnisse von S… und A… nach Orientierung, Lenkung und Struktur, nach altersgerechter Anregung und Förderung zu erfüllen. Er ist auch in der Lage, die sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Kinder ausreichend sicherzustellen und hat zudem eine hohe Bereitschaft gezeigt, die Kinder zu unterstützen. Dementsprechend geht der Senat in der Gesamtschau davon aus, dass es dem Wohl der Kinder am besten entspricht, wenn sie in den Haushalt des Vaters wechseln.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass er von dem Vater mit Blick auf seine Erklärungen im Senatstermin sowie unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz erwartet, dass er der Mutter umgehend den üblichen Umgang mit den Kindern S… und A… in Form einer Wochenend-, Feiertags- und Ferienregelung - gegebenenfalls mit Hilfe und Unterstützung der Verfahrensbevollmächtigten beider Elternteile - einräumt, den beide Kinder wünschen und auch brauchen. Diese Umgangseinräumung ist Ausdruck der vom Vater erwarteten Erziehungsfähigkeit und -eignung. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2012 - 10 UF 360/11)

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Einem Elternteil, der sich gegen auf der Grundlage von §§ 1666ff. BGB zu gewärtigende sorgerechtliche Maßnahmen verwahren will, wird häufig auch schon für den Anhörungstermin nach § 157 FamFG gemäß § 78 Abs. 2 FamFG ein Rechtsanwalt beizuordnen sein (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10.02.2012 - 6 WF 8/12 zu §§ 1666, 1666a BGB, §§ 78 II, 157 FamFG).

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Der mit der Feststellung zu Fragen des Entzugs der elterlichen Sorge beauftragte Sachverständige, der nach Abschluss seiner Untersuchungen das Vorliegen einer akuten Kindeswohlgefährdung feststellt, welches einen Aufschub von Maßnahmen zum Schutz des Kindes bis zur schriftlichen Abfassung seines Gutachtens nicht gestattet, setzt sich nicht alleine dadurch dem Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit aus, dass er die zuständigen Behörden bereits vor Einreichung seines schriftlichen Gutachtens von der bestehenden Gefahrenlage in Kenntnis setzt, mit dem Ziel, das Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden können. Der Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit kann sich in einem solchen Fall aber daraus ergeben, dass der Sachverständige die von den zu treffenden Maßnahmen betroffenen Beteiligten an dem Verfahren nicht zeitnah von seinem Vorgehen in Kenntnis setzt und dadurch verhindert, dass sie sich gegen die aufgrund der Mitteilung des Sachverständigen zu treffenden Maßnahmen angemessen zur Wehr setzen können ( OLG Hamm, Beschluss vom 30.01.2012 - 9 WF 56/11):

„... 1. Gem. den §§ 30 I FamFG, 406 I ZPO kann ein Sachverständiger aus den gleichen Gründen als befangen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Nach der gem. § 6 I FamFG auf das familiengerichtliche Verfahren anwendbaren Vorschrift des § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nur abgelehnt werden, wenn ein Grund gegeben ist, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dazu müssen Umstände vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus objektiver Sicht bei vernünftiger Würdigung die Befürchtung fehlender Unvoreingenommenheit ergeben. Rein subjektive oder unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden scheiden als Befangenheitsgrund aus. Nicht erforderlich ist, dass der Abgelehnte tatsächlich befangen ist. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Anhaltspunkte vorliegen, die nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Abgelehnten zu zweifeln (Zöller-Vollkommer, ZPO, 29. A., § 42 Rz. 9 m. w. N.).

2. Entsprechende Umstände liegen bei der mit der Gutachtenerstellung beauftragten Sachverständigen nicht vor.

Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Familiengerichts in dem angefochtenen Beschluss verwiesen. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Argumente der beteiligten Eltern rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

a) Das zuständige Jugendamt ist - entgegen der Ansicht der beteiligten Eltern - kein Gegner im vorliegenden Verfahren. Bei dem Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge nach den §§ 1666, 1666a BGB handelt es sich um ein Amtsverfahren, in welchem gestellte Anträge lediglich die Funktion von Anregungen haben, an die das Gericht bei seiner Entscheidung nicht gebunden ist. Mit der Anregung des zuständigen Jugendamts, den Eltern die elterliche Sorge zu entziehen, verfolgt dieses keine eigenen subjektiven Interessen, sondern ausschließlich die ihm vom Gesetz zugewiesene Aufgabe der Jugendhilfe (vgl. § 2 SGB VIII), die auch die Mitwirkung im gerichtlichen Verfahren in Kindschaftssachen umfasst (§ 50 I 2 Nr. 1 SGB VIII). Anregungen seitens des zuständigen Jugendamts im Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge erfolgen daher ausschließlich aus dem ihm im öffentlichen Interesse zugewiesenen Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung, aus welchem sich im Übrigen auch die Verpflichtung zur Gewährung öffentlicher Hilfe an die betroffenen Eltern ergibt (vgl. § 8a I 3 SGB VIII). Unter diesen Umständen, kann alleine aus der einseitigen Kontaktaufnahme der Sachverständigen mit dem zuständigen Jugendamt aus objektiver Sicht bei vernünftiger Würdigung nicht der Eindruck entstehen, die Sachverständige stehe im "Lager" eines anderen, den Eltern zuwiderlaufende Interessen verfolgenden Dritten.

b) Der Sachverständigen kann auf der Grundlage ihrer Verpflichtung zur Unvoreingenommenheit bei vernünftiger Betrachtung auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die im Rahmen ihrer Begutachtung festgestellte Gefährdung des kindlichen Wohls durch die Art und Weise der Ausübung des Umgangs der Eltern mit dem Kind zum Anlass genommen hat, gegenüber dem Jugendamt die Empfehlung auszusprechen, die Umgangskontakte zu modifizieren und einzuschränken.

Die Feststellung, ob von dem Verhalten der beteiligten Eltern eine Gefährdung für das Wohl des betroffenen Kindes ausgeht, war Teil ihres Gutachtenauftrags. Die zur Feststellung der Gefährdung führenden Untersuchungen waren nach Mitteilung der Sachverständigen im Zeitpunkt der Abgabe ihrer Empfehlung an das Jugendamt bereits abgeschlossen.

Die Gefährdung war, wie sich aus dem Inhalt ihres Gutachtens vom 14.11.2010 ergibt, auch akut, mit der Folge, dass ein Zuwarten bis zur Fertigstellung des schriftlichen Gutachtens mit den Kindeswohlinteressen nicht vereinbar war. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten festgestellt, dass die durch das mütterliche Verhalten während des Umgangs erzeugte emotionale Reizüberflutung und die Fokussierung des Umgangs auf die Nahrungsaufnahme zu einer erheblichen Beeinträchtigungen des kindlichen Wohlbefindens bis hin zu Selbstverletzungen des Kindes führen. Sie hat ferner festgestellt, dass beide Eltern aufgrund ihrer eigenen emotionalen Bedürftigkeit nicht in der Lage sind, die Bedürfnisse des Kindes zutreffend wahrzunehmen und ihr Verhalten darauf einzustellen.

Unter diesen Umständen war die Sachverständige - kraft ihres Gutachtenauftrags - nicht nur gehalten, sondern in höchstem Maße verpflichtet, bereits vor der schriftlichen Abfassung ihres Gutachtens tätig zu werden und eine entsprechende Empfehlung im Hinblick auf die Ausgestaltung des Umgangs der Eltern mit dem Kind abzugeben.

c) Alleine der Umstand, dass die Sachverständige es nicht an der gebotenen Transparenz hat walten lassen, indem sie die Eltern nicht vorher oder zumindest zeitgleich mit der von ihr abgegebenen Empfehlung an das zuständige Jugendamt von der - aus ihrer Sicht - vorhandenen Notwendigkeit der Einschränkung des Umgangs mit dem Kind informiert hat, reicht zur Überzeugung des Senats nicht aus, um bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unvoreingenommenheit der Gutachterin aufkommen zu lassen.

Das wäre nur dann der Fall, wenn die Sachverständige ihr Vorgehen überhaupt nicht oder erst so spät gegenüber den betroffenen Eltern transparent gemacht hätte, dass ihnen dadurch die Möglichkeit abgeschnitten worden wäre, sich gegen die von der Sachverständigen abgegebene Empfehlung zur Wehr zu setzen und zeitnah Argumente für die von ihnen begehrte Beibehaltung der bisherigen Umgangsregelung vorzubringen. Denn dann wäre durch das Verhalten der Sachverständigen das den Eltern zustehende rechtliche Gehör in einem Maße verletzt, welches von ihnen bei objektiver Betrachtung nicht mehr hingenommen werden muss. So liegen die Dinge hier aber nicht.

Die Sachverständige hat ihr Vorgehen den am Verfahren beteiligten Personen frühzeitig zur Kenntnis gebracht, indem sie das Gericht mit Schreiben vom 13.10.2011 von ihrer Empfehlung an das Jugendamt informiert und die Gründe für ihr Vorgehen in einem Satz beschrieben hat. Dabei konnte sie davon ausgehen, dass ihr Schreiben vom Gericht an die beteiligten Eltern weitergeleitet würde, was tatsächlich auch geschehen ist. Sie hat ihr schriftliches Gutachten, aus dem sich die Gründe für ihre Empfehlung an das Jugendamt nachvollziehbar ergeben zeitnah, rund einen Monat später zu den Akten gereicht. Unter diesen Umständen konnten die beteiligten Eltern des betroffenen Kindes bei vernünftiger Betrachtung nicht mehr ohne Hinzutreten besonderer Umstände davon ausgehen, dass die Sachverständige ihr Gutachten nicht unvoreingenommen erstattet hat. Weitere Umstände, die die verspätete Einbeziehung der Eltern in die Empfehlung der Sachverständigen zur Einschränkung der Umgangskontakte mit dem betroffenen Kind in einem anderen Licht erscheinen lassen könnten sind nicht ersichtlich. ..."

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Bei einer Weigerung des Sorgeberechtigten, das minderjährige Kind einer gerichtlich angeordneten psychologischen Begutachtung zuzuführen, reicht die Ersetzung der Zustimmung zur Begutachtung nach § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB nicht aus. Vielmehr ist dem Sorgeberechtigten Elternteil gemäß § 1666 BGB für die Durchführung der Begutachtung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen und dieses auf einen Pfleger zu übertragen. Bei einer unberechtigten Verweigerung der Begutachtung eines Kindes zum Zwecke der Feststellung, ob und wie Umgangskontakte mit dem anderen Elternteil möglich sind, liegt eine Kindeswohlgefährdung vor (OLG Rostock, Beschluss vom 30.06.2011 - 10 UF 126/11).

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„... I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des betroffenen Kindes X, geb. …1998, das bei der Kindesmutter lebt. Die Kindeseltern waren nie verheiratet; eine gemeinsame Sorgeerklärung wurde nicht abgegeben.

Nachdem jahrelang kein bzw. nur ganz unregelmäßiger Kontakt zwischen X und dem Kindesvater stattgefunden hatte, beantragte der Kindesvater in den vorangegangenen Verfahren 20 F 186/09 und 20 F 245/10 vor dem Familiengericht Ahrensburg die Einräumung eines Umgangsrechtes. Nach Einholung von Sachverständigengutachten einigten die Kindeseltern sich aufgrund der darin ausgesprochenen Empfehlung dahingehend, dass vor Durchführung eines Umganges des Kindesvaters mit X für diesen zunächst eine kindertherapeutische Maßnahme und zwischen den Eltern zur Verbesserung ihres Verhältnisses eine Beratung durchgeführt werden sollte.

Da im Laufe des Verfahrens Auffälligkeiten bei X festgestellt worden waren, leitete das Familiengericht zudem von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB zur Überprüfung ein, ob das Kindeswohl durch die Sorgerechtsausübung seitens der Kindesmutter gefährdet sei. Der Kindesvater, der bislang an diesem Verfahren nicht beteiligt worden ist, beantragt seine Hinzuziehung gemäß § 7 FamFG.

Das Familiengericht hat den Antrag des Kindesvaters mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, da er durch das Verfahren nicht unmittelbar in seinen Rechten betroffen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet der Kindesvater sich mit seiner sofortigen Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG iVm §§ 567 ff. ZPO statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der Kindesvater durch das vorliegende Verfahren, das die Prüfung des Sorgerechtsentzuges der Kindesmutter (§ 1666 BGB) zum Gegenstand hat, unmittelbar in eigenen Rechten betroffen ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), auch wenn er nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss vom 19.11.2010 - 12 UF 153/10, nicht veröffentlicht).

Insoweit kann dahinstehen, ob dem Kindesvater allein aufgrund seines Elternrechtes aus Art. 6 Abs. 2 GG das Recht zusteht, die vom Familiengericht zu treffende Entscheidung, insbesondere im Falle der Ablehnung von Maßnahmen nach § 1666 BGB, durch Einlegung eines Rechtsmittels überprüfen zu lassen (abgelehnt noch durch BGH FamRZ 2009, 220; ausdrücklich offengelassen nunmehr in BGH FamRZ 2010, 1242). Jedenfalls begründen die §§ 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB - danach hat das Familiengericht dem Kindesvater im Fall des Sorgerechtsentzugs der gemäß § 1626a Abs. 2 BGB alleinsorgeberechtigten Kindesmutter die elterliche Sorge zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient - ein subjektives Recht des Vaters, aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung ergibt (vgl. BGH FamRZ 2010, 1242 zu § 20 FGG a.F.).

Entgegen der Auffassung der Kindesmutter gilt dies auch vorliegend. Zwar übt der Kindesvater aufgrund einer Einigung der Kindeseltern derzeit keinen Umgang mit X aus und ist der Sachverständige Dr. Y in seinem Gutachten vom 15.07.2010 im Verfahren 20 F 245/10 zu dem Ergebnis gekommen, dass das krankheitsbedingte Zustandsbild des Kindesvaters ein Aufwachsen Xs bei ihm unmöglich mache. Dennoch schließt dies eine (Teil-)Sorgerechtsausübung des Kindesvaters für den Fall, dass der Kindesmutter das Sorgerecht oder Teile davon entzogen werden sollten, nicht von vornherein zwingend aus, da unter bestimmten Umständen auch eine Sorgerechtsausübung ohne gleichzeitige persönliche Betreuung des Kindes denkbar wäre. Jedenfalls kann eine entsprechende Prüfung, für die derzeit auch noch kein Anlass besteht, nicht in das Verfahren über die Hinzuziehung des Kindesvaters verlagert werden. Dieser ist vielmehr durch das Verfahren nach § 1666 auch als nichtsorgeberechtigter Vater stets in eigenen Rechten unmittelbar betroffen.

Über den weiteren, noch nicht beschiedenen Antrag des Kindesvaters auf Akteneinsicht hat das Familiengericht nach § 13 Abs. 1 FamFG zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes aus § 45 Abs. 3 FamGKG. ..." (OLG Schleswig, Beschluss vom 04.05.2011 - 12 UF 83/11)

***

„... I. Die gemäß §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde des antragstellenden Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 03.01.2011 - 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern (Antragsteller und Antragsgegnerin) unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Münster vom 14.12.2004 - 39 F 218/04 - die elterliche Sorge für die verfahrensbeteiligten im Beschlussrubrum genannten minderjährigen gemeinsamen Kinder entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestellt worden ist, ist unbegründet. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Familiengericht den Kindeseltern die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt T. übertragen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugenden umfassenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung des Familiengerichts. Der Beschwerde führende Antragsteller hat seine Beschwerde nicht weiter begründet, so dass der Senat die tragenden Gründe der familiengerichtlichen Entscheidung lediglich nochmals wie folgt zusammenfasst:

Die elterliche Sorge war den Kindeseltern gemäß §§ 1666, 1666a, 1667 BGB vollständig zu entziehen, da ansonsten einer drohenden nachhaltigen Gefahr für das seelische Wohl der beteiligten gemeinsamen Kinder der Kindeseltern nicht anders begegnet werden konnte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Entzug des gesamten Sorgerechts nur in Betracht kommt, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Die strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Trennung des Kindes von der Familie ist oberstes Verfassungsgebot, nach dem sich die Familiengerichte bei der Auswahl der zu treffenden sorgerechtlichen Entscheidung zu richten haben (so BVerfG, NJW 1982, 1379, 1380). Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Vielmehr gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Daher reicht es jedenfalls für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern allein nicht aus, wenn das Kind woanders nur besser erzogen oder gefördert würde (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1666 Rdn. 9 m.w.N.). Ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und von der Beschränkung des Staates auf das Wächteramt kann sich die staatliche Berechtigung, in die Eltern-Kind-Beziehung einzugreifen, nicht an irgendwelchen gesellschaftspolitischen, religiösen oder sonstigen weltanschaulichen Idealen oder bürgerlichen Höchststandards ausrichten, sondern darf sich sowohl beim Kind als auch bei den Eltern nur von Fällen einigermaßen bedenklicher sozialer Deviation herausgefordert fühlen. Nicht jedes Versagen berechtigt den Staat, die Eltern auszuschalten. Andererseits kann die erzieherische Nichteignung bei den Eltern durchaus unterschiedliche Gründe haben. Ein Verschulden der Eltern diesbezüglich ist nicht erforderlich. Die Rechtfertigung gerichtlicher Maßnahmen liegt in der zu besorgenden Kindeswohlgefährdung, die nicht anders ausgeglichen werden kann (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdn. 13 ff.).

Das Familiengericht hat bei seiner Entscheidung diese Maßstäbe beachtet. Die Gefahr einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung in Form gravierender Entwicklungsstörungen der Kinder ist evident. So hat das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten bereits erhebliche Entwicklungsstörungen bei den beteiligten Kindern festgestellt. Diese kindeswohlgefährdenden Entwicklungsstörungen sind gerade durch das erzieherische Fehlverhalten der Kindeseltern begründet. Extrem häufige Trennungen der Kindeseltern verbunden mit häufigen Umzügen sowie die damit verbundenen Loyalitätskonflikte, die den Kindern zugemutet worden sind, haben diese so schwer belastet, dass von den beteiligten Kindeseltern eine störungs- und angstfreie Entwicklung ihren Kindern nicht ermöglicht wurde. Die jeweiligen Trennungen haben zu fortschreitenden Entwurzelungen der Kinder geführt. Die Versuche der Kindeseltern, jeweilige Umgangskontakte zu vereiteln, haben zudem Loyalitätskonflikte bei den Kindern hervorgerufen. Auch dies hat zu nachhaltigen Schäden in der seelischen Entwicklung aller Kinder geführt. Diese Gefährdungssituation ist noch dadurch verstärkt worden, dass - wie der Sachverständige in seinem erstinstanzlich erstellten Gutachten vom 06.08.2010 (vgl. Sonderband Gutachten zu 13 F 133/10) festgestellt hat - bei beiden Elternteilen Defizite in der Elterlichkeit vorliegen, die diese nicht bereit bzw. in der Lage waren durch eine verantwortliche Zusammenarbeit in der gemeinsamen elterlichen Sorge auszugleichen. Auf Seiten des Kindesvaters fielen dabei verstärkend gravierende persönliche charakterliche Defizite ins Gewicht. So scheint der Kindesvater nicht in der Lage zu sein, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Vielmehr neigt er auch in Gegenwart der Kinder zu verbalen Ausfällen und auch Tätlichkeiten zumindest gegenüber der Antragsgegnerin. Dies hat wiederholt zur Flucht der Antragsgegnerin in Frauenhäuser geführt. Andererseits ist auch die Antragsgegnerin nicht in der Lage, Konstanz und Kontinuität in die Erziehungstätigkeit zu bringen. Auch sie ist viel zu sehr in der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann verhaftet, als dass sie das Wohl ihrer Kinder im Auge hätte. Es ist nicht absehbar, dass sich diese Konflikte trotz ihrer negativen Auswirkungen auf das Bedürfnis der Kinder nach Sicherheit und Stabilität beenden ließen. So ist das Bindungsverhalten der Kinder wie auch deren psychische Stabilität schon massiv beeinträchtigt. In der 23 Jahre dauernden Beziehung der Kindeseltern sollen 17 Trennungen erfolgt sein, wobei zumindest teilweise auch Gewalttätigkeiten des Antragstellers eine Rolle spielten und in die die Kinder jeweils seit ihrer Geburt eingebunden waren und noch sind. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass derart hochemotionale Trennungen und Versöhnungen nicht nur die Eltern an die Grenze des für sie emotional Ertragbaren gebracht haben, sondern, dass auch ihre Kinder hierdurch massiv beeinträchtigt werden mussten.

Auch der Senat verkennt nicht, dass - wie auch der Sachverständige in seinem Gutachten in erster Instanz festgestellt hat - die Kindeseltern aus ihrer subjektiven Sicht durchaus glaubwürdig die Liebe zu ihren Kindern schildern. Gleichwohl sind sie aus objektiver Sicht nicht in der Lage, diese Liebe in verantwortungsvolles elterliche Verhalten umzusetzen und in ihrem täglichen Erziehungsverhalten zum Tragen zu bringen. Vielmehr bedingen das hohe Konfliktpotential sowie die bestehende Konfliktbereitschaft der Kindeseltern und ihr "Aufsichbezogensein" ihre Unfähigkeit zu erkennen, dass hierunter die gemeinsamen Kinder nicht nur leiden, sondern ganz gravierend in ihrer seelisch-geistigen Entwicklung geschädigt werden. Dies gilt sowohl für das zu erlernende Sozialverhalten der Kinder wie auch für das ihnen vermittelte "Menschenbild", welches insbesondere durch das nicht akzeptable Verhalten des Kindesvaters gegenüber seiner Ehefrau und Mutter seiner Kinder diesen vermittelt wird. So ist es in immer stärkerem Umfang den Kindeseltern auch unmöglich geworden, verantwortlich in wesentlichen die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder betreffenden Fragen zusammenzuarbeiten. Folgerichtig kommt es auch immer wieder zu Konflikten zwischen den Kindeseltern über Art und Umfang der Ausübung des Umgangsrechts der Kindesmutter mit ihren Kindern.

Aus dem oben Gesagten versteht sich von selbst, dass eine gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet, dass aber auch wegen der bestehenden Defizite die alleinige Sorge für ihre Kinder keinem der Elternteile alleine übertragen werden kann. Bei der jeweils auf die eigene Person bezogene Sichtweise der Dinge liegt die Beeinflussung der Kinder zum Nachteil des jeweils anderen Partners auf der Hand.

Gegen eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter und den Verbleib der Kinder bei der Kindesmutter spricht schon der verfestigte erklärte Kindeswille. Wobei auch hier, wie der Sachverständige überzeugend festgestellt hat, dieses mit der Willensbildung verbundene negative Bild der Kinder von ihrer Mutter ganz entscheidend und für die Entwicklung der Kinder schädlich vom Kindesvater mit geprägt worden ist. Bei dieser Sachlage kann dem Willen der Kinder, beim Vater zu bleiben, nur insoweit entsprochen werden, als ein Verbleiben der Kinder bei der Mutter unter Beibehaltung ihres Sorgerechts ausscheidet. Und der Entzug der elterlichen Sorge auf Seiten des Vaters nicht notwendig damit verbunden sein muss, dass die Kinder auch aus seinem Haushalt genommen werden. Das Jugendamt wird in eigener Verantwortung zu prüfen haben, inwieweit trotz der Erziehungsdefizite des Kindesvaters ein Belassen der Kinder in dessen Haushalt möglich ist. Dabei wird der Kindesvater gehalten sein, sich mit dem Jugendamt abzustimmen und insbesondere sein Verhalten gegenüber der Kindesmutter und zu deren Umgangsrecht zu überprüfen. Das Jugendamt wird auch zu besorgen haben, inwieweit gerade auch bei den größeren Kindern der Kindeswille im Hinblick auf den Umgang mit ihrer Mutter zu beachten ist. Auch hier wird es geboten sein, negativen Einflüssen des Kindesvaters entgegenzuwirken. Sollte sich herausstellen, dass der Kindesvater nicht zu einer Zusammenarbeit im Kindeswohlinteresse bereit oder in der Lage ist, müssten seitens des Jugendamtes weitergehende Schritte ins Auge gefasst werden, was unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit bis zur Wegnahme der Kinder aus dem väterlichen Haushalt führen kann.

Für ein Belassen der Kinder vorerst im väterlichen Haushalt spricht, dass deren Versorgung gewährleistet ist. Soweit sich die Situation zwischen den Kindeseltern stabilisieren sollte, erscheint es daher sinnvoller, wenn die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung beim Kindesvater herausgerissen werden. Das setzt allerdings Kooperationsbereitschaft des Antragstellers voraus. Hier wird der Kindesvater erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen. Bis dahin braucht der Vater der erhöhten Aufsicht durch den Vormund. Der Vormund wird insbesondere zu bedenken haben, ob der geplante Wohnortwechsel dem Kindeswohl dient. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 22.03.2011 - 4 UF 29/11)

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„... I. Die am 5.2.1987 geborene Beschwerdeführerin ist die leibliche Mutter des betroffenen Kindes M (geb. am 11.10.2006). Sie ist außerdem Mutter von drei weiteren Kindern, G (geb. am 30.1.2008), B2 (geb. am 1.4.2009) und H2 (geb. am 27.3.2010). Leiblicher Vater der vier Kinder ist Herr H, mit dem die Kindesmutter seit Februar 2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Beide Eltern und das betroffene Kind sind italienische Staatsangehörige. Die Eltern von M sind arbeitslos. Eine gemeinsame Sorgeerklärung im Sinne des § 1629a I Nr. 1 BGB haben sie nicht abgegeben.

Die Beziehung der Kindeseltern zueinander war in der Vergangenheit von mehrfachen vorübergehenden Trennungen und Versöhnungen geprägt. In dieser Zeit wurde das betroffene Kind M geboren. Bei ihrer Geburt lebte die Kindesmutter alleine in einer Einzimmerwohnung. Sie war nicht krankenversichert und hatte keinerlei Vorkehrungen für die Zeit nach der Geburt des Kindes getroffen. Den Vorschlag der Mitarbeiter des Jugendamts, einer Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung zuzustimmen, lehnte sie ab. Daraufhin wurde M - wenige Wochen nach ihrer Geburt - im Einverständnis mit der Kindesmutter bei den Pflegeeltern U und B untergebracht. Dort lebt sie bis heute. Regelmäßige Besuchskontakte des Kindes mit seiner leiblichen Mutter finden begleitet in vierwöchigen Abständen für die Dauer von jeweils einer Stunde in den Räumen des Jugendamts statt.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.7.2008 hat die Kindesmutter ihr Einverständnis mit der Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie widerrufen und seine Rückführung in den mütterlichen Haushalt begehrt. Auf Antrag des Jugendamts der Stadt Z1 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Witten durch Beschluss vom 11.11.2008 im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht (als Teil der elterlichen Sorge) vorübergehend auf das Jugendamt der Stadt Z1 übertragen. Mit weiterem Beschluss vom 29.1.2009 hat es dem Jugendamt im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht zur Beantragung eines Passes für das Kind übertragen, um M eine Auslandsreise mit ihren Pflegeeltern zu ermöglichen.

Zur Frage der von der Kindesmutter begehrten Rückführung des Kindes in den mütterlichen Haushalt hat das Familiengericht ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an den Kliniken F, Frau Dr. K, eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 18.6.2009 (Bl. 55 ff. d. A.) und die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen im Termin vor dem Familiengericht vom 28.10.2009 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.11.2009 und dem Berichtigungsbeschluss vom 4.12.2009 hat es der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind M entzogen und angeordnet, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt weiterhin bei den Pflegeeltern haben soll. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschlüsse wird auf Bl.. 132 ff. und 144 f. der Akten verwiesen.

Dagegen richtet sich die befristete Beschwerde der Kindesmutter. Sie ist der Ansicht, Gründe für die Entziehung der elterlichen Sorge lägen nicht vor. Hierzu trägt sie vor, sie habe sich bei der Geburt des Kindes in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Ihre persönlichen Verhältnisse hätten sich jedoch zwischenzeitlich stabilisiert. Sie sei mit der Kindererziehung und Versorgung nicht mehr überfordert. Im übrigen sei ihr infolge der eingeschränkten Umgangskontakte mit der Tochter keine Möglichkeit eröffnet worden, eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung zu M aufzubauen.

Die Kindesmutter, deren Begehren zunächst darauf gerichtet war, dass die angefochtenen Beschlüsse des Familiengerichts insgesamt abgeändert, d. h. die Verbleibensanordnung aufgehoben und ihr die elterliche Sorge insgesamt belassen werde, hat im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ihre Beschwerde teilweise - im Hinblick auf die Verbleibensanordnung - zurückgenommen. Nunmehr beantragt sie, die angefochtenen Beschlüsse vom 16.11.2009 und vom 4.12.2009 insoweit abzuändern, dass der Entzug der elterlichen Sorge entfällt.

Die - anwaltlich vertretenen - Pflegeltern beantragen, die befristete Beschwerde der Kindesmutter zurückzuweisen.

Der Senat hat das betroffene Kind, die beteiligten Kindeseltern, das Jugendamt, die Verfahrenspflegerin und die Pflegeeltern persönlich angehört. Außerdem hat er eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen, Frau Dr. K, zur Frage der elterlichen Sorge veranlasst. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 18.5.2010 verwiesen.

II. Die gegen die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hat Erfolg, denn die Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Sorge liegen nicht vor.

1) Das Verfahren zum Erlass von Maßnahmen betreffend die elterliche Sorge für das Kind M richtet sich nach altem - bis zum 31.8.2009 geltenden - Recht, denn es ist durch Anregung des Jugendamts der Stadt Z1 im November 2008 und damit vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden (Art. 111 I FGG-RG).

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 8 I der Verordnung (EG) des Rates Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 (Brüssel II-a Verordnung), denn das betroffene Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Deutschland führt auch dazu, dass auf das Verfahren gem. Art. 21 EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB, Rz. 2, 16 m. w. N.).

2) Nach § 1666 I BGB kommt eine Entziehung der Personensorge für ein Kind nur in Betracht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei muss es sich um eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes handeln, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine Beeinträchtigung seines körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt (vgl. BGH FamRZ 2005, 344, 345). Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Da die Entziehung der elterlichen Sorge den stärksten vorstellbaren Eingriff in das durch Art. 6 II, III GG geschützte Elternrecht darstellt, ist eine solche Maßnahme nur gerechtfertigt, wenn massiv belastende Ermittlungsergebnisse und ein entsprechend hohes Gefährdungspotential vorliegen (vgl. OLG Thüringen FamRZ 2003, 1319) und keine anderen milderen Mittel gegeben sind, die geeignet sind, die bestehende Gefahr abzuwenden (vgl. § 1666a I 1, II BGB).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Entziehung der elterlichen Sorge der Kindesmutter für das betroffene Kind M widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

a) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass ein Pflegeverhältnis generell nicht so verfestigt werden darf, dass die leiblichen Eltern mit dessen Begründung nahezu in jedem Fall den dauerhaften Verbleib ihres Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 1299, 1300). Die Inpflegenahme eines Kindes stellt grundsätzlich eine vorübergehende Maßnahme dar, die zu beenden ist, sobald die Umstände es erlauben. Alle Durchführungsmaßnahmen haben mit dem anzustrebenden Ziel der Zusammenführung von Eltern und Kind in Einklang zu stehen (vgl. EGMR NJW 2004, 3401, 3404). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die vom Familiengericht verfügte und mit der befristeten Beschwerde der Kindesmutter nicht angegriffene Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB ein milderes Mittel im Sinne des § 1666a BGB gegenüber dem Entzug der gesamten elterlichen Sorge dar (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 145, 146). Denn die Verbleibensanordnung ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf eine dauerhafte Trennung von Eltern und Kind sondern darauf gerichtet, Nachteile, die die durch eine zur Unzeit vorgenommene Rückführung in den elterlichen Haushalt für das Kind entstehen, zu vermeiden indem der vorübergehende Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern für die Zeit der Vorbereitung der Rückführung verlängert wird (vgl. dazu: Palandt-Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1632 Rz. 9, 15 m. w. N.).

b) Eine auf die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Maßnahme nach § 1666 I BGB darf daher nur dann erfolgen, wenn die Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gefährdung des Kindeswohls nur durch einen dauerhaften unbefristeten Verbleib des betroffenen Kindes in der Pflegefamilie sichergestellt werden kann, wie zum Beispiel bei einer festgestellten dauerhaften Erziehungsunfähigkeit der leiblichen Eltern (vgl. OLG Hamm, a. a. O.) oder dann, wenn das Verhältnis zwischen den leiblichen Eltern und den Pflegepersonen so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge nicht stattfindet oder mit ziemlicher Sicherheit nicht zu erwarten ist (vgl. dazu auch: OLG Frankfurt a/M FamRZ 2002, 1277, 1278).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vom Familiengericht verfügte Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Wohl des Kindes M abzuwenden, bestehen nicht.

aa) Vorliegend folgt die für M bestehende Gefahr für ihr geistiges und seelisches Wohl ausschließlich aus dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie erziehungsunfähig oder in ihrer Erziehungsfähigkeit so weit eingeschränkt ist, dass sie nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge für M bei dem angeordneten Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie auszuüben, bestehen nicht.

Die Beschwerdeführerin hat nach der Inpflegegabe von M drei weitere Kinder geboren. Ihre persönlichen Verhältnisse haben sich zwischenzeitlich dahingehend stabilisiert, dass sie mit dem Vater der Kinder zusammenlebt. Beide haben die Absicht bekundet, in nicht näher genannter Zeit die Ehe miteinander schließen zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die bei ihr lebenden Kinder nicht ausreichend erzogen und versorgt werden, liegen nicht vor.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die - von der Sachverständigen beschriebene - fehlende Fähigkeit der Kindesmutter, auf die Wünsche und Bedürfnisse von M einzugehen und im Rahmen der bestehenden Umgangskontakte eine tragfähige Beziehung zu dem Kind aufzubauen, ihre Erziehungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt. Nach den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 18.6.2009 und ihren ergänzenden Ausführungen im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ist das fehlende Einfühlungsvermögen der Kindesmutter in erster Linie auf eine unrealistische Einschätzung der Problematik ihres Rückführungsverlangens für das Kind und auf einen Mangel an Erkenntnissen über das Funktionieren von Bindungsprozessen zurückzuführen. Das schließt es nicht aus, dass es der Kindesmutter in der Zukunft gelingt, gegebenenfalls mit Hilfe fachkundiger Dritter und in Zusammenarbeit mit den Pflegeeltern, eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen, die eine - schrittweise - Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt erlaubt.

Der Umstand, dass die Kindesmutter derzeit die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt als Träger der öffentlichen Hilfe ablehnt und zur Inanspruchnahme einer fachkundigen Beratung durch Dritte nicht bereit ist, schließt die Rückführung des Kindes in ihren Haushalt nicht grundsätzlich aus. Sie verhindert lediglich, dass eine Rückführung zeitnah erfolgen kann, weil der für eine Rückführung notwendige Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Mutter und Kind nach Einschätzung der Sachverständigen ohne fremde Hilfe von der hierfür verantwortlichen Kindesmutter nicht oder nur schwer geleistet werden kann.

bb) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Verhältnis zwischen der leiblichen Mutter des Kindes M und ihren Pflegeeltern so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge durch die Mutter nicht mehr möglich ist.

Zwar hat die Kindesmutter durch ihr Verhalten verhindert, dass ein für April 2009 geplanter Auslandsurlaub des Kindes mit seinen Pflegeeltern nicht stattfinden konnte, weil sie trotz Aufforderung durch die Mitarbeiter des Jugendamts keinen Pass für M beim italienischen Konsulat beantragt hat. Hinreichende Anhaltpunkte dafür, dass dieses Verhalten typisch für die Art und Weise der Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter ist und dass sie durch ihr Verhalten in Zukunft auch andere zum Wohl des Kindes zu treffende Maßnahmen verhindern wird, bestehen jedoch nicht.

Die Verweigerung der Ausweisbeantragung erfolgte im laufenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter und der von ihr außergerichtlich begehrten Ausweitung der Umgangskontakte mit dem Kind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Maßnahme mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten abgestimmt war. Im übrigen hat die Kindesmutter im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 verbindlich zugesagt, schnellst möglich die zur Ausstellung eines Passes für das Kind erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Unter diesen Umständen kann nicht von einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung der Kindesmutter in Bezug auf die notwendige Beantragung des Ausweises für das Kind ausgegangen werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Kindesmutter zukünftig in anderen Bereichen der elterlichen Sorge ihre notwendige Mitwirkung verweigern oder von der Ausweitung der Umgangskontakte mit dem betroffenen Kind abhängig machen wird. Für eine solche Prognose sind keine gesicherten Anhaltspunkte vorhanden. Vergleichbare Versäumnisse der Kindesmutter bei der Ausübung der elterlichen Sorge für M in der Vergangenheit sind nicht bekannt. Streitigkeiten zwischen ihr und den Pflegeeltern bestehen nach den übereinstimmenden Bekundungen aller Beteiligten gegenwärtig nicht. Die von ihr in der Vergangenheit im Rahmen der Umgangskontakte erhobenen Vorwürfe gegenüber der Pflegemutter bezogen sich ausschließlich auf die Geltendmachung ihres Rückführungsverlangens, über welches mit dem Erlass der Verbleibensanordnung durch das Familiengericht entschieden worden ist. Alleine die vom Jugendamt beschriebene schwierige Zusammenarbeit mit der Kindesmutter rechtfertigt die Annahme, dass sie die ihr zustehende elterliche Sorge in Zukunft missbräuchlich ausüben wird, nicht.

Ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in erster Line der Mutter selbst obliegt, die für die Rückführung des Kindes notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, insbesondere eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen. Dazu bedarf es nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. K in ihrem Gutachten und den ergänzenden Ausführungen im Senatstermin vom 18.5.2010 einer Ausweitung der bestehenden Umgangskontakte - jedenfalls derzeit - nicht. Vielmehr obliegt es der Kindesmutter, zunächst die Qualität ihres Beziehungsangebotes gegenüber dem Kind zu verbessern und ihr Verhalten im Umgang mit M entsprechend zu verändern. Ob und in welchem Umfang sie sich dazu der Inanspruchnahme fremder (fachkundiger) Hilfe bedient, liegt alleine in ihrem Verantwortungsbereich. Eine rechtliche Grundlage für eine staatliche Verordnung entsprechender Hilfen besteht nicht. ..." (OLG Hamm Beschluss vom 20.05.2010 - II-2 UF 280/09)

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„... Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht im Rahmen einer einstweiligen Anordnung der Mutter das Sorgerecht insoweit entzogen, als es um die Regelung des Umgangs des Antragstellers mit Pauline, der gemeinsamen Tochter der Parteien, geht und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet.

Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass auch der nur teilweise Entzug des Sorgerechts nur bei einer Gefährdung des Kindeswohls im Sinn des § 1666 BGB in Betracht kommt. Eine solche Gefährdung liegt hier aber vor.

Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Bewertung des sowohl dem Vater als auch dem Kind zustehenden Rechts auf Umgang miteinander, ist es in Fachkreisen allgemein anerkannt, dass i.d.R. die Umgangskontakte eines Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil zum Wohl des Kindes gehören und notwendig sind für die gesunde seelische Entwicklung eines Kindes und zwar in jeder seiner Einwicklungsstufen. Ein Kind von einem Elternteil fernzuhalten ist immer ein Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte, der objektiv nicht zu verantworten ist, schließlich sind sowohl Vater als auch Mutter in ihrer besonderen Stellung Bezugspersonen, die es für jeden Menschen nur einmal gibt. Außerdem sollte sich jeder sorgeberechtigte Elternteil klar machen, dass der Versuch, den Kontakt zum anderen Elternteil einzuschränken, auf die Dauer zu psychischen Schäden führte, die sich verunsichernd auswirken auch auf die Gefühlsbeziehung des Kindes zum sorgeberechtigten Elternteil (vgl. z.B. Arntzen, Elterliche Sorge und Umgang mit Kindern, 2. Auflage, Kap. III).

Deshalb stellt es eine Gefährdung des Kindeswohls dar, seinen Umgang mit dem anderen Elternteil zu verhindern.

Deshalb sind Ausschlüsse oder Beschränkungen des Umgangsrechts nur gerechtfertigt, soweit sie durch eine konkrete Gefährdung des Kindes erforderlich sind (z.B. BVerfG, FamRZ 83, 872). Eine solche Gefährdung ist hier aber nicht erkennbar.

Es mag dahinstehen, ob die Sorgen der Mutter vor einer Entführung des Kindes durch den Vater gerechtfertigt sind. Denn der Vater ist bereit, den Umgang mit dem Kind unter Aufsicht in Form der Begleitung durch einen Umgangspfleger durchzuführen.

Auch der Senat hält es ebenso wie das Amtsgericht für widersprüchlich, wenn die Mutter einerseits behauptet, der Vater wolle die Existenz des Kindes ausnutzen, um eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten und gleichzeitig eine Entführung befürchtet.

Um allerdings den Ängsten der Mutter Rechnung zu tragen und um zu verhindern, dass sich diese Ängste auf die Unbefangenheit des Kindes belastend auswirken, erscheint die Einrichtung einer Umgangspflegschaft erforderlich.

Weiterhin ist sie unerlässlich, weil sich die Mutter trotz des Angebots einer Umgangsbegleitung hartnäckig weigert, einen Umgang zuzulassen. Dies unterscheidet sich in seinen Auswirkungen nicht vom Verhalten einer Mutter, die eine bereits bestehende Umgangsregelung unterläuft, wie die Antragsgegnerin wohl meint. In jedem Fall kann auch hier nur ein Umgang stattfinden, indem ein Umgangspfleger eingesetzt wird, der die an sich der Mutter zukommende Aufgabe, den Kontakt zum Vater zuzulassen, zu fördern und durchzuführen übernimmt, weil die Mutter dies entweder nicht tun will oder dazu aus psychischen Gründen nicht der Lage ist.

Gemäß § 1630 Abs. 1 BGB erstreckt sich die elterliche Sorge nicht auf Angelegenheiten des Kindes, für die ein Pfleger bestellt ist.

Insoweit tritt der Pfleger an die Stelle der Eltern und verdrängt deren elterliche Sorge (Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Auflage, § 1909 Rnr. 2).

Zu Recht hat das Amtsgericht also klarstellend der Mutter die elterliche Sorge insoweit entzogen, als das Umgangsrecht des Vaters betroffen ist. ..."(OLG Köln, Beschluss vom 16.04.2010 - 4 UF 47/10)

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„... I. Die Parteien sind die Eltern des am …. April 2002 geborenen Kindes D…. Sie streiten seit ihrer im Juli 2007 erfolgten Trennung um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames Kind.

Nachdem die Kindesmutter zunächst mit dem gemeinsamen Kind die Ehewohnung verlassen hatte, ist sie nach einer entsprechenden Einigung der Kindeseltern in einem einstweiligen Verfahren in eine Wohnung in E… - dem Wohnort der Kindeseltern - gezogen. D… besucht seit September 2008 die Grundschule und wurde zunächst im sogenannten Wechselmodell mit wöchentlichem Wechsel, sowohl vom Vater als auch von der Mutter versorgt und betreut.

Während der beim Vater verbrachten Woche besuchte D… vor Schulbeginn und nach Schul-ende den Kinderhort.

Nachdem beide Kindeseltern zu der Auffassung gelangt waren, dass das Wechselmodell für das Wohl ihres Sohnes D… nicht förderlich sei, haben beide Eltern die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge insoweit beantragt, als sie jeweils das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihren Sohn D… allein für sich beantragt haben.

Gemäß dem Beweisbeschluss vom 23. September 2008 hat das Amtsgericht Nauen ein Sachverständigengutachten eingeholt (siehe zum Inhalt des Beweisbeschlusses im Einzelnen Bl. 90 f. d.A.), das der bestellte Sachverständige Dr. E… S… am 8. April 2009 erstattet hat. Der Begutachtungszeitraum hat sich nach Angaben des Gutachters von September 2008 bis März 2009 erstreckt. Wegen des weiteren Inhalts des Sachverständigengutachtens im Einzelnen wird auf das Gutachten Bl. 127 bis 196 d.A. verwiesen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind D… dem Kindesvater allein übertragen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die gravierenden Kommunikationsprobleme zwischen den Eltern die Aufhebung der gemeinsamen Elternverantwortung im Hinblick auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht zum Wohl des gemeinsamen Sohnes D… zwingend erforderlich machten. Die Eltern seien gegenwärtig ausschließlich unter Mediation in der Lage, einvernehmlich im Interesse ihres gemeinsamen Sohnes zu handeln. Sie blockierten sich und den jeweils anderen auf Grund individueller Egoismen und teilweise auch nur aus Trotz. Nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens sei gegenwärtig davon auszugehen, dass der Kindesvater eine größere Bindungstoleranz zeigen könne und sich auch in der Mediation nachgiebiger und kompromissbereiter gezeigt habe. Zudem sei die Mutter für das Kind D… nur auf der Verbalebene die primäre Bezugsperson, während auf der Darstellungsebene und bei anderen Verhaltensparametern eindeutig der Kindesvater einen Vorsprung habe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die befristete Beschwerde der Kindesmutter, die sie im Wesentlichen damit begründet, dass die Entscheidung des Amtsgerichts verfahrensfehlerhaft ergangen sei. Es habe dem Amtsgericht oblegen, dem Kind D… einen Verfahrenspfleger zu bestellen. Dies sei bereits durch die Feststellung, dass D… in starken Loyalitäts- und Ambivalenzkonflikten stecke, unbedingt erforderlich gewesen. Der Senat hat den Sachverständigen Dr. S… in der Sitzung zur mündlichen Verhandlung vom 12. August 2009 persönlich zu seinen Ausführungen im Gutachten befragt. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 12. August 2009, Bl. 321 d.A., verwiesen. Im Anschluss daran hat der Senat das Kind D… F… persönlich angehört.

Im Anschluss an den Termin vom 12. August 2009 haben die Kindeseltern zu den Herbst- und Weihnachtsferien eine einverständliche Vereinbarung getroffen. Während eines Treffens der Parteien beim Jugendamt in N… haben sie sich am 1. September 2009 auf eine „Umgangsvereinbarung" geeinigt, nach deren Inhalt gleichzeitig der ständige Aufenthalt von D… - bis auf Weiteres - geregelt wurde. D… hat sich seitdem in jeder ungeraden Kalenderwoche von Donnerstag nach der Schule bis Montag vor der Schule sowie jeden Mittwoch nach der Schule bis zum Ende des Fußballtrainings im Haushalt der Kindesmutter aufgehalten und im Übrigen im Haushalt des Kindesvaters gelebt.

Diese jedenfalls für die Zwischenzeit bis zu einer Entscheidung gefundene einverständliche Lösung der Kindeseltern führte - im erklärten Einverständnis der Parteien - zur Abgabe der Sache an die Mediationsabteilung im Hause. Die Mediation führte nicht zu einer von den Parteien ausgehandelten einverständlichen Lösung.

Dem Kind D… wurde ein Verfahrenspfleger gestellt. Die Verfahrenspflegerin Frau Dipl.-Psychologin B… hat sowohl in ihrem schriftlichen Bericht, datierend vom 4. März 2010, als auch nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10. März 2010 ausgeführt, es sei der ausdrückliche Wunsch von D…, bei beiden Eltern künftig gleich viel zu sein. Statt wie zurzeit 4 Tage bei der Mutter und 9 Tage beim Vater wolle er in Zukunft bei beiden Eltern 14 Tage im Wechsel wohnen. Er wolle im Übrigen auch am Montag jeweils wechseln, denn er könne schon alleine zur Bushaltestelle gehen, an der der Schulbus halte. Gleichzeitig äußerte sich D… dahin, dass er nicht wisse, für welchen der beiden Elternteile er sich entscheiden solle und er wäre auch mit einer Entscheidung des Gerichts, die bestimme, bei welchem Elternteil er künftig überwiegend wohnen solle, nicht einverstanden. Er glaube im Übrigen, dass seine Eltern, wenn sie von seinem dringenden Wunsch erführen, sich in dieser Weise auch einigen würden. In der mündlichen Verhandlung führte die Verfahrenspflegerin sodann ergänzend aus, D… habe beide Elternteile gleich lieb und könne seine Wünsche schon deshalb relativ klar benennen, weil er sich mit anderen Kindern in der Schule, deren Eltern ebenfalls getrennt lebten, offenbar austausche. Er befürchte insbesondere auch keinen Verlust seiner Freunde, weil die Eltern ja relativ nahe beieinander wohnten. Gleichzeitig erklärte die Verfahrenspflegerin, mit D… die Bedeutung eines 14tägigen Modells eingehend besprochen zu haben, ihm insbesondere den konkreten Zeitablauf erklärt zu haben. Sie wies darauf hin, dass D… eine niedrige Frustrationsschwelle habe, was man daran sehe, dass er ihr von seinen Ängsten hinsichtlich der Monster, die ihn auffressen wollten, wenn er ins Bett gehe und die Gardinen zumache, erzählt habe. Es werde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes D… haben, dass sein nunmehr, nach langen Überlegungen gefundener Entschluss, den er auch noch einem Dritten - nämlich ihr gegenüber - geäußert habe, derart missachtet werde, ebenso wie sein Appell an die Eltern, sich auf Dauer zu einigen.

Auf Befragen des Senats erklärte die Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung persönlich gehört, sie sei mit der Situation wie sie gegenwärtig in Bezug auf den Aufenthalt des Kindes D… bestehe, nicht zufrieden. Das Kind und sie möchten länger miteinander zusammen sein.

Der Antragsteller und Kindesvater persönlich gehört erklärte, er sei zufrieden und könne keine Wünsche des Kindes erkennen, auch nicht im Hinblick auf die Stellungnahme der Verfahrenspflegerin. Er erklärte nach den weiteren Ausführungen der Verfahrenspflegerin, für ihn scheide ein Wechselmodell - auch im 14-tägigen Rhythmus - aus.

II. Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen, mit dem das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind D… dem Kindesvater allein übertragen hat, führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der angefochtene Beschluss ist insoweit abzuändern, als weder dem Kindesvater noch der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ihr gemeinsames Kind zu übertragen ist, sondern der Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts den Kindeseltern zu entziehen und einem Pfleger zu übertragen ist. Im Übrigen verbleibt die elterliche Sorge bei den Kindeseltern.

Nach § 1666 Abs. 1 BGB kann den Sorgeberechtigten die elterliche Sorge entzogen werden, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird, sofern die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, d.h., die zur Gefahrabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Dabei sind Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise begegnet werden kann (§ 1666 a BGB).

Maßstab für die zu treffende Entscheidung ist das Wohl des Kindes, also der umfassende Schutz des in der Entwicklung befindlichen jungen Menschen. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt stets vor, wenn das Kind bereits einen Schaden erlitten hat. Sie ist aber auch dann anzunehmen, wenn die begründete gegenwärtige Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Kindeswohl beeinträchtigt würde, d.h., der Eintritt eines Schadens mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1666, Rz. 8). Eine begründete Besorgnis zukünftiger Schädigungen des Kindes entsteht regelmäßig aus Vorfällen in der Vergangenheit. Auf Seiten der Sorgeberechtigten ist ein Missbrauch der elterlichen Sorge nicht notwendig. Es genügt, dass sie das Kind vernachlässigen, d.h., ausreichende Maßnahmen, die unter Berücksichtigung der sozialen, kulturellen und ökonomischen Situation der Familie eine ungestörte und beständige Erziehung, Beaufsichtigung und Pflege des Kindes im Rahmen der Familie gewährleisten soll, unterlassen. Möglich ist auch ein unverschuldetes Versagen der Eltern, wobei mit dem Auffangtatbestand bezweckt wird, akute und schwerwiegende Gefährdungen des körperlichen und seelischen Wohls der Kinder abzuwehren. Die Gründe für das elterliche Versagen sind unerheblich (OLG Brandenburg, FamRZ 2008, 1556).

Liegen diese Voraussetzungen vor, hat das Gericht die zur Gefahrenabwehr erforderlichen und geeigneten Maßnahmen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Denn nach Artikel 6 Abs. 2 S. 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern. In dieses Recht darf der Staat grundsätzlich nur im Rahmen des staatlichen Wächteramtes (Artikel 6 Abs. 2 S. 2 GG) eingreifen. Eingriffe in das Elternrecht sind vorliegend jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil das Wohl des Kindes durch die Sorgerechtsausübung der Kindeseltern gefährdet wird.

Der teilweise Entzug des Sorgerechts - des Aufenthaltsbestimmungsrechts - und die Anordnung einer Pflegschaft sind geeignet, dem Missbrauch der elterlichen Sorge durch die Kindeseltern entgegenzuwirken. Die getroffene Maßnahme beachtet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, denn mildere Mittel zur Abwendung der Fortsetzung des kindeswohlgefährdenden Verhaltens der Kindeseltern sind nicht mit der gleichen Wirksamkeit ersichtlich. Der teilweise Sorgerechtsentzug und die Anordnung der Pflegschaft stehen zu dem mit diesen Maßnahmen verfolgten Kindesinteresse nicht außer Verhältnis; sie sind in Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes vielmehr geboten (siehe hierzu auch BGH, FamRZ 2008, 45).

Die Auslegung der genannten unbestimmten Rechtsbegriffe „Kindeswohl", „Gefährdung" und „erforderlichen Maßnahmen" ist geprägt von der verfassungsrechtlichen Ausgangssituation. Hiernach ist die Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zu vorderst ihnen obliegende Pflicht. Das Elternrecht besteht mithin nicht um seiner selbst Willen, sondern zum Wohle der Kinder. Es vermittelt daher keinen „ungebundenen Machtanspruch" der Eltern gegenüber ihren Kindern, sondern die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts gilt in erster Linie dem Schutz des Kindes (BVerfG-Entscheidung 61, 358, 371; 72, 155, 172). Das Kindeswohl ist mithin der Richtpunkt für den auch den Familiengerichten durch die Verfassung übergebenden Auftrag des staatlichen Wächteramtes. Zudem ist das Kind selbst Grundrechtsträger, denn ihm steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 1 i.V.m. Artikel 2 GG zur Seite (vgl. BVerfG-Entscheidung, a.a.O.).

Der Bedeutung und Tragweite des Elternrechts über die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Kindeswohls sind auch durch den Kindeswillen Grenzen gesetzt. Denn der Wille des Kindes ist grundsätzlich zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist (vgl. BVerfG-Entscheidung 55, 171, 182). Das Kind ist bei jeder Entscheidung des Familiengerichts in seiner Individualität und mit seinem Willen vor allem auch deswegen einzubeziehen, weil familiengerichtliche Entscheidungen maßgeblichen Einfluss auf sein künftiges Leben nehmen und es damit unmittelbar betroffen wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2008, 1737, 1738; Kammergericht, FamRZ 2004, 483). Dieser Gesichtspunkt gewinnt mit zunehmenden Alter und zunehmender Einsichtsfähigkeit des Kindes an Bedeutung, da es sich nur so zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Person entwickeln kann.

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe führt eine Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände dazu, dass den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu entziehen war, weil anderenfalls das Wohl des Kindes D… erheblich gefährdet wäre. Eine weniger einschneidende Maßnahme reicht hier nicht aus, um die Situation von D… zu verbessern.

Eine Gefährdung des Wohls des Kindes D liegt darin, dass die Kindeseltern auf Grund ihres immer noch auf der Trennungsebene ausgetragenen Streites die Bedürfnisse ihres Kindes nicht zu erkennen vermögen. Bereits der Sachverständige Dr. S… hat in dem von ihm am 8. April 2009 erstatteten Gutachten aufgrund seiner über einen längeren Zeitraum gewonnen Erkenntnisse im Einzelnen ausgeführt, dass die Kindeseltern nur unter Mediation in der Lage seien, einvernehmlich zu handeln und dies letztlich deshalb nicht zum Erfolg führe, weil beide Eltern eine weitere Mediation ablehnten. Die Elternteile seien beide derart streitverhangen, dass sie nur wenig zwischen Paar- und Elternebene trennen könnten. Den Eltern gelängen viele Handlungen zum Wohle von D… nicht, weil sie noch negative Bindungen aneinander hätten. Die Eltern hätten nicht die Einsicht, dass sie eine gemeinschaftliche Elternschaft ausüben müssten, die sie gemeinschaftlich zum Wohle D…s auszuüben hätten. Erzieherisch sei am Wichtigsten, dass beide zu einem halbwegs kongruenten Verhalten in Bezug auf die Ge- und Verbote von D… kämen, so dass dieser die beiden Eltern nicht mehr gegeneinander ausspielen könne. Dazu gehöre es, sich über die Ge- oder Verbote zu einigen und Freizeitangebote für D… so zu gestalten, dass er sie tatsächlich nutzen könne. Dies erfordere von beiden Elternteilen ein Zugehen auf die Einstellungen und Erziehungserwartungen des jeweils anderen.

Die Eltern sind auch gegenwärtig - insoweit hat eine Veränderung ihres Verhaltens seit der Gutachtenerstattung durch den Sachverständigen S… nach dem Eindruck des Senats, den er sich selbst in den mündlichen Verhandlungen machen konnte nicht stattgefunden - nicht in der Lage, sich über den Aufenthalt des Kindes D… zu einigen. Insbesondere vermögen sie nicht zu erkennen, dass der von dem Kind D… gegenüber der Verfahrenspflegerin geäußerte Wille ernst zu nehmen ist, denn er entspricht einer langen Willensbildung des Kindes. Dass der Sohn D… sich umfangreiche Gedanken über seinen Aufenthalt gemacht hat ist schon daraus ersichtlich, dass er selbst einen Aufenthaltswechsel immer für den Montag vorgeschlagen hat, weil er bereits groß genug sei, um allein zum Schulbus zu gehen. Dies hat er ausdrücklich deshalb vorgeschlagen, damit die Eltern nicht zu häufig aufeinander treffen und so keine Gelegenheit haben, sich über die ihn betreffenden Dinge zu streiten. Der Wunsch und Wille des Kindes D… ist auch nachvollziehbar, eben weil er zu beiden Elternteilen ein gutes vertrauensvolles Verhältnis und eine intensive Beziehung und Bindung hat, wünscht er sich, seine Zeit in beiden Haushalten der Eltern gleichmäßig zu verbringen. Dass D… nicht für bzw. gegen einen Elternteil entscheiden möchte, entspricht auch den Äußerungen des Kindes in der persönlichen Anhörung durch den Senat. Die Eltern, insbesondere der Kindesvater, können in der gegenwärtigen Situation offenbar nicht erkennen, wie wichtig es für D… ist, dass seine Eltern sich auf Dauer über seinen Aufenthalt einigen und es hierbei aus seiner Sicht gerecht zugeht.

Sowohl die Verfahrenspflegerin als auch die Mitarbeiter des Jugendamtes sehen in dieser Einstellung der Kindeseltern die Gefahr einer Kindeswohlgefährdung, da D… bereits jetzt eine sehr niedrige Frustrationsschwelle habe mit der Folge, dass die Missachtung seines nunmehr sogar Dritten gegenüber geäußerten Willens Auswirkungen negativer Art auf seine weitere Entwicklung ernsthaft befürchten lässt.

Die Kindeseltern sind gehalten - und dies würde ein 14tägiges Wechselmodell in hohem Maße erfordern - sich über ein einheitliches Erziehungskonzept für ihren Sohn D… zu einigen, die Vorstellungen des jeweils anderen in der Frage der Erziehung zu tolerieren und damit zu verhindern, dass D… die Uneinigkeit der Eltern - mit zunehmenden Alter immer mehr - nutzt, um diese gegeneinander auszuspielen.

Entgegen der Ansicht der Kindesmutter war nicht ihr allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und dem Kindesvater ein annähernd gleich häufiges Umgangsrecht einzuräumen. Denn die Unfähigkeit der Eltern, sich im Interesse und zum Wohl ihres Kindes D… dauerhaft zu einigen gebietet es, einem neutralen Dritten - dem Jugendamt- die Entscheidung zum Aufenthalt des Kindes zu überlassen, um den zu erwartenden Streit im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts zu vermeiden und für D… endlich eine dauerhafte Lösung zu finden, die seinem eindeutig geäußerten Willen entspricht.

Da beide Eltern ihren Sohn lieben und das Beste für ihn wollen, kann angenommen werden, dass sie nunmehr in der Lage sind, an den erforderlichen Maßnahmen mitzuwirken, mit der Folge, dass der Entzug der elterlichen Sorge für den Teilbereich Aufenthaltsbestimmung dem Senat als ausreichend erscheint. Das Jugendamt, das zum Pfleger bestimmt wird, wird im engen Kontakt mit den Eltern zu entscheiden haben, in welchem Rhythmus sich das Kind D… im jeweiligen Haushalt der Kindesmutter bzw. des Kindesvaters aufzuhalten hat. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.03.2010 - 13 UF 41/09)

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Ist der ursprünglich gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge gemäß § 1666 BGB teilweise entzogen, kann die mit dieser Entscheidung verbundene Anordnung einer Pflegschaft hinsichtlich der entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge einschließlich der Auswahl eines Pflegers im Hinblick auf § 1680 Abs. 3 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 BGB vom Vater angefochten werden, auch wenn dieser nie (mit) sorgeberechtigt war. Hat ein Vater mit der Mutter nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes nie zusammengelebt und zu diesem auch durch Umgangskontakte über mehrere Monate keine echte Beziehung hergestellt, spricht mehr dagegen als dafür, § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB im Sinn der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8.12.2005 (FamRZ 2006, 385) und vom 20.10.2008 (FamRZ 2008, 2185) "vaterfreundlich" auszulegen. Verbleiben der Mutter nach dem Entzug insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht unwesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, so kommt es für die Entscheidung, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht und mit diesem entzogene weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge dem Vater zu übertragen sind oder ob insoweit eine Pflegschaft anzuordnen ist, auch darauf an, ob Vater und Mutter bereit und in der Lage sind, in Angelegenheiten des betroffenen Kindes zu kooperieren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.12.2009 - 7 UF 1050/09 zu BGB § 1680 Abs. 2 S 2, Abs. 3, § 1666; ZPO § 621e a. F. = FamFG § 58 Abs. 1, FGG § 20).

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Der nichteheliche Vater kann gegen den Willen der Mutter des Kindes kein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Die Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1666 BGB kommt in Betracht, wenn die Mutter als allein Sorgeberechtigte das Elternrecht des Vaters nicht angemessen zur Geltung bringt und dadurch das Wohl des Kindes gefährde (OLG Jena, Beschluss vom 19.08.2009 - 1 UF 143/09):

„... Es trifft zwar zu, dass entsprechend der Vorschrift des § 1626 a BGB der nicht mit der Mutter verheiratete Vater auch nach jahrelangem Zusammenleben mit der Mutter gegen deren Willen grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht nicht erreichen kann (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Auflage, § 1626 a, Rdnr. 11 zu).

Materiell rechtliche Grundlage für die vom Familiengericht getroffene Entscheidung I. Instanz ist nur § 1666 BGB. Danach hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das Kindeswohl (unter anderem) durch missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts oder durch unverschuldetes Versagen der Eltern gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt und in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Weise das Familiengericht von der Gefahrenlage Kenntnis erlangt; es hat vielmehr von Amts wegen einzugreifen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.06.2005, Az. 26 WF 1169/05; Quelle: www.juris.de).

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 04.04.2001 (FamRZ 2001, 907 - 911), in der er sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 1626 a BGB auseinander gesetzt hat, darauf hingewiesen, dass Maßnahmen nach § 1666 BGB in Betracht kommen, wenn die Mutter als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge das Elternrecht des anderen Elternteils nicht angemessen zur Geltung bringt und das Wohl des Kindes durch das Verhalten der Mutter gefährdet wird.

Die gewählte gesetzliche Regelung stärke die rechtliche Stellung der Mutter, die nicht ohne ihre Zustimmung zur gemeinsamen elterlichen Sorge mit dem nichtehelichen Vater gezwungen, und der das eigene Sorgerecht in der Regel nur unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB entzogen werden kann.

Unter diesem Gesichtspunkt werden verbreitet Bedenken gegen die gesetzliche Lösung geäußert (vgl. Palandt/Diederichsen aaO § 1626 a Rdn. 11).

Diese Bedenken führen indessen nach Auffassung des BGH nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 1626 a BGB. Ihnen ist allerdings bei der Anwendung des § 1666 BGB im Einzelfall Rechnung zu tragen. Dabei muss - bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift - gewährleistet sein, dass in die Prüfung des Merkmals einer „missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge" durch die Mutter auch die Frage einbezogen wird, ob und inwieweit die Mutter das Elternrecht des Vaters angemessen zur Geltung bringt (BGH, a.a.O.).

Nach Auffassung des OLG München (a.a.O.) ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, wenn nur die Maßnahmen gewählt werden, die für die Abwendung der Gefahr unerlässlich sind.

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter die elterliche Sorge für N. nicht entzogen, sondern nur insoweit eingeschränkt, als an die Stelle der Alleinsorge die gemeinsame Sorge durch die Eltern getreten ist. Diese Einschränkung erscheint erforderlich, damit ausreichend sichergestellt ist, dass der Vater gemäß § 1687 BGB auch die Alleinentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens erhält, aber auch in Angelegenheiten, deren Regelung von erheblicher Bedeutung ist, mit entscheiden kann.

Soweit der Mutter die elterliche Sorge, die ihr gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein zustand, entzogen wird, ist gemäß § 1680 Abs. 3 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl der Kinder nicht widerspricht. Schon aus dem Sinn dieser Vorschrift ergibt sich, dass die vom Familiengericht getroffene Regelung unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB grundsätzlich zulässig ist.

Das Verfahren I. Instanz leidet aber an Verfahrensfehlern, die zu einer Zurückverweisung zu führen haben.

Das Amtsgericht hat es unterlassen, N. einen Verfahrenspfleger zu bestellen, obwohl das Regelbeispiel des § 50 Abs. 2 Ziffer 2 FGG vorliegt. Das Amtsgericht hat in den Gründen auch nicht ausgeführt, warum von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen wurde (§ 50 Abs. 2 FGG).

Das Amtsgericht hat sich auch nicht sachverständiger Hilfe bedient, um zu beurteilen, ob die weitere Belassung des Kindes N. bei der Mutter eindeutig den Charakter einer Kindeswohlgefährdung, die auf einem unverschuldeten Versagen der Mutter beruhen kann, annehme, um so eine nachvollziehbare Bewertung der Situation des Kindes aus familienpsychologischer Sicht zu erhalten.

Aufgrund dieser Verfahrensmängel ist die angefochtene Entscheidung - für den Fall der Entscheidung - aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen.

Der Senat geht derzeit nicht davon aus, dass es sachdienlich ist, von der Zurückverweisung abzusehen und selbst zu entscheiden. Es erscheint sachgerechter, dass die Bestellung des Verfahrenspflegers vom Familiengericht durchgeführt wird und ggf. ein Sachverständigengutachten eingeholt wird (vgl. OLG Schleswig, OLGR 2008, 135).

Eines Antrags auf Zurückverweisung bedarf es im FGG-Verfahren nicht (vgl. OLG Köln, FamRZ 2005, 1921).

Der Senat weist die Parteien noch auf die Möglichkeit des § 1630 Abs. 3 BGB hin. Geben die Eltern (die nichteheliche Mutter) das Kind für längere Zeit in Familienpflege, so kann auf ihren Antrag das Familiengericht Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson (hier: nichtehelicher Vater) übertragen; soweit das Familiengericht eine Übertragung vornimmt, hat die Pflegeperson die Rechte und Pflichten eines Pflegers; § 1630 Abs 3 BGB.

Auch sollten die Parteien - unter Berücksichtigung des Alters des Kindes überlegen - ob nicht die Errichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge in Teilbereichen in Betracht kommt.

Für den Fall der Zurückverweisung wäre auch für die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Zwischenlösung zu treffen, sei es in Form einer Verlängerung der Elternvereinbarung oder aber in einer einstweiligen Anordnung von Amts wegen. ..."

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Er gibt Anlass, die Regelung des Sorgerechts zu überprüfen. Bei einem von einem Elternteil induzierten Willen eines Kindes ist zu bedenken, ob das Kind ihn sich selbst zu eigen gemacht hat. In diesem Fall ist zu prüfen, ob es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, ihn zu übergehen oder ob dies dann zu einer für das Kind schädlichen Entwicklung führen würde. Mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Ergänzungspfleger kann die Verpflichtung verbunden sein, mit dem sorgeberechtigten Elternteil Kontakt zu halten und ihn zu informieren, damit er für die Kinder anstehende Entscheidungen treffen kann. Der Ergänzungspfleger ist dann gehalten, das Aufenthaltsbestimmungsrecht so auszuüben, dass die Entscheidungen des sorgeberechtigten Elternteils beachtet werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2005 - 1 UF 94/03, FamRZ 2005, 1700).

Belegt das Verhalten der Eltern, dass diese nicht in der Lage sind, für einen regelmäßigen Schulbesuch der Kinder zu sorgen, und lehnen die Eltern die angebotene stationäre Familienhilfe ab, sind dem Jugendamt zur Gewährleistung des regelmäßigen Schulbesuchs wesentliche Teile der Personensorge zu übertragen (OLG Koblenz, Beschluss vom 11.05.2005 - 13 WF 282/05, NJW-RR 2005, 1164).

Steht beiden Eltern die Sorge gemeinsam zu und zieht ein Elternteil mit dem gemeinsamen Kind in eine andere Stadt und steht beiden Eltern die Sorge gemeinsam zu, so hat sich die Entscheidung, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf den anderen Elternteils zu übertragen und wie der Umgang zu regeln ist, maßgeblich am Kindeswohl zu orientieren und die berechtigten Interessen der Eltern zu beachten. Es soll eine Gefährdung des Kindeswohls abgewendet und dem Kind die Chance einer guten persönlichen Entwicklung ermöglicht werden (OLG München, Beschluss vom 05.04.2005 - 17 UF 1127/04, NJW-RR 2005, 1312).

Die Entziehung der Vermögenssorge gem. § 1666 BGB durch den Richter kommt bei einer Gefährdung von Vermögensinteressen nur als letztes Mittel in Betracht, wenn Maßnahmen gem. § 1667 BGB nicht mehr ausreichen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Rechtspfleger bereits bei jeder denkbaren Vermögensgefährdung einen „erheblichen Interessengegensatz" i.S. von § 1796 BGB annimmt und gem. § 1629 II Satz 3 BGB eingreift (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2005 - 5 UF 317/04, NJW-RR 2005, 1382).

Frühere gemeinsame Versorgung des Kindes (namentlich wenn diese längere Zeit - hier: zehn Jahre - zurückliegt) hat wenig Aussagekraft für die gegenwärtigen Verhältnisse (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 09.12.2004 - 16 UF 67/04, FamRZ 2005, 831).

Eine zeitliche Begrenzung gerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB) ist regelmäßig nicht möglich und allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Dies gilt auch für die minderjährigen Eltern gem. § 1673 II BGB zustehende Personensorge (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.2004 - 16 UF 81/04, FamRZ 2005, 1272).

Auch eine nur schubweise auftretende psychische Erkrankung des sorgeberechtigten Elternteils kann die (Teil-)Entziehung der Personensorge rechtfertigen (im Anschluss an BayObLG, FamRZ 1997, 956). Eine unkritische Unterstützung des sorgeberechtigten Elternteils bei seinem "Kampf um das Kind" ist wenig hilfreich, weil es dem Elternteil eine kritische Hinterfragung seiner eigenen Überzeugungen erschwert (OLG München, Beschluss vom 11.03.2004 - 26 UF 1439/03, FamRZ 2004, 1597).

Der sorgeberechtigte Elternteil, der seine Zustimmung zu einem von seiner minderjährigen Tochter geplanten Schwangerschaftsabbruch verweigert, übt sein Sorgerecht nicht missbräuchlich aus, und es liegt auch kein unverschuldetes Versagen i.S. von § 1666 BGB vor. Auch wird das Wohl der Minderjährigen nicht dadurch gefährdet, dass der Sorgeberechtigte das Austragen des Kindes verlangt; von einer solchen Pflicht der Schwangeren geht die staatliche Rechtsordnung vielmehr grundsätzlich aus. Ein fehlerhaftes Verhalten des Sorgeberechtigten kann dann gegeben sein, wenn die Heranwachsende nicht die notwendige Unterstützung bei der Betreuung des Kindes und seinem eigenen Vorwärtskommen (z.B. berufliche Ausbildung) für die Zukunft nach der Geburt erhält (im Anschluss an OLG Hamm, NJW 1998, 3424 (3425); LG Berlin, FamRZ 1980, 285 (286, 287); OLG Naumburg, Beschluss vom 19.11.2003 - 8 WF 152/03, FamRZ 2004, 1806).

Die Entziehung der elterlichen Sorge gem. § 1666 BGB ist erforderlich, wenn eine Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes nicht anders abgewendet werden kann. Eine Gefährdung des Kindeswohls liegt vor, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Nichteingreifen des Gerichts das Wohl des Kindes beeinträchtigt wird oder eine in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung des Kindes eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Dabei entsteht die begründete Besorgnis in aller Regel aus Vorfällen in der Vergangenheit. Steht auf Grund des Verhaltens des Sorgeberechten in der Vergangenheit fest, dass bis zum Tag der letzten mündlichen Verhandlung eine Gefährdung des Kindeswohls bestanden hat, so reicht es nicht aus, um die begründete Besorgnis für die Gefährdung des Kindeswohles für die Zukunft zu beseitigen, dass die oder der Sorgeberechtigte erklärt, sie/er sei einsichtsfähig und werde sich einer medikamentösen und therapeutischen Behandlung in der Zukunft unterziehen. Die bestehende Besorgnis der Gefährdung kann erst in der Zukunft entkräftet werden, wenn ärztlicherseits festgestellt ist, dass die beabsichtigte bzw. in die Wege geleitete medizinische Behandlung Erfolg gehabt hat (OLG Köln, Beschluss vom 30.09.2003 - 4 UF 158/03, FamRZ 2004, 828).

Keinesfalls kann es für eine Trennung des Kindes von den Eltern oder einem Elternteil ausreichen, dass es andere Personen oder Einrichtungen gibt, die zur Erziehung und Förderung evtl. besser geeignet wären. Bei der Prüfung einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 BGB ist zu beachten, dass Art. 8 EMRK das Recht auf Achtung des Familienlebens garantiert und Eingriffe des Staates nur unter engen Voraussetzungen zulässt. Auch im Falle der Erforderlichkeit von Eingriffen, die mit einer Trennung des Kindes von seinen Eltern verbunden sind, hat der Staat - insbesondere im Hinblick auf die Entscheidung des EuGHMR v. 26.2.2002 (FamRZ 2002, 1393) - geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um den betreffenden Elternteil und das Kind wieder zusammenzuführen (OLG Hamm, Beschluss vom 10.09.2003 - 8 UF 32/03, FamRZ 2004, 1664).

Hat der Vater durch sein Verhalten erheblich dazu beigetragen, dass seine Kinder nach dem Tode der Mutter jeglichen Kontakt zu ihm ablehnen, kann es gerechtfertigt sein, ihm das Sorgerecht (teilweise) zu entziehen, wenn die begründete Besorgnis besteht, dass bei Beibehaltung der vollen elterlichen Sorge beim Vater das Wohl der Kinder beeinträchtigt wird oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr besteht, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Kinder eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (OLG Köln, Beschluss vom 07.07.2003 - 4 UF 70/03, FamRZ 2004, 827).

Der frühere (heterosexuelle) nichteheliche Lebensgefährte der Kindesmutter hat auch nach der Neufassung des § 1685 II BGB kein eigenes Umgangsrecht. Die Weigerung der Kindermutter, dem früheren nichtehelichen Lebensgefährten die Fortführung der bisherigen mehrjährigen Kontakte zu ihrem Kind zu gestatten, ist nicht missbräuchlich i. S. von § 1666 BGB, wenn sie auf plausible, nachvollziehbare Gründe gestützt wird (hier: tief greifendes Zerwürfnis mit subjektiv empfundener Bedrohung, ungestörtes Zusammenleben in der neuen Familie nach Einbenennung des Kindes). Das greift grundsätzlich auch dann, wenn der Umgang für das Kindeswohl förderlich wäre (OLG Oldenburg, Beschluss vom 31.03.2003 - 11 UF 25/03, FamRZ 2003, 1582).

Verweigert ein Elternteil nachhaltig Umgang des anderen Elternteils mit den Kindern, kommt zunächst die Einrichtung einer Pflegschaft als milderes Mittel gegenüber dem Entzug des gesamten Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht. Bei der Frage, ob es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bleiben kann oder ob diese einem Elternteil allein zu übertragen ist, ist auch von Bedeutung, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind. Eine größere räumliche Entfernung zwischen den Eltern steht der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge regelmäßig nicht entgegen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2003 - 10 UF 253/02, FamRZ 2003, 1952).

Maßnahmen nach den §§ 1666, 1666a BGB sind nicht schon bei jeder abstrakten Gefährdung des Kindeswohls, sondern erst dann gerechtfertigt, wenn eine gegenwärtig vorhandene Gefahr die Erwartung begründet, dass bei weiterer unbeeinflusster Entwicklung der Eintritt eines Schadens mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (OLG Celle, Beschluss vom 14.03.2003 - 19 UF 35/03, FamRZ 2003, 1490).

Zur Entziehung des elterlichen Sorgerechts, wenn den Kindesvater massiv belastende Ermittlungsergebnisse im weiteren Verlauf des Verfahrens keine zusätzliche Bestätigung finden und damit an Gewicht verlieren. Zur Kennzeichnung einer vom Kindesvater - angeblich zur Bestrafung - vorgenommenen Handlung (hier: Pobisse, begangen an einem 1994 geborenen Jungen und einer 1997 geborenen Tochter) als sexueller Missbrauch (OLG Jena, Beschluss vom 10.03.2003 - 1 UF 264/02, FamRZ 2003, 1319).

Im Rahmen eines Beweisbeschlusses darf die Unterbringung eines Kindes in einer Diagnosegruppe, die mit einer Trennung des Kindes vom Sorgeberchtigten für mehrere Monate verbunden ist, gegen den Willen des Sorgeberechtigten vom Gericht unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann angeordent werden, wenn insoweit die Voraussetzungen für eine Maßnahme gem. § 1666 I, III BGB vorliegen. Die Anordnung des Gerichts gem. § 1666 I, III BGB mit der die Trennung des Kindes von den Sorgeberechtigten für einen nicht unerheblichen Zeitraum verbunden ist, ist - nicht nur formelhaft - zu begründen (OLG Hamm, Beschluss vom 18.12.2002 - 10 UF 207/02, FamRZ 2004, 483).

Kann und soll das (hier: 1997 geborene) Kind nicht in den Haushalt seiner leiblichen Mutter zurückkehren, so ist eine Trennung vom Pflegevater nur zulässig, wenn mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass die Wegnahme mit psychischen oder physischen Schäden verbunden ist. Für eine vorläufige Maßnahme, mit der die Rückkehr des Kindes zum Pflegevater angeordnet wird, ist weder die Wirksamkeit des Pflegevertrages noch das Vorliegen einer Pflegeerlaubnis Voraussetzung. Das Jugendamt ist zur Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie nur befugt, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass insoweit die Voraussetzungen des § 1666 BGB vorliegen und Gefahr im Verzug ist. Aus einem sexualisierten Verhalten des Kindes allein lässt sich kein Hinweis auf stattgefundenen sexuellen Missbrauch ableiten (OLG Bremen, Beschluss vom 24.04.2002 - 5 WF 26/02, FamRZ 2003, 54).

Für die Entscheidung über das Umgangsrecht eines "sozialen Vaters" mit einem nicht von ihm abstammenden Kind ist die positive Feststellung erforderlich, dass das Umgangsrecht dem Kindeswohl dient. Kann das Gericht nicht feststellen, ob die Ablehnung des Umgangsrechts durch das Kind dessen wahrem und wirklichem Willen entspricht, so dient der Ermittlung dieses Willens die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bei einer Sachlage, die sowohl die Bejahung als auch die Verneinung der in § 1626 III BGB genannten Kriterien möglich erscheinen und deshalb die näheren Feststellungen durch ein psychiologisches Sachverständigengutachten erforderlich erscheinen lässt, liegt es nicht allein in der Hand der Kindesmutter, nach Belieben über Umgangskontakte des Kindes zu befinden. Dementsprechend sind die Voraussetzungen für die Ersetzung der Zustimmung der Kindesmutter zur Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 1666 III BGB als gegeben anzusehen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.04.2002 - 2 WF 92/01, 93/01, FamRZ 2002, 1210).

*** (AG, VG)

„...Der Entzug der elterlichen Sorge ist weiterhin geboten. Die Anhörung vom 7.1.2013 hat die der erlassenen Entscheidung zugrunde liegende Einschätzung bestätigt und vertieft. Die Kindesmutter ist derzeit nicht in der Lage, am Kindeswohl orientierte Entscheidungen zu treffen.

Das Verhalten der Kindesmutter in ihrer Bezugswelt zu Kind und Kindesvater ist bestimmt durch eine von ihr behauptete Vergewaltigung durch den Kindesvater am 25.5.2012. Nach Überzeugung des Gerichts hat sie diese Tat wahrheitswidrig behauptet, um sich aus der von ihr zunehmend als belastend empfundenen Ehe zu befreien. Das Verhalten hat schädliche Auswirkungen auf das Kindeswohl und die Beziehung des Kindes zu seinem Vater.

1. Fehlende Umgangstoleranz:

Als Umgangstoleranz wird die Fähigkeit eines Elternteils beschrieben, den Umgang zum anderen Elternteil störungsfrei zuzulassen und wohlverhaltend zu fördern (vgl. § 1684 Abs.2 Satz 1 BGB). Hieran fehlt es auf Seiten der Kindesmutter.

Zunächst versuchte die Mutter den Umgang per einstweilige Anordnung vollständig zu unterbinden und war schließlich nur bereit, diesen stufenweise wieder zuzulassen, obwohl es bei objektiver Betrachtung hierfür keinen hinreichenden Grund gab.

So beantragte sie im Verfahren 12 F 433/12 am 29.5.2012 durch ihren Prozessvertreter, der sie auch als Nebenklägerin im Strafprozess gegen ihren Ehemann vertritt, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht für H. im Wege der einstweiligen Anordnung auf sie übertragen werde und dass dem Kindesvater der Umgang bis zu einer endgültigen Regelung untersagt werde.

Zur Begründung wurde aufgeführt, dass ein Haftbefehl unter Auflagen außer Vollzug gesetzt wurde und dass zu den Auflagen Kontaktverbote mit der Kindesmutter und dem ehegemeinschaftlichen Kind gehören. Der Ausschluss sei erforderlich, um Kontaktaufnahmen des Vaters mit H. auf direktem oder indirektem Wege zu unterbinden (12 F 433/12, Bl.2 d.A.).

Tatsächlich war dem Kindesvater der direkte Kontakt nur zur Kindesmutter untersagt, der Umgang mit dem Kind hingegen sollte über die Oma (vs) stattfinden.

Durch die Bemühungen des Jugendamtes gelang es eine Umgangsvereinbarung zu schließen, die am 12.7.2012 gerichtlich protokolliert wurde. Der Umgang sollte nach dem Willen der Kindesmutter nicht sofort vollumfänglich beginnen, sondern angebahnt werden. Danach hatte der Kindesvater das Recht im Juli 2012 sein Kind an 4 Tagen zu sehen, sowie ab dem 3.8.2012 14tägig mit einer Übernachtung von Freitag bis Samstag und ab Oktober mit zwei Übernachtungen von Freitag bis Sonntag.

In der gerichtlichen Anhörung vom 7.1.2013 erläuterte sie, dass sie durch die Tat geschockt war und befürchtete, dass der Kindesvater H. etwas antun könnte.

In der Untersuchung am 26.11.2012 erzählte sie der Gutachterin, dass sie dem Kindesvater H. nach der Sache, die passiert sei, nicht mehr zu Besuchen überlassen habe, weil sie Angst habe, er tue dem Kind genauso etwas an, wie er ihr etwas angetan habe (Gutachten vom 7.1.2013, Seite 5).

Damit projiziert sie ohne tatsächliche Rechtfertigung ihre Ängste auf das Kind und ist dadurch nicht in der Lage den Umgang zu fördern. Das Kind muss so unweigerlich spüren, dass es von der Mutter nicht die innere Erlaubnis hat, den Vater zu besuchen. Das entspricht nicht dem Gebot des Wohlverhaltens und ist zudem kindeswohlgefährdend, weil es einen Loyalitätskonflikt provoziert.

Für relevante Gewalttätigkeiten des Vaters gegen H. gibt es keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Zwar wurde im Verfahren 12 F 433/12 (Bl. 44 jener Akte) pauschal behauptet, dass es auch zu ‚Tätlichkeiten und Grobheiten des Kindesvaters gegenüber H.' gekommen sei, jedoch blieb im Dunkeln, worin diese Tätlichkeiten im Einzelnen bestanden haben sollten, in welcher Absicht sie geschahen, welche Folgen sie beim Kind hatten und wann und wie oft sie sich zutrugen (Bl 23 in 12 F 433/12: ‚auf das Sofa geworfen' und ‚einmal eine Ohrfeige verabreicht und heftig auf den Po geschlagen') In der Folge wurde diese Argumentation nicht weiter verfolgt. Die dem Kind bestellte Verfahrensbeiständin konnte keine vom Vater ausgehende Gefährdung für H. feststellen, sondern sie erlebte eine intensive und glückliche Beziehung des Kindes zu seinem Vater (12 F 433/12, Bl. 47).

Der ausgefallene Umgang in der Zeit vom 26.5. bis 6.7.2012 (der Kindesvater wurde am 25.5.2012 vorläufig festgenommen und blieb in Polizeigewahrsam bis am 26.5. der Haftbefehl erlassen und außer Vollzug gesetzt wurde u.a. mit der Auflage eines Kontaktverbotes zur Ehefrau, in der weiteren Folge gab es keinen Umgang) wurde dem Kind damit erklärt, dass sich der Vater auf einer Dienstreise befunden hätte.

Die auf Drängen der Kindesmutter nur schrittweise Anbahnung des Umganges, der über die Oma (vs) erfolgte, wurde dem Kind hingegen nicht erklärt. Die Kindesmutter gab auf Frage des Jugendamtes an, dass H. sie nicht darauf angesprochen habe (Protokoll vom 7.1.2013, Bl.78). Somit überließ sie es dem damit gänzlich überforderten Kind, die Situation einzuordnen, und für sich zu verarbeiten. Das legt den Schluss nahe, dass es ihr unwichtig ist, welches Bild H. von seinem Vater hat und könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie den väterlichen Anteil in H. bereits ablehnt.

Das fehlende Bestreben, dem Kind ein wohlwollendes Vaterbild zu geben, wiegt umso schlimmer, als die von ihr als Rechtfertigung gesehene Vergewaltigung gar nicht stattgefunden hat.

Solange die Kindesmutter nicht davon Abstand nimmt, den Kindesvater in ihrer Wahrnehmung als Gewaltverbrecher zu sehen, so lange ist das von ihr bewusst oder unbewusst vermittelte Vaterbild für das Kind belastend und dem Kindeswohl abträglich.

Lediglich vom Vater erfolgte eine Erklärung für H. dahin, dass Mama und Papa sich nicht mehr lieb hätten, aber beide Eltern H. ganz arg lieb hätten. Damit wurde H. wenigstens von dieser Seite die Sicherheit gegeben, dass beide Eltern noch für ihn da sind.

Am 28.11.2012 fand mit den Eltern und der Gutachterin zusammen mit dem erkennenden Richter ein Auswertungsgespräch statt, worin den Beteiligten das Ergebnis der Begutachtung mitgeteilt wurde. Um die Kindesmutter nicht in Aussagenot zu bringen wegen eines möglichen Strafverfahrens wegen Vortäuschens einer Straftat u.a., wurde vor allem erörtert, wie die Eltern in Zukunft mit Blick auf das Kind miteinander umgehen können. Dabei wurde besprochen, dass zwischen der Paarebene und der Elternebene getrennt werden muss und dass die Verächtlichmachung (Dämonisierung) des Vaters im Interesse des Kindes aufhören bzw. so weit wie möglich rückgängig gemacht werden muss. Als eine denkbare Maßnahme sollte bei der Übergabe für H. eine angenehme Atmosphäre geschaffen werden, z.B. indem der Vater ins Haus gebeten wird etc.

Die Kindesmutter zeigte sich nicht ablehnend und erwiderte sinngemäß, dass der Kindesvater sie dann aber nicht mehr ‚runtermachen' dürfe. Zum Abschluss des Gespräches gaben sich beide die Hand und es entstand der Eindruck, dass ein erster Schritt zu einem konstruktiven Miteinander gemacht war.

Auf Vorschlag des Gerichtes gingen dann beide Eltern gemeinsam in den Kindergarten, wo sie zum Erstaunen der Kindergärtnerinnen H. gemeinsam abholten. Vereinbarungsgemäß teilte die Mutter mit, dass nun auch der Vater abholberechtigt ist. Dies Verhalten war umso bemerkenswerter, als noch mit Schriftsatz vom 1.6.2012 (12 F 433/12, Bl.26) vorgetragen wurde, dass die Kindesmutter psychisch von der Vergewaltigungshandlung derart traumatisiert sei, dass ihr ein Zusammentreffen vor Gericht derzeit nicht zugemutet werden könne.

Diese konstruktive Stimmung war verflogen als der Kindesvater H. am darauf folgenden Sonntag, den 2.12.2012 zum Haus zurückbrachte. Die dort vor der Tür wartende Kindesmutter teilte auf Frage des Kindesvaters mit, dass sie nun in L. wohne. Sie lehnte es ab, dass H. zukünftig dorthin zurückgebracht werde. Stattdessen schlug sie einen Übergabeplatz an der B 6 in K. vor, um sich und H. vor dem Kindesvater zu ‚schützen'. Dort sei sie nicht alleine, wenn ihr etwas passiere und ihr Mann ausfällig werde (Protokoll vom 7.1.2012, Bl. 74).

Diese Übergabemodalität steht in einem deutlichen Widerspruch zu dem, was im Auswertungsgespräch als kindeswohlentsprechend erörtert wurde. Eine angenehme Atmosphäre, die die innere Erlaubnis der Mutter für den Umgang mit dem Vater in sich trägt, wurde so für H. nicht geschaffen.

Auch hier erklärte sie H. nicht die neue Übergabesituation und gab an, dass sie nicht den Eindruck hatte, das H. es schrecklich fand, er habe nichts dazu gesagt (a.a.O., Bl 75).

Am 18.12.2012 entzog das Gericht der Kindesmutter im Wege der einstweiligen Anordnung auf Antrag des Verfahrensbeistandes die elterliche Sorge.

Nach Erlass des Beschlusses bat sie eine Mitarbeiterin der Opferhilfe, den Umgang abzusprechen, weil sie sich nicht in der Lage sah, selbst mit dem Vater zu sprechen, obgleich eine Absprache wenigstens per SMS möglich gewesen wäre.

2. Fehlende Kommunikationsfähigkeit:

Die Kindesmutter ist nicht in der Lage, mit dem Kindesvater auf der Elternebene zu kommunizieren. Das zeigt sich beispielhaft auf der Ebene der Gesundheitssorge sowie ihres Auszuges aus dem Einfamilienhaus.

Auf Vorschlag des Verfahrensbeistandes sollte der Kindesvater die Kindesmutter zu einer Therapiestunde für H. bei Dr. R. begleiten. Damit war sie jedoch nicht einverstanden und erklärte dies später damit, dass H. seine Strukturen bräuchte und schließlich immer sie mit ihm allein zum Arzt gefahren sei.

Die Anschrift von Dr. R. teilte sie dem Kindesvater am 16.12 erst mit, als der sie im Pendelheft am 14.12. dazu schriftlich aufgefordert hatte.

Als die Kindesmutter in der Zeit vom 2.12. bis 5.12. aus dem Einfamilienhaus zu ihrem neuen Lebensgefährten auszog, teilte sie dies dem Kindesvater vorab nicht mit, obgleich über das Pendelheft eine Möglichkeit ohne Kontaktaufnahme gegeben war. Damit nahm sie in Kauf, gegen die gemeinsame Sorge zu verstoßen, weil ein Aufenthaltswechsel des Kindes bei gemeinsamer Sorge zustimmungspflichtig ist, zumindest wenn dies, wie hier, mit einer Ummeldung verbunden ist.

Wiederum hat die Mutter dem Kind diese neue Situation nicht erklärt, so dass es zu der Äußerung kam. ‚Vati, wieso schaffst Du mich hierher? Wir wohnen doch nicht mehr hier!'

Andererseits erklärt sie H., dass sie aus dem Haus ausziehen müssen, weil die Kindesmutter die Raten nicht zahlen kann und der Kindesvater keinen Unterhalt bezahlt (Bl. 32 d.A.). Dadurch wird er mit Dingen konfrontiert, die er noch nicht verstehen kann und die ihn überfordern. Gleichzeitig wird ihm die Ablehnung der Kindesmutter gegenüber seinem Vater vermittelt. Das bedeutet für ihn, dass er von der Mutter nicht die innere Erlaubnis hat, den väterlichen Anteil lieben zu lernen. Die Folge ist ein Loyalitätskonflikt und die Gefahr seelischer Störungen, die das Kindeswohl gefährden (§ 1666 Abs.1 Satz 1 BGB).

3. Fehlende Bindungstoleranz:

Neben der fehlenden Umgangstoleranz wiegt dieser Punkt am schwersten. Unter Bindungstoleranz versteht man die Fähigkeit der Eltern, bei einem Streit um das Sorgerecht den spannungsfreien Kontakt zum anderen Elternteil zuzulassen. Sie steht im Zusammenhang mit der Umgangstoleranz. Fehlende Bindungstoleranz ist ein starkes Indiz gegen die Erziehungseignung des Elternteils (Bauer in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 1671 BGB Rn 63).

Die fehlende Bindungstoleranz der Mutter kommt in der unberechtigten Dämonisierung des Vaters als Gewaltverbrecher zum Ausdruck.

Dies hat H. unmittelbar selbst erlebt, als er auf dem Beifahrersitz sitzend am 25.5.2012 mit dem Vater auf den Hof des Einfamilienhauses fuhr. Da rannten zwei Polizisten auf sie zu. Als der Vater ausgestiegen war, um seinen Sohn herauszunehmen, wurde er von einem Polizisten gegen das Auto gedrückt, ihm wurde der Arm auf den Rücken gedreht und Handschellen angelegt. Eine Polizistin führte H. weg.

Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass H. dies mitbeobachtet hat. Dafür spricht vor allem, dass er die Verhaftung an Weihnachten gegenüber dem Vater nachgespielt hat mit der Polizeistation, die ihm die Mutter schenkte (Protokoll vom 7.1., Bl 78).

Nach dem 25.5.2012 nässte H. ein, so dass er von der Mutter zu Dr. R. in die psychotherapeutische Behandlung gebracht wurde. Dabei hat sie nach ihren Angaben den Auftrag erteilt zu untersuchen, ob das Einnässen daran liegen könne, dass H. bei seinem Vater aggressives Verhalten kennengelernt habe.

Die Kindesmutter lässt vehement abstreiten, dass die Festnahme vor den Augen den Kindes erfolgte und legt eine eidesstattliche Versicherung der Großmutter (ms) vor, die die Festnahme vom Nachbargrundstück aus beobachtet haben will. Diese versichert an Eides Statt, dass die Beamten sehr ‚kindgerecht' gehandelt und die Festnahme nicht vor den Augen des Kindes vorgenommen hätten und H. es deshalb gar nicht mitbekam, dass die Polizei seines Vaters wegen da war.

Aufgrund der glaubhaften Angaben des unmittelbar beteiligten Kindesvaters sowie dem nachfolgenden Verhalten des Kindes (Einnässen, spielt Verhaftung nach) ist jedoch vom Gegenteil auszugehen.

Die Verächtlichmachung ist nicht auf die Paarebene begrenzt, sondern wird auf das soziale Umfeld und die Bezugswelt des Kindes ausgedehnt. Das bedeutet, dass nicht nur die jeweiligen Großeltern einbezogen wurden, sondern auch der Kindergarten und andere. Mit Ausnahme vielleicht der Kindergärtnerinnen besteht daher die Gefahr, dass die ‚eingeweihten' Personen H. eine Ablehnung oder Distanz zum Kindesvater vermitteln, die dieser nicht verstehen und verarbeiten kann.

Frau G. als Verfahrensbeistand hat zu Recht darauf hingewiesen, dass H. nur dann zu einem psychisch gesunden und stabilen Menschen heranwachsen könne, wenn er lernen dürfe, die Anteile von Vater und Mutter in sich zu lieben und zu achten. Er brauche die Erlaubnis, alle diese Anlagen zu Entfaltung zu bringen. Wenn der väterliche oder mütterliche Anteil aber in Frage gestellt sei, könne es zu destruktiven Schamgefühlen kommen und somit zur Unterdrückung der männlichen oder weiblichen Persönlichkeitsanteile und in der Folge zu psychischen Störungen (Bl.1f d.A.). Diese Gefahr sehe sie nun bei H..

Es darf angenommen werden, dass das Einnässen von H. seine Ursache in dieser Hinsicht hat. Die Kindesmutter selbst geht von einer psychischen Störung aus und hat H. deswegen in psychotherapeutische Behandlung bei Dr. R. gegeben, ohne allerdings den wahren Sachverhalt aufzuklären. Dadurch wurde der Arzt über mögliche Ursachen der Störung im Unklaren gelassen, wodurch die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt waren. Seit der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater nimmt dieser die Termine bei Dr. R. wahr und kann an der Therapie beteiligt werden.

Längerfristige Schäden können sich nach einer wissenschaftlichen Studie ergeben, die in den USA gefertigt wurde. Danach wurde jedes zweite Kind, das in seiner frühen Kindheit eine Dämonisierung des anderen Elternteils erlebt hatte, im jugendlichen Alter straffällig. Diese Jugendlichen sind psychisch nicht damit fertig geworden, dass ein Anteil in ihnen schlecht und böse sein soll.

Vor dem Hintergrund der oben dargestellten massiven Gefährdung des seelischen Wohls, die sich mit dem Einnässen wohl schon in einem Schaden manifestiert hat, war die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater geboten. Die Mutter lässt nicht erkennen, dass sie bereit ist, von ihrem beschriebenen Verhaltensmuster abzuweichen.

Der Kindesvater bietet eher die Gewähr, dass er der Kindesmutter bei der Erziehung des gemeinsamen Kindes einen respektvollen Platz einräumt und einen Umgang mit ihr wohlverhaltend fördert. In der Anhörung vom 7.1.2013 stimmte er einem umfangreicheren Umgang zu als er selbst bislang hatte. Der jetzt der Mutter gewährte Umgang kommt einem Wechselmodell gleich.

4. Die wahrheitswidrige Behauptung einer Vergewaltigung

Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Kindesmutter wahrheitswidrig behauptete, von ihrem Ehemann am 25.5.2012 vergewaltigt worden zu sein.

Dies ergibt sich aus dem forensisch - physiopsychologischen Gutachten (Polygraphentest) der Frau K. vom 7.1.2013 (eingeholt im Scheidungsverfahren 12 F 549/12), dem rechtsmedizinischen Gutachten der Frau Dr. E. (Strafakte 40 Ls 330 Js 6351/12 AG Bautzen) sowie der Würdigung der Aussagen der Kindesmutter bei der Polizei, dem Ermittlungsrichter, der Gutachterin, Dipl.-Psych. Frau K., sowie im familiengerichtlichen Verfahren.

a) Im Rahmen des Polygraphentests wurden der Kindesmutter folgende verdachtbezogene Fragen vorgelegt (hier der Vereinfachung halber von 1 bis 3 nummeriert):

1. Haben sie Ihren Schlüpfer am 25.5.2012 absichtlich zerrissen? Antwort: Nein, nach 4 Durchgängen mit einem Wert von -3

2. Haben Sie sich am 25.5.2012 absichtlich Kratzspuren an Ihrem Körper beigebracht? Antwort: Nein, nach 4 Durchgängen mit einem Wert von -4

3. Haben Sie am 25.5.2012 einvernehmlich mit Ihrem Ehemann den Geschlechtsverkehr ausgeführt? Antwort: Nein, nach 4 Durchgängen mit einem Wert von -6

Bei Werten von -3 und darunter lautet die Diagnose: ‚Die Frage wurde wahrheitswidrig verneint.'

Dem Kindesvater wurden folgende verdachtsbezogene Fragen vorgelegt:

1. Haben Sie am 25.5.2012 unter Anwendung von Gewalt den Geschlechtsverkehr mit Ihrer Frau ausgeführt? Antwort: Nein, mit einem Wert von +10

2. Haben Sie am 25.5.2012 gegen den erkennbaren Willen mit Ihrer Frau den Geschlechtsverkehr ausgeübt? Antwort: Nein, mit einem Wert von +3

3. Haben Sie am 25.5.2012 unter einer Drohung den Geschlechtsverkehr mit Ihrer Frau ausgeführt? Antwort: Nein, mit einem Wert von +7

Bei Werten von +3 und darüber lautet die Diagnose: ‚Die Frage wurde wahrheitsgemäß verneint.'

Die Testergebnisse besagen mithin, dass Frau P. die an sie gerichteten Fragen wahrheitswidrig verneint und Herr P. die an ihn gerichteten Fragen wahrheitsgemäß verneint hat.

Die Gutachterin weist darauf hin, dass die korrespondierenden Ergebnisse hier eine besonders hohe Zuverlässigkeit aufweisen, weil sich die verdachtsbezogenen Fragen jeweils auf unterschiedliche Aspekte desselben aufzuklärenden Vorfalls beziehen (Gutachten vom 7.1.2013, Bl.56).

aa) Das Gericht geht davon aus, dass das Ergebnis einer polygraphischen Befragung im Familienverfahren verwertbar ist. Beide Parteien haben der Durchführung eines Polygraphentests im Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren zugestimmt. Aus welchem Grunde sollte sonst ein Gutachten eingeholt werden? Eine Zustimmung der Parteien zu einem solchen Test impliziert die Zustimmung zur Verwertung der gewonnen Ergebnisse in einem familiengerichtlichen Verfahren. Andernfalls läge eine bedingte Zustimmung vor, bei der die Verwertung unter dem Vorbehalt stünde, dass das gewünschte Ergebnis erzielt wird. Es liegt in der Natur der Sache, dass dies bei konträrer Sachverhaltsschilderung - wie hier - kaum je der Fall sein wird.

Im familiengerichtlichen Verfahren wurden Polygraphentests für verwertbar erachtet u.a. durch das OLG Bamberg NJW 1995, 1684 und das OLG München FamRZ 1999, 674f. Ein Beschluss des OLG Dresden vom 31.3.2011 (Az.: 24 WF 1201/10) stützt sich u.a. darauf, dass ein Beteiligter nicht die ihm durch den Senat gebotene Möglichkeit genutzt hat, sich mit einem Polygraphentest zu entlasten.

Der BGH hat für das Strafrecht in seiner Entscheidung vom 17.12.1998 (Az. 1 StR 156/98 zitiert nach juris) u.a. entschieden, dass die polygraphische Untersuchung mittels des Kontrollfragentests zu einem völlig ungeeigneten Beweismittel iSd § 244 Abs.3 Satz 2 Alt.4 StPO führt (BGH a.a.O. Rn 42).

Dieser Entscheidung kann für den hier vorliegenden Fall einer familienrechtlichen Streitigkeit nicht gefolgt werden.

Der BGH argumentiert, dass das - auch hier angewendete - Kontrollfragenverfahren ungeeignet sei, weil es sich nicht um eine in den maßgebenden Fachkreisen allgemein und zweifelsfrei als richtig und zuverlässig eingestufte Methode handle. Ihr komme nach dem erreichten Forschungsstand auch unter Berücksichtigung der vorliegenden Validitätsstudien keinerlei Beweiswert zu (BGH a.a.O. Rn 44).

Zum einen könne man nicht davon ausgehen, dass sich bestimmte emotionale Zustände in entsprechenden Reaktionsmustern niederschlagen. Zum anderen seien schon die theoretischen Grundannahmen und -zusammenhänge des Kontrollfragenverfahrens wissenschaftlich nicht belegt (BGH a.a.O. Rn 45 f).

Einen gewissen indiziellen Beweiswert könnte nach Auffassung des BGH (a.a.O. Rn 55) das Verfahren nur dann haben, wenn eine hinreichend breite Datenbasis belegen würde, dass - warum auch immer - bestimmte gemessene Körperreaktionen mit einem Verhalten (hier: wahre oder unwahre Äußerung) in hohem Maße zusammenhängen. Diese Voraussetzung sei beim Kontrollfragenverfahren jedoch nicht erfüllt.

bb) Die im Jahr 1998 vom BGH vermisste konzeptionelle Absicherung ist u.a. eine Frage der Ausbildung der Befragungspersonen und einer Standardisierung der Befragung, soweit dies bei der Verschiedenheit der zu beurteilenden Lebenssachverhalte überhaupt möglich ist (BGH a.a.O. Rn 52: ‚inhaltlich nicht standardisierbar', aber Rn 51: Formulierung der Kontrollfragen wohl doch). Hier gibt es Vorgaben aus einzelnen Bundesstaaten der USA sowie anderer Länder, die den Test verwenden (vgl. Dettenborn, FPR 2003, 559, 563). Diese sind - soweit ersichtlich - in die Begründung des BGH, der sich auf die Situation in Deutschland beschränkte, nicht eingeflossen. Immerhin wird der Polygraphentest in 50 Ländern weltweit angewandt, u.a. auch in Polen und Belgien.

Hinsichtlich der für unzureichend gehaltenen Datenbasis, die einen Zusammenhang zwischen einer körperlichen Reaktion und einem Aussageverhalten belegen soll, wurde auf Studien in Deutschland verwiesen. Erfahrungen aus Ländern, in denen das Testverfahren zugelassen ist und in denen es seit Jahren angewandt wird, werden -soweit aus der Begründung ersichtlich - nicht in Bezug genommen.

cc) Das Urteil ist eine Revisionsentscheidung in einem Strafrechtsfall. Eine Zulassung dieser Methode für das Strafrecht allgemein hätte bedeutet, dass ein Täter alleine aufgrund einer polygraphischen Untersuchung hätte verurteilt werden können.

Eine solche Situation liegt hier nicht vor, weil eine Reihe von weiteren Indizien (BGH: ‚Außenkriterium', a.a.O. Rn 63) neben das Ergebnis des Polygraphentests treten und die Richtigkeit des Testergebnisses unabhängig von diesem verlässlich bestätigen (BGH a.a.O. Rn 63). Hierbei handelt es sich um das rechtsmedizinische Gutachten der Frau Dr. E. im Strafverfahren sowie eine Würdigung der Aussagen der Ehefrau. Außerdem bestätigt das bei dem Ehemann erzielte Untersuchungsergebnis das bei der Frau gemessene Untersuchungsergebnis, denn es liegen zwei auf denselben Sachverhalt bezogene Untersuchungen vor.

So bestätigen die weiteren Ermittlungsergebnisse (siehe hierzu unten 4 b) - d)) die Validität des Tests jeweils im konkreten Fall, ohne dass es der abstrakt erhobenen Datenbasis im Sinne einer allgemein gültigen Anerkennung des Testverfahrens bedürfte. Ob aus heutiger Sicht die Argumentation des BGH noch aufrecht erhalten werden kann, wäre gegebenenfalls unter Einbeziehung neuerer internationaler Studien zur Validität des Polygraphentests zu prüfen.

Soweit die konzeptionelle Herangehensweise gerügt wurde, ist dies im konkreten Fall durch das Gericht überprüfbar, wenn auch die Kontrollfragen vorgelegt werden und die Qualifikation des Gutachters bekannt ist. Beides ist hier der Fall und führt dazu, dass die Bedenken des BGH für diesen konkreten Fall überwunden werden können.

Die Gutachterin, Frau Diplom Psychologin Gisela G.K., wurde in den USA ausgebildet für die Durchführung von Polygraphentests. Sie ist seit 1996 als Sachverständige für Forensische Physiopsychologie zertifiziert von der Backster School of Lie Detection, San Diego/USA, ‚in accordance with the provisions of the American Polygraph Association'. Seit vielen Jahren führt sie bundesweit Polygraphentests im Auftrag von Gerichten, Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden und Privatpersonen durch. Ihre Qualifikation für die Durchführung dieser Tests steht außer Frage.

Die Kontrollfragen für diesen Test wurden mitgeteilt (Bl. 51 des Gutachtens). Es handelt sich dabei weder um extrem belastende noch erregende Kontrollfragen (z.B. nach traumatischen Erlebnissen des Befragten), so dass die Bedenken des BGH (BGH a.a.O. Rn 51) hier nicht greifen können.

dd) Der Polygraphentest bestätigt das mit herkömmlicher Methodik gefundene Ergebnis und gibt letzte Sicherheit. Tatsächlich wurden und werden seit dem genannten Urteil des BGH unzählige Polygraphentest von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden angefordert, um in dem Ringen um Wahrheit eine weiteres Erkenntnismittel zu nutzen. Der BGH, 3. Strafsenat vom 21.11.1969 (Az.: 3 StR 249/68 Rn 53, zitiert nach juris) entschied hierzu Folgendes:

‚Das Gebot der Wahrheitserforschung, das zu den grundlegenden, das gesamte Strafverfahren beherrschenden Prinzipien gehört, verpflichtet den Richter, jedes taugliche und erlaubte Mittel im Ringen um die Wahrheit einzusetzen. Der Richter muss die Beweismittel erschöpfen, wenn auch nur die entfernte Möglichkeit einer Änderung der durch die vollzogene Beweisaufnahme begründeten Vorstellung von dem zu beurteilenden Sachverhalt in Betracht kommt. Die Erfahrung lehrt, dass gerade die Beurteilung geistig-seelischer Vorgänge, die auch bei sorgfältiger Prüfung den Anschein voller Zuverlässigkeit bietet, durch die Erhebung eines weiteren Beweises doch wider Erwarten sich wesentlich ändern kann. In Grenzfällen wird der Richter daher eher ein Zuviel als ein Zuwenig tun müssen.'

Gleichwohl hat der BGH am 24.6.2003 (Az: VI ZR 327/02) für das Zivilverfahren entschieden, dass durch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs auch für das Zivilverfahren höchstrichterlich geklärt sei, dass die polygraphische Untersuchung mittels Kontrollfragen ein völlig ungeeignetes Beweismittel sei. Der BGH nimmt dabei Bezug auf seine Begründung in der 1998 in einem Strafverfahren ergangenen Entscheidung. Nach seiner Auffassung werden im Zivilverfahren die gleichen Anforderungen an die Eignung eines Beweismittels gestellt wie im Strafprozess (Rn 8, zitiert nach juris).

Dieser Entscheidung kann aus den o.g. Gründen für das hier vorliegende Familienverfahren nicht gefolgt werden. Sie stieß in der Fachliteratur auf erhebliche Kritik (vgl. Entscheidungsbesprechung von Dettenborn FPR 2003, 559 mw.Nw.). Ein wesentlicher Kritikpunkt besteht darin, dass der BGH an die Polygraphie Maßstäbe anlegt, die für die anderen vor Gericht zulässigen psychologischen Untersuchungsverfahren nicht minder gelten und dort aber nicht erfüllt werden (Dettenborn, a.a.O. 565).

b) Aus dem Rechtsmedizinischen Gutachten der Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin der TU Dresden, Frau PD Dr. med. E., vom 24.6.2012 sowie ihrem Ergänzungsgutachten vom 24.8.2012 ergibt sich, dass ‚die dokumentierten kratzerartigen Hautveränderungen eher das typische Bild von selbstbeigebrachten Verletzungen zeigen' (Gutachten vom 24.6. Bl 8) und dass ‚nach Kenntnis der Angaben der Zeugin in ihrer richterlichen Vernehmung aus gutachterlicher Sicht von selbstbeigebrachten Verletzungen auszugehen ist. Der geschilderte Hergang ist zum Verursachen der dokumentierten Verletzungen nicht nachvollziehbar.' (Ergänzungsgutachten vom 24.8.2012).

Dieses Ermittlungsergebnis korrespondiert mit dem Ergebnis der polygraphischen Untersuchung der Frau. Auf die Frage ‚Haben sie sich am 25.5.2012 absichtlich Kratzspuren an Ihrem Körper beigebracht?' verneint sie wahrheitswidrig mit einem Wert von -4 nach vier Durchgängen.

Dieses Ergebnis entspricht wiederum der Befragung des Mannes. Die Frage ‚Haben Sie am 25.5.2012 unter Anwendung von Gewalt den Geschlechtsverkehr mit Ihrer Frau ausgeführt? verneinte er wahrheitsgemäß mit einem Wert von +10.

In der richterlichen Vernehmung vom 12.7.2012 (Bl 193 d. Strafakte) gab sie an, dass sie sich die Verletzungen auf keinen Fall selbst beigebracht hätte.

Somit bestätigt die gutachterliche Stellungnahme der Frau Dr. E. diese Ergebnisse des Polygraphentests.

Hinzu kommt, dass entgegen ihrer Schilderung, dass sie von ihrem Mann mit großer Kraft an den Armen ‚gepackt' und auf das Bett geworfen sein soll, keine typischen Griffspuren (Hautunterblutungen) zu erkennen waren (Gutachten Frau K., Bl.34: ‚Er hielt mich an den Armen fest. Er hat so 'nen dollen Griff gehabt. Er hat mich ganz doll festgehalten....'). Auch an den übrigen Körperregionen fanden sich keinerlei Zeichen gröberer stumpfer Gewalteinwirkungen (rechtsmedizinisches Gutachten vom 24.6.2012, Bl.8, Bl. 176 der Strafakte). ‚Hinweise für ein mehrfaches gewaltsames Auseinanderdrücken der Oberschenkel - wie von der Zeugin angegeben - fanden sich auf den zur Verfügung gestellten Fotos nicht' (rechtsmedizinisches Gutachten vom 24.8.2012, Bl.4, Strafakte Bl.220).

Aufgrund der untersuchten Spurenlage, lässt sich daher die geschilderte Tat nicht nachvollziehen.

c) Aber auch die Angaben der Frau selbst zum Tathergang sind widersprüchlich und in wesentlichen Details lückenhaft, so dass sie nicht dazu führen können, die Unwahrhypothese zurückzuweisen (BGH, Urteil vom 30.07.1999 Az.: 1 StR 618/98, Rn 12 Zitiert nach juris).

Nach ihrer Schilderung habe ihr Mann sie nach oben in das Schlafzimmer gelockt, um ihr von oben ein Beet zu zeigen, das er umgegraben habe. Dann habe er das Fenster geschlossen und ihr erklärt, dass er jetzt mit ihr schlafen wolle, worauf sie dies abgelehnt habe. Dann habe er sie an den Armen gepackt und auf das Bett geschubst und sich auf sie drauf gelegt. Er habe mit seinen Armen auf ihre Oberarme gedrückt und ihr einen Arm auf den Rücken gedreht. Er habe ihr auch mit einer Hand den Mund zugehalten. Er drückte ihre Beine auseinander. Sie hielt den Schlüpfer fest. Er drang in sie ein.

Aus der Sachverhaltsschilderung vor der Polizei, dem Ermittlungsrichter und der Gutachterin, Frau K., ergibt sich kein lückenloser und widerspruchsfreier Tatablauf.

Es ergibt sich weder, wie und wann der Mann seine Hose ausgezogen haben will, noch wird selbst nach eindringlichem Fragen deutlich, wie ihre Jeanshose ausgezogen oder heruntergezogen wurde.

Nach ihren Angaben hatte ihr Mann eine blaue Unterhose und ein weißes T-Shirt an. Auf die Frage, ob er von vornherein gar keine lange Hose angehabt hatte, konnte sie keine Antwort geben (‚Das ist gar nicht mehr wichtig...ich weiß das gar nicht mehr richtig.', Gutachten Frau K., B.40, ‚Ich weiß nicht, ob er die an hatte oder aus hatte. Ich weiß das gar nicht mehr richtig. Ich glaub', die hatte er aus, weil wo er fertig war, dann ist er einfach weggegangen und hat sich -, sich waschen gegangen.' a.a.O. Bl.41). Nach dem von ihr geschilderten Tatablauf äußerte der Mann nach dem Schließen des Fensters die Absicht mir ihr schlafen zu wollen und packte sie dann sogleich an den Armen und warf sie aufs Bett. Allerdings hätte er vor der Durchführung des Geschlechtsverkehrs die Hose ausziehen müssen. Hierzu machte die Kindesmutter keine Angaben und konnte sich auch nicht erinnern. Dass ihr Mann sie bereits in der Unterhose im Erdgeschoss empfangen hat, trägt sie nicht vor und ist auch nicht wahrscheinlich, denn nach ihren Angaben folgte sie ihm völlig ‚blauäugig' und damit arglos in das Schlafzimmer.

Vor dem Ermittlungsrichter (Bl. 189 der Strafakte) gab sie an, dass ihre Hose runtergezogen war, sie hatte sie aber immer noch an. Wie weit die Hose runter war, wisse sie nicht mehr. Etwas später erklärt sie in dieser Vernehmung, als es um das Auseinanderdrücken der Beine geht, dass sie die Jeanshose nicht mehr angehabt habe.

Nach ihren Darstellungen bei allen Vernehmungen wurde sie von ihrem Mann immer ‚irgendwie' festgehalten und er ‚lag auf ihr drauf'. Hier ist nicht nachvollziehbar, wie die Jeanshose ausgezogen oder runtergezogen wurde. Wurde die Jeanshose nur teilweise runtergezogen - wie auch immer - so ist nicht nachvollziehbar, wie die Beine dann auseinandergedrückt werden konnten. Offenbar ist das der Zeugin selbst klar geworden, denn dieser Stelle der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter gab sie dann an, dass sie die Hose nicht mehr an hatte.

Als sie zu ihrer Jeanshose von Frau K. befragt wurde, sagte sie u.a (Bl. 38 Gutachten Frau K.): ‚Ich hab' versucht meine Jeans festzuhalten, aber ich kriegte das nicht hin.... er hat doch da ooch rumgezogen und gemacht und -... aber an manche Sachen, wie gesagt, kann ich mich jetzt ooch so schlecht erinnern.' Bei Nachfragen verweist sie immer wieder auf Erinnerungslücken.

Unklar bleibt auch, wie genau sie auf das Bett zu liegen kam. Sie gibt an ‚halt eben auf's Bett geworfen und runtergedrückt' worden zu sein (Gutachten Frau K. Bl.28). Eine genauere Schilderung konnte sie auch auf Nachfrage nicht geben. Dann gab sie in der polizeilichen Vernehmung an, dass sie auf der linken Hand lag und mit der rechten Hand den Schlüpfer festhielt (Bl. 72 der Strafakte), dann äußerte sie vor dem Ermittlungsrichter, dass ihr der rechte Arm auf den Rücken gedrückt wurde und sie auf dem rechten Arm lag. Der linke Arm sei frei gewesen (Bl.192 der Strafakte). Als ihr der Widerspruch vorgehalten wurde, erklärte sie, dass sie jedenfalls auf einem Arm lag.

Widersprüchlich sind auch ihre Angaben zum Randgeschehen. Gegenüber der Polizei am 30.5.2012 gab sie an (Bl 72 der Strafakte), dass sie am Morgen des 25.5.2012 auf der Toilette gesessen habe, als ihr Mann ins Bad kam mit seinem erigierten Penis und verlangte sie solle ihn in den Mund nehmen und ihn oral befriedigen. Bereits am Tattag hatte sie dieses vorgebliche Erlebnis der am Tatort ermittelnden Polizeibeamtin berichtet (Bl. 16 der Strafakte). Vor dem Ermittlungsrichter erwähnte sie dieses Geschehen nicht mehr. Auch bei der Gutachterin Frau K. (Bl.33 Gutachten Frau K.) erwähnte sie dies auf ausdrückliche Nachfrage nicht. Davor hatte sie davon berichtet, dass ihr Mann die Wochen zuvor früh ins Bad kam und ‚war halt erregt und wollte, dass ich halt den Penis in den Mund nehme..'. Auf Frage der Gutachterin: ‚Sie sagen, die Wochen davor. Und wie wars an diesem Tag?' Frau P.: ‚Da hatte er gar nicht irgendwie was gesagt gehabt. Gar nicht. Deshalb bin ich total blauäugig eigentlich mit hoch gegangen...'.

Dieses Aussageverhalten lässt nur den Schluss zu, dass die Frau P. am Tattag um jeden Preis den aus ihrer Sicht möglichst glaubhaften Eindruck vortäuschen wollte, vergewaltigt worden zu sein. Dazu passt auch, dass sie nach der Tat zwar - nachdem sie ihren Freund angerufen hatte - die Schuhe anzog, die Hose aber ostentativ offen ließ, als sie zu ihrer Nachbarin, Frau S., die auch Sekretärin ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten ist, lief, um Hilfe zu holen (Bl.4 der Strafakte).

Die Aussage der Kindesmutter erreicht durch ihre Lückenhaftigkeit und Detailarmut nicht die Qualität, die der BGH bei einer Fallkonstellation ‚Aussage gegen Aussage' für eine Verurteilung fordert. Danach müssen die ‚Feststellungen sowohl hinsichtlich der äußeren Umstände (Ort, Zeit oder Anlass der Begehung) als auch hinsichtlich der Darstellung des eigentlichen Tathergangs so bestimmt sein, dass sich der Angeklagte - sei es durch ein Alibi, sei es durch Erschütterung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Belastungszeugen - ausreichend verteidigen kann.' (BGH, Beschluss vom 19.05.1993 Az.: 4 StR 237/93 LS zitiert nach juris).

Unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kindesmutter die Vergewaltigung vorgetäuscht hat.

d) Das Motiv für ihre wahrheitswidrigen Angaben liegt darin, dass sie sich aus einer von ihr als belastend empfundenen Ehe befreien wollte. Seit einiger Zeit hegte sie Trennungsabsichten. Am Morgen des Tattages hatte sie Frau Rechtsanwältin Q. angerufen, um einen Termin für ein Beratungsgespräch zu vereinbaren, weil sie die Scheidung wollte (Bl.71 Gutachten Frau K.). Sie konnte und wollte nicht mehr (Gutachten Frau K. Bl.22). Zu den finanziellen Belastungen für das junge Ehepaar aus dem neu gebauten Eigenheim, kamen die Belastungen wegen des Kindes, das stark an Bronchitis litt. Wegen diesbezüglicher häufiger Fehltage verlor die Kindesmutter sogar ihren Arbeitsplatz bei der Bäckerei F. ..." (AG Bautzen, Beschluss vom 28.01.2013 - 12 F 1032/12)

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Allein ein Verstoß gegen das Hessische Kindergesundheitsschutzgesetz rechtfertigt keine familiengerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 BGB. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert noch andere Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung (AG Büdingen, Beschluss vom 07.12.2012 - 53 F 815/12):

„... Das Jugendamt wurde am 28. September 2012 darüber informiert, dass das Kind nicht im vorgesehenen Zeitraum zur Vorsorgeuntersuchung U8 vorgestellt wurde. In der anschließenden Korrespondenz weigerten sich die Kindeseltern, die U-Untersuchung nachzuholen oder das Kind einem Arzt vorzustellen. Das Jugendamt hat daraufhin mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 einen Antrag auf Anhörung nach § 8a Abs. 3 SGB VIII eingereicht. In der Anhörung haben die Eltern ihre Meinung zum Hessischen Kindergesundheitsschutz-Gesetz näher dargelegt und ausgeführt, dass sie keinen Grund sähen, das Kind gegen seinen Willen und damit zwangsweise einem Arzt vorzustellen.

Nach den §§ 1666, 1666a BGB hat das Familiengericht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wobei nach § 1666a BGB Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, nur zulässig sind, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfe, begegnet werden kann.

Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen liegt eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes nicht vor. Allein die Tatsache, dass die Eltern eine nach § 1 des Hessischen Kindergesundheitsschutz-Gesetzes (KiGesSchG HE) verbindliche Vorsorgeuntersuchung nicht durchführen ließen, kann eine derartige Gefährdung im Ergebnis nicht begründen.

Der Umstand, dass die Eltern ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachkommen wollen, war zwar ausreichend Anlass für das Jugendamt tätig zu werden und am Ende auch das Familiengericht einzuschalten, rechtfertigt für sich alleine aber keine Maßnahmen nach § 1666 BGB.

Die Vorsorgeuntersuchungen sind grundsätzlich geeignet, gesundheitliche Risiken so früh wie möglich zu erkennen. Sie haben sich auch als Instrument der Gesundheitsvorsorge für Kinder bewährt. Eine verpflichtende Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen ist daher auch grundsätzlich geeignet, das Ziel des Gesundheitsschutzes und die Verhinderung von Kindeswohlgefährdungen im Spannungsverhältnis zum Elternrecht zu wahren. Das hessische Kinderschutzgesetz verstößt daher auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 und 2 GG (vgl. VG Frankfurt, Beschluss vom 11. Mai 2012, 7 L 1079/12 F).

Aus der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass das Gesetz dem Schutz vor Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch der Kinder dienen soll (vgl. Hessischer Landtag, Drucksache 16/7796, Seite 1). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass bei einem Verstoß gegen das Gesetz automatisch eine Kindeswohlgefährdung anzunehmen wäre. Nach § 3 Abs. 1 KiGesSchG HE ist bei einem Verstoß das Jugendamt zu benachrichtigen. Ein Verstoß gegen das KiGesSchG HE bedeutet demnach nur, dass das Jugendamt und wenn die Eltern den Aufforderungen des Jugendamtes nicht folgen über eine Mitteilung nach § 8a SGB VIII das Familiengericht in Ausübung des staatlichen Wächteramtes (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) eine Kindeswohlgefährdung zu überprüfen haben.

Die Eltern haben detailliert dargelegt, dass sie ihr Kind zu einer Vorsorgeuntersuchung nicht zwingen wollen und dass ein Arztbesuch auch keinen Sinn machen würde, weil ihr Kind sich in einer Autonomiephase befände und eine ärztliche Untersuchung verweigern würde.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob es nicht dennoch verantwortungsvoller wäre, das Kind zu einer entsprechenden Vorsorgeuntersuchung zu zwingen, da diese Untersuchungen sich in den letzten Jahrzehnten bewährt haben. Nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Es obliegt daher auch in erster Linie Ihnen, ob sie etwaige gesundheitliche Risiken ihrer Kinder, die im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen rechtzeitig erkannt werden könnten, in Kauf nehmen wollen oder nicht. Familiengerichtliche Maßnahmen nach den § 1666 BGB sind aber erst dann möglich, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet ist. Ein etwaiges gesundheitliches Risiko stellt aber noch keine tatsächliche Gefahr dar und weitere Anhaltspunkte für eine derartige Gefahr haben sich weder aus der Anhörung der Eltern noch des Kindes ergeben. ..."

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Die behördliche Anordnung der Urnenbestattung gegenüber der leiblichen Tochter des Verstorbenen ist ausnahmsweise unbillig, wenn dem Verstorbenen (gleichzeitig mit dem anderen Elternteil) das Sorgerecht gemäß § 1671 Abs. 5 BGB a.F. (i.d.F. des Gesetzes vom 18. Juli 1957, BGBl. I S. 609) gerichtlich entzogen worden war, weil damit sinngemäß eine Kindeswohlgefährdung durch das Verhalten des Verstorbenen festgestellt worden war. Gestörte oder zerrüttete Familienverhältnisse, fehlende Bindung und vernachlässigte familiäre Pflichten begründen allein ebenso wenig eine Unbilligkeit, wie das Ausschlagen des Erbe des Verstorbenen (VG Oldenburg, Urteil vom 05.09.2012 - 5 A 1368/11).

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§ 1666 a BGB Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen

(1) Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mitbewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.

(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.

Leitsätze/Entscheidungen:

1a. Kinder haben nach Art 2 Abs 1 und Abs 2 S 1 iVm Art 6 Abs 2 S 2 GG einen Anspruch auf den Schutz des Staates, wenn die Eltern ihrer Pflege- und Erziehungsverantwortung nicht gerecht werden oder wenn sie ihrem Kind den erforderlichen Schutz und die notwendige Hilfe aus anderen Gründen nicht bieten können (zur Schutzverantwortung des Staates vgl BVerfG, 29.07.1968, 1 BvL 20/63, BVerfGE 24, 119 <144>; BVerfG, 19.02.2013, 1 BvL 1/11, BVerfGE 133, 59 <73 Rn. 42>).
1b. Ist das Kindeswohl gefährdet, ist der Staat nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen; das Kind hat insoweit einen grundrechtlichen Anspruch auf den Schutz des Staates (vgl BVerfG, 16.01.2003, 2 BvR 716/01, BVerfGE 107, 104 <117>).
1c. Diese Schutzpflicht gebietet dem Staat im äußersten Fall, das Kind von seinen Eltern zu trennen oder eine bereits erfolgte Trennung aufrechtzuerhalten. Zwar ist stets dem grundsätzlichen Vorrang der Eltern vor dem Staat Rechnung zu tragen (Art 6 Abs 2 Satz 1 GG; Art 6 Abs 3 GG). Genügen allerdings helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen zur Zielerreichung nicht, so darf und muss der Staat den Eltern die Erziehungs- und Pflegerechte vorübergehend, ggf sogar dauernd entziehen (vgl BVerfGE 24, 119 <144f>; BVerfG, 24.06.2014, 1 BvR 2926/13, BVerfGE 136, 382 <391 Rn 28>; BVerfG, 19.11.2014, 1 BvR 1178/14 <Rn 23>; stRspr ).
1d. Ob die Trennung des Kindes verfassungsrechtlich zulässig und zum Schutz der Grundrechte des Kindes verfassungsrechtlich geboten ist, hängt regelmäßig von einer Gefahrenprognose ab.
2a. Hält das Gericht eine Trennung des Kindes von den Eltern nicht oder nicht mehr für erforderlich, obwohl Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie oder bei einer Rückkehr dorthin in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist, hält die Entscheidung verfassungsgerichtlicher Kontrolle am Maßstab des Art 6 Abs 2 S 2 GG grds nur dann stand, wenn das Gericht in Auseinandersetzung mit den für eine nachhaltige Gefahr sprechenden Anhaltspunkten nachvollziehbar begründet, warum eine solche Gefahr für das Wohl des Kindes nicht vorliegt.
2b. Einer näheren Begründung bedarf es regelmäßig insb dann, wenn das Gericht nicht der Einschätzung der Sachverständigen oder der beteiligten Fachkräfte folgt, es liege eine die Trennung von Kind und Eltern gebietende Kindeswohlgefährdung vor (vgl BVerfG, 14.04.2021, 1 BvR 1839/20 <Rn 20>).
3. Zum strengen Kontrollmaßstab bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, die die Frage der Trennung des Kindes von seinen Eltern oder des Aufrechterhaltens einer Trennung zur Abwendung einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung betreffen, siehe bereits BVerfGE 136, 382 (391 Rn 28); BVerfG, 03.02.2017, 1 BvR 2569/16 (Rn 52); stRspr.
4. Hier: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde der Verfahrensbeiständin eines Kleinkindes gegen eine Entscheidung über dessen Rückführung von seinen Pflegeeltern zu seinem Vater (§ 1632 Abs 4 BGB) trotz Gefährdung des Kindeswohls.
4a. Die angegriffene Entscheidung legt nicht hinreichend dar, sich eine ausreichend zuverlässige Grundlage für die Prognose über die dem Kind drohenden Beeinträchtigungen verschafft zu haben, und weicht dennoch von den Empfehlungen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin sowie des Ergänzungspflegers ab (wird ausgeführt).
4b. Zudem übergeht das OLG in seiner Abwägung erhebliche Umstände, die für eine Gefährdung des Kindeswohls bei der Betreuung durch den Vater sprechen (wird insb mit Blick auf Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und -willigkeit der im Entscheidungszeitpunkt mit dem Vater zusammenlebenden Mutter des betroffenen Kindes ausgeführt).
5a. Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der der Vollzug der angegriffenen Rückführungsentscheidung einstweilen außer Vollzug gesetzt wurde, siehe den Kammerbeschluss vom 07.03.2022, 1 BvR 65/22.
5b. Ablehnung des Antrags der im vorliegenden Verfahren äußerungsberechtigten Mutter des betroffenen Kindes (§ 94 Abs 3 BVerfGG) auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts mangels Vorbringens neuer Gesichtspunkte (zum Maßstab: BVerfG, 24.01.1995, 1 BvR 1229/94, BVerfGE 92, 122 <123ff>). (BVerfG, Beschluss vom 05.09.2022 - BvR 65/22, juris-Orientierungssätze)

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Entziehung des Sorgerechts für ein Kind, das im Waisenhaus untergebracht ist (BVerfG, Beschluss vom 14.06.2014 - 1 BvR 725/14 - Volltext unter § 1666 BGB).

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Entzug der elterlichen Sorge ohne hinreichende Begründung einer Kindeswohlgefährdung und unzureichende Verhältnismäßigkeitsprüfung verletzt betroffenen Elternteil in Grundrecht aus Art 6 Abs 2 S 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 28.02.2012 - 1 BvR 3116/11 - Volltext unter § 1666 BGB).

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Die durch Art. 6 II 1 GG garantierte primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern für die Pflege und Erziehung ihrer Kinder beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden könnten. Die Eltern und deren sozio-ökonomischen Verhältnisse gehören grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Zum Wächteramt des Staates zählt nicht die Aufgabe, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 II 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen. Voraussetzung der Entziehung der elterlichen Sorge ist gem. § 1666 BGB eine Gefährdung des Kindeswohls, also ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr, dass sich bei seiner weiteren Entwicklung eine erhebliche Schädigung mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Die hinreichende Tatsachengrundlage dafür ist vom Gericht näher darzutun (BVerfG, Beschluss vom 29.01.2010 - 1 BvR 374/09, NJW 2010, 2333 ff).

*** (BGH)

Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird, dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerer der drohende Schaden wiegt. Die Aufzählung der Ge- und Verbote in § 1666 Abs. 3 BGB ist nicht abschließend, so dass auch andere zur Abwendung der Gefahr geeignete Weisungen in Betracht kommen. Soweit diese einen erheblichen Eingriff in Grundrechte der Betroffenen bedeuten, ist die Regelung in § 1666 Abs. 1 und 3 BGB nur dann eine ausreichende Grundlage, wenn es sich um die in § 1666 Abs. 3 BGB ausdrücklich benannten oder diesen vergleichbare Maßnahmen handelt. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer gerichtlichen Maßnahme nach § 1666 BGB ist auch das Verhältnis zwischen der Schwere des Eingriffs in die elterliche Sorge und dem Grad der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für das Kind zu beachten. Die - auch teilweise - Entziehung der elterlichen Sorge ist daher nur bei einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, nämlich ziemlicher Sicherheit, verhältnismäßig (Fortführung von Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011, XII ZB 247/11. FamRZ 2012, 99; BGH, Beschluss vom 23.11.2016 - XII ZB 149/16).

***

Lebt ein Kind in einer Pflegefamilie und verlangen die Eltern die Rückführung des Kindes, muss der Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB als im Verhältnis zu einem Sorgerechtsentzug milderes Mittel erwogen werden. Ergibt sich die Gefährdung des Kindeswohls allein daraus, dass das Kind zur Unzeit aus der Pflegefamilie herausgenommen und zu den leiblichen Eltern zurückgeführt werden soll, liegt in der Regel noch kein hinreichender Grund vor, den Eltern das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen (BGH, Beschluss vom 22.01.2014 - XII ZB 68/11 - Volltext unter § 1666 BGB).

***

Die Regelung in § 18 FamFG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass die Frist zur Nachholung der Begründung der Rechtsbeschwerde nicht zwei Wochen, sondern einen Monat beträgt (im Anschluss an BGH, 4. März 2010, V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 und BGH, 29. Mai 2008, IX ZB 197/07, NJW 2008, 3500). Zur Beseitigung einer Gefährdung des Kindeswohls (hier: Umgangsvereitelung und massive Beeinflussung des Kindes durch die allein sorgeberechtigte Mutter gegen den Vater) darf nur das mildeste Mittel gewählt werden. Vor Entziehung des - gesamten - Aufenthaltsbestimmungsrechts wegen Umgangsvereitelung ist eine Umgangspflegschaft einzurichten. Davon kann nur bei offensichtlicher Aussichtslosigkeit abgesehen werden. Auch bei Wahl des mildesten Mittels hat ein Eingriff in das Sorgerecht (hier: Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Zweck der Heimunterbringung) zu unterbleiben, wenn dieser mit anderweitigen Beeinträchtigungen des Kindeswohls einhergeht und bei einer Gesamtbetrachtung zu keiner Verbesserung der Situation des gefährdeten Kindes führt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984, IVb ZB 73/83, FamRZ 1985, 169, 171; BGH, Beschluss vom 26.10.2011 - XII ZB 247/11 - zu §§ 1666, 1666a BGB, 1684 BGB, §§ 18, 26 FamFG).

*** (OLG)

Bei einer Weigerung der Eltern, das Kind eine Schule besuchen zu lassen, kommt eine Kindeswohlgefährdung in Betracht, auch wenn die Eltern auf andere Weise für eine hinreichende Wissensvermittlung und sonstige Entwicklung des Kindes sorgen. Allein die Möglichkeit von schulrechtlichen Maßnahmen entbindet das Familiengericht nicht von der Pflicht, bei Schulverweigerung eine Kindeswohlgefährdung zu prüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.01.2023 - 5 UF 188/22).

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§§ 1666, 1666a BGB ermöglichen lediglich ein staatliches Einschreiten zur Abwehr einer konkreten Kindeswohlgefährdung, nicht die Durchsetzung einer bestmöglichen Förderung des jeweils betroffenen Kindes. Im Falle einer Schulverweigerung kann nicht automatisch eine Kindeswohlgefährdung angenommen werden, sondern alle wesentlichen Aspekte des konkreten Einzelfalls sind zu ermitteln und hinsichtlich einer konkreten Kindeswohlgefährdung zu bewerten. Allgemeine Erwägungen reichen zur Begründung einer konkreten und erheblichen Gefährdung im Sinne des § 1666 Abs. 1 BGB nicht aus. Für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen ist nicht Aufgabe des Familiengerichts. Vielmehr stehen der Schulbehörde hierfür die sich aus Art. 118, 119 i.V.m. Art. 35 BayEUG ergebenden Maßnahmen zur Verfügung, die von dieser in eigener Zuständigkeit zu prüfen sind (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.11.2021 - 2 UF 220/20).

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Die Anordnung eines Umgangs im Wechselmodell ist ausgeschlossen, wenn die Eltern nicht in der Lage sind, die zwischen ihnen bestehenden Konflikte einzudämmen und sich bei ihrem Handeln allein von den Bedürfnissen des gemeinsamen Kindes leiten zu lassen, sondern egoistische Motive verfolgen. Eine von den Eltern vereinbarte, individuelle Regelung zum Umgang mit dem Kind trägt regelmäßig die Vermutung in sich, mit dem Kindeswohl am besten im Einklang zu stehen. Die gemeinsam getroffene Elternentscheidung indiziert die Kindeswohlgemäßheit, und deshalb kann einer gerichtlichen Entscheidung in einer Umgangssache die von den Eltern erzielte Einigung grundsätzlich zugrunde gelegt werden (KG Berlin, Beschluss vom 26.11. 2020 - 16 UF 138/19).

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Elterliche Sorge für IS-Rückkehrerin: Die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung (hier: Islamischer Staat in Syrien) rechtfertigt nach der Rückkehr der Eltern und der im Ausland geborenen Kinder nach Deutschland ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keinen mit der Trennung der Kindern von den Eltern verbundenen Entzug der elterlichen Sorge. Werden die Eltern nach ihrer Rückkehr inhaftiert, und wünschen sie für die Dauer ihrer Inhaftierung eine Unterbringung der Kinder bei einem ebenfalls in Deutschland lebenden aufnahmebereiten Großelternteil, setzt ein Entzug der elterlichen Sorge zum Zwecke der Fremdunterbringung der Kinder voraus, dass das Wohl der Kinder im Haushalt des Großelternteils konkret gefährdet wäre. Dass der Großelternteil selbst unter Betreuung steht, reicht für die Feststellung einer mit der Aufnahme in seinen Haushalt verbundenen Gefährdung des Kindeswohls ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht aus. Allerdings setzt die Aufnahme von vier nach der Inhaftierung der Eltern in Obhut genommenen Kindern im Alter zwischen einem und vier Jahren in den Haushalt des ihnen bislang nicht persönlich bekannten, selbst auf Unterstützung angewiesenen Großelternteils voraus, dass - ggf. mit Hilfe des örtlich zuständigen Jugendamts - vorab geklärt ist, wie die Kinder in der Wohnung untergebracht werden und welche Kinderausstattung dort noch benötigt wird, wie die Kontaktanbahnung zu dem Großelternteil erfolgen soll und welche konkrete Unterstützung - durch Familienangehörige und durch öffentliche Hilfen bzw. Einrichtungen - der Großelternteil bei der Betreuung und Versorgung der Kinder erhält (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.05.2020 - 4 UF 82/20).

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Die Folgenabwägung zur Prüfung einer einstweiligen Entziehung der elterlichen Sorge ist nicht von einem bestimmten Ausmaß der Aufklärung des Sachverhalts abhängig. Die Beurteilung, ob die mit dem Unterlassen der Anordnung verbundenen Nachteile schwerer wiegen als die Folgen einer sich schließlich als unnötig erweisenden Anordnung, ist schon dann möglich, wenn nur wenig Umstände bekannt sind oder wenn die Zuverlässigkeit des Mitgeteilten noch fraglich erscheint. Allein die Unvollständigkeit oder die Unsicherheit der Tatsachengrundlage kann nur dann zur Beanstandung einer einstweiligen Anordnung führen, wenn so wenig oder so vage Anhaltspunkte ersichtlich sind oder wenn die Erkenntnisquellen so unzuverlässig sind, dass selbst eine Folgenabschätzung auf dieser Grundlage nicht möglich ist und ein Grundrechtseingriff deshalb nicht gerechtfertigt werden kann. Eine einstweilig angeordnete Familientrennung scheitert nicht ohne Weiteres daran, dass die bislang mögliche und vorgenommene Sachverhaltsaufklärung hinter derjenigen zurückbleibt, die im Verlaufe eines Hauptsacheverfahrens zu verlangen ist. Die Grundrechte sowohl der Eltern als auch des Kindes stehen einem schweren Eingriff auf unsicherer Tatsachengrundlage nur entgegen, wenn der zu erwartende Schaden gering sein wird und zudem in noch zeitlicher Ferne liegt. Der Entwicklung eines jugendlichen Kindes, das sich aus Misstrauen und im Schutz- und Abwehrinteresse dem erzieherischen Einfluss Erwachsener vollständig verschließt und verweigert, droht schwerwiegender Schaden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 07.02.2019 - 13 UF 8/19).

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Eine Gefährdung des Kindeswohls ist bereits in dem Anfertigen der Bilder von den eigenen Töchtern in kinderpornografischer Pose zu sehen, ganz gleich, ob diese für eigene Zwecke oder aber zur Weiterleitung an andere Personen angefertigt wurden. Bereits durch das Abfotografieren der Kinder in diesen eindeutig sexualisierten bzw. kinderpornografischen Positionen liegt eine Degradierung der Mädchen zu einem bloßen Sexobjekt und eine sexuelle Ausbeutung zu pornografischen Aktivitäten und hiermit verbunden der naheliegende Eintritts eines Schadens für die körperliche und psychische Unversehrtheit der Mädchen. Nach dem im einstweiligen Anordnungsverfahren anzulegenden Prüfungsmaßstab ergibt sich daraus auch eine Kindeswohlgefährdung für die erst wenige Monate alte und damit besonders vulnerable Schwester der bislang betroffenen Mädchen. Insofern besteht nach Auffassung des Senats die erhebliche und nachhaltige Gefahr, dass auch der Säugling vom Lebensgefährten der Kindesmutter zur Befriedigung eigener und fremder sexueller und kinderpornografischer Interessen missbraucht würde. Bereits der einmalige Missbrauch begründet aber die Gefahr einer schwerwiegenden Schädigung des Kindes (vgl. BGH NJW 2017, 1032 = FamRZ 2018, 212), welchem zudem aufgrund seines sehr jungen Alters jede Möglichkeit fehlt, sich zu wehren oder Dritten anzuvertrauen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2018 - 1 UF 4/18).

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Zum Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bei psychischer Belastung der Mutter und Gefahr der Parentifizierung des Kindes. Zu den Anforderungen an die Feststellung einer Kindeswohlgefährdung bei verbleibenden Verdachtsmomenten hinsichtlich einer Verletzung der körperlichen Integrität des Kindes und Fehlen weiterer Aufklärungsmöglichkeiten (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.10.2017 - 18 UF 154/17 - Auszug aus den Beschlussgründen befindet sich unter § 1666 BGB).

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In einem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 1666 BGB ist das betroffene Kind grundsätzlich persönlich anzuhören. Ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach den §§ 1666, 1666a BGB kommt nur bei akuten und unmittelbar bestehenden bzw. unmittelbar bevorstehenden erheblichen Gefährdungen des Kindeswohls in Betracht, bei denen ein Hauptsachverfahren nicht abgewartet werden kann. Eine "vorsorgliche" Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts ist unzulässig. Für ein sofortiges Eingreifen des Jugendamtes in Gefahrensituationen stellt § 42 SGB VIII eine ausreichende Rechtsgrundlage dar (OLG Schleswig, Beschluss vom 14.04.2014 - 10 UF 19/14).

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Sofern ein hochbegabtes Kind aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten "unbeschulbar" ist, die allein sorgeberechtigte Kindesmutter eine erforderliche Begutachtung aber verhindert, kann ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung u.a. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Bereich der Gutachtenerstattung entzogen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 17.02.2014 - 4 UFH 1/14).

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Verweigert ein sorgeberechtigter Elternteil im Verfahren nach §§ 1666, 1666a BGB die Zustimmung zur Durchführung einer Haaranalyse bei seinem Kind, obwohl aufgrund zweier vorangegangener Haaranalysen feststeht, dass in der Umgebung des Kindes mit Drogen umgegangen wurde, so kann das Familiengericht die Zustimmung des Elternteils im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 1666 Abs. 3 Nr. 5 BGB ersetzen (OLG Bremen, Beschluss vom 10.02.2014 - 4 UF 7/14).

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Der wesentliche Inhalt der Kindesanhörung kann - außer in der Sitzungsniederschrift oder einem gesonderten Aktenvermerk - auch im tatbestandlichen Teil der die Instanz abschließenden Entscheidung wiedergegeben werden. Dann muss das Anhörungsergebnis aber vollständig, im Zusammenhang und frei von Wertungen des Gerichts dargestellt werden. Nur auf einen dahingehenden Willen zweier 14 bzw. 15 Jahre alten Kinder kann ein Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasten des für sie sorgeberechtigten Elternteils oder der Erlass einer Verbleibensanordnung zu Gunsten ihrer Großeltern nicht gegründet werden. Vielmehr bedarf es hierfür der Feststellung, dass das Kindeswohl allein dadurch bereits nachhaltig gefährdet wäre, wenn man dem Kindeswillen nicht nachgäbe. Davon kann in Abwesenheit belastbarer Anhaltspunkte jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn der sorgeberechtigte Elternteil sich zwischenzeitlich von seinem Lebensgefährten getrennt hat, mit dem die Kinder nicht ausgekommen waren, die Kinder ein gutes und entspanntes Verhältnis zu dem ihnen vertrauten sorgeberechtigten Elternteil haben, bei dem sie bis zu ihrem 13. bzw. 14. Lebensjahr aufgewachsen sind, den sie regelmäßig besuchen und bei dem sie auch gelegentlich übernachten (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 31.05.2012 - 6 UF 20/12 zu §§ 1632 IV, 1666 BGB, 1666a BGB, 29 III , 159 FamFG).

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Vorrangige Maßnahmen nach § 1666a BGB sind die öffentlichen Hilfen nach den §§ 11 bis 40 SGB VIII. Das Gericht kann gegenüber den Eltern anordnen, solche Hilfen in Anspruch zu nehmen, wenn sie sich im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als milderes Mittel darstellen. Das Jugendamt hat grundsätzlich in eigener Verantwortung die Eignung öffentlicher Hilfen zu Abwehr einer Kindeswohlgefährdung zu beurteilen und sie anzubieten, § 8a SGB VIII. Andererseits ist dem Familiengericht das staatliche Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG in eigener Verantwortung auferlegt. Es besteht eine Verantwortungsgemeinschaft von Familiengericht und Jugendamt sowie die Pflicht zu einer kooperativen Zusammenarbeit. Gelingt die vorrangige Verantwortungsgemeinschaft von Familiengericht und Jugendamt nicht, besteht zwingend eine Letztverantwortlichkeit und ein Letztentscheidungsrecht des Familiengerichts. Ein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666a BGB ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Erziehungsfähigkeit nachzuweisen (OLG Koblenz, Beschluss vom 29.05.2012 - 11 UF 266/12).

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Die Zustimmung des alleinsorgeberechtigten Elternteils zur Fremdunterbringung des eigenen Kindes ist nicht geeignet, eine in seinem Haushalt bestehende Gefährdung für das kindliche Wohl abzuwenden, wenn die akute und gegenwärtige Gefahr eines jederzeitigen Widerrufs seiner Zustimmung zur Fremdunterbringung besteht (OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2012 - 9 UF 57/12).

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„... I. Die gemäß §§ 58, 59, 61, 63, 64, 111 Nr. 2, 151 Nr. 1 FamFG zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde des antragstellenden Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 03.01.2011 - 13 F 133/10 -, mit welchem den Kindeseltern (Antragsteller und Antragsgegnerin) unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Münster vom 14.12.2004 - 39 F 218/04 - die elterliche Sorge für die verfahrensbeteiligten im Beschlussrubrum genannten minderjährigen gemeinsamen Kinder entzogen, Vormundschaft angeordnet und zum Vormund das Jugendamt T. bestellt worden ist, ist unbegründet. Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Familiengericht den Kindeseltern die elterliche Sorge entzogen und auf das Jugendamt der Stadt T. übertragen. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die überzeugenden umfassenden Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung des Familiengerichts. Der Beschwerde führende Antragsteller hat seine Beschwerde nicht weiter begründet, so dass der Senat die tragenden Gründe der familiengerichtlichen Entscheidung lediglich nochmals wie folgt zusammenfasst:

Die elterliche Sorge war den Kindeseltern gemäß §§ 1666, 1666a, 1667 BGB vollständig zu entziehen, da ansonsten einer drohenden nachhaltigen Gefahr für das seelische Wohl der beteiligten gemeinsamen Kinder der Kindeseltern nicht anders begegnet werden konnte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Entzug des gesamten Sorgerechts nur in Betracht kommt, wenn mildere Mittel nicht ausreichen. Die strikte Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei Trennung des Kindes von der Familie ist oberstes Verfassungsgebot, nach dem sich die Familiengerichte bei der Auswahl der zu treffenden sorgerechtlichen Entscheidung zu richten haben (so BVerfG, NJW 1982, 1379, 1380). Dabei gehört es nicht zum staatlichen Wächteramt, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Vielmehr gehören die Eltern und deren sozioökonomischen Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes. Daher reicht es jedenfalls für eine Trennung des Kindes von seinen Eltern allein nicht aus, wenn das Kind woanders nur besser erzogen oder gefördert würde (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1666 Rdn. 9 m.w.N.). Ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und von der Beschränkung des Staates auf das Wächteramt kann sich die staatliche Berechtigung, in die Eltern-Kind-Beziehung einzugreifen, nicht an irgendwelchen gesellschaftspolitischen, religiösen oder sonstigen weltanschaulichen Idealen oder bürgerlichen Höchststandards ausrichten, sondern darf sich sowohl beim Kind als auch bei den Eltern nur von Fällen einigermaßen bedenklicher sozialer Deviation herausgefordert fühlen. Nicht jedes Versagen berechtigt den Staat, die Eltern auszuschalten. Andererseits kann die erzieherische Nichteignung bei den Eltern durchaus unterschiedliche Gründe haben. Ein Verschulden der Eltern diesbezüglich ist nicht erforderlich. Die Rechtfertigung gerichtlicher Maßnahmen liegt in der zu besorgenden Kindeswohlgefährdung, die nicht anders ausgeglichen werden kann (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdn. 13 ff.).

Das Familiengericht hat bei seiner Entscheidung diese Maßstäbe beachtet. Die Gefahr einer nachhaltigen Kindeswohlgefährdung in Form gravierender Entwicklungsstörungen der Kinder ist evident. So hat das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten bereits erhebliche Entwicklungsstörungen bei den beteiligten Kindern festgestellt. Diese kindeswohlgefährdenden Entwicklungsstörungen sind gerade durch das erzieherische Fehlverhalten der Kindeseltern begründet. Extrem häufige Trennungen der Kindeseltern verbunden mit häufigen Umzügen sowie die damit verbundenen Loyalitätskonflikte, die den Kindern zugemutet worden sind, haben diese so schwer belastet, dass von den beteiligten Kindeseltern eine störungs- und angstfreie Entwicklung ihren Kindern nicht ermöglicht wurde. Die jeweiligen Trennungen haben zu fortschreitenden Entwurzelungen der Kinder geführt. Die Versuche der Kindeseltern, jeweilige Umgangskontakte zu vereiteln, haben zudem Loyalitätskonflikte bei den Kindern hervorgerufen. Auch dies hat zu nachhaltigen Schäden in der seelischen Entwicklung aller Kinder geführt. Diese Gefährdungssituation ist noch dadurch verstärkt worden, dass - wie der Sachverständige in seinem erstinstanzlich erstellten Gutachten vom 06.08.2010 (vgl. Sonderband Gutachten zu 13 F 133/10) festgestellt hat - bei beiden Elternteilen Defizite in der Elterlichkeit vorliegen, die diese nicht bereit bzw. in der Lage waren durch eine verantwortliche Zusammenarbeit in der gemeinsamen elterlichen Sorge auszugleichen. Auf Seiten des Kindesvaters fielen dabei verstärkend gravierende persönliche charakterliche Defizite ins Gewicht. So scheint der Kindesvater nicht in der Lage zu sein, seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Vielmehr neigt er auch in Gegenwart der Kinder zu verbalen Ausfällen und auch Tätlichkeiten zumindest gegenüber der Antragsgegnerin. Dies hat wiederholt zur Flucht der Antragsgegnerin in Frauenhäuser geführt. Andererseits ist auch die Antragsgegnerin nicht in der Lage, Konstanz und Kontinuität in die Erziehungstätigkeit zu bringen. Auch sie ist viel zu sehr in der Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann verhaftet, als dass sie das Wohl ihrer Kinder im Auge hätte. Es ist nicht absehbar, dass sich diese Konflikte trotz ihrer negativen Auswirkungen auf das Bedürfnis der Kinder nach Sicherheit und Stabilität beenden ließen. So ist das Bindungsverhalten der Kinder wie auch deren psychische Stabilität schon massiv beeinträchtigt. In der 23 Jahre dauernden Beziehung der Kindeseltern sollen 17 Trennungen erfolgt sein, wobei zumindest teilweise auch Gewalttätigkeiten des Antragstellers eine Rolle spielten und in die die Kinder jeweils seit ihrer Geburt eingebunden waren und noch sind. Es bedarf keiner weiteren Erläuterungen, dass derart hochemotionale Trennungen und Versöhnungen nicht nur die Eltern an die Grenze des für sie emotional Ertragbaren gebracht haben, sondern, dass auch ihre Kinder hierdurch massiv beeinträchtigt werden mussten.

Auch der Senat verkennt nicht, dass - wie auch der Sachverständige in seinem Gutachten in erster Instanz festgestellt hat - die Kindeseltern aus ihrer subjektiven Sicht durchaus glaubwürdig die Liebe zu ihren Kindern schildern. Gleichwohl sind sie aus objektiver Sicht nicht in der Lage, diese Liebe in verantwortungsvolles elterliche Verhalten umzusetzen und in ihrem täglichen Erziehungsverhalten zum Tragen zu bringen. Vielmehr bedingen das hohe Konfliktpotential sowie die bestehende Konfliktbereitschaft der Kindeseltern und ihr "Aufsichbezogensein" ihre Unfähigkeit zu erkennen, dass hierunter die gemeinsamen Kinder nicht nur leiden, sondern ganz gravierend in ihrer seelisch-geistigen Entwicklung geschädigt werden. Dies gilt sowohl für das zu erlernende Sozialverhalten der Kinder wie auch für das ihnen vermittelte "Menschenbild", welches insbesondere durch das nicht akzeptable Verhalten des Kindesvaters gegenüber seiner Ehefrau und Mutter seiner Kinder diesen vermittelt wird. So ist es in immer stärkerem Umfang den Kindeseltern auch unmöglich geworden, verantwortlich in wesentlichen die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder betreffenden Fragen zusammenzuarbeiten. Folgerichtig kommt es auch immer wieder zu Konflikten zwischen den Kindeseltern über Art und Umfang der Ausübung des Umgangsrechts der Kindesmutter mit ihren Kindern.

Aus dem oben Gesagten versteht sich von selbst, dass eine gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet, dass aber auch wegen der bestehenden Defizite die alleinige Sorge für ihre Kinder keinem der Elternteile alleine übertragen werden kann. Bei der jeweils auf die eigene Person bezogene Sichtweise der Dinge liegt die Beeinflussung der Kinder zum Nachteil des jeweils anderen Partners auf der Hand.

Gegen eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter und den Verbleib der Kinder bei der Kindesmutter spricht schon der verfestigte erklärte Kindeswille. Wobei auch hier, wie der Sachverständige überzeugend festgestellt hat, dieses mit der Willensbildung verbundene negative Bild der Kinder von ihrer Mutter ganz entscheidend und für die Entwicklung der Kinder schädlich vom Kindesvater mit geprägt worden ist. Bei dieser Sachlage kann dem Willen der Kinder, beim Vater zu bleiben, nur insoweit entsprochen werden, als ein Verbleiben der Kinder bei der Mutter unter Beibehaltung ihres Sorgerechts ausscheidet. Und der Entzug der elterlichen Sorge auf Seiten des Vaters nicht notwendig damit verbunden sein muss, dass die Kinder auch aus seinem Haushalt genommen werden. Das Jugendamt wird in eigener Verantwortung zu prüfen haben, inwieweit trotz der Erziehungsdefizite des Kindesvaters ein Belassen der Kinder in dessen Haushalt möglich ist. Dabei wird der Kindesvater gehalten sein, sich mit dem Jugendamt abzustimmen und insbesondere sein Verhalten gegenüber der Kindesmutter und zu deren Umgangsrecht zu überprüfen. Das Jugendamt wird auch zu besorgen haben, inwieweit gerade auch bei den größeren Kindern der Kindeswille im Hinblick auf den Umgang mit ihrer Mutter zu beachten ist. Auch hier wird es geboten sein, negativen Einflüssen des Kindesvaters entgegenzuwirken. Sollte sich herausstellen, dass der Kindesvater nicht zu einer Zusammenarbeit im Kindeswohlinteresse bereit oder in der Lage ist, müssten seitens des Jugendamtes weitergehende Schritte ins Auge gefasst werden, was unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit bis zur Wegnahme der Kinder aus dem väterlichen Haushalt führen kann.

Für ein Belassen der Kinder vorerst im väterlichen Haushalt spricht, dass deren Versorgung gewährleistet ist. Soweit sich die Situation zwischen den Kindeseltern stabilisieren sollte, erscheint es daher sinnvoller, wenn die Kinder nicht aus ihrer gewohnten Umgebung beim Kindesvater herausgerissen werden. Das setzt allerdings Kooperationsbereitschaft des Antragstellers voraus. Hier wird der Kindesvater erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen. Bis dahin braucht der Vater der erhöhten Aufsicht durch den Vormund. Der Vormund wird insbesondere zu bedenken haben, ob der geplante Wohnortwechsel dem Kindeswohl dient. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 22.03.2011 - 4 UF 29/11)

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„... I. Die am 5.2.1987 geborene Beschwerdeführerin ist die leibliche Mutter des betroffenen Kindes M (geb. am 11.10.2006). Sie ist außerdem Mutter von drei weiteren Kindern, G (geb. am 30.1.2008), B2 (geb. am 1.4.2009) und H2 (geb. am 27.3.2010). Leiblicher Vater der vier Kinder ist Herr H, mit dem die Kindesmutter seit Februar 2009 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammenlebt. Beide Eltern und das betroffene Kind sind italienische Staatsangehörige. Die Eltern von M sind arbeitslos. Eine gemeinsame Sorgeerklärung im Sinne des § 1629a I Nr. 1 BGB haben sie nicht abgegeben.

Die Beziehung der Kindeseltern zueinander war in der Vergangenheit von mehrfachen vorübergehenden Trennungen und Versöhnungen geprägt. In dieser Zeit wurde das betroffene Kind M geboren. Bei ihrer Geburt lebte die Kindesmutter alleine in einer Einzimmerwohnung. Sie war nicht krankenversichert und hatte keinerlei Vorkehrungen für die Zeit nach der Geburt des Kindes getroffen. Den Vorschlag der Mitarbeiter des Jugendamts, einer Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung zuzustimmen, lehnte sie ab. Daraufhin wurde M - wenige Wochen nach ihrer Geburt - im Einverständnis mit der Kindesmutter bei den Pflegeeltern U und B untergebracht. Dort lebt sie bis heute. Regelmäßige Besuchskontakte des Kindes mit seiner leiblichen Mutter finden begleitet in vierwöchigen Abständen für die Dauer von jeweils einer Stunde in den Räumen des Jugendamts statt.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 17.7.2008 hat die Kindesmutter ihr Einverständnis mit der Unterbringung des Kindes in der Pflegefamilie widerrufen und seine Rückführung in den mütterlichen Haushalt begehrt. Auf Antrag des Jugendamts der Stadt Z1 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Witten durch Beschluss vom 11.11.2008 im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht (als Teil der elterlichen Sorge) vorübergehend auf das Jugendamt der Stadt Z1 übertragen. Mit weiterem Beschluss vom 29.1.2009 hat es dem Jugendamt im Wege der einstweiligen Anordnung das Recht zur Beantragung eines Passes für das Kind übertragen, um M eine Auslandsreise mit ihren Pflegeeltern zu ermöglichen.

Zur Frage der von der Kindesmutter begehrten Rückführung des Kindes in den mütterlichen Haushalt hat das Familiengericht ein Sachverständigengutachten der Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie an den Kliniken F, Frau Dr. K, eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 18.6.2009 (Bl. 55 ff. d. A.) und die mündlichen Ausführungen der Sachverständigen im Termin vor dem Familiengericht vom 28.10.2009 (Bl. 109 ff. d. A.) Bezug genommen. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.11.2009 und dem Berichtigungsbeschluss vom 4.12.2009 hat es der Kindesmutter die elterliche Sorge für das Kind M entzogen und angeordnet, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt weiterhin bei den Pflegeeltern haben soll. Hinsichtlich der Einzelheiten der Beschlüsse wird auf Bl.. 132 ff. und 144 f. der Akten verwiesen.

Dagegen richtet sich die befristete Beschwerde der Kindesmutter. Sie ist der Ansicht, Gründe für die Entziehung der elterlichen Sorge lägen nicht vor. Hierzu trägt sie vor, sie habe sich bei der Geburt des Kindes in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Ihre persönlichen Verhältnisse hätten sich jedoch zwischenzeitlich stabilisiert. Sie sei mit der Kindererziehung und Versorgung nicht mehr überfordert. Im übrigen sei ihr infolge der eingeschränkten Umgangskontakte mit der Tochter keine Möglichkeit eröffnet worden, eine tragfähige Eltern-Kind-Beziehung zu M aufzubauen.

Die Kindesmutter, deren Begehren zunächst darauf gerichtet war, dass die angefochtenen Beschlüsse des Familiengerichts insgesamt abgeändert, d. h. die Verbleibensanordnung aufgehoben und ihr die elterliche Sorge insgesamt belassen werde, hat im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ihre Beschwerde teilweise - im Hinblick auf die Verbleibensanordnung - zurückgenommen. Nunmehr beantragt sie, die angefochtenen Beschlüsse vom 16.11.2009 und vom 4.12.2009 insoweit abzuändern, dass der Entzug der elterlichen Sorge entfällt.

Die - anwaltlich vertretenen - Pflegeltern beantragen, die befristete Beschwerde der Kindesmutter zurückzuweisen.

Der Senat hat das betroffene Kind, die beteiligten Kindeseltern, das Jugendamt, die Verfahrenspflegerin und die Pflegeeltern persönlich angehört. Außerdem hat er eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen, Frau Dr. K, zur Frage der elterlichen Sorge veranlasst. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks zum Senatstermin vom 18.5.2010 verwiesen.

II. Die gegen die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Beschwerde der Kindesmutter hat Erfolg, denn die Voraussetzungen für eine Entziehung der elterlichen Sorge liegen nicht vor.

1) Das Verfahren zum Erlass von Maßnahmen betreffend die elterliche Sorge für das Kind M richtet sich nach altem - bis zum 31.8.2009 geltenden - Recht, denn es ist durch Anregung des Jugendamts der Stadt Z1 im November 2008 und damit vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden (Art. 111 I FGG-RG).

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Art. 8 I der Verordnung (EG) des Rates Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 (Brüssel II-a Verordnung), denn das betroffene Kind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Deutschland führt auch dazu, dass auf das Verfahren gem. Art. 21 EGBGB deutsches Recht anzuwenden ist (vgl. Palandt-Thorn, BGB, 69. Aufl., Anh. zu Art. 24 EGBGB, Rz. 2, 16 m. w. N.).

2) Nach § 1666 I BGB kommt eine Entziehung der Personensorge für ein Kind nur in Betracht, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht willens oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei muss es sich um eine gegenwärtige oder zumindest nahe bevorstehende Gefahr für die Entwicklung des Kindes handeln, die so ernst zu nehmen ist, dass sich eine Beeinträchtigung seines körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls mit ziemlicher Sicherheit voraussagen lässt (vgl. BGH FamRZ 2005, 344, 345). Darüber hinaus ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Da die Entziehung der elterlichen Sorge den stärksten vorstellbaren Eingriff in das durch Art. 6 II, III GG geschützte Elternrecht darstellt, ist eine solche Maßnahme nur gerechtfertigt, wenn massiv belastende Ermittlungsergebnisse und ein entsprechend hohes Gefährdungspotential vorliegen (vgl. OLG Thüringen FamRZ 2003, 1319) und keine anderen milderen Mittel gegeben sind, die geeignet sind, die bestehende Gefahr abzuwenden (vgl. § 1666a I 1, II BGB).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Entziehung der elterlichen Sorge der Kindesmutter für das betroffene Kind M widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

a) Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist zu berücksichtigen, dass ein Pflegeverhältnis generell nicht so verfestigt werden darf, dass die leiblichen Eltern mit dessen Begründung nahezu in jedem Fall den dauerhaften Verbleib ihres Kindes in der Pflegefamilie befürchten müssen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1997, 1299, 1300). Die Inpflegenahme eines Kindes stellt grundsätzlich eine vorübergehende Maßnahme dar, die zu beenden ist, sobald die Umstände es erlauben. Alle Durchführungsmaßnahmen haben mit dem anzustrebenden Ziel der Zusammenführung von Eltern und Kind in Einklang zu stehen (vgl. EGMR NJW 2004, 3401, 3404). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze stellt die vom Familiengericht verfügte und mit der befristeten Beschwerde der Kindesmutter nicht angegriffene Verbleibensanordnung nach § 1632 IV BGB ein milderes Mittel im Sinne des § 1666a BGB gegenüber dem Entzug der gesamten elterlichen Sorge dar (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 145, 146). Denn die Verbleibensanordnung ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf eine dauerhafte Trennung von Eltern und Kind sondern darauf gerichtet, Nachteile, die die durch eine zur Unzeit vorgenommene Rückführung in den elterlichen Haushalt für das Kind entstehen, zu vermeiden indem der vorübergehende Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern für die Zeit der Vorbereitung der Rückführung verlängert wird (vgl. dazu: Palandt-Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1632 Rz. 9, 15 m. w. N.).

b) Eine auf die Entziehung der elterlichen Sorge gerichtete Maßnahme nach § 1666 I BGB darf daher nur dann erfolgen, wenn die Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Kindeswohl abzuwenden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gefährdung des Kindeswohls nur durch einen dauerhaften unbefristeten Verbleib des betroffenen Kindes in der Pflegefamilie sichergestellt werden kann, wie zum Beispiel bei einer festgestellten dauerhaften Erziehungsunfähigkeit der leiblichen Eltern (vgl. OLG Hamm, a. a. O.) oder dann, wenn das Verhältnis zwischen den leiblichen Eltern und den Pflegepersonen so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge nicht stattfindet oder mit ziemlicher Sicherheit nicht zu erwarten ist (vgl. dazu auch: OLG Frankfurt a/M FamRZ 2002, 1277, 1278).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die vom Familiengericht verfügte Verbleibensanordnung nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die bestehende Gefahr für das Wohl des Kindes M abzuwenden, bestehen nicht.

aa) Vorliegend folgt die für M bestehende Gefahr für ihr geistiges und seelisches Wohl ausschließlich aus dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie erziehungsunfähig oder in ihrer Erziehungsfähigkeit so weit eingeschränkt ist, dass sie nicht in der Lage ist, die elterliche Sorge für M bei dem angeordneten Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie auszuüben, bestehen nicht.

Die Beschwerdeführerin hat nach der Inpflegegabe von M drei weitere Kinder geboren. Ihre persönlichen Verhältnisse haben sich zwischenzeitlich dahingehend stabilisiert, dass sie mit dem Vater der Kinder zusammenlebt. Beide haben die Absicht bekundet, in nicht näher genannter Zeit die Ehe miteinander schließen zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die bei ihr lebenden Kinder nicht ausreichend erzogen und versorgt werden, liegen nicht vor.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die - von der Sachverständigen beschriebene - fehlende Fähigkeit der Kindesmutter, auf die Wünsche und Bedürfnisse von M einzugehen und im Rahmen der bestehenden Umgangskontakte eine tragfähige Beziehung zu dem Kind aufzubauen, ihre Erziehungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt. Nach den Ausführungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 18.6.2009 und ihren ergänzenden Ausführungen im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 ist das fehlende Einfühlungsvermögen der Kindesmutter in erster Linie auf eine unrealistische Einschätzung der Problematik ihres Rückführungsverlangens für das Kind und auf einen Mangel an Erkenntnissen über das Funktionieren von Bindungsprozessen zurückzuführen. Das schließt es nicht aus, dass es der Kindesmutter in der Zukunft gelingt, gegebenenfalls mit Hilfe fachkundiger Dritter und in Zusammenarbeit mit den Pflegeeltern, eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen, die eine - schrittweise - Rückführung des Kindes in den elterlichen Haushalt erlaubt.

Der Umstand, dass die Kindesmutter derzeit die Zusammenarbeit mit dem Jugendamt als Träger der öffentlichen Hilfe ablehnt und zur Inanspruchnahme einer fachkundigen Beratung durch Dritte nicht bereit ist, schließt die Rückführung des Kindes in ihren Haushalt nicht grundsätzlich aus. Sie verhindert lediglich, dass eine Rückführung zeitnah erfolgen kann, weil der für eine Rückführung notwendige Aufbau einer tragfähigen Beziehung zwischen Mutter und Kind nach Einschätzung der Sachverständigen ohne fremde Hilfe von der hierfür verantwortlichen Kindesmutter nicht oder nur schwer geleistet werden kann.

bb) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Verhältnis zwischen der leiblichen Mutter des Kindes M und ihren Pflegeeltern so gestört ist, dass eine am Kindeswohl ausgerichtete Ausübung der elterlichen Sorge durch die Mutter nicht mehr möglich ist.

Zwar hat die Kindesmutter durch ihr Verhalten verhindert, dass ein für April 2009 geplanter Auslandsurlaub des Kindes mit seinen Pflegeeltern nicht stattfinden konnte, weil sie trotz Aufforderung durch die Mitarbeiter des Jugendamts keinen Pass für M beim italienischen Konsulat beantragt hat. Hinreichende Anhaltpunkte dafür, dass dieses Verhalten typisch für die Art und Weise der Ausübung der elterlichen Sorge durch die Kindesmutter ist und dass sie durch ihr Verhalten in Zukunft auch andere zum Wohl des Kindes zu treffende Maßnahmen verhindern wird, bestehen jedoch nicht.

Die Verweigerung der Ausweisbeantragung erfolgte im laufenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Rückführungsverlangen der Kindesmutter und der von ihr außergerichtlich begehrten Ausweitung der Umgangskontakte mit dem Kind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Maßnahme mit ihrem Verfahrensbevollmächtigten abgestimmt war. Im übrigen hat die Kindesmutter im Termin vor dem Senat am 18.5.2010 verbindlich zugesagt, schnellst möglich die zur Ausstellung eines Passes für das Kind erforderlichen Maßnahmen einzuleiten. Unter diesen Umständen kann nicht von einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung der Kindesmutter in Bezug auf die notwendige Beantragung des Ausweises für das Kind ausgegangen werden.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die Kindesmutter zukünftig in anderen Bereichen der elterlichen Sorge ihre notwendige Mitwirkung verweigern oder von der Ausweitung der Umgangskontakte mit dem betroffenen Kind abhängig machen wird. Für eine solche Prognose sind keine gesicherten Anhaltspunkte vorhanden. Vergleichbare Versäumnisse der Kindesmutter bei der Ausübung der elterlichen Sorge für M in der Vergangenheit sind nicht bekannt. Streitigkeiten zwischen ihr und den Pflegeeltern bestehen nach den übereinstimmenden Bekundungen aller Beteiligten gegenwärtig nicht. Die von ihr in der Vergangenheit im Rahmen der Umgangskontakte erhobenen Vorwürfe gegenüber der Pflegemutter bezogen sich ausschließlich auf die Geltendmachung ihres Rückführungsverlangens, über welches mit dem Erlass der Verbleibensanordnung durch das Familiengericht entschieden worden ist. Alleine die vom Jugendamt beschriebene schwierige Zusammenarbeit mit der Kindesmutter rechtfertigt die Annahme, dass sie die ihr zustehende elterliche Sorge in Zukunft missbräuchlich ausüben wird, nicht.

Ergänzend weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es in erster Line der Mutter selbst obliegt, die für die Rückführung des Kindes notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, insbesondere eine tragfähige Beziehung zu M aufzubauen. Dazu bedarf es nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Frau Dr. K in ihrem Gutachten und den ergänzenden Ausführungen im Senatstermin vom 18.5.2010 einer Ausweitung der bestehenden Umgangskontakte - jedenfalls derzeit - nicht. Vielmehr obliegt es der Kindesmutter, zunächst die Qualität ihres Beziehungsangebotes gegenüber dem Kind zu verbessern und ihr Verhalten im Umgang mit M entsprechend zu verändern. Ob und in welchem Umfang sie sich dazu der Inanspruchnahme fremder (fachkundiger) Hilfe bedient, liegt alleine in ihrem Verantwortungsbereich. Eine rechtliche Grundlage für eine staatliche Verordnung entsprechender Hilfen besteht nicht. ..." (OLG Hamm Beschluss vom 20.05.2010 - II-2 UF 280/09)

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Maßnahmen nach den §§ 1666, 1666a BGB sind nicht schon bei jeder abstrakten Gefährdung des Kindeswohls, sondern erst dann gerechtfertigt, wenn eine gegenwärtig vorhandene Gefahr die Erwartung begründet, dass bei weiterer unbeeinflusster Entwicklung der Eintritt eines Schadens mit ziemlicher Sicherheit zu erwarten ist (OLG Celle, Beschluss vom 14.03.2003 - 19 UF 35/03, FamRZ 2003, 1490).



§ 1667 BGB Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindesvermögens

(1) Das Familiengericht kann anordnen, dass die Eltern ein Verzeichnis des Vermögens des Kindes einreichen und über die Verwaltung Rechnung legen. Die Eltern haben das Verzeichnis mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. Ist das eingereichte Verzeichnis ungenügend, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Verzeichnis durch eine zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.

(2) Das Familiengericht kann anordnen, dass das Geld des Kindes in bestimmter Weise anzulegen und dass zur Abhebung seine Genehmigung erforderlich ist. Gehören Wertpapiere, Kostbarkeiten oder Schuldbuchforderungen gegen den Bund oder ein Land zum Vermögen des Kindes, so kann das Familiengericht dem Elternteil, der das Kind vertritt, die gleichen Verpflichtungen auferlegen, die nach §§ 1814 bis 1816 , 1818 einem Vormund obliegen; die §§ 1819 , 1820 sind entsprechend anzuwenden.

(3) Das Familiengericht kann dem Elternteil, der das Vermögen des Kindes gefährdet, Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegen. Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Familiengericht nach seinem Ermessen. Bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit wird die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des Familiengerichts ersetzt. Die Sicherheitsleistung darf nur dadurch erzwungen werden, dass die Vermögenssorge gemäß § 1666 Abs. 1 ganz oder teilweise entzogen wird.

(4) Die Kosten der angeordneten Maßnahmen trägt der Elternteil, der sie veranlasst hat.

Leitsätze/Entscheidungen:

Die Entziehung der Vermögenssorge gem. § 1666 BGB durch den Richter kommt bei einer Gefährdung von Vermögensinteressen nur als letztes Mittel in Betracht, wenn Maßnahmen gem. § 1667 BGB nicht mehr ausreichen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Rechtspfleger bereits bei jeder denkbaren Vermögensgefährdung einen „erheblichen Interessengegensatz" i.S. von § 1796 BGB annimmt und gem. § 1629 II Satz 3 BGB eingreift (OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.04.2005 - 5 UF 317/04, NJW-RR 2005, 1382).



§ 1671 BGB Übertragung der Alleinsorge bei Getrenntleben der Eltern (n. F. ab 19.05.2013)

(1) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit
1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(2) Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Absatz 3 der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. die Mutter zustimmt, es sei denn, die Übertragung widerspricht dem Wohl des Kindes oder das Kind hat das 14. Lebensjahr vollendet und widerspricht der Übertragung, oder
2. eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Ruht die elterliche Sorge der Mutter nach § 1751 Absatz 1 Satz 1, so gilt der Antrag des Vaters auf Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Absatz 2 als Antrag nach Absatz 2. Dem Antrag ist stattzugeben, soweit die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(4) Den Anträgen nach den Absätzen 1 und 2 ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

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§ 1671 BGB Getrenntleben bei gemeinsamer elterlicher Sorge (a. F. bis zum 18.05.2013)

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.

(2) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit 1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder 2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... I. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer vor allem dagegen, dass die Gerichte ihm kein paritätisches Umgangsrecht (‚Wechsel-modell') eingeräumt haben und beanstandet die zugrunde liegende Gesetzeslage.

1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines im September 2011 nichtehelich geborenen Kindes. Kurz nach der Geburt des Kindes trennten sich die Eltern. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter, die die elterliche Sorge allein ausübt. Anträge des Beschwerdeführers auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und der gemeinsamen elterlichen Sorge blieben erfolglos.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2013 regelte das Amtsgericht Potsdam den Umgang des Beschwerdeführers mit dem Kind in Abänderung eines zuvor geschlossenen Vergleichs dergestalt, dass dieser in den geraden Kalenderwochen von Freitag 15:00 Uhr bis Montag 8:30 Uhr Umgang mit seinem Sohn haben soll. Außerdem regelte es die Urlaubsumgänge. Da das Verhältnis zwischen den Eltern hoch strittig sei, seien die Umgangswechsel so zu gestalten, dass Begegnungen zwischen den Eltern möglichst vermieden und Übergabesituationen auf ein Minimum reduziert würden.

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers änderte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. November 2013 den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend ab, dass der Beschwerdeführer zusätzlich zu den Umgängen in den geraden Kalenderwochen Umgänge mit dem Kind auch in den ungeraden Kalenderwochen jeweils von Donnerstag 15:00 Uhr bis Freitag 8:30 Uhr haben soll, und traf eine präzisere Ferien- und Feiertagsregelung.

Es sei nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht von der Anordnung eines Wechselmodells abgesehen habe. Das grundrechtlich geschützte Recht des nicht-sorgeberechtigten Elternteils auf Umgang mit dem Kind finde eine Beschränkung auch im Elterngrundrecht des anderen, sorgeberechtigten Elternteils. Der Ausgestaltung des Umgangsrechts liege das Leitbild des Residenzmodells zugrunde. Diesem Leitbild entsprächen auch die an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anknüpfenden Regelungen über die unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen des betreuenden und des umgangsberechtigten Elternteils in unter anderem §§ 1687 ff. BGB. Das Umgangsrecht kollidiere mit der elterlichen Befugnis, den Aufenthalt zu bestimmen und finde daher seine Grenze, wo seine Ausübung zur Veränderung des Lebensmittelpunktes abweichend von der Bestimmung des Sorgeberechtigten führen würde. Das Recht zur Entscheidung, wo sich das Kind gewöhnlich aufhalte, sei kein Ausfluss des Umgangsrechts, sondern ein Teil des Sorgerechts. Der nichtsorgeberechtigte Beschwerdeführer könne daher die vom sorgeberechtigten Elternteil getroffene Aufenthaltsbestimmung nicht abändern. Auch wenn die Eltern sich im Rahmen der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts auf ein Wechselmodell geeinigt hätten, stelle sich dies nicht als Umgangsregelung, sondern als Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts dar, an die jeder Elternteil gebunden sei. Es bestehe aber keine gerichtliche Befugnis, dieses Recht anstelle des sorgeberechtigten Elternteils auszuüben.

Darüber hinaus entspreche eine paritätische Betreuung des Kindes durch beide Eltern nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von ihnen im Rahmen der Anhörung habe gewinnen können, und nach den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie dem Inhalt der beigezogenen Akten der Sorgerechtsverfahren nicht dem Kindeswohl. Zwischen den Eltern bestünden ganz erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten, die auf anhaltenden Spannungen und dem Unvermögen beruhten, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, um eine die Kindesinteressen betreffende Kommunikation herzustellen. So halte der Beschwerdeführer die Mutter für geisteskrank und gefährlich für das Kind. Diese anhaltenden Vorwürfe empfinde die Mutter als Kränkung. Sie werfe dem Beschwerdeführer ihrerseits obsessive Klagewut und Kindeswohlgefährdung vor. Sämtliche an die Eltern gerichteten Appelle des Jugendamts, der Verfahrensbeistände und der Gerichte, zu einer sachlichen Kommunikationsebene zu kommen, seien bislang gescheitert. Auch dem Senat sei es im Anhörungstermin nicht gelungen, die Eltern zur Wahrnehmung professioneller Elterngespräche zu veranlassen. Die zwischen den Eltern abgegebene Erklärung zur strukturellen Gestaltung des künftigen Umgangs hätten die Eltern unmittelbar danach widerrufen. In einem solchen Klima wechselseitigen Misstrauens und wechselseitiger Ablehnung würde ein Wechselmodell dem Kind eher schaden. Gerade bei einem so jungen Kind würde eine paritätische Betreuung eine weitaus höhere Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern erfordern. Mangels gemeinsamer Kooperations- und Kommunikationsebene zwischen den Eltern würde das ohnehin schon hohe Konfliktpotenzial der Eltern bei Praktizierung des Wechselmodells gesteigert und auf dem Rücken des Kindes ausgetragen.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG allein und in Verbindung mit Art. 2, 3 und 18 des völkerrechtlichen Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child) vom 20. November 1989 (Zustimmungsgesetz, BGBl 1992 II S. 121 - im Folgenden: UN-Kinderrechtskonvention). Die aktuelle Gesetzeslage, die nach überwiegender Auffassung der Rechtsprechung die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells weder als Regelung des Umgangs noch des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasse, sei verfassungswidrig. Da das Elternrecht beiden Elternteilen gleichermaßen zustehe, bedürfe es einer gesetzlichen Regelung, die es den Gerichten ermögliche, ein Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils anzuordnen und damit rechtlich abzusichern, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspreche, hilfsweise ihm entspreche. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, wonach die paritätische Betreuung dem Kindeswohl nicht entspreche, verstoße außerdem gegen Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG, da sie auf pauschalen, nicht tragfähigen Behauptungen beruhe und die Gerichte sich nicht mit seinem Vortrag auseinandergesetzt hätten, wonach selbst in hochstrittigen Elternkonflikten das Wechselmodell dem Kindeswohl besser entspreche als das Residenzmodell.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

1. Gegen die Vorschriften über die Zuordnung von Sorge- und Umgangsrechten getrennter Eltern, die auch für die gerichtliche Regelung einer paritätischen Betreuung in Betracht kommen, ist, jedenfalls soweit dies für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich ist, verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.

a) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die geltende Gesetzeslage verstößt, jedenfalls soweit entscheidungserheblich, nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG.

aa) Das Elternrecht, welches Art. 6 Abs. 2 GG Müttern wie Vätern gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Weil das Elternrecht beiden Elternteilen zusteht, sind Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen. Dabei hat der Staat sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl. BVerfGE 127, 132 <146> m.w.N.). Die Einbeziehung aller Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG bedeutet nicht, dass allen Müttern und Vätern stets die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt werden müssen (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>). Weil die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung nach einer Trennung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert, obliegt es dem Gesetzgeber, den einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei umso größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 127, 132 <146 f.>).

bb) (1) Diesen Gestaltungsspielraum überschreitet der Gesetzgeber nicht dadurch, dass er die Anordnung paritätischer Betreuung nicht als Regelfall vorsieht. Aus Art. 6 Abs. 2 GG und der dazu bislang ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt nicht, dass der Gesetzgeber den Gerichten für die Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorgeben und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme ausgestalten müsste.

(2) Ob der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten und die Gesetzeslage damit verfassungswidrig wäre, wenn sie die gegen den Willen eines Elternteils getroffene Anordnung paritätischer Betreuung ausschlösse, bedarf hier ebenso wenig der Entscheidung wie die primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht eine solche Anordnung - sei es im Wege sorgerechtlicher Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung - ausgeschlossen ist (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 14; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17 ff.; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 17 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. März 2007 - 16 UF 13/07 -, juris, Rn. 17 ff.; Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V., FamRZ 2014, S. 1157 <1163>; Coester, in: Staudinger, BGB (2009), § 1671, Rn. 23 und 261; Hennemann, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1671, Rn. 91) oder nicht (vgl. etwa KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11 <jedoch nur im Ausnahmefall>; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 -, juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 37 ff.; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 49 ff.; Sünderhauf, Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis, 2013, S. 376 ff.). Denn das Oberlandesgericht hat die Anordnung eines paritätischen Umgangsrechts auch aus verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen des Kindeswohls abgelehnt, welche die Entscheidung eigenständig tragen (unten 2 b).

(3) Mangels Entscheidungserheblichkeit kann umgekehrt auch dahinstehen, ob die in den Ausführungen des Oberlandesgerichts anklingende Annahme zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils komme mit Blick auf das Elterngrundrecht des sorgeberechtigten Elternteils verfassungsrechtlich von vornherein nicht in Betracht.

b) Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) rügt, ist seine Verfassungsbeschwerde teils unbegründet (aa), teils ist sein Vortrag nicht hinreichend substantiiert (bb).

aa) Eine Ungleichbehandlung liegt zwar darin, dass immer dann, wenn eine nicht paritätische Umgangsregelung getroffen ist, ein Elternteil das Kind häufiger betreuen kann als der andere Elternteil. Dies ist jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil die Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Sowohl § 1671 BGB als auch § 1684 BGB in Verbindung mit § 1697a BGB orientieren sich vorrangig am Kindeswohl. Wenn - wie hier - das Kindeswohl einer paritätischen Betreuung entgegensteht, stellt dies einen sachlichen Grund für etwaige Ungleichbehandlungen durch Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB oder Umgangsregelungen nach § 1684 BGB dar.

bb) Inwiefern die geschlechtsneutral formulierten Regelungen der §§ 1671 und 1684 BGB unmittelbar oder etwa aufgrund einer regelmäßig spezifisch benachteiligenden Anwendung Männer diskriminieren und damit gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoßen könnten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der Beschwerdeführer beschränkt sich insoweit auf die pauschale Feststellung, dass die aktuelle Rechtslage Väter diskriminiere.

c) Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, bei fehlender Einigkeit der Eltern eine paritätische Betreuung als Regelfall der Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennter Eltern vorzusehen, besteht auch nicht aufgrund völkerrechtskonformer Auslegung des Grundgesetzes im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention, weil sich daraus eine solche Verpflichtung nicht ergibt. Das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der in Art. 18 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention geregelte Grundsatz der gemeinsamen Erziehungsverantwortung beider Eltern der Garantie des Elternrechts in Art. 6 Abs. 2 GG entspricht. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Einführung eines paritätischen Betreuungsrechts als Regelmodell kann daraus nicht hergeleitet werden. Dass Art. 18 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention hierzu verpflichtet, ist auch deshalb ausgeschlossen, weil Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention eine umgangsrechtliche Spezialregelung für den Fall der Trennung der Eltern enthält. Art. 9 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention gewährleistet das Umgangsrecht des Kindes zu dem von ihm getrennt lebenden Elternteil, besagt aber nichts darüber, in welchem Umfang die Vertragsstaaten den Umgang zu bemessen haben. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 2 der UN-Kinderrechtskonvention folgt nichts anderes. Wie Art. 3 GG erfordert dieses keine identische Behandlung, sondern lässt es zu, sachlich berechtigte Differenzierungen angemessen zu berücksichtigen (vgl. Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention, 2. Aufl. 2013, Art. 2, Rn. 3). Bei Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB beziehungsweise Umgangsregelungen nach § 1684 BGB können Gründe des Kindeswohls einer paritätischen Betreuung entgegenstehen (oben II 1 b aa).

2. Die Auslegung und Anwendung der §§ 1671, 1684 BGB durch die Fachgerichte ist im konkreten Fall im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

a) Bei der Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, welche Sorge- und Umgangsstreitigkeiten zwischen den Eltern zum Gegenstand haben, überprüft das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts sowie die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nur daraufhin, ob die fachgerichtliche Entscheidung eine grundsätzliche Verkennung der Grundrechte oder eine willkürliche Handhabung des einfachen Rechts erkennen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 31, 194 <210>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, juris, Rn. 7 f. m.w.N.).

Unabhängig davon, ob die in der angegriffenen Entscheidung anklingende Einschätzung des Oberlandesgerichts zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils sei bereits von Verfassungs wegen ausgeschlossen, und ungeachtet der Frage, ob die Regelung der paritätischen Betreuung als Frage der elterlichen Sorge (so etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 15; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 14 ff.) oder als Umgangsregelung (so etwa OLG Naumburg, Beschluss vom 26. September 2013 - 8 UF 146/13 -, juris, Rn. 14 f.; KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 - juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 30, 35; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 50 ff.) einzuordnen ist, könnte über eine paritätische Betreuung des Kindes - die Möglichkeit dieser gesetzlichen Ausgestaltung unterstellt - nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern und des Kindes sachgerecht entschieden werden. Denn sowohl im Rahmen des § 1671 BGB als auch bei der Anwendung des § 1684 BGB müssen die Fachgerichte die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern wie auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (vgl. BVerfGE 31, 194 <206 f.>; 55, 171 <179>; 64, 180 <188>) und sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Ausschlaggebend ist jeweils das Wohl des Kindes (vgl. etwa BVerfGE 55, 171 <179> bezüglich der elterlichen Sorge; BVerfGE 121, 69 <98> sowie BVerfGK 17, 407 <411 f.> bezüglich der Anordnung beziehungsweise Regelung des Umgangs).

b) Dass die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben nicht genügen, ist nicht zu erkennen. Eine paritätische Betreuung entsprach - deren rechtliche Möglichkeit unterstellt - nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall nicht dem Kindeswohl. Das Oberlandesgericht hat dies plausibel damit begründet, dass aufgrund anhaltender Spannungen ganz erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bestünden und es ihnen trotz zahlreicher Versuche der Fachkräfte und Gerichte auch zwei Jahre nach ihrer Trennung nicht gelungen sei, sich auf professionell begleitete Elterngespräche zu verständigen. Es hat sich hierbei auf seine eigenen Wahrnehmungen im Anhörungstermin, auf die Berichte des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie den Inhalt der beigezogenen Sorgerechtsakten gestützt. Die erheblichen Differenzen zwischen den Eltern werden darüber hinaus durch die im Verfahren eingereichten Schriftsätze beider Elternteile belegt. Soweit der Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht vorhält, es habe weder festgestellt, worin das vermeintliche Konfliktpotenzial der Eltern bestehe, noch habe es das zeitweilige ‚nahezu reibungslose' Funktionieren einer im März 2012 getroffenen Umgangsregelung bis zum Umgangsantrag der Mutter im November 2012 berücksichtigt, widerspricht dies den Feststellungen der beigezogenen Beschlüsse des Sorgerechtsverfahrens. Diese benennen diverse, die Ausübung des Umgangs betreffende Streitigkeiten während des vom Beschwerdeführer genannten Zeitraums, die in einem Fall sogar zu einem Polizeieinsatz und in einem anderen Fall dazu führten, dass das Kind aufgrund des gegenseitigen Misstrauens der Eltern wegen derselben Erkrankung unnötig ein zweites Mal in einer Klinik vorgestellt wurde. Dies zeigt eindrücklich, dass die Eltern nicht in der Lage sind, ihr Kind aus ihrem Konflikt herauszuhalten, sondern dass sie dieses aktiv in ihre Streitigkeiten einbeziehen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Oberlandesgericht getroffene Prognose, wonach sich das bereits hohe Konfliktpotenzial der Eltern bei Praktizierung des Wechselmodells weiter steigern würde, nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat dies im Übrigen mit dem noch jungen Alter des Kindes und dem eigentlichen Bestreben des Beschwerdeführers, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu erlangen, begründet. Dass letzteres zu weiterem Konfliktstoff zwischen den Eltern führen würde, liegt auf der Hand. Gleiches gilt im Hinblick auf das Begehren des Beschwerdeführers, das Kind während seiner Betreuungszeit in der Kindertagesstätte jederzeit zu sich nehmen zu dürfen. Denn damit zeigt er, dass er die von der Mutter getroffene Entscheidung, die Erziehungsangebote der Kindertagesstätte in dem von ihr gewünschten zeitlichen Umfang anzunehmen, nicht akzeptiert, was weiteres Konfliktpotenzial in sich birgt.

Da es der prognostischen Einschätzung des Fachgerichts als Tatsachengericht obliegt, ob eine paritätische Betreuung mit Blick auf das Kindeswohl in Betracht kommt oder nicht, und die vorliegend getroffene Prognose des Oberlandesgerichts keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kam es auf die ab-strakte Behauptung des Beschwerdeführers, das Wechselmodell sei nach dem Stand der psychologischen Forschung selbst in hochstrittigen Elternkonflikten gegenüber dem Residenzmodell die dem Kindeswohl förderlichere Betreuungsalternative, nicht an.

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verstößt die im vorliegenden Fall vorgenommene Auslegung der bestehenden gesetzlichen Regelungen durch die Fachgerichte auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Die Versagung der Anordnung eines Wechselmodells ist aus einem sachlichen Grund gerechtfertigt. Denn die paritätische Betreuung des Kindes entspricht aus den vorgenannten Gründen nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht dem Kindeswohl. ..." (BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015 - 1 BvR 486/14)

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„... Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und mit der Rüge einer verfahrensfehlerhaft unterlassenen Aufklärung der sozialen Sicherung des Kindes E. bei einem Umzug nach Madrid auch begründet. Der Beschluss verletzt den Beschwerdeführer deshalb in seinem Elternrecht aus Art. 12 Abs. 3 der Verfassung von Berlin - VvB -.

1. Art. 12 Abs. 3 VvB gewährleistet den Eltern gegenüber dem Staat das ‚natürliche' Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder (vgl. Beschluss vom 20. September 2011 - VerfGH 38/11 - wie alle nachfolgend zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs unter www.gerichtsentscheidungen.berlin-branden-burg.de, Rn. 17 m. w. N., st. Rspr.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 31, 194 <204> sowie Beschluss vom 10. März 2010 - 1 BvQ 4/10 -, juris Rn. 20 m. w. N.). Dieses den Eltern verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfG, a. a. O.). Allerdings bedarf das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insbesondere auch für den Fall, dass die Eltern sich nicht einigen können, der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>). Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf ihn dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt und miteinander in bestmögliche Konkordanz bringt (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 64, 180 <188>; BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010, a. a. O. und BVerfGK 14, 38 <41>; NJW 1993, 2671).

Auch in Sorgerechtsangelegenheiten ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, fachgerichtliche Entscheidungen auf ihre einfachrechtliche Richtigkeit zu überprüfen. Anlass zu einem Eingreifen besteht vielmehr nur dann, wenn ein Fachgericht bei der Anwendung des einfachen Rechts Grundrechte eines Beteiligten in seinem wesentlichen Gehalt verkannt hat und dadurch zu einer verfassungsrechtlich nicht mehr vertretbaren Auslegung oder Handhabung des einfachen Rechts gekommen ist (Beschluss vom 20. Septem-ber 2011 - VerfGH 38/11 -, Rn. 18 m. w. N.; st. Rspr.). Gerichtliche Entscheidungen, die Eltern oder Elternteilen das Sorgerecht für ihr Kind ganz oder teilweise entziehen, unterliegen allerdings wegen des darin liegenden besonderen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 3 und Art. 7 VvB einer strengeren verfassungsgerichtlichen Kontrolle (VerfGH, a. a. O.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 55, 171 <181>; 72, 122 <138>). Sie umfasst die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts am Maßstab dieser Grundrechte im Einzelfall (vgl. Beschlüsse vom 14. Septem-ber 2010 - VerfGH 156/09 - Rn. 22 und 20. September 2011, a. a. O., Rn. 18; zum Bundesrecht: BVerfGE 60, 79 <91>; BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 1 BvR 3116/11 - juris Rn. 17, st. Rspr.) einschließlich der Gestaltung des Verfahrens zur möglichst zuverlässigen Ermittlung der Grundlagen für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung (vgl. VerfGH, a. a. O.; zum Bundesrecht: BVerfGK 10, 519 <523>).

2. Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung vom 5. Juli 2012 schon deshalb nicht gerecht, weil das Kammergericht entgegen seiner Verpflichtung zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Amts wegen nach § 12 FGG (in der hier noch maßgeblichen alten, bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung; vgl. jetzt ebenso § 26 FamFG) verpflichtet war. Es hätte deshalb nicht offen lassen dürfen, ob und in welcher Weise das Kind E. mit seiner schweren körperlichen und geistigen Behinderung bei einer Übersiedlung nach Madrid ‚gravierenden Nachteilen für das Kindeswohl' deshalb ausgesetzt sein könnte, weil dort nicht vergleichbare ‚Rahmenbedingungen' wie in Berlin bestehen könnten, und zwar im Hinblick auf die in Deutschland bestehende sehr gute ‚ärztliche und therapeutische Betreuung' und angemessene schulische Förderung sowie ggf. lebenslange ‚erhebliche öffentliche Leistungen', auf die E. angewiesen sein werde (BA S. 6). Das Kammergericht hätte insbesondere seine insoweit ‚in Anbetracht der durch die schwere Wirtschaftskrise in Spanien bedingten Haushaltskürzungen' geäußerten ‚nicht unerhebliche[n] Zweifel gerade bezüglich der faktischen Umsetzbarkeit gesetzlicher Regelungen im Bereich der staatlichen Unterstützung für Hilfsbedürftige (z.B. Ley de dependencia)' vielmehr zum Anlass nehmen müssen, die tatsächliche und rechtliche Lage im Wege der Amtsermittlung (etwa durch Einholung von amtlichen Auskünften und/oder Sachverständigengutachten) zu klären. Die nicht belegte Vermutung negativer Lebensumstände für das Kind E. in Spanien ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geeignet, die sorgerechtliche Entscheidung zu Lasten des Vaters und den damit verbundenen Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 3 VvB zu tragen.

Die angegriffene Entscheidung beruht auch auf diesen verfassungsrechtlich unhaltbaren Erwägungen. Das Kammergericht hat im Anschluss hieran ausgeführt (BA S. 7), ‚die vorgenannten Unwägbarkeiten' hinsichtlich der Lebenssituation in Spanien, die in besonderem Maße das Kind E. beträfen, ‚wären im Rahmen der erforderlichen Abwägung der Vor- und Nachteile im Falle einer Übersiedlung der Kinder nach Spanien noch hinnehmbar'. Als ‚ausschlaggebender Nachteil' komme hinzu, dass der Beschwerdeführer über eine geringe Bindungstoleranz im Verhältnis zur Beteiligten zu 2 verfüge und vieles dafür spreche, dass er mit der Übersiedlung auch den Zweck verfolge, deren Kontakt zu den Kindern jedenfalls deutlich zu reduzieren oder den Umgang sogar abzubrechen (BA S. 7 f.). Der Verfassungsgerichtshof kann diese Ausführungen nicht so verstehen, dass die mangelnde Bindungstoleranz und die Gefahr eines Abbruchs des Kontaktes zu beiden Elternteilen der ausschließlich maßgebliche, die Abwägung und die angegriffene Entscheidung allein tragende Gesichtspunkt sein soll. Dagegen spricht vor allem, dass das Kammergericht gravierende Nachteile für das Kindeswohl gleichzeitig nicht nur aus den bereits beanstandeten Erwägungen zur Lebenssituation des Kindes E. in Spanien abgeleitet, sondern in einem weiteren (dritten) Begründungsschritt auch darin erkannt hat, dass sich das Kind M. bei seiner persönlichen Anhörung im Juni 2012 ‚im Falle der Übersiedlung des Vaters für einen Verbleib bei der Mutter ausgesprochen' und dies ‚mehrmals bekräftigt' habe (BA S. 8). Erst nach diesen Ausführungen hat sich das Kammergericht mit der seinem Abwägungsergebnis entgegenstehenden Empfehlung der Sachverständigen auseinandergesetzt (BA S. 9) und im Anschluss hieran seine Erwägungen so zusammengefasst: ‚Nach Abwägung aller Kriterien sieht der Senat die Veränderung des Lebensmittelpunktes der Kinder hin zur Mutter trotz des erheblichen Einschnitts und gewichtigen Nachteils der Trennung von der bisherigen Hauptbezugsperson als weniger einschneidend an, zumal zur Mutter ebenfalls eine starke Bindung besteht, dies dem Kindeswillen entspricht und die Mutter in der Lage ist, den Kindern den Vater dauerhaft zu erhalten' (a. a. O.). Zu diesen Kriterien hat das Kammergericht auch die als ‚noch hinnehmbar' bezeichnete Lebenssituation für E. in Spanien gezählt. Der Verfassungsgerichtshof kann deshalb die verfassungsrechtlich fehlerhaften Annahmen zu den Verhältnissen in Spanien nicht lediglich als nicht entscheidungserhebliche Bemerkungen qualifizieren. Der nicht näher erläuterte Hinweis in dem Anhörungsrügebeschluss, eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes liege nicht vor, ‚bezüglich der für die Entscheidung maßgeblichen Gesichtspunkte' sei ‚eingehend ermittelt' worden (BA S. 2 am Ende), rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Kammergericht bei der gebotenen weiteren Ermittlung des Sachverhalts eine andere Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen hätte.

3. Auf die weiter geltend gemachten Grundrechtsverletzungen kommt es danach nicht an.

Der Verfassungsgerichtshof bemerkt allerdings, dass auch das Abgehen von der Empfehlung des psychologischen Sachverständigengutachtens ohne die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen unter Vorhalt der insoweit im angegriffenen Beschluss dargelegten Mängel des letzten schriftlichen Gutachtens der besonderen verfahrensrechtlichen Pflicht zur verlässlichen Klärung des Sachverhalts nicht entsprochen haben dürfte. Ob die Erläuterungen der Sachverständigen in der letzten mündlichen Verhandlung dieses Versäumnis in rechtlich ausreichender Weise ausgeglichen haben und ob die Angaben der Sachverständigen hierzu im Beschluss noch vertretbar gewertet wurden, bedarf keiner weiteren Erörterung. Das Kammergericht wird Gelegenheit haben, in dem nach der Zurückverweisung beschleunigt fortzuführenden Verfahren auch insoweit ggf. durch Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens Klarheit zu schaffen. ..." (VerfGH Berlin, Beschluss vom 19.03.2013 - VerfGH 158/12)

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„... I. Der Antragsteller wendet sich im Wege eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für seinen Sohn auf die Kindesmutter.

1. Aus der Ehe der Kindeseltern ist ein im Jahr 2010 geborener gemeinsamer Sohn hervorgegangen. Im April 2011 trennten sich die Eltern. Seither lebt das Kind mit seiner Mutter in einem Haushalt. Zwischen den Eltern bestehen seit der Trennung erhebliche Streitigkeiten und Konflikte. Durch Beschluss des Amtsgerichts wurde zunächst den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht im Wege der einstweiligen Anordnung entzogen und insoweit Ergänzungspflegschaft angeordnet. Im Rahmen des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens wurde - im Einverständnis mit den Eltern - die vorläufige Regelung wieder aufgehoben und bestimmt, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleibt.

a) Einige Monate später wurde der Mutter auf ihren Antrag hin durch Beschluss des Amtsgerichts das Sorgerecht für den Sohn zur alleinigen Ausübung übertragen. Das Gericht ging nach den Ermittlungen in diesem Verfahren davon aus, dass die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Kindeswohl am besten entspreche (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

b) Durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 27. Dezember 2012 wurde die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter seien gegeben. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge, die der Vater mit seiner Beschwerde erstrebe, setze ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Daran fehle es hier. Aus dem beiderseitigen Vortrag der Eltern ergebe sich, dass ihre Erziehungsvorstellungen erheblich voneinander abwichen. Insbesondere in der Bedeutung ihrer Religionszugehörigkeit unterschieden sich die Vorstellungen auch nach dem Vortrag des Antragstellers gravierend. Diese grundsätzlichen Unterschiede zeigten bereits erste Folgen in konkreten Kindesangelegenheiten, nämlich bei der Frage der Beschneidung des Kindes und der Ausstellung von Ausweispapieren. Auch wenn die Auswirkungen bislang noch gering erschienen, spreche alles dafür, dass in Zukunft weiterhin die unterschiedlichen Sichtweisen der Eltern ein Miteinander zum Wohl des Kindes nicht zuließen, sondern zu Streitigkeiten führten, in denen das Kind zum Objekt des Streites werde. Vor dem Hintergrund der bisherigen Entwicklung und mangelnden Kooperationsbereitschaft erscheine zumindest auf absehbare Zeit eine gemeinsame Elternberatung oder Mediation nicht erfolgversprechend. Die so beschriebene Situation sei auf Dauer dem Wohl des Kindes abträglich. Sei die gemeinsame Sorge der Eltern aufzuheben, komme nur die Übertragung des Sorgerechts auf seine Mutter in Betracht. Für das Kind sei die Mutter seit seiner Geburt und ganz besonders seit der Trennung vom Vater die Hauptbezugsperson.

2. Mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erstrebt der Antragsteller zur Abwehr schwerer Nachteile (§ 32 Abs. 1 BVerfGG) die Aussetzung der Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts. Die schweren Nachteile bestünden darin, dass dem Kind durch die Beschlüsse des Amts- und Oberlandesgerichts ein Elternteil entzogen und damit auch der Schutz durch diesen vor Eingriffen in seine Grundrechte genommen sei.

Der Antragsteller führt hierzu im Wesentlichen aus, zwischen den Eltern bestünden Meinungsverschiedenheiten in der Frage der Religion, hier insbesondere bezüglich der Frage, ob der minderjährige Sohn beschnitten werden solle oder nicht. Ausweislich der Entscheidung des Landgerichts Köln (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) stelle die Beschneidung eines kleinen Jungen eine gefährliche Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 in Verbindung mit § 224 Abs. 1 StGB dar. Damit bedürfe es auch im Rahmen der ausnahmsweisen Straffreistellung der Elternteile bei einer Beschneidung aus religiösen Gründen einer gründlichen elterlichen Überlegung, ob sie ihrem Kind diese schmerzhaften Verletzungen im Kleinkindalter zumuten wollten oder ob hiermit bis zu einem späteren Zeitpunkt zu warten sei. Bei Eltern, die diesbezüglich gegensätzliche Auffassungen hätten, sei eine Rechtfertigung dieser gefährlichen Körperverletzung zu verneinen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts diene damit lediglich dazu, in die körperliche Unversehrtheit des Kleinkindes einzugreifen, indem es des Schutzes durch den sorgeberechtigten Vater beraubt werde.

II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Nach § 32 Abs. 1 BVerfGG kann das Bundesverfassungsgericht im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist. Ein Einschreiten des Bundesverfassungsgerichts ist jedoch dann nicht dringend geboten, wenn das erstrebte Ziel auch auf einem anderen Wege, insbesondere durch das Anrufen anderer Gerichte erreicht werden kann (vgl. BVerfGE 17, 120 <122>; 21, 50 <51>; 29, 120 <125>; 35, 379 <380>; 37, 150 <151>). So liegt der Fall hier. Der Antragsteller kann zunächst (einstweiligen) Rechtsschutz im fachgerichtlichen Verfahren suchen.

Der Antragsteller erstrebt beim Bundesverfassungsgericht die Aussetzung der fachgerichtlichen Entscheidungen im Wege der einstweiligen Anordnung, um zu verhindern, dass die Kindesmutter in Ausübung ihres alleinigen Sorgerechts die aus seiner Sicht kindeswohlgefährdende Beschneidung des Kindes vornehmen lässt.

Zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 27. Dezember 2012 wäre die Vornahme der Beschneidung des Kindes unter Zugrundelegung der im Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 (LG Köln, Urteil vom 7. Mai 2012 - 151 Ns 169/11 -, juris) vertretenen Auffassung strafbar und der Mutter daher nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Mit dem nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts am 28. Dezember 2012 in Kraft getretenen Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes (BGBl I 2012 S. 2749), wonach ‚§ 1631d - Beschneidung des männlichen Kindes' in das Bürgerliche Gesetzbuch eingefügt wurde, hat die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschneidung von männlichen Kindern ausdrücklich eine gesetzliche Regelung erfahren. Danach könnte die Mutter als alleinige Personensorgeberechtigte im Rahmen der Ausübung der Gesundheitssorge gemäß § 1631d Abs. 1 Satz 1 BGB nunmehr grundsätzlich die Beschneidung des Kindes veranlassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es vorliegend zu einer vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes kommt, dürfte damit gestiegen sein.

Vor diesem Hintergrund ist eine fachgerichtliche Entscheidung über eine einstweilige Verhinderung der vom Antragsteller abgelehnten Beschneidung des Kindes nicht unerreichbar. So könnte der Antragsteller nach § 166 FamFG, §§ 1696, 1671 BGB eine vorläufige Abänderung der Sorgerechtsentscheidung - zumindest in dem für die Beschneidung relevanten Teilbereich der Gesundheitssorge - beantragen. Ferner könnte er bei den Fachgerichten eine Prüfung nach § 1666 BGB mit dem Ziel veranlassen, einstweilen zu verhindern, dass die Mutter die Beschneidung des Kindes vornehmen lässt. Über den Erfolg solcher Anträge müssen zunächst die Fachgerichte nach der aktuellen geltenden Rechtslage entscheiden. Es ist dem Antragsteller auch zumutbar, vorläufigen Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu suchen, da sich aus seinem Vortrag nicht entnehmen lässt, dass die Beschneidung des mittlerweile zweieinhalbjährigen Kindes unmittelbar bevorsteht. ..." (BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 13.02.2013 - 1 BvQ 2/13)

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„... Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Denn die angekündigte Verfassungsbeschwerde ist bei derzeitigem Verfahrensstand nach Aktenlage teilweise unzulässig und im Übrigen offensichtlich unbegründet.

a) Soweit die Antragstellerin eine Verletzung ihres Elternrechts durch die Entscheidung des Amtsgerichts vom 16. Juni 2009 geltend macht, fehlt eine hinreichende Begründung, § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG.

Das Begründungserfordernis verlangt neben der Bezeichnung des angeblich verletzten Grundrechts auch die substantiierte Darlegung des die Verletzung enthaltenden Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Dieser muss in einer Weise vorgetragen sein, dass das Bundesverfassungsgericht
- ohne Rückgriff auf die Akten des Ausgangsverfahrens
- allein aufgrund der Beschwerdeschrift sowie
- der ihr beigefügten Anlagen

in der Lage ist, zu prüfen, ob der geltend gemachte Verfassungsverstoß zumindest möglich erscheint. Zu einer ordnungsgemäßen Begründung in diesem Sinne gehört, dass der Beschwerdeführer sich mit Grundlagen und Inhalt gerichtlicher Entscheidungen auseinandersetzt (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>; 99, 84 <87>). Der angegriffene Hoheitsakt sowie die zu seinem Verständnis notwendigen Unterlagen müssen in Ablichtung vorgelegt oder zumindest ihrem Inhalt nach so dargestellt werden, dass eine verantwortbare verfassungsrechtliche Beurteilung möglich ist (vgl. BVerfGE 78, 320 <327>; 88, 40 <45>; 93, 266 <288>). Daran fehlt es hier.

Das Amtsgericht stützt seine Entscheidung im Wesentlichen auf die Berichte der Umgangsbegleiterin des Kinderschutzbundes, der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes T. Diese sind daher zur Überprüfung der von dem Amtsgericht dargelegten Einschätzungen unabdingbar erforderlich, werden aber von der Antragstellerin weder vorgelegt noch inhaltlich wiedergegeben. Eine Überprüfung der amtsgerichtlichen Beurteilung ist daher nicht möglich.

b) Nach dem derzeitigen Aktenstand sind des Weiteren keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 15. Februar 2010 in ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt worden ist.

Art. 6 Abs. 2 GG schützt die Eltern-Kind-Beziehung und sichert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung (vgl. BVerfGE 31, 194 <204>). Dieses den Eltern verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218>). Allerdings bedarf das Elternrecht, das den Eltern gemeinsam zusteht, insbesondere auch für den Fall der gesetzlichen Ausgestaltung, dass die Eltern sich bei der Ausübung ihres Rechts nicht einigen können (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>). Dem dient § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGE 64, 180 <188>). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1993 - 1 BvR 692/92 -, NJW 1993, S. 2671).

Zwar erscheinen vorliegend auf der Grundlage der sachverständigen Feststellungen eine stärkere Gewichtung des Kontinuitätsgedankens und damit auch eine andere Entscheidung in der Sache möglich. Gleichwohl ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts die sich aus Art. 6 Abs. 2 GG ergebenden Grenzen überschreitet.

Das Oberlandesgericht hat die Besonderheiten des Falles im Einzelnen berücksichtigt und ihnen im Rahmen seiner Abwägung Rechnung getragen. Es hat, gestützt auf das eingeholte Sachverständigengutachten, die Erziehungskompetenzen beider Eltern gewürdigt und ist in sachlich verständlicher Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kindesvater für eine Förderung und Erziehung der Kinder besser geeignet sei. Dies wird von der Antragstellerin im Grunde auch nicht in Frage gestellt. Das Oberlandesgericht hat sich des Weiteren eingehend damit auseinandergesetzt, weshalb es entgegen der Empfehlung der Sachverständigen eine sofortige Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den Kindesvater und den damit einhergehenden Aufenthaltswechsel der Kinder für erforderlich erachte. Dabei hat es insbesondere nachvollziehbar dargelegt, dass das von der Sachverständigen vor allem im Hinblick auf die ältere Tochter betonte Bedürfnis nach schulischer und therapeutischer Konstanz sowie der besondere Förderbedarf der jüngeren Tochter einem Wechsel in den väterlichen Haushalt nicht entscheidend entgegenstehe. Dass es in diesem Zusammenhang der aufgrund des bisherigen Aufenthalts der Töchter engeren Bindung an die Mutter weniger Gewicht beigemessen hat als den negativen Folgen für die psychische Entwicklung der Kinder, die aus der unstreitig auch ihnen vermittelten heftigen Abneigung der Antragstellerin gegen den Kindesvater resultieren, ist nach dem bisherigen Verfahrensstand in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass das Oberlandesgericht im Rahmen dieser Abwägung die Bedeutung und Tragweite des Elternrechts der Antragstellerin verkannt hätte, bestehen nicht.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Oberlandesgericht habe den Grund ihrer Ablehnung des Kindesvaters, nämlich die in der Ehe erlebte Gewalt, nicht berücksichtigt, ermangelt ihr Vorbringen jeglicher näherer Ausführungen zu Umfang, Anlass und Umständen der behaupteten Gewalthandlungen. Allein die Vorlage des Strafbefehls vom 22. April 2008 ohne konkrete Erläuterungen der darin enthaltenen Vorwürfe vermag keine entsprechende Begründung zu ersetzen. Darüber hinaus ist dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung auch nicht zu entnehmen, inwieweit die Gewaltvorwürfe den Fachgerichten bekannt gemacht worden sind und welche Einlassung der beschuldigte Kindesvater hierzu abgegeben hat. ..." (BVerfG, Einstweilige Anordnung vom 10.03.2010 - 1 BvQ 4/10)

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„... b) Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet; die angegriffenen Beschlüsse verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

aa) Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Die Erziehung des Kindes ist damit primär in die Verantwortung der Eltern gelegt, wobei dieses ‚natürliche Recht' den Eltern nicht vom Staate verliehen worden ist, sondern von diesem als vorgegebenes Recht anerkannt wird. Die Eltern können grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen darüber entscheiden, wie sie die Pflege und Erziehung ihrer Kinder gestalten und damit ihrer Elternverantwortung gerecht werden wollen (BVerfGE 60, 79 <88>). Diese primäre Entscheidungszuständigkeit der Eltern beruht auf der Erwägung, dass die Interessen des Kindes am besten von den Eltern wahrgenommen werden. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht vermieden werden könnten (BVerfGE 34, 165 <184>). In der Beziehung zum Kind muss aber das Kindeswohl die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung sein (BVerfGE 60, 79 <88> m.w.N.). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>).

Soweit es um die Trennung des Kindes von seinen Eltern als dem stärksten Eingriff in das Elternrecht geht, ist dieser allein unter den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 GG zulässig. Danach dürfen Kinder gegen den Willen des Sorgeberechtigten nur aufgrund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen (vgl. BVerfGE 72, 122 <137 f.>). Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG zukommenden Wächteramtes, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschalten oder gar selbst diese Aufgabe zu übernehmen (vgl. BVerfGE 24, 119 <144 f.>; 60, 79 <91>). Das elterliche Fehlverhalten muss vielmehr ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleiben in der Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist (BVerfGE 60, 79 <91>). In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht befunden, dass der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666a BGB eine Regelung geschaffen hat, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 60, 79 <88 f.>; 72, 122 <138>).

Für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169 und 173>). Dem dient § 1671 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BVerfGK 2, 185 <188>). Wurde in der Vergangenheit bereits eine gerichtliche Regelung zur elterlichen Sorge getroffen, gestattet § 1696 Abs. 1 BGB eine Abänderung nur, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Gegen diese einfachrechtliche Regelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 27. Juni 2008 - 1 BvR 311/08 -, juris).

Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Elternrechts wie auch aus der Verpflichtung des Staates, über dessen Ausübung im Interesse des Kindeswohls zu wachen, ergeben sich auch Folgerungen für das Prozessrecht und seine Handhabung in Sorgerechtsverfahren (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 1995 - 1 BvR 1208/92 -, juris). Zwar muss in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz dem erkennenden Gericht überlassen bleiben, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Das Verfahren muss aber grundsätzlich geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. Die Fachgerichte sind danach verfassungsrechtlich nicht stets gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Wenn sie aber von der Beiziehung eines Sachverständigen absehen, müssen sie anderweit über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2006 - 1 BvR 526/04 -, juris; BVerfGK 9, 274 <279>).

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängen namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr). Bei gerichtlichen Entscheidungen, die Eltern oder Elternteilen das Sorgerecht für ihr Kind entziehen, besteht wegen des sachlichen Gewichts der Beeinträchtigung der Eltern in ihren Grundrechten aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 1 GG Anlass, über den grundsätzlichen Prüfungsumfang hinauszugehen (BVerfGE 55, 171 <181>; 72, 122 <138>). Daher können neben der Frage, ob die angefochtene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs beruhen, auch einzelne Auslegungsfehler nicht außer Betracht bleiben (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>; 75, 201 <222>).

bb) Diesen Maßstäben sind die Fachgerichte im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Die Begründung der Entscheidungen lässt erkennen, dass das Elternrecht der Beschwerdeführerin in Umfang und Tragweite verkannt wurde ((1) und (2)). Das von den Fachgerichten gewählte Verfahren bot zudem nicht hinreichende Gewähr für die erforderliche umfassende Sachverhaltsaufklärung (3).

(1) Der amtsgerichtliche Beschluss lässt nicht erkennen, dass sich das Gericht der hohen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Trennung eines Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen bewusst war, die Art. 6 Abs. 3 GG vorgibt und die in § 1666 Abs. 1, § 1666a BGB einfachrechtlich zum Ausdruck kommen. Die vom Gericht getroffenen Feststellungen lassen eine Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen und sind daher nicht geeignet, die Entscheidung zu tragen.

Soweit das Amtsgericht seiner Entscheidung den Eindruck zugrunde legt, die Beschwerdeführerin sei letztlich am Wohlergehen ihres Kindes nicht in erforderlichem Umfang interessiert, bieten die genannten Erkenntnisquellen keine hinreichende Grundlage für eine so weitreichende Schlussfolgerung. Weder dem Jugendamtsbericht noch den Berichten des Krankenhauses sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin ihre Tochter nicht regelmäßig zur Behandlung der Kinder- und Jugendpsychiatrie gebracht, sich nicht an Elterngesprächen über die vorliegende Problematik und die zur Verfügung stehenden Lösungsmöglichkeiten beteiligt hätte. Stattdessen ließ sie sich zunächst sogar überzeugen, der stationären Jugendhilfemaßnahme zuzustimmen. Der von ihr im Gespräch am 1. August 2007 gezeigten Überreaktion ist - insbesondere angesichts der sprachlichen Schwierigkeiten der Beschwerdeführerin, deren Mitursächlichkeit für ihre situative Überforderung naheliegt - mangelndes Interesse am Befinden der Tochter nicht zu entnehmen. Darüber hinaus wird ärztlicherseits ihr Versuch geschildert, das Kind schützen zu wollen, indem bei jeglicher körperlicher Symptomatik ein Arzt aufgesucht, dessen Behandlung aber dann in Frage gestellt werde. Soweit in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen wurde, dass die Beschwerdeführerin häufig überfordert gewirkt und in diesem Zusammenhang mehrfach den Wunsch nach Abgrenzung gegenüber ihrer Tochter geäußert habe, vermag diese Aussage ohne weitere Ermittlungen zu den konkreten Auswirkungen auf das Verhalten der Beschwerdeführerin mangelndes Interesse am Wohlergehen des Kindes nicht zu belegen. Darüber hinaus erörtert das Gericht nicht, dass die Beschwerdeführerin selbst die Tochter erstmals aufgrund schulischer Probleme mit dem Hinweis auf innerfamiliäres Miterleben von Gewalt und Streit in der Tagesklinik der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Abteilung vorgestellt und damit durchaus Interesse an deren Wohlergehen signalisiert hatte. Dies kommt auch - vom Gericht ebenfalls außer Acht gelassen - in deren Äußerung gegenüber dem Verfahrenspfleger im Oktober 2007 zum Ausdruck, sie wolle, um das Kind aus dem Streit mit dem Vater herauszuhalten, bis zur Scheidung der Unterbringung zustimmen. Dass der zeitweise Kontaktabbruch zum Kind und die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Zurückhaltung im Sorgerechtsverfahren möglicherweise auch von dem - gutgemeinten - Bestreben getragen waren, das Kind auf diese Weise von Konflikten zu entlasten, zieht das Amtsgericht nicht in Erwägung. Schließlich begegnet die oben genannte Schlussfolgerung des Amtsgerichts auch deshalb Bedenken, weil der Beschwerdeführerin an anderer Stelle vorgeworfen wird, ihre - verständliche - Besorgnis über die in der Einrichtung erfolgte Brandverletzung des Kindes zum Anlass ihrer Forderung nach dessen Rückkehr zu ihr zu nehmen.

Soweit das Amtsgericht der Beschwerdeführerin anlastet, sie habe das Kind allein in der Wohnung zurückgelassen, kann dem Bericht des Krankenhauses dazu nur entnommen werden, dass es ohne Betreuung eines Volljährigen war. Da als Betreuungsperson der 1990 geborene Halbbruder des Kindes in Betracht kam, eignet sich dieser Umstand unbesehen kaum für die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, das Verhalten der Beschwerdeführerin habe zu einer massiven Negativentwicklung des Kindes beigetragen.

Im Hinblick auf die Beziehung zur Beschwerdeführerin würdigt das Gericht nicht, dass das Kind - laut Bericht des Verfahrenspflegers vom 11. Oktober 2007 - angegeben hatte, um die Mutter zu weinen.

(2) Auch der angegriffene Beschluss des Oberlandesgerichts lässt nicht erkennen, dass dem Elternrecht der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der Umstände des Einzelfalls hinreichend Rechnung getragen worden ist.

So stellt das Oberlandesgericht in seine Würdigung weder ein, dass die Beschwerdeführerin seit Trennung der Kindeseltern die Hauptbetreuungsperson war, noch, dass das Kind - wie seiner Anhörung durch den erstinstanzlichen Richter vom 21. Februar 2008 zu entnehmen ist - offenbar eine enge Bindung zu seinem bei der Mutter lebenden Halbbruder hat. Soweit der Senat davon ausgeht, das Kind habe zum Vater derzeit ein noch engeres und intensiveres Verhältnis, berücksichtigt es dessen Äußerung gegenüber dem Verfahrenspfleger am 27. Juni 2008 nicht, es wolle Papa und Mama abwechselnd zu Hause besuchen und später wieder bei Mama wohnen und Papa am Wochenende besuchen. Diese Äußerung kann Ausdruck einer engeren Bindung des Kindes zur Beschwerdeführerin sein. Darüber hinaus setzt sich das Oberlandesgericht mit keinem Wort damit auseinander, dass der Eindruck, in der Anhörung des Kindes vom 8. Juli 2008 habe vor allem der Kontakt zum Vater im Vordergrund gestanden, unter Umständen allein auf die seitens des Jugendamtes als Vormund getroffene Umgangsregelung zurückzuführen ist, wonach Besuche des Vaters zweimal, die der Beschwerdeführerin aber nur einmal wöchentlich stattfanden.

(3) Schließlich begegnet auch das von beiden Gerichten gewählte Verfahren verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn es war jeweils nicht geeignet, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen.

Bei der Beurteilung der Gefährdung des Kindes im Falle des Verbleibs im mütterlichen Haushalt, der Betreuungs- und Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin und der Erforderlichkeit der stationären Unterbringung des Kindes außerhalb der Familie hat das Amtsgericht seine psychologische Sachkunde nicht dargetan. Das Gericht hätte nicht ohne Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens zu diesen Fragen entscheiden dürfen.

Soweit das Oberlandesgericht seine Entscheidung der Sorgerechtsübertragung auf den Vater maßgeblich auf dessen Einverständnis mit dem Verbleib des Kindes in der Einrichtung stützt, mangelt es ebenfalls an einer hinreichenden Ermittlung des Sachverhaltes. Denn die dem zugrunde liegende Prämisse, ein Wechsel des Kindes, für dessen gedeihliche Entwicklung der Verbleib in der Betreuungseinrichtung von großer Bedeutung sei, in einen der elterlichen Haushalte komme nicht ernsthaft in Betracht, wird von der zur Verfügung stehenden Entscheidungsgrundlage nicht getragen. Insoweit wäre die Sachkunde eines Sachverständigen zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Beschwerdeführerin, der Notwendigkeit der Unterbringung des Kindes in einer stationären Einrichtung und dessen Bindungen zu beiden Elternteilen erforderlich gewesen.

Die den Gerichten ansonsten zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen machten die sachverständige Begutachtung nicht entbehrlich. Die beiden Schreiben des Kinderkrankenhauses von Juli und August 2007 waren einerseits nicht geeignet, über die aktuelle Situation zum Zeitpunkt der im April 2008 und Mai 2009 getroffenen Entscheidungen Auskunft zu geben. Andererseits vermochten sie weder von ihrer Zielrichtung, nämlich dem Jugendamt Grundlagen für ein Einschreiten zu geben, noch von der ihnen zugrunde liegenden Methodik her ein Sachverständigengutachten zu ersetzen. Die darin zur Beschwerdeführerin getroffenen Aussagen basierten ausschließlich auf Gesprächskontakten anlässlich der Erörterung der Behandlung des Kindes, nicht aber auf einer ausführlichen und gezielten Exploration. Dementsprechend wies das Krankenhaus auch ausdrücklich darauf hin, dass eine Symptomatik mit double-bind Charakter bei der Beschwerdeführerin zwar nicht auszuschließen, im Rahmen der kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung aber auch nicht klärbar sei.

Psychologische Sachkunde des Verfahrenspflegers oder der Mitarbeiter des Jugendamts ist nicht ersichtlich. Überdies waren deren Berichte vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts letztmals in der mündlichen Verhandlung im Juli 2008 eingeholt wurden. Nachdem das Oberlandesgericht den Beschwerdebeschluss, ohne das Verfahren zwischenzeitlich voranzutreiben, in nicht nachvollziehbarer Weise erst über zehn Monate nach der mündlichen Verhandlung erließ, konnte es sich schließlich auch nicht auf einen aktuellen persönlichen Eindruck von Eltern und Kind stützen.

cc) Die Beschlüsse des Amtsgerichts vom 14. April 2008 und des Oberlandesgerichts vom 15. Mai 2009 beruhen auch auf den möglichen Verstößen gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts eine Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführerin getroffen hätten. Da lediglich der Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen wurde, bleibt es bis zu dieser Entscheidung bei dem durch den Beschluss des Amtsgerichts vom 14. April 2008 erfolgten Sorgerechtsentzug. ..." (BVerfG, Beschluss vom 10.09.2009 - 1 BvR 1248/09)

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„... Der angegriffene Beschluss verletzt den Beschwerdeführer in seinem von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht.

1. a) Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218 f.>). Der Schutz des Elternrechts, der dem Vater und der Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <169 f.>). Dabei setzt die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung
- eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus,
- erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen und
- hat sich am Kindeswohl auszurichten
.
Fehlen die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen. Dem dient § 1671 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei haben die Gerichte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen (BVerfGE 107, 150 <169 f.>).

Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen(Anm der KD-Redaktion: Die Aussage ist rechtsstaatlich unhaltbar. Sie wird in der Praxis als Aufforderung zur Manipulation am Faktum verstanden und so alltäglich umgesetzt). Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>).

b) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

(1) Das Oberlandesgericht hat nicht nachvollziehbar begründet, aus welchen Gründen die Auflösung der elterlichen Sorge zum Wohl der Kinder erforderlich ist. Sofern das Gericht maßgeblich auf das Konfliktverhalten der Eltern und die Persönlichkeit des Beschwerdeführers abgestellt hat, hat es weder das Ergebnis des Sachverständigengutachtens, noch die tatsächliche Betreuungs- und Lebenssituation der Kinder, noch deren bekundeten Willen auf Fortbestand der bestehenden Betreuungs- und Lebenssituation hinreichend berücksichtigt.

Das Oberlandesgericht hat nicht hinreichend in seine Erwägungen einbezogen, dass die Eltern die gerichtlich festgelegte beziehungsweise bestätigte Umgangsregelung mit den Kindern und deren Betreuung im Sinne eines sogenannten Wechselmodells offenbar zur Zufriedenheit der Beteiligten praktizieren. Es hat zwar die vom Amtsgericht ermittelte Neigung der Kinder bestätigt, die Aufteilung der Lebensmittelpunkte wie bisher beizubehalten, und ebenfalls eine Änderung der Umgangsregelung nicht für erforderlich gehalten, doch diesem Faktum einer jedenfalls beim Umgang funktionierenden Kooperation der Eltern im Interesse der Kinder bei seiner Entscheidung über die elterliche Sorge keine Bedeutung beigemessen.

Darüber hinaus hat sich das Oberlandesgericht allein auf die negativen Aussagen im Sachverständigengutachten zur Persönlichkeit des Beschwerdeführers bezogen, ohne die dort auch enthaltenen positiven Aussagen zu berücksichtigen. Ebenso wenig hat es die Aussagen über die Persönlichkeit der Kindesmutter gewürdigt und in den Gesamtzusammenhang einbezogen, in den diese Aussagen gestellt wurden. Laut Sachverständigengutachten haben beide Elternteile in der Vergangenheit über Kindesbelange ohne Absprache entschieden. Andererseits konnten Einzelfragen, wie Sport- und Musikunterricht der Kinder, zwischen den Eltern auch ohne die Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe geklärt werden.

(2) Soweit das Oberlandesgericht die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge für erforderlich gehalten hat, um Konfliktpotential aus der Elternbeziehung zu nehmen und es für ausschlaggebend erachtet hat, der Dominanz des Beschwerdeführers in der Elternbeziehung ein rechtliches Gegengewicht gegenüber zu stellen, indem es die Rechtsposition der Kindesmutter durch Übertragung der Alleinsorge hat stärken wollen, hat es die Bedeutung und Tragweite des mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Elternrechts des Beschwerdeführers verkannt. Maßstab und Ziel einer Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist nicht der Ausgleich persönlicher Defizite zwischen den Eltern mittels Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil, sondern allein das Kindeswohl.

Mit der Frage, ob es dem Kindeswohl vorliegend abträglich wäre, die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen, hat sich das Oberlandesgericht indes nicht hinreichend auseinandergesetzt. Dabei hatte das Sachverständigengutachten gerade auf die negativen Folgen der Übertragung der Alleinsorge auf die Kindesmutter hingewiesen und im Interesse der Kinder empfohlen, der Mutter nicht das Instrument der Alleinsorge zur Lösung ihrer persönlichen Probleme in der Beziehung zum ehemaligen Partner und zur Befriedigung ihres Bedürfnisses nach Abgrenzung in die Hand zu geben. Es gebe für sie dann keinen Anlass mehr für Elterngespräche. Sie könnte sich dem Kindesvater vollständig entziehen, was nicht im Interesse der Kinder wäre. Dies hat das Oberlandesgericht nicht entsprechend gewürdigt.

2. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem festgestellten Grundrechtsverstoß. Sie wird aufgehoben; die Sache wird an das Oberlandesgericht zurückverwiesen (§ 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BverfGG). ..."(BVerfG, Beschluss vom 30.06.2009 - 1 BvR 1868/08)

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„... Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. Dezember 2008 verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

a) Der einfachrechtliche Ausgangspunkt des Oberlandesgerichts, die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts daran auszurichten, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2, § 1697a BGB), ist allerdings nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gilt der - strengere - Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB (‚wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist') dann nicht, wenn eine im Verfahren ergangene einstweilige Anordnung abgeändert werden soll. § 1696 BGB betrifft nur die Abänderung von Endentscheidungen (vgl. Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 1696 Rn. 29).

b) Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Freiheitsrecht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder dient in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur für die Ausübung der Elternverantwortung ist (vgl. BVerfGE 61, 358 <371 f.>; 75, 201 <218 f.>). Der Schutz des Elternrechts, das Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169, 173>). Dem dient § 1671 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge - beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht - allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BVerfGK 2, 185 <188>).

Aus der grundrechtlichen Gewährleistung des Elternrechts wie auch aus der Verpflichtung des Staates, über dessen Ausübung im Interesse des Kindeswohls zu wachen, ergeben sich auch Folgerungen für das Prozessrecht und seine Handhabung in Sorgerechtsverfahren (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls getroffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 1995 - 1 BvR 1208/92 -, juris), bei der allerdings auch zu berücksichtigen ist, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juni 2007 - 1 BvR 1426/07 -, juris).

Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass das Kind in dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit erhält, seine persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen. Die Gerichte müssen ihr Verfahren deshalb so gestalten, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Mit der Kundgabe seines Willens macht das Kind zum einen von seinem Recht zur Selbstbestimmung Gebrauch. Denn jede gerichtliche Lösung eines Konflikts zwischen den Eltern, die sich auf die Zukunft des Kindes auswirkt, muss nicht nur auf das Wohl des Kindes ausgerichtet sein, sondern das Kind auch in seiner Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen, weil die sorgerechtliche Regelung entscheidenden Einfluss auf das weitere Leben des Kindes nimmt und es daher unmittelbar betrifft (vgl. BVerfGE 37, 217 <252>; 55, 171 <179>). Hat der unter diesem Aspekt gesehene Kindeswille bei einem Kleinkind noch eher geringes Gewicht, so kommt ihm im zunehmenden Alter des Kindes vermehrt Bedeutung zu (vgl. BVerfGK 9, 274 <281>; 10, 519 <524>). Nur dadurch, dass Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis ihres Kindes zu selbständigem verantwortungsvollem Handeln berücksichtigen (vgl. § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB), können sie das Ziel, ihr Kind zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu erziehen (vgl. § 1 Abs. 1 SGB VIII), erreichen. Die Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG entspringende Pflicht der Eltern, ihrem Kind Schutz und Hilfe angedeihen zu lassen, damit es sich zu einer solchen eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft entwickeln kann, wie sie dem Menschenbild des Grundgesetzes entspricht (BVerfGE 24, 119 <144>), bezieht sich nicht nur auf das Kind, sondern obliegt den Eltern von Verfassungs wegen unmittelbar ihrem Kind gegenüber (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 1. April 2008 - 1 BvR 1620/04 -, juris).

Ein vom Kind kundgetaner Wille kann Ausdruck von Bindungen zu einem Elternteil sein, die es geboten erscheinen lassen können, ihn in dieser Hinsicht zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 55, 171 <180, 182 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 5. September 2007 - 1 BvR 1426/07 -, juris). Hat ein Kind zu einem Elternteil eine stärkere innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden.

Zwar muss in Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz dem erkennenden Gericht überlassen bleiben, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um zu den für seine Entscheidung notwendigen Erkenntnissen zu gelangen (vgl. BVerfGE 79, 51 <62>). Das Verfahren muss aber grundsätzlich geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen. Die Fachgerichte sind danach verfassungsrechtlich nicht stets gehalten, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Wenn sie aber von der Beiziehung eines Sachverständigen absehen, müssen sie anderweit über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Januar 2006 - 1 BvR 526/04 -, juris; BVerfGK 9, 274 <279>).

Grundsätzlich ist die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und die Würdigung des Tatbestandes sowie die Auslegung und Anwendung verfassungsrechtlich unbedenklicher Regelungen im einzelnen Fall Angelegenheit der zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen. Ihm obliegt lediglich die Kontrolle, ob die angegriffene Entscheidung Auslegungsfehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Auffassung von der Bedeutung eines Grundrechts oder vom Umfang seines Schutzbereiches beruhen. Bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben lassen sich die Grenzen der Eingriffsmöglichkeiten des Bundesverfassungsgerichts aber nicht starr und gleichbleibend ziehen. Sie hängt namentlich von der Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung ab (BVerfGE 72, 122 <138>; stRspr).

c) Im vorliegenden Fall ist das Oberlandesgericht diesen Maßstäben nicht gerecht geworden, sondern hat das Elternrecht der Beschwerdeführerin in Umfang und Tragweite verkannt; das vom Oberlandesgericht gewählte Verfahren bot nicht hinreichende Gewähr für die erforderliche umfassende Sachverhaltsaufklärung.

aa) Da das Oberlandesgericht zunächst feststellt, dass A. zu beiden Eltern starke Bindungen habe und in der Erziehungsfähigkeit beider Elternteile keine entscheidungserheblichen Unterschiede bestünden, stützt es seine Entscheidung ersichtlich auf die von ihm angenommene unzureichende Bindungstoleranz der Beschwerdeführerin. Als tatsächliche Anhaltspunkte für die mangelnde Bindungstoleranz der Beschwerdeführerin führt das Oberlandesgericht die Äußerung A.s gegenüber der Verfahrenspflegerin (‚dass die Mutter immer ganz traurig sei, wenn sie den Vater besuche'), die Erklärung der Beschwerdeführerin gegenüber der Vertreterin des Jugendamts (‚dass sie sich nicht wohl fühle, wenn A. bei ihrem Vater ist') und die Art und Weise des Umzugs der Beschwerdeführerin an.

Es begegnet bereits Bedenken, einen so weitreichenden Vorwurf wie mangelnde Bindungstoleranz gegenüber der Beschwerdeführerin allein auf diese drei Punkte zu stützen. Insbesondere soweit das Oberlandesgericht in diesem Zusammenhang zwar grundsätzlich nichts gegen das Aufkündigen des Wechselmodells und die Verlegung des Wohnsitzes nach G. einwendet, dem Amtsgericht aber bescheinigt, der Beschwerdeführerin zurecht die die Arbeitsstelle betreffende objektiv unzutreffende Aussage vorgehalten und dies als Ausdruck mangelnder Bindungstoleranz gewertet zu haben, drängt sich - ungeachtet dessen, dass Hinweise auf eine bewusst unwahre Angabe der Beschwerdeführerin gegenüber dem Gericht fehlen - der Eindruck auf, dass diese Erwägungen stark vom Gedanken der Sanktionierung der Beschwerdeführerin beeinflusst sind.

Hinzu kommt, dass das Oberlandesgericht wesentliche, gegen eine Bindungsintoleranz der Beschwerdeführerin sprechende, Anhaltspunkte außer Acht lässt und damit eine Verkennung des Elternrechts der Beschwerdeführerin offenbart.

Feststellungen dahingehend, dass der Umgang A.s mit dem Kindesvater in irgendeiner Weise von der Beschwerdeführerin vereitelt wurde, trifft das Oberlandesgericht nicht. Stattdessen gelangt es an anderer Stelle selbst zu dem Ergebnis, A. habe den Kontakt nach P. nicht verloren, dort noch viele Freunde und insbesondere ein unbefangenes Verhältnis zur Tochter L. der jetzigen Ehefrau des Kindesvaters. Entsprechend erschließt sich, vom Oberlandesgericht ebenfalls unerörtert, in vielfacher Weise, dass die Beschwerdeführerin den dem Vater durch die einstweilige Anordnung - angesichts dessen, dass der Beschwerdeführerin danach kein Wochenende mit dem Kind blieb - großzügig eingeräumten Umgang auch tatsächlich gewährt hat. Soweit das Amtsgericht ausführt, die Beschwerdeführerin habe sich nicht an eine Abrede der Parteien gehalten, A. einmal monatlich für längere Zeit als ein Wochenende beim Antragsteller zu belassen, lässt dies erkennen, dass die Eltern eine - über die gerichtliche Anordnung hinausgehende - freiwillige Vereinbarung geschlossen hatten. Mit dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin - aus freien Stücken - überhaupt zu einer solch weitgehenden Abrede bereit war, setzt sich das Oberlandesgericht ebenso wenig auseinander wie mit der Feststellung der Sachverständigen, A. führe nahezu täglich Telefonate mit ihrem Vater.

Darüber hinaus kam es - laut Gutachterin - zeitgleich mit dem Umzug zu einer nur kurzfristigen Unterbrechung des Umgangs, da A. den Kontakt zum Vater ablehnte. Das Oberlandesgericht zieht in diesem Zusammenhang nicht in Erwägung, ob es - was naheliegend erscheint - möglicherweise der Einwirkung der Beschwerdeführerin oder gegebenenfalls der von ihr in Anspruch genommenen Hilfe Dritter zu verdanken war, dass der Umgang mit dem Vater nach kurzer Zeit wieder aufgenommen werden konnte. Insoweit ergibt sich aus den Berichten des Jugendamts G. vom 19. September 2007, 28. Februar 2008 und vom 22. Oktober 2008, dass die Beschwerdeführerin seit dem Umzug sowohl dessen Unterstützung gesucht als auch die Hilfe der Psychologischen Beratungsstelle für A. in Anspruch genommen hat.

Unbeleuchtet durch das Oberlandesgericht bleibt auch die Tatsache, dass sich die Beschwerdeführerin bereits in ihrem ursprünglichen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und - ebenso wie der Kindesvater - gegenüber der Sachverständigen unproblematisch auch für die Zukunft zu weitgehenden Umgangskontakten bereitgefunden hat.

bb) Soweit das Oberlandesgericht mit der Begründung, einen nochmaligen Wechsel des Wohnortes sowie einen Schulwechsel habe die Beschwerdeführerin, die aus ihrem Verhalten keine Vorteile ziehen dürfe, zu verantworten, annimmt, der Kontinuitätsgrundsatz stehe der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater nicht entgegen und der Schulwechsel sei A. zuzumuten, offenbaren diese Formulierungen in kaum verhohlener Deutlichkeit, dass insoweit nicht das Kindeswohl, sondern die Sanktionierung der Beschwerdeführerin für angebliches Fehlverhalten (Umzug nach G. und Ablehnungsantrag gegen die Gutachterin) im Vordergrund stand. In gleicher Weise spricht auch die Ausführung, es komme nicht entscheidend darauf an, dass sich A. gut in G. eingelebt habe und dort wohlfühle, da ausschließlich die Beschwerdeführerin einen nochmaligen Wechsel des Kindes zu verantworten habe, für eine inakzeptable Vernachlässigung des Kindeswohls. Das Oberlandesgericht lässt im Rahmen der Erörterung des Kontinuitätsgrundsatzes in keiner Weise erkennen, dass es sich der möglicherweise für A. eintretenden subjektiven Folgen eines Wegzugs aus dem Wohnumfeld der vergangenen 15 Monate, einer Trennung von der Beschwerdeführerin als Hauptbetreuungsperson und eines Grundschulwechsels bewusst war.

Eine gleichermaßen unzulängliche Berücksichtigung des Kindeswohls (wiederum zugunsten einer versteckten Sanktionierung der Beschwerdeführerin) lässt auch die Erwägung des Gerichts vermuten, es sei nicht zu erwarten, dass die Rückkehr nach P. für A. belastender sei als die von der Mutter ertrotzte Beendigung des Wechselmodells durch den Umzug nach G. Denn darin kommt der Vergleich der Belastung A.s durch den bevorstehenden Umzug nach P. mit jener durch den früheren Umzug nach G. zum Ausdruck. Maßstab für eine kindeswohlgerechte Entscheidung darf jedoch nicht sein, ob eine erneute Veränderung einschneidender als eine vergangene sein wird, sondern ob die in Betracht kommende Umstellung nachteiliger für das Kind als die Beibehaltung der aktuellen Situation wäre.

cc) Durchgreifenden Bedenken begegnet es auch, dass das Oberlandesgericht dem geäußerten Willen A.s letztlich keine Bedeutung zumisst.

Das Oberlandesgericht geht offenbar von einer massiven Beeinflussung des Kindes durch die Beschwerdeführerin aus (‚Von der klammernden Antragsgegnerin in eine Koalition gezwungen, opfert sich A. für ihre Mutter auf und wird nachgerade zur Prozesspartei'). Beide dafür angeführte Begründungen erscheinen äußerst problematisch. Soweit das Gericht die Verfahrenspflegerin zitiert, der Kindeswille deute eher auf Befindlichkeiten der Beschwerdeführerin als auf die Bedürfnisse des Kindes hin, bleibt diese Behauptung völlig ohne Beleg, zumal A.s Bedürfnisse gar nicht festgestellt werden. Das Gericht setzt sich auch nicht mit der - nicht fernliegenden - Möglichkeit auseinander, dass die Befindlichkeiten der Mutter den Bedürfnissen des Kindes entsprechen und der - kontinuierlich während der Dauer von knapp 21 Monaten geäußerte - Wunsch A.s, bei der Mutter zu bleiben, Ausdruck engerer persönlicher Bindungen zur Beschwerdeführerin ist. Dies gilt gerade für die Äußerung des Kindes ‚Jetzt müssen wir gewinnen', die vom Oberlandesgericht zu Unrecht dem Zusammenhang (‚Die Mama hab ich ein bisschen lieber als den Papa. Das haben wir doch schon vor dem ersten Richter gesagt. Aber da haben wir nicht gewonnen. Jetzt müssen wir gewinnen.') entnommen und mit einer an gänzlich anderer Stelle und in völlig anderem Kontext gefallenen Aussage des Kindes (‚Ich bin das Kind meiner Mama, also bin ich eine zweite An.', dem folgt: ‚Das sagen Oma, Opa und Mama. …') in Verbindung gebracht wird. Beide Zitate sind in ihrem wahren Zusammenhang kaum mehr geeignet, den Schluss auf eine ‚klammernde Antragsgegnerin', die ihre Tochter ‚in eine Koalition gezwungen' hat, zu belegen.

Gegen diese Annahmen spricht auch die - besonders hervorgehobene (‚für Kinder keine Selbstverständlichkeit') - Beobachtung der Sachverständigen im Herbst 2007, A. lege gegenüber beiden Elternteilen und - insbesondere auch in Anwesenheit des jeweils anderen Elternteils - gegenüber deren jeweiligen Lebensgefährten einen ungezwungenen und herzlichen Umgang an den Tag. Damit setzt sich das Oberlandesgericht nicht auseinander.

Das Oberlandesgericht lässt bei der Bewertung des Kindeswillens auch außer Acht, dass A. zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits knapp 15 Monate (seit Mitte September 2007 bis Anfang Dezember 2008) in G. lebte und dort seit drei Monaten in die Grundschule ging, in der es ihr, wie sie bereits am 9. Oktober 2008 - bestätigt durch die Einschätzung der Klassenlehrerin A.s - gegenüber dem Jugendamt angab, gut gefalle und wo sie schon viele Freunde habe. Das Gericht, das an anderer Stelle selbst davon ausgeht, dass sich A. gut in G. eingelebt habe und sich dort wohlfühle, setzt sich nicht damit auseinander, inwieweit der geäußerte Wille des Kindes auch und gerade Spiegel dessen sein könnte.

Zu Recht postuliert das Oberlandesgericht zwar die doppelte Funktion des Kindeswillens als Ausdruck der empfundenen Personenbindung einerseits und der Selbstbestimmung des Kindes andererseits, verliert aber gerade den zweiten Aspekt völlig aus dem Blick, wenn es gegen die Berücksichtigung des Wunsches, bei der Mutter zu bleiben, ins Feld führt, es entspreche nicht dem Kindeswohl, A. die Entscheidung gegen den Vater aufzubürden.

dd) Schließlich begegnet auch das vom Oberlandesgericht gewählte Verfahren erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Bei der Beurteilung der Bindungstoleranz der Beschwerdeführerin, der Folgen eines nochmaligen Umzugs unter Durchbrechung der Kontinuität und deren Auswirkungen auf das Kindeswohl sowie bei der Einordnung des Kindeswillens hat das Oberlandesgericht seine kinderpsychologische Sachkunde nicht dargetan.

Das Gericht hätte insoweit nicht ohne ergänzende sachverständige Beurteilung entscheiden dürfen. Denn die von ihm herangezogenen Erkenntnisquellen machten die Einholung eines Ergänzungsgutachtens nicht entbehrlich; diese boten ersichtlich keine hinreichende Gewähr dafür, dem Gericht eine möglichst zuverlässige Erkenntnisgrundlage zu verschaffen. Soweit sich der Senat auf die Einschätzung der Verfahrenspflegerin beruft, ist nicht erkennbar, dass diese über kinderpsychologischen Sachverstand verfügt. Auf das schriftliche Gutachten vom 5. Dezember 2007 allein durfte sich das Oberlandesgericht nicht stützen, da die Beurteilung der Sachverständigen auf einem über ein Jahr in der Vergangenheit liegenden Sachstand beruhte und damit wesentliche Entwicklungen (ununterbrochener Aufenthalt A.s in G. seit insgesamt knapp 15 Monaten, Schulbeginn) nicht berücksichtigen konnte. Auch das Protokoll über die ergänzende Anhörung der Sachverständigen durch das Amtsgericht am 7. Mai 2008 war insoweit nicht ergiebig. Denn diesem war kein eindeutiger und klarer Vorschlag der Sachverständigen zu entnehmen. Zudem hatte die Sachverständige vor der Anhörung keinen erneuten Kontakt mit A. und den Kindeseltern. Schließlich war es ihr angesichts des Anhörungszeitpunktes auch noch nicht möglich, den Schulbeginn des Kindes und dessen für die Entscheidung des Oberlandesgerichts maßgebliche Aufenthaltsdauer in G. bei ihrer Bewertung zu berücksichtigen. Zur erneuten Heranziehung der Sachverständigen hätte sich das Gericht insbesondere auch deshalb veranlasst sehen müssen, weil diese ihren Vorschlag im Dezember 2007, A. solle zum Vater wechseln, noch mit dem Kontinuitätsgrundsatz begründet hatte, während das Oberlandesgericht nunmehr umgekehrt den Kontinuitätsgrundsatz als dem Wechsel des Kindes nicht entgegenstehend betrachtete.

d) Der Beschluss des Oberlandesgerichts vom 8. Dezember 2008 beruht auf dem Verstoß gegen das Elternrecht. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberlandesgericht bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und ausreichender Ermittlung des Sachverhalts das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. der Beschwerdeführerin übertragen hätte. ..." (BVerfG, Beschluss vom 18.05.2009 - 1 BvR 142/09)

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„...1. Allerdings hat das Amtsgericht in seinem Beschluss vom 27. Dezember 2007 die Bedeutung und Tragweite des Elternrechts des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verkannt.

a) Die von den Fachgerichten getroffenen tatsächlichen Feststellungen und die von ihnen im Einzelnen vorgenommene Abwägung hat das Bundesverfassungsgericht nicht nachzuprüfen. Der verfassungsgerichtlichen Prüfung unterliegt jedoch, ob fachgerichtliche Entscheidungen auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung und Tragweite eines Grundrechts beruhen (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>). Die Intensität dieser Prüfung hängt davon ab, in welchem Maße von der Entscheidung Grundrechte beeinträchtigt werden (vgl. BVerfGE 83, 130 <145>).

Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Für den Fall, dass die Voraussetzungen für eine gemeinsame Wahrnehmung der Sorge fehlen, bedarf das Elternrecht der gesetzlichen Ausgestaltung (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>). Dem dient § 1671 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 2 BGB, der bestimmt, dass einem Elternteil auf Antrag die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge - wie beispielsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht - allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. BVerfGK 2, 185 <188>). Bei der Anwendung dieser Vorschrift haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGE 31, 194 <206 f.>; 64, 180 <188>). Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1993 - 1 BvR 692/92 -, FamRZ 1993, S. 662 <663>). Der Wille des Kindes ist zu berücksichtigen, soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>).

Im Falle einer einstweiligen Sorgerechtsregelung ist ferner zu berücksichtigen, dass die hierdurch eröffnete Möglichkeit zur Wahrnehmung der Elternverantwortung faktisch die endgültige Sorgerechtsregelung beeinflussen kann. Eine dem Elternrecht genügende Entscheidung kann daher nur aufgrund der Abwägung aller Umstände des Einzelfalles getroffen werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Dezember 1995 - 1 BvR 1208/92 -, FamRZ 1996, S. 343 <344>), bei der allerdings auch zu berücksichtigen ist, dass die Abwägung nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 12. Juni 2007 - 1 BvR 1426/07 -, FamRZ 2007, S. 1626). Nimmt indes ein Elternteil anlässlich der Trennung ein gemeinsames Kind eigenmächtig mit, so ist häufig zweifelhaft, ob die spontane Herausnahme des Kindes aus seinem bisherigen Lebenskreis in eine neue Umgebung seinem Wohl dient. Es wird vielfach wahrscheinlicher sein, dass gerade in der ersten Phase der räumlichen Trennung der Eltern das Kind besser in seiner alten Umgebung aufgehoben ist, jedenfalls dann, wenn der in der elterlichen Wohnung verbliebene Elternteil die Betreuung des Kindes selbst übernehmen will und dazu in der Lage ist (vgl. BVerfGE 57, 361 <387>; vgl. auch - zur Problematik bei Verfahren nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 - BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. August 1996 - 2 BvR 1075/96 -, FamRZ 1996, S. 1267 und - zum Fall gegenläufiger Rückführungsanträge - BVerfGE 99, 145 <158 ff.>).

b) Diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben hält der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts nicht stand.

Dadurch, dass es seine Entscheidung allein auf den Gesichtspunkt einer ‚vorläufigen Kontinuität' gestützt hat, hat es bedeutsame Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen und nicht ausreichend angestrebt, einen angemessenen Ausgleich der verschiedenen grundrechtlich geschützten Interessen herzustellen.

Das Amtsgericht hat nicht erwogen, dass für den Beschwerdeführer, der bis zum Auszug der Mutter die Hauptbetreuungsperson des Kindes war, der Kontinuitätsgrundsatz streitet, der die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Erziehungsverhältnisses umfasst (vgl. BVerfGE 61, 358 <367>). Es hat sich daher nicht damit auseinandergesetzt, welches Gewicht dieser in der einvernehmlichen Rollenverteilung der Eltern angelegten Kontinuität im Vergleich zu der von der Mutter eigenmächtig hergestellten - sogenannten ertrotzten - Kontinuität unter Kindeswohl-aspekten zukommt. Hierzu hat das Amtsgericht nur ausgeführt, dass es das Verhalten der Mutter nicht billige, ohne aber darauf einzugehen, dass ein solches Verhalten eines Elternteils, der plötzlich den Aufenthalt eines Kindes dauerhaft und ohne vorherige Absprache mit dem anderen, mitsorgeberechtigten Elternteil verändert, ein gewichtiger Aspekt im Rahmen der Beurteilung der Erziehungseignung eines Elternteils ist, die das Gericht auch schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit den ihm in der zwangsläufigen Kürze der Zeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten vorläufig beurteilen muss, zumal wenn - wie hier - der das Kind eigenmächtig verbringende Elternteil dem zurückgelassenen Elternteil zunächst keinen Umgang mit dem Kind gewährt, was auf mangelnde Bindungstoleranz hinweisen kann.

Vor diesem Hintergrund hätte die Annahme des Amtsgerichts, im Hinblick auf die Erziehungseignung der Eltern bestünden ‚keine offenkundigen Unterschiede', näherer Darlegung bedurft. Dies gilt umso mehr, als - bei im Übrigen gleichwertigen äußeren Erziehungsumständen und Bindungen des Kindes - eine bessere Erziehungseignung auch dann den Ausschlag geben kann, wenn diese nicht offenkundig ist. Wenn und weil sich vorläufige Sorgerechtsentscheidungen regelmäßig faktisch zugunsten des Elternteils auswirken, der das Kind anlässlich der Trennung eigenmächtig mitnimmt, darf der Umstand, dass diese Kontinuität ertrotzt wurde, nicht erst in der Hauptsacheentscheidung, sondern muss schon im Eilverfahren angemessen berücksichtigt und insbesondere auch zu den Auswirkungen eines erneuten Wechsels des Kindes ins Verhältnis gesetzt werden. Gerade wenn das Kind - wie hier - plötzlich aus der Obhut seines bislang hauptsächlich betreuenden Elternteils entrissen und aus seinem bisherigen örtlichen und sozialen Umfeld entfernt wird, entspricht eine rasche Rückkehr des Kindes an den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts regelmäßig dem Kindeswohl. Dies gilt umso mehr, wenn das Kind - wie vorliegend - einer Rückkehr gegenüber offen eingestellt ist - das Kind hat erklärt, den Vater wieder sehen und in den alten Kindergarten gehen zu wollen - und die vom Amtsgericht angenommene ‚vorläufige Kontinuität' gerade einmal zwei Monate angedauert hat.

Die Perspektive einer solchen Rückkehr des Kindes hängt freilich eng mit der Verfahrensdauer zusammen. Mit jeder Verfahrensverzögerung drohen das Fortschreiten einer Entfremdung zwischen dem zurückgelassenen Elternteil und dem Kind und eine Verstärkung der ertrotzten Kontinuität. Dies kann rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führen, noch bevor ein richterlicher Spruch vorliegt. Hinzu kommt, dass das kindliche Zeitempfinden nicht den Zeitmaßstäben eines Erwachsenen entspricht. Dies und der Umstand, dass solche Verfahren für die betroffenen Familienmitglieder, deren persönliche Beziehungen hierdurch unmittelbar beeinflusst werden, in der Regel von höchst persönlicher Bedeutsamkeit sind, machen eine besondere Sensibilität für die Problematik der Verfahrensdauer in diesen Verfahren erforderlich (vgl. BVerfGK 2, 140 <142> m.w.N.).

Es ist daher - im Einzelfall wie auch unter generalpräventiven Aspekten - von großer Bedeutung, in Fällen wie dem vorliegenden Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz vorrangig und beschleunigt zu bearbeiten, um zu vermeiden, dass der Elternteil, der ein Kind eigenmächtig innerstaatlich an einen anderen Ort als den des vormaligen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes verbringt, aus seinem Verhalten ungerechtfertigte Vorteile ziehen kann. Dies bedingt eine unverzügliche und kurzfristige Terminierung der Sache. Das Vorgehen des Amtsgerichts, das den Beteiligten den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zunächst nur zur schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen übersandt hat, dann aber in seiner Entscheidung selbst ausgeführt hat, dass zwei Monate im Erleben eines vierjährigen Kindes ‚kein nur ganz kurzer Zeitraum' sei, erscheint demgegenüber widersprüchlich.

2. Indes ist die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts unzulässig, weil sie durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 4. März 2008 prozessual überholt worden ist (vgl. dazu BVerfGK 7, 312 <316>) und die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung jedenfalls unbegründet ist.

a) Zwar erscheint sehr zweifelhaft, ob die vom Oberlandesgericht als seine ‚ständige Rechtsprechung' bezeichnete Übung, vollzogene amtsgerichtliche Entscheidungen zur elterlichen Sorge, die nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten und Einschaltung der Jugendämter ergangen sind, im Beschwerdeverfahren nur abzuändern, wenn die Beschwerde konkrete Umstände aufzeigt und glaubhaft macht, aus denen sich für den verbleibenden Zeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung eine Kindeswohlgefährdung oder die Gefahr sonstiger schwerwiegender Unzulänglichkeiten für dessen Versorgung ableiten lassen, verfassungsrechtlicher Prüfung standhält.

Denn eine solche schematische (Selbst-)Begrenzung des Prüfungsmaßstabes des Beschwerdegerichts kann sich zum einen auf keine einfachrechtliche Norm des Familienverfahrensrechts stützen, zum anderen kann eine solche Handhabung zur - kindeswohlwidrigen - Folge haben, dass dem Kind in Fällen wie dem vorliegenden allein aus Gründen der vorläufigen und ertrotzten Kontinuität die Betreuung durch den nach vorläufiger Würdigung erziehungsgeeigneteren Elternteil versagt bleibt. Dann aber wären die Umstände des Einzelfalls nicht hinreichend berücksichtigt, deren stete Maßgeblichkeit es verbietet, eine bestimmte Sorgerechtsregelung mit der Spruchpraxis eines Gerichts in vergleichbaren Fällen zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1993 - 1 BvR 692/92 -, FamRZ 1993, S. 662 <663>).

b) Eine Rüge mit dieser Stoßrichtung hat der Beschwerdeführer indessen nicht näher ausgeführt und somit nicht substantiiert (§ 92 BVerfGG) erhoben. Dies gegeben, hält die Entscheidung des Oberlandesgerichts einer Überprüfung im Lichte des Elternrechts des Beschwerdeführers stand.

Das Oberlandesgericht ist aufgrund eigener Prüfung nach persönlicher Anhörung der Eltern und des Kindes und Beteiligung des Jugendamts zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Abänderung der vom Amtsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung nicht dem Kindeswohl entspreche, weil es dem Kind nicht zuzumuten sei, sich für den in der Regel kurzen Zeitraum bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache wiederum auf eine Veränderung einzustellen.

Das Oberlandesgericht konnte sich dabei einerseits auf die Äußerungen des Kindes stützen, das - nunmehr - bekundet hat, dass es sich nicht freute, müsste es den jetzt von ihm besuchten Kindergarten wieder verlassen, andererseits auf die inzwischen verstrichenen rund vier Monate, in denen sich das Kind ersichtlich weiter in S. integriert hat. Ferner durfte es davon ausgehen, dass nun zeitnah das bereits vom Amtsgericht in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten erstellt werden und daher die Hauptsacheentscheidung ergehen würde.

3. Soweit der Beschwerdeführer sich in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in seinem rechtlichen Gehör verletzt sieht, sind diese Rügen unsubstantiiert, weil der Beschwerdeführer die Möglichkeit, in diesen Rechten verletzt zu sein, nicht gehaltvoll aufzeigt. Insoweit wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG von einer weiteren Begründung abgesehen. ..." (BVerfG, Beschluss vom 27.06.2008 - 1 BvR 1265/08)

*** (BGH)

Dem sich aus der gesetzlichen Gesamtvertretung des minderjährigen Kindes durch gemeinsam sorgeberechtigte Eltern ergebenden Bedürfnis für eine Autorisierung eines Elternteils zur alleinigen Wahrnehmung elterlicher Vertretungsbefugnisse kann durch Erteilung einer Vollmacht entsprochen werden. Das Grundverhältnis für diese Vollmacht ist regelmäßig das sich aus dem fortbestehenden gemeinsamen Sorgerecht ergebende gesetzliche Rechtsverhältnis. Daraus ergeben sich insbesondere Kontrollbefugnisse und -pflichten und gegebenenfalls auch Mitwirkungspflichten des vollmachtgebenden Elternteils. Eines gesonderten Vertrags zwischen den Eltern bedarf es für das Grundverhältnis nicht. Die Bevollmächtigung des mitsorgeberechtigten Elternteils kann eine andernfalls notwendige Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen, wenn und soweit sie dem bevollmächtigten Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange gibt. Hierfür ist eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern erforderlich, soweit eine solche auch unter Berücksichtigung des durch die Vollmacht erweiterten Handlungsspielraums des bevollmächtigten Elternteils unerlässlich ist (BGH, Beschluss vom 29.04.2020 - XII ZB 112/19).

***

Die gerichtliche Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil hat keine Bindungswirkung hinsichtlich einer späteren Entscheidung zum Umgang und der sich dabei stellenden Frage, ob ein paritätisches Wechselmodell anzuordnen ist (Fortführung von Senatsbeschluss vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15, BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532). Die Entscheidung zum Umgang richtet sich in diesem Fall als Erstentscheidung nach §§ 1684, 1697a BGB und unterliegt nicht den einschränkenden Voraussetzungen einer Abänderungsentscheidung gemäß § 1696 Abs. 1 BGB. Der Anordnung eines Wechselmodells kann entgegenstehen, dass der dieses begehrende Elternteil es an der notwendigen Loyalität gegenüber dem anderen Elternteil fehlen lässt. Ein gegenläufiger Wille des Kindes ist nicht ausschlaggebend, wenn dieser maßgeblich vom das Wechselmodell anstrebenden Elternteil beeinflusst ist (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 512/18).

***

Die Abänderung einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil ist trotz eines auf den Wechsel in den Haushalt des anderen Elternteils gerichteten Kindeswillens nicht gerechtfertigt, wenn der Kindeswille nicht autonom gebildet ist und sonstige Belange des Kindeswohls entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 27.11.2019 - XII ZB 511/18):

„ ... a) Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Abänderungsgründe in diesem Sinne liegen nach den vom Oberlandesgericht in nicht zu beanstandender Weise getroffenen Feststellungen nicht vor. Vielmehr ist sogar davon auszugehen, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter nach wie vor dem Wohl der drei gemeinsamen Kinder am besten entspricht.

aa) Die Beurteilung des Kindeswohls liegt in der Verantwortung der Tatsachengerichte. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN).

Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt. Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (Senatsbeschlüsse BGHZ 211, 22 = FamRZ 2016, 1439 Rn. 20; BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19 mwN).

Nach § 159 Abs. 1 FamFG ist ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, persönlich anzuhören. Auch ein jüngeres Kind ist gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist (Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 12). Die Neigungen, Bindungen und der Kindeswille sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls (Senatsbeschlüsse BGHZ 211, 22 = FamRZ 2016, 1439 Rn. 44 und BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 19).

bb) Der vom Kind geäußerte Wille hat bei kleineren Kindern vornehmlich Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078 Rn. 12, 18; FamRZ 2008, 1737, 1738; Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392, 393), ist mit zunehmendem Alter jedoch auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam (§ 1626 Abs. 2 Satz 2 BGB; vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737, 1738). Der Kindeswille ist aber nur insoweit zu berücksichtigen, als er dem Kindeswohl entspricht (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 31; BVerfG FamRZ 1981, 124, 126 f. und FamRZ 2008, 1737, 1738).

Zur Berücksichtigung des Willens des Kindes und seiner Interessen sieht das Gesetz die Bestellung eines Verfahrensbeistands vor (§ 158 FamFG; vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Die Einrichtung der Verfahrensbeistandschaft ist übereinstimmend mit der ihr vorausgegangenen - inhaltsgleichen - Verfahrenspflegschaft Ausdruck der Subjektstellung des Kindes in seiner Individualität als Grundrechtsträger (vgl. BVerfG FamRZ 2007, 1078 Rn. 10 mwN; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 86; Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32). Sie soll in Fällen eines Interessenkonflikts zwischen Kind und Eltern insbesondere die einseitige Vertretung der Interessen des Kindes ermöglichen und unterscheidet sich insofern vom Aufgabenkreis des Familiengerichts und der weiteren Beteiligten (BT-Drucks. 13/4899 S. 129 f. - zur Verfahrenspflegschaft). Die Verfahrensbeistandschaft trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Scheidungskinder sich oftmals in einer verunsicherten psychischen Situation befinden und ein Verfahrensbeistand das Kind durch die Vertretung seiner Interessen gegenüber dem Familiengericht entlasten kann (Senatsbeschluss BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 32 - zum Verfahrenspfleger).

b) Die angefochtene Entscheidung weist nach diesen Maßstäben keine materiell-rechtlichen Fehler auf und ist auch verfahrensfehlerfrei ergangen.

aa) Das sachverständig beratene Oberlandesgericht hat eine Abänderung der im Vorverfahren ergangenen Sorgerechtsregelung vor allem wegen der gegenüber dem Kindesvater nach wie vor besseren Erziehungskompetenz der Kindesmutter abgelehnt.

Das Oberlandesgericht hat den auf einen Wechsel in den Haushalt des Kindesvaters gerichteten Willen der Kinder, den diese im vorliegenden wie zum Teil auch bereits im Ausgangsverfahren geäußert haben, berücksichtigt. Es hat dem Kindeswillen im Ergebnis aber zu Recht keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen, weil dem weitere, gewichtigere Gründe des Kindeswohls entgegenstehen. Zwar haben die Kinder nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen eine intakte Bindung zum Kindesvater. Dieser bietet ihnen insbesondere im früheren Familienwohnheim gute Spielgelegenheiten und beschäftigt sich intensiv mit den Kindern.

Demgegenüber fällt jedoch erheblich ins Gewicht, dass hinsichtlich der Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters, insbesondere seiner Bindungstoleranz, deutliche Abstriche zu machen sind. Das Oberlandesgericht hat insoweit in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, der Kindesvater vermöge es nach wie vor weniger als die Kindesmutter, den Kindern zu ihrer Entwicklung Freiräume zu gewähren und dabei eigene Bedürfnisse hintanzustellen. In diesem Zusammenhang sei auch das über Jahre hinweg wiederholte und drängende Einwirken auf die Kinder negativ zu gewichten. Wenn der Kindesvater insbesondere in den Übergabesituationen, in denen es den Kindern und vor allem K-D. schwergefallen sei, sich von ihm zu lösen und zur Mutter zu gehen, diese Situationen filme, anstatt den Kindern als Vater stärkend zur Seite zu stehen, zeige dies, dass er sich in für die Kinder wichtigen Situationen weniger empathisch auf die Bedürfnisse der Kinder einstellen könne. Erzieherische Defizite des Kindesvaters betreffen vor allem auch die Vermittlung von Regeln und Grenzen. Zudem lässt er es an der notwendigen Loyalität zur Kindesmutter als dem anderen Elternteil fehlen. Es wirkt sich nachteilig auf die Kinder aus, wenn sie von einem Elternteil - bewusst oder unbewusst - unter "Koalitionsdruck" gesetzt und sie dadurch in Loyalitätskonflikte gebracht werden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 214, 31 = FamRZ 2017, 532 Rn. 31).

Beide Vorinstanzen befinden sich in ihrer Einschätzung im Einklang mit dem ausführlichen Sachverständigengutachten und dem Jugendamt. Insbesondere hat sich auch der Verfahrensbeistand eindeutig für eine Beibehaltung der bestehenden Sorgerechtsregelung ausgesprochen. Dieser hat dabei entsprechend seiner gesetzlichen Aufgabenzuweisung auch den gegenläufig geäußerten Willen der drei betroffenen Kinder berücksichtigt, diesen aber übereinstimmend mit der Sachverständigen und dem Jugendamt als vom Vater beeinflusst und im Widerspruch zu weiteren, gewichtigen Belangen des Kindeswohls angesehen.

bb) Die von der Rechtsbeschwerde erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet.

Die von der Rechtsbeschwerde gerügte Widersprüchlichkeit der angefochtenen Entscheidung sowie der von der Sachverständigen im Gutachten und in der mündlichen Anhörung gemachten Angaben besteht nicht. Hierfür kann dahinstehen, inwiefern es sich beim Willen der Kinder um einen nicht autonomen oder einen teilweise autonomen Willen handelt. Denn für die vom Oberlandesgericht gezogene Schlussfolgerung reicht es aus, dass der Wille der Kinder beeinflusst ist, was von den Vorinstanzen beanstandungsfrei festgestellt worden ist. Überdies hat das Oberlandesgericht maßgeblich auf die mit dem Willen der Kinder insoweit nicht zu vereinbarenden weiteren Belange des Kindeswohls abgestellt, die im vorliegenden Fall den von den Kindern geäußerten, aber nicht völlig autonom gebildeten Willen als nicht ausschlaggebend erscheinen lassen.

Auch die Rüge der Rechtsbeschwerde, dass das Oberlandesgericht die Kinder habe erneut anhören müssen, ist unbegründet. Die Kinder sind vor dem Amtsgericht in beiden Parallelverfahren insgesamt dreimal angehört worden. Sowohl das Jugendamt als auch der Verfahrensbeistand haben darauf hingewiesen, dass die Kinder durch den in beiden Verfahren ausgetragenen Elternkonflikt erheblich belastet sind. Der Verfahrensbeistand hat es dementsprechend als berufener Interessenvertreter der Kinder ausdrücklich für richtig gehalten, dass die Kinder in der Beschwerdeinstanz nicht erneut angehört worden sind (vgl. Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2018 - XII ZB 411/18 - FamRZ 2019, 115 Rn. 16). Da der Wille der Kinder und ihre Motivation aufgrund der erstinstanzlichen Anhörungen und des eingeholten Sachverständigengutachtens ausführlich untersucht worden sind, bedurfte es vor dem Oberlandesgericht keiner erneuten Anhörung der Kinder.

c) Soweit das Oberlandesgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde mit dem engen Zusammenhang der parallel laufenden Verfahren und der seiner Meinung nach aufgrund der neueren Rechtsprechung des Senats nicht mehr eindeutigen Abgrenzbarkeit der Gegenstände Sorgerecht und Umgangsrecht begründet hat, stellen sich derartige Fragen im vorliegenden Verfahren nicht. Die Abgrenzung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren ist vielmehr eindeutig und von den Vorinstanzen zutreffend vorgenommen worden. Soweit die inhaltliche Reichweite und die Folgerichtigkeit der in den beiden Verfahren ergehenden Entscheidungen in Frage stehen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 27. November 2019 - XII ZB 512/18 - zur Veröffentlichung bestimmt), haben sich für das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall auch insoweit aus der Parallelität der Verfahren keine Probleme ergeben. ..."

***

Beabsichtigt bei gemeinsamer elterlicher Sorge der das Kind betreuende Elternteil, mit dem Kind in ein entferntes Land (hier: Mexiko) auszuwandern, so ist Maßstab der Entscheidung über die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts vornehmlich das Kindeswohl. Für die Entscheidung sind zudem die beiderseitigen Elternrechte einzubeziehen. Die allgemeine Handlungsfreiheit des auswanderungswilligen Elternteils schließt es aus, dass auch die Möglichkeit des Verbleibs des betreuenden Elternteils im Inland als tatsächliche Alternative in Betracht kommt, selbst wenn diese dem Kindeswohl am besten entspräche. Die Gründe des Elternteils für seinen Auswanderungswunsch sind nur insoweit bedeutsam, als sie sich nachteilig auf das Kindeswohl auswirken (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 6. Dezember 1989 - IVb ZB 66/88 - FamRZ 1990, 392). Das Familiengericht hat dem für das Kind bestellten Verfahrenspfleger (nunmehr: Verfahrensbeistand) regelmäßig die Möglichkeit zu geben, an der Kindesanhörung teilzunehmen, damit dieser seine Aufgabe, die Kindesinteressen zu vertreten, sinnvoll erfüllen kann. Anders kann nur verfahren werden, wenn konkrete Gründe dafür sprechen, dass die Sachaufklärung durch die Teilnahme des Verfahrenspflegers beeinträchtigt wird. Wenn es für die Entscheidung auf den persönlichen Eindruck von dem Kind und dessen Willen ankommt, ist die Anhörung in der Beschwerdeinstanz vom gesamten Senat durchzuführen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 11. Juli 1984 - IVb ZB 73/83 - FamRZ 1985, 169; BGH, Beschluss vom 28.04.2010 - XII ZB 81/09 zu BGB §§ 1671, 1626, 1684; GG Artt. 2, 6; FGG §§ 12, 50, 50 b; FamFG §§ 26, 158, 159).

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„... Zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge, wenn der die Alleinsorge begehrende Elternteil für die völlige Zerrüttung der sozialen Beziehungen zwischen den Eltern (haupt)verantwortlich ist (BGH, Beschluss vom 12.12.2007 - XII ZB 158/05):

I. Die Antragstellerin (Mutter) und der Antragsgegner (Vater) streiten um die elterliche Sorge für ihre beiden gemeinsamen Kinder.

Die Mutter hatte mit dem Vater eine langjährige nichteheliche Beziehung; aus dieser Beziehung gingen die im Jahre 1996 geborene Tochter F. und der im Jahre 2001 geborene Sohn M. hervor. Die Eltern haben durch Erklärungen gegenüber dem Jugendamt die gemeinsame elterliche Sorge für die beiden Kinder erlangt, welche von Geburt an durchgehend im Haushalt der Mutter lebten. Der verheiratete Vater lebte auch während der Beziehung zur Mutter mit seiner Ehefrau zusammen, mit der er zwei bereits erwachsene Kinder hat. Im Frühjahr 2002 endete die Beziehung der Eltern. Die Mutter lebt seit mehreren Jahren mit einem neuen Partner zusammen, den sie zwischenzeitlich geheiratet hat.

Die Kinder hatten zunächst weiterhin Kontakt zu ihrem Vater, bis die Mutter im Februar 2003 jeden Umgang mit der Begründung unterband, die Ehefrau des Vaters habe ihr von dessen angeblicher Pädophilie berichtet; es bestehe auch der konkrete Verdacht des sexuellen Missbrauchs der Tochter F. durch den Vater. In einem anschließenden Umgangsrechtsverfahren wurde ein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt, welches den Verdacht auf sexuellen Missbrauch der Tochter F. durch den Vater nicht bestätigte. Die in dem seit März 2004 rechtskräftig abgeschlossenen Umgangsrechtsrechtsverfahren angeordnete Durchführung von zehn beschützten Umgangskontakten zwischen dem Vater und den Kindern fand durch Vermittlung des Deutschen Kinderschutzbundes e.V. zwischen April 2004 und Januar 2005 statt. Einem daran anschließenden unbegleiteten Umgang widersetzte sich die Mutter. Sie machte im Januar 2005 ein neues Umgangsrechtsverfahren anhängig mit dem Ziel, den Umgang der Kinder mit ihrem Vater für die Dauer von drei Jahren auszuschließen.

Im vorliegenden Sorgerechtsverfahren hat die Mutter den Antrag gestellt, die elterliche Sorge für die beiden Kinder auf sie allein zu übertragen. Der Vater ist dem Antrag entgegengetreten. Er hat sich für eine Fortdauer der gemeinsamen elterlichen Sorge ausgesprochen und hilfsweise die Übertragung der Alleinsorge auf sich begehrt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die elterliche Sorge auf die Mutter übertragen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters ist von dem Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Vater sein Begehren weiter.

II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Bei Abwägung aller Umstände entspreche die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter dem Wohl der Kinder am besten. Aus der seit Februar 2003 unvermindert anhaltenden Auseinandersetzung der Eltern lasse sich nur der Schluss ziehen, dass gegenwärtig keine Basis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehe. Es fehle vor allem an einem Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Elternteilen. Die Mutter habe seit Februar 2003 sämtliche Entscheidungen, welche die wesentlichen Belange der Kinder (Einschulung der Tochter, Kindergartenbesuch des Sohnes) berührten, nach Möglichkeit ohne Einbindung des Vaters und unter eigenmächtiger Abänderung zuvor zustande gekommener Vereinbarungen selbst getroffen, so dass dem - grundsätzlich zur Kooperation bereiten - Vater nichts übrig geblieben sei, als diese Maßnahmen im nachhinein zu billigen, weil sie ohne nachteilige Auswirkungen auf das Wohl der Kinder nicht mehr zu ändern gewesen seien. Auch hinsichtlich der wohl wichtigsten zur Entscheidung anstehenden Frage, der Auswahl eines Therapeuten für die verhaltensauffällig gewordene Tochter F., sei eine Übereinstimmung nicht zu erzielen gewesen, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Einigungsunfähigkeit der Eltern ihre Ursache in den unterschiedlichen Vorstellungen über die Person des Therapeuten, das Ziel der Therapie oder die Übernahme der Kosten gehabt habe. Die Unfähigkeit, ein Mindestmaß an Übereinstimmung zu erzielen, zeige sich insbesondere in der Frage des Umgangsrechts. Die Mutter verstoße gravierend gegen ihre Verpflichtung, einen persönlichen Umgang zwischen dem Vater und den Kindern zu gewährleisten. Auch wenn diese totale Verweigerungshaltung nicht durch objektive Umstände nachvollziehbar und demzufolge auch nicht billigenswert sei, bestehe keine andere Möglichkeit, als die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben. Insoweit sei vorrangig darauf abzustellen, dass aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Mutter nicht ausgeschlossen werden könne, dass bereits Anzeichen einer nachteiligen Auswirkung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf die Entwicklung der Tochter F. gegeben seien.

Weniger einschneidende Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Angesichts der Befürchtung der Mutter, dass sich der Vater über das Mitspracherecht in Erziehungsfragen in ihre gegenwärtige Familie drängen wolle, sei auch mit Rücksicht auf die bisherige Entwicklung nicht zu erwarten, dass die Mutter in absehbarer Zeit wieder zu einer Kooperationsbereitschaft zurückfände. In dieser Situation könne nur die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge dem Kindeswohl am besten dienen. Die Kinder hätten ihren Lebensmittelpunkt seit jeher bei der Mutter gehabt und fühlten sich auch nur dort wirklich zu Hause. Eine Herausnahme der Kinder aus dem mütterlichen Haushalt käme unter keinen Umständen in Betracht, da die Kinder für ihre weitere Entwicklung die absolute Gewissheit benötigten, dass die Mutter auch in Zukunft jederzeit für sie da sei.

Auch eine Teilentscheidung, wie sie das Bundesverfassungsgericht in den Fällen erwäge, in denen nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit dieses mildere Mittel genügt, um dem Kindeswohl gerecht zu werden, müsse hier ausscheiden. Aus der Alleinsorge könne der Bereich „Umgangsrecht" nicht herausgelöst und insoweit eine Pflegschaft eingerichtet werden, um den persönlichen Umgang des Vaters mit den Kindern sicherzustellen. Denn dies würde dem laufenden Verfahren vorgreifen, in dem die Eltern über eine Abänderung des bereits geregelten Umgangsrechts stritten.

2. Diese Ausführungen halten jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.

a) Leben die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern - wie hier - nicht nur vorübergehend getrennt, ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB einem Elternteil auf seinen Antrag auch ohne Zustimmung des anderen Elternteils die elterliche Sorge allein zu übertragen, wenn dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Der Senat hat unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 13/4899, S. 63) bereits mehrfach entschieden, dass allein aus der normtechnischen Gestaltung dieser Regelung kein Regel-/Ausnahmeverhältnis zugunsten des Fortbestandes der gemeinsamen elterlichen Sorge hergeleitet werden kann. Ebenso wenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (Senatsbeschlüsse vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647 und vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 354, 355). Daran hält der Senat fest. Für die allgemein gehaltene Aussage, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern dem Kindeswohl prinzipiell förderlicher sei als die Alleinsorge eines Elternteils, besteht in der kinderpsychologischen und familiensoziologischen Forschung auch weiterhin keine empirisch gesicherte Grundlage (vgl. Staudinger/Coester, BGB [2004] § 1671 Rdn. 112 f., zugleich mit Nachweisen zum Forschungsstand).

b) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016). Die Überprüfung dieser Voraussetzungen muss anhand konkreter tatrichterlicher Feststellungen erfolgen und darf sich nicht auf formelhafte Wendungen beschränken (Senatsbeschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167).

aa) Zu den wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge, für die ein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge getrennt lebender Eltern gefordert werden muss, gehören jedenfalls die Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang des Kindes mit dem nicht betreuenden Elternteil (vgl. Senatsbeschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647; Bamberger/Roth/ Veit BGB § 1671 Rdn. 29), die gleichzeitig zu den Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung im Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB zählen (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen BGB 67. Auflage § 1687 BGB Rdn. 7; Münch-Komm/Finger BGB 4. Aufl. § 1687 Rdn. 9; Schwab FamRZ 1998, 457, 469).

Hierzu hat das Oberlandesgericht im Einzelnen ausgeführt, dass die Mutter bei der Durchführung der gerichtlichen Umgangsregelung jede positive Mitwirkung verweigere. Sie lasse zudem nichts unversucht, um eine Abänderung bestehender gerichtlicher Umgangsregelungen zu erreichen und nehme auch die Verhängung von Zwangsgeldern in Kauf. Diese Feststellungen führen zu der Schlussfolgerung, dass bezüglich der grundsätzlichen Entscheidungen zum Umgangsrecht der Kinder mit dem Vater - auch und insbesondere zu der Frage, ob ein beschützter oder unbegleiteter Umgang stattfinden soll - nicht nur Abstimmungsprobleme zwischen den Eltern bestehen, sondern dass in dieser Angelegenheit keinerlei Übereinstimmung zwischen ihnen herzustellen ist. Auch für eine günstige Prognose dahingehend, dass sich die derzeit fehlende Verständigungsmöglichkeit unter dem „Druck" der gemeinsamen elterlichen Sorge in absehbarer Zeit wiederherstellen ließe, konnten sich für das Oberlandesgericht keine tragfähigen Anhaltspunkte ergeben. Dies wird insbesondere durch den Abschlussbericht des Deutschen Kinderschutzbundes e.V. vom 24. Januar 2005 über die Durchführung der beschützten Umgangskontakte verdeutlicht, wonach es von Seiten der Eltern über den Vollzug der gerichtlich angeordneten Umgangskontakte hinaus zu keiner eigenverantwortlichen Absprache oder Perspektiventwicklung bezüglich des zukünftigen Umgangs der Kinder mit dem Vater gekommen sei.

Soweit die Rechtsbeschwerde dagegen einwendet, dass die für die fehlenden Verständigungsmöglichkeiten der Eltern - auch nach der Einschätzung des Oberlandesgerichts - allein verantwortliche Verweigerungshaltung der Mutter mangels einer nachvollziehbaren oder billigenswerten Motivation unbeachtlich sei und ihre Haltung deshalb nicht ausreichen könne, um das gemeinsame Sorgerecht aufzuheben, vermag der Senat dem nicht ohne weiteres zu folgen. Zwar ist schon aufgrund des „ethischen Vorrangs", der dem Idealbild einer von beiden Elterteilen auch nach ihrer Trennung verantwortungsbewusst im Kindesinteresse ausgeübten gemeinschaftlichen elterlichen Sorge einzuräumen ist, eine Verpflichtung der Eltern zum Konsens nicht zu bestreiten. Die bloße Pflicht zur Konsensfindung vermag indessen eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Pflichterfüllung, die sich in der Realität eben nicht verordnen lässt (vgl. KG FamRZ 2000, 504, 505 und NJW-FER 2000, 197, 198; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht 4. Auflage § 1671 Rdn. 36c; Staudinger/Coester aaO Rdn. 137; Bamberger/Roth/Veit aaO Rdn. 29; Prütting/Wegen/Weinreich/Ziegler BGB 2. Auflage § 1671 Rdn. 21 f.; Oelkers FuR 1999, 349, 351 und MDR 2000, 32 f.; Sittig/Störr ZfJ 2000, 368, 369 f.; Born FamRZ 2000, 396, 399).

Die Gegenauffassung (vgl. OLG Dresden FamRZ 2000, 109, 110; OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1209, 1210; Erman/Michalski BGB 11. Auflage § 1671 Rdn. 23; Haase/Kloster-Harz FamRZ 2000, 1003, 1005; Kaiser FPR 2003, 573, 577) läuft im Ergebnis (auch) darauf hinaus, das pflichtwidrige Verhalten des nicht kooperierenden Elternteils mit einer ihm aufgezwungenen gemeinsamen elterlichen Sorge sanktionieren zu wollen, um auf diese Weise den Elternrechten des anderen, kooperationsfähigen und -willigen Elternteils Geltung zu verschaffen. Die am Kindeswohl auszurichtende rechtliche Organisationsform der Elternsorge ist dafür jedoch grundsätzlich kein geeignetes Instrument. Dem steht schon die verfassungsrechtliche Wertung entgegen, dass sich die Elterninteressen in jedem Falle dem Kindeswohl unterzuordnen haben (vgl. hierzu BVerfGE 79, 203, 210 f.; BVerfG FamRZ 1996, 1267). Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl aber nicht zuträglich. Denn ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen (vgl. hierzu Gödde ZfJ 2004, 201, 207), und zwar unabhängig davon, welcher Elternteil die Verantwortung für die fehlende Verständigungsmöglichkeit trägt.

bb) Im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht ferner in seine Prüfung einbezogen, ob es sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - als milderes Mittel - mit einer Teilentscheidung bezüglich derjenigen Angelegenheiten der elterlichen Sorge begnügen konnte, für die ein Mindestmaß an Übereinstimmung nicht festgestellt werden kann (BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016; Senatsbeschluss vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167, 1168). Die Fragestellung, die sich daran anschließen muss, geht aber auf dieser Prüfungsebene entgegen den Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht dahin, ob bestimmte streitige Teilbereiche der elterlichen Sorge aus der Alleinsorge herauszulösen und auf einen Pfleger zu übertragen sind, sondern dahin, ob sich die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf diese streitigen Punkte beschränken kann. Dies kommt im vorliegenden Fall - soweit es den Umgang des Vaters mit den Kindern betrifft - indessen nicht in Betracht. Zwar wäre es grundsätzlich möglich, die gemeinsame elterliche Sorge nur bezüglich der Grundentscheidungen über den persönlichen Umgang der Kinder mit dem Vater gegebenenfalls in Verbindung mit dem Aufenthaltsbestimmungsrecht aufzuheben und der Mutter zur alleinigen Ausübung zu übertragen. Dies erscheint hier aber schon deshalb zur Konfliktbereinigung wenig sinnvoll, weil § 1684 BGB gegenüber etwaigen, den Umgang einschränkenden Bestimmungen des Alleinsorgeberechtigten vorrangig ist (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1042, 1043; MünchKomm/Finger aaO § 1687 Rdn. 9).

cc) Ob die Feststellungen des Oberlandesgerichts die Annahme rechtfertigen, dass das erforderliche Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern auch in anderen wichtigen Teilbereichen der elterlichen Sorge (etwa der Gesundheitssorge oder der Schulwahl) nicht besteht, oder ob es sich - wie die Rechtsbeschwerde meint - überwiegend nur um Abstimmungsprobleme handelt, die durch das eigenmächtige Verhalten der Mutter hervorgerufen worden seien, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn jedenfalls die Einschätzung, dass zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge derzeit nicht besteht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Sie wird bereits maßgeblich dadurch getragen, dass die Mutter den Verdacht, der Vater habe die Tochter F. sexuell missbraucht, nicht als ausgeräumt ansehen will und weiterhin unverändert an diesem Vorwurf festhält. Solche Vorwürfe sind regelmäßig Ausdruck einer völligen Zerrüttung der persönlichen Beziehung zwischen den Eltern, so dass eine soziale Basis für eine künftige Kooperation zwischen ihnen regelmäßig nicht bestehen wird. Dem entspricht letztlich das gesamte vom Oberlandesgericht festgestellte und insoweit zutreffend gewürdigte Verhalten der Mutter in Bezug auf den von ihr betriebenen Ausschluss des Vaters von allen die Kindesbelange berührenden wichtigen Entscheidungen. Für die Annahme, dass die Mutter in absehbarer Zeit ihr Verhalten gegenüber dem Vater zu ändern vermag, ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte.

Es steht dabei außer Frage, dass der unbegründete Vorwurf sexuellen Missbrauchs, soweit dieser von einem Elternteil besonders leichtfertig oder gar wider besseres Wissen erhoben worden ist, ein schwerwiegendes Indiz gegen dessen Erziehungseignung darstellt und diesem Gesichtspunkt bei der Prüfung der Frage, ob diesem Elternteil nach Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge die Alleinsorge übertragen werden kann, ein ganz erhebliches und in vielen Fällen entscheidendes Gewicht zukommt. Von einer erzwungenen Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge kann allerdings unabhängig vom Wahrheitsgehalt des Missbrauchsvorwurfes für das Kindeswohl „nichts Gutes erwartet" werden (so Staudinger/Coester aaO Rdn. 140; vgl. auch Rauscher Familienrecht Rdn. 1003). Dass dies im vorliegenden Fall nicht anders ist, verdeutlicht insbesondere die lang anhaltende und auch zum Gegenstand des Sorgerechtsverfahrens gemachte Auseinandersetzung der Eltern wegen der Auswahl eines Einzeltherapeuten für die verhaltensauffällige Tochter F. In diesem Zusammenhang spielte es für die Eltern eine erhebliche Rolle, mit welcher (Vor-) Einstellung ein Therapeut dem Missbrauchsvorwurf gegenübertrat. Dieser Konflikt konnte zwischen den Eltern nicht gelöst werden, so dass über Monate hinweg die von allen Beteiligten für notwendig angesehene Einzeltherapie überhaupt nicht eingeleitet wurde, was letztlich für das Kind die am meisten schädliche Alternative gewesen sein dürfte.

c) Entspricht danach die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ganz oder in Teilbereichen dem Kindeswohl, so hat das Gericht auf der zweiten Prüfungsebene zu beurteilen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge (gerade) auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten dient. Das Oberlandesgericht hat die für diese Beurteilung maßgeblichen Kindeswohlkriterien rechtlich zutreffend erkannt. Es hat in tatrichterlicher Verantwortung der besonderen emotionalen Bindung der Kinder an die Mutter und dem Gedanken der Erziehungskontinuität im Haushalt der Mutter unter den hier obwaltenden Umständen ein so hohes Gewicht beigemessen, dass diese Gesichtspunkte das vom Oberlandesgericht - zu Recht - festgestellte erzieherische Versagen der Mutter in Teilbereichen, nämlich unter anderem in Bezug auf die Herstellung und Erhaltung der Bindungen zum Vater, in der wertenden Gesamtschau doch noch überwiegen. Die darauf gegründete Schlussfolgerung, dass die Übertragung der Alleinsorge auf die Mutter dem Kindeswohl - auch gegenüber der Übertragung der Alleinsorge auf den Vater - (relativ) noch am besten entspricht, lässt schon angesichts der außergewöhnlichen Familienkonstellation des vorliegenden Einzelfalles ebenfalls keine offensichtlichen Rechtsfehler erkennen. Auch der Vater selbst, der in der Vergangenheit noch nie über einen längeren Zeitraum mit seinen Kindern in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, kann - was schon angesichts seines hohen Lebensalters verständlich ist - für die Ausgestaltung der künftigen Betreuung und Pflege letztlich keine anderen realistischen Perspektiven aufzeigen, als die Kinder in der Obhut ihrer Mutter zu belassen. ..."

*** (OLG)

Streiten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern um die Aufteilung der Betreuungszeiten des Kindes - wie hier im Kontext eines ursprünglich einvernehmlich praktizierten Wechselmodells - besteht im Hinblick auf das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte elterliche Sorgerecht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil.Insoweit gebührt einer umgangsrechtlichen Entscheidung über den Fortbestand des Wechselmodells oder der künftigen Betreuungsaufteilung nach § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB der Vorrang gegenüber der Aufhebung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts nach § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB (OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.12.2022 - 6 UF 208/22).

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Ungeachtet von § 156 Abs. 3 Satz 1 FamFG, wonach das Familiengericht in Verfahren betreffend den Streit der Eltern um den Aufenthalt des Kindes bei fehlender Entscheidungsreife in der Hauptsache mit den Beteiligten und dem Jugendamt den Erlass einer einstweiligen Anordnung erörtern soll, kann eine solche Anordnung in einem Antragsverfahren nach § 1671 Abs. 1 BGB nur dann ergehen, wenn ein Elternteil einen Antrag nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FamFG stellt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2022 - 6 UF 148/22).

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Kindeswohlmaßstab: Bei der Gesamtabwägung der Kindeswohlkriterien in einem sorgerechtlichen Verfahren finden insbesondere auch die von den Eltern erstrebten Betreuungskonzepte Berücksichtigung. Infolge eines sorgerechtlichen Beschlusses kann durch Entscheidung des durch ihn zur alleinigen Aufenthaltsbestimmung berechtigten Elternteils ein zuvor einvernehmlich praktiziertes und nicht in einem vorangegangen Umgangsverfahren familiengerichtlich geregeltes paritätisches Wechselmodell beendet werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.04.2022 - 1 UF 219/21).

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Sorgerechtliche Fragen bilden grundsätzlich in verfahrens- und kostenrechtlicher Hinsicht einen einheitlichen Gegenstand. Streiten Eltern nach Beendigung eines Wechselmodells in einem Hauptsacheverfahren um die Schulwahl (§ 1628 BGB) und stellt ein Elternteil während des Verfahrens den Antrag, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen (§ 1671 Abs. 1 BGB), kann nicht vorab in der Hauptsache über die Schulwahl entschieden werden und das nicht entscheidungsreife Verfahren nach § 1671 BGB abgetrennt und in einem gesonderten Verfahren weiter geführt werden. In einem solchen Fall liegt (analog § 301 ZPO) eine unzulässige Teilentscheidung vor, das in der zweiten Instanz gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens führt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.11.2021 - 6 UF 180/21).

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Beantragen sowohl der Vater als auch die Mutter jeweils die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für ihr gemeinsames Kind auf sich, kann daraus geschlossen werden, dass sie dieses nicht mehr zusammen ausüben können. Werden in dem Verfahren interne Chat-Verläufe zwischen den Eltern vorgelegt, können daraus Zweifel an der Erziehungseignung des einen oder anderen Elternteils hergeleitet werden (OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.07.2021 - 9 UF 117/21).

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Die Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist - jedenfalls in Eilfällen - in denjenigen Fällen angezeigt, in denen ein Auslandsbezug vorliegt und ein Wegzug des aufenthaltsbestimmungsberechtigten Elternteils nicht von vorneherein ausgeschlossen ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.10.2020 - 15 UF 176/20).

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Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2020 - 4 UF 45/20):

„... Die seit September 2019 rechtskräftig voneinander geschiedenen Eltern streiten über die elterliche Sorge für ihre seit der Trennung im Jahre 2017 im Haushalt der Mutter lebenden gemeinsamen Kinder B (…) und C (…). Wegen des zu Grunde liegenden Sachverhalts wird auf die Ausführungen in dem angefochtenen familiengerichtlichen Beschluss Bezug genommen.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Familiengericht nach Bestellung eines Verfahrensbeistands und persönlicher Anhörung der Beteiligten dem Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für B und C unter Zurückweisung des gleichlautenden Antrags des Kindesvaters und seines Antrags auf Herausgabe der Kinder statt. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Voraussetzungen für eine Übertragung des genannten Teilbereichs der elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 S. 1, 2 Nr. 2 BGB seien zu bejahen, weil jedenfalls insoweit zwischen den Kindeseltern kein Mindestmaß an Verständigung über die im Rahmen der gemeinsamen Sorgerechtsausübung zu regelnden Angelegenheiten mehr erzielt werden könne. Die Kindesmutter sei besser geeignet, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auszuüben. Wesentliche Kindeswohlaspekte sprächen für eine Übertragung auf sie, vor allem das Kontinuitätsprinzip und der Kindeswillen. Da der Kindesmutter mit der Entscheidung das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung übertragen werde, fehle es dem Herausgabeantrag des Kindesvaters an der erforderlichen Grundlage.

Mit am 11.12.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben gleichen Datums gegen den ihm am 27.11.2019 zugestellten Beschluss wendet sich der Kindesvater mit dem Widerspruch gegen die familiengerichtliche Entscheidung und begehrt die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder auf sich. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Kindesmutter habe bislang nicht mit ihm bei der in einer früheren Entscheidung des Oberlandesgerichts (Beschluss vom 21.11.2018, Az. …/18) geforderten Aufarbeitung der psychischen Auffälligkeiten Bs zusammengearbeitet, außerdem sei sie bindungsintolerant, wie ihre Handhabung des ihm zustehenden Umgangsrechts belege. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei geboten.

Neben dem Verfahrensbeistand ist auch die Kindesmutter dem Rechtsmittel unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags sowie Zurückweisung der Behauptungen des Kindesvaters entgegen getreten.

Ergänzend wird zum Sachverhalt auf den Inhalt der in beiden Instanzen von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den Anhörungsvermerk des Familiengerichts vom 14.11.2019, das Sitzungsprotokoll vom 19.11.2019 sowie die schriftlichen Stellungnahmen des Verfahrensbeistands vom 18.11.2019 und 19.03.2020 Bezug genommen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Beschluss vom 30.03.2020 auf seine Absicht hingewiesen, gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne erneute persönliche Anhörung der Beteiligten zu entscheiden, da diese bereits im ersten Rechtszug durchgeführt wurde und von einer wiederholten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

II.

Dem gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten Rechtsmittel - der „Widerspruch" des Kindesvaters war nach §§ 133, 157 BGB als statthaftes Rechtsmittel der Beschwerde auszulegen - bleibt in der Sache der Erfolg versagt.

Die Entscheidung des Familiengerichts erweist sich auch im Lichte des Beschwerdevorbringens des Kindesvaters als zutreffend. Nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB ist bei gemeinsamer elterlicher Sorge und einem nicht nur vorübergehenden Getrenntleben der Eltern die elterliche Sorge auf Antrag einem Elternteil zur alleinigen Ausübung zu übertragen, wenn eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entsprechen.

Der Senat hat den Beteiligten dazu bereits mit Beschluss vom 30.03.2020 folgenden Hinweis erteilt:

Das erstinstanzliche Gericht hat die Voraussetzungen für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für B und C auf die Kindesmutter zu Recht und mit zutreffender Begründung bejaht (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Dabei begegnen im Ergebnis weder die Feststellung des Familiengerichts, eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge komme im Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts angesichts der dauerhaften Uneinigkeit der Eltern zu dieser Frage nicht mehr in Betracht, noch die nach persönlicher Anhörung der Beteiligten vorgenommene Abwägung und Bewertung der einzelnen Kindeswohlkriterien mit dem zugunsten eines dauerhaften Aufenthalts der Kinder im Haushalt der Mutter sprechenden Ergebnis durchgreifenden Bedenken. Insbesondere die Gesichtspunkte der Kontinuität und des Kindeswillens haben dabei zu Recht als maßgebliche Kriterien Berücksichtigung gefunden.

Darauf hat der Beschwerdeführer nicht mehr reagiert. Allerdings hat er mit seinem erstinstanzlichen Vortrag ebenso wie mit der Beschwerdebegründung seiner im Ergebnis zutreffenden Überzeugung Ausdruck verliehen, dass aufgrund der unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern über den künftigen Lebensmittelpunkt der Kinder eine gemeinsame Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für B und C nicht in Betracht kommt. Nach den Maßstäben, die die Rechtsprechung für die über die künftige Ausübung der elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 2 BGB zu treffende Entscheidung entwickelt hat, ist eine vollständige oder teilweise Aufhebung der gemeinsamen Sorge zum Wohle der Kinder (nur dann) geboten, wenn und soweit zwischen den Eltern in den im Rahmen der gemeinsamen Sorgerechtsausübung zu regelnden Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung kein Mindestmaß an Verständigungsmöglichkeiten hergestellt werden kann (vgl. BGH FamRZ 2008, 592; Senat FamRB 2019, 102; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; OLG Köln ZKJ 2011, 472). Dann ist unter Berücksichtigung der anerkannten Kriterien des Kindeswohls, u. a. also der Erziehungseignung der Eltern und ihrer Fähigkeit zur Förderung des Kindes, der Bindungen und des Willens der Kinder sowie der Kontinuität der Lebens- und Erziehungsverhältnisse, darüber zu entscheiden, welchem der beiden Elternteile die Sorge zur alleinigen Ausübung zu übertragen ist (vgl. BGH FamRZ 2017, 532; 2010, 1060 und 1990, 392). Dabei stehen die genannten Kriterien aber nicht kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Kindeswohl am besten entspricht (BGH FamRZ 2016, 1439 Rn. 20).

Derzeit besteht keine hinreichende Kooperationsfähigkeit der Eltern. Seit ihrer Trennung mangelt es ihnen inzwischen über Jahre hinweg nicht nur durchgängig an dem erforderlichen Einvernehmen über die im Rahmen der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu entscheidenden Fragen, ihre Differenzen haben darüber hinaus bereits in mehreren vor dem Familiengericht geführten Verfahren ihren Ausdruck gefunden und schließlich auch in dem Inhalt der von ihnen in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze. Ihnen fehlt es danach an dem erforderlichen Mindestmaß an Übereinstimmung, so dass ein Funktionieren der gemeinsamen elterlichen Sorge im Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht gewährleistet ist (vgl. BGH FamRZ 2005, 1167; OLG Hamburg, OLGR Hamburg 2008, 516, zit. n. juris). Versuche der Wiederherstellung eines Einvernehmens in dieser Frage sind in der Vergangenheit gescheitert und scheinen angesichts des von wechselseitigen Vorwürfen geprägten Vortrags der Eltern im vorliegenden Verfahren derzeit nicht erfolgversprechend. Dementsprechend haben sich auch die fallzuständige Mitarbeiterin des Jugendamts und der Verfahrensbeistand für eine Auflösung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge ausgesprochen. Ob dieser Zustand seine Ursache ausschließlich - wie der Kindesvater meint - in dem Verhalten der Kindesmutter findet, kann dabei dahinstehen, maßgeblich ist zunächst nur, dass das erforderliche Einvernehmen fehlt (vgl. BGH 2008, 592; OLG Brandenburg NZFam 2016, 380).

Damit stellt sich aber die Frage, welcher der beiden Elternteile das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach Beendigung der gemeinsamen Ausübung ausüben soll. Der Senat schließt sich hier den Ausführungen des Familiengerichts an, dass jedenfalls derzeit eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur alleinigen Ausübung auf den Kindesvater dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen würde, § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (vgl. BGH FamRZ 2008, 592 und 2005, 1167; Staudinger/Coester, BGB [2016], § 1671, Rz. 103 ff.; Heilmann/Keuter, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 1671 BGB, Rz. 11 ff.). Das Sorgerecht soll auf den Elternteil übertragen werden, der den Kindern voraussichtlich die besseren Entwicklungsmöglichkeiten vermitteln und sie beim Aufbau ihrer Persönlichkeit besser unterstützen sowie eine gleichmäßige, stetige Betreuung und Erziehung geben kann (vgl. Heilmann/Keuter, aaO., Rz. 27 ff.; Staudinger/Coester, aaO., Rz. 177 ff., und jurisPK-BGB/Poncelet, 8. A., 2017, § 1671 BGB, Rz. 32 ff., jeweils mwN.). Hauptsächlich sind daher bei der im Rahmen der Prüfung vorzunehmenden prognostischen Beurteilung des Kindeswohls die Bindungen der Kinder zu ihren Eltern zu berücksichtigen, ferner die Prinzipien der Förderung unter Berücksichtigung der Erziehungseignung und der Bindungstoleranz der Eltern, der Kontinuitätsgrundsatz und schließlich der Kindeswillen, wobei diese Kriterien allerdings unterschiedlich zu gewichten sind. Daneben können weitere Gesichtspunkte mit in die Bewertung einbezogen werden. Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung zu übertragen ist, ist einer Regelung der Vorzug zu geben, von der nach derzeitigem Dafürhalten zu erwarten ist, dass sie, bezogen auf das Kindeswohl, die beste der in Betracht kommenden Lösungen darstellt (§ 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Überdies sind die durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten Elternrechte beider Elternteile zu beachten. Erforderlich ist letztlich eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung, die auf einer möglichst breiten und zuverlässigen Tatsachengrundlage beruht und dabei stets am Kindeswohl orientiert ist (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 12. März 2015, Az. 9 UF 20/14, zit. n. juris).

Gemessen daran gelangt der Senat unter Würdigung des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten, des Ergebnisses ihrer erstinstanzlichen Anhörung und schließlich der Stellungnahmen des Verfahrensbeistands, die hinreichend belastbare Anknüpfungstatsachen bieten, zu der Überzeugung, dass es dem Wohl von B und C am besten entspricht, wenn alleine ihre Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sie ausübt.

Hinsichtlich der oben genannten für das Kindeswohl maßgeblichen Gesichtspunkte gilt zunächst, dass von einer vergleichbaren Erziehungseignung der Kindeseltern auszugehen ist. Sie verfügen jeweils über Problemlöse- und Kompromissfähigkeiten, wenn auch der Kindesvater erkennbar nicht in der Lage ist, seinen Wunsch, B und C bei sich zu haben, den Interessen des Kindeswohls unterzuordnen. Die Förder- und Erziehungsfähigkeit ist bei beiden Elternteilen ähnlich ausgebildet. Beide lieben ihre Kinder; diese wiederum sind, wie auch ihre persönliche Anhörung in erster Instanz am 14.11.2019 ergeben hat, an beide Eltern gebunden. B hat das Verhältnis zu seinem Vater trotz der ihn belastenden elterlichen Auseinandersetzungen sogar als „eigentlich ganz o. k." bezeichnet. Die Eltern sind auch in der Lage, die Kinder angemessen zu versorgen und können ihnen Vertrauen, Sicherheit und Kontinuität vermitteln.

Allerdings sprechen die Gesichtspunkte der Kontinuität und des Kindeswillens deutlich zugunsten einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter. B und C leben seit mehreren Jahren durchgängig im mütterlichen Haushalt und damit bei dem Elternteil, der bereits vor der Trennung den wesentlichen zeitlichen Anteil an der Erziehungs- und Betreuungsarbeit getragen hat. Auch wenn die Mutter bei ihrem Auszug aus der Ehewohnung den Aufenthaltsort der Kinder ohne Kenntnis und letztlich gegen den Willen des Vaters verändert hat, überwiegen bereits aufgrund des Zeitablaufs inzwischen die für ihren weiteren Verbleib im mütterlichen Haushalt sprechenden Umstände. Sie sind dort in Schule, Verwandtschaft und Nachbarschaft fest integriert, eine mit einem Aufenthaltswechsel verbundene (erneute) Änderung wäre ihrem Wohl abträglich. Der Umzug lediglich eines Kindes in den väterlichen Haushalt kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil dem die gute Geschwisterbindung zwischen B und C entgegenstehen würde.

Beide Kinder haben im Rahmen ihrer familiengerichtlichen Anhörung vom 14.11.2019 zudem ihren Willen eindeutig artikuliert, nicht in den väterlichen Haushalt wechseln zu wollen. B hat wörtlich angegeben, er wolle nicht zu seinem Vater ziehen, weil dieser gesagt habe, dass er nächstes Jahr ins Ausland ziehen wolle, außerdem möge er es, bei seiner Mutter zu wohnen. C hat erklärt, lieber bei ihrer Mutter bleiben zu wollen, weil diese mehr darauf achte, dass sie alles hinbekomme, z. B. ihre Hausaufgaben. Diese Willensbekundungen erscheinen deshalb besonders überzeugend, weil beide Kinder sich im Übrigen durchaus objektiv und differenziert über ihre Eltern geäußert haben und vor allem keinerlei Belastungseifer und keine Voreingenommenheit gegenüber dem Vater erkennbar waren.

Darüber hinaus zeigt der Kindesvater eine deutlich eingeschränkte Bindungstoleranz. Er sieht sich seinen eigenen Angaben zufolge besser zur Erziehung von B und C geeignet, ergeht sich im Übrigen aber im Wesentlichen in ausführlichen Vorwürfen gegen die Kindesmutter u. a. wegen eines vermeintlichen Fehlverhaltens bei Durchführung der Umgangskontakte und vermeintlicher Manipulation der Kinder, verliert dabei aber aus den Augen, dass die Kinder auch nach dem Dafürhalten des Verfahrensbeistands und der fallzuständigen Mitarbeiterin des Jugendamts weniger unter einzelnen Fehlern von Mutter (oder Vater), als vielmehr unter den seit Jahren kontinuierlich ausgetragenen Streitigkeiten leiden. Dem Kindeswohl abträglich sein und insbesondere zur Verunsicherung Bs beitragen dürften im Übrigen auch die Drohungen seines Vaters, die von den Kindern geliebten Katzen zur Adoption freigeben und selbst ins Ausland ziehen zu wollen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass es bei zumindest dreien der für die Abwägung maßgeblichen Gesichtspunkte einen deutlichen Vorrang der Kindesmutter vor dem Kindesvater gibt, umgekehrt dagegen nicht. Die Unterschiede sind auch nicht marginal, sondern im Hinblick auf den Kindeswillen und das Kontinuitätsprinzip, aber auch auf die deutlich geringere Bindungstoleranz des Vaters, von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung.

Schließlich besteht auch unter Berücksichtigung der vom Kindesvater erhobenen Vorwürfe kein Bedürfnis für eine anderweitige Regelung nach §§ 1671 Abs. 4, 1666, 1666a BGB. Objektive Anzeichen für eine Kindeswohlgefährdung, die weitergehende Ermittlungen des Senats rechtfertigen könnten (§ 26 FamFG), liegen nicht vor und ergeben sich auch nicht aus den mündlichen und schriftlichen Stellungnahmen des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin. Dies schließt auch die im Vorverfahren vor dem Senat noch thematisierten Probleme Bs ein (Isolation, zu lange Dauer der Computerspiele). Angesichts der zuvor geschilderten Umstände, die dem Senat bereits eine abschließende Entscheidungsfindung ermöglichen, bedarf es auch nicht der vom Kindesvater angeregten Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Allerdings bleiben die Kindeseltern - vor allem der Kindesvater - aufgefordert, künftig miteinander zu kooperieren und ihren Konflikt im Interesse ihrer Kinder aufzuarbeiten und dabei die vom Jugendamt angebotenen Hilfen in Anspruch zu nehmen.

Eine erneute Anhörung der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz war ausnahmsweise nicht veranlasst, da diese bereits im ersten Rechtszug durchgeführt wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3 FamFG (vgl. BGH FamRZ 2017, 119-122).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG. Umstände, die ein Absehen von der in § 84 FamFG vorgesehenen Regelkostenfolge rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 55 Abs. 2, 40 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Der Ausspruch zur Verfahrenskostenhilfe findet seine Grundlage in §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO. Zur Berechnung der Ratenhöhe wird auf die diesem Beschluss für die Kindesmutter beigefügte Anlage verwiesen.

Da die Sache weder eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern, ist die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). ..."

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Dem für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge erforderliche Fehlen eines Mindestmaßes an Übereinstimmung steht für den Bereich der Gesundheitssorge eine Vereinbarung der Eltern entgegen, Fragen, die diesen Sorgebereich betreffen, gemeinsam wahrnehmen zu wollen. Dabei stellen bloße Umsetzungs- oder Abstimmungsprobleme einen Min-destkonsens noch nicht in Frage und eine Konsensfähigkeit schon gar nicht. Bei dieser Sachlage entspricht es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge auf streitige Bereiche zu beschränken. Ein Mindestmaß an Übereinstimmung steht einer Übertragung der Alleinsorge entgegen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.07.2019 - 13 UF 17/19).

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Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher aufzuheben, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen (vgl. BGHZ 211, 22-37, Rn. 27 m.w.N.). Zur Gewichtung der Übertragungskriterien für die elterliche Sorge bei einem schwerstbehinderten Kind - Kindeswohlprüfung bei Schwerstbehinderung - OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.04.2019 - 13 UF 171/18).

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Die Beachtlichkeit des Kindeswillens bedeutet nicht, dass Entscheidungskompetenz und -verantwortung auf das Kind "abgewälzt" werden. Der geäußerte Kindeswille bleibt ein Gesichtspunkt im Rahmen des übergeordneten Entscheidungsmaßstabs des Kindeswohles, also des "wohlverstandenen Kindesinteresses", weswegen es diese Interessen auch rechtfertigen können, von einem grundsätzlich nachvollziehbaren Kindeswillen abzuweichen (hier: ausnahmsweise Unbeachtlichkeit des Willens einer 13jährigen, der schwankend und unentschlossen geäußert und potentiell durch Parteinahme zugunsten eines Elternteils beeinflusst ist sowie sich maßgebend nicht gegen die Mitsorge, sondern gegen Umgänge des Kindesvaters richtet; OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2019 - 10 UF 18/19).

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Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil entspricht bei bestehendem Elternkonflikt nicht zwangsläufig dem Wohl des Kindes am besten. Meinungsverschiedenheiten über die Taufe des Kindes erfordern nicht die Übertragung der elterlichen Sorge. Die Vornahme der Taufe stellt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar, für die die Mutter ggf. eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB beantragen kann (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.03.2019 - 20 UF 27/19).

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Die Entscheidung über einen wiederholten Sorgerechtsantrag richtet sich nach § 1671 Abs. 1 BGB und nicht nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn ein auf Auflösung der elterlichen Sorge gerichteter Antrag gem. § 1671 Abs. 1 BGB zurückgewiesen wird. Die bei teilweiser Ablehnung eines Antrags gem. § 1671 Abs. 1 BGB fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge beruht nicht auf dieser Gerichtsentscheidung. Die bloße Beibehaltung des vorherigen Rechtszustandes nach § 1671 Abs. 1 BGB ist begrifflich bereits keine Entscheidung bzw. Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB (OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.10.2018 - 11 WF 188/18).

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„... I. Die Beteiligten zu 1) und 2) sind die geschiedenen Eltern ihres am 01.10.2010 geborenen Sohnes E… G... Aus der Ehe ist noch ein weiteres Kind hervorgegangen, die am 22.10.1998 geborene E…L… G…. Die Trennung der Kindeseltern erfolgte spätestens im Dezember 2014. Im Juli 2015 zog die Mutter aus dem gemeinsamen Haus in … aus; sie hatte eigenen Wohnraum in … (P… B…) gefunden. In der Folgezeit stritten die Eltern über die Versorgung und Betreuung von E... Der Vater sprach sich für ein Wechselmodell aus. Die Mutter lehnte dies ab und bot dem Vater erweiterten Umgang an. Die im Juni 1977 geborene Mutter stammt aus Ecuador. Sie lebt seit Januar 1999 in Deutschland und ist als Chemieingenieurin in Teilzeit tätig. Im Januar dieses Jahres hat sie wieder geheiratet. Der im September 1970 geborene Vater arbeitet als Wirtschaftsingenieur. Er hat einige Jahre in Südamerika gelebt, wo er die Mutter kennengelernt und auch mehrere Semester studiert hat. Mit Schriftsatz vom 03.07.2015 hat die Mutter das vorliegende Sorgerechtsverfahren eingeleitet und zuletzt auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich angetragen. Zur Begründung hat sie auf den Kindeswillen abgestellt und einen größeren Betreuungsanteil behauptet. Zudem sei sie konsequenter in der Erziehung des Jungen. Der Vater ist dem Sorgerechtsbegehren entgegengetreten. Er hat einen gegenläufigen Antrag gestellt und sich auf den Aspekt der räumlichen und sozialen Kontinuität berufen. Auch hänge E… sehr an seiner Schwester E…L…, die ihm im Elternstreit Halt gebe. Im September 2015 haben sich die Eltern sodann - mit Hilfe der Erziehungsberatungsstelle in Oranienburg - vorläufig auf ein paritätisches Wechselmodell verständigt, das bis heute praktiziert wird. In der Folgezeit beauftragte das Amtsgericht die Sachverständige, Dipl.-Psych. … mit der Erstattung eines psychologischen Gutachtens zu der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind E... zu übertragen ist. Unter dem 08.06.2016 wurde Dipl.-Psych. … (wegen Erkrankung der Sachverständigen …) zur Zweitgutachterin bestellt. Unter dem 29.09.2016 legten die Sachverständigen … und … ihr Gutachten vor. Danach sollte aus Gründen des Kindeswohls E… Lebensmittelpunkt im Haushalt des Vaters sein oder das Wechselmodell beibehalten werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen. Im Frühjahr 2016 war das gemeinsame Haus der Kindeseltern in … veräußert worden; der Vater bewohnt seither im Ort eine größere Mietwohnung. Im März/April 2016 wechselte E…L… nach einem Streit mit dem Vater in den Haushalt der Mutter. Nach Anhörung des Kindes, seiner Eltern und der Sachverständigen … hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 04.04.2017 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für E… dem Vater übertragen. Zur Begründung hat es auf den Kontinuitätsgrundsatz und auf die stärkere Bindungstoleranz des Vaters abgestellt. Ein eindeutiger Kindeswille sei nicht erkennbar. Ein Wechselmodell komme wegen mangelnder Einigungsbereitschaft der Eltern sowie der größeren Entfernung zwischen dem Wohnsitz der Mutter und der Grundschule in … nicht in Betracht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen. Gegen den am 21.04.2017 zugestellten Beschluss hat die Mutter mit einem am 22.05.2017 (Montag) beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sie rügt Fehler in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, die sie näher darlegt. Der Vater verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. E…L… ist im August 2017 wieder in den väterlichen Haushalt zurückgekehrt. E… besucht seit Herbst 2017 die Europa-Schule in …. Mit Beschluss vom 10.10.2017 hat der Senat die Sachverständige … um Aktualisierung des Gutachtens vom 29.09.2016 ersucht. Sie hat unter dem 16.02.2018 über den Sachstand schriftlich berichtet. Der Senat hat die Eltern am 17.05.2018 angehört; die Sachverständige … hat eine fachliche Stellungnahme abgegeben. Der Verfahrensbeistand war wegen Erkrankung des eigenen Kindes verhindert und das Jugendamt von der Teilnahme am Termin freigestellt.

II. ... In der Sache führt sie zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Die gemeinsame elterliche Sorge war wieder vollumfänglich herzustellen und das von den Eltern (einvernehmlich) praktizierte paritätische Wechselmodell festzuschreiben.

Soweit das Amtsgericht dem Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den siebenjährigen E… übertragen hat, kann das nicht von Bestand sein. Dem gegenläufigen Antrag der Mutter muss ebenso der Erfolg versagt bleiben.

Nach § 1671 Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung des Sorgerechts oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob und inwieweit die erstinstanzliche Entscheidung richtig war. In jedem Fall liegen die Voraussetzungen für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil derzeit nicht vor. Dem Wohl des betroffenen Kindes entspricht es am besten, wenn die Eltern auch diesen Teilbereich der elterlichen Sorge wieder gemeinsam ausüben.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen … möchte E… von beiden Eltern gleichermaßen versorgt und betreut werden. Der Junge kommt mit dem (seit September 2015) praktizierten paritätischen Wechselmodell gut zurecht; er fühlt sich bei beiden Eltern wohl. Die praktizierte Betreuung im Wechselmodell hat - nach Einschätzung der Sachverständigen - zu einer deutlichen emotionalen Stabilisierung des Kindes beigetragen. Dies sehen die Eltern nicht anders. Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat haben Vater und Mutter eingeräumt, dass E… ruhiger geworden ist und ihm das Pendeln zwischen den Haushalten nichts ausmacht; eine paritätische Aufteilung der Betreuungszeiten - wie bisher - sei für ihn das Beste. Aus Gründen des Kindeswohls wollen die Eltern deshalb das aktuell praktizierte Wechselmodell (Wochenwechsel, Wechsel montags nach der Schule) fortführen. Dies haben sie der Sachverständigen … anlässlich eines gemeinsamen Gesprächs am 30.01.2018 mitgeteilt. Gegenüber dem Senat haben die Eltern am 17.05.2018 eine gleichlautende Erklärung abgegeben. Dass der Vater im Termin auf eine Entscheidung des Senats gedrungen hat, ändert an dem erzielten Konsens der Eltern nichts. Bei diesen Gegebenheiten ist die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Teilbereich der Aufenthaltsbestimmung geboten. Im wohlverstandenen Interesse des Kindes muss sichergestellt werden, dass kein Elternteil das (gemeinsam) gewählte Betreuungsmodell in Form einer geteilten Betreuung des Kindes einseitig aufkündigen kann, indem es den Lebensmittelpunkt des Kindes in seinen Haushalt verlagert. Dies würde - aus den oben angeführten Gründen - dem Wohl E… zuwiderlaufen.

Das aktuell praktizierte paritätische Wechselmodell (Wochenwechsel, Wechsel montags nach der Schule) war festzuschreiben. Allein diese Form der Betreuung entspricht derzeit dem Wohl des betroffenen Kindes am besten. Hierüber besteht zwischen sämtlichen Beteiligten Einigkeit; auch der Verfahrensbeistand hat sich für das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht ausgesprochen. Die Sachverständige …. hat sich im Rahmen des Anhörungstermins am 17.05.2018 nochmals ausdrücklich für eine gleichmäßige Betreuung E… durch beide Eltern ausgesprochen. Die Frage, ob in einem Sorgerechtsverfahren - wie hier - das Wechselmodell gerichtlich angeordnet werden kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (der Bundesgerichtshof hat diese Frage in seiner grundlegenden Entscheidung zur Anordnung des paritätischen Wechselmodells in einem Umgangsverfahren - Beschluss vom 01.02.2017, XII ZB 601/15 - offen gelassen). Bei der (in Ziffer 1. Abs. 2 des Tenors) vorgenommenen Festschreibung des aktuell praktizierten paritätischen Wechselmodells handelt es nicht um eine gerichtliche Anordnung, sondern die Umsetzung der von den Eltern im Interesse des Kindes einvernehmlich getroffenen Entscheidung, das bisher praktizierte Wechselmodell fortzuführen. Der Senat hat mit Ziffer 1. Abs. 2 des Tenors keine eigene Entscheidung getroffen. Vielmehr hat er dem Willen der Eltern Geltung verschafft und ihre einvernehmlich erzielte Einigung, den gemeinsamen Sohnes E… weiterhin im Rahmen eines Wechselmodells zu betreuen, umgesetzt. Hierfür waren allein Gründe des Kindeswohls bestimmend. Eine Ferien- und Feiertagsregelung werden die Eltern in eigener Verantwortung erarbeiten müssen. Dies war nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens.

Im Hinblick auf den Konsens der Eltern betreffend die Betreuung und Versorgung des Kindes (und die damit notwendig verbundene Wiederherstellung des gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrechts) ist eine Anhörung E…(§ 159 FamFG) unterblieben. Seinen Wünschen ist durch die vorliegende Entscheidung vollumfänglich Rechnung getragen worden. ... (OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.06.2018 - 9 UF 96/17)

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„... Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626 a BGB der Mutter zu, so kann der Vater beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt, § 1671 Abs. 2 S. 1 BGB. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt, § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB, stattzugeben, soweit eine gemeinsame Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB. Es ist eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen, die zunächst dahin geht festzustellen, ob in der Lebenssituation, in der sich die getrenntlebenden Eltern befinden, eine gemeinsame Sorge dem Kindeswohl nicht abträglich ist und daher in Betracht kommt (vgl. dazu Johannsen Henrich/Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., § 1671 Rn. 92). Sofern dies verneint werden muss, ist zu prüfen, ob die Übertragung auf den Vater dem Kindeswohl am besten entspricht, ob er also besser als die Mutter in der Lage ist, die Entwicklung und Erziehung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gewährleisten (Palandt/Götz, BGB, 77. Aufl., § 1671 Rn. 49, 50). Diese Prüfung führt hier zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater.

1. Eine gemeinsame elterliche Sorge für D… kommt nicht in Betracht. Dem Wohl D… entspricht es am besten, die gemeinsame Sorge nicht anzuordnen.

Bei einer Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BGB sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände im Rahmen einer einzelfallbezogenen und umfassenden Betrachtung gegeneinander abzuwägen (vgl. dazu BGH, FamRZ 2016, 1439, 2497, Rn. 19). Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH, a. a. O., Rn. 23). Die gemeinsame elterliche Sorge ist daher nicht anzuordnen, wenn eine schwerwiegende und nachhaltige Störung auf der Kommunikationsebene der Eltern vorliegt, die befürchten lässt, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind folglich erheblich belastet würde, würde man die Eltern zwingen, die Sorge gemeinsam zu tragen (BGH, a. a. O., Rn. 24).

Danach kommt vorliegend die gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht. Zwischen den Eltern besteht ein anhaltender und tiefgreifender Konflikt. Seit 2012 streiten sie in zahlreichen Gerichtsverfahren um den Umgang und die Sorge für D… .

Eine auf das Kind bezogene Kommunikation findet zwischen den Eltern seit Jahren nicht statt. Die Mutter hat bei ihrer Anhörung berichtet, dass sie am 16.3.2017 den Vater in Begleitung von Herrn Gö… und Herrn Sc… aufgesucht habe. Sie habe sich selbst aber zurückgehalten, weil sie für den Vater ein „rotes Tuch" sei. Den Kontakt D… zu dem Vater habe sie unterbunden, als er sie bedroht habe. Nur aus diesem Grund sei sie mit D… in den Iran gezogen. Der Vater habe ihr eine beleidigende Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, wonach sie D… genauso krank gemacht habe, wie sie es sei. Der Vater hat hingegen berichtet, er habe der Mutter nur gesagt, dass sie durch ihre Art und Weise das Kind krank mache. Im Übrigen hebe die Mutter nicht ab, wenn er sie anrufe. Unabhängig davon, wie sich die Vorfälle im Einzelnen jeweils ereignet haben, lässt sich den Äußerungen der Eltern jedenfalls entnehmen, dass sie nicht in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren oder sich gar sachlich auszutauschen. All dies steht bereits der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegen.

In Übereinstimmung damit hat die Sachverständige in ihrem schriftlichen Gutachten überzeugend ausgeführt, es sei nicht zu erwarten, dass eine gemeinsame Sorgerechtsausübung zum Wohle des Kindes, d. h. ohne „Triangulierung" D… in den bestehenden Elternkonflikt möglich sein werde (S. 67 des Gutachtens, Bl. 896 d. A.). Aus den Äußerungen D… gegenüber der Sachverständigen ergibt sich, dass D… das Verhältnis ihrer Eltern während ihres gesamten Lebens als hoch problematisch wahrgenommen hat. Sie hat ihre Eltern nie als gemeinsam agierende und gemeinsam sich sorgende Eltern erfahren. Vielmehr hätten ihre Eltern - nach der Erinnerung des Kindes - nie zusammengelebt, sich immer gestritten und könnten sich nicht leiden, was sie sehr belaste. Dies ist nach den nachvollziehbaren gutachterlichen Feststellungen ein gravierender Risikofaktor für die Entwicklung des Kindes. D… trägt Eltern in sich, die sich gegenseitig ausschließen, was ihre psychische Entwicklung deutlich gefährdet (S. 58 des Gutachtens, Bl. 891-R d. A.).

Die von der Mutter thematisierte Mediation kann vom Senat nicht angeordnet werden.

Entgegen der Ansicht der Mutter ist das Sachverständigengutachten nicht etwa deshalb unverwertbar, weil es ohne ihre Mitwirkung erstellt worden ist. Denn dies ist allein deshalb geschehen, weil die Mutter nicht bereit war, an dem Gutachten mitzuwirken und der Senat ihre Mitwirkung nicht erzwingen kann (vgl. BGH, FamRZ 2010, 720, Rn. 30). Im Hinblick auf die in Kindschaftsverfahren bestehende gesteigerte Pflicht zur tatrichterlichen Sachverhaltsaufklärung (vgl. BGH, a.a.O.) hat der Senat auch die psychologische Sachverständige zum Anhörungstermin geladen, um die Mutter in ihrer Anwesenheit anzuhören. Die Mutter war jedoch auch im Senatstermin nicht bereit, sich im Beisein der Sachverständigen zu äußern, sodass die Ermittlungsmöglichkeiten des Senats insoweit ausgeschöpft sind.

Dass die Sachverständige das Gutachten nicht binnen der bis zum 30.4.2017 gesetzten Frist, sondern erst am 1.6.2017 erstattet hat, steht der Verwertbarkeit ebenfalls nicht entgegen, wie sich § 30 Abs. 1 FamFG, § 411 Abs. 1 und 2 ZPO entnehmen lässt.

Das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten wird durch die von der Mutter eingereichte „Kritische Stellungnahme" des Dipl.-Päd. H… S… vom 27.6.2017 (Bl. 934 ff) ohne Erfolg angegriffen. Soweit dieser von dem Beweisbeschluss des Senats abweichende Fragen formuliert, weil die von der Sachverständigen beantworteten Fragestellungen seiner Auffassung nach nicht in Übereinstimmung mit dem geltenden Kindschaftsrecht stehen, steht dem die Rechtsprechung des BGH entgegen, wie sie sich aus dem Beweisbeschluss des Senats ergibt (vgl. dazu im Einzelnen BGH, FamRZ 2010, 1060 Rn.19; FamRZ 2011, 796 Rn. 43). Die wiederholte Bezugnahme S… auf das Urteil des BGH vom 30.9.1999 - 1 StR 618/98 - (NJW 1999, 2746) führt nicht weiter, weil diese Entscheidung die wissenschaftlichen Anforderungen an ein Glaubhaftigkeitsgutachten im Strafverfahren betrifft. Diese können nicht auf ein familienpsychologisches Gutachten übertragen werden. Entgegen der Ansicht von S… ist es auch nicht Aufgabe der Sachverständigen gewesen, eine einvernehmliche Regelung zwischen den Eltern herbeizuführen. Ein lösungsorientiertes Gutachten gemäß § 163 Abs. 2 FamFG hat der Senat nicht in Auftrag gegeben. Die „Kritische Stellungnahme" enthält im Übrigen umfangreiche abstrakte Ausführungen, die zum vorliegenden Fall keinen Bezug aufweisen. So wird bemängelt, dass der Bindungsaufbau der Kinder zu den Vätern in der Bindungsforschung vernachlässigt werde; das Wechselmodell und die Epigenetik finden Erwähnung. Anschließend wiederholt S… Auszüge aus dem Gutachten und stellt die Angaben des Kindes und des Vaters mangels Überprüfbarkeit in Frage, räumt aber ein, dass Salzgeber die Dokumentation der Verhaltensbeobachtungen und Explorationen nicht für erforderlich hält, eine solche also nach den anerkannten wissenschaftlichen Standards nicht geboten ist. Gründe, aus denen dies erforderlich sein soll, nennt er nicht. Er verkennt, dass das Gutachten auch bei fehlender Mitwirkung der Mutter verwertbar ist, was oben bereits näher ausgeführt wurde. Trotz nicht vorgenommener eigener Verhaltensbeobachtungen und Explorationen versteigt sich S… schließlich zu einer eigenen gutachterlichen Einschätzung, die in dem Vorschlag gipfelt, dass Sorgerecht der Eltern analog § 1674 i. V. m. §1678 Abs. 1 BGB zum Ruhen zu bringen, wenn sich der Elternstreit erhöht und ausweitet und das Sorgerecht beispielsweise auf die Großmutter zu übertragen, was er nach Erhalt von vier E-Mails der Mutter in einem „Teil 2" wieder zurückgezogen hat. Begründet hat er dies damit, dass die Kenntnis der E-Mails der Mutter die Ergebnisse der Untersuchung des Gutachtens mit einer „Kehrtwende in der Beantwortung der gerichtlichen Fragen auf den Kopf stellten. Dadurch wird das gerichtliche Gutachten jedenfalls nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2. D… Wohl entspricht die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater derzeit am besten. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist nicht die von der Mutter immer wieder aufgeworfene Frage, ob die vom Amtsgericht beschlossene Entziehung ihrer Sorge und die vom Jugendamt vorgenommene Inobhutnahme gerechtfertigt waren. Vielmehr kommt es darauf an, was für D… gegenwärtig am besten ist.

Bei der Frage, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht, sind folgende Gesichtspunkte zu beachten, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB Rn. 83 f.):

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt sowie
- die Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,
- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung (vgl. zum Ganzen Palandt/Götz, BGB, a. a. O.. § 1671 Rn. 26 ff.; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671 BGB Rn. 52 ff., 64 ff., 68 ff., 78 ff.).

Diese Kriterien stehen aber nicht kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Kindeswohl entspricht (BGH, NJW 2016, 2497, Rn. 20).

a) Unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes ist der Vater besser geeignet als die Mutter.

aa) Die Mutter verfügt schon über keine tatsächliche Betreuungsmöglichkeit. Sie hat in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, keinen festen Wohnsitz, sondern nur eine Postadresse zu haben. Sie wohne bei einer Bekannten zur Untermiete. Ihre Angaben, in diesem Haus eine Wohnung beziehen zu können, wenn ihre Tochter zu ihr käme, sind nicht plausibel. So soll es eine freie oder alsbald freiwerdende Wohnung in dem Mehrparteienhaus unter ihrer Postadresse geben, die sie beziehen könne, wenn sie wolle. Ob der vorherige Mieter bereits ausgezogen ist, wusste die Mutter nicht. Sie hat nur pauschal behauptet, den Vermieter zu kennen und eine Anfrage gestellt zu haben. Sie brauche, so die Mutter, nur zu sagen, dass sie die Wohnung haben wolle. All das ist erkennbar wenig realitätsbezogen, da die Mutter weder ein festes Einkommen hat noch Sozialleistungen bezieht. Überdies ist auch nicht ersichtlich, von welchen finanziellen Mitteln sie sich und D… unterhalten will. Derzeit will sie von Kost und Logis leben, die sie im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit erhalte. Ihr Verweis auf die Möglichkeit der Beantragung von Sozialleistungen überzeugt nicht. Denn es ist unklar, weshalb die Mutter nicht bereits jetzt von dieser Möglichkeit Gebrauch macht. Ihr Erscheinungsbild, das sich in dem Zeitraum vom Senatstermin am 17.11.2016 bis zum Senatstermin am 13.2.2018 drastisch geändert hat und verwahrlost wirkt, deutet darauf hin, dass sie nicht in der Lage ist, alsbald in geordnete Lebensverhältnisse zurückzukehren. Der Vater hat berichtet, dass D… von dem ungepflegten und von Zahnverlust geprägten Aussehen der Mutter schockiert gewesen sei, was angesichts des persönlichen Eindrucks, den sich der Senat verschaffen konnte, verständlich ist. Wenn die Mutter schon ihre eigene Grundversorgung, die eine Wohnung, einen finanziellen Basisbedarf und die notwendige Gesundheitsfürsorge beinhaltet, nicht sicherstellt, ist nicht erkennbar, wie sie zusätzlich für die Bedürfnisse D… Sorge tragen will.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nicht, inwiefern die Mutter erziehungsfähig ist.

bb) Demgegenüber ist der Vater uneingeschränkt in der Lage, für D… zu sorgen. Er kann sie in seinem Haus aufnehmen, in dem sie auch ein eigenes großes Zimmer hat. Er lebt in geordneten Verhältnissen. Seine Arbeitstätigkeit hat er vorläufig für die Betreuung der Tochter aufgegeben. Er verfügt jedoch über eine berufliche Ausbildung, die es ihm ermöglicht, wieder eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen. Dies will er aber nur tun, soweit es sich mit der Betreuung D… vereinbaren lässt.

Der Vater ist auch uneingeschränkt erziehungsfähig. Davon ist der Senat aufgrund des Ergebnisses der persönlichen Anhörungen und des Sachverständigengutachtens überzeugt. Der Vater ist bereit, für D… umfänglich Verantwortung zu übernehmen, sie zu betreuen, zu erziehen und zu fördern, und dabei fähig, D… Interessen und Bedürfnisse ausreichend sensibel wahrzunehmen und sich an ihnen auszurichten. Den Erziehungsstil des Vaters beschreibt die Sachverständige als autoritativ-demokratisch mit autoritären Abweichungen, wobei sie in Situationen drohender Rigidität mehr Empathie und Feinfühligkeit des Vaters für wünschenswert hält. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass D… ein erhöhtes Maß an Erziehungskompetenzen erfordert. Positiv hebt die Sachverständige hervor, dass der Vater offen für jegliche Hilfe, selbstkritisch und veränderungsbereit in Bezug auf sein Verhalten gegenüber D… sei, was sie selten erlebe. Schließlich sei der Vater D… zuliebe auch an einer guten Elternbeziehung und an einer vernünftigen Kommunikation und Kooperation mit der Mutter interessiert. Kindeswohl gefährdende Momente in dem Erziehungsverhalten des Vaters verneint die Sachverständige ausdrücklich (vgl. S. 61 ff, 66 f des Gutachten Bl. 893 ff, 895-R f d. A. und S. 14 des Anhörungsvermerks zum Senatstermin vom 13.2.2018, Bl. 1186-R).

Diese Einschätzungen decken sich mit den Feststellungen des Senats. Der Vater hat stets alle Schritte in enger Abstimmung mit dem Jugendamt unternommen. So hat er D… Wechsel von der Einrichtung in Staatsanwaltschaft…. in seinen Haushalt mit fachkundiger Beratung vorbereitet (siehe Bericht des Jugendamtes vom 2.11.2016, Bl. 627 f d. A.). Die am 12.12.2017 erfolgte und noch andauernde Unterbringung D… in einer betreuten Wohngruppe hat er ebenfalls erst nach Beratung mit der Familienhelferin und dem Jugendamt vorgenommen. Diese beruhte maßgeblich auf D… Wunsch, die angab, sich in der ländlichen Umgebung des väterlichen Hauses vor allem wegen des Fehlens von Gleichaltrigen zu langweilen. D… selbst hat dem Senat gegenüber ihre derzeitige Lebenssituation als positiv bezeichnet. Der Vater ist lediglich einmal von den Empfehlungen des Jugendamtes abgewichen, als er unbegleitete Umgänge D… mit ihrer Mutter an Weihnachten 2016 und im Januar 2017 zugelassen hat, weil er wusste, dass D… Sehnsucht nach ihrer Mutter hatte und ein begleiteter Umgang seitens der Mutter zum damaligen Zeitpunkt abgelehnt wurde. Dies beweist aber nur die Bindungstoleranz des Vaters.

Anhaltspunkte dafür, dass der Vater D… schlägt, bestehen nicht. Es gab nach der übereinstimmenden Schilderung D… und ihres Vaters nur einen Vorfall, bei dem er seine Tochter geschlagen hat, nachdem sie ihn zuvor getreten hatte. D… selbst hat dem Senat davon nichts berichtet. Allerdings hat sie einen Zettel mit folgendem Inhalt geschrieben: „Mein Vater hat mich geschlagen. Er hat es vor Gericht erzählt. Mein Papa möchte mich nicht haben. Und er sagt böse Wörter zu meiner Mama. Und er sagt Drecksvieh zu meinem Kater …. D… B…" (Bl. 902 d. A.). Von der Sachverständigen darauf angesprochen hat D… erklärt, sie wisse nicht, weshalb sie das geschrieben habe. Der Vater habe sie mal ins Gesicht gehauen und sie einmal gezogen, als sie nicht habe kommen wollen. Sie habe den Brief zerknüllt und nicht abgeschickt, obwohl ihr Vater das erlaubt hätte, weil sie es nicht gewollt habe (S. 20 des Gutachtens, Bl. 872-R d. A.). D… hat der Sachverständigen erklärt, zu dem Schlag in ihr Gesicht sei es gekommen, weil sie den Vater zuvor getreten habe (S. 25 des Gutachtens, Bl. 875 d. A.). Der Vater hat dies eingeräumt und als einmalige Verfehlung bezeichnet, die er bereut (a. a. O.). Aus diesem einmaligen, von Vater und Tochter als solches bezeichneten Ereignis kann eine Kindeswohlgefährdung nicht hergeleitet werden. Die von der Mutter benannte Zeugin Ba… hat bekundet, nie gesehen zu haben, dass der Vater D… schlage. Soweit die Mutter an der Wahrheitsgemäßheit zweifelt, sind keine Anhaltspunkte für das Gegenteil ersichtlich. Die von der Mutter als Zeugin benannte J… W… hat mit E-Mail vom 2.1.2018 mitgeteilt, dass sie über die Lebensumstände D… keine Aussage machen könne, da sie seit 2004 in Hamburg lebe, nie im Haus des Vaters gewesen sei und nichts über dessen Zusammenleben mit D… wisse. Von der Vernehmung der Zeugin hat der Senat im allseitigen Einvernehmen abgesehen.

b) Auch die Bindungen D… an ihre Mutter und ihren Vater sprechen für eine Sorgeübertragung auf den Vater.

Die Bindung D… an die Mutter hat die Sachverständige als unsicher-ambivalent analysiert. Sie hat dies nachvollziehbar aus den Äußerungen D… hergeleitet, die zwar angegeben habe, ihre Mutter am meisten zu lieben, aber andererseits die Mutter sehr häufig nur als „die" bezeichnet habe, deren Lebensweise sie kritisch betrachte und festgestellt habe, dass Tiere im Leben der Mutter an erster Stelle ständen (siehe auch den gleichlautenden Bericht des Jugendamtes vom 2.11.2016, Bl. 627 f d. A.). D… zeigte zudem nach den Beobachtungen der Sachverständigen eher Ablehnung. D… fühle sich, so die Sachverständige, verpflichtet, sich zu der Mutter zu bekennen aus Verlustangst und Angst vor Liebesentzug. Zudem habe sie von der Mutter gelernt, den Vater nicht lieben zu dürfen, weshalb sie gegen ihn opponiere, obwohl sie ihn schätze.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Bindung D… an den Vater ebenfalls ambivalent, ihr Verhalten ihm gegenüber paradox. Allerdings belegt das Interaktionsverhalten jenseits der Äußerungen D…, dass eine tragfähige und belastbare Vater-Tochter-Beziehung besteht, was die Sachverständige nachvollziehbar anhand ihrer Beobachtungen im Haushalt des Vaters im Einzelnen begründet hat.

Die Sachverständige verweist darauf, dass die festgestellten Bindungsverhältnisse D… mit Erkenntnissen aus der Bindungsforschung übereinstimmen, wonach sich Kinder an den Elternteil klammern, dessen sie sich unsicher sind und den Elternteil loslassen, dessen Verlässlichkeit nicht in Frage steht (S. 58 f des Gutachtens, Bl. 891-R f d. A.), S. 67 f des Gutachtens, Bl. 896 f d. A.).

Eine hochgradige Belastung des Kindes sieht die Sachverständige darin, dass D… ihre Liebe zu beiden Elternteilen nicht angst- und konfliktfrei leben kann. Den früher geäußerten Wunsch D…, in das Heim nach St… zurückzukehren, hat die Sachverständige als Flucht vor der Einbeziehung in den Elternkonflikt interpretiert.

Die nachfolgende Entwicklung hat die Analyse der Sachverständigen bestätigt. D… hat sich auf ihren Wunsch in eine betreute Wohngruppe begeben (was der Vater nach fachkundiger Beratung zugelassen hat), um alsbald festzustellen, dass sie Heimweh hat, was zum Kriterium des Kindeswillens überleitet.

c) D… hat dem Senat und dem Verfahrensbeistand zuletzt mitgeteilt, beim Vater leben zu wollen, so dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem geäußerten Kindeswillen entspricht.

Ursprünglich hatte D… gegenüber dem Gericht und der Sachverständigen den Wunsch geäußert, bei ihrer Mutter leben zu wollen, was die Sachverständige als zwar nicht unbeeinflussten, aber weitgehend autonom gebildeten Willen D… gewertet hat (S. 69 des Gutachtens, Bl. 897 d. A.). Die Sachverständige hat es als problematisch angesehen, diesen Willen eines bald zehnjährigen Mädchens zu missachten, auch wenn dieser möglicherweise in Konkurrenz zum Kindeswohl stehe, da sonst die Gefahr eines Entweichens entstehe. Der Vater sehe die Problematik sehr deutlich und ziehe in Betracht, wenn der Wunsch D… stabil und intensiv aufrechterhalten werde, sie zu einem späteren Zeitpunkt zu ihrer Mutter gehen zu lassen.

Seitdem D… in der betreuten Wohngruppe lebt, hat sie starke Bauchschmerzen, was sie auf ihr Heimweh zurückführt. D… hat gegenüber dem Senat im Anhörungstermin vom 13.2.2018 klar geäußert, zu ihrem Vater zurückgehen und ihre Mutter so oft wie möglich sehen zu wollen. Sie wünsche sich, dass ihr Vater dies so schnell wie möglich organisiere. Diesen Wunsch hat sie auch dem Verfahrensbeistand am 6.2.2018 mitgeteilt. Ihren Wunsch, nicht mehr bei der Mutter leben zu wollen, hat sie plausibel damit begründet, dass die Mutter keinen festen Wohnsitz habe und immer umziehe, was sie - D… - nicht wolle. Sie habe auch Angst vor den Aktionen der Mutter; so sei sie schon zweimal in der MAZ gewesen und müsse wohl noch im Fernsehen auftreten. Sie möchte nun Sicherheit und wünscht, dass der „Terror" aufhöre. Letzteres liegt auf einer Linie mit vorhergehenden Äußerungen. D… hatte dem Jugendamt gegenüber bereits am 15.8.2016 geäußert, sie finde es „scheiße", dass sie im Internet zu finden sei. Soweit die Mutter meint, diese Äußerungen rührten vom Vater her (Bl. 651 d. A.), greift sie nur einzelne Sätze heraus, die ihr nicht genehm sind, während sie die übrigen, zu ihren Vorstellungen passenden Äußerungen D… als autonom einstuft. Im Übrigen ist es auch nachvollziehbar, dass es D… nicht behagt, im Internet im Zusammenhang mit dem Elternkonflikt für jeden auffindbar zu sein.

d) Schließlich spricht auch der Kontinuitätsgrundsatz im Sinne der Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse dafür, die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen. Die Kontinuität und Stabilität der Lebensverhältnisse des Kindes kann nur gewahrt werden, wenn D… weiterhin ihren Lebensmittelpunkt beim Vater nimmt. Etwas anderes könnte allenfalls gelten, wenn die Mutter in die unmittelbare Nähe von F… ziehen und dort bleiben würde, wie die Sachverständige in ihrem schriftlichen Gutachten nach den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen überzeugend festgestellt hat. Derzeit ist die Mutter jedoch nicht in der Lage, Wohnraum und eine finanzielle Grundversorgung sicherzustellen, wie bereits oben unter a) aa) ausgeführt. Im Hinblick auf die wiederholten Umzüge der Mutter und die Wahl ihrer Aufenthaltsorte - so hat sie noch im Dezember 2015 angegeben, ihren Wohnsitz in … begründet zu haben und hat gleichwohl in der Zeit danach verschiedene andere Wohnsitze angegeben - bestehen vielmehr keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter künftig an einem bestimmten Wohnort längere Zeit bleibt. Eine andere Beurteilung ist auch nicht angezeigt, weil D… derzeit nicht im väterlichen Haushalt lebt. Denn sie will dorthin zurückkehren und der Vater ist auch bereit dazu, sie wieder aufzunehmen, wobei die Sachverständige eine behutsame Rückführung befürwortet (vgl. Anhörungsvermerk zum Senatstermin vom 13.2.2018, Bl. 1196 d. A.).

Im Übrigen gewährleistet der Vater durch seine Stabilität und seine Bereitschaft, jegliche professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, eine gleichmäßige und einheitliche Erziehung D… . ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.03.2018 - 10 UF 88/16)

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Im Verfahren nach § 1671 Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 BGB ist ein Kind regelmäßig etwa ab Vollendung des dritten Lebensjahres persönlich anzuhören (§ 159 Abs. 2 FamFG). Diese Anhörung kann mangels vergleichbaren Verfahrensgegenstands grundsätzlich nicht durch eine vorangegangene Anhörung in einem Umgangsrechtsverfahren ersetzt werden. Der wesentliche Inhalt einer durchgeführten Anhörung ist nach § 28 Abs. 4 FamFG in einem schriftlichen Vermerk festzuhalten. Die zu Unrecht unterbliebene Kindesanhörung begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler, der auf entsprechenden Antrag hin die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG rechtfertigt (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.01.2018 - 9 UF 54/17).

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Das bloße Inaussichtstellen einer Sorgerechtsvollmacht führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ist im Allgemeinen kein geeignetes Mittel der Konfliktvermeidung und steht daher einer Sorgeübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB in aller Regel nicht dagegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2017 - II-1 UF 151/17).

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Das Vorleben streng islamischer Werte seitens der Kindesmutter (z.B. Tragen einer Vollverschleierung; stark eingeschränkter Kontakt zu Personen des anderen Geschlechts) stellt sich als nachteilig im Hinblick auf deren Erziehungseignung dar. Gleichwohl kann die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter gerechtfertigt sein, wenn sonstige Gesichtspunkte, wie z.B. die Kontinuität der Lebensverhältnisse, die Bindungen des Kindes sowie dessen tragfähiger ausdrücklicher Wille für die Kindesmutter sprechen (OLG Hamm, Beschluss vom 12.05.2017 - II-4 UF 94/16):

„... I. Die Kindeseltern haben sich erst kurz vor der Zeugung des Kindes kennen gelernt. Die Kindesmutter ist in Deutschland geboren, hat dann aber ihre ersten elf Lebensjahre in Serbien verbracht. Nach dem Umzug nach Deutschland hat sie zunächst ein Gymnasium besucht und dann auf einer Gesamtschule das Fachabitur absolviert. Aufgrund der frühen Schwangerschaft hat sie keine weitere Ausbildung gemacht.

Der Kindesvater ist in Nigeria aufgewachsen und im Jahr 2004 nach Deutschland gekommen. Er hatte zwölf Jahre lang die Schule besucht, jedoch keine Ausbildung absolviert. Seine Familie ist in Nigeria verblieben. In Deutschland hat er nach eigenen Angaben lediglich zwei Monate lang eine Schule besucht, weil er ein Studium angestrebt habe. Einen Abschluss hat er jedoch nicht gemacht, sondern stattdessen in verschiedenen Bereichen gearbeitet, zeitweise als Lagerarbeiter.

Die Beteiligten haben sich offensichtlich im Jahr 2005 kennen gelernt und sind eine Beziehung eingegangen, in deren Rahmen die Kindesmutter kurze Zeit später schwanger geworden ist. Mit Urkunde vom 21.4.2006 wurde eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abgegeben. Inwieweit die Beziehung nach der Geburt verlaufen ist, wird von den Kindeseltern unterschiedlich dargestellt. Während die Kindesmutter angibt, der Kindesvater habe sich wenig bis gar nicht um sie und das Kind gekümmert, hat der Kindesvater angegeben, dass man sich in der Folgezeit gemeinsam um die Tochter gekümmert habe, wobei er jedoch auch viel unterwegs gewesen sei; gelebt haben die Kindeseltern von den Einkünften der Kindesmutter, die sie vom Jobcenter erhalten hat. Die Kindesmutter hat angegeben, der Kindesvater sei ihr gegenüber bereits zum Ende der Schwangerschaft hin gewalttätig gewesen und dies habe sich auch nach der Geburt des Kindes regelmäßig fortgesetzt. Der Kindesvater habe auch unmittelbar nach der Geburt andere Partnerinnen gehabt. Unstreitig hat er sich wohl nach der Geburt überwiegend in der Wohnung der Kindesmutter aufgehalten, war aber häufiger abwesend. Der Kindesvater und ihm folgend wohl auch die Kindesmutter haben jedenfalls in der Vergangenheit während der frühen Kindheit des Kindes regelmäßig Cannabis konsumiert, der Kindesvater auch häufiger in erheblichen Mengen Alkohol. Im Oktober 2008 ist angesichts einer weiteren tätlichen Auseinandersetzung die Beziehung beendet gewesen. Gleichwohl ist der Kindesvater offensichtlich in der Wohnung der Kindesmutter verblieben. Im März 2009 erfolgte allerdings der Umzug der Kindesmutter mit dem Kind in eine andere Wohnung.

Der Kindesvater hat dagegen angegeben, dass es zwar teilweise verbale Auseinandersetzungen mit der Kindesmutter gegeben habe, aber keinerlei Ausübung von Gewalt. Der Kindesvater hat angegeben, er sei aus der Wohnung ausgezogen.

Auch die Angaben der beteiligten Kindeseltern zu den Umgangskontakten mit dem Kind nach der Trennung sind sehr unterschiedlich. Die Kindesmutter hat angegeben, dass sich der Kindesvater sehr unzuverlässig verhalten habe und Umgangskontakte nur unregelmäßig erfolgt seien. Der Kindesvater habe sich oftmals nicht an Absprachen gehalten. Auch in diesem Zeitraum ist ganz offenbar regelmäßiger Cannabiskonsum durch die Kindesmutter erfolgt. Ungefähr Anfang des Jahres 2011 sind dann Umgangskontakte zum Kindesvater aufgrund eines Konflikts abgebrochen worden. Kontakte der beteiligten Eltern miteinander waren ebenfalls selten und endeten nach Angaben der Kindesmutter mit weiteren Gewalttätigkeiten seitens des Kindesvaters. Ein vorläufig letzter Kontakt hat im Rahmen der Einschulung des Kindes im Herbst 2012 stattgefunden, wobei sich der Kindesvater auch hierbei verspätet habe. Auf weitere Versuche der Kindesmutter, Kontakt mit dem Kind zu haben, sei der Kindesvater nicht eingegangen. Erst im Jahr 2014 habe er unvermittelt vor der Haustür der Kindesmutter gestanden und lautstark gefordert, seine Tochter zu sehen.

Der Kindesvater hat dagegen gegenüber der Sachverständigen angegeben, er habe seine Tochter über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren nach der Trennung regelmäßig, zeitweise jedes Wochenende getroffen. Auch Kontakte zur Kindesmutter seien häufiger gewesen. Die Schwierigkeiten in der Kooperation mit der Kindesmutter hätten erst im Jahr 2012 begonnen, seitdem sie eine neue Beziehung eingegangen und zum Islam konvertiert sei. An Absprachen bezüglich des Umgangs mit dem Kind habe er sich ganz überwiegend gehalten und sei nur zeitweise nicht erreichbar gewesen. Seit etwa drei Jahren halte er keinen Kontakt mehr zur Kindesmutter sowie zum Kind.

Tatsächlich ist die Kindesmutter nach ihren Angaben im September 2011 vom Christentum zum Islam konvertiert. Im November 2012 habe sie einen neuen Partner kennen gelernt (einen Herrn U mit marokkanischer Staatsangehörigkeit), den sie im Jahr 2013 nach islamischem Recht geheiratet habe. Die Kindesmutter vertritt nach ihren Angaben eine strenge Linie des Islam und trägt eine Vollverschleierung (Niquab).

Die Kindesmutter hat erstinstanzlich die alleinige Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragt. Sie hat geltend gemacht, dass sich der Kindesvater in der Vergangenheit ohnehin nicht um das Kind bemüht habe, sondern vielmehr in der Vergangenheit bei Konfliktsituationen damit gedroht habe, ihr das Kind wegzunehmen. Konkreter Anlass für die Einleitung des Verfahrens war, dass der Kindesvater nunmehr wieder Umgang mit dem Kind begehrt hat. Im Rahmen eines parallel laufenden Umgangsverfahrens (AG Essen, 109 F 295/14) haben die beteiligten Kindeseltern im Verhandlungstermin vom 7.10.2014 eine Umgangsvereinbarung dergestalt getroffen, dass fünf begleitete Umgangskontakte mit dem Kindesvater unter Federführung des Jugendamtes stattfinden sollten. Zu diesen Umgangskontakten ist es aber nicht gekommen, weil die Kindesmutter diese aus unterschiedlichsten Gründen abgesagt hat. Der Kindesvater, der erstinstanzlich zunächst lediglich die Antragszurückweisung begehrt hat, hat im Hinblick auf die von der Kindesmutter vereitelten Umgangskontakte die alleinige Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragt. Ihm komme es vor allem darauf an, dass das Kind nicht, wie es bereits seit einiger Zeit geschieht, im islamischen Glauben erzogen werde, sondern für andere Religionen, insbesondere auch für das Christentum, weiterhin offen sei. Tatsächlich ist es nicht streitig und ergibt sich insbesondere aus dem Sachverständigengutachten, dass das Kind in der Öffentlichkeit seit dem siebten Lebensjahr, so auch in der Schule, Kopftuch trägt.

Das Amtsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss das Sorgerecht auf die Kindesmutter alleine übertragen, und zwar ohne das Kind anzuhören und einen Verfahrensbeistand zu bestellen (ob die im Verhandlungstermin anwesende Kindesmutter angehört wurde, ergibt sich aus dem Terminsprotokoll nicht; der zum Termin geladene Kindesvater ist zu diesem ohne Angabe von plausiblen Gründen nicht erschienen). Das Amtsgericht hat seine Entscheidung auf das eingeholte Sachverständigengutachten der Diplom-Psychologin H gestützt. Aus dem Gutachten gehe hervor, dass die Kindesmutter in jeder Beziehung in der Lage sei, ihr Kind angemessen zu erziehen, während beim Kindesvater deutliche Einschränkungen in der Erziehungsfähigkeit vorlägen. Diese bestünden in einer deutlich eingeschränkten Empathiefähigkeit und in einem geringen Wissen über die Wesensmerkmale eines Kindes. Auch die starke Selbstbezogenheit des Kindesvaters, verbunden mit einer fehlenden Möglichkeit zur selbstkritischen Reflexion, schränkten dessen Erziehungsfähigkeit deutlich ein. Entscheidend sei jedoch, dass es zwischen den Kindeseltern an einer tragfähigen Beziehung mangele, die auch nur ein Mindestmaß an Kooperationsfähigkeit ermöglichen würde. Die Kindeseltern seien in ihren Grundüberzeugungen, ihrer Lebensführung und ihrer Persönlichkeit dergestalt unterschiedlich, dass eine Verständigung über wesentliche Belange des Kindes unmöglich sei.

Der Kindesvater hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt, wobei nicht genau ersichtlich ist, ob er weiterhin die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf sich begehrt oder ob er die Wiederherstellung des gemeinsamen Sorgerechts erstrebt; ausweislich der Ausführungen zum Schluss seiner Beschwerdebegründung scheint aber Letzteres der Fall zu sein. Zur Begründung der Beschwerde ist ausgeführt, dass die Feststellung der Sachverständigen zur Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters unzureichend seien, weil sie nur auf einem Gesprächstermin mit diesem und einer Interaktionsbeobachtung beruhten. Die Annahme mangelnder Erziehungsfähigkeit sei nicht auf wissenschaftlicher Basis und aufgrund konkreter Feststellungen zu der Person des Kindesvaters erfolgt. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses lasse nicht erkennen, warum das Gericht der Auffassung sei, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Vielmehr seien der Kindesmutter Sorgepflichtverletzungen vorzuwerfen, weil sie eine mangelnde Bindungstoleranz in Bezug auf den Kindesvater habe. Zudem habe sie bis zur Erstellung des Gutachtens keine Bemühungen gezeigt, die gesundheitsgefährdende Wohnsituation zu ändern. Zudem sei sie in ihrer Förderkompetenz eingeschränkt, insbesondere im Hinblick auf schulische Belange. Die islamische Erziehung sei kritisch zu bewerten. Dem Kindesvater dagegen könne nicht vorgeworfen werden, er zeige kein Interesse an seiner Tochter. In verfahrensmäßiger Hinsicht habe das Amtsgericht es unterlassen, einen Verfahrensbeistand zu bestellen.

Letzteres hat der Senat nachgeholt und Rechtsanwältin E als Verfahrensbeistand bestellt. Diese hat sich dafür ausgesprochen, es bei der Sorgerechtsübertragung auf die Kindesmutter zu belassen. Kommunikationsfähigkeit und Kommunikationsziele seien bei den Kindeseltern nicht mehr gegeben. Dies habe sich insbesondere auch in dem von ihr als Umgangspflegerin begleiteten Umgangsverfahren gezeigt. Es bestünden zwischen den Kindeseltern grundsätzliche, voneinander abweichende Erziehungsvorstellungen. Auch perspektivisch bestünden keine Anhaltspunkte, dass selbst unter Vermittlung Dritter damit zu rechnen wäre, dass die Eltern zumindest auf einem Minimalniveau miteinander kommunizieren könnten. Dem Wohle des Kindes entspreche es besser, wenn die elterliche Sorge von der Kindesmutter allein ausgeübt werde. Das entspreche zum einen dem ausdrücklich geäußerten Willen des Kindes. Zum anderen lebe das Kind seit der Trennung bei der Kindesmutter ohne wesentliche Kontakte zum Kindesvater. Zudem sei der Kindesvater auch deshalb unzuverlässig, weil er sich trotz Terminvereinbarung nicht zu einem Gespräch mit dem Verfahrensbeistand eingefunden habe.

II. Die zulässige Beschwerde des Kindesvaters hat in der Sache keinen Erfolg, da das Amtsgericht die elterliche Sorge zu Recht auf die Kindesmutter übertragen hat.

Gemäß § 1671 Abs.1 S.2 Nr.2 BGB ist dem Antrag der Kindesmutter auf Übertragung des alleinigen Sorgerechts stattzugeben, weil vorliegend zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Kindesmutter dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

1. Die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts ist erforderlich, weil es keine gemeinsame Kommunikationsbasis der Kindeseltern mehr gibt. Das hat die Kindesmutter glaubhaft dem Verfahrensbeistand im Beschwerdeverfahren so übermittelt. Sie hat gegenüber dem Verfahrensbeistand angegeben, dass sie nicht mehr wisse, wann sie das letzte Mal vernünftig mit dem Kindesvater geredet habe. Eigentlich habe sie schon in der Beziehung nicht mit ihm vernünftig reden können. Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könne, zumindest hinsichtlich der bei wenigen sorgerechtlichen Fragestellungen notwendigen Entscheidungen gemeinsame Gespräche mit dem Kindesvater, gegebenenfalls unter Vermittlung Dritter, zu führen, erklärte sie, das sei für sie nicht denkbar. Zur Begründung gab sie an, der Kindesvater und sie hätten grundsätzlich andere Ansichten. Sie habe auch kein Vertrauen zu ihm, er sei ein Lügner und letztlich auch verantwortungslos. Sie habe sieben Jahre versucht, auf ihn zuzugehen, und zwar wegen des Kindes. Letztlich habe das aber nicht geklappt. Wesentlich sei für sie aber auch, dass sie ihn nicht erreichen könne. Schon in der Vergangenheit habe sie ihn nicht zuverlässig erreichen können. Maßgeblich für eine fehlende Kommunikationsbasis sind insbesondere die in erster Linie religiös bedingten völlig unterschiedlichen und nicht miteinander zu vereinbarenden Wert- und Erziehungsvorstellungen der Kindeseltern, wie sie sich auch aus der Beschwerdebegründung des Kindesvaters ergeben. Diese lassen eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit nicht mehr als möglich erscheinen. Auch der Kindesvater legt nicht dar, wie er sich zukünftig eine solche vorstellt.

Eine Sorgerechtsübertragung auf einen Elternteil ist daher geboten.

2. Weiterhin ist vorliegend zu erwarten, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter dem Kindeswohl am besten entspricht. Diese Prognose stützt sich - ausgehend von dem Gutachten der Sachverständigen H - auf die allgemein anerkannten Kriterien, die für das Kindeswohl maßgeblich sind. Diese Kriterien sind (s. z.B. bei Johannsen/Henrich-Jaeger, Familienrecht, 6. Aufl., Jaeger, § 1671 BGB, RdNr.52 ff) die allgemeine Erziehungseignung, das Förderungsprinzip, das Kontinuitätsprinzip (im Sinne der Einheitlichkeit, Stabilität und Gleichmäßigkeit der Erziehungsverhältnisse), die Bindungen des Kindes und schließlich der Wille des Kindes.

Hinsichtlich der letzten drei Kriterien ergeben sich nach der Sachlage deutliche Vorzüge einer elterlichen Sorge der Kindesmutter. Wie sich aus dem oben dargestellten Sachverhalt ergibt, lebt das Kind nach der Trennung der Eltern mittlerweile seit ca. acht Jahren bei der Kindesmutter, die allein die Betreuung und Erziehung des Kindes übernommen hat. Tatsächlich gab es nur - und das gilt insbesondere für die letzten Jahre - ganz seltene und sporadische Kontakte zum Kindesvater, wobei letztlich dahinstehen mag, was dafür ursächlich gewesen ist. Faktisch hat das Kind demnach nur Bindungen zur Kindesmutter aufgebaut und keinerlei Bindungen zum Kindesvater. Ergebnis dessen ist, dass das Kind die von der Sachverständigen im Rahmen der Begutachtung initiierte Interaktion mit dem Kindesvater schon im Ansatz verweigert hat. Auch der Wille des Kindes, bei wem es verbleiben will und den es bereits gegenüber der Sachverständigen und im Beschwerdeverfahren in der vom Senat nachgeholten Anhörung geäußert hat, ist ganz klar, nämlich bei der Kindesmutter. Unabhängig davon, ob die Kindesmutter möglicherweise nicht ihrer Wohlverhaltenspflicht (§ 1684 Abs. 2 BGB) gegenüber dem Kindesvater nachgekommen ist, ist jedenfalls Tatsache, dass das mittlerweile elfjährige Kind unter keinen Umständen zum Kindesvater will. Diesen eindeutigen Willen zu brechen und dem Kindesvater das Sorgerecht zu übertragen, ist jedenfalls nicht dem Kindeswohl förderlich.

Im Hinblick auf das Förderungsprinzip ist in tatsächlicher Hinsicht zunächst zu konstatieren, dass die Kindesmutter das Kind trotz schwieriger Verhältnisse (sowohl in persönlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht) recht gut erzogen hat. Das Kind ist ausweislich der Feststellungen der Sachverständigen normal entwickelt und eine ordentliche Schülerin. Kritisch im Hinblick auf die Erziehungseignung der Mutter, ist allerdings nach dem Ergebnis des Gutachtens aus Sicht des Senats zu bewerten, dass die streng islamische Erziehung des Kindes für das Kind eher ungünstig ist und bisweilen mit sozialen Einschränkungen einhergeht, welche den Erfahrungsraum und die Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes auch langfristig beschränken können. Insoweit stellt es für das Kind einen Nachteil dar, dass ihm von der Kindesmutter eine Vollverschleierung und sowohl von dieser als auch von ihrem derzeitigen Lebenspartner vorgelebt wird, dass persönliche Gespräche mit Personen des jeweils anderen Geschlechts nur unter erheblichen Einschränkungen möglich sind.

Insgesamt ist nach dem Ergebnis des Gutachtens den Angaben des Kindes aber zu entnehmen, dass es selbst einen positiven Bezug zur Schule hat sowie eine hohe berufliche Ausbildung anstrebt, so dass nicht von einer seitens der Kindesmutter vermittelten geringfügigen Bedeutung von Schule und Bildung auszugehen sei. Zudem sei nach den eigenen Darstellungen des Kindes gegenüber der Sachverständigen von einer den kindlichen Bedürfnissen entsprechenden Freizeitgestaltung sowie einer ausreichenden sozialen Integration auszugehen. Diese gegenüber der Sachverständigen gemachten Angaben des Kindes haben sich in seiner Anhörung durch den Senat bestätigt. N hat angegeben, dass es in der Schule keinerlei Probleme wegen des Tragens des Kopftuches gebe, zumal auch einige andere Mitschülerinnen das Kopftuch trügen.

Im Hinblick auf die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter im Übrigen hat die Sachverständige ein liebevolles und zugewandtes Erziehungsverhalten gegenüber dem Kind feststellen können. Einschränkungen im Rahmen der Förderkompetenz bestehen wohl deshalb in gewisser Weise, als dass die Kindesmutter nicht vollumfänglich die Förderung und Unterstützung des Kindes im schulischen Bereich sicherstelle; so sei den Angaben der Klassenlehrerin des Kindes zu entnehmen, dass das Kind Schulaufgaben im häuslichen Rahmen unzureichend fertig stellt sowie wiederholt unentschuldigt Unterricht versäumt.

Ebenso einschränkend hat die Sachverständige ausgeführt, dass die Bindungstoleranz der Kindesmutter im Hinblick auf den Kindesvater derzeit als eingeschränkt zu beurteilen sei, weil die Kindesmutter die Bedeutsamkeit des Vaters für die psychosoziale Entwicklung des Kindes nicht (mehr) anerkenne.

Insgesamt hat die Sachverständige aber dargelegt - was trotz der aufgezeigten negativen Gesichtspunkte gut nachvollziehbar erscheint -, dass die Erziehungsfähigkeit der Mutter aktuell jedenfalls keinen grundlegenden Einschränkungen unterliegt.

Im Hinblick auf die von der Sachverständigen ermittelte eingeschränkte Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters - die Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass ein geringes Wissen über die Wesensmerkmale des Kindes bestehe sowie eine nur deutlich eingeschränkte Empathiefähigkeit sowie das Fehlen einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit eigenen Anteilen an den familiären Entwicklungen und der aktuellen Situation - mag zwar methodisch zu kritisieren sein, dass die Sachverständige diese Erkenntnisse anhand nur eines Gespräches mit dem Kindesvater und einer tatsächlich nicht zustandegekommenen Interaktion des Kindesvaters mit dem Kind gewonnen hat. Tatsache ist aber auch hier, dass der Kindesvater sich jedenfalls nicht nachdrücklich darum bemüht hat, regelmäßigen Umgangskontakt mit dem Kind zu haben bzw. sich in Erziehungsfragen einzubringen. Unabhängig von den zwischen den Kindeseltern streitigen Umständen, die dazu geführt haben, dass der Kindesvater das Kind nur wenig gesehen hat, hätte es bei wirklichem Interesse an dem Kind Mittel und Wege gegeben, gegebenenfalls unter Einschaltung der Gerichte, größeren Einfluss auf die Erziehung des Kindes zu nehmen. Dass der Kindesvater dies in den letzten Jahren erst gar nicht mehr versucht hat, ist sicherlich ein starkes Indiz für sein fehlendes Interesse, ebenso wie die Tatsache, dass der Kindesvater sich im Beschwerdeverfahren auf entsprechende Anschreiben nicht bei dem Verfahrensbeistand zwecks Führung eines Gespräches gemeldet hat. Soweit der Kindesvater als wesentliches Motiv für seine Rechtsverfolgung die Verhinderung der Erziehung des Kindes im strengen islamischen Glauben anführt, stellt dies, wie bereits oben dargelegt, keinen Gesichtspunkt dar, der durchgreifend gegen eine Erziehungseignung der Kindesmutter bzw. für eine bessere Erziehungseignung des Kindesvaters spricht.

Selbst wenn demnach im Ergebnis möglicherweise aus Sicht des Senats durchaus ins Gewicht fallende Einschränkungen im Hinblick auf die Förderkompetenz bzw. Erziehungseignung der Kindesmutter - insbesondere im Hinblick auf die oben dargestellte Vermittlung streng islamisch geprägter Verhaltensweisen - bestehen, kann insgesamt keinesfalls von einer besseren Erziehungseignung bzw. Förderkompetenz des Kindesvaters ausgegangen werden. Der Kindesvater legt insoweit auch gar nichts dafür dar, warum er das Kind trotz fehlender Erfahrung und trotz fehlender Bindung zum Kind besser fördern und erziehen können sollte als die Kindesmutter. Hierfür fehlt auch jeder tatsächliche Anhaltspunkt. Selbst wenn es hier im Hinblick auf die Erziehungseignung des Kindesvaters gewisse Unklarheiten geben sollte, weil die Sachverständige bisher nicht genügend Erkenntnisquellen hatte, so sprechen doch die weiteren Kriterien des Kindeswohles, nämlich Kontinuitätsgesichtspunkte, die Bindungen des Kindes und der Wille des Kindes entscheidend für eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Kindesmutter.

Angesichts der grundsätzlich differierenden Wert- und Erziehungsvorstellungen der Kindeseltern, seien sie auch religiös geprägt, ist eine Übertragung aller Sorgerechtsbereiche auf die Kindesmutter erforderlich, weil die insoweit unterschiedlichen Wertvorstellungen in alle Lebensbereiche hineinwirken. ..."

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„... 1. Die Beschwerde der Antragstellerin vom 27.02.2017 ist nach § 58 FamFG zulässig und dabei insbesondere nach §§ 63, 64 FamFG form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie aber keinen Erfolg. Denn dem Wohl des Kindes entspricht es am ehesten, dass die elterliche Sorge dem Vater übertragen wird und es beim Vater wohnen kann (§ 1671 Abs. 1 BGB). Der Antrag des Antraggegners auf Herausgabe des Kindes hat dagegen Erfolg, denn die Mutter enthält ihm das Kind widerrechtlich vor (§ 1632 Abs. 1 BGB).

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst vollumfänglich auf den präzisen, umfassend abwägenden und ausgezeichnet begründeten Beschluss des Amtsgerichts Bezug und macht sich dessen Begründung zu eigen. Diese Begründung wird im Folgenden im Wortlaut wiedergegeben:

‚2. Der Antrag des Antragsgegners auf Übertragung von Teilen der elterlichen Sorge für E. auf sich allein führt zum Erfolg. Der Antrag der Antragstellerin ist zurückzuweisen.

a) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Es ist also eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 19.07.2016 - 10 UF 8/16, NZF am 2016, 808 = juris Rn. 18 ff.; Palandt/Götz, BGB, 75. Aufl., § 1671 Rn. 12 m.w.N.): Zunächst ist festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht (aa). Ist das Ergebnis positiv, ist weiterhin zu prüfen, ob die Übertragung auf den jeweiligen antragstellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht (bb). Andere notwendige familiengerichtliche Maßnahmen dürfen dem nicht entgegenstehen (§1671 Abs. 4 BGB).

Diese Prüfung führt hier zur teilweisen Übertragung der elterlichen Sorge allein auf den Antragsgegner.

aa) Dem Wohl des Kindes entspricht es am besten, die bestehende gemeinsame Sorge der Eltern teilweise aufzuheben.

(1) Das Fortbestehen der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass zwischen den Elternteilen eine tragfähige soziale Beziehung und in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht (BGH, FamRZ 2008, 592; FamRZ 2011, 796). Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft sind unabdingbare Voraussetzungen für ein elterliches Zusammenwirken zur Wahrnehmung der Verantwortung für das Kind. Fehlt es hieran, weil die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind und einander ablehnen, sind Konflikte wahrscheinlich und meist unvermeidbar. Im vorliegenden Fall bestehen diese Konflikte seit Jahren und beeinträchtigen ersichtlich bereits das Wohl des Kindes.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung und aufgrund der Erkenntnisse aus einer Vielzahl vergleichbarer Fälle ist dem Gericht bekannt, dass betroffene Kinder irgendwann beginnen unter derartigen Konflikten der Eltern ernsthaft zu leiden. Dies wird vom Stand der aktuellen psychologischen Wissenschaft bestätigt. Für diese Frage muss das Gericht darum nicht auf ein Sachverständigengutachten zurückgreifen. Tragen die Eltern ihre Uneinigkeit und ihre Auseinandersetzungen (auch) auf dem Rücken des Kindes aus, besteht eine große Wahrscheinlichkeit, dass das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und unter Umständen in seiner Entwicklung geschädigt wird (vgl. OLG Brandenburg a.a.O. mit Verweis auf BVerfGE 127, 132).

Grundsätzlich haben die Eltern darum ihrem Kind gegenüber die Obliegenheit, sich intensiv um einen ausreichenden Konsens zu bemühen (BGH, FamRZ 2008, 592). Fehlt es an ausreichendem Bemühen oder ist insbesondere angesichts der vergangenen Entwicklungen zu besorgen, dass es den Eltern nicht gelingt, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge friedlich und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist eine erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich (BVerfGE 127, 132; BGH, FamRZ 2008, 592; OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 385). Da gilt unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat als ihre Aufhebung (BVerfG, FF 2009, 416; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11.05.2015-6 UF 18/15, juris Rn 15).

(2) An diesen Maßstäben gemessen muss die gemeinsame elterliche Sorge für E. in den strittigen Punkten (Aufenthaltsbestimmung und Schul- bzw. Kindergartenangelegenheiten) aufgehoben werden. Zwischen den Elternteilen besteht offenkundig schon seit langem ein tiefgreifendes Zerwürfnis. Das wird schon allein aus der Anzahl der gerichtlichen Verfahren wegen der Umgangs- und Sorgerechte deutlich. Aus dem Inhalt der entsprechenden Verfahrensakten ist ersichtlich, dass sich Antragstellerin und Antragsgegner seit ihrer Trennung - und damit seit E.s zweitem Lebensjahr - über die Ausgestaltung von Erziehung und Kontaktpflege beinahe unverändert intensiv streiten.

Um den von der Antragstellerin geplanten Umzug mit E. nach Bayern scheint es dabei gar nicht allein zu gehen; vielmehr hat das Gericht den Eindruck gewonnen, dass diese Frage beiden Seiten hauptsächlich als eine Art Kristallisationspunkt für ihre Auseinandersetzung um das Kind dient. Wie ernsthaft und wichtig die Umzugspläne für die Antragstellerin tatsächlich sind, muss an dieser Stelle allerdings nicht ergründet werden. Maßgeblich ist allein, dass trotz intensiver Bemühungen von unabhängigen Vermittlungsstellen, freien Trägern der Jugendhilfe, zwei Jugendämtern, den bevollmächtigten Rechtsanwälten, dem Verfahrensbeistand und den Gerichten keine erkennbaren Fortschritte bei der Entscheidungsfindung der Eltern erzielt wurden. Selbst als das Amtsgericht Dresden einen Umgangspfleger bestellte sowie während des laufenden Ordnungsmittelverfahrens wegen Verstoßes gegen den Umgangsvergleich, waren nur temporäre Verbesserungen festzustellen, wobei diese ersichtlich nicht auf einer Befriedung zwischen den Elternteilen beruhte. Die Hartnäckigkeit, mit der die Auseinandersetzung geführt wird, ist vor allem deswegen besonders auffällig, weil das Oberlandesgericht den Beteiligten schon 2014 einen Lösungsweg aufgezeigt hatte und beide Elternteile diesem Vorschlag zugestimmt hatten.

Das Gericht hat hier mehrfach darauf hingewiesen, dass es in den fortdauernden Auseinandersetzungen und deren Begleitumständen eine Kindeswohlgefährdung sieht, die unter Umständen familiengerichtliche Maßnahmen nach § 1666 BGB erfordern. Auch dies hat die Eltern aber nicht zu einem gemeinsamen Umdenken gebracht. So ist es nicht verwunderlich, dass E. seit spätestens Anfang 2016 Anzeichen einer Schädigung in ihrem geistigen, seelischen und körperlichen Wohl zeigt, so dass deswegen eine Mutter-Kind-Kur bewilligt wurde (Ärztliches Attest der Kurberatung Deutschland UG vom 31.03.2016, Bl. 43 des Ordnungsmittel-Unterheft).

bb) Dem Wohl entspricht die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Antragsgegner im beantragten Umfang am besten (§1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Bei der Frage, welchem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist, ist eine Abwägung insbesondere der nachfolgend genannten Gesichtspunkte vorzunehmen (OLG Brandenburg, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.):

- Kontinuität der Lebensumstände
- Bindung an beide Elternteile und Geschwister
- Bindungstoleranz
- Wille des Kindes
- Förderungsgrundsatz
- Erziehungsfähigkeiten der Eltern

Dies führt hier dazu, dass dem Antragsgegner die Teile der elterlichen Sorge übertragen werden müssen, die er benötigt, um über den gewöhnlichen Aufenthaltsort E.s zu entscheiden und sie gegebenenfalls dauerhaft bei sich aufnehmen zu können.

(1) Der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt, spricht zunächst für die Antragstellerin, weil E. seit der Trennung ihrer Eltern bei ihr lebt und von ihr versorgt und erzogen wird. Der Antragsgegner war hiermit einverstanden und würde dies nach seinen Angaben unter anderen Umständen auch heute noch akzeptieren. Es darf daher nicht aus dem Blick geraten, dass der Wechsel des gewöhnlichen Aufenthaltsortes zum Antragsgegner einen tiefgreifenden Einschnitt für das Kind darstellt.

Jedoch will der Antragsgegner der Antragstellerin regelmäßigen Umgang mit dem Kind gewähren. Die Antragstellerin hat angekündigt, ihre Umzugspläne aufzugeben, wenn sie nicht die Entscheidungskompetenz für den Ortswechsel des Kindes bekommt, so dass einem häufigen Umgang nichts im Weg steht.

Die Bedeutung der Kontinuität der Beziehung der Antragstellerin zum gemeinsamen Kind der Beteiligten wird auch dadurch geschmälert, dass E. trotz der Auseinandersetzungen ihrer Eltern immer noch sehr an ihrem Vater hängt und zu ihm und seiner Familie ein vertrauensvolles Verhältnis hat.

Die Gründe dafür, dass ein Wechsel E.s von der Mutter in den Haushalt des Vaters einen gravierenden Einschnitt in ihrem Leben darstellt, liegen ganz überwiegend im Verantwortungsbereich der Antragstellerin. Besonders ins Gewicht fällt dabei, dass die Antragstellerin es nicht zulässt, dass E. einen Kindergarten besucht und dass sie den Äußerungen des Kindes in seiner richterlichen Anhörung zufolge auch kaum Kontakt zu gleichaltrigen Kindern hat. Für das Gericht ist mangels Mitwirkung der Antragstellerin nicht ersichtlich geworden, ob E. überhaupt einen für ihre gesunde Entwicklung ausreichenden Kontakt zu Mitmenschen hat. Folgt man den Ausführungen der Antragstellerin, erschöpfen sich die Sozialkontakte E.s im Zusammenleben mit ihrer Mutter und Großmutter und gelegentlichen Besuchen in Bayern, wobei über Einzelheiten nichts bekannt ist. Die beste Gelegenheit für E., mit anderen Menschen in vertrauensvollen Kontakt zu kommen, stellt der Umgang mit dem Antragsgegner dar, der jedoch während des laufenden Verfahrens vor dem Familiengericht mehrfach gestört war.

Hier zeigt sich eine sehr bedenkliche Entwicklung zum Nachteil des Kindes, der durch einen Wechsel des Kindes zum Antragsgegner begegnet werden kann.

Letztlich ist zu sehen, dass die Kontinuität der Entwicklung E.s auch dann beeinträchtigt würde, wenn die Antragstellerin das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht erhielte. Denn dann würde ihr bisheriges soziale Umfeld weitgehend wegbrechen, auch der Kontakt zu ihrer Großmutter, und durch die Bekannten oder Verwandten der Antragstellerin am neuen Wohnort, die E. bisher nur besuchsweise kennt, ausgetauscht.

(2) Durch das Heranwachsen bei der Antragstellerin hat E. eine enge Bindung zur Antragstellerin. Ihre Beziehung zum Antragsgegner ist aber - trotz der problematischen Entwicklung - ebenfalls gut und vertrauensvoll. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass sie spätestens nach einer gewissen Eingewöhnungszeit eine ebenso tiefe Bindung zum Antragsgegner aufbauen wird, ohne dabei ihre Bindung zur Antragstellerin aufgeben zu müssen.

Weiterhin ist zu sehen, dass der Antragsgegner bisher wenig Gelegenheit hatte, eine kontinuierliche Beziehung zu E. aufzubauen. Der Antragsgegner hatte - entgegen anfänglicher Behauptungen der Antragstellerin - von Beginn an großes Interesse an E. und hat sich auch von den ständigen Auseinandersetzungen nicht davon abhalten lassen, sich intensiv um regelmäßigen Kontakt zu ihr zu bemühen.

Bei der notwendigen Abwägung der für und wider einen Aufenthaltswechsel sprechenden Kriterien spielt es nach Ansicht des Gerichts auch eine Rolle, wenn ein Beteiligter entsprechende Argumente bewusst selbst geschaffen hat, wobei das Wohl des betroffenen Kindes stets Vorrang hat. Hier hat die Antragstellerin die Entstehung einer noch intensiveren Beziehung des Kindes zum Antragsgegner bewusst verhindert.

Um zu diesem Schluss zu kommen, muss nicht auf jeden einzelnen von beiden Seiten vorgetragenen Punkt in der bisherigen Umgangsgestaltung eingegangen werden. Bei lebensnaher Betrachtung erscheint es wenig plausibel, dass die dauerhaft und wiederkehrend auftretenden Umgangsprobleme ausschließlich zufällig entstanden oder allein vom Antragsgegner verschuldet waren. Letzteres würde auch nicht zu dem starken Interesse des Antragsgegners an E. passen, welches er in den vorhergehenden und im vorliegenden Verfahren gezeigt hat.

Der Antragsgegner hat sich dabei im Vergleich zur Antragstellerin weit mehr kompromissbereit gezeigt, während sich die Antragstellerin einer einvernehmlichen Lösung widersetzt hat. So hat sie in den ersten Verfahren vor dem Amtsgericht Dresden die Erziehungs- und Umgangseignung des Antragsgegners in Zweifel gezogen und dies später ohne Begründung wieder aufgegeben. Insbesondere solle der Antragsgegner ein schwerwiegendes Alkoholproblem haben oder der Sohn des Antragsgegners ein bedenkliches Sexualverhalten an den Tag legen. Beides wurde später weder nochmals thematisiert noch hat es sich auch nur ansatzweise bestätigt. Die Familiengerichte Dresden und Riesa haben darum auch keinen Anlass gesehen, in diese Richtung zu ermitteln. Dieses Verhalten der Antragstellerin lässt auf ein rein verfahrensstrategisches Vorgehen schließen, bei dem das Wohl des Kindes für die Antragstellerin offensichtlich nicht im Mittelpunkt steht.

Das gilt auch für ihren Wunsch, mit dem Kind nach Bayern umzuziehen. Erst im späteren Verlauf der Gerichtsverfahren hat die Antragstellerin dem Gericht mitgeteilt, dass sie dort Bekannte habe und ihr erwachsener Sohn dort lebe. Dem Gericht drängt sich darum der Eindruck auf, dass die Antragstellerin zuerst den Entschluss gefasst hat, mit E. umzuziehen, und erst danach Argumente dafür gesucht hat, die Entscheidung auch für Dritte sinnvoll erscheinen zu lassen. Besonders deutlich wird diese Vorgehensweise, wenn die Antragstellerin behauptet, in der näheren Umgebung ihres derzeitigen Wohnortes keine angemessene Arbeitsstelle zu finden. Dass in der näheren Umgebung um G. und besonders im Raum Dresden zahlreiche Stellen im Pflegebereich angeboten werden, ist allgemein bekannt und weiß das Gericht insbesondere aus zahlreichen Unterhaltsverfahren. Dies hat das zuständige Jobcenter auf Anfrage des Gerichts bestätigt, auch wenn es zu der konkreten Situation der Antragstellerin keine individuellen Auskünfte erteilen wollte. Ohne dies aufgrund der Verweigerungshaltung der Antragstellerin im Einzelnen feststellen zu können, drängt sich insgesamt der Verdacht auf, dass die Antragstellerin Angebote des Jobcenters mit der Begründung ablehnt, dass sie in absehbarer Zeit nach Bayern umziehen werde und auf das laufende Familiengerichtsverfahren verweist, um zu begründen, warum der Umzug nicht schon längst stattgefunden hat. Andererseits erklärt sie vor Gericht, sie sei beim Jobcenter arbeitssuchend gemeldet, ihr würden aber keine angemessenen Angebote unterbreitet werden. Auf diese Weise können Jobcenter und Gericht gegeneinander ausgespielt werden.

(3) Dem Kindeswillen kann im Hinblick auf das Alter des Kindes keine zu große Bedeutung beigemessen werden. Da die Antragstellerin eine psychologische Begutachtung verhindert, kann das Gericht in den Fragen, inwieweit E. in der Lage ist, einen autonomen Willen zu bilden und ob ihre Äußerungen diesem etwaigen Willen entsprechen, nicht auf psychologischen Sachverstand zurückgreifen.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass E.s Äußerungen in ihrer Anhörung am 21.11.2016 nicht uneingeschränkt zu den Ansichten der Antragstellerin passen. Dies ist umso erstaunlicher, als E. im Alltag und so auch unmittelbar vor ihrer Anhörung fast ausschließlich Kontakt zur Antragstellerin und zu deren Mutter hatte. E. sprach erst relativ spät und eher unvermittelt davon, dass der Antragsgegner und auch seine Ehefrau ‚bestraft werden müssten'; zuvor sprach sie nur positiv von ihnen. Dabei betonte sie mehrfach, dass auch ihre Mutter eine Strafe verdient habe. Außerdem habe sie sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater lieb. Mit dem Umzugsthema konnte E. zunächst wenig anfangen. Die damit verbundenen negativen Veränderungen, z.B. dass sie ihren Vater dann nur noch selten und dessen Familie wohl kaum noch sehen würde, waren ihr nicht - auch nicht in einem altersgerechten Umfang - bewusst, obwohl sie ansonsten einen sehr aufgeweckten und intelligenten Eindruck machte. E. hat weder selbst für den Umzug begeistert noch hat sie wiedergeben können, warum ihrer Mutter der Umzug wichtig ist.

Das Gericht ist im Ergebnis davon überzeugt, dass E. sich bei dem Antragsgegner und dessen Familie wohlfühlen kann und dass es ihr wenig ausmachen würde, wenn es keinen Umzug nach Bayern geben würde.

(4) Unter dem Gesichtspunkt des Förderungskompetenz ist dem Antragsgegner der Vorrang zu geben. Er kann E. aufgrund seiner eigenen Schul- und Berufsbildung im intellektuellen Bereich unterstützen, auch mit Hilfe seiner Ehefrau. Er hat gezeigt, dass er sich auch um ihre Sozialkompetenzen intensiver als die Antragstellerin kümmern würde, die sich mit E. weitestgehend in den Haushalt ihrer Mutter zurückgezogen hat. Das familiäre Umfeld im Haushalt des Antragsgegners bietet für E. deutlich mehr Anregungen. Er will E. auch wieder die Kita besuchen lassen und einen Kontakt zu Gleichaltrigen ermöglichen.

(5) Der Vergleich der Erziehungsfähigkeiten fällt ebenfalls zugunsten des Antragsgegners aus. Er ist deutlich besser in der Lage und gewillt, seine Erziehungsverantwortung zum Wohl des Kindes auszuüben.

Das Gericht kommt nicht umhin, in dieser Frage auch die Verweigerungshaltung der Antragstellerin im Verfahren zu berücksichtigen. So hat der Vorsitzende nach Eingang des Auskunftsersuchens des Jobcenters mit der dortigen Sachbearbeiterin telefoniert, um abzuklären, welche Informationen dort benötigt würden. Die Sachbearbeiterin hat dabei angedeutet, dass sie auch aufgrund des Auftretens der Antragstellerin bei der Behörde persönliche Zweifel habe, ob die Antragstellerin bei ihrem Vorgehen das Wohl des Kindes im Blick behalte. Erst dadurch hat das Gericht Veranlassung gesehen, nicht nur die Fragen des Jobcenters zu beantworten, sondern seinerseits dort zu ermitteln. Die Auskünfte des Jobcenters hätten vor allem dazu dienen können, den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung auszuräumen. Das hat die Antragstellerin nun ohne nähere Begründung verhindert, indem sie ihre Schweigepflichtsentbindung gegenüber dem Jobcenter zurückzog. Dem Gericht ist in Anbetracht aller ihm bekannten Umstände des Falles kein anderer Grund für diesen Schritt ersichtlich als eine Absicht der Antragstellerin, gegen ihren Antrag sprechende Umstände zu verheimlichen. Denn anders als bei ihrer Begutachtung wäre mit der Auskunft des Jobcenters kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit verbunden oder das Bekanntwerden psychischer Auffälligkeiten oder Krankheiten.

Dieses Verhalten der Antragstellerin ist aus verfahrensrechtlicher Sicht bedenklich, denn die Beteiligten sind vor Gericht zur wahrheitsgemäßen Aussage und grundsätzlich auch zur ausreichenden Sachverhaltsaufklärung verpflichtet (§ 27 FamFG). Vor allem zeigt das Verhalten der Antragstellerin, dass sie das Kindeswohl zumindest an dieser Stelle aus dem Blick verloren hat.

In diesem Kontext ist es auch zu sehen, wenn die Antragstellerin die Auswahl des Verfahrensbeistandes angreift (Bl. 46 dA), ohne stichhaltige Argumente vorzutragen, und wenn sie Bedenken gegen den Sachverständigen äußert und sich lediglich auf Äußerungen im Internet bezieht, die niemand überprüfen oder hinterfragen kann. Das Gericht erlaubt sich an dieser Stelle den Hinweis, dass ihm diese Internetkommentare schon zuvor bekannt waren. Allerdings lassen sich zu fast jedem Gutachter in Kindschaftsverfahren vergleichbare Äußerungen im Internet finden. Das Gericht hat in anderen Verfahren gute Erfahrungen mit dem ausgewählten Sachverständigen gemacht. Etwaige Bedenken hätten nach Vorlage seines Gutachtens diskutiert werden können. Die Wahl fiel hier auch deswegen auf ihn, weil er die Gutachten in vergleichsweise kurzer Zeit erstattet. Zuletzt hat die Antragstellerin im Erörterungstermin am 12.10.2016 eingeräumt, dass sie ihre Mitwirkung an der Begutachtung nicht allein wegen der Auswahl des Gutachters verweigere und dass sie auch dann nicht mitarbeiten würde, wenn ein anderer Sachverständiger gewählt würde. Eine plausible Begründung hierfür hat die Antragstellerin nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht ersichtlich.

Eine solche Verhaltensweise spricht gegen die Qualität der Erziehungskompetenzen der Antragstellerin.

Das gilt auch für die Einstellung der Antragstellerin zu den Sozialkontakten des Kindes. Mit ähnlicher Begründung wie für ihre dauerhafte Arbeitslosigkeit verwehrt die Antragstellerin E. den Kindergartenbesuch. Demnach würde sich dies nicht lohnen, da sie gemeinsam umziehen wollten. Die Antragstellerin sieht dabei nicht, welche nachteiligen Folgen die Isolation des Kindes mit sich bringt. Unabhängig von der Frage, in welcher Weise das Wohl des Kindes hierdurch bereits verletzt ist oder inwieweit mit einer solchen Verletzung in Zukunft zu rechnen ist, hat die richterliche Anhörung des Kindes jedenfalls eindrucksvoll gezeigt, dass E. über diesen Umstand sehr unzufrieden ist und der Mangel an angemessenen Sozialkontakten auch nicht anderweitig kompensiert wird. So hat sie deutlich erklärt, dass sie gerne wieder in den Kindergarten gehen würde und ihre damalige Freundin vermisse, die sie seitdem nicht mehr besucht habe. Diese offensichtlich ehrliche und autonom motivierte Äußerung - zu einer Lüge hatte E. hier ersichtlich keinen Anlass - hat bei dem Richter und bei Verfahrensbeistand und Jugendamtsmitarbeiterin einen starken Eindruck hinterlassen. Im Gegensatz dazu stehen die Äußerungen der Antragstellerin dazu im anschließenden Erörterungstermin, welche kein echtes Verständnis für den Wunsch des Kindes oder ausreichende Empathie erkennen ließen.

Auch der Umgang der Antragstellerin mit der Situation nach dem Vorfall vom 12.02.2016 ist bedenklich. Ohne eine etwaige Gewaltausübung in irgendeiner Weise zu entschuldigen, sieht das Gericht in diesem Vorkommnis, soweit es überhaupt in der von der Antragstellerin geschilderten Form stattgefunden hat, jedenfalls keinen hinreichenden Anlass, an der Erziehungseignung des Antragsgegners deshalb zu zweifeln, weil E. auch in intensiven Kontakt zu dessen Ehefrau treten wird. Dass es sich nicht um eine bewusste Aggression gegen E. handelte, wird schon aus den polizeilichen Unterlagen, die das Gericht beigezogen hat, ersichtlich, ergibt sich aber auch aus der informatorischen Befragung von Frau B… Darüberhinaus hat E. auch nach diesem Vorfall ihr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu Frau B… beibehalten, wie insbesondere von Seiten des Verfahrensbeistands berichtet wird.

Das bedeutet in letzter Konsequenz, dass die Antragstellerin diesen Vorfall offenbar nutzen will, um bei Gericht Vorbehalte gegen den Antragsgegner und seine Familie zu erzeugen. Dabei instrumentalisiert sie E. für ihre Ziele, indem sie sie z.B. vor der Polizei aussagen lässt.

Zu den weiteren auffälligen Verhaltensweisen der Antragstellerin, die gegen ihre Erziehungskompetenzen sprechen, gehört der innerfamiliäre Dauerkonflikt in ihrem Haushalt, der erst durch die spontanen Äußerungen des Kindes und auf entsprechende ausdrückliche Nachfragen des Gerichts erkennbar wurde. So hat E. angegeben, ihren Opa gerne besuchen zu wollen; er wohne mit im Haus der Antragstellerin, dürfe aber nicht mit ihr allein sein, weil er sie einmal geschlagen habe. Für das Gericht ist es bis heute nicht verständlich, wie diese Trennung der Familienmitglieder im Haushalt der Antragstellerin ausgestaltet ist. Ohne weitere Informationen kann das Gericht auch nicht beurteilen, wie sich diese Distanzierung von dem Großvater, die auf engem Raum und offenbar schon seit langem stattfindet, konkret auf E. auswirkt. Das Gericht befürchtet jedoch einen negativen Einfluss auf E.s psychische Entwicklung. Es spricht auch einiges dafür, dass der ‚Umgangsausschluss', den der Großvater hinzunehmen scheint, zumindest unverhältnismäßig ist und damit jedenfalls kein vorbildliches Verhalten darstellt.

Seltsam hat die Äußerung E.s auf das Gericht gewirkt, wonach sie sich freue, bei dem Antragsgegner ein eigenes Bett zu haben und dass er ihr abends etwas vorlese; bei der Antragstellerin schlafe sie immer gemeinsam mit ihr in deren Bett.

Unvermittelt sprach E. davon, dass sie von der Antragstellerin manchmal geschlagen werde, und zwar so, dass es ihr schmerze. Auf Nachfrage erzählte E. ein konkretes Vorkommnis, das ihr offenbar noch sehr gut in Erinnerung war, zumal sie Nasenbluten bekommen habe. Die Antragstellerin hat diesen einzelnen Vorfall danach im Erörterungstermin anders dargestellt, dabei jedoch nicht erklären können, wie das Kind zu seiner Sicht auf dieses Ereignis gekommen sein könnte oder aus welchem Grund E. sie vor Gericht falsch belasten sollte.

Selbst wenn die Antragstellerin E. in diesem Einzelfall nicht vorsätzlich verletzt hatte, muss zumindest festgehalten werden, dass E. sich in ihrer Anhörung ersichtlich bemüht hat, nicht nur (u.a.) Schlechtes über den Antragsgegner zu sagen, sondern ebenso über die Antragstellerin. In diesem Zusammenhang sagte E. wörtlich zum Richter: ‚Mit der Mama musst du auch schimpfen, nur nicht so stark wie mit dem Papa!'. Das kann den Versuch darstellen, einerseits einem Wunsch der Antragstellerin nachzukommen und den Antragsgegner in einem schlechten Licht darzustellen, andererseits aber doch auch ihre eigene Haltung wenigstens anzudeuten, nämlich dass bei der Antragstellerin nicht alles gut sei.

E. hat den erwähnten Vorfall nur als Beispiel für mehrere Vorfälle genannt. Sie werde ‚manchmal' geschlagen, und zwar mit der Hand in ihr Gesicht und auf ihr Gesäß. Die Antragstellerin hat sich anschließend auf den einzelnen Vorfall beschränkt. Inwieweit der Antragstellerin bewusst war, dass hier der Vorwurf wiederholter Gewaltanwendung gegen E. im Raum stand, ist für das Gericht nicht ersichtlich gewesen. Die Brisanz dieser Frage ist der anwaltlich vertretenen Antragstellerin wohl nicht bewusst geworden. Auch das spricht gegen ihre erzieherischen Kompetenzen.

Ob bei E. aufgrund dieser Auffälligkeiten bereits seelische Schädigungen eingetreten sind oder ob dies in absehbarer Zukunft geschieht, kann das Gericht ohne psychologischen Sachverstand nicht sicher beurteilen. Es ist aber offensichtlich, dass die von Jugendamt und Verfahrensbeistand geschilderten offeneren und toleranten Umgangsformen im Haushalt des Antragsgegners für E.s Entwicklung und Wohlbefinden förderlicher sind. Hinweise auf eine beginnende Schädigung könnten allerdings in der Schilderung des Kindes zu sehen sein, wonach sie manchmal zu einer auffallenden Atemtechnik neige (Seufzen). Neben physischen Ursachen, die vielleicht in keinem Zusammenhang mit dem Konflikt ihrer Eltern stehen, kommen hier wohl auch psychosomatische Einflüsse als Stressreaktion in Betracht. Das Gericht bedauert, dies aufgrund der Verweigerung der Antragstellerin nicht weiter untersuchen lassen zu können. Die Tatsache, dass E. eine Kur empfohlen wurde, lässt befürchten, dass erste Schädigungen schon vorliegen.

Der Vorfall vom 12.02.2016 hat in der Kindesanhörung eine überraschend geringe Rolle gespielt. E. kam hierauf zwar von selbst zu sprechen, ihre Formulierung (‚doch arg gewürgt') klang jedoch stark relativierend. Obwohl sie ansonsten schon sehr selbstbewusst auftrat und für sich selber sprechen konnte, verwies sie in diesem Zusammenhang auf die Weisungen der Antragstellerin (‚Mama hat gesagt, dass ich mit C… nicht allein sein soll.'). Dies entsprach ersichtlich nicht ihren eigenen Wünschen, denn ihr gutes Verhältnis zum Antragsgegner und seiner Ehefrau war ansonsten deutlich geworden.

Statt die Bedenken an ihrer Fähigkeit, E. ein sicheres Heim zu bieten, durch Aufklärung des Sachverhalts auszuräumen, versucht die Antragstellerin die Ermittlungen des Gerichts auch an dieser Stelle zu behindern, insbesondere indem sie Hausbesuche des Jugendamts nicht zulässt. Auf Seiten des Antragsgegners erkennt das Gericht eine viel höhere Kooperationsbereitschaft.

(6) Die notwendige Bindungstoleranz fehlt der Antragstellerin, während das Gericht in den Erörterungsterminen und aufgrund der Berichte von Jugendamt und Verfahrensbeistand andererseits überzeugt ist, dass der Antragsgegner gut in der Lage sein wird, die Bedeutung der Antragstellerin als E.s Mutter zu akzeptieren und entsprechend zu agieren. Gerade weil er lange Zeit gar nicht auf das Ziel hingearbeitet hat, E. aus dem mütterlichen Haushalt herauszuholen, sondern ausschließlich auf einen regelmäßigen und funktionierenden Umgang mit dem Kind bestanden hat, wozu auch gehörte, dass er gegen den Umzug der Antragstellerin mit dem Kind war, solange sein Umgangsrecht nicht gesichert ist, glaubt das Gericht, dass er der Antragstellerin zukünftig einen angemessenen Umgang mit dem Kind gewähren wird. Jugendamt und Verfahrensbeistand teilen diese Einschätzung.

b) Anderweitige familiengerichtliche Maßnahmen, insbesondere auf der Grundlage von § 1666 BGB sind nicht geboten. Die Gefährdung des Kindeswohls wird durch die Beseitigung des Konflikts zwischen den Eltern voraussichtlich entfallen. Das Gericht hat keine Zweifel, dass E. beim Antragsgegner und in dessen Haushalt gut versorgt und betreut wird. Soweit sehr bedenkliche Defizite in der Erziehungsfähigkeit der Antragstellerin erkennbar geworden sind, werden diese stark an Bedeutung für E. verlieren, wenn sie ihren Aufenthaltsort bei dem Antragsgegner hat. Ob sich solche Defizite auch während regelmäßiger Umgänge der Antragstellerin mit E. auswirken können, wird von den Beteiligten und dem Jugendamt zu beobachten sein.

Weniger einschneidende Maßnahme sind nicht ersichtlich. Zwar hat sich der Antragsgegner stets bereit erklärt, den Aufenthalt E.s bei der Antragstellerin zu akzeptieren, wenn er nur genügend Anteil an ihrer Erziehung und regelmäßigen Umgang mit ihr hat. Alle Versuche der Institutionen, dies gütlich zu vermitteln oder Maßnahmen des Gerichts in diese Richtung, sind jedoch gescheitert. Selbst die einvernehmlich formulierten Vorgaben, bei deren Erfüllung das Oberlandesgericht eine Chance für den Umzug der Antragstellerin gehen hatte, hat diese nicht erfüllt. Das Gericht vermag insoweit nicht einmal ernsthafte und nachhaltige Bemühungen der Antragstellerin in diese Richtung zu erkennen.
c) Im Ergebnis sind damit die für einen Aufenthaltswechsel erforderlichen Teile der elterlichen Sorge auf den Antragsgegner allein zu übertragen. Dieser trifft dann insbesondere die Entscheidung, wo E. ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort hat und wo sie zukünftig die Schule besuchen wird, hat aber auch dafür Sorge zu tragen, dass E. ihre Bindung zur Antragstellerin nicht verliert und regelmäßigen Umgang mit ihr pflegt. Außerdem hat er die Antragstellerin in den Bereichen, in denen er nicht die Alleinsorge hat, an Entscheidungen gleichberechtigt zu beteiligen und sie im Übrigen ausreichend zu informieren.

d) Der Umgang ist nicht zur regeln. Solange sich E. bei der Antragstellerin aufhält, ist das Umgangsrecht des Antragsgegners durch familiengerichtlich gebilligten Vergleich vom 07.12.2015 rechtssicher geregelt. Bedarf an einer inhaltlichen Änderung ist nicht zu erkennen, eine Abänderung dieses Titels ist damit nicht geboten (§ 1696 BGB). Soweit der Vergleich tatsächlich nicht immer umgesetzt wird, ist dies Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens. Der Antragsgegner hat insoweit einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln gestellt.

Sobald E.s gewöhnlicher Aufenthaltsort zum Antragsgegner wechselt, hat die Antragstellerin einen Umgangsanspruch gegen ihn (§ 1684 BGB). Der Antragsgegner hat angekündigt, der Antragstellerin dann Umgang mit E. in einem angemessenen Umfang zu gewähren. Er will der entsprechenden Umsetzung dieselben Maßstäbe zugrunde legen, die er auch im umgekehrten Fall für sein eigenes Umgangsrecht anwenden wollte (Schriftsatz der Antragsgegnerbevollmächtigten vom 13.04.2017, Bl 127 ff. dA). Aufgrund seines bisherigen Verhaltens während des laufenden Verfahrens ist das Gericht davon überzeugt, dass der Antragsgegner diese Zusage einhalten wird. Für eine gerichtliche Umgangsregelung, die gegebenenfalls vollstreckt werden müsste, ist darum gegenwärtig kein (Rechtsschutz-)Bedürfnis erkennbar.'

2. Die Einwände der Antragstellerin hiergegen greifen nicht durch.

a) Soweit sie darauf abhebt, sie sei wesentliche Bezugsperson des Kindes, erfasst dies nur einen Teil der Gesamtkonstellation und wurde vom Amtsgericht ausreichend berücksichtigt.

b) Soweit sie erklärt, das Kind würde jetzt die Vorschule, einen Theaterkurs, einen Reitkurs und einen Malkurs besuchen, würde damit zwar die soziale Isolierung des Kindes beseitigt, ändert jedoch nichts an den weiteren Feststellungen. Denn die Mutter ist in besonderer Weise eingeschränkt bei der Förderkompetenz. So hat sie in der Anhörung vor dem Senat erklärt, das Kind würde seine Geburtstage in Bayern mit den dortigen Freunden feiern. Diese Freunde sieht das Kind nach eigenen Angaben der Mutter allenfalls vier bis fünf Mal im Jahr. Dies zeigt eindrücklich, dass die Mutter kein Interesse an den sozialen Kontakten in der näheren Umgebung des Kindes hat und diese nicht fördert. Ohne dass es darauf ankäme, kann der Senat diesen Bekundungen keinen Glauben schenken. Die Mutter gab an, dass die Kurse seit mindestens einem Jahr stattfinden würden. Weder bei den Berufsbeteiligten des Verfahrens, noch beim Vater, noch bei den Anhörungen des Kindes kam dies zur Sprache, obwohl die Problematik des Sozialkontakts jeweils angesprochen wurde. Zudem hat die Mutter diese Angaben nicht einmal in der Sitzung beim Amtsgericht am 21. November 2016 gemacht, obwohl die sozialen Kontakte des Kindes auch dort thematisiert wurden. Dem Vater seien die Aktivitäten erstmals im Dezember 2016 bekannt geworden, vorher auch nicht vonseiten die Tochter.

c) Soweit sie vorträgt, kinderpsychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist dies jedenfalls nicht erfolgreich. Sie selbst räumt ein, das Kind nie bei einer Kinderpsychologie vorgestellt, allenfalls selbst Vorgespräche geführt zu haben.

d) Soweit sie den Umzug allein wegen einer Arbeitsstelle und einer Freundin im Bayern durchführen will, ist dies nicht glaubwürdig. Sie hat weder die ungefähre Adresse des zukünftigen Arbeitgebers noch die korrespondierende Himmelsrichtung innerhalb Münchens, noch den korrespondierenden Stadtbezirk mitteilen können, obwohl sie ein genaues Gehalt mitzuteilen imstande war. Soweit sie, nach einer Wohnung befragt, mitteilte, der Arbeitgeber würde sich um eine Wohnung kümmern, erscheint dies vor diesem Hintergrund und der bekannten Wohnverhältnisse innerhalb Münchens nicht glaubhaft.

3. Nach den umfassenden Feststellungen des Amtsgerichts, die der Senat bei der Anhörung von Kind und Mutter bestätigt sah, ist das Kind deutlich besser beim Vater aufgehoben. Daher ist ihm die elterliche Sorge zu übertragen.

4. Gleichzeitig war die Herausgabe des Kindes anzuordnen. Die Mutter ist mit dem Kind unerreichbar. Sie verheimlicht den Aufenthalt (§ 1632 Abs. 2 BGB). ..." (OLG Dresden, Beschluss vom 19.05.2017 - 22 UF 241/17)

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Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils nicht angeordnet werden, wenn die Eltern eine fortdauernde Mediation nur zur Absprache von Umgangsterminen nutzen, sich über den bevorstehenden Wechsel eines Kindes auf eine weiterführende Schule aber nicht austauschen. Ohne Kooperationsfähigkeit kein Wechselmodell (OLG Brandenburg, Beschluss vom 02.05.2017 - 10 UF 2/17).

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Dass ein paritätisches Wechselmodell mit wöchentlich wechselnden gewöhnlichem Aufenthalt des betroffenen Kindes nach derzeitiger Rechtslage gegen die Widerstand eines Elternteils nicht gerichtlich angeordnet werden kann, schließt es nicht von vornherein aus, dass das Gericht ein derartiges, von den Eltern in einem vorangegangenen Verfahren vereinbartes und tatsächlich gelebtes Aufenthaltsmodell auch dann aufrechterhält, wenn ein Elternteil es nunmehr abgeändert sehen möchte. In einem solchen Abänderungsverfahren ist anhand des Maßstabs des § 1671 BGB zu prüfen, ob die Fortführung des Doppelresidenzmodells oder die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil allein dem Kindeswohl am besten entspricht (OLG Dresden, Beschluss vom 08.02.2017 - 20 UF 853/16).

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Sind in der Vergangenheit sämtliche Vermittlungsversuche unter Inanspruchnahme professioneller Hilfe ergebnislos gescheitert, kann eine gemeinsame elterliche Sorge von Eltern, denen es an jeglicher Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit fehlt, nicht mit der Begründung aufrechterhalten werden, dass eine Pflicht der Eltern zur Konsensfindung besteht, da dies dem Kindeswohl nicht entspricht (OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.08.2016 - 17 UF 40/16).

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„... 1. Die Kindeseltern streiten - parallel zu einem seit längerer Zeit anhängigen sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren (Az. 39 F 185/13 des Amtsgerichts Oranienburg) - seit September 2015 im Rahmen eines einstweiligen Anordnungsverfahrens mit wechselseitigen Anträgen um vorläufige Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Kinder J… und E….

Mit Beschluss vom 11. September 2015 hat das Amtsgericht nach mündlicher Anhörung der Beteiligten am 10. September 2015 und der betroffenen Kinder am 11. September 2015 das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder vorläufig auf den Kindesvater allein übertragen und den gegenläufigen Antrag der Kindesmutter zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen auf die Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens abgestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen.

Gegen diese ihr am 14. September 2015 zugestellte Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer am 28. September 2015 eingegangenen Beschwerde, die sie dahin begründet, dass die den Beschluss entscheidend (mit-)tragenden Erwartungen des Gerichts in das Verhalten des Vaters nicht eingetreten seien. Entgegen seiner Zusagen „scheinen die Kinder (vom Haushalt der Schwester des Vaters) in den Haushalt des Kindesvaters gewechselt zu sein", was den Schluss zulasse, dass der Vater den Kindern die für so wichtig erachtete Stabilität und Kontinuität tatsächlich nicht zu gewährleisten bereit sei. Außerdem beeinflusse der Vater die Kinder (weiter) gegen die Mutter und gewähre nur sehr unzureichend Kontakt zwischen den Söhnen und der Mutter, was sie zur Einleitung eines weiteren Eilverfahrens wegen Umgangs veranlasst habe. Sie hat in der Beschwerdebegründung vom 27. November 2015 „zugesagt, bei einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sich die Kinder in ihrer jetzigen Kita zu belassen, um ihnen keinen weiteren Wechsel zuzumuten. Dem Kindesvater würde sie ein großzügiges Umgangsrecht einräumen und den Kindern solle auch dessen Schwester als Bezugsperson erhalten bleiben" (Bl. 158 GA).

Der Kindesvater tritt den Behauptungen der Mutter zu den Entwicklungen seit Erlass der Eilentscheidung dezidiert entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung.

Den Antrag der Mutter auf einstweilige Regelung unbegleiteten Umgangs mit den Söhnen hat das Amtsgericht Oranienburg mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 - Az. 39 F 222/15 - zurückgewiesen, weil es trotz ausdrücklicher Erklärungen der Mutter, sie habe keine Auswanderungsabsichten, die Besorgnis bestehe, sie werde Deutschland verlassen und dem Vater die Kinder entziehen.

Die Mutter ist - wohl im Januar 2016, Genaueres ist nicht bekannt - in die Schweiz verzogen, weil ihr Verlobter dort eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe und sie für sich selbst dort auch bessere berufliche Chancen sehe.

2. Die Beschwerde der Kindesmutter ist gemäß §§ 57 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 FamFG statthaft und form- und fristgerecht gemäß §§ 63 Abs. 2 Nr. 1, 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 1 FamFG eingelegt worden, mithin zulässig. In der Sache selbst bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg.

Das Amtsgericht hat - im Ergebnis zu Recht und unter besonderer Betonung der Wahrung der sozial-räumlichen Kontinuität - dem Vater im Wege einstweiliger Anordnung das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für den heute 5 ¼-jährigen E… und den knapp vier Jahre alten J… D… übertragen.

a) Der Umstand, dass dem Kindesvater (neben der Kindesmutter) mit Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Mai 2015 - Az. 39 F 185/13 - im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Regelung des Umgangs, die Gesundheitsfürsorge, das Recht zur Regelung von Kitaangelegenheiten und von Angelegenheiten der Entwicklungsverzögerung sowie zur Beantragung von Hilfen zur Erziehung entzogen worden war und diese Entscheidung für seine Person Bestandskraft erlangt hat, während und weil allein die Kindesmutter seinerzeit das Rechtsmittelgericht angerufen und - für sich - die Aufhebung dieses Beschlusses erreicht hat (Beschluss des Senates vom 24. August 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 17. März 2016, Az. 9 UF 90/15), steht der jetzigen Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater nicht entgegen.

(1) Zum einen enthält der das hiesige Verfahren einleitende Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Söhne auf ihn allein vom 3. September 2015 zumindest konkludent den Antrag auf Aufhebung der zuvor erfolgten Entziehung wesentlicher Teile des Sorgerechts, jedenfalls des Entzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts. In der Antragsbegründung hat sich der Vater ausdrücklich auf die Senatsentscheidung vom 24. August 2015, mit der - versehentlich falsch tenoriert und inzwischen berichtigt - der nach §§ 1666, 1666a BGB, 49 ff. FamFG ergangene Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 21. Mai 2015 insgesamt aufgehoben worden war, gestützt.

Jenseits dessen ist gemäß § 1696 Abs. 2 BGB ohnehin eine sorgerechtliche Maßnahme nach §§ 1666, 1666a BGB - kraft Gesetzes und von Amts wegen - aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

(2) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für den Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts des Vaters für die beiden Söhne J… und E… nicht (mehr) vor.

Der Vater hat schon seit Erlass des Senatsbeschlusses vom 24. August 2015 tatsächlich Elternverantwortung wahrgenommen. Es gibt keinerlei tragfähige Anknüpfungstatsachen für eine - gerichtliche sorgerechtliche Eilmaßnahmen allein rechtfertigende - irgendwie geartete akute Kindeswohlgefährdung bei fortgesetzter Betreuung der Söhne in der Verantwortung des Vaters.

Die Kinder leben seit dem 3. Juli 2015 und anhaltend bis heute im Haushalt der Schwester des Vaters in O…; die Schwester war - seinerzeit im Einvernehmen mit beiden Eltern - bereits während der Zeit der vom 1. Oktober 2013 bis Mai 2014 währenden Strafhaft der Mutter umfassend in die Versorgung und Betreuung der Kinder involviert und hat seinerzeit mit dem Jugendamt gut kooperiert (vgl. Sitzungsvermerk des Amtsgerichts vom 21. Mai 2015, Az. 39 F 185/13, Bl. 284 jener Akte). Der seinerzeit zustände Amtspfleger hatte deshalb am 3. Juli 2015 erneut den Wohnsitz der Schwester als Lebensmittelpunkt der Kinder bestimmt. Die Schwester war und ist für J… und E… eine wichtige Bezugsperson. Sie hat die Betreuung und Versorgung der Kinder in der Vergangenheit zuverlässig wahrgenommen, insbesondere für einen regelmäßigen Kitabesuch (vgl. Kitabescheinigungen vom 14. Oktober 2015, Bl. 281 GA, und vom 14. Dezember 2015, Bl. 241) und eine kontinuierliche Wahrnehmung der gesundheitlichen Belange der Kinder Sorge getragen; für irgendwelche Versäumnisse, die Rückschlüsse auf etwaige Gefahren für das Kindeswohl zuließen, gibt es derzeit keinerlei Anhaltspunkte.

Der Vater, der aufgrund seiner Erwerbstätigkeit, die auch Auslandseinsätze (zuletzt im Herbst 2015 am norwegischen Polarkreis) einschließt, die Betreuung und Versorgung der Söhne nicht durchgängig persönlich sicherstellen konnte/kann, nimmt gern die Unterstützung seiner Schwester in der Gestaltung eines - für die hier betroffenen Kinder besonders wichtigen - verlässlichen Alltags für J… und E… in Anspruch. Er bringt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in die Betreuung der Söhne ein und erhält und festigt damit die bestehende Vater-Sohn-Beziehung. Der Vater hat jedenfalls zwischenzeitlich die besondere Bedeutung einer zuverlässigen und stabilen Betreuungssituation für die Kinder, die mit Blick auf die bereits bestehenden und ärztlich attestierten Entwicklungsverzögerungen in besonderer Weise auf eine verlässliche räumlich-soziale Kontinuität angewiesen sind, erkannt und sein Verhalten im Interesse der Kinder daran ausgerichtet. Es besteht derzeit kein Zweifel daran, dass der Vater jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens dafür Sorge tragen wird, dass J… und E… in dem ihnen vertrauten Umfeld in der Häuslichkeit seiner Schwester verbleiben können, in dem sie sich wohlfühlen, eine verlässliche Alltagsgestaltung erleben, über den kontinuierlichen Kitabesuch regelmäßige Kontakte zu Gleichaltrigen pflegen und in ihrer sozialen und sprachlichen Entwicklung weitere Fortschritte machen können. Wie die Mutter hat auch der Vater - auf ausdrückliche Empfehlung des Jugendamtes, das im Übrigen das vom Vater unterstützte Betreuungsmodell im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht in dieser Sache im September 2015 ausdrücklich befürwortet hat und davon nicht abgerückt ist - außerdem einen Antrag auf Hilfe zur Erziehung für die beiden Kinder gestellt (Bl. 92 GA).

Dieses Verhalten des Vaters lässt auf eine hinreichende und entscheidend von den Bedürfnissen der Kinder und ihrem Wohlergehen geleitete Übernahme elterlicher Verantwortung schließen.

Die noch im Mai 2015 den Entzug wesentlicher Teile seines Sorgerechts begründenden Umstände im Verhalten des Vaters überzeugen nicht (mehr) und haben jedenfalls eine durchgreifende Änderung erfahren. Soweit die sorgerechtliche Maßnahme mit einem über Jahre anhaltenden und eskalierenden Elternstreit, der die Kinder in einen massiven Loyalitätskonflikt gestürzt habe, der erhebliche Gefahren für die seelisch-emotionale Entwicklung der Kinder berge, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 24. August 2015 ausgeführt, dass daraus allein ein Entzug von weiten Teilen des Sorgerechts nicht gerechtfertigt ist. Der Senat bleibt dabei, dass es ausgesprochen bedauerlich, aber leider zunehmend Lebenswirklichkeit geworden ist, dass Kinder getrennt lebender Eltern in Streitigkeiten um den Lebensmittelpunkt und das Umgangsrecht verstrickt und dadurch - auch schwer - belastet werden. Dies mag Anlass geben zu einer einstweilige Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an einen Elternteil oder zu vorläufigen adäquaten Umgangsregelungen, darf aber für sich betrachtet - jenseits eines hier nicht vorliegenden Ausnahmefalles - kein Grund für eine vorläufige Entziehung großer Teile des elterlichen Sorgerechts sein. Kindern, die in einen hochkonflikthaften Streit zwischen Elternteilen, die sie beide lieben, hineingezogen werden, ist nämlich nicht damit gedient, dass sie mit der Folge einer nachhaltigen Beeinträchtigung ihrer Beziehung zu beiden Elternteilen außerhalb der Familie untergebracht werden (so schon im dem zitierten Senatsbeschluss, dort S. 4 f.), was seinerzeit unmittelbare Folge des gerichtlich angeordneten Sorgerechtsentzuges im Mai 2015 war.

Zumindest die bis in das Frühjahr 2015 zu beobachtende ambivalente Haltung des Vaters zur Mutter und zur Ausübung des (Mit-)Sorgerechts, die - einhergehend mit wiederholten Aufenthaltswechseln, der Installierung eines letztlich nicht funktionierenden Wechselmodells und unstet durchgeführten und von streitigen Auseinandersetzungen begleiteten Umgangsregelungen - gewiss zu der Verunsicherung der Kinder in ihrer Beziehung zu den Eltern bei- und den Sorgerechtsentzug mitgetragen hat, hat ein Ende gefunden. Es gibt eine von beiden Elternteilen geteilte endgültige Trennung auf der Paarebene; das Scheidungsverfahren wurde im Herbst 2015 übereinstimmend vorangetrieben. Der Vater hat sich klar für eine Übernahme elterlicher (Allein-)Verantwortung positioniert. Der in den sorgerechtlichen (Eil-)Verfahren eindrucksvoll beschriebene erhebliche Konflikt auf der Elternebene mit durchgreifenden Problemen in der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit von Vater und Mutter im Interesse ihrer gemeinsamen Kinder und entsprechenden Rückwirkungen auf die Bindungstoleranz besteht zwar fort. Diesen ist aber - unter Berücksichtigung der demnächst zu erwartenden Ergebnisse des Sachverständigengutachtens im parallel laufenden sorgerechtlichen Hauptsacheverfahren - vorrangig mit den Mitteln einer Zuweisung des elterlichen Sorgerechts oder von Teilen desselben an einen Elternteil im Rahmen von § 1671 BGB und geeigneten Umgangsregelungen wirksam zu begegnen. Der (fortbestehende) Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts des Vaters ist insoweit nicht erforderlich und jedenfalls unverhältnismäßig; derzeit bestehen keine auch nur ansatzweise tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass bei Wiederherstellung des uneingeschränkten Sorgerechts des Vaters eine akute Gefährdung für das Wohlergehen der Kinder zu besorgen ist, die allein zu Maßnahmen nach § 1666 f. BGB vor dem - demnächst zu erwartenden - Abschluss des Hauptsacheverfahrens zum Sorgerecht Anlass geben könnte.

Im Ergebnis dessen war zunächst der Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Mai 2015 auch den vorläufigen Entzug der dort im Einzelnen genannten Bereiche des Sorgrechts des Vaters betreffend und daher nunmehr insgesamt aufzuheben.

b) Die Voraussetzungen für die einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen der mit gegenläufigen Anträgen insoweit streitenden Elternteile nach § 1671 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegen vor.

(1) Die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Eilentscheidung lagen und liegen weiterhin vor. Insoweit kann zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung, die auch keiner der Beteiligten in Zweifel zieht, Bezug genommen werden. Mit dem zwischenzeitlich erfolgten Umzug der Mutter in die Schweiz und der dadurch geschaffenen großen räumlichen Entfernung macht sich angesichts des fortbestehenden Elternstreits über den Lebensmittelpunkt der Kinder eine einstweilige Entscheidung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht umso erforderlicher.

(2) Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für E… und J… war einstweilen antragsgemäß auf den Vater allein zu übertragen. Auch insoweit kann der Senat auf die in der Sache in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts verweisen, die durch die weitergehenden Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren nicht etwa in Zweifel gezogen, sondern vielmehr ausdrückliche Bestätigung finden.

Schon das Familiengericht hat gründend auf die für das Wohl der hier betroffenen noch recht jungen Kinder nachteiligen Folgen ihrer in außergewöhnlichem Maße unstetigen Lebensverhältnisse mit vielfach wechselnden Wohnungen und vor allem Bezugspersonen zu Recht die besondere Bedeutung der Gewährung eines zuverlässigen und stabilen Lebensumfeldes mit einer räumlichen Kontinuität, die mit einer sicheren Anbindung an soziale und familiäre Bezugspersonen einhergeht, betont. Derart verlässliche und stabile Lebensumstände für E… und J… zu bieten, ist von beiden Elternteilen ganz offenkundig allein der Vater willens und in der Lage.

Soweit die Kindesmutter ihr Rechtsmittel noch in der Beschwerdebegründung vom 27. November 2015 ausdrücklich auf die Zusage gestützt hat, „bei einer Aufenthaltsbestimmung auf sich die Kinder in ihrer jetzigen Kita zu belassen, um ihnen keinen weiteren Wechsel zuzumuten", kann davon angesichts des im Januar 2016 vollzogenen Umzuges in die Schweiz keine Rede mehr sein.

Wie dem Senat im Zuge dieses Beschwerdeverfahrens bekannt wurde, hat die Kindesmutter offensichtlich schon seit längerer Zeit Auswanderungspläne gehabt und diese wohlweißlich verschwiegen. Schon in dem zuletzt von der Kindesmutter eingeleiteten Umgangsverfahren - Az. 39 F 222/15 - gab es Indizien für Auswanderungspläne der Mutter. Die Schwester des Vaters hat über entsprechende Postings der Kindesmutter und ihres Partners in sozialen Netzwerken bzw. über entsprechende Gespräche mit anderen Familienangehörigen der Mutter (deren Mutter bzw. deren Tochter M…) von Auswanderungsplänen der Mutter nach Norwegen schriftlich Zeugnis abgelegt (Bl. 221 GA). Das Amtsgericht hat ermittelt, dass die Bewährungshelferin der Mutter mitgeteilt hat, dass diese ihr gegenüber erklärt habe, sie beabsichtige nach Norwegen auszuwandern (Bl. 236 GA). Unstreitig gab es im Sommer auch eine (Urlaubs-)Reise der Mutter nach Norwegen. Die Mutter ließ allerdings in dem Umgangsverfahren und in der hiesigen Beschwerdebegründung noch im November 2015 jegliche Auswanderungspläne ausdrücklich bestreiten. Gleichwohl ist sie dann schon wenige Wochen später in die Schweiz ausgewandert. Dafür gibt es nur zwei Erklärungen:

Entweder geschah dies völlig unvorbereitet und spontan, also ohne dass eine irgendwie gesicherte Lebensperspektive dort bestanden hat und jedenfalls ganz offensichtlich motiviert ausschließlich von eigenen Wünschen und Bedürfnissen, nämlich der Verwirklichung der Lebenspartnerschaft mit ihrem Verlobten und weil sie „für sich bessere berufliche Chancen in der Schweiz als in Deutschland sieht". Es ist überhaupt nicht ersichtlich, dass und welche Gedanken sie sich gemacht hat, was dieser Umzug in ein anderes Land unter - erneutem - Abbruch sämtlicher sozialer Beziehungen und Herstellung einer ganz erheblichen räumlichen Distanz zum Wohnort des Vaters mit Rückwirkungen auf die Beziehungs- und Umgangsintensität für die Kinder, die im Übrigen auf einen erneuten Umgebungswechsel nicht ansatzweise vorbereitet worden sind, bedeutet. Dies muss der Mutter umso mehr angelastet werden, als in den hiesigen Sorgerechtsverfahren wiederholt die besondere Bedeutung stabiler Lebensverhältnisse der Kinder betont worden ist. Die Fortsetzung der vom Jugendamt zu Recht schon bei Einleitung des Hauptsacheverfahrens im Jahre 2013 als für die Kinder besonders kritisch beschriebenen unsteten Lebenswandels mit Wohnsitzverlagerungen in bemerkenswert kurzen Intervallen kann nur als besonders egoistisch und rücksichtslos gegen die Interessen und Bedürfnisse ihrer Kinder charakterisiert werden.

Andernfalls - und angesichts der vorstehend geschilderten Wahrnehmungen Dritter zu Auswanderungsplänen der Mutter eher wahrscheinlich - hat die Mutter die Auswanderung durchaus mehr oder weniger umfassend und auch unter Klärung der Frage, wie welche Anschlussbetreuungen und -förderungen für ihre Kinder in E… stattfinden können, vorbereitet und diese für die Frage der Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erkennbar bedeutsame Tatsache bewusst verschwiegen und damit die Verfahrensbeteiligten mit der Zusicherung des Erhalts des sozialen Umfeldes der Kinder zu täuschen versucht.

Solche Täuschungsversuche zur Durchsetzung eigener Interessen, die mit den Bedürfnissen der Kinder nicht ohne Weiteres in Einklang zu bringen sind bzw. ihnen gar zuwiderlaufen, sind der Mutter ersichtlich nicht fremd. Ein vergleichbares Verhaltensmuster findet sich in der Vorlage einer fachlichen „Bestätigung" ihrer angeblich uneingeschränkten Erziehungsfähigkeit durch ihren angeblichen Therapeuten vom 7. September 2015, die unter dem Briefkopf des in N… und B… ansässigen Dipl.-Sozialpädagogen und Heilpraktikers für Psychotherapie P… B… verfasst worden (Bl. 78 GA) und von diesem als „Fälschung" entlarvt worden ist (Bl. 235 GA). Auch die vielfachen strafrechtlichen Verurteilungen der Kindesmutter (vgl. dazu Bl. 72 ff. GA), u.a. mehrfach wegen Betruges, legen beredtes Zeugnis von einem massiv gestörten Verhältnis zur Wahrheit und einer von Rücksichtslosigkeit und Egoismus geprägten Grundhaltung ab. Die hierzu im Rahmen des hiesigen Beschwerdeverfahrens gewonnenen Erkenntnisse rechtfertigen zwanglos die Annahme des Senates, dass es sich hierbei um verfestigte Verhaltensmuster handelt, die zum einen grundsätzliche Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Mutter und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben im Verfahren rechtfertigen. Dies gilt etwa für die erkennbar ohne jeden konkreten Anhaltspunkt und Anlass und ins Blaue hinein unterbreitete Behauptung in der Beschwerdebegründung, der Vater sei biologisch nur der Vater von J… und beabsichtige, die Kinder mittelfristig zu trennen, was dieser glaubhaft bestreitet - die Darstellung der Mutter ist entweder (wahrscheinlich) heute gelogen oder die Mutter hat den Vater über Jahre darüber im Unklaren gelassen, dass der ehelich geborene E… nicht von ihm abstammt. Die zutage getretene Neigung zu Halb-/Unwahrheiten, die auch wiederholt in delinquentes Verhalten gemündet ist, hat nicht allein unter dem Gesichtspunkt schädlicher Vorbildwirkung sorgerechtliche Relevanz.

Es kommt hinzu, dass - auch darauf hat das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht hingewiesen - der Widerruf der Aussetzung des Restes der 2013/2014 bereits verbüßten mehrmonatigen Haftstrafe droht, weil die Mutter erneut angeklagt worden ist, wie sie selbst im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht eingeräumt hat. Es liegt auf der Hand, dass die Gefahr einer erneuten Inhaftierung einer stabilen Lebensperspektive der Kinder im Haushalt der Mutter diametral entgegensteht.

Soweit die Mutter weiter eine unzureichende Bindungstoleranz des Vaters anbringt, kommt diesem Aspekt angesichts der herausragenden Bedeutung der Wahrung der räumlich-sozialen Kontinuität der Lebensverhältnisse der Kinder am derzeitigen Wohnort, kein entscheidendes Gewicht bei. Vor dem überraschenden/kurzfristigen Wegzug der Mutter in die Schweiz ist in Abstimmung mit dem Jugendamt begleiteter Umgang organisiert und durchgeführt worden; der Antrag der Mutter auf unbegleiteten Umgang ist im Eilverfahren - wie sich gezeigt hat völlig zu Recht - mit der Sorge um Auswanderungsabsichten der Mutter zurückgewiesen worden. Die mit der großen räumlichen Distanz einhergehenden Unzuträglichkeiten für die Mutter-Sohn-Beziehung hat die Mutter zu verantworten, nicht der Vater. Der Senat verhehlt nicht, dass es - etwa aus dem Bericht des Verfahrensbeistands in dem vorzitierten Eilverfahren zum Umgang vom 5. November 2015 (Bl. 177 GA) - durchaus Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Bindungstoleranz des Vaters gibt, der allerdings der (glaubhaften ?) Behauptung der Mutter, es würde auch kein telefonischer Kontakt gewährt, mit der Behauptung entgegen getreten ist, die „Telefonate finden in der vereinbarten Form statt, es sei denn die Mutter hält den vorgesehenen Termin samstags 9.00 Uhr nicht ein". Im Übrigen bestehen nach Aktenlage und hier insbesondere derjenigen im Hauptsacheverfahren nicht weniger Bedenken gegen eine uneingeschränkte Bindungstoleranz auf Seiten der Mutter. Diesem Aspekt kann im hiesigen Eilverfahren jedenfalls keine wesentliche Bedeutung beigemessen werden.

Im vorliegenden Verfahren muss in der Abwägung der Kriterien des Kindeswohls - auch angesichts des fortgeschrittenen Stadiums des Hauptsacheverfahrens - der Schwerpunkt auf der Erhaltung des jetzigen Lebensumfeldes der Kinder liegen. Bei der gegebenen Sachlage kommt danach einzig die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder auf den Vater allein in Betracht.

Der gemäß dem Hinweis vom 21. Januar 2016 ins Auge gefasste Entzug wesentlicher Teile des Sorgerechts der Mutter war derzeit nicht veranlasst. Dies war seinerzeit von der - fortbestehenden - Überzeugung des Senates getragen, dass eine Rückführung E…s und J…s in den mütterlichen Haushalt kindeswohlschädlich ist. Den aus der umgesetzten Auswanderung der Mutter und einem etwaigen Herausreißen aus der gewohnten Umgebung für den Fall der Rückführung in den mütterlichen Haushalt unmittelbar drohenden Gefahren für die Entwicklung der Kinder kann aber im Rahmen des hier auf der Grundlage von § 1671 BGB und insoweit konzentriert auf den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts geführten einstweiligen Anordnungsverfahrens durch die vorgenommene bzw. bestätigte Übertragung dieses Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater allein und unter Ausschluss der Mutter insoweit bereits wirksam begegnet werden. Weitergehender Handlungsbedarf, der unter den besonderen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der §§ 1666, 1666a BGB einen einstweilige Entzug weiterer Teilbereiche des Sorgerechts der Mutter rechtfertigen würde und diesen verhältnismäßig erscheinen ließe, kann derzeit tatsächlich nicht festgestellt werden. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 21.03.2016 - 9 UF 142/15)

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Wenn angesichts der Entwicklungen in der Vergangenheit die begründete Besorgnis besteht, dass die Eltern auch in Zukunft nicht in der Lage sein werden, ihre Streitigkeiten in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge konstruktiv und ohne gerichtliche Auseinandersetzungen beizulegen, ist die erzwungene Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich. Dies gilt unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist. Letztlich kommt es entscheidend darauf an, ob die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat als ihre Aufhebung. Der Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil allein steht nicht die Empfehlung eines gerichtlich bestellten Sachverständigen entgegen, die gemeinsame elterliche Sorge für die Kinder im Wesentlichen unter dem Gesichtspunkt beizubehalten, dem Vater zu ermöglichen, sich in Schule bzw. Kita über die Kinder zu informieren. Streiten die Eltern über die Alleinsorge, kann sich im Einzelfall unter den Gesichtspunkten der Kontinuität und der Bindungen ein - leichter - Vorrang der Mutter ergeben, auch wenn diese in der Bindungstoleranz erheblichen Einschränkungen unterliegt. Dann kann es geboten sein, der Mutter im Zusammenhang mit der alleinigen Ausübung der elterlichen Sorge Auflagen zu erteilen, § 1671 Abs. 4 i.V.m. § 1666 Abs. 3 BGB. ... (OLG Brandenburg, Beschluss vom 15.02.2016 - 10 UF 216/14)

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Sind die Eltern nicht in der Lage, die Belange ihres Kindes gemeinsam zu regeln und ist deshalb mit einer Belastung des Kindes als Folge des Konflikts zu rechnen, ist die Alleinsorge eines Elternteils einer gemeinsamen Sorge beider Elternteile vorzuziehen, und zwar unabhängig davon, welcher Elternteil für die fehlende Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit (überwiegend) verantwortlich ist. Wer gegen den anderen Elternteil - unter Einbeziehung des gemeinsamen Kindes - intrigiert, kann nicht gleichzeitig glaubhaft vortragen, dass eine ausreichende Grundlage dafür besteht, verantwortungsbewusst gemeinsam mit dem anderen Elternteil Entscheidungen für das Kind zu treffen (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 08.09.2014 - 6 UF 70/14).

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Im Rahmen des derzeit geltenden Kindschaftsrechts kann ein Wechselmodell vom Gericht jedenfalls nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden, und zwar weder durch eine Sorge- noch durch eine Umgangsregelung. Ein Wechselmodell setzt außerdem jedenfalls eine Konsensfähigkeit der Eltern und deren hohe Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation voraus. Zu den Kriterien, an denen eine Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 1 BGB auszurichten ist. Feuert der Umgangsberechtigte den bestehenden Loyalitätskonflikt des Kindes an, indem er mit ihm außerhalb der Umgangszeiten heimlich SMS austauscht, in denen der betreuende Elternteil herabgesetzt wird, so besteht kein Anlass zur Einräumung eines großzügigen Umgangsrechts (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 08.09.2014 - 6 UF 62/14).

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„... I. Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26. August 2013 (Bl. 154 - 158 d. A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 14. Juni 2013 (Bl. 141 - 144 d. A.) ist zwar statthaft und auch sonst formell zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß den §§ 63 Abs. 1, 64 FamFG eingelegt sowie gemäß § 65 Abs. 1 FamFG begründet worden, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Über das Rechtsmittel war ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, da eine ausreichende Anhörung und Aufklärung des Sachverhalts bereits in erster Instanz stattgefunden hat und eine erneute Anhörung in zweiter Instanz keine zusätzlichen Erkenntnisse erwarten lässt, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG.

Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts, es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge für A. unter Beibehaltung des nach Trennung der Eltern seit Ende September 2012 praktizierten Wechselmodells zu belassen, lässt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch durch das Beschwerdevorbringen der Antragsgegnerin nicht infrage gestellt.

Der Senat sieht auf Grundlage des nach § 1671 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2 BGB allein maßgeblichen Kindeswohls zurzeit keine Veranlassung, eine abweichende Entscheidung über die elterliche Sorge zu treffen und der Antragsgegnerin, so wie mit ihrer Beschwerde angestrebt, das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. zuzuweisen. Vielmehr ist er in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht davon überzeugt, dass zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt das seit Langem praktizierte Wechselmodell dem Kindeswohl am besten entspricht und es deshalb keines Eingriffs staatlicherseits in die gemeinsame elterliche Sorge bedarf.

Die von der Antragsgegnerin, vor allem in grundsätzlicher Hinsicht, gegen das praktizierte Wechselmodell ins Feld geführten Bedenken erachtet der Senat in einer gebotenen Gesamtschau aller Umstände für letztlich nicht ausreichend, um die für A. während ihres momentanen Entwicklungsstadiums mit einem solchen Modell verbundenen Vorteile entwerten zu können und unter Kindeswohlgesichtspunkten eine andere denkbare Regelung über ihren Aufenthalt als vorzugswürdiger, geschweige denn, wie für eine anderweitige Entscheidung vonnöten, am besten erscheinen zu lassen.

Dabei ist sich der Senat dessen bewusst, dass ein solches Wechselmodell nur dann in Betracht gezogen und praktiziert werden kann, wenn die Eltern in der Lage sind, ihre Konflikte einzudämmen, beide hochmotiviert und an den Bedürfnissen ihres Kindes ausgerichtet sind, sie kontinuierlich kommunizieren und kooperieren können und wollen (OLG Hamm, Beschluss vom 16. Februar 2012, Az.: 2 UF 211/11, zitiert nach juris, Rdnr. 24 m. w. N.). Diese besonderen Voraussetzungen werden zwar regelmäßig dann fehlen, wenn ein Elternteil ein solches Modell ablehnt, da für einen solchen Fall zu vermuten steht, dass er sich an der Umsetzung des Wechselmodells nicht mehr im gebotenen Maße beteiligen wird. Andererseits kann es aber nicht bereits deshalb einem Elternteil in die Hand gegeben sein, aus einer allein grundsätzlich verfolgten Ablehnung heraus, womöglich auch aus verfahrenstaktischen Gründen, um vermeintlich besseren Aussichten auf eine alleinige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zum Durchbruch zu verhelfen, losgelöst vom Kindeswohl, eine gerichtliche Entscheidung zu erzwingen. Vielmehr gilt es, die sich aus der ablehnenden Haltung des Elternteils im Einzelfall ergebenden Nachteile in einer Gesamtschau mit den jeweils verbundenen Vorteilen des Modells abzuwägen und mit anderen denkbaren Lösungen zu vergleichen.

Trotz der Vorbehalte, die seitens der Kindertagesstätte T. gegen das praktizierte Wechselmodell im Gegensatz zu der Kindertagesstätte in H. geäußert worden sind, lassen sich besondere Verhaltensauffälligkeiten bei A. gerade nicht feststellen, sondern vielmehr ist zu konstatieren, dass das Kind bisher in erfreulicher Weise eine positive Entwicklung genommen hat.

Genauso wenig lassen sich die aus Sicht der Antragsgegnerin bei der Tochter bestehenden Trennungsschwierigkeiten, Verlustängste und Schlafschwierigkeiten, zumindest nicht in einem solchen, zur Besorgnis Anlass gebenden Ausmaß, verlässlich verifizieren. So hat der Verfahrensbeistand für derartige Auffälligkeiten bei seinen miterlebten Kindesübergaben keine Anhaltspunkte wahrnehmen können, sondern ganz im Gegenteil betont, dass sich der Abschied von der Mutter und die Übergabe an den Vater für A. als unauffällig und im Ganzen unproblematisch dargestellt hätten. Ohnehin gilt es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich ein gewisses Maß an Umstellungsschwierigkeiten für das Kind nicht allein dem Wechselmodell als solchem zuschreiben lässt, sondern sich vielmehr als eine Konsequenz der elterlichen Trennung darstellt und aller Voraussicht nach in gleicher oder ähnlicher Form selbst bei dem von der Mutter angestrebten ständigen Aufenthalt des Kindes bei ihr, verbunden mit einem erweiterten Umgangsrecht für den Vater, aufträte und letztlich so oder so nicht zu vermeiden wäre.

Ebenso wenig vermag der Umstand, dass das momentan praktizierte Modell kein Konzept von Dauer sein kann, sondern spätestens in der Vorschulzeit eine Regelung über den dann zukünftigen Aufenthalt von A. entweder einvernehmlich von den Eltern oder notfalls mittels gerichtlicher Entscheidung getroffen werden muss, es aus Sicht des Senats gerechtfertigt oder gar geboten erscheinen zu lassen, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon endgültig die Weichen für einen tatsächlich erst später notwendigen Aufenthalt des Kindes bei einem der beiden Elternteile zu stellen. Dies gilt um so mehr, wenn man weiter berücksichtigt, dass das Wechselmodell für A. , die seit der Trennung der Eltern bisher im Grunde nichts anderes kennengelernt hat, ein Stück gelebte Kontinuität bedeutet, und eine Abkehr von dieser Praxis mit nicht unerheblichen Umstellungsschwierigkeiten und unnötigen Risiken unkalkulierbaren Ausmaßes für das Kindeswohl verbunden sein dürfte. In jedem Fall lässt sich bei einer Beibehaltung des Wechselmodells ein Eingriff in das bisher solide soziale Bindungsgefüge des Kindes vermeiden, und dessen zu beiden Elternteilen besonders ausgeprägte Bindungen müssten auch in der weiteren Entwicklung nicht eingeschränkt werden. Hinzu kommt, dass A. , anders als derzeit, mit zunehmenden Alter möglicherweise selbst in der Lage sein wird, ihre eigenen Vorstellungen dazu, bei welchem Elternteil sie später einmal dauerhaft leben und an welchem Ort sie zur Schule gehen möchte, zu bekunden, was bei einer Entscheidung über ihren ständigen Aufenthalt nicht unberücksichtigt bleiben dürfte, wenn auch nicht primär ausschlaggebend sein könnte.

Die für gewöhnlich gegen das Wechselmodell geäußerten Bedenken, das davon betroffene Kind könnte durch Einbeziehung in die Streitigkeiten seiner Eltern in einen Loyalitätskonflikt geraten, eine Gefahr, die auch der Sachverständige Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2012 angesprochen hat, sind im konkreten Fall nach Auffassung des Senats als eher gering einzuschätzen und von daher zu vernachlässigen.

Nach der von beiden Eltern im Frühjahr 2013 gemeinsam wahrgenommenen Beratung des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtverbandes hat sich die Abstimmung über die ihre Tochter betreffenden Belange seit geraumer Zeit deutlich und in einer gerade unter Kindeswohlgesichtspunkten besonders erfreulichen Weise verbessert.

Selbst vor dem Hintergrund des seit Langem schwebenden Sorgerechtsverfahrens sind beide Elternteile inzwischen bereit und in der Lage, sich in der Wohnung des jeweils anderen in ungezwungener Atmosphäre beim Kaffeetrinken über die vergangene Woche auszutauschen und das Kind betreffende Absprachen für die nähere und weitere Zukunft zu treffen. Ebenfalls gelingt es ihnen, die anschließende Übergabe einfühlsam und für das Kind insgesamt schonend zu gestalten. Der Verfahrensbeistand, der bei mehreren Übergaben sowohl im Haushalt der Mutter als auch des Vaters mit zugegen war, hat dieses lobenswerte Verhalten der beider Eltern ausdrücklich hervorgehoben und sogar als vorbildlich bezeichnet.

Abschließend sei klarstellungshalber noch bemerkt, dass der offenbar lediglich hilfsweise vom Antragsteller im Schriftsatz vom 14. November 2014 gestellte Antrag, ein Wechselmodell gerichtlicherseits anzuordnen, angesichts der bisher ausreichenden elterlichen Praxis, sich über die näheren Modalitäten zu verständigen, zurzeit keiner Entscheidung bedarf.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß den §§ 81 Abs. 1, 84 FamFG unter den verfahrensbeteiligten Eltern gegeneinander aufzuheben, da dies hier nach den Gesamtumständen, auch vor dem Hintergrund, dass beide, nicht nur die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, sondern auch der Antragsteller mit seinem Antrag, eine gerichtliche Regelung über das Wechselmodell zu erwirken, letztlich nicht haben durchdringen können, billigem Ermessen entspricht.

Der Verfahrenswert ist gemäß den §§ 55 Abs. 1, 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG festgesetzt worden.

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG sind für die durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägte Rechtssache nicht gegeben, weshalb es einer sonst nach § 39 FamFG erforderlichen Rechtsbehelfsbelehrung für die mangels Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG nicht statthafte Rechtsbeschwerde nicht bedarf. ..." (OLG Naumburg, Beschluss vom 14.07.2014 - 4 UF 151/13)

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Das Sorgerecht und Teile des Sorgerechts sind für Eltern nicht disponibel, weshalb es zu deren Veränderung stets einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Nicht ausreichend ist die Billigung einer Vereinbarung der Eltern (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.03.2014 - 11 UF 42/14).

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Sind sich die Eltern über die Fortsetzung des Wechselmodells einig, kann der Antrag eines Elternteils, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind allein zu übertragen, zurückzuweisen sein (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.03.2014 - 10 UF 244/13).

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Selbst eine scheinbar heillose Zerstrittenheit der Eltern rechtfertigt die Aufhebung der gemeinsamen Sorge nur dann, wenn der Elternstreit sich zum einen ungünstig auf das Kindeswohl auswirkt und wenn zum anderen allein durch die Übertragung der Alleinsorge Abhilfe zu erwarten ist. Um den Eingriff in das Elternrecht und in das Recht des Kindes, von beiden Eltern erzogen zu werden (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), rechtfertigen zu können, muss eine günstige Prognose der Entscheidungswirkung gestellt werden können. Diese Grundrechte werden verletzt, wenn von dem Eingriff in die Sorgerechtsverhältnisse mindestens gleich ungünstige Auswirkungen auf das Kindeswohl zu erwarten sind wie vom Beibehalten der gegebenen, dringend verbesserungsbedürftigen Verhältnisse (OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2014 - 13 UF 175/13):

„... I. Auf Grund von Sorgeerklärungen übten der Antragsteller und die Antragsgegnerin die elterliche Sorge für ihr einziges gemeinsames Kind, das im Mai 2006 geboren wurde, gemeinsam aus. Zur Familie gehörte ein weiteres, älteres Kind der Antragsgegnerin. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin trennten sich im Oktober 2010 voneinander und wohnten seitdem in zwei verschiedenen Wohnungen im selben Haus. Der Antragsteller behauptet, die Antragsgegnerin und er hätten das Kind weiter teils gemeinsam, teils je für sich allein mit ungefähr gleichgewichtigen Anteilen betreut. Die Antragsgegnerin behauptet, ihr Anteil an der Betreuung des Kindes habe bei weitem überwogen. Beide haben beantragt, ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Das Amtsgericht hat das Kind, den Antragsteller, die Antragsgegnerin und Vertreter des Jugendamtes angehört. Auf die Protokolle vom 25. September und 4. Dezember 2012 wird verwiesen (Bl. 41 ff., 44 ff.). Nach Vereinbarungen der Eltern betreute zwischen den Verhandlungsterminen der Antragsteller das Kind allein, danach beide Eltern im vierwöchentlichen Wechsel, jeweils mit Wochenendumgang des anderen. Das Amtsgericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Erziehungseignung der Eltern, zu den Bindungen des Kindes, zu seinen Wünschen und zu der Frage eingeholt, bei welchem Elternteil es seinen Lebensmittelpunkt haben sollte. Auf das Gutachten vom 8. April 2013 wird verwiesen (Bl. 55 ff.).

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Antragsgegnerin übertragen. Sowohl die Bindungen des Kindes als auch seine Betreuung seien bei beiden Eltern gesichert. Die Erziehungskompetenzen der Antragsgegnerin seien deutlich besser ausgeprägt als beim Antragsteller. Dessen Vorwurf, die Antragsgegnerin wolle ihm das Kind entfremden, sei nicht bestätigt worden. Sein konfliktträchtiges, forderndes, bedrängendes Verhalten gegenüber der Antragsgegnerin und den weiteren Beteiligten werde er, davon gehe das Amtsgericht aus, auch an das Kind herangetragen haben. Dadurch ausgelöste Verlustängste und Schuldgefühle, hätten die Grenze psychischer Misshandlung erreicht. Der Kindeswille sei deshalb nicht entscheidend und widerspreche zudem dem beobachteten liebevollen Kontakt des Kindes zur Mutter.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Antrag weiter, ihm allein das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Er hält dem Sachverständigengutachten entgegen, es beruhe teilweise auf unzureichend aufgeklärten, unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen. Nach im Mai 2013 begonnener psychotherapeutischer Behandlung lasse sich der Befund, der Antragsteller sei nur eingeschränkt erziehungsgeeignet, nicht mehr halten.

Die Antragsgegnerin verteidigt den angefochtenen Beschluss. Seit das Kind ununterbrochen bei ihr wohne, sei es fröhlicher und in der Schule leistungsfähiger als zuvor. Der Schwebezustand der Unentschiedenheit und die Zerstrittenheit der Eltern hätten sich ungünstig auf das Kind ausgewirkt. Der Loyalitätskonflikt, den das Kind schwer ertrage, sei entsprechend den Empfehlungen der Sachverständigen und des Verfahrensbeistandes durch einen dauerhaften Aufenthalt des Kindes bei der Antragsgegnerin zu beenden.

Auf die Berichte des Jugendamtes vom 8. Oktober 2013 (Bl. 288) und des Verfahrensbeistandes vom 28. November 2013 und 8. Januar 2014 (Bl. 333 ff., 364 f.) wird verwiesen. ...

II. Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung (§ 68 III 2 FamFG). Er sieht von einer - erneuten - Anhörung sowohl des Kindes (§ 159 III 1 FamFG) als auch der Eltern (§ 160 III FamFG) ab.

Ein Erkenntnisgewinn durch weitere Anhörungen erscheint ausgeschlossen (vgl. Schulte-Bunert/Weinreich-Ziegler, FamFG, 3. Aufl. 2012, § 159 Rdnr. 10). Das Amtsgericht hat das Kind und die Eltern angehört. Die Verlässlichkeit des niedergeschriebenen Inhalts der Anhörung wird unterstützt durch das schriftliche Sachverständigengutachten sowie die Stellungnahmen des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes. Sie vermitteln übereinstimmend ein Bild, das dem Senat ausreichende Gewissheit über die Grundlagen seiner Entscheidung verschafft:

Das noch nicht acht Jahre alte Kind zerreißt sich zwischen seinen erbittert streitenden Eltern. Es hat sich mit der Einsicht abgefunden, der Wunsch, gemeinsam mit Vater und Mutter wieder in einer Familie zusammenzuleben, werde nicht Erfüllung gehen können. Die in den Berichten über das Kind sichtbar gewordene Verzweiflung knüpft es nicht an seine alltäglichen Lebensumstände an. Weder das Wohnen beim Vater noch bei der Mutter und auch nicht der Wechsel zwischen beiden oder der Umgang mit einem von ihnen lassen das Kind aufbegehren. Es weiß sich mit seinem Alltag offensichtlich gut zu arrangieren. In einer für Kinder untypischen, ihre Möglichkeiten überspannenden Weise versucht es, eine vermittelnde Haltung gegenüber den von ihm erkannten, vermeintlichen Bedürfnissen und Erwartungen der Eltern einzunehmen. Wenn es eigene Bedürfnisse schildern soll, kommt das Kind ohne Umschweife und mit kräftigen Worten auf das Wesentliche zu sprechen. Insbesondere der Bericht des Verfahrensbeistandes zeigt dies deutlich (Bl. 336 f.). Das Kind will nicht in Anspruch genommen werden für eine Entscheidung, die ihm gleichgültig ist: Ob es bei Mutter oder Vater wohnt, spielt für es selbst keine Rolle, weil es beiden Eltern gleich zugeneigt ist und sich von beiden uneingeschränkt angenommen fühlt. Es spricht nichts dafür, dass der Senat bei einer weiteren Anhörung andere als diese ganz und gar altersentsprechenden Stimmungen und Wünsche des Kindes feststellen könnte. Das Kind ist es erkennbar leid, den Eltern beteuern zu müssen, dass es sie gern habe, und Fremden Auskunft zu geben, welchen Ausgang des Elternstreits es sich wünsche. Der Senat entspricht, indem er von einer weiteren Anhörung absieht, dem Bedürfnis des Kindes, die Reihe von lästigen, äußerst unangenehmen Befragungen durch Sachverständige, Therapeuten, Behördenmitarbeiter, Verfahrensbeteiligte und Richter nicht weiter zu verlängern.

III. Die Beschwerde ist begründet, soweit sie sich gegen die Aufhebung der gemeinsamen Sorge richtet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge ist derzeit nicht zu rechtfertigen, weil nicht zu erwarten ist, dass dies dem Wohl des Kindes am besten entsprechen könnte (§ 1671 I 2 Nr. 2 BGB) und damit insbesondere besser als ein Beibehalten der gemeinsamen Sorge.

Für diese Entscheidung stehen die Gesichtspunkte der Einigungsfähigkeit und der Verständigungsbereitschaft der Eltern im Interesse des Wohls des Kindes im Mittelpunkt der Erwägungen. Der erklärte Wille des sieben Jahre alten Kindes hat daneben allenfalls geringes Gewicht. Der Senat wiederholt im Wesentlichen die Gründe seines Beschlusses vom 21. Oktober 2013 zur Verfahrenskostenhilfe des Antragstellers (Bl. 292 ff.) und ergänzt das dort Dargelegte, soweit auf das weitere Vorbringen der Beteiligten einzugehen ist:

1. Das Amtsgericht hat zu kurz gegriffen, indem es ausgeführt hat, das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht müsse „schon deshalb" aufgehoben werden, weil die Eltern Einigkeit über den Lebensmittelpunkt des Kindes nicht herstellen könnten (S. 5 BA = Bl. 227). Daran trifft im Grundsatz zu, dass allein der fehlende Konsens der Eltern staatliche Kontrolle und Entscheidung eröffnet. Der - notwendige - Antrag mindestens eines Elternteils, eine Entscheidung nach § 1671 I 2 Nr. 2 BGB herbeizuführen, rechtfertigt die staatliche Intervention zur Ordnung und Befriedung der trennungsbedingt bedrückenden Lage des Kindes, auch wenn eine Gefährdung des Kindeswohls, die die Eingriffsbefugnis nach § 1666 BGB eröffnen würde, noch fernliegt (Staudinger-Coester, BGB, Neubearb. 2009, § 1671 Rdnr. 98). Aber selbst eine scheinbar heillose Zerstrittenheit der Eltern gerade über eine zur elterlichen Sorge gehörende Entscheidung rechtfertigt nicht die Aufhebung der gemeinsamen Sorge. Vielmehr setzt dieses Verfahrensergebnis voraus, dass der Elternstreit sich zum einen ungünstig auf das Kindeswohl auswirkt (OLG Köln, NJW-RR 2008, 1319, 1320) und dass zum anderen allein durch die Übertragung der Alleinsorge Abhilfe zu erwarten ist (BGH, NJW 2005, 2080). Diesen letztgenannten Gesichtspunkt hat der 5. Senat für Familiensachen in seinem von der Antragsgegnerin angeführten Beschluss (BeckRS 2012, 08554) offenbar als im dort entschiedenen Fall nicht erörterungsbedürftig vorausgesetzt. Der Senat wendet sich hier nicht gegen diese Ansicht. Die Übertragung von Teilen der bislang gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge auf Mutter oder Vater allein kann dazu dienen, eine unüberbrückbare Meinungsverschiedenheit zu beheben, und dies kann sich günstig auf das Kind auswirken, wenn zu erwarten ist, dass die Eltern die Gerichtsentscheidung als eventuell unliebsam, aber doch als verbindlich hinnehmen und deshalb ihren Streit nicht fortsetzen, sondern als unabänderlich entschieden betrachten. Diese günstige Prognose der Entscheidungswirkung muss gestellt werden können, um den Eingriff in das Elternrecht und in das Recht des Kindes, von beiden Eltern erzogen zu werden (Art. 6 II 1 GG), rechtfertigen zu können. Diese Grundrechte werden verletzt, wenn von dem Eingriff in die Sorgerechtsverhältnisse mindestens gleich ungünstige Auswirkungen auf das Kindeswohl zu erwarten sind wie vom Beibehalten der gegebenen, dringend verbesserungsbedürftigen Verhältnisse (BVerfG, BeckRS 2012, 48175; FamRZ 2004, 1015, 1016). An den Eingriff auf Antrag eines Elternteils (§ 1671 BGB) können insoweit keine geringeren Anforderungen gestellt werden als an die Anordnung auf Grund polizeirechtlicher Zwangsbefugnis (§ 1666 BGB). Die Rechte des betroffenen Elternteils und des Kindes sind durch eine Sorgerechtsentziehung auf der einen oder anderen Rechtsgrundlage gleichermaßen betroffen.

Für die hier maßgebliche Fragestellung, ob durch die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge eine Verbesserung der Lage des Kindes bewirkt werden kann, kann dahinstehen, ob die Auswirkungen auf das Kindeswohl in zwei aufeinanderfolgenden Stufen zu prüfen sind, nämlich zunächst in Bezug auf die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und danach auf die Übertragung auf den Antragsteller oder die Antragsgegnerin allein („doppelte Kindeswohlprüfung": Palandt-Götz, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1671 Rdnr. 12; MüKo-BGB-Hennemann, 6. Aufl. 2012, § 1671 Rdnr. 69; BeckOK-BGB-Veit, Stand: Nov. 2011, § 1671 Rdnr. 25), oder ob in einem einheitlichen, ungeteilten Prognose- und Beurteilungsprozess ein Vergleich zwischen den drei Varianten der gemeinsamen Sorge und der jeweiligen Alleinsorge zu einer Entscheidung zu führen hat (Staudinger-Coester, Rdnr. 104).

Es ist nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnissen jedenfalls nicht zu erwarten, dass nach Aufhebung der gemeinsamen Sorge der Elternstreit beendet würde und die Ursachen wegfielen, die derzeit Leid und Kummer des Kindes bewirken. Darüber gibt das Sachverständigengutachten einen ausreichenden Aufschluss, der sich als zuverlässig erweist, weil er durch den Vortrag der Beteiligten und die Berichte des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes zu einem stimmigen Bild ergänzt wird. Dem Antragsteller ist zuzugestehen, dass das Gutachten zum Widerspruch herausfordert, indem es Erkenntnisse aus dritter Hand ungeprüft, nämlich ohne die Möglichkeit der Überprüfung, übernimmt und für Schlussfolgerungen verwertet. Das gilt insbesondere für die fragliche Episode der zur Schau gestellten Selbstmordabsicht des Antragstellers, die allein auf Hörensagen beruht (S. 18, 49, 51 GA = Bl. 72, 103, 105). Aber dies rechtfertigt weder generelles Misstrauen gegenüber der Sachverständigen, noch muss der Sachverhalt weiter aufgeklärt werden. Der Senat verwertet diesen Umstand weder als geschehen noch als nicht geschehen, sondern als nicht maßgeblich für die zu treffende Entscheidung. Die Sachverständige überzeugt jedenfalls durch mehrfache und gründliche eigene Befragungen des Kindes, der Eltern und weiterer maßgeblicher Personen und durch eine Beurteilung, die aus den gewonnenen und berichteten Erkenntnissen verständlich hergeleitet wird. Sowohl die berichteten Äußerungen der Befragten als auch die psychologischen Schlussfolgerungen gewinnen dabei einen eigenen Wert, der nicht davon abhängt, ob die Empfehlungen der Sachverständigen geteilt werden oder nicht.

Die Sachverständige schildert ein stark belastetes Kind, das sich in einem extremen Loyalitätskonflikt befinde. Es zeige ein seinem Alter von damals knapp sieben Jahren nicht entsprechendes Ausweichen zur Verarbeitung des Elternstreits, insbesondere durch eine Negativzuordnung gegenüber der Antragsgegnerin in deren Abwesenheit trotz herzlicher tatsächlicher Zuneigung in deren Anwesenheit (S. 50 f. GA = Bl. 104 f.). Der Bericht des Verfahrensbeistandes vom 28. November 2013 ergänzt diese Beschreibung völlig widerspruchsfrei. Das Kind sei sehr stark bedrückt und äußere keinen anderen Wunsch als Ruhe von dem Elternstreit (S. 3 f. = Bl. 335 f.).

Die Ursachen dieser inneren Zerrissenheit des Kindes beschreibt die Sachverständige eindrucksvoll und überzeugend: Die referierten Gespräche sowohl mit dem Antragsteller als auch mit der Antragsgegnerin zeichnen sich durch eine Fülle gegenseitiger Vorhaltungen aus. Am anderen wird kaum ein gutes Haar gelassen, während die eigenen Erziehungsmethoden und entwicklungsfördernden Anstöße, die sich in ihrer Art von denen des anderen Elternteils deutlich unterscheiden, mit durchweg günstigen Wirkungen verbunden werden (S. 13 ff. GA = Bl. 67 ff.). Insbesondere dem Antragsteller schreibt die Sachverständige zudem eine Inanspruchnahme des Kindes für das eigene Wohlbefinden zu; er beeinflusse das Kind massiv, damit es bei ihm sein wolle und die dem entgegenstehenden Ursachen der Antragsgegnerin zuordne (S. 33, 53, 60 GA = Bl. 87, 107, 114). Die Angaben der Sachverständigen werden widerspruchsfrei ergänzt durch die 41 Seiten lange „Stellungnahme" des Antragstellers (Anlage A 5 = Bl. 134 ff.) und die Berichte des Jugendamtes vom 28. Juni 2013 (Bl. 222) und vom 8. Oktober 2013 (Bl. 288). Auch der Bericht des Verfahrensbeistandes fügt sich bruchlos ein: Der Antragsteller habe sich in den geführten Gesprächen als felsenfest davon überzeugt gezeigt, das Kind sei bei ihm besser aufgehoben als bei der Antragsgegnerin, und es vertrete diese Ansicht selbst. Aus den Erzählungen des Kindes gegenüber dem Verfahrensbeistand lässt sich leicht schließen, wie der Antragsteller zu dieser Auffassung gekommen sein wird, nämlich auf Grund der immer wieder an das Kind herangetragenen Vorhaltungen, die es, wie es gesagt habe, „hasse" (S. 3 des Berichts = Bl. 335).

Aus diesen Erkenntnisquellen gewinnt der Senat die Überzeugung, dass Antragsteller und Antragsgegnerin einen Streit miteinander führen, dessen Gegenstand die Interessen des Kindes nicht berührt, seinem Wohlbefinden allerdings durch das dauernde Erleben des verbittert geführten Streits dramatisch schadet. Das Kind steht dem Gegenstand des hier geführten Gerichtsverfahrens, nämlich der Entscheidung, ob es eher bei dem Antragsteller oder mehr bei der Antragsgegnerin wohnen solle, offenbar auf eine besondere Weise gleichgültig gegenüber: Aus seiner Sicht bedarf es einer solchen Entscheidung nicht. Es ist beiden Eltern zugeneigt und fühlt sich von beiden angenommen, aufgehoben und geliebt. Es beschreibt das Wohnen in beiden Wohnungen und beiden Familiengemeinschaften mit den dort lebenden Erwachsenen und Kindern gleich positiv und kann als ungünstig nur angeben, dass jeweils das Angenehme der anderen Wohnung fehle (S. 32 f. GA = Bl. 86 f.). Da aus beiden Wohnungen sowohl die jeweils andere als auch die Schule zu erreichen ist, drängen alltagspraktische Erwägungen ebenfalls nicht zu einer Entscheidung.

Dass das Kind Kummer leiden muss, teils offen und teils versteckt schwerwiegend traurig ist und gravierend überbeansprucht wird, indem es für das Wohlbefinden der Eltern Verantwortung übernimmt, findet seine Ursache nicht in dem gleichgewichtigen oder bei dem einen oder dem anderen überwiegenden Anteil des Wohnens, sondern im Elternstreit. Das Kind muss erleben, dass das Thema, das es selbst nicht für wichtig hält, weil es sich hier wie dort gleich wohlfühlt, dauernd fordernd an es herangetragen wird. Es wird von beiden Eltern - scheinbar mehr vom Antragsteller - und von Sachverständigen, Jugendamtsmitarbeitern und Richtern darauf in Anspruch genommen, sich zu entscheiden, obwohl es eine Entscheidung nicht für nötig hält und merkt, dass jede Entscheidung mindestens einem der Elternteile nicht gefallen werde. Dem Kind kann ganz offensichtlich nicht durch eine Zuordnung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den einen oder den anderen geholfen werden, sondern durch einen anständigen, wenn schon nicht höflichen oder netten Umgang der Eltern miteinander.

Selbst wenn man - wie es sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin vortragen - den Willen des Kindes für ein maßgebliches Kriterium der nach § 1671 I 2 Nr. 2 BGB zu treffenden Entscheidung halten wollte, stünde dies einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge hier gerade entgegen. Der Senat misst dem Willen des noch nicht acht Jahre alten Kindes nur geringes Gewicht zu, weil die altersgemäß ohnehin noch geringe Fähigkeit zur Beurteilung tatsächlicher Umstände und erst recht hypothetischer Verläufe hier durch die Überforderung im Loyalitätskonflikt weiter eingeschränkt ist. Wenn der Kindeswille Bedeutung hätte, dann wäre auf die sorgfältig geschilderte Willenserforschung durch den Verfahrensbeistand zu verweisen (S. 3 f. des Berichts vom 28. November 2013 = Bl. 335 f.): Das Kind wünscht sich keineswegs eine Entscheidung zwischen beiden Wohnungen, weil es hier wie dort gern wohnt. Eine Entscheidung oder, wie der Verfahrensbeistand schreibt, „endlich eine abschließende Regelung" sehnt sich das Kind ganz offensichtlich als ein Mittel zum Zweck herbei. Es erwartet nämlich, dass dann der Streit der Eltern aufhöre und auch das ständige Bedrängen, das es vom Antragsteller auszuhalten habe. Wenn entschieden wäre, so denkt sich das Kind, dann müssten die Eltern nicht mehr streiten.

Dazu wird eine Gerichtsentscheidung aber nichts beitragen können. Das ständige offene oder unterschwellige Herabsetzen des jeweils anderen und der offen, auch gegenüber dem Kind ausgetragene Streit steht nur geringfügig in Verbindung mit der Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Es ist bezeichnend, dass sich sowohl die Beschwerdebegründung (S. 5 bis 7 = Bl. 270 bis 272) als auch die Erwiderung (S. 2 f. = Bl. 290 f.) in weiten Teilen nicht dem Verfahrensgegenstand widmen, sondern der Gestaltung des Umgangs und den dazu geführten Auseinandersetzungen. Streit um den Umgang wird durch eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht indes nicht behoben oder auch nur vermindert. Beide Eltern bleiben - völlig gleichgültig, wem die Sorge ganz oder teilweise übertragen ist - dem Kind verpflichtet, einen dauerhaften, regelmäßigen und zuverlässigen Umgang mit beiden Eltern sicherzustellen (§§ 1626 III 1, 1684 I, II BGB). Es sind schließlich auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme stützen könnten, eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den einen oder den anderen Elternteil würde diese Frage dem Streit entheben. Diese Prognose ist erforderlich, weil eine unsubstantiierte Bevorzugung „klarer Verhältnisse" durch die Übertragung der Alleinsorge eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge nicht rechtfertigen kann (Staudinger-Coester, Rdnr. 117). Die Verbissenheit beider Eltern lässt hier auf eine befriedende Wirkung der Gerichtsentscheidung aber nicht hoffen. Eher ist zu erwarten, dass weiter beide das Kind herausfordern werden, den Aufenthalt beim anderen als erzwungen und unerwünscht zu empfinden.

Die Antragsgegnerin rechtfertigt diese Befürchtung sehr nachdrücklich, indem sie vorträgt, sie sei „bereit", einen weiteren regelmäßigen Umgangstermin „zusätzlich zuzulassen" (Schriftsatz vom 7. Januar 2014, S. 2 = Bl. 350). Der Verfahrensbeistand berichtet, die Antragsgegnerin habe darüber gesprochen, sie könne Umgang „gewähren" oder „zulassen" (S. 5 des Berichts vom 28. November 2013 = Bl. 337). Das legt die Erwartung nahe, die Antragsgegnerin werde eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf sie allein als die Befugnis missverstehen, auch über den Umgang eine Alleinentscheidungsgewalt auszuüben. Ließe sie den Antragsteller eine solche vermeintliche Überlegenheit auch nur unterschwellig spüren, wäre anhand des bisher konfliktbeladenen Verhaltens beider Seiten weiterer Streit sicher zu erwarten. Die Antragsgegnerin muss darauf verwiesen werden, dass die Zuordnung der elterlichen Sorge keinen Einfluss auf die gegenseitigen Rechte und Pflichten hat, die sich auf den Umgang beziehen. Gerade als Alleininhaberin der Sorge hätte sie den Umgang des Kindes mit dem Antragsteller nach Kräften zu fördern und alles Erforderliche zu tun, um dem Antragsteller und dem Kind regelmäßigen Umgang als erwünscht und erstrebenswert erscheinen zu lassen.

2. In dieser Lage bleibt unmaßgeblich, ob dem Gesetz ein Leitbild gemeinsamer Sorge (so die Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf zur Reform der elterlichen Sorge, BT-Drs. 17/11048, S. 17) oder doch wenigstens die Zumessung eines hohen sozialpolitischen Werts (so Palandt-Goetz, § 1671 Rdnr. 13) zu entnehmen ist, weil sie den Bedürfnissen des Kindes am ehesten entspricht. Dann dürfte die gemeinsame Sorge nur aufgehoben werden, wenn die Überlegenheit der Alleinsorge feststeht (Staudinger-Coester, Rdnr. 108). Dem steht die Ansicht entgegen, weder bestehe eine verfassungsrechtliche oder gesetzliche noch eine tatsächlich begründete Vermutung, die gemeinsame Sorge sei gegenüber der Alleinsorge vorrangig (BVerfGK 2, 185, 188; BVerfG, FamRZ 2007, 1876, 1877; BGH, NJW 2005, 2080; 2008, 994, 995; Staudinger-Coester, § 1671 Rdnr. 112 f., 115; MüKo-Hennemann, § 1671 Rdnr. 11; BeckOK-Veit, § 1671 Rdnr. 2 f.). Auch wenn die sogenannte doppelte Kindeswohlprüfung oder die einheitlich prognostizierende und abwägende Entscheidung zwischen den drei Gestaltungsvarianten nicht normativ intendiert sein sollte, so zwingt doch jedenfalls das System des Gerichtsverfahrens, das mit dem Ziel einer Veränderung des bestehenden Zustandes geführt wird, zu dem Schluss, dass dieses Verfahrensergebnis nur erreicht werden kann, wenn irgendetwas im Vortrag des Antragstellers (§ 23 I 2 FamFG) oder in den von Amts wegen ermittelten Umständen (§ 26 FamFG) für das angestrebte Ergebnis spricht. Da die Alleinsorge, um sie anordnen zu dürfen, dem Kindeswohl am besten entsprechen muss (§ 1671 I 2 Nr. 2 BGB), muss das Verfahren einen Vorrang auch gegenüber der bestehenden gemeinsamen Sorge ergeben haben (Staudinger-Coester, § 1671 Rdnr. 114). Schon ein solcher Vorrang liegt - wie dargelegt - fern.

3. Derzeit kann nur die Prognose gestellt werden, die das Kind schwer belastenden Zustände würden auch bei einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge unverändert bleiben. Abhilfe kann nicht in einer Entscheidung über die elterliche Sorge zu finden sein, sondern in durchgreifenden Bemühungen um eine Verhaltensänderung beider Eltern, zu denen sie eine Sorgeentscheidung weder zwingen noch auch nur verleiten könnte. Der hier zu beurteilende Fall bietet einen Beleg für die These, für das Kindeswohl nach Elterntrennung habe die rechtliche Organisationsform der Elternsorge eher marginale Bedeutung im Vergleich zur gelebten Elternschaft, weil das Kindeswohl nur durch die Eltern, nicht durch die Gerichte gewährleistet werden könne (Staudinger-Coester, § 1671 Rdnr. 113).

Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin müssen sich jeweils selbst eingestehen, dass sie dem Wohl des Kindes schaden und dass sie dies ändern können. Sie halten sich gegenseitig für erziehungsungeeignet. Diesen Befund bestätigt die Sachverständige nicht, wenn sie auch deutliche Defizite beim Antragsteller erkennt. Die Bedrückung des Kindes, die die Sachverständige und der Verfahrensbeistand eindringlich schildern, ist nach allem derzeit Ersichtlichen nicht auf die äußeren Lebensverhältnisse des Kindes oder auf die dem Antragsteller zugeschriebenen Mängel in der Erziehungseignung zurückzuführen, sondern auf den verbissenen Streit der Eltern. Das Kind wird offenbar nicht durch das Ergebnis und die Durchführung der mühsam getroffenen Einigungen der Eltern über Aufenthalt und Umgang belastet, sondern dadurch, dass beide Eltern diese Einigungen anhaltend in Frage stellen. Sie können dem Kind augenscheinlich weniger dadurch helfen, dass sie den jeweils anderen von der Entscheidung über den Aufenthalt ausschließen, sondern eher dadurch, dass sie den Streit um die derzeitigen Lebensumstände des Kindes beenden, ihm damit die Gewissheit geben, keine weiteren grundlegenden Änderungen gewärtigen zu müssen, und es vor allem von der Last befreien, nicht nur Gegenstand, sondern Grund der Auseinandersetzung der Eltern zu sein.

Dass es auch in Zukunft immer wieder Auseinandersetzungen zwischen den Eltern geben wird, rechtfertigt eine Sorgeübertragung nicht. Dass gemeinsame Entscheidungen nur mühevoll und nach langwierigen und eventuell unerfreulichen Diskussionen erreicht werden können und dass beide Eltern vielleicht Vorbehalte gegen diese Entscheidungen behalten werden, rechtfertigt eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge nicht. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dient nicht dem Ziel, die Schwierigkeiten des gemeinsamen Entscheidens trotz unterschiedlicher Auffassungen zu vermeiden. Sie soll die Eltern nicht von der Last befreien, eigene Ansichten vom jeweils anderen in Frage stellen zu lassen und die eingenommene Position zu überprüfen und zu ändern. Da das Wohl des Kindes, nicht die Befindlichkeiten der Eltern, das bestimmende Tatbestandsmerkmal des § 1671 I 2 Nr. 2 BGB ist, werden umstrittene gemeinsame Entscheidungen der Eltern einer Aufhebung der gemeinsamen Sorge in aller Regel vorzuziehen sein. Gerade wenn das Kind ein Alter erreicht haben wird, das ihm zunehmende Einsicht in die Verhältnisse verschafft, könnten es in dem Bemühen beider Eltern, seine Belange durch eigene, wenn auch schwer zustande gebrachte Entscheidungen zu wahren, ein höheres Maß an Zuwendung erkennen als in der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe.

Sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin sollten sich dem Kind verpflichtet fühlen, sich mit professioneller Hilfe des Jugendamtes (§ 17 II SGB VIII) und begleitet von der psychotherapeutischen Behandlung, die die Sachverständige angeraten hat, darum zu bemühen, nicht nur die Lebensverhältnisse des Kindes dauerhaft und verlässlich zu ordnen, sondern vor allem die gegenseitigen Vorhaltungen zu beenden, um dem Kind die Gewissheit zu verschaffen, es selbst stehe im Mittelpunkt der Bemühungen und es komme allein darauf an, seine Zufriedenheit sicherzustellen, nicht diejenige der Erwachsenen. ..."

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Mit dem Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 16. April 2013 (BGBl. I S. 795) hat der Gesetzgeber dem gesetzlichen Leitbild der gemeinsamen elterliche Sorge Geltung verschafft.(Rn.8) Danach erfordert eine Beibehaltung der Alleinsorge der mit dem Kindesvater nicht verheirateten Kindesmutter über eine schwerwiegende und nachhaltige Störung der elterlichen Kommunikation hinaus die Feststellung, dass den Eltern eine gemeinsame Entscheidungsfindung nicht möglich sein wird und das Kind erheblich belastet würde, wenn seine Eltern gezwungen würden, die elterliche Sorge gemeinsam zu tragen. Insofern reichen weder die bloße Ablehnung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch die Kindesmutter noch selbst manifest gewordene Kommunikationsschwierigkeiten der Kindeseltern als solche aus. Diese Kriterien gelten auch im Rahmen der Prüfung, ob die elterliche Sorge oder Teile hiervon nach § 1671 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 BGB n.F. auf den Kindesvater allein zu übertragen ist (OLG Celle, Beschluss vom 16.01.2014 - 10 UF 80/13).

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Eine rechtlich verbindliche Sorgeregelung in Form der Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt zwingend eine Entscheidung des Familiengerichts voraus. Grundsätzlich ist dem Hilfsbedürftigen zwar zunächst abzuverlangen, dass er die für ihn kostenfreien Angebote zur Erreichung seines Ziels wenigstens versuchsweise wahrgenommen hat. Eine solche Verpflichtung kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes in einer angemessenen Zeit zum angestrebten Erfolg geführt hätten. Wenn in einem solchen Fall aufgrund der objektiven Umstände die Erfolgsaussichten der Zielerreichung gering oder mit Blick auf die Gesetzeslage sogar ausgeschlossen sind, kann der Antragsteller sogleich gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen, ohne dass insoweit Mutwilligkeit im Sinne der Verfahrenskostenhilfevorschriften vorliegt (OLG Schleswig, Beschluss vom 04.10.2013 - 13 WF 119/13).

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„... Gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge in diesem Teilbereich und die Übertragung auf den Antrag stellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. In dem summarischen Verfahren der einstweiligen Anordnung (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/von Swieykowski-Trzaska, 2. Aufl., § 2 Rn. 223; Seiler, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 8. Aufl., 1. Kap. Rn. 433) sind abschließende Feststellungen zu der Frage, wie dem Kindeswohl am besten gedient ist, meist nicht möglich, zumal es hierzu häufig der Einholung eines psychologischen Sachverständigengutachtens bedarf. Streiten die Eltern im Wege der einstweiligen Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder, ist daher vor allem eine Interessenabwägung vorzunehmen. Diese hat sich nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren (BVerfG, FamRZ 2007, 1626; OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2009, 445). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Antragsteller mit seinem Antrag im Hauptsacheverfahren aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entständen, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, dem Antragsteller im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfG, a.a.O.). Entsprechend geht es, wenn in der ersten Instanz eine einstweilige Anordnung erlassen worden ist, im Beschwerdeverfahren vorrangig um die Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den Nachteilen, die bei Aufhebung der erlassenen einstweiligen Anordnung entständen. Regelmäßig entspricht es dem Wohl des Kindes nicht, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne schwerwiegende Gründe abzuändern und somit vor einer etwaigen Entscheidung des Amtsgerichts in der Hauptsache über einen erneuten Ortswechsel zu befinden (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2009, 445; FamRZ 2004, 210; OLG Brandenburg, 1. Familiensenat, FamRZ 1998, 1249; OLG Köln, FamRZ 1999, 181). Wenn das Hauptsacheverfahren noch offen ist, ist daher regelmäßig ausschlaggebend, dass ein mehrfacher Wechsel des Wohnortes und der unmittelbaren Bezugsperson, der das Kindeswohl in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigen würde, zu vermeiden ist (vgl. BVerfG, a.a.O.; siehe auch OLG Celle, Beschluss vom 19.7.2012 - 15 UF 81/12, BeckRS 2012, 17264; Burschel, FamFR 2010, 329).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat es bei der vom Amtsgericht erlassenen einstweiligen Anordnung zu verbleiben. Wie der Stellungnahme des Jugendamtes vom 30.1.2013 zu entnehmen ist, ist die einstweilige Anordnung sofort vollzogen worden, das heißt, die gemeinsamen Kinder sind in die Obhut der Mutter gewechselt. Der Ausgang eines etwaigen Hauptsacheverfahrens ist noch offen. Anhaltspunkte dafür, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass ein etwaiges Hauptsacheverfahren zugunsten des Vaters ausginge, sind nicht zutage getreten. Vor diesem Hintergrund ist ein erneuter Obhutwechsel der Kinder zu vermeiden.

Der Vater führt mit der Beschwerdebegründung vor allem an, das Amtsgericht habe nicht hinreichend geprüft, inwieweit die Mutter mit der Erziehung aller vier Kinder überfordert sei. Anhaltspunkte für eine Überforderungssituation hat der Vater aber weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Solche Anhaltspunkte sind auch im Übrigen nach dem Akteninhalt nicht ersichtlich.

Für die vom Vater befürchtete Entfremdung im Verhältnis zu den Kindern sind ebenfalls keine Anhaltspunkte ersichtlich. Nach dem Bericht des Jugendamtes hat die Mutter die Kinder hinsichtlich des verabredeten ersten Umgangs an den Vater übergeben. Auch im Übrigen sind keine Umstände erkennbar, die darauf schließen ließen, dass die Mutter nicht bereit wäre, den dem Vater eingeräumten Umgang mit den Kindern zu gewähren.

Die vom Vater angesprochenen Gesichtspunkte mögen in einem etwaigen Hauptsacheverfahren näher geprüft werden. Gleiches gilt für den vom Amtsgericht zur Begründung seiner Entscheidung besonders hervorgehobenen Gesichtspunkt der Bindung der beiden Jungen an die älteren Halbschwestern (vgl. dazu OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, BeckRS 2008, 14339; FamRZ 2003, 1953; OLG Celle, FamRZ 1992, 465, 466; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 184). In einem solchen Verfahren wäre auch der Frage nachzugehen, ob, wie das Jugendamt in seiner Stellungnahme vom 30.1.2013 ausgeführt hat, angesichts von Entwicklungsverzögerungen und Auffälligkeiten im Sozialverhalten die Mutter eher in der Lage ist, den besonderen Förderbedarf der Kinder sicherzustellen.

Im Rahmen eines etwaigen Hauptsacheverfahrens wären auch nähere Feststellungen zu Bindungen und Willen der Kinder zu treffen. Insoweit könnte auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit die beiden Jungen durch die älteren Halbschwestern beeinflusst werden. Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass der Kindeswille regelmäßig erst ab Vollendung des 12. Lebensjahres eine relativ zuverlässige Entscheidungsgrundlage darstellt (OLG Brandenburg, 2. Familiensenat, FamRZ 2003, 1953, 1954; Jaeger in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB Rn. 81). Nach dem Akteninhalt spricht viel dafür, dass sich die Kinder in einem erheblichen Loyalitätskonflikt befinden. So hat das Jugendamt in seinem Bericht vom 30.1.2013 darauf hingewiesen, der Vater habe angegeben, die Jungen wollten nicht mehr zur Mutter und den beiden Halbschwestern zurück. Bei einer Befragung der Kinder durch das Jugendamt habe J.. aber seine Sehnsucht zu den großen Halbschwestern bekundet und erklärt, er wolle zur Mutter. I… habe geäußert, die Mutter solle wieder ‚zu uns nach Hause kommen'.

3. Der Senat entscheidet gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG ohne eine erneute Anhörung der Eltern und des Kindes. Denn das Amtsgericht hat eine solche Anhörung bereits vorgenommen.

Eine erneute Anhörung im Beschwerdeverfahren ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Amtsgericht für die Kinder keinen Verfahrensbeistand bestellt hat, nicht erforderlich.

Gemäß § 158 Abs. 1 FamFG hat das Gericht dem minderjährigen Kind in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, einen geeigneten Verfahrensbeistand zu bestellen, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlich ist. In § 158 Abs. 2 FamFG sind Fallgruppen genannt, in denen die Bestellung in der Regel erforderlich ist. Wenn eine solche Fallgruppe gegeben ist, hat das Gericht, wenn es von der Bestellung eines Verfahrensbeistands dennoch absehen will, dies in der Endentscheidung zu begründen, § 158 Abs. 3 Satz 3 FamFG.

Vorliegend ist schon zweifelhaft, ob ein Regelbeispiel nach § 158 Abs. 2 FamFG vorliegt. Allein in Betracht kommt § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG. Danach ist die Bestellung eines Verfahrensbeistands in der Regel erforderlich, wenn eine Trennung des Kindes von der Person erfolgen soll, in deren Obhut es sich befindet. Insoweit ist eine Beschränkung auf Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB, die ohnehin von § 158 Abs. 2 Nr. 2 FamFG erfasst werden, nicht erfolgt (vgl. BT-Drs. 16/6308, S. 238). Dessen ungeachtet wird angenommen, dass eine Trennung des Kindes von der Person, in deren Obhut es ist, vor allem Verfahren nach §§ 1666, 1666 a BGB, aber auch § 1696 Abs. 1 BGB betrifft (vgl. Keidel/Engelhardt, FamFG, 17. Aufl., § 158 Rn. 15; Büte in: Johannsen/Henrich, a.a.O., § 158 FamFG Rn. 10; Schumann in: MünchKomm ZPO, 3. Aufl., § 158 FamFG Rn. 10; Musielak/Borth, FamFG, 3. Aufl., § 158 Rn. 8). Vor diesem Hintergrund ist nicht zweifelsfrei, ob jeder Streit der Eltern über das Aufenthaltsbestimmungsrecht unter § 158 Abs. 2 Nr. 3 FamFG fällt, weil nicht auszuschließen ist, dass aufgrund der gerichtlichen Entscheidung ein Obhutwechsel in Betracht kommt. Das kann vorliegend aber auf sich beruhen.

Denn § 158 Abs. 2 FamFG ist eine ‚Soll-Vorschrift'. Das heißt, bei Vorliegen besonderer Umstände kann von der Bestellung des Verfahrensbeistands abgesehen werden. So liegt es nach Auffassung des Senats im einstweiligen Anordnungsverfahren. Wegen der Eilbedürftigkeit ist es nicht stets geboten, einen Verfahrensbeistand zu bestellen. Im vorliegenden Verfahren hat die Mutter ihren Antrag am 11.1.2013 gestellt. Der Anhörungstermin des Amtsgerichts mit der abschließenden Entscheidung hat am 16.1.2013 stattgefunden. Damit hat das Amtsgericht dem Eilcharakter des einstweiligen Anordnungsverfahrens Rechnung getragen. Eine derart kurzfristige Entscheidung wäre bei vorheriger Bestellung eines Verfahrensbeistands voraussichtlich nicht möglich gewesen. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.02.2013 - 3 UF 11/13)

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Verbringt ein Elternteil ein Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils in ein anderes Bundesland, ist eine Entscheidung über den Antrag des zurückgelassenen Elternteils auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nicht an einer Sanktion des Fehlverhaltens des „entführenden'" Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren. Eine eigenmächtige Trennung des Kindes vom anderen Elternteil ist daher nicht als solche, sondern nur insoweit zu berücksichtigen, als sie negative Rückschlüsse auf die Erziehungsfähigkeit des betroffenen Elternteils zulässt oder der herbeigeführte Ortswechsel aktuell das Wohl des Kindes beeinträchtigt (OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.05.2013 - 7 UF 641/13):

„... Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 27.3.2013 wird zurückgewiesen. ...

Am 27.3.2013 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg folgenden Beschluss erlassen:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege einer vorläufigen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Vertretung in der Kindergarten- und Schulangelegenheiten für die gemeinsamen minderjährigen Kinder A., geboren am ...2007, B., geboren am ...2010, und C., geboren am ...2010, übertragen. Im Übrigen verbleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge der Beteiligten.
2. Der Antrag des Antragstellers auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie die Vertretung in Kindergarten- und Schulangelegenheiten wird zurückgewiesen. ...

Wie der Senat den Beteiligten gelegentlich der Anhörung deutlich gemacht hat, geht es im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur um eine vorläufige Regelung. Es ist deshalb zu prüfen, welche der von den beiden Seiten beantragten Regelungen insbesondere hinsichtlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts bis zum voraussichtlichen Ende eines, soweit ersichtlich, noch nicht anhängig gemachten, aber für beide Elternteile möglichen Hauptsacheverfahrens dem Wohl der Kinder am besten entspricht (vgl. § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das Kindeswohl hat sich dabei an den Grundsätzen der Kontinuität, der Förderung, der Bindungen des Kindes an seine Eltern und an seine Geschwister sowie, soweit beachtlich und mit dem eigenen Wohl vereinbar, am geäußerten Willen des Kindes zu orientieren.

Zu beachten ist auch, dass die durch eine vorläufige Entscheidung dem einen oder anderen Elternteil eingeräumte Möglichkeit zur Wahrnehmung der Elternverantwortung unter dem Aspekt der Kontinuität faktisch die endgültige Sorgerechtsregelung beeinflussen kann. Eine den Grundrechten der beiden Elternteile und des Kindes gerecht werdende Entscheidung kann daher nur aufgrund einer - im Verfahren der einstweiligen Anordnung allein gebotenen - summarischen Prüfung der Umstände des Einzelfalls erfolgen. Soweit zu deren abschließender Klärung die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich sein sollte, hat eine solche Begutachtung in der Regel und auch im vorliegenden Verfahren erst im Hauptsacheverfahren zu erfolgen.

Im Hinblick auf das vom Antragsteller behauptete Fehlverhalten der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit dem Verbringen der Kinder nach Sachsen ab dem 19.1.2013 ("Kindesentziehung") und die vom Antragsteller daraus abgeleiteten Auswirkungen auf die zu treffende Entscheidung ist, wie schon gelegentlich der Anhörung, nochmals klarzustellen, dass die gebotene Abwägung nicht an einer Sanktion eines - im vorliegenden Fall möglichen - Fehlverhaltens eines Elternteils, sondern vorrangig am Kindeswohl zu orientieren ist (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 12.6.2007, FamRZ 2007, 1666, und vom 27.6.2008, FamRZ 2009, 189). Eine eigenmächtige Trennung des Kindes vom anderen Elternteil kann daher nicht als solche, sondern nur insoweit Berücksichtigung finden, als sie Rückschlüsse auf eine konkrete Einschränkung der Erziehungsfähigkeit des betroffenen Elternteils zulässt oder konkret festgestellt werden kann, dass der herbeigeführte Ortswechsel aktuell das Wohl des Kindes beeinträchtigt.

Im vorliegenden Fall spricht insbesondere das Ergebnis der Anhörung des Kindes A. durch den Senat dafür, dass dieses Kind sich in der aktuellen Situation bei der Mutter in E. wohlfühlt und durch den Anfang 2013 vollzogenen Ortswechsel jedenfalls aktuell nicht beeinträchtigt ist. Es liegen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass eine solche Beeinträchtigung bei den beiden jüngeren Kindern gegeben ist.

Das Ergebnis der Anhörung von A. spricht im Übrigen auch dafür, dass die Bindungen des Kindes an die Antragsgegnerin - trotz einer positiven Beziehung auch zum Vater - enger sind als zum Antragsteller. Eine nachvollziehbare Ursache dafür mag, neben der überwiegenden Betreuung des Kindes seit der Trennung im Januar 2013 durch die Antragsgegnerin, auch der Umstand sein, dass die Mutter das Kind nach der Geburt im Rahmen der Elternzeit zunächst ganz überwiegend betreut hat. Anhaltspunkte dafür, dass das bei den jüngeren Kindern, etwa aufgrund des Umstandes, dass der Antragsteller nach deren Geburt zwei Monate Erziehungszeit genommen hat, anders ist, sieht der Senat nicht. Auch nach der Geburt dieser Kinder war es die Antragsgegnerin, die den überwiegenden Teil der Elternzeit genommen hat.

Im Übrigen ist das Amtsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass eine Trennung der Geschwister wegen der - auch bei der Anhörung von A. deutlich gewordenen - guten Beziehung der Kinder untereinander nicht deren Wohl entspricht.

Für eine vorläufige Aufrechterhaltung des Lebensmittelpunkts der Kinder bei der Mutter und damit auch der vom Amtsgericht getroffenen Anordnung spricht auch, dass dabei eine für die Kinder und den betroffenen Elternteil - hier den Vater - schonendere, günstigere und wirtschaftlichere Ausübung des Umgangs des Vaters mit dem Kind möglich ist, als es umgekehrt bei einem Aufenthalt der Kinder beim Vater mit Umgangskontakten der Mutter in Nürnberg wäre. Anders als dem Antragsteller bei seinen in T. verlebten Umgangswochenenden stünde der Antragsgegnerin nämlich in Nürnberg keine großzügige Unterkunft zur Verfügung, in der sie während des Umgangs mit den Kindern leben kann. Sie wäre damit - anders als der Antragsteller - darauf angewiesen, die Kinder zu Beginn des Umgangs abzuholen und nach E. zu verbringen und zum Ende des Umgangs wieder von dort nach Nürnberg zurückzubringen, was mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen und sonstigen Belastungen auch für die Kinder verbunden wäre. Auch aufgrund der, soweit ersichtlich, gegenüber der des Antragstellers deutlich schlechteren wirtschaftlichen Situation der Antragsgegnerin wäre es damit bei einem Aufenthalt der Kinder beim Vater in Nürnberg nicht gesichert, dass die Kinder in gleicher Weise und in gleichem Umfang Kontakte zur Mutter aufrecht erhalten können wie dies aktuell für Kontakte mit dem Vater möglich ist und ganz offensichtlich auch praktiziert wird.

Bei einer nur vorläufigen Regelung wie im vorliegenden Fall sind im Übrigen auch die Folgen zu berücksichtigen, die für die Kinder für den Fall einer von der vorläufigen abweichenden Hauptsacheregelung eintreten würden (vgl. BVerfG vom 11.2.2009, FamRZ 2009, 676).

Im vorliegenden Fall spricht es deshalb auch für die Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung, dass eine vorläufige Entscheidung zu Gunsten des Antragstellers für den Fall einer abweichenden Hauptsacheentscheidung zu Gunsten der Antragsgegnerin mit einem zweimaligen, die Kinder erheblich belastenden, Wechsel der Umgebung und der Hauptbezugsperson für die Kinder verbunden wäre, während im Fall einer von der getroffenen vorläufigen abweichenden Hauptsacheentscheidung zu Gunsten des Antragstellers nur noch ein einmaliger und dann (vorbehaltlich eines späteren Abänderungsverfahrens) endgültiger Wechsel der Kinder zum Vater erforderlich wäre. Eine Abwägung der möglichen Risiken für die Kinder durch eine von der vorläufigen abweichenden Hauptsacheentscheidung spricht damit im vorliegenden Fall für die Aufrechterhaltung der angefochtenen Entscheidung (vgl. zu diesem Aspekt auch BVerfG 2009, 676, 677, und OLG Hamm, FamRZ 2009, 432).

Was die vom Antragsteller geltend gemachte Beeinträchtigung der Erziehungsfähigkeit der Antragsgegnerin aufgrund einer nach der Geburt der Zwillinge zunächst aufgetretenen Überforderung angeht, haben sich für den Senat weder aus der Anhörung der Antragsgegnerin noch aus den Berichten des Verfahrensbeistandes oder sonstigen Umständen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Antragsgegnerin in ihrer Erziehungsfähigkeit aktuell beeinträchtigt wäre. Der Senat hat auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin nach der Aufnahme einer Teilzeittätigkeit mit 20 Wochenstunden an drei Tagen weniger als der Antragsteller mit einer Teilzeittätigkeit von 32,5 Stunden und der Möglichkeit, gelegentlich zu Hause zu arbeiten, in der Lage wäre, für eine angemessene Versorgung und Betreuung der Kinder zu sorgen.

Ob sich die Betreuungssituation bei der Antragsgegnerin negativ verändert, wenn diese, wie offenbar von ihr angedacht, später in eine Wohnung nach Dresden zieht, kann derzeit nicht beurteilt werden. Da nach den Angaben der Antragsgegnerin und den für den Senat erkennbaren Umständen ein solcher Umzug in der nächsten Zeit - schon aus finanziellen Gründen - noch nicht ansteht, können mögliche Auswirkungen eines solchen Umzugs auf die Betreuung und das Wohl der Kinder im Rahmen der zu treffenden vorläufigen Entscheidung auch außer Betracht bleiben.

Angesichts der aufgeführten, überwiegend für einen Aufenthalt der Kinder bei der Mutter sprechenden Umstände kann es dahinstehen, ob die Antragsgegnerin, wie vom Antragsteller behauptet, bereits in der Absicht, endgültig bei ihren Eltern zu bleiben, und damit unter Vortäuschung falscher Tatsachen am 19.1.2013 mit den Kindern nach E. gewechselt ist. Auch wenn dies so sein sollte, würde dies nichts daran ändern, dass es aktuell dem Wohl der Kinder besser entspricht, ihren Lebensmittelpunkt bei der Antragsgegnerin zu haben.

Um dies rechtlich umzusetzen und der Antragsgegnerin auch die Möglichkeit zu geben, vor Ort für einen mit ihren Betreuungsmöglichkeiten und dem Wohl der Kinder zu vereinbarenden Besuch von Kinderbetreuungsstätten und auch schulischen Einrichtungen zu sorgen, ist die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts insgesamt auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Erkenntnisse im Beschwerdeverfahren gerechtfertigt und die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers deshalb als unbegründet zurückzuweisen. ..."

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Liegen in einem Verfahren zur elterlichen Sorge gegensätzliche Anträge der beiden Elternteile und Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung vor, ist darüber in einer einheitlichen Entscheidung zu befinden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 15.04.2013 - 7 UF 399/13).

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„...Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Mutter führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Ihr ist neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht für V…, das ihr bereits durch Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist, nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen, sondern lediglich weitere Teilbereiche derselben.

1. Ungeachtet des Umstands, dass die Mutter unter Betreuung steht, begegnet die wirksame Einlegung der Beschwerde durch die Mutter selbst, bevor sie ihre Verfahrensbevollmächtigte beauftragt hat, keinen Bedenken. Der vom Amtsgericht beigezogenen Betreuungsakte 61 XVII 232/11 lässt sich nicht entnehmen, dass die Mutter etwa geschäfts- und damit verfahrensunfähig wäre. Auch bei ihrer Anhörung durch den Senat haben sich Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit nicht ergeben.

2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein das Rechtsmittel der Mutter, die sich dagegen wendet, dass ihr über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens 30 F 450/10 war, hinaus die gesamte elterliche Sorge entzogen worden ist.

a) Ein Rechtsmittel des Vaters liegt nicht vor. Dieser hat zwar zu erkennen gegeben, dass er die elterliche Sorge für V… anstrebt. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 5.9.2012 hat er aber nicht ausdrücklich eingelegt.

Auch aufgrund seines weiteren Vorbringens, insbesondere der Angaben im Senatstermin vom 4.3.2013, kann nicht angenommen werden, dass der Vater ein Rechtsmittel einlegen wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm die elterliche Sorge bereits in einem früheren Verfahren mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist. Die Rechtsposition, die er seinerzeit verloren hat, könnte er daher nur im Wege eines Abänderungsverfahrens nach § 1696 BGB zurückerlangen. Eine solche Abänderung war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (BGH, NJW 2011, 2577 Rn. 11; NJW-RR 2011, 1081 Rn. 12; FGPrax 2011, 78 Rn. 7; vgl. auch Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FG, Edition 7, § 69 Rn. 40). Mithin hätte ein erstmals in zweiter Instanz gestellter Abänderungsantrag keinen Erfolg.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Vater Beschwerde nicht eingelegt hat. Dessen ungeachtet ist sein Ziel, die elterliche Sorge (zurück)zu erlangen im Rahmen der Vorschrift des § 1680 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen.

b) Ein Rechtsmittel der Großmutter väterlicherseits und ihres Lebensgefährten ist ebenfalls nicht gegeben. Diese sind auf die Frage der Vormundschaft in ihren Äußerungen im Beschwerdeverfahren nicht mehr ausdrücklich zurückgekommen, sondern haben lediglich in der Sache Stellung bezogen. Da es im Beschwerdeverfahren um die Person des Vormunds bzw. Pflegers nicht mehr geht, sind die Großmutter und ihr Lebensgefährte auch nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens. Soweit die Großmutter die Frage des Umgangs anspricht, ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

c) Das Rechtsmittel der Mutter ist allein darauf gerichtet, die Entziehung weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge - über das bereits vorab entzogene Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus - zu verhindern. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht selbst könnte, wie ausgeführt, nur Gegenstand eines Änderungsbegehrens nach § 1696 BGB sein. Die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter hat im Übrigen im Senatstermin vom 4.3.2013 ausdrücklich erklärt, dass sich die Mutter gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurzeit nicht wende.

3. Der Mutter ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen. Vielmehr reicht der Entzug der Gesundheitsfürsorge, des Rechts zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII und des Rechts zur Entscheidung aller Angelegenheiten in Bezug auf Schule bzw. Kindergarten aus.

a) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind, § 1666 Abs. 1 BGB. Darauf, ob hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls ein Verschulden der Eltern festzustellen ist, kommt es nicht an (vgl. Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 5. Aufl., § 1666 Rn. 40). Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, NJW 2010, 2333 Rn. 41; BGH, NJW 2010, 1351 Rn. 19; NJW 2012, 151 Rn. 25). Eine in diesem Sinne konkrete Gefährdung liegt hier vor.

Hinsichtlich der bei der Mutter bestehenden Defizite wird Bezug genommen auf die ausführlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss sowie die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten im Verfahren 30 F 450/10 wie auch seinem Ergänzungsgutachten im vorliegenden Verfahren sowie seine Erläuterungen im Senatstermin vom 4.3.2013. Dass es diese Defizite gegeben hat, wird von der Mutter auch nicht ernstlich in Abrede gestellt. Sie beruft sich vorrangig darauf, ihre Situation habe sich stabilisiert. Dazu verweist sie darauf, nun in der Mutter-Kind-Einrichtung die Versorgung ihres ganz kleinen Kindes allein sicher stellen zu können. Dabei ist aber zu beachten, dass durch die Gewährleistung der Mutter-Kind-Einrichtung auf unbestimmte Dauer das Jugendamt eine engmaschige Unterstützung der Mutter durch das Betreuungspersonal in der Einrichtung sicher stellt.

Eine Stabilisierung der Situation der Mutter mag sich in der Mutter-Kind-Einrichtung eingestellt haben. Nach dem vorgelegten Entwicklungsbericht der Einrichtung ist die Beschwerdeführerin in Bezug auf die kleine Tochter M… eine liebevolle und sich kümmernde Mutter und im Verhältnis zu den mit in der Einrichtung beschäftigten Personen zur Mitarbeit bereit. Seitens der Einrichtung wird eingeschätzt, dass von den vier laut Hilfeplan vom 23.5.2012 getroffenen Vereinbarungen drei Ziele vollständig und eines überwiegend erreicht sei. Das vollständige Erreichen bezieht sich auf die Konkretisierung des Hilfebedarfs gemeinsam mit der Mutter, das Einhalten von Absprachen und die Unterstützung der Mutter in den Versorgungssituationen von M…. Das Einhalten des Tagesplans wird als überwiegend erreicht eingeschätzt. Diese Einschätzungen sprechen allerdings für eine Stabilisierung auf Seiten der Mutter. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Stabilisierung im Rahmen des festen Gefüges der Einrichtung erreicht worden ist. Damit ist - auch in Bezug auf M… - noch nicht sichergestellt, dass die Mutter ohne engmaschige Unterstützung in der Lage wäre, Versorgung und Betreuung des Kindes eigenverantwortlich zu übernehmen. Jedenfalls enthält der mit Schriftsatz vom 30.1.2013 vorgelegte Entwicklungsbericht der Einrichtung auch Hinweise darauf, dass es ungeachtet des guten Willens der Mutter nach wie vor gilt, Defizite aufzuarbeiten. Dies betrifft etwa die nach wie vor benötigte Unterstützung im Bereich der Körperpflege ihres Kindes und der täglichen Ordnung, aber auch das Hintanstellen eigener Bedürfnisse wie Essen oder Rauchen, wenn M… ihre alltäglichen Bedürfnisse deutlich macht. Mithin ist die Mutter bei der Versorgung und Betreuung M… voll gefordert. Dass darüber hinaus Raum für eine weitergehende Übernahme von Verantwortung in Bezug auf V…, kann nicht angenommen werden.

Auch der Sachverständige hat der Mutter im Senatstermin den Willen zu einer positiven Entwicklung nicht abgesprochen, bislang jedoch vermisst, dass sie den Willen unter Beweis gestellt hat. Die Notwendigkeit, eine Psychotherapie zu absolvieren, ist seit längerem betont worden. Bereits in seinem ersten Gutachten hat der Sachverständige einen erheblichen psychotherapeutischen Aufarbeitungsbedarf seitens der Mutter gesehen. Auch im Rahmen der Nachbegutachtung im vorliegenden Verfahren hat er erneut die psychotherapeutische Behandlung der Mutter empfohlen. Dessen ungeachtet hat die Mutter eine Psychotherapie erst kürzlich begonnen. Inwieweit diese geeignet ist, die aufgezeigten Defizite abzubauen, bleibt abzuwarten.

b) Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, § 1666 a BGB, sind aber lediglich die aus der Beschlussformel ersichtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt der vom Amtsgericht ausgesprochene vollständige Entzug der elterlichen Sorge nicht in Betracht (vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Gottschalk, Anmerkung zu OLG Köln, Beschluss vom 12.9.2012 - 4 UF 142/12, ZKJ 2013, 30).

Entgegen der Auffassung der Mutter reicht es allerdings nicht aus, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorzuenthalten. Es bedarf des Entzuges auch der weiteren genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge.

aa) Soweit es die Gesundheitsfürsorge betrifft, ergibt sich das Erfordernis eines Eingriffs schon daraus, dass der Mutter, soweit es sich Sorge für ihre eigene Gesundheit angeht, eine Betreuerin bestellt worden ist. Im Betreuungsverfahren ist angenommen worden, dass die Mutter nicht ausreichend in der Lage ist, für ihre eigene Gesundheit selbst zu sorgen. Angesichts dessen ergibt sich nahezu zwingend, dass die Mutter auch nicht in der Lage ist, die Gesundheitsfürsorge für ihr Kind zu übernehmen.

Die nach wie vor nicht ausreichende Einsicht in die Erfordernisse der Gesundheitsfürsorge machen die Angaben der Mutter im Senatstermin zu den Zahnproblemen V… deutlich. Insoweit hat sie sich allein auf die Aussagen des Zahnarztes zurückgezogen, sich hingegen aber nicht mit den Ursachen für die Zahnprobleme, wie sie bereits in dem Schreiben des Jugendamtes vom 14.3.2012 genannt worden sind, auseinandergesetzt.

bb) Im Hinblick darauf, dass sich die Kinder infolge des Vollzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht mehr in der Obhut der Mutter befinden, ist ihr auch das Recht zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII zu entziehen.

Dafür, der Mutter dieses Recht zu entziehen, spricht auch der Umstand, dass der Aufgabenkreis ihrer Betreuerin die Vertretung vor Behörden und Ämtern und die Geltendmachung von Ansprüchen mit umfasst, also angenommen werden muss, dass die Mutter - auch was ihre Angelegenheiten anbetrifft - zur selbständigen Wahrnehmung dieser Bereiche nicht in der Lage ist. Gleiches muss auch für die Belange des Kindes angenommen werden.

cc) Wegen der besonderen Situation bei der Betreuung des Kindes erstrecken sich die Maßnahmen nach § 1666 BGB zudem auf Angelegenheiten, die Schule und die Kindertageseinrichtungen, welche die Kinder besuchen, betreffend. Auch der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Mutter zu Entscheidungen in Bezug auf den Kindergarten nicht in der Lage sei.

dd) Der Entzug der elterlichen Sorge hinsichtlich der soeben genannten Teilbereiche ist ausreichend. Ein Entzug der Personensorge darüber hinaus, § 1666 a Abs. 2 BGB, ist nicht erforderlich. Gleiches gilt erst recht hinsichtlich der Vermögenssorge, die das Amtsgericht, indem es seinen Ausspruch auf die gesamte elterliche Sorge erstreckt hat, mit entzogen hat. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindesvermögens sind nicht vorhanden. Dass V… über Vermögen verfügt, ist weder dem Jugendamt bekannt noch sonst ersichtlich. Angesichts dessen bedarf es des Entzugs der Vermögenssorge nicht, obwohl die Mutter insoweit auch zur Wahrnehmung ihrer eigenen Belange nicht in der Lage erscheint, wie der Umstand deutlich macht, dass die Vermögenssorge auch zum Aufgabenkreis ihrer Betreuerin gehört.

4. Einer Übertragung derjenigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter durch diesen Beschluss gezogen werden, auf den Vater gemäß § 1680 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Es lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen, dass dies dem Wohl des Kindes dienen würde.

In dem Verfahren 30 F 475/10 sind erhebliche Defizite auf Seiten des Vaters festgestellt worden. Auch bei ihm ist offensichtlich eine Stabilisierung eingetreten, insbesondere auch durch die Aufnahme einer Partnerschaft zu einer Frau mit zwei Kindern. Der Vater erkennt auch die Fortschritte an, die V… im Rahmen der Fremdunterbringung gemacht hat. So hat er in seinem Schreiben vom 12.2.2013 erklärt, V… sei momentan bei der Familie S… bestens untergebracht.

Zurzeit wäre es dem Kindeswohl aber nicht dienlich, wenn dem Vater mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, die übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter zu entziehen sind, übertragen würden. Schon der Umstand der Fremdunterbringung und der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch das Jugendamt als Pfleger spricht eher dafür, auch die übrigen Teilbereiche dem Pfleger zu übertragen. Außerdem ist der Vater in der Vergangenheit seiner Verantwortung gegenüber V… noch nicht gerecht geworden. Er wird sich zukünftig um eine engere Bindung zum Kind bemühen müssen, etwa durch regelmäßige Wahrnehmung des Umgangs, gegebenenfalls auch durch das Bestreben, die Umgangskontakte auszuweiten. Ist das geschehen und hat die Stabilisierung des Vaters - insbesondere im Rahmen der neuen Partnerschaft - weitere Fortschritte erbracht, wird sich zeigen, ob die Einschätzung des Jugendamts im Bericht vom 5.2.2013, wonach „der Fokus weniger auf die Mutter, sondern klar auf den Vater sowie dessen Lebensgefährtin gelegt werden sollte", eine Bestätigung findet. ...." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2013 - 3 UF 93/12)

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Ein Wechselmodell darf grundsätzlich nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (KG Berlin, Beschluss vom 14.03.2013 - 13 UF 234/12):

„... Die gemäß § 58 FamFG zulässige Beschwerde des Vaters ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind auf die Mutter allein übertragen.

Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (BGH FamRZ 2011, 796-801; FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH, FamRZ 1990, 392, 393 mwN; FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte in tatsächlicher Hinsicht soweit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohlgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897).

Das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrechts war hierbei schon deshalb aufzuheben, weil den Eltern - jedenfalls aktuell - die Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit fehlt und durch einen andauernden Streit zwischen den Eltern über den Lebensmittelpunkt ihrer Tochter weiterer Schaden für das Kind droht.

Die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt in aller Regel eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern voraus. Dabei kommt es insbesondere darauf an, dass eine Verständigung der Eltern über wichtige Sorgerechtsfragen in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleistet. Elterliche Gemeinsamkeit lässt sich weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten verordnen; streiten sich Eltern bei Fortbestehen der gemeinsamen Sorge fortwährend über die das Kind betreffenden Angelegenheiten, kann dies zu Belastungen führen, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar sind (vgl. BGH FamRZ 2005, 1167 ff.; BGH FamRZ 1999, 1646, 1647). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des Senats erfüllt.

Die Eltern können sich nicht darüber einigen, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll. Sie haben es nicht vermocht, außer- oder auch innerhalb des hiesigen Verfahrens über diese Frage zu Reden. Die Verfahrensbeiständin hat bereits im ersten Termin vor dem Amtsgericht am 29.9.2011 eingeschätzt, dass die Kommunikation zwischen den Eltern bei ‚null' liege. Die Sachverständige spricht in ihrem Gutachten von einer ‚zusammengebrochen' Kommunikation zwischen den Eltern. Auch zeigten beide Eltern erhebliche Tendenzen, sich konflikthaft auf der Partnerschaftsebene auseinanderzusetzen, statt sich gemeinsam um die Belange des Kindes zu kümmern. Frau M...-H... vom Jugendamt Lichtenberg hat in ihrer Stellungnahme vom 27.6.2011 dem Vater die Bereitschaft abgesprochen, mit der Mutter zu kommunizieren. Auch der Senat hat im Anhörungstermin den Eindruck nahezu völliger Sprachlosigkeit zwischen den Eltern gewonnen; der von beiden nach der amtsgerichtlichen Entscheidung besuchte Kurs ‚Kind im Blick' hat insoweit keinen Erfolg gebracht.

Der Senat geht auch nicht davon aus, dass die Eltern ohne Hilfe zu einer zum Wohle ihres Kindes notwendigen Kommunikation in der Lage sein werden. Sie haben es bisher nicht einmal vermocht, sich über die von der Sachverständigen mit klaren Worten angemahnte psychotherapeutische Behandlung ihrer Tochter zu verständigen. Die Sachverständige hat hierzu in ihrem Gutachten ausgeführt, dass sich ohne eine solche Intervention die ‚bereits erheblichen sozial-emotionalen Auffälligkeiten des Mädchens ... weiter verfestigen und mit einiger Wahrscheinlichkeit prognostisch zu einer seelischen Störung des Kindes führen' werden. Dieses Gutachten ist den Verfahrensvertretern der Eltern vor über einem Jahr übersandt worden. Darauf vom Senat angesprochen, haben beide Eltern zwar berichtet, jeweils an den anderen mit einem Vorschlag zur Behandlung herangetreten zu sein. Da der andere jedoch nicht reagiert bzw. zugestimmt habe, sei bisher nichts geschehen. Die dazu weiter vorgebrachten Erklärungen der Eltern lassen es sogar nicht ausgeschlossen erscheinen, dass die von der Verfahrensbeiständin im Termin angeregte vorübergehende Fremdunterbringung des Kindes in Zukunft notwendig werden wird. Dies zu verhindern, haben allein die Eltern in der Hand, wobei der erste und unverzüglich zu gehende Schritt sein muss, gemeinsam die notwendige psychologische Unterstützung für ihre Tochter zu veranlassen. Um dies möglichst sicher zu stellen, war gem. § 1666 Abs. 3 BGB den Eltern aufzugeben, einen Antrag beim Jugendamt zur stellen, auf Aufnahme ihres Kindes in eine Trennungs- und Scheidungskindergruppe. Die Eltern werden jedenfalls im Anschluss an diese Maßnahme eigenverantwortlich zu prüfen und zu überlegen haben, ob eine weitere professionelle psychologische Unterstützung ihrer Tochter notwendig ist.

Es konnte auch nicht bei dem gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht mit der Maßgabe eines gerichtlich angeordneten Wechselmodells verbleiben. Auch nach Ansicht des Senats kann gegen den Willen eines Elternteils ein Betreuungs-Wechselmodell nicht familiengerichtlich angeordnet werden (ebenso: OLG Hamm NJW 2012, 398; OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 120; OLG Koblenz, FamRZ 2010, 738; OLG Dresden, FamRZ 2005, 125; OLG Brandenburg, FamRZ 2009, 1759). Der Vater hat seine ablehnenden Haltung zum Wechselmodell mehrfach betont. Die am Ende des Anhörungstermins vor dem Senat bekundete Bereitschaft, nun doch ein Wechselmodell zu akzeptieren, war lediglich eine Reaktion auf die sich abzeichnende Entscheidung und entsprang keinem Sinneswandel. Der Senat macht dem Vater diesen Versuch, einen Wechsel des Lebensmittelpunktes seiner Tochter zur Mutter zu verhindern, nicht zum Vorwurf. Dieser ist vielmehr Ausdruck des ehrlichen Bemühens um das Wohlergehen seiner Tochter.

Dahinstehen kann, ob in Ausnahmefällen auch gegen den Willen eines Elternteils ein Wechselmodell familiengerichtlich angeordnet werden kann (vgl. KG, Bs v. 28.2.2012 18 UF 184/09, zitiert nach juris). In dem dort entschiedenen Fall war das Wechselmodell im Hinblick auf das Kindeswohl geboten und entsprach dem eindeutig geäußerten und belastbaren Willen des Kindes. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor:

Ein Wechselmodell würde dem Kind eher schaden. Es bestünde die Gefahr, dass die notwendig entstehenden Konflikte aufgrund der fehlenden Kommunikation - wenn auch ungewollt - auf dem Rücken des Kindes ausgetragen werden. Das Konfliktpotential wäre vorliegend sogar größer, da sich der Vater auf das Wechselmodell letztlich nur gezwungenermaßen eingelassen hätte. Hinzu kommen die anscheinend erheblichen unaufgearbeiteten Probleme der Eltern auf der Partnerschaftsebene. Die hierzu vom Vater im Termin verbal bekundete Bereitschaft, die ‚Probleme in den Müll zu schmeißen', schafft sie nicht aus der Welt, sondern könnte nur ein erster Schritt dazu sein. Auch die Sachverständige sieht ‚erhebliche Tendenzen' beider Eltern, sich konflikthaft auf der Partnerschaftsebene auseinanderzusetzen, statt sich gemeinsam um die Belange des Kindes zu kümmern. Im Anhörungstermin vor dem Senat hat sie sich, ebenso wie die Verfahrensbeiständin, klar gegen ein Wechselmodell ausgesprochen.

Um eine dem Kindeswohl dienende Verbesserung der Kommunikation zwischen den Eltern zu erreichen und damit einer weiteren Kindeswohlgefährdung entgegenzuwirken, war den Eltern gem. § 1666 Abs. 3 BGB aufzugeben, Elterngespräche bei einer Erziehungs- und Familienberatungsstelle zu führen.

Daneben ist für das Kind nach Auffassung des Senats ein eindeutiger Lebensmittelpunkt unabdingbar. Das Kind musste in der Vergangenheit bereits mehrfach einen Wechsel des Lebensmittelpunktes verkraften. Teilweise waren diese Wechsel verbunden mit einem zeitweiligen vollständigen Abbruch des Kontaktes des Kindes zum anderen Elternteil. Ein ständiger Wechsel zwischen zwei Haushalten, ohne ein eindeutiges Zuhause, dient schon deshalb nicht dem Kindeswohl.

Letztlich ist der geäußerte Wille des Kindes nach einer gleichmäßigen Betreuung durch beide Elternteile nicht belastbar. Die Sachverständige führt dazu in ihrem Gutachten aus, dass das Kind derzeit nicht zu einer elternunabhängigen Willensformulierung in der Lage sei. Die Eltern beeinflussten bzw. manipulierten das Kind in der Willenbildung. Auch der Senat hat in der Kindesanhörung den schon von der Gutachterin beschriebenen Eindruck gewonnen, dass L... ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinten anstellt, um es beiden Eltern recht machen zu können.

Es ist zu erwarten, dass die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrecht allein auf die Mutter dem Wohl des Kindes am ehesten entspricht. Namentlich entspricht es dem Wohl L... im Moment am ehesten, wenn sie bei der Mutter wohnt. Gleichzeitig ist ein regelmäßiger Umgang mit dem Vater unabdingbar.

Diese Entscheidung beruht zunächst auf den vom Senat während der ca. 40 Minuten dauernden Kindesanhörung gewonnenen Eindrucks einer bestehenden Gefahr für die psychische Gesundheit des Kindes. L... verhielt sich auffallend distanzlos gegenüber drei ihr vorher unbekannten Erwachsenen. Auch vermochte sie es nur für kurze Zeit, sich auf das angebotene Spiel zu konzentrieren und stand immer wieder vom Tisch auf. Bereits nach kurzer Zeit überließ sie ihre Spielfiguren der Verfahrensbeiständin. Das Kind braucht nach Auffassung des Senats im Moment neben dem festen Lebensmittelpunkt insbesondere elterliche emotionale Zuwendung.

Diese Zuwendung sucht und findet das Kind stärker bei der Mutter. Während der Anhörung der Eltern hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass sich der Vater vorbildlich um die körperliche Gesundheit seiner Tochter, um deren schulische Belange und auch um ein äußerlich stabiles Zuhause gekümmert hat. Auch die Sachverständige hat dies in ihrem Gutachten betont. Der Senat hat aber auch den Eindruck gewonnen, dass der Vater zur Zeit nicht in der Lage ist, dem Kind die emotionale Zuwendung zu geben, die es braucht. Er ist konzentriert auf die körperliche Gesundheit L..., so z.B. auf die Übungen, die sie zur Korrektur einer Fußfehlstellung machen soll. Angesichts dessen und evt. auch aufgrund seiner beruflichen Beanspruchung hat er keinen Blick für die anderen im Moment dringlicheren Bedürfnisse seiner Tochter.

Auch die Sachverständig hat sich im Termin - und insbesondere angesichts des dort gewonnenen Eindrucks - für einen Wechsel zur Mutter ausgesprochen. Es sei für L... wichtig, mehr Mutter zu erleben. Bereits in ihrem Gutachten hatte die Sachverständige ausgeführt, dass L... eine deutliche emotionale Beziehungspräferenz zugunsten der Mutter gezeigt habe.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung die Gefahr erwogen, dass der Vater sich zurückziehen könnte, weil er diese angesichts seiner Betreuungs- und Erziehungsleistungen in der Vergangenheit als ungerecht empfindet. Der Senat verbindet mit der Entscheidung jedoch die Hoffnung, dass der Vater diese nicht als negatives Urteil über seine Leistungen ansieht, sondern erkennt, dass auch angesichts seiner Leistungen allein zum Wohle seiner Tochter der Wechsel zur Mutter erforderlich ist. Der Vater soll und wird nach Überzeugung des Senats auch künftig für seine Tochter da sein. Er ist eine sehr wichtige Bezugsperson für seine Tochter und muss es in ihrem Interesse bleiben.

Der Senat geht davon aus, dass die Mutter den Umgang des Vaters mit dem Kind zulassen und im Interesse des Kindes sogar fördern wird. Insbesondere sei hier an die ‚Zusage' im Termin erinnert, nicht mit dem Kind aus Berlin fortzuziehen. Das Kind braucht zwar im Moment mehr seine Mutter; es braucht aber weiterhin seinen Vater.

Vor diesem Hintergrund führt der Kontinuitätsgrundsatz zu keiner anderen Entscheidung; auch wenn der Senat - wie bereits ausgeführt - anerkennt, dass der Vater seiner Tochter seit August 2007 ein stabiles Zuhause geschaffen hat.

Die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten sind bei der Mutter gegeben. Es ist ferner davon auszugehen, dass das Kind bei der Mutter ausreichende und kindgerechte Wohnverhältnisse vorfindet.

Entscheidende Erziehungsdefizite sind bei beiden Elternteilen nicht festzustellen. Der Senat hat angesichts des Eindruck während der Anhörung auch keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich des psychischen Stabilität der Mutter. Der Mutter war jedoch gem. § 1666 Abs. 3 BGB aufzugeben, einen Erziehungsbeistand (Hilfen zur Erziehung gemäß §§ 27, 30 SGB VIII) in Anspruch zu nehmen und mit dem Beistand zusammenzuarbeiten. Der Senats sieht ohne diese sozialpädagogische Hilfe eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung als nicht gewährleistet an und hält diese Hilfe für die Entwicklung des Kindes für geeignet und notwendig. ..."

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Ein Wechselmodell, das wegen der paritätischen Betreuung eines Kindes auch unterhaltsrechtlich zur Folge hat, dass beide Eltern auf den Barunterhalt des Kindes haften, liegt nur dann vor, wenn neben etwa gleichwertigen zeitlichen Anteilen in der Betreuung auch die Verantwortung für die Sicherstellung einer Betreuung bei beiden Eltern liegt. Fehlt es daran, so kann dem hohen Betreuungsanteil des unterhaltspflichtigen Elternteils im Rahmen dieses erweiterten Umgangs dadurch Rechnung getragen werden, dass seine Unterhaltspflicht aus einer niedrigeren Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle entnommen wird, als der sich aus seinen bereinigten Einkünften entsprechenden Stufe (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.03.2013 - 2 UF 394/12).

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Ist der wirkliche Kindeswille zuverlässig durch den Verfahrensbeistand und eine richterliche Kindesanhörung aufgeklärt worden, so ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu regelmäßig nicht erforderlich (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 05.03.2013 - 6 UF 48/13):

„... Zu Recht und auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens hat das Familiengericht dem Vater unter Anwendung von § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB die alleinige elterliche Sorge für F. übertragen.

Unangefochten und - zumal im Lichte des Beschwerdeantrags der Mutter - rechtsbedenkenfrei (vgl. zu den insoweit einschlägigen Maßstäben BGH FamRZ 2011, 796 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2008, 592; Senatsbeschlüsse vom 26. August 2009 - 6 UF 68/09 -, FamRZ 2010, 385, und vom 21. Januar 2013 - 6 UF 8/13 -, jeweils m.w.N.) hat das Familiengericht das gemeinsame Sorgerecht der Eltern für F. vollständig aufgehoben.

Es findet ebenfalls die Billigung des Senats, dass das Familiengericht - auf der zweiten Prüfungsebene des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. dazu BGH FamRZ 2008, 592) - gerade dem Vater die elterliche Sorge für F. übertragen hat. Auch diesbezüglich hat das Familiengericht seiner Beantwortung der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der beiden Elternteile das Sorgerecht zu übertragen ist, beanstandungsfrei die hierzu höchstrichterlich aufgestellten und von der Senatsrechtsprechung geteilten Maßstäbe zugrunde gelegt (siehe zum Ganzen BGH FamRZ 2011, 796; 2010, 1060, jeweils m. Anm. Völker; 1990, 392; 1985, 169; Senatsbeschlüsse vom 16. November 2011 - 6 UF 126/11 - FamRZ 2012, 884, und vom 20. Januar 2011 - 6 UF 106/10 -, FamRZ 2011, 1153, jeweils m.w.N.), diese wohlerwogen ausgefüllt und im Ergebnis dem Vater den Vorzug gegeben. Der Senat tritt auch insoweit der beanstandeten Entscheidung bei. Die Beschwerdeangriffe sind nicht geeignet, die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Beschluss, die in Bezug genommen werden, zu entkräften.

Vergebens beanstandet die Mutter, das Familiengericht hätte den wirklichen Willen F.s nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens feststellen dürfen.

Im Lichte des - in Kindschaftssachen besonders verdichteten (dazu eingehend Senatsbeschlüsse vom 3. April 2012 - 10 UF 10/12 -, FamRZ 2013, 48, und vom 23. Januar 2013 - 6 UF 20/13 -) - Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 26 FamFG) muss das Gericht zwar die zur Verfügung stehenden Aufklärungs- und Prüfungsmöglichkeiten hinsichtlich entscheidungserheblicher Tatsachen ausschöpfen. Verfügt das Gericht aber über eine zuverlässige Grundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung, so ist es nicht stets gehalten, sich sachverständig beraten zu lassen (vgl. zum Ganzen BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 291, 399 und 1897; 2007, 105; BGH FF 2012, 67 m. Anm. Völker; BGH FamRZ 2010, 720 und 1060).

Hieran gemessen begegnet es bei den vorliegenden Gegebenheiten keinen Bedenken, dass das Familiengericht sich zur Ermittlung des Kindeswillens des Verfahrensbeistandes F.s bedient und von der Einholung eines Sachverständigengutachtens abgesehen hat. Es hat dabei berücksichtigt, dass der vom Kind geäußerte Wille Erkenntniswert hinsichtlich seiner persönlichen Bindungen zu beiden Elternteilen hat (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737; 1990, 392; vgl. - zum Umgangsrecht - auch BVerfG FamRZ 2007, 1078) und mit zunehmendem Alter auch als Ausdruck der Entwicklung des Kindes zu einer eigenständigen Persönlichkeit bedeutsam ist (§ 1626 Abs. 2 S. 2 BGB; dazu BVerfG FamRZ 2008, 1737; vgl. ferner - zum Umgangsrecht - BVerfG FamRZ 2007, 105; 2008, 845). Beanstandungsfrei hat das Familiengericht F. - sowohl durch die Einbeziehung des Verfahrensbeistands in das Verfahren als auch durch die verfahrensfehlerfrei durchgeführte Kindesanhörung (dazu BGH FamRZ 2010, 1060; 2011, 796, jeweils m. Anm. Völker) - die Möglichkeit gegeben, seine wirklichen persönlichen Beziehungen zu den Eltern erkennbar werden zu lassen (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2010, 1622; 2009, 399 und 1897; vgl. auch Senatsbeschluss vom 3. April 2012 - 6 UF 10/12 -, FamRZ 2013, 48).

Anhaltspunkte dafür, dass der von F. geäußerte Wille dessen Wohl nicht entsprechen könnte (BVerfG FamRZ 1981, 124; 2008, 1737), weil er maßgeblich vom Vater beeinflusst und deswegen unbeachtlich wäre (vgl. BGH FamRZ 1985, 169; vgl. auch BVerfG FamRZ 2009, 399), hat das Familiengericht zu Recht nicht gesehen. Auch die Mutter zeigt solche Indizien nicht in ansatzweise durchgreifendem Ausmaß auf. Allein die einmalige, vom Verfahrensbeistand wiedergegebene Äußerung des Vaters, er könne für den Fall des Lebens des Kindes bei der Mutter nicht mehr in seinem Haus wohnen bleiben, ist zwar zweifellos erzieherisch ungeschickt, aber nicht ausreichend, eine solch intensive Beeinflussung F.s anzunehmen. Weitere ernsthafte und prüfbare Vorfälle sind von der Mutter weder dargetan noch erkennbar. Keiner Vertiefung bedarf danach, dass die Mutter sich nach Erlass der angegangenen Entscheidung in Bezug auf die Herstellung von Umgangskontakten ebenfalls nicht kindzentriert verhalten hat, was zu leicht begreiflichen Enttäuschungen F.s geführt hat.

Bereits der Wille F.s erlangt hier - in gegebener Abwesenheit anderer Sorgerechtskriterien, bei denen ein Übergewicht der Mutter bestände - streitentscheidendes Gewicht. Er hat - abgesehen von seiner ersten, isoliert gebliebenen Äußerung im häuslichen Umfeld der Mutter - durchgehend zu erkennen gegeben, dass er beim Vater wohnen und seine Mutter besuchen will. Der Wunsch ist - auf den Bericht des Verfahrensbeistandes im ersten Rechtszug wird Bezug genommen - leicht nachvollziehbar begründet, zumal F. ausweislich des zweitinstanzlichen Berichts seines Verfahrensbeistandes seinen auf ein Leben beim Vater gerichteten Willen auch nach dem zwischenzeitlichen Wechsel zu diesem aufrechterhalten und sich ersichtlich zwischenzeitlich eher positiv entwickelt hat.

Dessen unbeschadet - und erneut mangels anderer überwiegend für die Mutter sprechender Sorgerechtseinzelbelange selbständig die Zurückweisung der Beschwerde der Mutter tragend - teilt der Senat auch die von ihr bekämpfte Auffassung des Familiengerichts, dass F. beim Vater eine bessere Förderung zu erwarten hat als bei der Mutter. Insbesondere geht aus den Akten zweifelsfrei hervor, dass der Vater sich - was die Lehrerin F.s, Frau S., ausweislich des erstinstanzlichen Berichts des Verfahrensbeistandes ebenso sieht - persönlich stärker in die schulische Förderung F.s einbringt als die Mutter. Diese hat im gesamten Verfahren nicht einmal in Grundzügen belastbar dargestellt, was sie - anstatt dem Vater und auch anderen Vorhaltungen zu machen - in Person hierzu beiträgt.

Soweit sie dem Vater vorgeworfen hat, dieser informiere sie nicht über Elternabende bzw. Klassenarbeiten, kann dahinstehen, inwieweit diese Vorwürfe berechtigt gewesen sind. Denn solange sie die Mitsorge für F. gehabt hat, hätte es ihr jederzeit freigestanden, selbst mit der Schule in Kontakt zu treten und das Hausaufgabenheft des Sohnes nachzusehen, zumal F. alle 14 Tage für zusammenhängende zwei Wochen bei ihr gewohnt hat und der Vater durch Schreiben der Schule vom 22. und 29. November 2012 - die die Mutter nachfolgend nicht in Zweifel gezogen hat - belegt hat, dass alle Einladungen zu Elternabenden schriftlich an die Erziehungsberechtigten gehen und die Klassenarbeiten spätestens eine Woche vorher im Hausaufgabenheft angekündigt werden.

Unbehelflich ist auch die Rüge der Mutter, das Familiengericht sei nicht ihrem Vortrag nachgegangen, dass F.s Großmutter väterlicherseits - zu der das Kind aktenersichtlich eine gute Beziehung hat - mit der Hausaufgabenbetreuung und -unterstützung des Kindes überfordert sei und der Vater F. deshalb nicht aus der Nachmittagsbetreuung hätte herausnehmen dürfen. Denn der Vater hat hierzu dargelegt, die Großmutter sei 60 Jahre alt und komme mit den Grundschulhausaufgaben zurecht. Nachdem der Vater außerdem das Halbjahres- und Jahreszeugnis der Grundschule F.s vorgelegt hat, aus denen nur ein geringfügiges, in der üblichen Benotungsstreubreite liegendes Nachlassen der Leistungen des Kindes hervorgeht und er bereits - anders als die Mutter - Nachhilfeunterricht für F. in den Fächern organisiert hat, in denen er der Unterstützung bedarf, ist davon auszugehen, dass er auch etwaige Grenzen der Fördermöglichkeiten der Großmutter durchaus zu erkennen in der Lage ist.

Dient hiernach die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater dem Wohle F.s am besten und fehlen auch Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge ganz oder teilweise aufgrund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss (§ 1671 Abs. 3 BGB), bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Der Senat sieht unter den obwaltenden Umständen von einer - von den Beteiligten auch nicht angeregten - persönlichen Anhörung der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz ab, weil der zu beurteilende Sachverhalt erstinstanzlich verfahrensfehlerfrei aufgeklärt worden ist und eine erneute Vornahme weder zusätzliche entscheidungserhebliche (§ 26 FamFG) Erkenntnisse noch eine Einigung der Beteiligten erwarten lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG; ein Grund dafür, die Mutter von den ihr regelmäßig aufzuerlegenden Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten, ist nicht ersichtlich.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus § 40 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.

Der Mutter ist die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht ihrer Beschwerde zu verweigern (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO).

Dem - jedenfalls derzeit noch - kostenarmen Vater ist ratenfreie Verfahrenskostenhilfe für den zweiten Rechtszug unter hier nach § 78 Abs. 2 FamFG angezeigter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwalts zu bewilligen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114 S. 1, 119 Abs. 1 S. 2 ZPO). Sobald die Mutter allerdings Kindesunterhalt leisten wird, wird eine Abänderung dieser Bewilligungsentscheidung nach § 120 Abs. 4 ZPO zu prüfen sein. ..." (Anm. der KD-Redaktion: Diese Entscheidung ist angesichts der immer wieder fehlenden Aufklärungsbereitschaft der zuständigen Gerichte sehr bedenklich. In strittigen Fällen sind der Verfahrensbestand, der nicht selten ergebnisorientiert und ansonsten aufgrund nicht transparenter Motive ausgewählt wird, und die Anhörung der betroffenen Kinder, die nicht selten gar keinen eigenen Willen vermitteln, besonders unzuverlässige Beweisquellen. Warum das dem Senat eines Oberlandesgerichts nicht geläufig ist, kann nur schwer nachvollzogen werden. Willkürlichen staatlichen Eingriffen wird damit jenseits des Kindeswohls Vorschub geleistet).

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Die Kollisionsnormen des Haager Übereinkommens über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996 (KSÜ) bestimmen auch dann das maßgebende Recht, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus der vorrangigen Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 (Brüssel IIa-VO) ergibt. Dies gilt jedenfalls, wenn eine Zuständigkeit (auch) aus den Art. 5ff. KSÜ - bei einer fiktiven Anwendung - begründet wäre. Das Sorgerechtsstatut nach Art. 16 Abs. 1 KSÜ ist grundsätzlich durch die Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts ex nunc wandelbar. Es stellt sich die Frage der Rückwirkung des Art. 16 Abs. 1 KSÜ für die bis zum Inkrafttreten des Abkommens am 1. Januar 2011 abgeschlossenen Tatbestände (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2013 - 18 UF 298/12).

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Allein die Möglichkeit, als Alleinerziehende nach § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG für zwei weitere Monate (insgesamt somit für 14 Monate) Elterngeld zu beziehen, rechtfertigt es nicht, gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das gemeinsame elterliche Sorgerecht teilweise aufzuheben und der alleinerziehenden Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.02.2013 - 2 UF 272/12).

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Bei der Mitwirkung des Jugendamtes in familiengerichtlichen Verfahren, bei denen es nicht um den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung geht, ist die Erhebung von Sozialdaten bei Dritten grundsätzlich unzulässig; ein Verstoß kann zur Schadenersatzpflicht führen (OLG Zweibrücken, Urteil vom 21.02.2013 - 6 U 21/12).

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Allein die Möglichkeit, als Alleinerziehende nach § 4 Abs. 3 Satz 4 BEEG für zwei weitere Monate (insgesamt somit für 14 Monate) Elterngeld zu beziehen, rechtfertigt es nicht, gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das gemeinsame elterliche Sorgerecht teilweise aufzuheben und der alleinerziehenden Mutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.02.2013 - 2 UF 272/12).

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„... Nach § 1671 Abs. 1 und 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs derselben und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Vor dem Hintergrund der unüberbrückbaren und in der hier anzutreffenden Vehemenz kaum zu überbietenden Meinungsverschiedenheiten der Kindeseltern über den ständigen Lebensmittelpunkt von A…, war es jedenfalls unausweichlich, das gemeinsame Sorgerecht für den Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil zu übertragen. Einigkeit herrscht zwischen den ansonsten unstreitig derzeit weder kommunikations- noch kooperationswilligen und -fähigen Eltern auch dahin, dass ein gemeinsames elterliches Sorgerecht für den Bereich der Gesundheitsfürsorge nicht mehr verantwortlich ausgeübt werden kann, so dass auch insoweit eine Auflösung vorzunehmen war. Nicht entschieden zu werden braucht, da beide Kindeseltern dies erkennbar nicht (mehr) wollen, ob vor dem Hintergrund der erheblichen Differenzen zwischen ihnen nicht auch die Aufhebung der gemeinsamen Sorge insgesamt oder weitergehender Teilbereiche desselben in Betracht zu ziehen war. Der Senat sieht die auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge konzentrierte eingeschränkte gegenläufige Antragstellung als Hoffnungsschimmer dafür, dass - wie dies auch die Sachverständige angenommen hat - die Kindeseltern nach Beendigung dieses Verfahrens und einer Übergangszeit im Interesse der gemeinsamen Tochter A… bereit sind, ihre wechselseitigen persönlichen Befindlichkeiten zurückzustellen, um doch - wieder - gemeinsame Verantwortung für ihre Tochter zu übernehmen. Gerade die A… zu vermittelnde Erfahrung, dass sich beide - von ihr gleichermaßen geliebten - Eltern in gemeinsamer Verantwortung um sie sorgen, ist aus Sicht des Senates für die weitere Entwicklung der heute 10-jährigen Tochter von großem Wert.

Unter Heranziehung der Feststellungen der vom Amtsgericht beauftragten Sachverständigen und der weiteren Entwicklungen seit Erlass der angefochtenen Entscheidung bzw. mit Blick auf die in der väterlichen Familie unmittelbar bevorstehenden räumlichen Veränderungen erachtet es der Senat aus Gründen des Wohls A… für richtig, der Kindesmutter das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen.

Maßstab für jede Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Die Entscheidung, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht aus Gründen des Kindeswohls zu übertragen ist, hat das Gericht an den Kriterien der Erziehungseignung der Eltern, der Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister, den Prinzipien der Förderung und Kontinuität sowie unter Beachtung des Kindeswillens, soweit dieser mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist, auszurichten. Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Vielmehr kann jedes von ihnen im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein für die Beurteilung, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls sorgsam abwägende Entscheidung.

Bei der nach diesen Kriterien vorgenommenen Prüfung ist der Senat zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Wohl A… am besten entspricht, wenn das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Mutter übertragen wird mit der Folge, dass A… weiterhin ihren Lebensmittelpunkt bei der sie seit der Trennung im Mai 2007 hauptsächlich betreuenden Mutter und damit insbesondere zugleich auch in dem ihr vertrauten räumlich-sozialen Umfeld in O… haben wird. Dies steht im Einklang mit der Empfehlung der Sachverständigen.

Für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter streitet - wie das Amtsgericht zutreffend und insoweit auch von der Beschwerde nicht beanstandet ausgeführt hat - ganz eindeutig der Kontinuitätsgrundsatz. Unter diesem Aspekt gab es seit Verfahrensbeginn einen erheblichen Vorrang für die Kindesmutter, der durch den „ertrotzten" Wechsel A… in den väterlichen Haushalt am 6. August 2012 keinen nachhaltigen Einbruch erlitten hat, vielmehr mit Blick auf den unmittelbar bevorstehenden Umzug des Vaters mit Ehefrau und Tochter nach E… und die damit für den Fall einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater von heute auf morgen eintretenden erheblichen Umstellungen in der Lebenssituation A… noch an Bedeutung gewonnen hat.

Dies auch deshalb, weil der Senat im Anhörungstermin den Eindruck gewonnen hat, dass der Vater nur sehr unzureichend ein Problembewusstsein dafür entwickelt hat, ob und inwieweit A… die mit dem gewünschten Umzug verbundenen gravierenden Veränderungen ihrer gesamten Lebenssituation und die damit einhergehenden Anforderungen ohne nachhaltige Beeinträchtigungen für ihr seelisches Wohl wird bewältigen können. Es ist ebenso offenkundig wie nachvollziehbar, dass A… die mit dem gewünschten Umzug einhergehenden Veränderungen und absehbaren Schwierigkeiten - Wechsel nicht nur der Schule, sondern auch des Schulsystems im laufenden Schuljahr, Verlust von langjährigen Freunden bei gleichzeitigem Neuaufbau sozialer Kontakte in der neuen Schul- und räumlichen Umgebung, Verlust insbesondere der innig geliebten, nicht mehr in gleicher Weise verfügbaren Mutter und ein Vater, der durch die beabsichtigte abhängige Beschäftigung bei in absehbarer Zeit angestrebter Gründung zugleich auch einer zunächst nebengewerblich betriebenen Praxis persönlich naturgemäß nur noch eingeschränkt zur Verfügung stehen kann, Pflege- und Betreuungsbedarf der jüngeren Halbschwester und der Großeltern väterlicherseits, die die „Vaterfamilie" zusätzlich fordern - nicht zu erkennen vermag. Der Senat hat allerdings mit erheblicher Sorge zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch der Vater meint, das sei im Grunde alles gar kein Problem. Der Senat vermisst an dieser Stelle deutlich ein Einfühlen des Vaters in die kindlichen Belange und die seelischen Befindlichkeiten seiner Tochter, die jenseits des geäußerten Willens - dazu sogleich - für eine gesunde Entwicklung eines Kindes von besonderer Bedeutung sind.

Die von Liebe und Fürsorge getragene Beziehung A… zu ihrer kleinen Halbschwester An… ist in der Eigenwahrnehmung des Kindes und erkennbar auch nach den Wahrnehmungen der Eltern, die diesem Gesichtspunkt kein nennenswertes Gewicht in ihrer Argumentation beimessen, nicht von so herausgehobener Bedeutung, dass dies für die hier zu treffende Entscheidung besonders zu berücksichtigen wäre. Diese Beziehung könnte ohne nachhaltige Qualitätseinbußen auch im Wege regelmäßigen Umgangs aufrechterhalten bleiben, wie dies etwa bisher auch im Verhältnis zu Au… (der älteren Tochter der neuen Ehefrau des Vaters, die nicht im väterlichen Haushalt lebt) gelungen ist.

Ebenso eindeutig wie die Kontinuität für eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter und damit die Rückkehr in den mütterlichen Haushalt und den Verbleib in O… streitet, steht dagegen der von A… seit Verfahrensbeginn in zahlreichen Befragungen durch den Verfahrensbeistand, die Sachverständige und die in dieser Angelegenheit befassten Richter in zwei Instanzen ebenso kontinuierlich wie intensiv und mit zunehmender Vehemenz geäußerte Wunsch und unbedingte Wille dahin, in den väterlichen Haushalt wechseln zu wollen. Im Streitfall gewinnt die Frage, ob dem so geäußerten Kindeswillen aus Gründen des Kindeswohls unter Durchbrechung bzw. Hintanstellung des Kontinuitätsprinzips letztlich Geltung zu verschaffen ist, entscheidende Bedeutung.

Das Amtsgericht hat im Ausgangspunkt seiner Betrachtung zu Recht die Doppelfunktion des Kindeswillens beschrieben: Ein vom Kind kundgetaner Wille kann Ausdruck der relativ stärksten Personenbindung sein, die das Kind empfindet (oder aber unter Beeinflussung so artikuliert). Hat ein Kind zu einem Elternteil eine stärkere innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden. Daneben ist der geäußerte Kindeswille ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als zur Selbstständigkeit erzogener und strebender Person (vgl. dazu BVerfG FamRZ 1981, 124; 2007, 1797; 2009, 1389 - jeweils zitiert nach juris), wobei diese zweite Funktion mit zunehmendem Alter, psychischer Reife und vernunftgemäßer Urteilsfähigkeit an Beachtlichkeit gewinnt.

Gemessen daran geht auch der Senat im Ergebnis der schriftlichen und erneuten mündlichen Erläuterungen der Sachverständigen, denen sich das Gericht nach eigener kritischer Würdigung anschließt, davon aus, dass der von A… erklärte Kindeswille für die hier zu treffende, am Kindeswohl auszurichtende Entscheidung nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein kann. Im konkreten Fall ist zu beachten, dass A… im gesamten Verfahren eine gleichermaßen enge und emotional positive Beziehung zu beiden Elternteilen hat erkennen lassen. Jeder Elternteil stellt für sie eine wichtige Bezugsperson dar, den sie lieb hat und mit dem sie gern zusammen ist. Eine auch nur relativ stärkere Bindung zu einem Elternteil lässt sich objektiv nicht feststellen. Das bestätigen die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigen, die insoweit vom Vater auch nicht in Zweifel gezogen werden. A… erlebt - so die Testergebnisse - jeden der Elternteile in der Erziehung und Betreuung absolut vergleichbar und ohne nennenswerte Unterschiede und hat keine reale Hauptidentifikationsfigur. Ferner zeigt A… im direkten Kontakt mit der Mutter bzw. mit dem Vater keinerlei Beziehungspräferenzen. Auch die Erklärungen A… gegenüber dem Senat am 31. Januar 2013 waren insoweit eindrucksvoll: Gefragt nach allerlei Einzelheiten in der näheren Ausgestaltung des und den Erfahrungen im alltäglichen Zusammenleben(s) mit der Mutter einerseits und dem Vater andererseits (Alltag, Freizeit, schulische Unterstützung, Beziehung zu den Eltern) konnte selbst A… im Ergebnis nur mit dem Senat feststellen, „dass eigentlich alles gleich ist". Wenn A… bei dieser Ausgangslage gleichwohl - wie sie es zuletzt auch gegenüber dem Senat formuliert hat - „unbedingt nach E… will", das sei „so ein Gefühl, das vom Herzen kommt und nicht zu beschreiben ist", dann muss die Autonomie dieses Kindeswillens hinterfragt werden.

Hierzu hat die Sachverständige - gespeist aus kinderpsychologisch anerkannten Grundsätzen, der zeitlichen Entwicklung der verschiedensten Äußerungen des Kindes und die Einbettung in äußere Ereignisse - überzeugend festgestellt, dass ein Kind im Alter A… - die bei Verfahrensbeginn rund 8 ¾ und heute rund 10 ¾ Jahre alt ist - in aller Regel keinen ganz eigenständigen und autonomen Willen bildet, sondern sich an ihren primären Bezugspersonen orientiert. Ein zumal vom Trennungs(dauer)stress der Eltern belastetes Kind, will sich in aller Regel am liebsten frei und nach Gutdünken zwischen beiden Eltern und den dazu gehörigen engsten Bindungspersonen bewegen und sich nicht entscheiden müssen. Ein solches Verhalten war auch bei A… - verbal und durch ihre Zeichnung (vgl. Bl. 396 GA) - festzustellen. In der Konfrontation mit einem - wie hier ganz massiven - Elternkonflikt auch und gerade um den Lebensmittelpunkt, weicht ein Kind - so die Sachverständige weiter - nicht selten dahin aus, dass es den Willen eines Elternteils als eigenen interpretiert und übernimmt. Im Streitfall gibt es greifbare Anhaltspunkte dafür, dass A… den - unbestritten - sehr ausgeprägten eigenen Wunsch des Vaters, dass die Tochter bei ihm leben solle, übernommen hat. Der Vater hat, von der Sachverständigen zu der Möglichkeit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter befragt, mitgeteilt, dass das ganz schlimm wäre und es für ihn unerträglich sei, wenn er seine Tochter nicht um sich habe; ohne A… könne und wolle er nicht leben" (Seite 20 des schriftlichen Gutachtens, Bl. 325 GA). Der Vater ist, das zeigen die Erhebungen der Sachverständigen und auch sein Vorbringen im gesamten Verfahren, mindestens seit Verfahrensbeginn der festen inneren Überzeugung, dass A… - die seiner Einschätzung nach alles verstehe, da sie frühreif sei (S. 26/53 des Gutachtens, Bl. 331/358 GA) - selbst entscheiden könne (und solle), wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben wolle. Diese Einstellung hat er, anders als die Mutter, A… auch immer wieder vermittelt und dabei - bewusst oder unbewusst - eine solche Entscheidung des damit überforderten Kindes herausgefordert, über die Zeit hinweg verstärkt und in der Folgezeit mit der Ankündigung eines zeitnah bevorstehenden Umzuges nach E… - in unverantwortlicher Weise - so forciert, dass A… nach den Ferien mit dem Vater im Sommer 2012 „Nägel mit Köpfen gemacht" hat und „eigenmächtig" und mit aktiver Unterstützung des Vaters in dessen Haushalt gewechselt ist. Vor diesem Hintergrund überzeugt die Einschätzung der Sachverständigen, dass A… Äußerungen, zum Vater zu wollen, mindestens auch eine Reaktion auf den (Entscheidungs-)Druck sind, der - nochmals: bewusst oder unbewusst mit dem Ziel der Manipulation eingesetzt - vom Vater ausgegangen ist. Bei dieser Sachlage bestehen durchgreifende Bedenken, den Kindeswillen als Ausdruck eines autonomen und selbstbestimmt entwickelten Wunsches A… einzuordnen, zumal den Äußerungen des Kindes seit dem Wechsel in den väterlichen Haushalt eine den Erklärungen des Vaters vergleichbare Sorglosigkeit bzw. ein ähnlicher Optimismus in Bezug auf die „problemlose" Umstellung der Lebensverhältnisse, die dem Kind für sich betrachtet ganz klar vor Augen stehen, anhaftet.

Gleichwohl kann der Kindeswille - auch das hat die Sachverständige überzeugend ausgeführt - nicht einfach als unbedeutend abgetan werden, weil A… diesen Wunsch als für sich authentisch und mittlerweile zu ihrer Identität gehörig erlebt und deshalb negative Auswirkungen auf die Selbstwirksamkeits- und Kontrollüberzeugungen des Kindes und damit nachteilige Folgen für das Wohl des Kindes zu erwarten sind. Die Sachverständige hat deshalb eine Folgenabwägung für den Fall einer Entscheidung gemäß dem Kindeswillen oder wider den Kindeswillen angestellt, die - im Rahmen der Anhörung vor dem Senat - insbesondere auch die Frage der realen Umsetzung einer gegen den Kindeswillen ergangenen gerichtlichen Entscheidung beinhaltete. Die Sachverständige hat danach die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter empfohlen und dafür - aus Sicht des Senates überzeugend - folgende Erwägungen angestellt.

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter würde bedeuten, dass ihr Wunsch nach einem dauerhaften Wechsel zum Vater unerfüllt bliebe und sie diesen als ständig verfügbaren Ansprechpartner und Bezugsperson verliert, der persönliche Kontakt also nur noch im Rahmen von Wochenend- und Ferienumgängen gepflegt werden könnte. Ein Stabilitätsfaktor in einer solchen Situation wird der im Übrigen unveränderte Fortbestand der sonstigen Lebensumstände bieten. Gleichwohl müsste die zu erwartende tiefe Enttäuschung des Kindes, die von Frustration und zumindest zunächst - dies zeigen die Ereignisse nach dem 6. August und insbesondere nach Erlass der angefochtenen Entscheidung - von einer (vordergründigen) Ablehnung der Kindesmutter begleitet sein könnten, im Zuge einer - nach Möglichkeit mit psychologischer Unterstützung - offensiven Auseinandersetzung zwischen Mutter und Kind abgefangen werden. Eine solche Entscheidung wäre natürlich für A… um vieles leichter zu akzeptieren, wenn es dem Vater gelänge, den zu erwartenden eigenen Ärger über eine solche - seinen und A… Wünsche nicht entsprechenden - gerichtlichen Entscheidung hintanzustellen und seiner Tochter das Gefühl zu vermitteln, dass es ihr bei der Mutter gut gehen wird, was außer Frage steht, und sie sich dort fallen lassen kann und er als Vater trotz der räumlichen Entfernung über die regelmäßigen Umgänge weiterhin als besondere Bezugs- und Vertrauensperson zur Verfügung steht. Nach Einschätzung der hier befassten Fachleute und dem Eindruck des Senates im Rahmen der Anhörung am 31. Januar 2013 kann allerdings nicht ernsthaft damit gerechnet werden, dass der Vater eine letztlich beschlossene Rückkehr A… in den mütterlichen Haushalt im Interesse seines Kindes letztlich mittragen und noch weniger offensiv unterstützen wird. Von einem verantwortlich handelnden Elternteil in der Situation des Kindesvaters muss in einem solchen Fall allerdings zumindest erwartet werden, dass er die Tochter nicht aktiv darin unterstützt, die vordergründig so abgelehnte gerichtliche Entscheidung dadurch zu unterlaufen, dass dem vermeintlich authentischen Willen auf andere Weise zum Durchbruch verholfen wird. In einer Übergangsphase, deren Verlauf nicht sicher abgeschätzt werden kann, muss also bei einer Entscheidung zugunsten der Mutter mit psychischen Belastungen für das Kind gerechnet werden. Ohne dass hier wirklich Sicherheit besteht, hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass die Ankündigung A…, sie werde notfalls weglaufen, eher als Druckmittel eingesetzt wird, um im anhängigen Gerichtsverfahren ihrem Willen, mit dem Vater nach E… ziehen zu können, zum Durchbruch zu verhelfen, wie sie zuvor auch schon Umgangskontakte zur Mutter nur gegen eine Zustimmung zum dauerhaften Wechsel in den väterlichen Haushalt zulassen wollte, als dass eine Umsetzung eines solchen Vorhabens zu besorgen ist. Dabei ist - dies hat auch die Sachverständige hervorgehoben - insbesondere zu berücksichtigen, dass A… ja nicht etwa bei einem Elternteil leben soll, dem sie mit Ablehnung begegnet. A… liebt ihre Mutter nicht weniger als den Vater, so dass - so die Sachverständige weiter - erwartet werden kann, dass A… sich nach einer gewiss heftigen Konfrontation in kürzester Zeit in den mütterlichen Haushalt zurückfinden und sich dort so wohl, verstanden und geborgen fühlen wird, wie dies in der Vergangenheit der Fall war.

Im Falle einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater und einem Wegzug A… nach E… würde dagegen A… geäußertem Willen entsprochen; sie erhielte dadurch die Gelegenheit, in einem Familienverband mit dem Halbgeschwisterkind aufzuwachsen und die Beziehungen zur väterlichen Familie zu vertiefen. Da der Kindesvater nunmehr unverrückbar seinen Lebensmittelpunkt am 7. Februar 2013 nach E… verlegen wird, bedeutete dies neben der Trennung von der Mutter, zu der persönlich nur noch Umgangskontakte gepflegt werden könnten, ein Herausreißen aus der räumlich-sozialen Umgebung, einen Schulwechsel im laufenden Schuljahr und die Unsicherheit über die Einspannung des Vaters in seine beruflichen Ambitionen und die Auswirkungen auf das Familienleben, das insgesamt mit den geänderten Rahmenbedingungen am neuen Wohnort und den pflegebedürftigen (Groß-)Eltern vor Veränderungen steht. Auch in dieser Variante ist deshalb mit Belastungen für das Kind zu rechnen, die in ihrem Ausmaß naturgemäß nicht sicher vorherzusehen sind. Der Senat hat - wie bereits ausgeführt - allerdings den Eindruck gewonnen, dass der Kindesvater die aus diesen massiven Veränderungen der Lebensumstände abzuleitenden Belastungen für das Kind nicht wirklich wahrnimmt. Dies gibt dem Senat Anlass zur Sorge, ob der Vater sich in die nach wie vor kindlichen Bedürfnisse A… hinreichend einfühlen kann oder diese nicht vielleicht überfordert, wie dies mit der schon seit Jahren inadäquat stark betonten Entscheidungskompetenz des Kindes für seinen Lebensmittelpunkt geschehen ist.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass es vorliegend für das Gericht keine optimale Lösung geben kann, sondern in jedem Falle mit nicht unerheblichen Belastungen für das Kind gerechnet werden muss. Die - nach dem Versagen der für das Aufenthaltsbestimmungsrecht und den Lebensmittelpunkt ihres Kindes ureigentlich verantwortlichen Eltern notwendige - gerichtliche Entscheidung muss sich daher daran orientieren, welche Lösung prognostisch weniger nachteilige Folgen für A… haben wird. Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende große räumliche Entfernung der gleichermaßen geliebten Kindeseltern durch den Umzug des Vaters nach E… (ca. 600 km entfernt) gewinnt der Aspekt, welcher Elternteil die größere Gewähr dafür bietet, dass ein kontinuierlicher ungestörter persönlicher Umgang A… mit dem nicht betreuenden Elternteil sichergestellt wird, besondere Bedeutung.

Der Senat verkennt nicht, dass die Sachverständige auch in der Person der Kindesmutter in der Vergangenheit konkrete Anhaltspunkte für eine nur eingeschränkte Bindungstoleranz gefunden hat (Seite 58 des Gutachtens, Bl. 363 GA). Allerdings bestehen im Ergebnis der Begutachtung und auch unter Beachtung der Ereignisse seit dem Wechsel A… in den väterlichen Haushalt nicht weniger, sondern größere Bedenken, ob der Vater die Konsequenz aufbringen würde, unter den geänderten Rahmenbedingungen einen kontinuierlichen persönlichen Umgang A… mit der Mutter nicht nur zuzulassen, sondern aktiv zu fördern und ggf. auch spontane Unlust des Kindes zu überwinden, wenn A… dauerhaft bei ihm leben würde.

Diese größeren Bedenken auf Seiten des Vaters leitet der Senat - entgegen der Argumentation des Amtsgerichts - weniger daraus ab, dass der Vater im Vergleich zur Mutter grundsätzlich weniger gut in der Lage ist, dem Kind zu vermitteln, dass der nicht betreuende Elternteil die zweitwichtigste Bindungs- und Beziehungsperson für das Kind bleibt, und den anderen Elternteil in einem entsprechend positiven Licht für das Kind darzustellen. Die Erhebungen der Sachverständigen lassen die Feststellung zu, dass sich in der Vergangenheit eine mangelnde Wertschätzung des jeweils anderen Elternteils sowohl beim Vater wie auch bei der Mutter beobachten ließen und auch A… solche abwertenden Einschätzungen von Vater oder Mutter über den jeweils anderen erleben musste, wenn auch der Vater hierbei offenbar verbal etwas aggressiver zu Werke gegangen ist. Viel mehr als das beeindruckt den Senat der Umstand, dass der Vater im gutachterlichen Prozess zu erkennen gegeben hat, dass die Sicherstellung eines regelmäßigen, kontinuierlich sichergestellten persönlichen Umgangs nicht die Bedeutung für ihn hat, die dieser Frage gerade für den Fall einer erheblichen räumlichen Entfernung zwischen den Elternteilen zukommt. So hat er sich befragt, wie der Umgang des Kindes mit der Mutter künftig verlaufen werde, dahin erklärt, dass er das noch nicht wisse; „einmal im Monat oder keine Ahnung. So, wie A… und die Kindesmutter das wollen." Die Kindesmutter könnte 14-tägig nach E… kommen und dann auch bei ihnen im Haus wohnen. Aus seiner Sicht sei das realistisch. (…) Falls A… keine Lust auf ein Treffen mit der Mutter hätte, würde er ihr sagen: „Rede mit deiner Mutter." (Seiten 26 f. des Gutachtens, Bl. 331 f. GA). In diesen Äußerungen spiegelt sich die in der Persönlichkeit des Vater grundsätzlich angelegte Neigung zu Spontanität und möglichst wenig Reglementierung bei größtmöglicher Entscheidungsfreiheit für das Kind - eine Grundhaltung, die Bedenken dahin weckt, ob es dem Vater wirklich gelingen kann, A… etwa auch dann zum Umgang zu bewegen, wenn ihr dies gerade nicht passt, weil etwa eine Freundin am Umgangswochenende zu einer Geburtstagsfeier eingeladen hat oder auch nur die - natürlich zu erwartenden - Reisestrapazen ungelegen kommen und Unlust hervorrufen. Die Bedenken gegen die notwendige Konsequenz des Vaters in diesem Zusammenhang speisen sich ferner aus dem Umstand, dass es sowohl nach dem Wechsel A… in den väterlichen Haushalt am 6. August 2012 als auch nach dem Anhörungstermin vor dem Amtsgericht jeweils zunächst einen mehrwöchigen Kontaktabbruch gegeben hat, weil A… seinerzeit aus verschiedenen Gründen keinen persönlichen Umgang mit der Mutter pflegen wollte.

Die Mutter, die sich in der Vergangenheit eher zu sehr an starren Umgangsregelungen festgehalten hat und angesichts der Nähe der Eltern zu wenig flexibel auf Sonderwünsche des Kindes reagiert hat, erscheint nach Überzeugung des Senates deutlich konsequenter, wenn es darum geht, eine bestehende Umgangsregelung notfalls auch einmal gegen die Wünsche der Tochter dauerhaft umzusetzen.

Nach Abwägung der die Entscheidung im Streitfall maßgeblich bestimmenden Kindeswohlaspekte - stabil und intensiv artikulierter, wenngleich nicht autonom und als Ausdruck persönlicher Selbstbestimmung entwickelter Kindeswille, gleichermaßen innige und liebevolle Beziehung zu den (im Grundsatz gleichermaßen erziehungsgeeigneten und mit Förderkompetenz ausgestatteten) Eltern, wesentlich größere Gewähr für stabile Lebensverhältnisse auf Seiten der Mutter, die zudem über das größere Potenzial zur Sicherstellung regelmäßiger persönlicher Umgangskontakte verfügt als der Vater - gelangt auch der Senat zu der Überzeugung, dass es aus Gründen des Kindeswohls geboten ist, der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A… zu übertragen. Nachdem in Bezug auf die Gesundheitsfürsorge - ausweislich der gegenläufigen Anträge insoweit - einerseits Einigkeit zwischen den Eltern darüber besteht, dass auch in diesem Teilbereich eine gemeinsame elterliche Verantwortung im Interesse des Kindes nicht gelebt werden kann, andererseits weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass einem Elternteil insoweit aus besonderen sachlichen Gründen der Vorrang einzuräumen wäre und nicht zuletzt die Beschwerde in diesem Punkt keine eigenen Angriffe vorbringt, folgt der Senat auch in diesem Punkt der angefochtenen Entscheidung. Die das Kind hauptsächlich betreuende Kindesmutter auch mit diesem Teilbereich zu betrauen, minimiert letztlich das nach wie vor bestehende hohe Konfliktpotenzial der Eltern und trägt im Rahmen der hier bestehenden Möglichkeiten zur Entlastung des Kindes bei.

2. Die hier getroffene Umgangsregelung orientiert sich an der - im Kern nicht umstrittenen - Umgangsregelung des Amtsgerichts und ist von der Absicht getragen, einen unbedingt für erforderlich gehaltenen regelmäßigen und - im Rahmen des Zumutbaren für alle Beteiligten - möglichst hoch frequenten persönlichen Kontakt des Kindes mit dem nicht weniger innig geliebten Elternteil auch in Ansehung der großen räumlichen Distanz zwischen den Eltern zu ermöglichen. Es besteht grundsätzlich Einigkeit dahin, dass regelmäßig 14-tägig ein persönlicher Umgang zwischen A… und dem nicht betreuenden Elternteil stattfinden soll, der allerdings zur Entlastung des Kindes abwechselnd einmal in O… und einmal in E… durchgeführt werden soll. Nach den Erörterungen im Anhörungstermin vor dem Senat bestehen bei beiden Elternteilen auch keine grundsätzlichen Bedenken, sich anteilig an den entstehenden Zugreisekosten zu beteiligen. Der Senat erachtet insoweit einen Beitrag auch der Kindesmutter für sachgerecht, weil nicht erkennbar ist, dass der Umzug des Vaters aus sachfremden Erwägungen und vor allem daraus motiviert wäre, eine möglichst große Entfernung zum Wohnsitz der Kindesmutter zu schaffen, und weil mit Blick auf die berufliche und damit finanzielle Umbruch-Situation des Vaters im Vergleich zu der augenscheinlich ebenso gefestigten wie gesicherten wirtschaftlichen Lage der Mutter ein entsprechender Beitrag zumutbar erscheint.

Auch in der Ferienregelung orientiert sich der Senat an der amtsgerichtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung der insoweit nicht ganz deckungsgleichen wechselseitigen Anträge der Kindeseltern, die - wenn auch mit geringfügigen Abweichungen - ersichtlich alle von dem Bemühen getragen sind, eine den Interessen A… wie auch denen der Eltern möglichst nahe kommende Ausgestaltung zu finden. Mit Blick auf die besonders enge Bindung A… zum Vater und die bestehende räumliche Distanz hat der Senat die Ferien nicht insgesamt hälftig aufgeteilt, sondern hier ein geringfügiges Übergewicht zugunsten des Vaters geschaffen, ohne die Mutter - dies wäre die Konsequenz bei Übernahme der im Schriftsatz vom 18. Januar 2013 von der Kindesmutter für den Fall eines ständigen Wohnsitzes des Kindes beim Vater präferierten Lösung - auf Ferienreisen mit dem Kind im Hochsommer zu beschränken.

Die näheren Festlegungen zu Beginn und Ende der jeweiligen Umgänge sind dem - ausschließlich rechtlich motivierten - Umstand geschuldet, dass die hier getroffene Umgangsregelung bei allen Unwägbarkeiten hinsichtlich der Reisezeiten inhaltlich hinreichend bestimmt und eindeutig sein muss. Dabei war insbesondere sicherzustellen, dass A… nach Umgangsende jeweils noch genügend Zeit findet, wieder zuhause anzukommen und sich insbesondere auf den folgenden Schultag einzustellen.

Der Senat weist mit der Aufnahme der Ziffer 2.3 schon in den Tenor der Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass es den Eltern selbstverständlich unbenommen bleibt, einvernehmlich zu abweichenden Umgangsregelungen zu gelangen, wenn ihnen das im Interesse ihrer gemeinsamen Tochter, die sie selbstverständlich besser kennen als der Senat und an deren weiterer Entwicklung sie allein teilhaben, angezeigt erscheint. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Eltern im Zuge einer geänderten Vereinbarung die Belange ihres Kindes berücksichtigen werden. Vielleicht bieten solche - mit Blick auf die räumliche Entfernung ohnehin unausweichlichen - Gespräche wenigstens mittelfristig die Grundlage für eine wieder verbesserte Kommunikations- und Kooperationsbereitschaft der Eltern insgesamt, die mit Blick auf die im Übrigen ja fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge ohnehin geschaffen werden muss. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2013 - 9 UF 226/12)

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„... Zu Recht hat das Amtsgericht dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden gemeinsamen Töchter gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB übertragen. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Soweit die Antragsgegnerin einen Verfahrensfehler des Familiengerichts bei Erlass der einstweiligen Anordnung rügt, so wäre dieser jedenfalls im Beschwerdeverfahren geheilt. Der Einwand der Antragsgegnerin, das Amtsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass für die zu treffende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der strenge Maßstab des § 1696 BGB und nicht die (einfache) Kindeswohlprognose des § 1671 Abs. 2 BGB gilt, greift nicht durch.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Vergleich vom 27.6.2012 überhaupt eine verbindliche Regelung zum Sorgerecht im Sinne des § 1696 Absatz 1 BGB enthält. Die Eltern haben in der vorgenannten Vereinbarung lediglich festgelegt, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Haushalt der Mutter sein soll. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da die Eltern über die elterliche Sorge nicht disponieren können. Vielmehr hätte es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 BGB bedurft, die bis zu der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 14.11.2012 nicht erfolgt ist. Selbst eine familiengerichtliche Billigung von Vereinbarungen der Eltern reicht nicht aus, um in den gesetzlichen Sorgestatus einzugreifen. Dementsprechend vertritt das Kammergericht (Beschluss vom 5.4.2012 - 17 UF 50/12 - m. w. N.; zitiert nach juris; Leitsatz veröffentlicht in FamRZ 2013,46) die Auffassung, dass der Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht eingreift, solange trotz einer gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung die kraft Gesetzes bestehenden Sorgeverhältnisse unverändert fortgelten.

Der Senat kann im vorliegenden Fall offen lassen, ob er sich der Auffassung des Kammergerichts uneingeschränkt anschließt. Denn jedenfalls steht einer Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB auf den Vergleich der Eltern vom 27.6.2012 entgegen, dass es sich nur um eine ausdrücklich vorläufige Regelung zum Aufenthalt der Kinder bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens handelt.

Der Vergleich wurde zur Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens getroffen. Eine gerichtliche Entscheidung in einer einstweiligen Anordnungssache könnte gemäß § 54 Abs. 1 FamFG indes abgeändert werden, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 1696 BGB vorliegen müssten. Die Gleichstellung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in § 1696 BGB beruht auf der gerichtlichen Billigung. Lässt § 54 FamFG eine Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren ohne besondere Voraussetzungen zu, so muss dies erst recht für Vergleiche gelten, deren besonderer Bestandsschutz nur auf der gerichtlichen Billigung beruht; zumal vorliegend nicht einmal eine ausdrückliche Billigung durch das Familiengericht erfolgt ist. Der strenge Abänderungsmaßstab des § 1696 BGB bezweckt, die Beteiligten, insbesondere das betroffene Kind, vor Belastungen durch ein beliebiges Wiederaufrollen von Sorgerechts- und Umgangsentscheidungen zu schützen. Ein solcher Schutz ist dem einstweiligen Anordnungsverfahren, dessen Entscheidungen nur auf einer summarischen Prüfung beruhen und per se vorläufig sind, fremd, wie auch die Vorschrift des § 54 FamFG zeigt.

Maßstab für die vom Kindesvater beantragte vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Töchter ist somit § 1671 Abs. 2 BGB. Da die Eltern sich derzeit nicht einigen können, wo die Kinder sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufhalten sollen, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung.

Nach den ausführlichen Berichten des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin, dem Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 27.6.2012 in dem Verfahren 19 F 109/12 und vom 31.10.2012 in dem Verfahren 19 F 116/12 sowie unter Würdigung aller übrigen Umstände ist der Senat nach der gebotenen summarischen Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren überzeugt, dass eine vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für B und J auf den Kindesvater dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Bei der Entscheidung, welchem Elternteil das Sorgerecht oder ein Teil der elterlichen Sorge - hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht - zu übertragen ist, kommen dem Kindeswillen, der Kontinuität, der Erziehungskompetenz, der Bindungstoleranz sowie der Geschwisterbindung besondere Bedeutung zu.

Wie die Kindesmutter nicht in Abrede stellt, hat die achtjährige B sich wiederholt für einen Aufenthalt beim Vater ausgesprochen. Frau G, die dem Senat als erfahrene Verfahrensbeiständin bekannt ist, konnte bei ihren Besuchen feststellen, dass auch die vierjährige J sehr vertraut mit dem Vater umgeht und sich ebenfalls in seinem Haushalt wohlfühlt. Eine Trennung der Schwestern während des einstweiligen Anordnungsverfahrens ist in jedem Fall zu vermeiden. Nach dem Auszug der Kindesmutter und dem Wiedereinzug des Antragsgegners in die eheliche Wohnung steht den Kindern nach dem Wechsel in den väterlichen Haushalt wieder das gewohnte häusliche Umfeld bis zur Entscheidung in der Hauptsache zur Verfügung. Sie können ihr vollständig eingerichtetes Kinderzimmer in der früheren Ehewohnung sowie die Spielmöglichkeiten im Hof des Miethauses nutzen. Nach den Berichten des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin hat der Senat keine Zweifel, dass die beiden Mädchen vom Vater gut versorgt und betreut werden. Der Vater ist aufgrund seiner Deutschkenntnisse in der Lage, die Mädchen angemessen zu fördern. Regelmäßiger Umgang der Mädchen mit der Mutter am Wochenende sowie zusätzlich in der Woche findet statt, so dass keine Bedenken gegen die Bindungstoleranz des Vaters bestehen.

Demgegenüber gibt das emotional aufgewühlte Verhalten der Kindesmutter bei zwei Hausbesuchen des Jugendamts Anlass, die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter im Rahmen des vom Amtsgericht angeforderten Sachverständigengutachtens im Hauptsacheverfahren näher aufzuklären. Mit Befremden hat der Senat zudem aus dem Bericht der Verfahrensbeiständin zur Kenntnis genommen, dass die Kindesmutter trotz der von ihr eingelegten Beschwerde beabsichtigte, Mitte Januar für 2-3 Wochen zu ihrer Familie nach Estland zu fahren. Im Falle einer positiven Entscheidung über ihre Beschwerde wäre somit eine Betreuung und Versorgung der Kinder durch die Kindesmutter überhaupt nicht sichergestellt.

Der Grundsatz der Kontinuität gebietet keine andere Entscheidung. Die in dem Termin vom 27.6.2012 getroffene Vereinbarung zum Aufenthalt der Kinder bei der Mutter erfolgte nur wenige Wochen nach der räumlichen Trennung der Eltern am 11.6.2012. Das Familiengericht hatte das einstweilige Anordnungsverfahren nach dem gesetzlichen Beschleunigungsgebot zeitnah terminiert. Angesichts der Kürze der Zeit bis zum Termin am 27.6.2012 konnten nur sehr eingeschränkte Feststellung zum Sachverhalt getroffen werden. Inzwischen liegen aufgrund der mündlichen und schriftlichen Berichte des Jugendamts und der am 2.7.2012 bestellten Verfahrensbeiständin weitere Erkenntnisse vor. Im Übrigen wurde die angefochtene einstweilige Anordnung des Amtsgerichts zeitnah vollzogen mit der Folge, dass die beiden Kinder seit dem 16.11.2012 im Haushalt des Vaters leben. Eine Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren hätte somit zur Folge, dass die beiden Mädchen erneut den Aufenthaltsort wechseln müssten. Ein mehrfaches Hin- und Herwechseln der Kinder bis zur Entscheidung in der Hauptsache gilt es aber zu vermeiden.

Unter nochmaliger Abwägung aller Umstände entspricht es dem Wohl von B und J am besten, es bei der einstweiligen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu belassen.

Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer erneuten Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Auf eine Kindesanhörung im Beschwerdeverfahren konnte verzichtet werden, obwohl nicht erkennbar ist, dass das Familiengericht die beiden Mädchen vor der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren persönlich angehört hat. Dass B wiederholt den Willen geäußert hat, beim Vater zu leben, ist unstrittig. Dem Willen der 4-jährigen J kommt unter Würdigung aller Umstände für die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren keine maßgebliche Bedeutung zu. Die persönliche Anhörung beider Mädchen durch das Familiengericht wird im Hauptsacheverfahren nachzuholen sein. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2013 - 4 UF 233/12)

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Bei gemeinsamer elterlicher Sorge ist die Kindesmutter von der Vertretung des Kindes im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ausgeschlossen (OLG Oldenburg, Beschluss vom 27.11.2012 - 13 UF 128/12 zu § 1795 Abs 1 Nr 3 BGB).

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„... Eine einstweilige Anordnung in Sorgerechtsangelegenheiten, die auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist zulässig, wenn eine Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde. Dazu reicht es nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist.

Ein solches dringendes Regelungsbedürfnis besteht in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht für F… bereits aus den gegenläufigen Anträgen der Eltern, die im Streitfall Ausdruck des über Jahre heftig geführten Elternstreits sind, der dringend einer Auflösung bedarf, weil beide Kinder, zuletzt zunehmend auch F…, nach den Beobachtungen aller seit Jahren Verfahrensbeteiligten durch die langjährigen Auseinandersetzungen zunehmend belastet erscheinen. In der Vergangenheit sind die Versuche einer sachlichen Bearbeitung des Elternstreits und einer Rückkehr zu einer stabilen Kommunikation und Kooperation der Eltern immer wieder gescheitert, so dass inzwischen eine Auflösung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht unumgänglich ist.

Dieses Regelungsbedürfnis ist in Bezug auf E… auch nicht dadurch entfallen, dass die Kindesmutter erklärt hat, vorläufig mit der Verlagerung des Lebensmittelpunktes E…s in den väterlichen Haushalt einverstanden zu sein. Zwar bildet die Bestimmung des Lebensmittelpunktes den Kernbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das sich darin allerdings nicht erschöpft. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat vielmehr vielfältige Binnen- und Außenwirkungen und steht in einem engen Zusammenhang mit anderen aus dem Personensorgerecht fließenden Rechten und Pflichten (z.B. Verknüpfung mit erzieherischen Absichten, Vorgabe von Ausgehzeiten, Mitwirkung in Vereinen u.ä., vgl. dazu Staudinger-Salgo, 2007, § 1631 Rdnr. 50/52; jurisPK-BGB/Schwer/B. Hamdan, § 1631 Anm. 16). Insoweit besteht auch außerhalb der Festlegung des Lebensmittelpunktes des Kindes ein erhebliches Streitpotenzial für die Eltern, das es im Interesse E…s dringend zu verhindern gilt. Gerade E… hat in besonderer Weise unter dem ungelösten Elternstreit gelitten und erfahren müssen, dass die vielfach eingeschalteten Institutionen im Weitesten Sinne die von ihr geäußerten Wünsche als unerheblich eingeschätzt und der - nach Lage der hier vorhandenen Akten seit langem mindestens vagen - Hoffnung einer konstruktiven Zusammenarbeit der Eltern im Interesse ihrer Kinder den Vorrang eingeräumt haben. E… hat in der Vergangenheit erfahren, dass Vereinbarungen ihrer Eltern in Belangen der Kinder keinen Bestand hatten, der Elternstreit immer wieder aufgeflammt ist und an Intensität zugenommen hat. Die uneingeschränkte Aufrechterhaltung des gemeinsamen elterlichen Sorgerechts durch die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache hat bei E… zu einem psychischen Zusammenbruch geführt. Nach Überzeugung des Senates ist es zur seelischen Stabilität des Kindes erforderlich, das gemeinsame elterliche Sorgerecht in dem Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts endlich aufzulösen und damit dem Kind die Sicherheit zu geben, dass tatsächlich in absehbarer Zeit allein ein Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübt und die von diesem getroffenen Entscheidungen durch den anderen nicht erneut in Frage gestellt werden können.

2. Nachdem somit das gemeinsame elterliche Sorgerecht für den Teilbereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts aufzuheben war, kam aus Gründen des Kindeswohls nur eine Übertragung auf den Vater in Betracht. Der Senat ist davon überzeugt, dass mit der so getroffenen Entscheidung die Situation für beide Kinder verbessert wird.

In Bezug auf E…, die ihrem seit Jahren stabil und - in Ansehung dessen, dass ihrem Willen bisher keine (altersangemessene) Bedeutung beigemessen worden war - zunehmend verzweifelt geäußerten und in der letzten Konsequenz mit der Tatsache, sich lieber im Heim aufzuhalten als zur Mutter zurückkehren zu müssen, vorläufig erkennbar unüberwindbaren Wunsch, in dem Vater (endlich) die Hauptbetreuungsperson erleben zu können, steht für den Senat außer Frage, dass aus Gründen des Kindeswohls nur eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater in Betracht kommt. E… hat den vor rund sieben Wochen vollzogenen Wechsel in den Haushalt ihres Vaters ohne erkennbare Schwierigkeiten gemeistert, hat den Schulwechsel sehr gut verkraftet und ist an ihrem neuen (und alten) Wohnort augenscheinlich gut integriert. Die Beziehung E…s zur Mutter ist indes derzeit schwer belastet bzw. sogar gestört. Nach den glaubhaften Angaben sowohl des Vaters, aber auch E…s selbst im Anhörungstermin am 22. Oktober 2012 geht der Senat davon aus, dass es auch nicht etwa der von der Mutter in das Zentrum ihrer Argumentation in dem hiesigen Sorgerechtsverfahren gerückte ebenso massive wie negative Einfluss des Vaters ist, der E… bisher einen persönlichen Umgang mit der Mutter ablehnen lässt. E… hat ihre Mutter als diejenige erlebt, die es über Wochen vorgezogen hat, das Kind in einer staatlichen Einrichtung anstatt zu ihrem geliebten Vater zu lassen. Bei dieser Sachlage erscheint es nachvollziehbar, dass E… zunächst spürbaren Abstand von ihrer Mutter gesucht und einen persönlichen Umgang abgelehnt hat. Der Senat hat allerdings E… in seiner Anhörung die besondere Bedeutung der Wiederherstellung eines möglichst unbelasteten persönlichen Umgangs mit der Mutter vor Augen geführt und den Eindruck gewonnen, dass E… ihre Erklärung, zu einer alsbaldigen Wiederaufnahme von Umgangskontakten nun bereit zu sein, auch ernst gemeint hat. Nach den im Hauptsacheverfahren und im hiesigen Verfahren bisher vorliegenden Erkenntnissen bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit des Vaters (dazu sogleich mehr).

In Bezug auf F… drängt sich eine gleich lautende Entscheidung nicht nur wegen der insoweit gegenläufigen Anträge der Eltern, sondern auch deshalb nicht auf, weil nach den maßgeblichen Kriterien des Kindeswohls im Ergebnis der im Hauptsache- und im hiesigen Eilverfahren gewonnenen Erkenntnisse kein vergleichbar eindeutiger Vorrang des Vaters festgestellt werden kann.

Für die am Maßstab des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und damit zentral am Kindeswohl zu messende Frage, welchem Elternteil nach Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (für den hier allein interessierenden Bereich des Aufenthaltsbestimmungsrechts) im wohl verstandenen Kindesinteresse das elterliche Sorgerecht bzw. hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht allein zu übertragen ist, sind zu beachten der Förderungsgrundsatz (nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung), die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister, der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist sowie der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt, wobei die Gewichtung im konkreten Einzelfall dem Gericht überlassen ist.

Bei der Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung ergeben sich nach den bisherigen Erkenntnissen keine nennenswerten Vor- oder Nachteile auf Seiten eines Elternteils. Unstreitig verfolgen die Eltern unterschiedliche Erziehungsstile, wobei sie sich auch in der - allerdings nach Lage der bisherigen Akten nicht ansatzweise belastbaren - Einschätzung, der Aufenthalt F…s beim jeweils anderen Elternteil komme einer Katastrophe für das Kind gleich, in nichts nachstehen. F… ist nach Aktenlage bis zu ihrem Wechsel in den mütterlichen Haushalt im August 2010 zunächst von beiden Eltern mit vergleichbaren Anteilen und sodann im Ergebnis einer entsprechenden einstweiligen Anordnung über knapp zwei Jahre im väterlichen Haushalt betreut und versorgt worden. Es gibt keinerlei tragfähige Anknüpfungspunkte dafür, dass es F…, die auch der Senat als uneingeschränkt altersgerecht entwickelt, intelligent, freundlich und aufgeschlossen erlebt hat, im einen oder anderen Haushalt etwa nicht gut gegangen wäre. Es gibt etwa auch keinen Grund für die Annahme, der Umstand einer Erwerbstätigkeit der Mutter mit Schichtdiensten (auch nachts und an Wochenenden) habe der Entwicklung F…s in irgendeiner Weise geschadet. Die im Laufe der nahezu ununterbrochen über inzwischen vier Jahre währenden Gerichtsverfahren mehr und mehr spürbare Belastung des Kindes erwächst nach Überzeugung des Senates und Einschätzung aller hier eingeschalteten Fachleute eindeutig nicht aus Unzulänglichkeiten in der alltäglichen Betreuung, Versorgung und Erziehung der Kinder durch den damit gerade hauptsächlich befassten Elternteil, sondern aus dem anhaltenden und sich stetig vertiefenden, (von beiden Elternteilen ausgehend) immer wieder auch vor den Kindern ausgetragenen Elternstreit.

Hinsichtlich der (etwa unterschiedlich intensiven) Bindungen F…s zu den Eltern und auch hinsichtlich des Kindeswillens fehlen bisher hinreichend belastbare Anknüpfungstatsachen, um die hier zu treffende Entscheidung maßgeblich auf diese Aspekte zu stützen. Nach Aktenlage ist davon auszugehen, dass F… grundsätzlich gute und tragfähige Bindungen zu beiden Elternteilen entwickelt hat. Soweit - gestützt durch die im Hauptsacheverfahren eingeschaltete Sachverständige - die Mutter für sich in Anspruch nimmt und sich auch Jugendamt und Verfahrensbeistand diese Einschätzung zu eigen gemacht haben, dass F… eine engere Bindung zur Mutter habe, fehlt es dafür an überzeugenden Anhaltspunkten. Die dafür allein wiederholt angeführte Beobachtung, dass - anders als E… - F… nicht an der Hand des Vaters gehen möchte oder auch der Umstand, dass F… beim Fußballspiel - das ihr keine ebensolche Freude bereitet wie E… - abseits blieb, erscheint auch mit Blick auf die über die Jahre erhobenen Willensäußerungen des Kindes nach Überzeugung des Senates nicht hinreichend valide, um die Einschätzung zu tragen, zum Vater bestehe eine weniger ausgeprägte Bindung als zur Mutter. Auch in Bezug auf die Bindungen F…s zu ihren Eltern ergibt sich demnach kein Vorrang eines Elternteils.

Auch die - im Hauptsache- wie im Eilverfahren von verschiedener Stelle erhobenen - Willensäußerungen des Kindes lassen keine eindeutige Präferenz erkennen und können für sich betrachtet für die hier zu treffende Entscheidung nur eine eher geringe Bedeutung erlangen.

Der Kindeswille ist zum einen der verbale Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung, zum anderen von einem gewissen Alter an ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als zur Selbstständigkeit erzogener und strebender Person. Dabei tritt der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung hier auf Grund des Alters des Kindes in den Hintergrund, da davon auszugehen ist, dass der erst rund 7 ½-jährigen F… die verstandesmäßige und seelische Reife für eine tragfähige, selbstbestimmte und vernunftgeleitete Entscheidung über ihren Aufenthalt fehlt. Dies zeigt sich auch in ihren wechselnden Angaben gegenüber den Verfahrensbeteiligten.

Allerdings ist entgegen der Auffassung der Kindesmutter nicht erst in jüngster Zeit in den - objektiven - Willensäußerungen F…s eine Hinwendung zum Vater erkennbar. F… ist seit Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzungen von verschiedenen Verfahrensbeteiligten mehrfach nach ihren Wünschen befragt worden. Sie hat sich (mit Blick auf den seinerzeit bevorstehenden Umzug der Mutter nach S…) gegenüber dem Verfahrensbeistand und dem Jugendamt im Herbst 2008 klar zum Vater positioniert, während in der Anhörung durch das Amtsgericht am 27. November 2008 keine eigenen Äußerungen F…s protokolliert wurden. Im Frühjahr 2011 hat sich F… tatsächlich eher für einen weiteren Aufenthalt bei der Mutter ausgesprochen, während sie im Gespräch mit dem Verfahrensbeistand am 20. Mai 2011 ausführt, dort leben zu wollen, wo E… lebt, weil sie keinesfalls von ihrer Schwester getrennt werden wolle. Das Amtsgericht hat auch in den richterlichen Anhörungen am 25. Mai 2011 und am 8. Februar 2012 keine eindeutige Position F…s ermittelt (oder ermitteln können). Der Verfahrensbeistand hat im Anhörungstermin am 8. Februar 2012 ausgeführt, dass F… zwischenzeitlich eine Positionierung verweigert und sich in Fantasiegeschichten flüchte. Die gerichtsseitig beauftragte Sachverständige konnte zunehmend weniger valide Aussagen des Kindes feststellen. Die Anhörung F…s vor dem Amtsgericht am 27. Juni 2012 wiederum ergab eine ausdrückliche Positionierung des Kindes hin zum Vater und insbesondere auch zu E…. In gleicher Weise hat sich F… gegenüber dem Senat erklärt. Der Verfahrensbeistand hat neben E… auch F… mit näherer Darlegung als so massiv belastet beschrieben, dass deren Äußerungen nicht mehr unvoreingenommen zugrunde gelegt werden könnten.

Aus dem Inhalt der Äußerungen ergibt sich - objektiv - eher eine intensivere Hinwendung zum Vater. Jedenfalls ist nicht festzustellen, dass der geäußerte Wunsch des Kindes Ausdruck einer stärkeren Hinwendung zur Mutter wäre. Es deutet vielmehr einiges darauf hin, dass sich das Kind in einem schweren Loyalitätskonflikt befindet und die Äußerungen keinem autonomen Willen des Kindes entspringen. Soweit die Mutter die in den Erklärungen des Kindes zunehmende Positionierung zum Vater als Ergebnis dessen massiver Beeinflussung einschätzt, weil es im Erleben des Kindes keine belastbaren Anknüpfungstatsachen für diesen Wechselwunsch gibt, ist das sicher nicht gänzlich auszuschließen, aber auch nicht so nahe liegend, dass dies allein als Triebfeder für die Erklärungen des Kindes in Betracht kommen könnte. Immerhin hat F… neben weniger überzeugenden Anknüpfungspunkten wie fehlende Freunde in S… bei (demgegenüber noch) vorhandenen Freunden in C… oder die Unzufriedenheit mit der derzeitigen Schule und den ausgeübten Hobbys in S… auch Gründe angeführt (Papa schimpft weniger und ist netter; ungestörter Kontakt zur großen Schwester), die aus Sicht eines Kindes durchaus plausibel einen Wechselwunsch begründen können, zumal unstreitig der Erziehungsstil des Vaters als weniger streng und Grenzen setzend beschrieben wird als der der Mutter.

Soweit im Verfahren von verschiedener Seite immer wieder die Einschätzung einer massiven Beeinflussung der Kinder durch den Vater angesprochen wird, gibt es dafür auch im Ergebnis der erstinstanzlich beauftragten sachverständigen Begutachtung keine hinreichend belastbaren Feststellungen. Immerhin kommt die E… über fast zwei Jahre kontinuierlich behandelnde Psychotherapeutin, die diese (abgesehen von den Eltern) besser kennen sollte als jeder andere Verfahrensbeteiligte, zu dem Ergebnis, dass eine Manipulation E…s durch den Vater als ausgeschlossen zu erachten sei. Zwar ist auch diese - von früheren Einschätzungen abweichende - Feststellung nicht weiter begründet. Immerhin aber bietet diese aktuelle fachliche Einschätzung hinreichende Zweifel daran, dass der hier von den Kindern geäußerte Wille ausschließlich oder doch in wesentlichen Teilen Ergebnis einer Manipulation der Töchter durch den Vater ist.

Das Kontinuitätsprinzip streitet vorliegend für die Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts eher an die Mutter. Zwar haben beide Kinder auch in der Vergangenheit - nach einer Betreuung und Versorgung durch beide Eltern gleichermaßen bis Herbst 2008 - über fast zwei Jahre im väterlichen Haushalt gelebt. In der jüngeren Vergangenheit aber, nämlich seit August 2008 und damit auch über inzwischen mehr als zwei Jahre lebt F… bei der Mutter, die damit die bessere Gewähr für eine auch in räumlich-sozialer und schulischer Hinsicht kontinuierliche und ungebrochene Betreuung bietet, während ein Wechsel zum Vater nicht nur mit einem Umzug, sondern auch mit einem Schulwechsel einhergeht. Allerdings ist der Senat der Überzeugung, dass F…, die intelligent ist sowie aufgeschlossen und freundlich auftritt, einen solchen Wechsel ohne allzu große Schwierigkeiten wird meistern können, zumal sie auch an Kontakte aus der Zeit ihres früheren ständigen Aufenthalts und den Umgängen beim Vater anknüpfen kann. Die gleichwohl nicht von der Hand zu weisenden Nachteile eines Umzuges - gerade auch im laufenden Schuljahr - wiegen allerdings nach Überzeugung des Senates in Ansehung der mit einem Wechsel in den väterlichen Haushalt auch einhergehenden Vorteile nicht so schwer, dass dem Kontinuitätsgrundsatz im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen wäre.

Ganz erhebliche Bedeutung muss nämlich im hier vorliegenden Fall der Bindung der Schwestern zueinander beigemessen werden. Sämtliche Verfahrensbeteiligten - einschließlich der Eltern - haben in der Vergangenheit stets betont, dass eine Geschwistertrennung unbedingt zu vermeiden ist. Soweit die Eltern - gegen jede Empfehlung der hier befassten Fachleute - zeitweise die Möglichkeit einer Geschwistertrennung in den Raum gestellt haben, erfolgte dies ersichtlich weniger aus Gründen des Kindeswohls, sondern war bzw. ist eher eigennützig und opportunistisch motiviert, nämlich ganz offenkundig von der Angst oder Sorge getragen, beide Töchter an den jeweils anderen „zu verlieren". Der Vater hat eine Geschwistertrennung thematisiert, um wenigstens das Aufenthaltsbestimmungsrecht für E… zu erhalten; die Mutter stellt diese Möglichkeit in den Raum, um nicht nach E… auch noch F… an den Vater „zu verlieren". Aspekte des Kindeswohls spielen bei diesen Erwägungen ersichtlich keine Rolle. Dabei haben der Verfahrensbeistand wie auch die Sachverständige die besondere Bedeutung der Schwestern füreinander hervorgehoben. Die Rede ist hier von einer Notgemeinschaft, die die Kinder angesichts des fortwährenden und zunehmend heftiger werdenden Elternstreits, der vielfach auch vor den Kindern ausgetragen, jedenfalls nicht nachhaltig von ihnen ferngehalten wird, gebildet haben, um sich gegenseitig Halt zu bieten. Die gut vier Jahre ältere E… ist für F… zu einer Bezugsperson von zentraler Bedeutung geworden. Von daher kommt aus Sicht des Senats der Geschwisterbindung im vorliegenden Fall eine gravierende Bedeutung zu. Da E… vorläufig im Haushalt des Vaters leben wird und mit Blick auf die nachstehenden Bedenken an einer die enge Beziehung der Schwestern zueinander ansonsten vielleicht hinreichend sicherstellenden regelmäßigen Kontaktpflege kann dieser Geschwisterbindung nur in der Weise Rechnung getragen werden, dass auch F… in den väterlichen Haushalt wechselt.

Damit stellt sich der Senat entgegen der Auffassung der Kindesmutter auch nicht gegen die Empfehlung des Verfahrensbeistands. Dieser hat nämlich in seiner letzten Stellungnahme vom 1. Oktober 2012 keine eindeutige Empfehlung für einen ständigen Lebensmittelpunkt F…s bei der Mutter abgegeben. Vielmehr wurde erneut ausdrücklich die „sehr enge Bindung" der Schwestern untereinander betont, die „vor allem in den Momenten nützlich (war), in denen es den Kindern aufgrund der Uneinigkeit der Kindeseltern besonders schlecht ging (daher dient diese Bindung auch als Notgemeinschaft)". Letztlich machte sich der Verfahrensbeistand die Empfehlungen der Sachverständigen zu Eigen, die sich ausdrücklich gegen eine Geschwistertrennung positioniert hat.

Es kommt hinzu, dass der Senat mit Besorgnis zur Kenntnis genommen hat, dass die Mutter bereits jetzt den regelmäßigen Umgang F…s mit dem Vater - eigenmächtig (wenn auch nach Beratung) - auf den Wochenendumgang beschränkt hat und zwischenzeitlich beim Amtsgericht sogar einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel des Umgangsausschlusses bzw. massiver Restriktionen im Umgangsrecht (nur noch in Begleitung), und zwar nicht nur in Bezug auf E…, sondern auch in Bezug auf F… gestellt hatte (Amtsgericht Senftenberg, Az. 32 F 220/12). Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass dieser Antrag - offenkundig in Ansehung der Ausführungen des Senates hierzu im Anhörungstermin am 22. Oktober 2012 - zwischenzeitlich zurückgenommen worden ist. Das bindet die Mutter, die von einer massiven Manipulation auch F…s durch den Vater fest überzeugt ist und - insoweit konsequent - natürlich nach Möglichkeiten sucht, das Kind dem unkontrollierbaren Einfluss des Vaters zu entziehen. Bei dieser Ausgangslage und in Ansehung des von den Elternteilen im Anhörungstermin eindrucksvoll untermauerten Elternstreits erscheint es - ungeachtet der sich auch nur abzeichnenden Wiederanbahnung persönlicher Umgangskontakte zwischen E… und der Mutter - durchaus möglich, dass der notwendige intensive persönliche Kontakt beider Kinder zueinander im Wege einer großzügigen, zuverlässig praktizierten Umgangsregelung nicht gewährleistet ist. Durchgreifende Bedenken daran, dass F… - ihren Wünschen entsprechend - nach einem Wechsel in den väterlichen Haushalt weiterhin regelmäßigen Kontakt zur Mutter haben kann (nämlich in dem Umfang, den die Eltern seinerzeit für den Umgang des Vaters mit den Töchtern vereinbart hatten), hat der Senat nicht. Zwar bestehen an der Bindungstoleranz auch des Vaters einige Bedenken, gerade auch im Hinblick darauf, dass beide Eltern nach mehr als vier Jahren nach erfolgter Trennung und beiderseitiger Zuwendung zu einem neuen Lebenspartner offenkundig außer Stande sind, den Elternkonflikt im Interesse des Wohlergehens ihrer Kinder hintanzustellen. Es gibt durchaus auch Anhaltspunkte dafür, dass der Vater es versäumt haben könnte, den Kindern den - ursprünglich ja auch von ihm mitgetragenen - Wechsel in den mütterlichen Haushalt und den Verbleib dort zu erleichtern, sondern vielmehr seine Ablehnung der Mutter und deren Lebenspartners vor den Kindern nicht hat verbergen können. Es gibt allerdings keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass der Vater seinerzeit den Umgang der Töchter mit der Mutter beeinträchtigt hätte (oder - siehe oben - heute den Umgang E…s mit der Mutter zu unterbinden sucht).

Nach sorgfältiger Abwägung der maßgeblichen Kriterien des Kindeswohls gelangt der Senat daher zu der Auffassung, dass es für F… besser ist, wenn vorläufig dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wird. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 30.10.2012 - 9 UF 158/12)

***

„... II. Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor diesem Zeitpunkt und zwar im November 2007 eingeleitet worden ist.

Die befristete Beschwerde des Vaters ist gemäß § 621 e ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung des Sorgerechtsstreits zuständig. Es ist gemäß Art. 53 Abs. 1; 16 Abs. 1 KSÜ deutsches Recht anzuwenden. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.03.2011, XII ZB 407/10, verwiesen.

Soweit die Mutter mit Schriftsatz vom 11.09.2012 die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge beantragt hat, handelt es sich der Sache nach um eine (unselbständige) Anschlussbeschwerde, die auch zulässig ist. Die Mutter hat damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie sich nicht nur gegen die Beschwerde des Vaters zur Wehr setzen will, sondern auch ihr erstinstanzliches Begehren auf Einräumung der alleinigen elterlichen Sorge nicht aufgegeben hat. In der Sitzung vom 13.09.2012 hat die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter auch klargestellt, dass mit dem vorgenannten Schriftsatz Anschlussrechtsmittel eingelegt werden sollte.

In der Sache führt die Beschwerde des Vaters nicht zum Erfolg. Demgegenüber ist die Anschlussbeschlussbeschwerde der Mutter begründet. Die elterliche Sorge für J… ist der Mutter allein zu übertragen.

Es steht außer Streit, dass die Eltern die gemeinsame Sorge für das Kind innehaben. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 16.03.2011 (XII ZB 407/10) die Auffassung des 3. Familiensenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts bestätigt, dass der gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung vom 06.06.2005 ohne Weiteres eine gemeinsame Sorgeerklärung nach § 1626 a Abs. 1 Nr.1 BGB entnommen werden kann.

Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teils der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und eine insgesamt tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BGH FamRZ 2008, 592). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Vor dem Hintergrund der erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Eltern ist es vorliegend geboten, die gemeinsame elterliche Sorge insgesamt aufzuheben. Das sieht der Sachverständige Dipl. Psych. Dr. M… W… mittlerweile nicht anders. Soweit er in seinem schriftlichen Gutachten vom 18.01.2012 noch für die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge plädiert hat, weil J… durch den Elternkonflikt aufgrund hoher Resilienz-Faktoren noch keinen Schaden genommen habe, hält er daran nicht länger fest. In seiner Anhörung vor dem Senat am 13.09.2012 hat sich der Sachverständige für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge ausgesprochen, weil das Kind durch die Streitereien der Eltern emotional stark belastet sei.

Nach Auffassung des Verfahrenspflegers sollte die gemeinsame elterliche Sorge nicht aufgehoben werden, weil es der Mitsprache des Vaters - vor allem in schulischen Angelegenheiten - bedürfe. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die besondere Heftigkeit des inzwischen über Jahre ausgetragenen Elternkonflikts macht eine Auflösung des gemeinsamen Sorgerechts unumgänglich. Nur so besteht überhaupt eine Chance, dass etwas Ruhe in das Leben von J… einkehrt. Zurzeit sitzt sie bildlich gesprochen „zwischen allen Stühlen". Zwar teilt der Senat durchaus die Auffassung, dass es gerade angesichts der unterschiedlichen Nationalität und Erziehungsvorstellungen der Eltern für die Persönlichkeitsentwicklung J… vorteilhaft wäre, wenn beide Eltern für sie sorgeberechtigt wären. Jedoch würde dies gerade angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen der Eltern voraussetzen, dass die Eltern in der Lage sind, gemeinsam verantwortlich im Interesse ihrer Tochter zu handeln, sich zu verständigen, Kompromisse zu suchen und zu finden, kurz: ihre Elternschaft gemeinsam so auszuüben, dass J… keinen Schaden erleidet. Die bloße Verpflichtung der Eltern zur Konsensfindung vermag jedoch eine tatsächlich nicht bestehende Verständigungsmöglichkeit nicht zu ersetzen. Denn nicht schon das Bestehen der Pflicht allein ist dem Kindeswohl dienlich, sondern erst die tatsächliche Erfüllung dieser Pflicht, die sich in der Realität nicht verordnen lässt (BGH, FamRZ 2008, 592 m.w.N.; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. A., § 1671 BGB Rz. 36c m.w.N.). Eine positive Prognose für ein vernünftiges Zusammenwirken der Eltern kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht getroffen werden:

Die Eltern kämpfen seit ihrer Trennung, die schon lange zurückliegt, um das Kind. Sie trennten sich bereits wenige Monate, nachdem J… am ….10.2002 in D…/Frankreich geboren wurde. Die Mutter kehrte im April 2003 mit dem Kind nach Deutschland zurück.

Die mit der Sache befassten französischen Gerichte hatten zuvor einstweilen entschieden, dass die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt seien und der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes bei der Mutter liege. Zudem hatten sie ein umfangreiches Umgangsrecht zugunsten des Vaters beschlossen (Landgericht Nanterre, Einstweilige Verfügung vom 04.04.2003, Bl. 32 ff. GA, und Berufungsgericht Versailles, Urteil vom 23.10.2003, Bl. 39 ff. GA). In der Folgezeit stritten die Eltern über den Umfang des Umgangs. Auch die Übergaben waren ständig Anlass für heftige Auseinandersetzungen. Um eine möglichst konfliktfreie Übergabe des Kindes zu gewährleisten, ist inzwischen vom Amtsgericht Potsdam durch einstweilige Anordnung vom 21.09.2009 ein Umgangspfleger bestellt worden (Beiakte 43 F 105/09, Bl. 347 ff.). Eine Beruhigung der Situation trat auch nicht durch die oben angeführte - gerichtlich gebilligte - Elternvereinbarung ein. In einem vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht geführten Verfahren hatten die Eltern am 06.06.2005 eine Vereinbarung zu der gemeinsamen elterlichen Sorge und zu dem Lebensmittelpunkt von J… geschlossen sowie eine weitreichende Umgangsregelung getroffen. Ungeachtet dieser Elternvereinbarung stritten die Eltern in der Folgezeit über den Umgang, die Auswahl der Kita, die Beschulung des Kindes und über das Sorgerecht. Es gab unzählige Gerichtsverfahren, die teilweise noch nicht abgeschlossen sind. Zu nennen sind hierbei die Beschwerdeverfahren bezüglich des Umgangs (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 15 UF 135/09) und der Beschulung (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 15 UF 32/10) sowie das vorliegende Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Sorgerechts. Die Eltern scheuten auch nicht vor Strafanzeigen zurück. Das von der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den Vater eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Entziehung Minderjähriger wurde eingestellt, nachdem dieser eine erhebliche Geldbuße bezahlt hatte. Der Vater stellte gegen die Mutter Strafanzeige wegen des Verdachts der Misshandlung von Schutzbefohlenen. Er bezichtigte die Mutter, J… körperlich zu misshandeln. Das Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Potsdam unter dem Aktenzeichen: 476 Js 14405/09 geführt und im Dezember 2009 wegen mangelnden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt (Beiakte 43 F 203/09, Bl. 500). Auch der Geburteneintrag von J… in Deutschland war Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Im November 2005 hatte die Mutter beim Standesamt … die Ausstellung einer deutschen Geburtsurkunde für das Kind J… S… beantragt. Angaben zum Vater machte sie nicht. Das Verfahren wurde an das Standesamt I von B… abgegeben und der Geburteneintrag - wie beantragt - vorgenommen. Hiergegen legte der Vater erfolgreich Rechtsmittel ein. Durch Beschluss vom 23.09.2010 (1 W 70/08) hat das Kammergericht Berlin letztinstanzlich entschieden, dass der vorgenommene Eintrag im Geburtenbuch zu berichtigen sei. Der Familienname des Kindes J… laute C… und der Beteiligte zu 1. sei als Vater des Kindes im Geburtenbuch zu vermerken (Beiakte 43 F 105/09, Bl. 547 ff.).

Die aufgezeigten Umstände machen deutlich, dass die Eltern stark zerstritten sind und einander keinerlei Wertschätzung entgegenbringen. Sie können nicht miteinander kommunizieren, geschweige denn kooperieren. Dies sehen die Beteiligten zu 1. und 2. letztlich nicht anders. Dem Sachverständigen gegenüber haben beide Eltern eingeräumt, dass sie nicht miteinander reden können, ein Dialog sei nicht möglich (Gutachten vom 18.01.2012, dort Bl. 16 und Bl. 25). Für die Ausübung der gemeinsamen Sorge ist es aber unerlässlich, dass die Eltern willens und in der Lage sind, über wichtige Belange des Kindes zu kommunizieren und zu kooperieren. Anderenfalls macht die gemeinsame elterliche Sorge keinen Sinn. Wie sollen die Eltern wichtige Entscheidungen für das Kind gemeinsam treffen, wenn sie sich schon nicht über die Dinge des täglichen Lebens, wie den Kauf von Schulbüchern, Heften oder Badesachen, verständigen können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die Übergaben des Kindes in letzter Zeit problemlos verlaufen sein sollen. In der Sitzung vom 13.09.2012 haben die beteiligten Rechtsanwälte übereinstimmend bekundet, die Umgangspflegschaft könne aufgehoben werden, weil sich die Eltern seit geraumer Zeit bezüglich der Übergaben verständigten. Der Senat sieht dies (nur) als kleines Anzeichen für eine wachsende Kompromissbereitschaft der Eltern. Derzeit ist aber bezüglich anderer wichtiger Fragen das gemeinsame Kind betreffend keine Einigungsbereitschaft der Eltern erkennbar, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Eltern in überschaubarer Zeit über wichtige Belange des Sorgerechts Einvernehmen erzielen können.

J… leidet unter den äußerst heftig geführten Auseinandersetzungen ihrer Eltern. Der Sachverständige wie auch der Verfahrenspfleger haben das Kind durch den Elternkonflikt als emotional belastet beschrieben. Es sei angespannt und kaue an den Fingernägeln bzw. -knochen. Auch der Senat hat das Kind anlässlich seiner Anhörung am 13.09.2012 als angespannt, verunsichert und nervös erlebt. J… nestelte die überwiegende Zeit an ihren Fingern und schaute zu Boden. Das Verhalten war nicht nur der besonderen Situation der gerichtlichen Anhörung geschuldet. Wenn unverfängliche Themen (z.B. Aktivitäten in den zurückliegenden Sommerferien, Hobbys etc.) zur Sprache kamen, blühte das Kind förmlich auf. Es stellte das Beschäftigen mit den Fingern ein, bezog eine lockere Sitzhaltung und lächelte auch einmal. Dass das Kind bereits psychische Auffälligkeiten zeigt, stellen selbst die streitenden Eltern nicht in Abrede. Der Vater hat das Kind als zunehmend verschlossener beschrieben und zeitweise wie erstarrt. Die Mutter hat berichtet, dass J… oftmals müde und gereizt sei und an ihren Fingernägeln kaue. Das Kind leide unter Kopfschmerzen und Einschlafstörungen. Beide Eltern sind allerdings nur bemüht, die Schuld beim jeweils anderen Elternteil zu suchen. Der Vater bezichtigt die Mutter, das Kind zu manipulieren und zu unterdrücken. Die Mutter wirft dem Vater vor, das Kind ständig zu überfordern. Beide Eltern verteidigen verbissen ihre Positionen. Der Vater möchte um jeden Preis eine französische Erziehung des Kindes in Deutschland sicherstellen. Die Mutter kämpft um ihre Handlungsfreiheit und persönlichen Freiräume. Das Wohl des Kindes haben die Eltern bei ihrem Streit aus den Augen verloren, ohne dies allerdings zu realisieren. Der Kampf um das Kind wird rücksichtslos geführt. So hat sich der Vater keine Gedanken darüber gemacht, wie das Kind eine Umschulung im laufenden Schuljahr auf die K…-Grundschule in B… verkraftet oder ob dort ein Hortplatz zur Verfügung stand, weil die Mutter seinerzeit vollschichtig arbeitete. Die Mutter hat ihrerseits ihren Unmut über die vom Vater getroffene Schulwahl dergestalt ausgelebt, dass sie den Schulbesuch nach besten Kräften boykottierte.

Der Senat vermisst bei beiden Eltern die Bereitschaft, im Interesse des Kindes Abstriche an den eigenen Forderungen zu machen. So könnte die Förderung der französischen Seite des Kindes auch auf andere Weise erfolgen als durch den Besuch des Französischen Gymnasiums in B…. Zu denken wäre etwa an privaten Sprachunterricht oder den Besuch eines Sprachinstituts. Dies lehnt der Vater aber kategorisch ab. Andererseits könnte der Schulweg zum Französischen Gymnasium in B… deutlich verkürzt und damit die Lebensbedingungen des Kindes erheblich erleichtert werden, wenn die Mutter mit ihrer Familie nach B… umziehen würde. Ein solches Ansinnen hält sie aber für unzumutbar.

Bei diesen Gegebenheiten sieht der Senat keine andere Möglichkeit, als die gemeinsame elterliche Sorge insgesamt aufzuheben. Er verkennt dabei nicht, dass eine gerichtliche Entscheidung nicht immer das Mittel der Wahl ist. Allerdings gibt es vorliegend keine Alternative, weil die Fronten völlig verhärtet sind.

Im Ergebnis der angestellten Ermittlungen und der Anhörung des Kindes, seiner Eltern, der weiteren Beteiligten und des Sachverständigen Dipl. Psych. Dr. M… W… ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Kindeswohl am dienlichsten ist, wenn die Mutter die elterliche Sorge für J… ausübt.

Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Hingegen ist es nicht Aufgabe des Gerichts, durch die Entscheidung zum Sorgerecht ein Gleichgewicht zwischen den streitenden Eltern herzustellen oder darüber zu entscheiden, wessen Erziehungskonzept vorzuziehen ist. Auch geht es nicht um Belohnung bzw. Bestrafung elterlichen Verhaltens. Allein das Wohl des vom elterlichen Streit belasteten Kindes ist ausschlaggebend.

Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (BGH, Beschluss vom 16.03.2011, XII ZB 407/10; FamRZ 1990, 392). Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Vielmehr kann jedes von ihnen im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam sein für die Beurteilung, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (BGH, FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls sorgsam abwägende Entscheidung.

Der Förderungsgrundsatz ist vorliegend nicht geeignet, den Vorrang eines Elternteils bei der Frage, wem das Sorgerecht eingeräumt werden soll, zu begründen. Beide Eltern sind geeignet und auch bereit, die Erziehung und Betreuung des Kindes zu übernehmen. In der Vergangenheit haben sich sowohl die Mutter als auch der Vater um die Belange des Kindes gekümmert. Sie haben beide für die Förderung des Kindes - wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten - gesorgt. Die Mutter hat dem Kind schon früh den Kitabesuch ermöglicht und seine musischen Interessen gefördert. J… hat eine Ballett- und Musikschule besucht. Auch die Pflege von Freundschaften unterstützt die Mutter. Schulfreunde dürfen bei J… übernachten. Zum Geburtstag des Kindes gibt es ein Fest. Bei der Erledigung der Hausaufgaben steht die Mutter dem Kind bei Bedarf zur Verfügung. Sie ist der französischen Sprache mächtig, sodass sie J… auch noch unterstützen kann, seitdem diese eine deutsch/französische Schule besucht. Der Vater hat dafür gesorgt, dass das Kind die französische Sprache erlernen kann. In den Jahren 2005 bis 2008 während des 10-tägigen Aufenthalts in Frankreich hat J… die école maternelle besucht und später in den deutschen Herbst- und Winterferien die Schule in D… (Beiakte 43 F 105/09, Bl. 579). Der Vater besucht mit dem Kind Museen und Theater und fördert insgesamt ihre kulturelle Bildung. J… verreist auch mit dem Vater und seiner Familie. In den vergangenen Sommerferien verbrachten sie gemeinsam einige Wochen auf Réunion und Mauritius. Das Reiten hat J… in der Normandie gelernt; auch fährt sie mit dem Vater Ski.

In Bezug auf die Bindungstoleranz sieht der Senat bei beiden Elternteilen Defizite. Unter Bindungstoleranz versteht man die Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und das Kind erforderlichenfalls hierzu auch zu motivieren (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Auflage, § 1671 Rz. 61).

Der Vater würdigt die Mutter im Elternkonflikt ständig herab. Dies tut er auch in Gegenwart des Kindes. Er vermittelt dem Kind den Eindruck, dass alles was die Mutter macht, schlecht ist. Weder die von der Mutter ausgewählte Kita noch die Grundschule in M… genügten seinen Ansprüchen. Diese Einrichtungen sind nach Meinung des Vaters anspruchslos (provinziell) und eröffnen keine Zukunftschancen. Den Akten lässt sich nicht entnehmen, dass er sich jemals mit dem Erziehungskonzept der Kita in M… oder den Lerninhalten der dortigen Grundschule auseinander gesetzt hätte. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Vater selbst auf dem Land lebt. V… ist ein kleines Dorf, das ungefähr fünf Kilometer von D… (Normandie) entfernt liegt, einer Stadt mit ca. 33.000 Einwohnern. Die Schulen, die J… bislang in Frankreich besucht hat - école maternelle und Grundschule in D… - sind vermutlich ebenfalls „ländlich gefärbt", wenn auch französisch. Der Vater bezeichnet die Kindesmutter als engstirnig und abhängig. Nach seiner Ansicht steht sie unter dem Einfluss ihrer eigenen Mutter. Die Großmutter mütterlicherseits dominiere die Kindesmutter und bestimme ihr Leben. An J… kann das nicht spurlos vorübergehen. Der Vater bedenkt nicht, dass das Kind die Großmutter liebt. Die Großmutter ist für das Kind eine wichtige Bezugsperson, wovon sich der Senat im Rahmen der Anhörung am 13.09.2012 überzeugen konnte. Seit jeher hat die Großmutter ihre Tochter, die Kindesmutter, bei der Versorgung und Betreuung von J… unterstützt.

Soweit der Vater der Mutter mangelnde Bindungstoleranz vorwirft, weil sie anlässlich der Beantragung der deutschen Geburtsurkunde für J… einen falschen Nachnamen des Kindes angegeben und keine Angaben zum Vater gemacht hat, kann man dem nur zustimmen. Es handelt sich dabei um eine besondere Grobheit der Mutter, die die Absicht erkennen lässt, den Vater aus dem Leben des Kindes ausblenden zu wollen und damit seine Identität in Frage zu stellen. Eine plausible Erklärung für ihr Verhalten hat die Mutter bis heute nicht abgegeben, auch keine Äußerung des Bedauerns. Ungeachtet dieses Fehlverhalten der Mutter muss sich der Vater aber vor Augen halten, dass er es war, der J… im Alter von nicht einmal zwei Jahren der Mutter für mehrere Monate vorenthielt. Die Mutter hatte damals keinerlei Kontakt zu dem Kind. Während dieser Zeit versuchte der Vater auch, mit Hilfe französischer Gerichte die alleinige Sorge für das Kind zu erlangen. Dieses Verhalten spricht auch für eine Nichtachtung der Rechte und der Person des anderen Elternteils.

Trotz dieser Vorkommnisse hat die Mutter dem Vater in der Folgezeit großzügig Umgang gewährt. Sie ließ sich auf die - gerichtlich genehmigte - Elternvereinbarung vom 06.06.2005 ein, die ein weitreichendes Umgangsrecht des Vaters vorsah. Von einem erzwungenen Umgang - wie der Vater meint - kann in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Die Mutter hielt sich auch an die getroffene Vereinbarung. Nur so war es möglich, dass der Vater zu seiner Tochter eine Beziehung aufbauen konnte. J… wäre nicht Teil seines Lebens geworden, wenn die Mutter den Umgang nicht toleriert bzw. nicht gefördert hätte. Bei allen Unstimmigkeiten sollte der Vater nicht vergessen, dass die Mutter die Bedeutung des Vaters für das Kind nicht in Frage stellt. J… nennt den neuen Lebensgefährten der Mutter nicht Papa, sondern bei seinem Vornamen. Die Mutter ermöglicht dem Kind auch heute einen großzügigen Umgang mit dem Vater. Das Kind verbringt die überwiegende Zeit der Schulferien bei ihrem Vater und dessen Familie in Frankreich. In der ferienfreien Zeit sieht J… den Vater alle drei Wochen für ein paar Tage in B… oder Umgebung. Ob der Vater den Umgang ebenso großzügig gestalten würde, wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt in seinem Haushalt hätte, ist fraglich. Er behauptet dies seit längerem durchaus glaubhaft. Allerdings ist nicht erkennbar, dass er sich auch mit den praktischen Schwierigkeiten seiner Vorschläge - z.B. hinsichtlich der Schulpflicht - tatsächlich auseinander gesetzt hat. Jedenfalls darf die Mutter nicht mit dem Kind telefonieren, wenn es sich für längere Zeit beim Vater aufhält, obwohl dies so vereinbart wurde. In dem Beschwerdeverfahren 15 UF 32/10 verständigten sich die Eltern am 01.07.2010 vor dem 3. Familiensenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts u.a. darauf, dass die Mutter während der Umgänge, die eine Woche dauern und länger, mittwochs und sonntags ein Telefonat mit dem Kind führen darf. Auch hat der Vater gegenüber dem Sachverständigen zum Ausdruck gebracht, dass die Mutter mit dem Kind möglichst wenig Zeit verbringen sollte. Dies sei gut für dessen Persönlichkeitsentwicklung (Gutachten vom 18.01.2012, dort Bl. 19). Das Verhalten des Vaters macht deutlich, dass er der Mutter wenig Wertschätzung entgegen bringt.

Andererseits ist die Mutter aber auch nicht bereit, die französische Seite des Kindes zu fördern. In der Vergangenheit machte sie keinerlei Anstalten, dem Kind den Besuch einer deutsch/französischen Kita zu ermöglichen, obwohl sie erst im November 2007 wieder eine Erwerbstätigkeit aufnahm. Während der Kita-Zeit war die Mutter weitestgehend zeitlich nicht gebunden. Auch hinsichtlich der Wahl der Grundschule in M… nahm sie auf den Vater keine Rücksicht. Für sie standen allein pragmatische Erwägungen im Vordergrund. Sie war bzw. ist nicht willens, eine bilinguale Erziehung des Kindes in einer deutsch/französischen Schule in B… zu unterstützen. Die von ihr ins Feld geführten Argumente, weiter Schulweg, Verlust von Sozialkontakten, Einbuße von Freizeit, sind zwar verständlich. Sie zeigen aber auch, dass die Mutter nicht bereit ist, für das Kind Opfer zu erbringen. Mit einem Umzug nach B… könnte sie den Schulweg verkürzen und damit die Lebensbedingungen des Kindes erleichtern. In diesem Zusammenhang darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass J… an der deutsch/französischen K…-Grundschule sehr gute Schulleistungen erbrachte und sich damit für den Besuch des Französischen Gymnasiums in B… qualifiziert hat. Dieser Erfolg dürfte J… auch Selbstvertrauen geben. Die Mutter sollte diesen Aspekt für die weitere Entwicklung des Kindes nicht unterschätzen. Ferner möge sie sich einmal vor Augen halten, dass der Vater keine Mühe und auch keine Kosten scheut, den Kontakt mit J… zu pflegen. Zu jedem Umgang muss er mehr als 2.000 Kilometer reisen, um seine Tochter sehen zu können.

Auf Seiten des Vaters gibt es aber auch keine belastbaren Anzeichen dafür, dass er die deutschen Wurzeln von J… fördern würde, wenn sie ihren Lebensmittelpunkt bei ihm hätte. Die deutsche Sprache hat der Vater bis heute nicht gelernt. Es mag sein, dass der Beteiligte zu 1. auch deutsche Freunde hat. Dem Senat erschließt sich aber nicht, was das mit der deutschen Seite des Kindes zu tun hat. J… hat bei ihrer Anhörung jedenfalls erklärt, in Frankreich rede niemand mit ihr deutsch. Wie sich der Schulalltag von J… in Frankreich gestalten würde, dazu hat der Vater nichts Konkretes vorgetragen. Nach seinen Angaben gibt es in R… ein Gymnasium für binationale Kinder. Die Schule soll 70 km von seinem Wohnort entfernt sein. Das Kind wäre in diesem Fall mindestens ebenso großen Belastungen ausgesetzt wie derzeit durch den Besuch des Französischen Gymnasiums in B…. Der Vater kann auch nicht ernsthaft davon ausgehen, dass die Mutter wieder ihren Wohnsitz nach Frankreich verlegt, um ein Wechselmodell praktizieren zu können.

Soweit der Sachverständige in seinem Gutachten vom 18.01.2012 zu dem Schluss gelangt ist, der Vater weise die höhere Bindungstoleranz auf, weil er eine längere Zeit des Umgangs für die Mutter vorschlage (Mutter: 7 Monate, Vater: 5 Monate), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Die Argumentation ist nicht plausibel. Abgesehen davon, dass die Einlassung des Vaters allenfalls als Absichtserklärung zu werten ist, kann sein Vorschlag nur als unrealistisch eingestuft werden. Im Konkreten würde das für J… eine fortgesetzte Entwurzelung aus dem gewohnten Lebenskreis mit sich bringen, die selbst einem Erwachsenen kaum zumutbar ist. Das Kind wäre gezwungen, sich immer wieder auf neue Bezugspersonen einzustellen, Freundschaften nicht pflegen zu können und sich immer wieder auf eine neue Unterrichtssprache einstellen zu müssen.

Letztlich kommt es auf die Einschätzung des Sachverständigen auch nicht Streit entscheidend an. Selbst wenn der Vater die höhere Bindungstoleranz aufweisen sollte, würde das nicht zur Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf ihn führen. Die Senat misst vorliegend dem Gesichtspunkt der Kontinuität - was noch auszuführen sein wird - den größeren Stellenwert zu. Von daher spielt auch der vom Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2012 angesprochene Aspekt, im Verlauf der Begutachtung habe sich der Vater im Vergleich zur Mutter als der entwicklungsfähigere und flexiblere Elternteil erwiesen, keine Rolle. Im Übrigen ist die Einschätzung des Sachverständigen, die Mutter sei bei der erneuten Exploration grundlos unsicher gewesen, kein hinreichender Grund, ihre Erziehungsfähigkeit ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Schließlich lässt sich nicht ausschließen, dass die Mutter durch die zahlreichen Gerichtsverfahren psychisch belastet ist. Das ist nur verständlich. Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang allerdings nicht, dass die Mutter an der Entwicklung der Dinge nicht unschuldig ist.

Der Umstand, dass das Kind während der Exploration in der Umgebung des Vaters entspannter war, wie der Sachverständige ausgeführt hat, kann für einen Aufenthaltswechsel nicht entscheidend sein. Der Sachverständige hat dazu im Ergänzungsgutachten vom 10. April 2012 angegeben, ob dieser Umstand zu einer Zuweisung führen könne, sei aus psychologischer Sicht fraglich (Bl. 1268).

Im Hinblick auf die Bindung des Kindes ergibt sich auch kein Vorrang eines Elternteils. Die Anhörung am 13.09.2012 hat ergeben, dass J… Vater und Mutter gleichermaßen liebt. Sie leidet sehr unter dem Streit der Eltern. Wie schon dem Bericht des Verfahrenspflegers vom 28.02.2012 entnommen werden kann, möchte J… bei ihrer Mutter leben und den Vater häufig besuchen. Ob dies dem wirklichen Willen des Kindes entspricht, vermag der Senat nicht zu beurteilen. Das Kind war auf die gerichtliche Anhörung vorbereitet. Es hat zum Teil wörtlich die Argumente der Mutter vorgetragen. Zum Wortschatz eines noch nicht einmal zehnjährigen Mädchens gehört nicht der Begriff der „wohnortnahen Schule". Nach Einschätzung des Sachverständigen lässt sich der tatsächliche Wille oder die tatsächliche Bindung des Kindes nicht feststellen. Über dem Elternstreit hat J… Strategien entwickelt, sich zu schützen. Dazu gehört ein ausweichendes Verhalten. Das Kind kann sich auch gut anpassen, was der Vater als besondere Fähigkeit seiner Tochter ansieht (Gutachten vom 18.01.2012, dort Bl. 15). Diese Einschätzung des Vaters lässt sich nicht recht mit seiner Forderung, dass ein Kind möglichst freiheitlich erzogen werden sollte, vereinbaren. Zum Freisein gehört auch ein oppositionelles Verhalten.

Der Kontinuitätsgrundsatz spricht hier eindeutig für die Mutter. Seit der Trennung der Eltern betreut und versorgt sie das Kind. J… lebt fast von Geburt an bei ihrer Mutter. Die Mutter hat Frankreich mit staatlicher Billigung verlassen. Sie hat dem Vater das Kind nicht entzogen. Die mit der Sache befassten französischen Gerichte hatten keine Bedenken, das Kind in die Obhut der Mutter zu geben. Sie waren davon überzeugt, dass die Mutter J… gut versorgt und betreut. Dies haben die verantwortlichen Richter damals auch so niedergelegt: „Es steht außerhalb jeden Zweifels, dass sich Frau S… in vorbildlicher Weise um ihre Tochter kümmert; dies wird durch ihre vorteilhafte Entwicklung belegt …", obwohl der Vater schon zu dieser Zeit eine psychische Erkrankung der Mutter ins Feld führte. Dass der Vater die Erziehungsfähigkeit der Mutter niemals ernsthaft anzweifelte, zeigt auch die Elternvereinbarung vom 06.06.2005. Die Eltern waren sich damals darüber einig, dass der gewöhnliche Aufenthalt von J… bei der Mutter ist. Als Arzt und engagierter Vater hätte es der Beschwerdeführer mit Sicherheit nicht verantworten können, eine solche Vereinbarung zu treffen, wenn er das Wohl und Wehe seiner Tochter im Haushalt der Mutter gefährdet gesehen hätte. Es spricht vielmehr alles dafür, dass er die Mutter durchaus für fähig hielt, für eine gedeihliche Entwicklung von J… zu sorgen. Diese gemeinsame Einschätzung der Eltern über den Lebensmittelpunkt ihrer Tochter ist zwar für die Zukunft nicht bindend, lässt jedoch die Prognose zu, dass auch künftig ein Aufenthalt J… bei der Mutter ihrem Wohl dienlich ist. Es gibt keinen vernünftigen Grund, die elterlichen Kompetenzen der Mutter heute in Frage zu stellen. Letztlich tut der Vater dies auch nicht. Anderenfalls wäre sein außergerichtlicher Vergleichsvorschlag vom 31.08.2012 nicht verständlich. Der Vater hatte der Mutter eine Einigung dahingehend vorgeschlagen, dass das Kind weiter bei ihr leben kann, wenn die Mutter dem Kind den Besuch des Französischen Gymnasiums in B… ermöglicht und der Umgang mit dem Kind in bestimmter Weise erleichtert wird.

Der Senat hält hier den Gesichtspunkt der Kontinuität, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt, bei der Kindeswohlprüfung für ausschlaggebend. Es waren im Ausgangsfall die Eltern, die mit ihrer Vereinbarung vom 06.06.2005 den Lebensmittelpunkt des Kindes im Haushalt der Mutter einvernehmlich bestimmt haben. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, die seinerzeit getroffene Entscheidung in Frage zu stellen. Den Lebensmittelpunkt eines Kindes verändert man nicht ohne Not. J… wird von der Mutter gut versorgt und betreut. Sie ist in ihrem Lebensumfeld verwurzelt und fühlt sich dort wohl. Dies gilt es zu respektieren.

Bei ihrer Anhörung hat J… dem Senat erklärt, mit dem Lebensgefährten der Mutter und dessen Töchtern verstehe sie sich gut. Auf Nachfrage (nachdem sie zunächst niemanden benennen konnte, an den sie sich bei Kummer wenden könne) meinte sie, A… (dem Lebensgefährten der Mutter) könne sie sich bei Problemen anvertrauen. Bei C… (Lebensgefährtin der Mutter) habe das keinen Sinn, weil diese immer das sage, was auch der Papa sage. Die Söhne C… möge sie zwar, aber nicht so gerne wie T… und Th…. Ihre beiden Halbschwestern in Frankreich treffe sie dort manchmal, aber die seien ja schon erwachsen.

Soweit der Sachverständige Dipl. Psych. Dr. M… W… in der Sitzung vom 13.09.2012 die Auffassung vertreten hat, der Aspekt der Kontinuität komme vorliegend nicht zum Tragen, weil die Mutter mit ihrer Familie umziehen werde, rechtfertigt das kein anderes Ergebnis. Es mag sein, dass sich der Lebensgefährte der Mutter beruflich verändern will. Nach Angaben der Mutter strebt er eine Geschäftsführertätigkeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb in Br… oder M… an. Das Vorhaben hat aber überhaupt noch keine konkreten Züge angenommen. Im Übrigen gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der - dann anstehende - Umzug nicht aus beruflichen/familiären Gründen erfolgen wird, sondern um den Umgang des Kindes mit ihrem Vater zu beeinträchtigen.

Die danach gebotene Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter hat zur Folge, dass dieser auch die übrigen Bestandteile des Sorgerechts zu übertragen sind. Zwar scheidet die Übertragung verschiedener Teilbereiche des Sorgerechts auf beide Elternteile nicht von vornherein aus. Hier gebietet es jedoch das Kindeswohl das gesamte Sorgerecht einem Elternteil zu übertragen. Die durch Zwischenentscheidungen erfolgte Aufspaltung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Schulangelegenheiten hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der fortbestehende Streit auf dem Rücken des Kindes ausgetragen worden ist. Die kompromisslose Haltung beider Eltern hinsichtlich der Schulwahl hat im Wesentlichen dazu geführt, dass J… heute als sehr belastet erscheint und dass sie neben der Schule kaum noch Möglichkeiten der Freizeitgestaltung - und damit der Entwicklung ihrer Persönlichkeit - für sich sieht. Das Kind kann nur dadurch entlastet werden, dass nur noch ein Elternteil die Entscheidungsbefugnis in allen wesentlichen Belangen des Sorgerechts hat. Wegen der vorrangigen Bedeutung des Aufenthaltsbestimmungsrecht, das den zentralen Lebensbereich des Kindes bestimmt, hat der Senat deshalb der Mutter auch das Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten und das Sorgerecht insgesamt übertragen.

Der Senat hat in den Tenor ausdrücklich die schulischen Angelegenheiten aufgenommen, weil es ansonsten angesichts des Verfahrens zum Az. 15 UF 32/10 möglicherweise zu Unklarheiten über den Umfang der Übertragung kommen könnte. Da es im hier zu entscheidenden Verfahren um das Sorgerecht insgesamt geht, ist mit der nun getroffenen Entscheidung das Verfahren 15 UF 32/10, das nur einen Teilbereich des Sorgerechts erfasst hat, erledigt. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.10.2012 - 9 UF 91/11)

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„... Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht Ludwigsburg das Namensbestimmungsrecht gemäß § 1617 Abs. 2 BGB auf einen Elternteil übertragen, da weder ein Name kraft Gesetzes feststand, noch die Eltern einen zulässigen Namen für P. I. bestimmt hatten.

1. Die Namensbestimmung für P. I. richtet sich nach deutschem Recht. Da beide Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes deutsche Staatsangehörige waren, steht die Möglichkeit des Art. 10 Abs. 3 EGBGB, wonach auch eines der Heimatrechte der Eltern bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit gewählt werden kann, nicht mehr zur Verfügung. Nach herrschender Meinung folgt aus der für die erste Tochter vorgenommenen Wahl des kolumbianischen Rechts nicht, dass auch für P. I. kolumbianisches Recht gilt, denn die Rechtswahl gilt nur für den Namen des betreffenden Kindes, da eine dem § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB vergleichbare Vorschrift nicht existiert. Für weitere Kinder ist jeweils eine eigene Wahl, bei Vorliegen der Voraussetzungen, zu treffen (Palandt/Thorn, BGB, 71. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 23; Münchener Kommentar BGB, 5. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 118 ff).

2. Führen die Eltern - wie hier - keinen Ehenamen und üben sie das gemeinsame Sorgerecht aus, können sie nach § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB entweder den Namen des Vaters oder den der Mutter als Geburtsnamen für das Kind wählen. Der Gesetzgeber hat sich in einem längeren Gesetzgebungsprozess grundsätzlich gegen Doppelnamen für Kinder entschieden. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht es nicht für verfassungsrechtlich geboten, aber für zulässig angesehen, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen die Möglichkeit der aus den Elternnamen zusammengesetzten Doppelnamen entschieden hat (BVerfGE vom 30.01.2002, FamRZ 2002, 306 bis 311). Der Umstand, dass es in Einzelfällen zu Doppelnamen bei Kindern kommen kann (z.B. wenn ein Elternteil selbst einen echten Doppelnamen trägt), führt nicht dazu, dass die grundsätzliche Regelung zu beanstanden wäre.

3. Die Wahl des Geburtsnamens L. R. für P. I. ist auch nicht nach Art. 224 § 3 Abs. 3 EGBGB möglich, da die ältere Schwester S. nicht vor dem 01.04.1994 geboren ist. Nach dieser seit 01.07.1998 geltenden Übergangsvorschrift haben Eltern die Möglichkeit, den aus den Namen beider Eltern bestehenden Doppelnamen, den ein vor dem 01.04.1994 geborenes Geschwisterkind erhalten hat, auch für danach geborene Geschwister zu bestimmen. Diese Regelung war für die Fälle notwendig geworden, in denen Kinder aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 05.03.1991, 1 BvL 24/88) in der Übergangszeit zulässigerweise Doppelnamen erhalten hatten und für deren später geborene Geschwister dies nach dem dann geltenden Recht nicht mehr möglich war (§ 1616 BGB a.F.). Diese Vorschrift sollte dazu dienen, die Namenseinheit der Geschwister zu ermöglichen. Der Gesetzgeber hatte jedoch mit dem eindeutigen Wortlaut nur diejenigen Fälle erfassen wollen, in denen ein vor dem 01.04.1994 geborenes Geschwisterkind den Doppelnamen erhalten hat. Eine Erweiterung auf später geborene Doppelnamensträger, entgegen dem eindeutigen Wortlaut, kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht (ebenso OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.06.2012, 14 Wx 23/11). Zwar war die Motivation für diese Regelung, dass der Gesetzgeber die Namensverschiedenheit von Geschwistern grundsätzlich nicht gutheißt; doch ergibt sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs, dass es gerade darum ging, eine als Folge der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts entstehende Namensverschiedenheit bei Geschwistern zu vermeiden (BT-Drs. 13/8511 S. 80). Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus eine weitere Angleichung an bereits vorhandene Doppelnamen gewollt, hätte er diese zeitliche Eingrenzung nicht vorgenommen.

Die hier vertretene Auffassung widerspricht nicht der des OLG München. Zwar rührte in dem vom OLG München entschiedenen Fall (OLG München, Beschluss vom 09.08.2007, 31 Wx 34/07) der Doppelname des älteren Kindes nicht aus der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts, sondern aus einer zulässigen Wahl ausländischen Rechts, doch war dieses ältere Kind vor dem 01.04.1994 geboren und damit der Tatbestand des Art. 224 § 3 Abs. 3 EGBGB in seiner eindeutigen zeitlichen Begrenzung erfüllt.

4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin lässt sich nicht feststellen, dass der Grundsatz der Namenseinheit von Geschwistern Vorrang vor dem Doppelnamensverbot haben solle oder dass dies ein zwingender Grundsatz sei. Bei der Regelung des Art. 224 § 3 Abs. 3 EGBGB hat der Gesetzgeber nämlich davon Abstand genommen, einen aufgrund der Übergangsregelung des BVerfG gegebenen Doppelnamen kraft Gesetzes für weitere Kinder festzulegen, sondern hat dies der Wahl der Eltern überlassen, die Möglichkeit einer Namensverschiedenheit der Geschwister also bestehen gelassen (vgl. BT-Drs. 13/8511 S. 80).

Die Behauptung der Beschwerdeführerin, der Gesetzgeber habe für die Namenswahl bei Geschwistern eine Anwendung des Gedankens des § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB auf internationale Sachverhalte gewollt, lässt sich mit den von ihr zitierten Begründungen von Gesetzentwürfen nicht belegen. Dass der Gesetzgeber, wie die Beschwerdeführerin selbst einräumt, eine „passende Erweiterungsnorm" nicht erlassen hat, spricht im Übrigen dafür, dass der Gesetzgeber eine Ausdehnung auf weitere, insbesondere internationale Sachverhalte, gerade nicht wollte. Sonst hätte sich auch bei Art. 10 Abs. 3 EGBGB eine dem § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB entsprechende Bindungsvorschrift angeboten, welche ebenfalls nicht existiert.

5. Auch der weitere Ausnahmefall, wonach aufgrund des Anwendungsvorrangs von europäischem Gemeinschaftsrecht trotz § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB ein Doppelname für ein Kind zulässig ist, wenn das Kind in einem EU-Staat geboren wurde, in dem Doppelnamen zulässig sind (OLG München, Entscheidung vom 19.01.2010, 31 Wx 152/09), liegt hier ersichtlich nicht vor.

6. Nach herrschender Auffassung gilt die Namenserstreckung auf Geschwister gemäß § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB nur unter der Voraussetzung des § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn Eltern aufgrund ihrer gemeinsamen Sorge sich für einen ihrer Namen als Geburtsnamen für ihr erstes Kind entschieden haben und nicht für andere Sachverhalte. So gilt § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB auch nicht, wenn der Erstgeborene seinen Namen kraft Gesetzes erhalten hat, beispielsweise gemäß § 1616 oder § 1617 a BGB (Münchener Kommentar/von Sachsen-Gessaphe, 6. Aufl., § 1617 Rn. 21; Beck'scher Online-Kommentar/Enders, Mai 2012, § 1617 Rn. 13). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut und der systematischen Stellung innerhalb des § 1617 BGB. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, es sei geboten, die Vorschrift auch im vorliegenden Fall anzuwenden, auch wenn die Namensbestimmung für die Erstgeborene nicht aufgrund des § 1617 Abs. 1 S. 1 BGB, also nach deutschem Recht, erfolgte, sondern auch aufgrund anderer Sachverhalte, z.B. aufgrund ausländischen Rechts, überzeugt nicht. Die Vorschrift dient zwar der Namenseinheit von Geschwistern, doch hätte der Gesetzgeber nicht die Ausnahmevorschrift des Art. 224 § 3 Abs. 3 EGBGB für die von der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts betroffenen Doppelnamensfamilien schaffen müssen, wenn man dasselbe Ergebnis schon über § 1617 Abs. 1 S. 3 BGB (bzw. die Vorgängervorschrift § 1616 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.) erzielen hätte können. Aus dem systematischen Zusammenhang ergibt sich der eindeutige Wille des Gesetzgebers, eine Namenseinheit nur für die Fälle herzustellen, bei denen sich Eltern einmal für den Namen der Mutter oder des Vaters entschieden haben.

7. Auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ist es hier nicht geboten, von der geltenden Rechtslage abzuweichen. Das Elternrecht zur Namensgebung wird durch das grundsätzliche Verbot von Kindesdoppelnamen in zulässiger Weise eingeschränkt (BVerfG FamRZ 2002, 306 bis 311). Weder dieses Verbot noch andere Prinzipien, wie z.B. das hier betroffene Leitbild der Namenseinheit von Geschwistern, werden konsequent verwirklicht, es gibt jeweils zahlreiche Ausnahmen. Dies liegt daran, dass die unterschiedlichen Prinzipien zum Teil gegenläufigen Charakter haben (Staudinger/Coester, BGB, 2007, § 1617 Rn. 37; Münchener Kommentar/von Sachsen-Gessaphe, 6. Aufl., § 1617 Rn. 22). Darin liegt indes kein Verstoß gegen grundrechtlich geschützte Positionen.

Das erstgeborene Kind ist auch nicht gezwungen, seinen Namen zur Herstellung einer Namenseinheit unter den Geschwistern aufzugeben, da es eben keinen Zwang zur Namenseinheit gibt, insofern ist sein Recht am eigenen Namen auch nicht angetastet.

Letztendlich sei darauf hingewiesen, dass die Eltern mit ihrer Entscheidung, keinen Ehenamen zu wählen, den Grundstein für die Namensverschiedenheit in ihrer Familie selbst gelegt haben. Ebenso hatten sie es bei der Namensgebung für ihr erstes Kind, im Hinblick auf die mögliche Einbürgerung der Mutter, selbst in der Hand, eine Namensungleichheit mehrerer Kinder zu vermeiden. Dass nun aufgrund der unterschiedlichen rechtlichen Möglichkeiten der Namensbestimmung für ihre Kinder diese unterschiedlich heißen, ist hinzunehmen. Im übrigen könnten die Eltern durch nachträgliche Wahl eines gemeinsamen Ehenamens und Erstreckung auf die Kinder die Namenseinheit für die ganze Familie über § 1617 c BGB herstellen, wenn ihnen dies wichtig erscheint.

8. Der Antrag, die Stadt Stuttgart zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten an die Beschwerdeführerin zu verpflichten, war mangels Vorliegens einer Anspruchsgrundlage und aufgrund des Unterliegens der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren zurückzuweisen. ..." (OLG Stuttgart, Beschluss vom 02.10.2012 - 17 UF 45/12, 17 UFH 1/12)

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In einem Verfahren auf Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (§ 1671 BGB) entsteht für den Rechtsanwalt keine Terminsgebühr, wenn das Familiengericht ohne Termin entscheidet (KG Berlin, Beschluss vom 16.08.2012 - 25 WF 58/12).

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„... Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht Brühl das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind T G auf die Kindesmutter übertragen. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist dem Antrag eines Elternteils auf Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles der elterlichen Sorge stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge bzw. eines Teilbereichs von dieser und die Übertragung auf den antragstellenden Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist stets das Kindeswohl. Gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls sind die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung (Erziehungseignung) und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens (so BGH FamRZ 2011, 796-801; FamRZ 1990, 392, 393 mwN). Die einzelnen Kriterien stehen aber letztlich nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (FamRZ 1990, 392, 393 mwN; FamRZ 2010, 1060). Erforderlich ist eine alle Umstände des Einzelfalls abwägende Entscheidung. Hierbei sind alle von den Verfahrensbeteiligten vorgebrachten Gesichtspunkte in tatsächlicher Hinsicht soweit wie möglich aufzuklären und unter Kindeswohlgesichtspunkten gegeneinander abzuwägen, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfG FamRZ 2009, 1897; BGH FamRZ 2010, 1060).

Nach den überzeugenden Feststellungen des vom Senat eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Q, nach den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie dem Ergebnis der erstinstanzlichen persönlichen Anhörung der Beteiligten und des Kindes ist der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens überzeugt, dass eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für T auf die Kindesmutter dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. Q, denen sich der Senat anschließt, spricht bei gleicher Erziehungseignung der Eltern der Grundsatz der Kontinuität entscheidend dafür, dass T seinen Lebensmittelpunkt im Haus der Mutter in Alt-I. behalten soll. Der Sachverständige hat den Sachverhalt umfassend exploriert. Bedenken gegen seine fachliche Qualifikation als Diplompsychologe bestehen nicht. Aus den von ihm durchgeführten psychologischen Testverfahren und Untersuchungen ergibt sich, dass trotz der festgestellten derzeit etwas stärkeren Orientierung des Jungen zum Vater eine Beibehaltung des Lebensmittelpunktes bei der Mutter mit einem möglichst umfangreichen Umgangsrecht des Vaters dem Kindeswohl am besten entspricht.

T lebt seit seiner Geburt ununterbrochen im Haus der Kindesmutter in Alt-I.. Die Mutter betreut und versorgt T seit seiner Geburt. Die Eltern haben sich darauf verständigt, dass die Kindesmutter zur Betreuung von T im ersten Lebensjahr Erziehungszeit nimmt. Nach der Trennung der Eltern ist T im Haushalt der Mutter geblieben. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist T in allen Entwicklungsbereichen altersgerecht entwickelt. Schon dieser Entwicklungsstand spricht gegen die vom Kindesvater wiederholt erhobenen Vorwürfe gegen die Erziehungseignung der Kindesmutter. Es ist keinesfalls zu beanstanden, wenn die Kindesmutter an einem Abend ausgeht, soweit sie - wie dargetan - für eine angemessene Kinderbetreuung gesorgt hat. Auch der Umstand, dass zur Ausübung und ggf. Erweiterung der Berufstätigkeit eine geeignete Fremdbetreuung in Anspruch genommen wird, vermag keineswegs einen Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters zu rechtfertigen. Der Sachverständige Prof. Dr. Q hat festgestellt, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Begutachtung keinerlei Bedenken gegen die Erziehungsfähigkeit der Mutter bestehen. Nach Angaben der Erzieherinnen ist die hygienische Versorgung des Jungen nicht zu beanstanden. Die Kindesmutter habe insoweit hinzugelernt.

Neben der Bindung zur Mutter verfügt T in I über Kontakte, die er bei einem Wechsel in den Haushalt des Vaters verlieren müsste. T besucht 4 Tage pro Woche in I die Kindertagesstätte. Nach Aussagen der Erzieherinnen geht er sehr gerne in die Einrichtung. Er sei ein unproblematisches, sehr soziales Kind, freundlich, hilfsbereit und nicht aggressiv. Diese sozialen Kontakte müsste T bei einem Wechsel in den Haushalt des Vaters verlieren. Demgegenüber kann er die bestehenden familiären und freundschaftlichen Beziehungen am Wohnort des Vaters durch das regelmäßige umfangreiche Umgangsrecht wie bisher fortsetzen. Ohnehin bewertet der Senat es für die Entwicklung des Jungen positiv, dass er die Vorzüge einer ländlichen Umgebung am Wochenende beim Vater unbeschwert genießen kann. Die Vorteile des Aufwachsens eines Kindes in einer städtischen Umgebung, nämlich das größere Angebot an Kitas, Schulen und Freizeiteinrichtungen sowie deren bessere Erreichbarkeit, gingen bei einem Wechsel des Wohnorts des Jungen verloren.

Die vom Sachverständigen festgestellte etwas stärkere Orientierung von T zum Vater rechtfertigt keine andere Entscheidung. T verfügt über sichere Bindungen zu beiden Eltern. Der Sachverständige hat nachvollziehbar dargetan, dass angesichts des Alters von T das Kriterium der Bindung/Orientierung nicht zu hoch zu gewichten sei, weil in der frühen Kindheit Orientierungen des Kindes eine schnelle Änderung erfahren könnten. Der Senat hat keine Veranlassung, die nachvollziehbar begründete Einschätzung des Sachverständigen, der dem Senat aus einer Vielzahl von Kindschaftsverfahren als fachlich kompetent und erfahren bekannt ist, in Zweifel zu ziehen. Jedenfalls wertet der Senat es als positiv, dass die Kindesmutter nicht versucht, die für das Wohl von T wichtige Bindung zum Vater zu beeinträchtigen.

Entsprechendes gilt für das umfangreiche Umgangsrecht des Vaters, das weit über das übliche Maß hinausgeht. Trotz des Elternkonflikts wird das Umgangsrecht an drei Wochenenden im Monat regelmäßig und weitgehend unproblematisch durchgeführt. T genießt die Umgangswochenenden beim Vater in E. Dies spricht eindeutig für die Bindungstoleranz der Kindesmutter. Angesichts der vom Kindesvater erhobenen Vorwürfe gegen die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter hat der Senat Zweifel, ob der Kindesvater im Falle eines Wechsels von T in seinem Haushalt der Kindesmutter ein entsprechend umfangreiches Umgangsrecht einräumen würde. Demgegenüber hat der Senat die berechtigte Hoffnung, dass die Eltern nach Abschluss dieses Verfahrens auch die Übergabe des Kindes nach Beendigung des Umgangswochenendes wieder allein am Kindeswohl orientieren. Beide Eltern sollten sich bewusst sein, dass für die Fortsetzung der sehr guten Entwicklung ihres Sohnes eine vertrauensvolle und am Kindeswohl orientierte Ausübung ihrer gemeinsamen Elternverantwortung unerlässlich ist. Nach Abschluss des Verfahrens sollten sie wieder versuchen, eine gemeinsame Basis zur Kommunikation zu finden und die Angriffe gegen die Person des jeweils anderen Elternteils unterlassen. T sollte unbeschwert die Vorteile seiner beiden, sehr unterschiedlichen „Zuhause" genießen können.

Nach nochmaliger Abwägung aller Umstände ist der Senat überzeugt, dass eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für T auf die Kindesmutter und damit eine Beibehaltung der derzeitigen Verhältnisse dem Kindeswohl am besten entspricht.

Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Nachdem T bei dem zuständigen, sehr erfahrenen Familienrichter im Rahmen seiner Anhörung keine das Verfahren förderlichen Angaben gemacht hat, hat der Senat nicht versucht, den Jungen nochmals anzuhören; zumal auch der Sachverständige trotz seiner umfangreichen Untersuchungen einen verbal erklärten Kindeswillen nicht feststellen konnte.

Es entspricht entgegen der Sollregelung in § 84 FamFG der Billigkeit, die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Die Entscheidung beruht auf einer umfassenden Abwägung aller Umstände, die erst nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen getroffen werden konnte. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 31.07.2012 - 4 UF 262/11)

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Führen die Kriterien zur Konkretisierung des Kindeswohls - Kontinuität der Erziehung, Förderung der Entwicklung eines Kindes, Bindungen des Kindes sowie der von ihm geäußerte Wille (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060; 2011, 796) - zu keinem eindeutigen Vorrang eines Elternteils, kann im einstweiligen Anordnungsverfahren die Entscheidung über die Rückkehr des Kindes in den Haushalt des bisher betreuenden Elternteils auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden, nach der ein mehrfacher Aufenthaltswechsel des Kindes zu vermeiden ist. Auch im Gutachten eines Sachverständigen, der auf die Herstellung des Einvernehmens zwischen den Beteiligten hinwirken soll (§ 163 Abs. 2 FamFG), sind die für das Kindeswohl maßgeblichen Kriterien umfassend abzuwägen (OLG Celle, Beschluss vom 19.07.2012 - 15 UF 81/12 - zu Normen: §§ 1671 I BGB, 1697a BGB, §§ 49, 54, 163 II FamFG).

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Der Hauptsacheantrag eines Elternteils auf Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann im Einzelfall mutwillig sein, wenn dieser Elternteil zeitgleich einen Antrag auf einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt hat (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 17.07.2012 - 6 WF 358/12 zu §§ 76 I FamFG, 114 1 ZPO, 1671 BGB).

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Ein Obhutswechsel kommt bei einer bereits vollzogenen einstweiligen Anordnung nur ausnahmsweise in Betracht. Eine Ausnahme kann im Falle der sogenannten "ertrotzten" Kontinuität vorliegen (OLG Hamm, Beschluss vom 05.07.2012 - 11 UF 106/12):

„... Nach den im Beschwerdeverfahren gewonnenen Erkenntnissen ist der Senat davon überzeugt, dass bei summarischer Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren - bis zu einer Entscheidung in dem bereits anhängigen Hauptsacheverfahren - die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung derselben auf den Antragsgegner zur alleinigen Ausübung dem Wohle der Kinder T, T1 und T2 am besten entspricht.

Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil derselben allein überträgt. Dem Antrag ist, wenn nicht der andere Elternteil zustimmt, § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller - auch unter Berücksichtigung des von Art. 6 GG geschützten Elternrechtes (vgl. etwa Münchener-Kommentar-Finger, BGB, 5. Aufl. 2008, § 1671 Rdn. 72) - dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

1. Keinen rechtlichen Bedenken begegnet zunächst einmal, dass das Amtsgericht die Frage der alleinigen Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch einen der Elternteile im Wege der einstweiligen Anordnung geregelt hat.

Eine solche einstweilige Anordnung in Sorgerechtsfragen, die auch nur Teilbereiche der elterlichen Sorge erfassen kann, ist zulässig, wenn eine Regelungsbedürfnis, also ein dringendes Bedürfnis für ein unverzügliches Einschreiten besteht, das ein Abwarten bis zur endgültigen Entscheidung nicht gestattet, weil diese zu spät kommen und die Kindesinteressen nicht genügend wahren würde (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.8.1989 - 16 WF 144/89 - FamRZ 1990, 304; OLG Brandenburg, Beschluss vom 4.11.2008 - 10 WF 225/08 - OLGR 2009, 375). Dazu reicht es nicht aus, dass die gerichtliche Entscheidung dem Wohle des Kindes am besten entsprechen würde. Erforderlich ist vielmehr, dass ohne eine Eilentscheidung des Gerichts eine nachteilige Beeinträchtigung des Kindeswohls ernsthaft zu befürchten ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 18.8.1997 - 9 WF 90/97 - FamRZ 1998, 1249).

Ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts hat das Amtsgericht vorliegend zu Recht angenommen. Dieses ergibt sich zunächst daraus, dass sich die Kindeseltern über den weiteren Aufenthaltsort ihrer Kinder völlig uneins sind, so dass im Kindeswohlinteresse eine sofortige Regelung zu dieser Frage zu erfolgen hat. Ein ungeregelter Zustand bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist angesichts des erheblichen, auch im Senatstermin spürbaren Konflikts der Kindeseltern nicht hinnehmbar; diese Einschätzung wird von den Kindeseltern letztlich auch geteilt, was sich schon in ihren gegenläufigen Begehren zeigt. Wenn der Streit der Kindeseltern ohne eine auch nur vorläufige Regelung bis zur Vorlage des in der Hauptsache mutmaßlich in Auftrag zu gebenden Sachverständigengutachtens und der auf dessen Grundlage erfolgenden Gerichtsentscheidung - möglicherweise wiederum erst in zweiter Instanz - weiterginge, würden die Kinder hierdurch möglicherweise in ihrer Entwicklung schwer geschädigt werden (in diesem Sinne allgemein etwa auch OLG Hamm, Entscheidung vom 28.07.2011 - 8 UF 86/11 - FamRZ 2012, 236).

2. Aus den gleichen Erwägungen ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass vorliegend im Sinne des Wohles der betroffenen Kinder eine Auflösung der gemeinsamen Sorge für den Teilbereich Aufenthaltsbestimmung und die Übertragung derselben auf einen Elternteil zu erfolgen hat.

Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach Trennung oder Scheidung der Eltern ist deshalb grundsätzlich ein Mindestmaß an Verständigungsbereitschaft zwischen ihnen, also an Kooperations- und Konfliktfähigkeit und ihre ernsthafte Absicht zur gemeinsamen Übernahme von Verantwortung für das Kind, mithin eine tragfähige soziale Beziehung auf der Elternebene (vgl. etwa BVerfG, NJW-RR 2004, 577; OLG Brandenburg NJW-RR 2010, 4; Münchener-Kommentar-Finger, BGB, 5. Aufl. 2008, § 1671 Rnd. 71). In diesem Zusammenhang ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht schon deshalb einem Elternteil allein zu übertragen, weil die Eltern darüber keine Einigkeit erzielen können (vgl. etwa OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.03.2012 - 3 UF 8/12).

Vorliegend beanspruchen die Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht jeweils für sich. Bereits diese Anträge deuten auf fehlende Kooperationsbereitschaft beider Elternteile hin (vgl. OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.3.2012 - 3 UF 8/12; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB, Rz. 37), so dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge hinsichtlich des Teilbereichs des Aufenthaltsbestimmungsrechts unter Berücksichtigung des Kindeswohls erforderlich erscheint.

3. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hält der Senat es hingegen aus Kindeswohlgesichtspunkten für angezeigt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für T, T1 und T2 einstweilen dem Antragsgegner zu übertragen.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es regelmäßig dem Wohl eines Kindes eher abträglich ist, eine bereits vollzogene einstweilige Anordnung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ohne gewichtige Gründe abzuändern, was bedeutet, dass vor der Entscheidung in der Hauptsache ein Obhutswechsel nur ausnahmsweise in Betracht kommt (vgl. allgemein etwa OLG Dresden, Entscheidung vom 10.01.2003 - 10 WF 0783/02 - FamRZ 2003, 1306). Vorliegend hält der Senat indes einen solchen Ausnahmefall für gegeben, da aus seiner Sicht nach dem Ergebnis der summarischen Prüfung derzeit eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass unter Kindeswohlgesichtspunkten in der Hauptsache eine Entscheidung zugunsten des Kindesvaters und Antragsgegners ergehen, dieser also das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder übertragen erhalten wird. Insofern würde eine Aufrechterhaltung der einstweiligen Anordnung und damit der Verbleib bei der Kindesmutter Fakten zugunsten des gegenteiligen Ergebnisses schaffen. In diesem Sinne hat beispielsweise auch das Bundesverfassungsgericht davor gewarnt, einer „ertrotzten" Kontinuität maßgebliche Bedeutung für die Frage nach einer einstweiligen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen der Elternteile beizumessen (vgl. Beschluss vom 27.06.2008 - 1 BvR 1265/08 - FamRZ 2009, 189).

Im Einzelnen:

Maßgeblich zu berücksichtigen ist aus der Sicht des Senates, dass unzweifelhaft der Antragsgegner aufgrund der einvernehmlichen Rollenverteilung der Eltern jedenfalls ab August 2011, also ab der Aufstockung der Tätigkeit der Antragstellerin auf eine Vollzeittätigkeit, die Hauptbetreuungs- und damit auch -bezugsperson der Kinder war, so dass für ihn der Kontinuitätsgrundsatz streitet, der die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Erziehungsverhältnisses umfasst (vgl. allgemein etwa BVerfGE 61, 358). In diesem Zusammenhang kommt hinzu, dass davon ausgegangen werden muss, dass auch er auch schon zuvor, nämlich zu den Zeiten der schweren Erkrankung der Kindesmutter diese Rolle faktisch innehatte. Dass die Mutter der Antragstellerin bis zur Trennung der Beteiligten an drei Tagen in der Woche das Mittagessen zubereitet hat, spielt in diesem Zusammenhang keine entscheidende Rolle, denn - das bestreitet auch die Antragstellerin letztlich nicht - der Kindesvater war jedenfalls derjenige, der die Kinder nach Schule und Kindergarten nachmittags betreut und versorgt hat. Insofern überzeugt den Senat auch die Argumentation des Amtsgerichtes nicht, den Kindern müsse die Großmutter als weitere Betreuungs- und Bezugsperson erhalten bleiben - dass mit einem Wechsel der Kinder in die väterliche Obhut dieser Kontakt wegfiele, ist schließlich keinesfalls zwingend.

Hinzu kommt, dass in der vorliegenden Konstellation die Kinder zwar einen Obhuts- nicht aber einen Ortwechsel zu verkraften haben, da der Senat mit der Entscheidung im Parallelverfahren (11 UF 107/12), auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, gleichzeitig dem Antragsgegner die bisherige gemeinsame Ehewohnung zur vorläufigen alleinigen Nutzung zugewiesen hat.

Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, seit dem Auszug des Antragsgegners die gemeinsamen Kinder alleine zu betreuen. Es handelt sich insoweit um einen Fall der „ertrotzten" Kontinuität im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (vgl. Beschluss vom 27.06.2008 - 1 BvR 1265/08 - FamRZ 2009, 189):

Nach dem besagtem Beschluss des Senates im Parallelverfahren (11 UF 107/06) ist das von der Antragstellerin erwirkte einstweilige Kontaktverbot nach § 1 GewSchG zu Unrecht ergangen. Die Antragstellerin hat mit dem unberechtigten Verweis des Antragsgegners aus dem gemeinsamen Haus daher zugleich im Hinblick auf die Frage der Betreuungssituation der Kinder Fakten geschaffen, die ihr nunmehr im Rahmen der einstweiligen Sorgerechtsentscheidung nicht zugutekommen dürfen; die hier zu treffende Entscheidung kann daher nicht maßgeblich auf eine derart „vorläufige Kontinuität" (BVerfG, a.a.O.) gestützt werden.

Ebenso wenig kann die Antragstellerin eine Zuweisung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrecht an sich damit begründen, der Antragsgegner sei ihr gegenüber handgreiflich geworden und habe gedroht, ihr und den gemeinsamen Kindern etwas anzutun. Auch insoweit wird auf die Entscheidung des Senates im Parallelverfahren verwiesen.

Für eine vorläufige Zuweisung des Aufenthaltsbestimmungsrechts an den Antragsgegner spricht aus der Sicht des Senates schließlich ein weiterer Gesichtspunkt: Alle drei Kinder haben in der Anhörung durch den Senat - unabhängig voneinander - zum Ausdruck gebracht haben, ihren Vater sehr zu vermissen und wieder mehr mit ihm zusammen sein zu wollen. Am schönsten wäre es - so alle drei Kinder -, wenn sie wieder beide Eltern hätten, wieder mit beiden zusammen leben würden. Unter diesem Aspekt vermittelte der Kindesvater mehr noch als die Kindesmutter dem Senat den Eindruck, unter Zurückstellung eigener Interessen und Wünsche vordringlich das Wohl der Kinder im Auge zu haben. So konnte sich der Kindesvater sehr wohl vorstellen, entweder eine Trennung von der Antragstellerin im gemeinsamen Haus zu vollziehen oder aber sich auf ein sog. „Nestmodell" einzulassen, einen regelmäßigen Wechsel beider Eltern bei der Betreuung der Kinder in ebendiesem Haus. Beide Vorschläge hat die Kindesmutter hingegen kategorisch abgelehnt, obwohl eine gütliche Einigung der Eltern bereits als solche dem Wohl der von einem schwerwiegenden Loyalitätskonflikt belasteten Kinder am besten gedient hätte.

Auch auf die vor der Kindesanhörung gestellte Frage des Senates, ob der jeweilige Elternteil bereit sei, den Wunsch der Kinder unabhängig von ihrem Inhalt zu akzeptieren, reagierte die Antragstellerin deutlich zögernder und ausweichender als der Kindesvater, wobei sie dem Antragsgegner zugleich vorwarf, nicht hinreichend „kinderfokussiert" zu agieren - wie überhaupt ihr Verhalten im Senatstermin eher als beim Kindesvater Zweifel an einer hinreichenden Bindungstoleranz aufgeworfen hat.

Hinzu kommt, dass derzeit noch nicht abzuschätzen ist, wie sich die neue Beziehung der Kindesmutter auf das Wohl der Kinder auswirken wird. Trotz entsprechender gegenteiliger Beteuerungen kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die Kindesmutter mittelfristig mit ihrem neuen Lebensgefährten zusammenziehen wird.

Ob es dauerhaft dem Kindeswohl dient, den Lebensmittelpunkt der drei Kinder bei dem Vater zu belassen, mag im Hauptsacheverfahren - gegebenenfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens - abschließend geklärt werden. ..."

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„... Der Antragstellerin war die alleinige elterliche Sorge gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB insgesamt zu übertragen, da zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Es besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Gunsten der gemeinsamen Sorge in dem Sinne, dass die Alleinsorge eines Elternteils nur ausnahmsweise als „ultima ratio" in Betracht kommen soll (BGH FamRZ 2000, 478; BGH FamRZ 2005, 1167; OLG Dresden juris, Beschluss vom 23.12.2009 - 8 UF 200/09). Nach der Neugestaltung des Rechts der elterlichen Sorge durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz obliegt es in erster Linie der Entscheidung der Eltern, ob sie nach ihrer - dauerhaften - Trennung die gemeinsame elterliche Sorge beibehalten wollen; deren Auflösung in eine - gegebenenfalls auch nur partielle - Alleinsorge erfolgt nur auf Antrag eines Elternteils beim Vorliegen der im Gesetz genannten Voraussetzungen (sog. modifiziertes Antragsverfahren; vgl. BGH NJW 2000,203,204 = FamRZ 1999,1646 f.; Veit in: Bamberger/Roth, BGB, 1. Auflage 2003, § 1671 Rn. 2). Ein Vorrang der gemeinsamen vor der Alleinsorge eines Elternteils besteht dabei ebenso wenig wie eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei (BVerfG FamRZ 2004,354,355; BGH a.a.O.; OLG Zweibrücken FamRZ 2001,182; s. auch Bundestags-Drs. 13/4899, S. 63).

Dabei ist zu beachten, dass für eine gesunde gedeihliche Entwicklung des Kindes eine enge vertrauensvolle Beziehung zu beiden Elternteilen wichtig erscheint. Wünschenswert ist es daher, dass sich beim betroffenen Kind das Bewusstsein entwickeln kann, beide Elternteile seien über die Trennung an seiner geistig-seelischen Entwicklung gleichermaßen interessiert, würden Verständnis für seine Bedürfnisse zeigen und seien gewillt, Verantwortung für deren kindgerechte Umsetzung zu übernehmen.

Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung, die sich als oberste Richtschnur an dem so verstandenen Kindeswohl auszurichten hat (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), setzt jedoch eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus und erfordert daher ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen (BVerfG a.a.O.). Zentrale Bedeutung gewinnen damit - objektive - Kooperationsfähigkeit und - subjektive - Kooperationsbereitschaft der Eltern (OLG Saarbrücken OLGR 2004,155; OLG Frankfurt FamRZ 1999,612 f.; KG FamRZ 2000,502 f.;Veit a.a.O., Rn. 28 m.w.N.). Vermögen die Eltern nach der Trennung eine gemeinsame „Kommunikations- und Problemlösungsebene" nicht aufzubauen und steht dies - prognostisch - auch für die Zukunft nicht zu erwarten, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen und demjenigen Elternteil zuzuweisen, bei dem das Wohl des Kindes am besten gewahrt zu werden verspricht (so OLGR Koblenz 2005, 834-835; vgl. auch OLG Naumburg FamRZ 2009, 792; OLG Saarbrücken a.a.O.; Veit a.a.O., Rn. 33: „relativ beste Lösung"). Denn in diesem Fall steht die vom Kind wahrgenommene Zerstrittenheit der Eltern bzw. das erkannte Desinteresse eines Elternteils an seiner Entwicklung dem Kindeswohl entgegen. Vielmehr erscheint die „gemeinsame Sorge" eher das Kindeswohl gefährdend, wenn das Kind immer wieder vergegenwärtigen muss, dass es für die Eltern mit seinen Belangen als „Zankapfel" herhalten muss. Ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Eltern kann so nicht aufgebaut werden, erkennt sich das Kind doch nur als zumindest Mitgrund der Streitigkeiten. Dies gilt es zu verhindern, indem das Kind durch eine eindeutige Zuordnung zu einem Elternteil möglichst weit gehend aus dem Streit herausgehalten wird.

Unter diesen Gesichtspunkten erscheint vorliegend eine Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch nur in Teilbereichen nicht kindeswohldienlich.

Dabei mag allein das von der Kindesmutter seit der Trennung geschilderte Desinteresse des Kindesvaters an der Entwicklung von I. noch nicht ausreichen, um eine vollständige Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter für erforderlich zu halten. Indessen ist schon dieses gezeigte geringe Interesse an dem Wohlergehen seines Kindes ein deutliches Indiz dafür, dass der Antragsgegner nicht ernstlich gewillt ist, Verantwortung für seinen Sohn I. zu übernehmen. Er selbst hat in vorliegendem Verfahren nicht einmal ansatzweise deutlich gemacht, dass er es für I.s Entwicklung für förderlich hält, wenn er ebenfalls die elterliche Sorge mit ausübt. Wo und wie er Verantwortung für I. übernehmen will, bleibt völlig offen. So hat er gegenüber dem Verfahrensbeistand telefonisch geäußert, dass er keinen Zugang mehr zu seinem Sohn habe. Über die telefonische Kontaktaufnahme hinaus zeigte der Antragsgegner gegenüber dem Verfahrensbeistand kein Interesse an einer weiteren Beteiligung zur Aufarbeitung der Probleme und Erarbeitung einer sachgerechten, kindeswohldienlichen Lösung. Hierfür hätte allerdings durchaus Veranlassung bestanden, hat doch I. in vorliegendem Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben wolle.

Dieser Wille ist auch gerade wegen der beim Vater sowohl ihm wie auch seiner Mutter gegenüber erlebten Gewaltbereitschaft durchaus verständlich und beachtenswert. Ein kindeswohlförderliches Bewusstsein dahin, der Antragsgegner sorge sich um sein Wohl und wolle gemeinsam mit der Mutter für ihn Verantwortung übernehmen, kann so bei I. nicht entstehen. Vielmehr erscheint für den Senat durchaus die von I. gegenüber dem Verfahrensbeistand geschilderte Angst vor dem Vater glaubhaft. Eine gewisse behandlungsbedürftige Traumatisierung des Kindes scheint - wie sich auch aus seinen Verhaltensauffälligkeiten ergibt - bereits eingetreten zu sein. Eine Vorbildfunktion des Vaters, mit der sich I. identifizieren könnte, ist nicht gegeben. Eine solche kann auf absehbare Zeit bei Fortbestehen des kontraproduktiven Verhaltens des Kindesvaters nicht entstehen.

Wie gestört das Verhältnis zwischen den Eltern, aber auch zwischen Vater und Sohn ist, zeigt das ausgesprochene Kontaktverbot. Die Kindeseltern sind nicht in der Lage sozialadäquat mit einander zu kommunizieren und gemeinsame Entscheidungen zu treffen.

Die gemeinsame elterliche Sorge auch nur in Restteilbereichen erscheint mithin praktisch nicht umsetzbar.

Ist aber die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben, so entspricht die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Antragstellerin dem Kindeswohl am besten, denn die Antragstellerin hat zumindest seit der Trennung die Betreuung und Versorgung des Kindes gewährleistet (Kontinuitätsprinzip). Eine Übertragung auf den Kindesvater kommt schon aus den oben genannten Gründen nicht in Betracht. Der Antragsgegner ist auch gar nicht gewillt, I. in seine Obhut zu nehmen und ist mit seiner Betreuung durch die Antragstellerin einverstanden.

Im Übrigen entspricht die Übertragung der Alleinsorge auf die Antragstellerin auch dem beachtenswerten Kindeswillen und steht dem Kindeswohl nicht entgegen, wie auch die Stellungnahme des Verfahrensbeistandes zeigt. I. ist durch die Trennung und das Verhalten des Vaters ihm und seiner Mutter gegenüber stark belastet. Es muss Sorge getragen werden, dass Ruhe in sein Leben einkehrt und er angstfrei aufwachsen kann. Das kann zurzeit nur dadurch gewährleistet werden, dass er das Gefühl vermittelt bekommt, sein Vater könne nicht (mehr) über ihn bestimmen. Das Vertrauen in eine sichere Zukunft muss bei I. wachsen, was nur in der Obhut der Kindesmutter bei Ausschluss des Kindesvaters bei der Entscheidungsfindung in wesentlichen Kindesbelangen erfolgen kann. ..." ( OLG Köln, Beschluss vom 28.06.2012 - 4 UF 91/12)

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„... Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nach der Trennung der Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge oder eines Teilbereichs davon, sowie die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Stellen die Eltern einen Antrag auf Übertragung nur eines Teils der elterlichen Sorge, etwa des Aufenthaltsbestimmungsrechts, so ist eine Entscheidung nur insoweit erforderlich, im Übrigen bleibt die gemeinsame elterliche Sorge bestehen (Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB, Rn. 18; Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1671, Rn. 4 f.).

Maßstab für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Dabei geht der Senat davon aus, dass beim Fehlen elterlicher Kooperationsbereitschaft und/oder -fähigkeit die Nachteile oder Risiken für das Wohl des Kindes, das vom zu erwartenden Streit oder von den Konflikten der Eltern über die einzelnen Sorgeangelegenheiten mitbetroffen, wenn nicht gar in den Streit hineingezogen werden wird, so groß sind, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge - ganz oder teilweise - zum Kindeswohl erforderlich ist (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2003, 1953; Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB, Rn. 38 m. w. N.). So liegt der Fall hier.

Das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrechts ist vorliegend schon deshalb aufzuheben, weil jeder Elternteil es für geboten hält, dass das Kind seinen ständigen Aufenthalt bei ihm habe.

2. Bei der Frage, auf welchen Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist, gewinnen insbesondere folgende Gesichtspunkte Bedeutung, wobei der hier gewählten Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. hierzu auch Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB, Rn. 84):
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung, einschließlich der Bindungstoleranz, also der Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern,
- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,
- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist, sowie
- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt.

Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 796; FamRZ 2010, 1060). Die Beurteilung des Kindeswohls anhand der genannten Gesichtspunkte und deren Gewichtung ist Aufgabe des Senats. Im Ergebnis führt dies hier zu einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater.

a) Die tatsächlichen Betreuungsmöglichkeiten sind bei beiden Elternteilen gegeben. Beide Elternteile sind berufstätig. Die Mutter wird ab August von 9 bis 14 Uhr arbeiten und damit für S… etwas günstigere Arbeitszeiten haben als der vollschichtig tätige Vater. Allerdings hat er durch die Verlagerung seiner Arbeitsstätte in die Nähe des Wohnortes und durch die Gestaltung des Dienstplanes - als Filialleiter kann er selbst den Dienstplan bestimmen - für eine umfassendere persönliche Betreuung des Kindes durch ihn Sorge getragen. Zudem ist die Betreuung von S… auch durch die Lebensgefährtin des Vaters, zu der S… ebenfalls ein gutes Verhältnis hat, gesichert.

Es ist ferner davon auszugehen, dass das Kind bei beiden Eltern ausreichende und kindgerechte Wohnverhältnisse vorfindet. Hinsichtlich des Wohnumfeldes bestehen sowohl beim Vater als auch bei der Mutter keine Bedenken.

Nach den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen, der Verfahrensbeiständin und des Jugendamtes ...

(Anm. der Redaktion: Das sind nach der Erfahrung allesamt unzuverlässige Quellen, die alleine nicht ausrechen, um „Feststellungen" zu treffen! Innerhalb dieser Troika haben sich bundesweit der Mafia ähnliche Strukturen entwickeln können, ohne dass die Rechtsprechung eine Neigung erkennen lässt, darunter einen Schlussstrich zu ziehen!)

... sind beide Eltern gleichermaßen hinreichend fähig und bereit, das Kind zu erziehen.

Entscheidende Erziehungsdefizite sind bei beiden Elternteilen nicht festzustellen. Insbesondere hat sich der Vortrag der Mutter, der Vater sperre das Kind ein und schlage es, nicht bestätigt. So hat S… lediglich geschildert, dass sie manchmal ins Zimmer muss, die Tür aber nicht abgeschlossen sei.

Einen Schlag auf den Po bestätigt sie zwar, dies sei aber nur aus Spaß gewesen, habe Papa gesagt. Der im Übrigen von der Verfahrensbeiständin und der Sachverständigen geschilderte liebevolle Umgang des Vaters mit dem Kind spricht ebenfalls gegen eine unangemessene körperliche Einwirkung auf das Kind. Dem Beweisangebot der Mutter für die Behauptung, der Vater habe Schläge als sein Erziehungsmittel eingeräumt, ist nicht nachzugehen. Im Sachverständigengutachten der Dipl.-Psychologin P… wird die Aussage der als Zeugin angebotenen Frau S… wie folgt wiedergegeben: „Der Vater habe … eingeräumt, dass er S… manchmal einen Klaps gebe. In diesem Fall habe die Mitarbeiterin den Vater als authentisch und offen erlebt. An diesem Punkt habe es die Chance gegeben, weiterzuarbeiten, da der Vater zugänglich dafür gewesen sei, dass dies kein adäquates Erziehungsmittel sei. Jedoch habe die Mutter versucht, diesen Sachverhalt gegen den Vater zu verwenden, da sie die Mitarbeiterin gebeten habe, bezüglich der Schläge im Gericht auszusagen. Dies sei keine Grundlage für eine gemeinsame Zusammenarbeit gewesen."

Die Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Darstellung wird von der Mutter nicht in Abrede gestellt und kann daher auch ohne eine persönliche Anhörung der Zeugin zugrundegelegt werden. Die Darstellung belegt gerade keine Gewalteinwirkung auf das Kind im Sinne von Schlägen und zeigt zudem die Einsicht des Vaters, dass auch ein Klaps keine angemessene Erziehungsform darstellt. Anhaltspunkte dafür, dass der Vater seit den von der Zeugin S… dargestellten Gesprächen im März/April 2011 nicht adäquat gehandelt hätte, sind nicht hervorgetreten. Die Sachverständige geht ebenfalls davon aus, dass sich das Verhalten des Vaters angesichts der Gespräche mit dem Jugendamt positiv verändert hat.

Im Bereich der Gesundheitssorge reagiert die Mutter oft überängstlich, wie die Sachverständige in der Anhörung vor dem Senat noch einmal bestätigt hat, während der Vater eher zurückhaltend agiert, dabei jedoch die notwendige Gesundheitsfürsorge nicht aus den Augen verliert. So achtet die Mutter in besonderem Maße auf jede Veränderung von S… und versucht die Ursache in jedem Fall sofort durch ärztliche Konsultationen aufzuklären. Dies führte u.A. dazu, dass sie S… an ihrem Geburtstag wegen nicht vordringlicher Untersuchungen einem Arzt vorstellte. Dieses Verhalten ist nicht im Sinne S…, die nach den Feststellungen der Sachverständigen die Ansichten der Mutter bereits übernommen hat.

Der Vater nimmt ebenfalls Arztbesuche wahr. Seit dem Aufenthalt des Kindes bei ihm hat sich der Gesundheitszustand von S… verbessert. Während die Verfahrensbeiständin in ihrer Stellungnahme am 24.6.2011 noch ausführt, die extrem blasse Gesichtsfarbe des Kindes sei auffällig, sie müsse schon als bleich bezeichnet werden, stellt sie in der Stellungnahme vom 14.11.2011 fest, dass S… deutlich gesünder aussehe, als noch während des letzten Termins in der Kita (24.6.2011); sie habe keine Augenringe, vollere Wangen und eine natürliche Gesichtsfarbe. In Übereinstimmung damit hat der Vater in seiner Anhörung, von der Mutter unwidersprochen, angegeben, dass S… im letzten halben Jahr nicht krank gewesen sei. Das Kind erhält nunmehr auch das „normale" Essen in der Kindertagesstätte. S… hat es durchweg gut vertragen, wie selbst die Mutter einräumt.

Der Vater achtet zudem darauf, dass das Kind - soweit erforderlich - mit Sonnencreme versorgt ist. Soweit die Mutter beanstandet, der Vater habe S… bereits am Tag nach einer „Ohren-Operation" in den Kindergarten gegeben, ist ein dem Vater vorwerfbares Verhalten nicht festzustellen. Es handelte sich nämlich lediglich um die ambulant durchgeführte Entfernung eingesetzter Paukenröhrchen mit komplikationslosem Verlauf und Entlassung nach einer Stunde Beobachtung bei körperlichem Wohlbefund (ärztliches Attest vom 24.11.2011). Es erfolgte weder eine Krankschreibung noch zeigte S… Auffälligkeiten. In dieser Situation durfte der Vater davon ausgehen, dass S… ohne Probleme in den Kindergarten gehen konnte. Dabei haben sich keine Komplikationen eingestellt.

Die psychischen Belastungen des Kindes aus dem Elternkonflikt werden nach den Feststellungen der Sachverständigen von der Mutter im Vergleich zum Vater eher gesehen. Dies wirkt sich jedoch nicht maßgeblich aus. Denn beide Elternteile bemühen sich gleichermaßen um eine aus der jeweiligen Perspektive angemessene Betreuung des Kindes durch entsprechendes Fachpersonal. So hat S… eine Trennungskindergruppe besucht, zu der sie der Vater regelmäßig gebracht hat. Er hat bei seiner Anhörung durch den Senat erklärt, er könne sich für S… auch weiterhin eine Betreuung in einer Kindergruppe vorstellen. Die Mutter hält eine Behandlung ebenfalls für angezeigt. Daraus wird deutlich, dass beide Eltern um eine Stabilisierung des Kindes bemüht sind, selbst wenn die Herangehensweise der Eltern bei der Lösung von S… Problemen unterschiedlich ist. Das Problem des Einnässens zeigt, dass S… die Unterstützung ihrer Eltern benötigt.

Die Tatsache, dass die Mutter dem Kind einen Engel mitgegeben hat, erscheint allerdings problematisch. Selbst wenn - wie sie vorträgt - sie allein beabsichtigt habe, S… Schutz und Trost zu geben, hat S… den Engel anders wahrgenommen. Aus S… Sicht könne der Engel alles beobachten und der Mutter erzählen. Die Mutter wird dadurch immer präsent sein und auf das Kind einwirken. Damit ist - wie die Sachverständige ausgeführt hat - die Mutter über das Ziel hinausgeschossen. Obwohl der Mutter bereits bei der Anhörung der Sachverständigen durch das Amtsgericht am 16.11.2011 die Auswirkungen für das Kind vor Augen geführt wurden, hat sie keine Veränderung vorgenommen.

Die Bindungstoleranz, also die Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern, ist bei beiden Elternteilen leicht eingeschränkt und ebenfalls kein maßgebendes Kriterium für eine zu treffende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Zwar ging die Sachverständige in ihrem Gutachten noch von einem weniger bindungstoleranten Verhalten der Mutter aus. In der Anhörung vor dem Senat hat sie aber zum Ausdruck gebracht, dass bei beiden Eltern Einschränkungen der Kooperation und Bindungstoleranz bestehen und sich beide Eltern eigentlich „nicht viel nehmen". Beide Eltern sind kaum in der Lage, zwischen Eltern- und Kindesebene zu trennen und Elternkonflikte zu lösen.

b) S… hat eine enge Beziehung zu Mutter und Vater, so dass dieses Kriterium keinen Anhalt zu Gunsten eines Elternteils begründen kann.

Beide Elternteile haben bei ihrer Anhörung durch den Senat eingeräumt, S… liebe den jeweils anderen und suche den engen Kontakt. Zwar hat die Sachverständige demgegenüber in ihrem Gutachten noch ausgeführt, S… verfüge zur Mutter über eine sichere Bindung und positivere emotionale Beziehung, während sie beim Vater von einer distanzierten emotionalen Beziehung und unsicheren Bindung ausgehe. In ihrer Anhörung durch den Senat hat sie jedoch ausgeführt, S… habe sich inzwischen gebunden und eingefunden. Dies entspräche dem natürlichen Verhalten von Kindern, die sich binden wollen. Das Kind habe sich sowohl bei der Mutter als auch beim Vater eingelebt. Für eine stärkere Bindung des Kindes zu dem einen oder dem anderen Elternteil gibt es daher aus Sicht des Senates derzeit keine Anhaltspunkte.

Geschwister hat S… nicht. Allerdings besteht nach den Ausführungen der Eltern, die von der Verfahrensbeiständin bestätigt werden, zu den Kindern der neuen Lebensgefährten der Eltern - ebenso, wie zu den neuen Lebensgefährten selbst - ein gutes Verhältnis.

c) Auch der Kindeswille gebietet es nicht, das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter zu übertragen.

Allerdings hat die Sachverständige in ihrem Gutachten festgestellt und im Wesentlichen bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht daran festgehalten, dass S… mehrfach geäußert habe, lieber bei der Mutter wohnen zu wollen. Dabei ging die Sachverständige von einem zielgerichteten, stabilen und intensiven Kindeswillen aus. Es hätten sich jedoch Fremdeinflüsse nicht ganz ausschließen lassen, die bei der ersten Untersuchung des Kindes eher deutlich geworden seien. So habe S… angegeben, dass die Mutter ihr aufgetragen habe, der Sachverständigen zu sagen, dass sie bei der Mutter leben wolle; sie habe zudem angegeben, dass der Vater nicht merken würde, wenn sie krank sei. Daraus werden starke Anhaltspunkte für einen wenig gefestigten Kindeswillen deutlich. Dementsprechend hat S… bereits in der Anhörung durch das Amtsgericht zu der Frage, bei wem sie wohnen wolle gesagt, sie wisse das alles nicht so genau. Die Verfahrensbeiständin hat ausgeführt, dass das Kind keineswegs einen autonomen Willen habe. S… habe die Äußerungen der Mutter „Mama macht mich nicht krank, Papa schon, der cremt mich nicht ein", „Papa will mich von Mama wegnehmen" übernommen. Wenn dem nicht so sei, würde sie es sich „noch einmal überlegen", wo sie gerne leben möchte.

Diese Feststellungen liegen jetzt mehr als ein halbes Jahr zurück, die Sachverständige hat bei ihrer Anhörung durch den Senat erklärt, zurzeit keine belastbare Einschätzung des Kindeswillens abgeben zu können; der Kindeswille sei nicht statisch und könne sich entwickeln. Um eine Beurteilung abgeben zu können, sei eine erneute Untersuchung erforderlich. Dessen bedarf es aus Sicht des Senats allerdings nicht. Denn schon im Hinblick auf das Alter von S… kann ihrem - geäußerten - Willen keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen.

Der Kindeswille ist zum einen der verbale Ausdruck für die relativ stärkste Personenbindung, zum anderen von einem gewissen Alter an ein Akt der Selbstbestimmung des Kindes als zur Selbstständigkeit erzogener und strebender Person (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB, Rn. 79). Dabei tritt der Gesichtspunkt der Selbstbestimmung hier auf Grund des Alters des Kindes in den Hintergrund, da davon auszugehen ist, dass der erst fünf Jahre alten S… die verstandesmäßige und seelische Reife für eine tragfähige, selbstbestimmte und Vernunft geleitete Entscheidung über ihren Aufenthalt fehlt. Denn regelmäßig bildet der Kindeswille jedenfalls vor Vollendung des zwölften Lebensjahres eines Kindes keine (relativ) zuverlässige Entscheidungsgrundlage (vgl. Senat, FamRZ 2003, 1953; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rn. 81 m. w. N.). Hinzu kommt, dass die Sachverständige, ebenso wie die Verfahrensbeiständin, Anhaltspunkte für eine Beeinflussung des Kindeswillens durch die Mutter gesehen hat. Tatsächlich nehmen beide Eltern durch die besondere Gestaltung des Wohnumfeldes und von Unternehmungen in der Freizeit auch intensiv Einfluss auf S…. In der Folge befindet sich S… - wie von der Verfahrensbeiständin ausführlich in der Stellungnahme vom 5.6.2012 dargestellt wird - in einem großen inneren Konflikt. Sie ist mit der von ihr letztlich nicht zu treffenden Entscheidung, bei welchem Elternteil sie leben will, überfordert. Auch die Sachverständige hat bestätigt, dass S… jetzt keine Entscheidung mehr treffen wolle. Aufgrund der Dauer des Konfliktes der Eltern sei nicht anzunehmen, dass sich das Kind jetzt noch positioniere. Kein Kind, so die Sachverständige, wolle die Eltern streiten sehen. Damit im Einklang steht die Einschätzung der Mutter, S… wolle „ihren Vater erleben" und ebenso die Darstellung des Vaters, S… liebe ihre Mutter und wolle Kontakt zu ihr. In der Gesamtschau der aktuellen Umstände kann deshalb nicht von einem autonomen und schützenswerten Kindeswillen zu Gunsten eines Elternteils ausgegangen werden. Daher kommt dem Kindeswillen in dieser Situation keine entscheidende Bedeutung zu.

d) Der Aufenthalt des Kindes im Haushalt des Vaters bietet S… mehr Kontinuität als bei der Mutter.

Allerdings hat S… nach der Trennung zunächst bei der Mutter gewohnt, der Vater hatte an jedem zweiten Wochenende Umgang und holte S… zweimal in der Woche vom Kindergarten ab. Dies hat sich jedoch mit der Vereinbarung des Wechselmodells im Februar 2011 geändert. Seit Juni 2011 lebt S… beim Vater, die Mutter nimmt die Tochter 14-tägig von Donnerstag bis Dienstag zu sich. Daher liegt der Schwerpunkt der Betreuung seit nunmehr einem Jahr beim Vater, der durch die Verlagerung seiner Arbeitsstätte in die Nähe des Wohnortes und durch die Gestaltung des Dienstplanes für eine umfassendere persönliche Betreuung Sorge getragen hat und diese nach dem Eindruck des Senates auch wahrnimmt. Der Verbleib des Kindes beim Vater gibt S… nach den zurückliegenden personalen Diskontinuitäten Ruhe und Sicherheit, die die Stressressourcen des Kindes schonen. Hinzu tritt beim Vater eine Kontinuität im Umfeld des Kindes, in den lokalen Lebensverhältnissen. S… besucht die Kindertagesstätte in F… und hat dort Freundinnen und einen Freund. Diese, wie auch nahezu die gesamte Kindergartengruppe, werden die Grundschule in F… besuchen. Auch in der Freizeit besteht die Möglichkeit gemeinsamer Unternehmungen, z.B. Inlineskaten mit ihren Freundinnen, was S… sich wünscht.

Die von der Mutter favorisierte Einschulung des Kindes in eine Flexklasse mit sonderpädagogischer Betreuung in B… ist nicht geeignet, eine Durchbrechung der Kontinuität zu rechtfertigen. Bislang bestehen keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Einschulung von S… in diese besondere Klassenform. Selbst die Mutter hält die Einschulung in einer anderen Schule, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat angab, für möglich.

In der Gesamtabwägung entspricht es daher aus Sicht des Senates dem Kindeswohl am Besten, eine Veränderung der Lebensumstände durch den Wechsel in den Haushalt der Mutter zu vermeiden und die derzeitige Lebenssituation aufrechtzuerhalten. Die personale und lokale Kontinuität ist für S… in der auch im Rahmen der Anhörung der Beteiligten vor dem Senat erkennbaren konfliktbeladenen Beziehung zwischen den Eltern wichtig. Sie hat ihre Wurzeln in F…, sich dort gebunden und eingebunden. Sie fühlt sich wohl und es geht ihr auch gesundheitlich gut. Im Ergebnis ist mithin das Aufenthaltsbestimmungsrecht - so bereits das Amtsgericht - dem Vater zu übertragen. Die elterliche Sorge im Übrigen liegt jedoch weiterhin bei beiden Elternteilen, die Mutter bleibt eine wichtige Bezugsperson für das Kind. Beide Elternteile müssen künftig ihrer Verantwortung vor dem Hintergrund der im Verfahren zutage getretenen Probleme gerecht werden. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2012 - 10 UF 42/12)

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Zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den nichtehelichen Vater (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2012 - 18 UF 266/11 zu §§ 1671 II Nr 2, 1672 I BGB, Art 6 II GG, Art 8 MRK):

„... I. Dem Antragsteller ist das alleinige Sorgerecht für das Kind S. B., geboren 2007, zu übertragen.

1. Der Vater eines nichtehelichen Kindes ist von der Sorgetragung für sein Kind nicht generell ausgeschlossen. Denn ein derartiger Ausschluss würde unverhältnismäßig in dessen Elternrecht eingreifen, wenn die Weigerung der Kindesmutter, der gemeinsamen elterlichen Sorge mit dem Vater oder dessen Alleinsorge zuzustimmen, gerichtlich nicht - am Maßstab des Kindeswohls - überprüft werden kann. §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB sind mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar und somit verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, das Recht der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder neu zu regeln. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung wurde vorläufig angeordnet, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der gewählte Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Kindeswohls soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge jedoch nicht zu hoch angesetzt werden. Soweit eine Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht in Betracht kommt, ist dem Vater die Alleinsorge zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (BVerfG a.a.O. Rz. 75 f.).

2. Die Übertragung der gemeinsamen elterliche Sorge für das Kind S. kommt nicht in Betracht, da es den Eltern an der für ein gemeinsames Sorgerecht unverzichtbaren Voraussetzung der objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationsbereitschaft auf Elternebene fehlt.

Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016). Unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist danach, dass zwischen den Eltern objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft besteht (so bereits KG FamRZ 1999, 616; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 1671 Rz. 36).

a) Es fehlt bereits an einem Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern in wesentlichen Sorgerechtsbereichen. Die Eltern haben insbesondere verschiedene Auffassungen darüber, wo und bei wem S. seinen Lebensmittelpunkt haben soll. Während sich die Mutter klar für die Betreuung des Kindes bei der Pflegefamilie ausspricht und dem Kind die bisherige Lebenssituation erhalten will, beabsichtigt der Vater, S. selbst im väterlichen Haushalt zu betreuen und strebt einen Wechsel des Kindes von den Pflegeeltern zu sich an. Dies wiederum lehnt die Mutter - seit der Geburt des Kindes bis heute - vehement ab. Insoweit ist keine Gesprächsebene zwischen den Eltern vorhanden. Die Differenzen hinsichtlich des Lebensmittelpunktes von S. sind auch nach dem Eindruck des Senats bei der mündlichen Anhörung der Eltern unüberbrückbar.

b) Zwischen den Eltern besteht keine tragfähige soziale Beziehung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Bereits vor der Geburt bis zum heutigen Zeitpunkt gab und gibt es unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten, gegenläufige Ansichten und - nicht zuletzt wegen der von Beginn an streitigen Frage des Aufenthalts von S. - erhebliches Misstrauen. Es fehlt an der gegenseitigen Wertschätzung der beteiligten Kindeseltern; indirekt werfen sie sich vor, nicht zum Wohle des Kindes zu handeln.

Bereits das Jugendamt führte in seinem Bericht vom 23.8.2008 aus, dass sich die Situation der Eltern als von Beginn an konfliktreich gestaltet habe. Im Sachverständigengutachten vom 25.5.2009 führte die Gutachterin Dr. C. aus, dass es zwischen den Eltern keine Gesprächsbasis gebe. Im Gutachten vom 21.3.2011 beschreibt sie die Elternbeziehung als hoch konfliktbehaftet. Eine ausreichende Kooperation der Eltern könne - so die Sachverständige - in Bezug auf die elterliche Sorge nicht erwartet werden. Beispielhaft für das zerrüttete Verhältnis sei etwa, dass sich die Eltern untereinander siezen, was auch in hochstreitigen Familiensachen nur selten vorkomme.

Dass die Mutter den Vater ablehnt und sich nicht in der Lage sieht, in irgendeiner Form Kontakt mit ihm zu haben, zeigte sich in der mündlichen Verhandlung auch bei der Erörterung der Frage des Umgangs der Mutter mit dem Kind für den Fall, dass der Vater S. bei sich aufnehmen würde. Während der Vater sich hinsichtlich des Umgangsrechts der Mutter mit dem Kind kooperationsbereit zeigte und versicherte, dass ihm der Kontakt des Kindes zur Mutter wichtig sei und die Mutter S. sogar im Haushalt des Vaters treffen könne, jedenfalls aber Lösungen gefunden werden müssten, erklärte die Mutter, dass sie sich unter solchen Voraussetzungen nicht vorstellen könne, den Kontakt zu S. aufrecht zu erhalten. Offensichtlich will die Mutter jede Form des Zusammentreffens und des gemeinsamen Gesprächs mit dem Vater vermeiden.

Vor diesem Hintergrund ist - nicht zuletzt wegen der extrem ablehnenden Haltung der Mutter - nicht zu erwarten, dass die Kindeseltern in der Lage sein werden, wesentliche, das Kind betreffende Fragen lösungsorientiert zu kommunizieren. Aufgrund notwendiger Absprachen der Kindeseltern, etwa über Fragen der Gesundheitsfürsorge, der Betreuung und Förderung des Kindes, absehbare Fragen der schulische Entwicklung und vor allem zum Lebensmittelpunkt des Kindes, besteht die konkrete Gefahr von Uneinigkeiten und Auseinandersetzungen der beteiligten Eltern, die bei Kindern erfahrungsgemäß zu kindeswohlgefährdenden Loyalitätskonflikten führen können. Dieser Elternkonflikt wird in der Regel auf dem Rücken des Kindes ausgetragen, so dass das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet werden kann (BVerfG NJW 2003, 955).

c) In Hinblick darauf, dass es am erforderlichen Mindestmaß an Übereinstimmung fehlt und die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind, würde die - selbst nur in Teilbereichen eingeräumte - gemeinsame elterliche Sorge zu einer spürbaren Verschlechterung der Situation für das Kind S. führen. Dies entspricht der Einschätzung der Sachverständigen Dr. C. in ihrem Gutachten vom 21.3.2011, die die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge deshalb nicht empfohlen hat. Dem hat sich die Verfahrensbeiständin angeschlossen. Auch die Eltern sehen letztlich keine Basis für eine gemeinsame Sorge.

3. Dem Vater ist die alleinige elterliche Sorge für das Kind S. zu übertragen, § 1672 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Das Familiengericht überträgt dem Vater auf Antrag die elterliche Sorge, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (BVerfGE FamRZ 2010, 1403 ff. Rz. 77). In Hinblick darauf, dass durch die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gleichzeitig der Mutter die elterliche Sorge entzogen wird, darf es - um deren Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen - zur Wahrnehmung des väterlichen Elternrechts keine andere Möglichkeit geben, die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreifen. Zudem müssen gewichtige Kindeswohlgründe vorliegen, die den Sorgerechtsentzug nahelegen (BVerfGE a.a.O. Rz. 68).

Nach den obigen Ausführungen scheidet die - auch nur teilweise - Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge aus.

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für S. auf den Vater entspricht dem Wohl des Kindes am besten. Diese Kindeswohlgründe rechtfertigen im Ergebnis den damit verbundenen Sorgerechtsentzug der Mutter.

Bei der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der Elternteile die elterliche Sorge zu übertragen ist, sind die Erziehungseignung der Eltern - einschließlich ihrer Bindungstoleranz -, die Bindungen des Kindes - insbesondere an seine Eltern und Geschwister -, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169). Außer diesen Aspekten sind je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse, soziales Umfeld und Grundsätze wie der einzubeziehen, dass Geschwister nicht ohne besonderen Grund voneinander getrennt werden sollen (BGH FamRZ 1985, 169).

a) Nach dem Förderungsprinzip ist die elterliche Sorge dem Elternteil zu übertragen, der am besten zur Erziehung und Betreuung des Kindes geeignet erscheint und von dem es voraussichtlich die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann. Ein wesentlicher Aspekt sind die Möglichkeiten der Eltern zur persönlichen Betreuung des Kindes. Im Grundsatz ist dabei anerkannt, dass die persönliche Betreuung durch die Eltern für das Kindeswohl förderlicher ist als die Betreuung durch Dritte (BVerfG NJW 1981, 217). Letztlich kommt es entscheidend darauf an, dass der Elternteil für das Kind präsent ist, ihm ein Zugehörigkeits- und Geborgenheitsgefühl vermittelt und die ihm zur Verfügung stehende Zeit dem Kind widmen kann (Staudinger/Coester, BGB, Bearbeitung 2009, § 1671 Rz. 206). Ein Elternteil, der seine Elternfunktion praktisch verdrängt, etwa durch die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie, ist regelmäßig ungeeignet (Staudinger/Coester, a.a.O., § 1671 Rz. 206; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1671 Rz. 54; Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Auflage 2010, Kap. III Rz. 128).

(1) Der Vater beabsichtigt, S. in seinen Haushalt, in dem er mit seiner Ehefrau und deren Tochter K. lebt, aufzunehmen. Er hat nachhaltig und ernsthaft erklärt, dass er S. in seinem Haushalt persönlich betreuen und die Hauptverantwortung für die Erziehung und Versorgung des Kindes tragen will. Die Erziehungsfähigkeit und die Erziehungseignung des Vaters sind nach den wiederholten Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. sowohl in den schriftlichen Gutachten vom 25.9.2009 und vom 21.3.2011 als auch in den mündlichen Erörterungen der Gutachten beim Familiengericht am 1.7.2009 sowie am 24.5.2011 und im Senatstermin am 7.12.2011 nicht beeinträchtigt. Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und der Erziehungseignung des Vaters wurden zu keinem Zeitpunkt von der Sachverständigen geäußert und sind auch aus Sicht des Senates nicht ersichtlich.

Die Mutter hingegen möchte S. - dies hat sie in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats nochmals bestätigt -, nicht persönlich betreuen und wäre dazu wohl auch nicht in der Lage. Sie wünscht, dass S. wie bisher in der Pflegefamilie betreut wird. Durch die Delegation der gesamten Erziehung auf die Pflegeeltern erfüllt sie jedoch nicht ihre eigene Erziehungs- und Betreuungsverantwortung. Vielmehr müsste sie selbst einen zumindest nicht unerheblichen Teil dieser Erziehungs- und Betreuungsaufgaben erfüllen. Dies tut die Mutter jedoch nicht. Indem die Mutter diese Aufgabe nahezu vollständig an die Pflegeeltern delegiert, ist sie unter dem Aspekt des Förderungsprinzips nur sehr eingeschränkt erziehungsgeeignet. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Mutter S. 14-tägig für zwei Stunden bei den Pflegeeltern besucht. In dieser Zeit erfüllt sie keine nennenswerten Erziehungsaufgaben. Unternehmungen der Mutter mit S. allein gab es bisher nicht. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens der Pflegeeltern mitgeteilt wurde, dass die Mutter durchaus ihre Vorstellungen, etwa über die Konfession sowie über den Ablauf der Geburtstage, äußere, handelt es um eine Beteiligung eher punktuellen Charakters, die auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der konfessionellen Orientierung eines Kindes keine nachhaltige Erfüllung wesentlicher Bereiche der Betreuung und Erziehung des Kindes darstellt, zumal die Mutter die konkrete Umsetzung der von ihr geäußerten Wünsche nicht selbst vornimmt, insbesondere die eigentliche religiöse Erziehung den Pflegeeltern überlässt.

Nachdem der Vater das Kind S. tatsächlich persönlich betreuen und im Vergleich zur Mutter die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung übernehmen will und kann, ist er nach dem Förderungsprinzip besser erziehungsgeeignet als die Mutter.

(2) Auch unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz ergibt sich nichts anderes. Die Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die Mutter ihre rechtliche Situation zum Teil ausgenutzt habe, etwa bezüglich der zunächst versagten Teilnahme des Vaters an der Taufe des Kindes. Der Vater hat demgegenüber angekündigt, den Kontakt zwischen S. und der Mutter einerseits, sowie den Pflegeeltern andererseits zu unterstützen. Dass es sich hierbei um Lippenbekenntnisse handelt, kann nicht festgestellt werden. Insbesondere kann aus den Irritationen zwischen Pflegeeltern und Antragsteller in der Vergangenheit auch bei Fragen des Umgangs nicht geschlossen werden, dass der Vater - wenn S. erst einmal bei ihm wohnt - dessen Kontakt zu seinen bisher wichtigsten Bezugspersonen nicht unterstützen wird.

b) Hat das Kind zu einem Elternteil eine stärkere Bindung und innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124).

Nach den Ausführungen der Sachverständigen hat S. eine positive Beziehung zu seinem Vater und geht vertrauensvoll mit ihm um. Bereits im ersten Gutachten vom 25.9.2009 führte die Sachverständige aus, dass S., obwohl der Beziehungsaufbau nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen sei, eine gute Beziehung zu seinem Vater habe. Diese Beziehung des Kindes zum Vater sei deutlich ausgeprägter als diejenige zur Mutter, da der Vater - im Gegensatz zur Mutter - mit S. auch außerhalb des beschützten Rahmens bei den Pflegeeltern Unternehmungen durchführt und mit dem Kind seit Februar 2009 regelmäßig unbegleitete Umgangskontakte in zeitlich deutlich größerem Umfang als die Mutter ausübt.

Diese Einschätzung ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Zur Mutter, die sich nur stundenweise im Schnitt etwa alle 14 Tage, zeitweise auch seltener bei den Pflegeeltern aufhält und dort mit der Pflegemutter Kaffee trinkt und sich mit ihr unterhält, konnte S. naturgemäß nur eine sehr eingeschränkte Beziehung entwickeln.

c) Der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater steht nicht entgegen, dass der Vater S. selbst betreuen und versorgen will und S. somit von den Pflegeeltern in den Haushalt des Vaters wechseln soll und damit seine bisherigen Hauptbezugspersonen verlieren wird.

Zwar kommt dem Kontinuitätsgrundsatz, für die Zukunft die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Erziehungs- und Betreuungsverhältnisses sicherzustellen, bei der Frage, welchem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist, eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Auch die Aufrechterhaltung der bestehenden gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes an Eltern und Geschwister bzw. an weitere primäre Bezugspersonen wie etwa Pflegeeltern und deren Kinder wird vom Kontinuitätsgrundsatz erfasst, sodass vorliegend der Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern dem Kontinuitätsprinzip entspräche. Aus diesem Grund haben sich die Mutter, die Verfahrensbeiständin und letztlich auch die Sachverständige gegen einen Wechsel von S. in den väterlichen Haushalt ausgesprochen.

Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass S. von Pflegeeltern betreut wird und nicht von einem - erziehungsgeeigneten und erziehungsbereiten - leiblichen Elternteil, im vorliegenden Fall von seinem Vater. § 1672 BGB muss insoweit im Lichte des Art. 6 Abs. 2 GG und insbesondere Art. 8 Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgelegt werden. Danach ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat den Rang eines Bundesgesetzes und ist bei der Auslegung des deutschen materiellen Rechts zu berücksichtigen (BVerfG FamRZ 2004, 1857, 1859). Der Umstand, dass S. seine gewohnte Umgebung verlieren könnte, rechtfertigt allein nicht die Trennung des Kindes vom Vater (BVerfG NJW 2011, 3355). Insoweit tritt der Aspekt der Kontinuität in den Hintergrund.

In den Fällen der Adoptionspflege ist anerkannt, dass im Rahmen der Entscheidung über den Antrag eines erziehungsgeeigneten und -bereiten Vaters auf Übertragung des Sorgerechts geprüft werden muss, ob eine Zusammenführung von Vater und Kind möglich ist, die die Belastungen des Kindes soweit wie möglich vermindert (BGH NJW 2008, 223).

Etwas anderes kann nicht gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Vater ein fremduntergebrachtes Kind selbst betreuen will, die sorgeberechtigte Mutter - ähnlich wie in den Adoptionspflegefällen - dazu jedoch nicht bereit und / oder in der Lage ist. Denn auch bei dieser Konstellation ist das Recht des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten, wenngleich es nicht nur mit dem Recht der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 GG, sondern auch mit dem der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG konkurriert. Dies spiegelt sich in der Auslegung des § 1672 Abs. 1 BGB wider. Während in den Adoptionspflegefällen, in denen die alleinige elterliche Sorge der Mutter ruht, eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater bereits dann in Betracht kommt, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (BGH NJW 2008, 223), ist im vorliegenden Fall, bei dem die Mutter Inhaberin des Sorgerechts ist, auf den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstab des § 1671 BGB abzustellen (BVerfG FamRZ 2010, 1403). Die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater muss also dem Kindeswohl am besten entsprechen. Dieser Maßstab gewährleistet nicht nur die Wahrung der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, sondern auch die der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG.

Die Trennung eines Kindes von seiner unmittelbaren Bezugsperson sowie seine Herausnahme aus der gewohnten Umgebung stellen für das Kind regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung dar und sind mit einem schwer bestimmbaren Zukunftsrisiko verbunden. Dies darf aber allein nicht genügen, um die Betreuung des Kindes durch leibliche Eltern abzulehnen. Anderenfalls wäre die Zusammenführung von Kind und Eltern immer ausgeschlossen, wenn das Kind seine "sozialen" Eltern gefunden hätte (BVerfG FamRZ 2005, 783 Rz. 18; BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27; BGH NJW 2008, 223 Rz. 37). Dabei ist die mit Blick auf das Kindeswohl hinzunehmende Risikogrenze immer dann weiter zu ziehen, wenn das Kind im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils untergebracht werden soll (BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27). Des weiteren ist in diesen Fällen ein größeres Maß an Unsicherheiten bei der Prognose über mögliche Beeinträchtigungen des Kindes hinnehmbar als bei einem lediglich beabsichtigten Wechsel der Pflegefamilie (BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27). Die Risikogrenze für die Zusammenführung des erziehungsgeeigneten und -bereiten, leiblichen Elternteils mit dem Kind ist allerdings dann überschritten, wenn durch den Wechsel des Kindes von den Pflegeeltern in den Haushalt der Eltern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, dass die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern psychische oder physische Schädigungen nach sich ziehen kann. Ein solches Risiko wäre für das Kind nicht hinnehmbar (BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27).

Im vorliegenden Fall sind zwar bei S. als Folge einer Trennung von seinen Pflegeeltern gewisse Belastungsreaktionen wahrscheinlich. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zu gewärtigenden Beeinträchtigungen des Kindes über das mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen typischerweise verbundene Maß hinausgehen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Trennung von den Pflegeeltern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei S. psychische oder physische Schäden nach sich ziehen wird.

(1) S. hat nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. eine positive Beziehung zu seinem Vater und geht vertrauensvoll mit ihm um. Es besteht somit eine hinreichend tragfähige Basis für einen Wechsel des Kindes zum Vater. Demzufolge hält die Sachverständige einen Wechsel des Kindes in die Familie des Vaters ohne eine Kindeswohlgefährdung für möglich, wenn alle Beteiligten dies unterstützen.

Ausgehend von den Empfehlungen der Sachverständigen zu den Voraussetzungen eines schonenden Wechsels hat der Senat insoweit eine schrittweise Ausweitung der Umgangskontakte mit dem leiblichen Vater angeordnet, um so eine weitere Annährung des Kindes an den Vater und die väterliche Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Die Hinführung zum Vater soll entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen langsam, stressarm und mit wohlwollender Begleitung der Pflegemutter erfolgen.

(2) Es erscheint gut möglich, dass S. auch nach dem Wechsel seines Lebensmittelpunkts die Bindungen zu seinen Pflegeeltern erhalten bleiben.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem völligen Beziehungsabbruch zwischen dem Kind S. und der Pflegefamilie kommt. Der Vater seinerseits hat mehrfach betont, dass er den Kontakt S. zu den Pflegeeltern für wichtig hält und unterstützen wird. Der Senat kann nicht feststellen, dass es sich hierbei - wie die Mutter meint - nur um „Lippenbekenntnisse" handeln könnte. Der Vater hat sich bisher stets - wenn auch nicht immer mit voller Überzeugung - an die Vereinbarungen gehalten. Grenzüberschreitungen, etwa die eigenmächtige Ausdehnung des Umgangs, sind dem Senat nicht bekannt.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Pflegeeltern sich bemühen werden, zum Wohl des Kindes den Kontakt zu S. auch bei einem erfolgten Wechsel in den Haushalt des Vaters aufrecht zu erhalten, auch wenn die Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt für sie derzeit nicht vorstellbar ist. Die Pflegeeltern, die von der Gutachterin als sehr feinfühlig bezeichnet wurden, werden nach der Überzeugung des Senats - wie bisher auch - stets das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt rücken und reflektiert mit der für sie sicher schwierigen Situation umgehen. Dabei wird es ihnen - gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung - gelingen, ihre eigenen Belange hinter die des Kindes zu stellen.

Der Senat geht davon aus, dass der Vater im Fall eines Wechsels des Kindes in seinen Haushalt den Pflegeeltern - auch ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Regelung bedarf - ein regelmäßiges und ausgedehntes Umgangsrecht - mehrmals im Monat - einräumen wird.

(3) Auch die Bindungen des Kindes an seinen „Pflegebruder" M., den leiblichen Sohn der Pflegeeltern, können ausreichend durch den Umgang der Pflegeeltern mit S. aufrecht erhalten werden. Gleiches gilt für seine Halbgeschwister T. und A., die Kinder der Mutter. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass S. zu diesen Kindern, die ebenfalls fremduntergebracht sind - T. in einer Betreuungseinrichtung für Behinderte und A. bei einer anderen Pflegefamilie - in der Vergangenheit nur gelegentliche Kontakte hatte, namentlich mit T. einmal und mit A. drei bis vier Mal im Jahr. Auch diese Kontakte können - sogar im bisherigen Umfang - etwa durch Umgangskontakte bei der Mutter oder durch die erklärte Bereitschaft des Vaters, gemeinsam mit S. die Halbgeschwister zu besuchen - erhalten werden.

(4) Der Vater verfügt nach Einschätzung des Senats über die erforderliche erzieherische Kompetenz, um die mit einem Wechsel des Kindes verbundenen Schwierigkeiten zu bewältigen.

S. werden bei einem Wechsel von den Pflegeeltern zum Vater Trennungsschmerz und Verlustängste zugemutet. Dem Vater wird insoweit abverlangt, Ablehnung und Aggression des Kindes zu ertragen, mögliche Depression und Trauer des Kindes zu akzeptieren und insbesondere dem Kind zu helfen, den Trennungsschmerz zu verarbeiten. Dies erfordert elterliche Kompetenzen, die weit über das übliche Maß hinausgehen, Einfühlungs- und Lernfähigkeit sowie eine hohe Konflikt- und Frustrationstoleranz, um drohende Entwicklungsrisiken abzuwenden (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1514). Der Vater muss insbesondere in der Lage sein, die nachteiligen Folgen einer eventuellen Traumatisierung des Kindes so gering wie möglich zu halten (BVerfG FamRZ 2010, 865).

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Vater diese besondere elterliche Kompetenz fehlen wird. Der Vater hat immer wieder betont, dass er nicht die sofortige Herausgabe des Kindes verlangen würde, sondern einen sukzessiven, schonenden Wechsel anstrebte. Ebenfalls ist ihm - auch darauf hat er mehrfach hingewiesen - bewusst, dass ein Wechsel für S. eine Belastung darstellt. Damit zeigt der Vater bereits, dass er bereit ist, im Interesse von S. tragfähige Lösungen für einen schonenden Wechsel zu suchen (ähnlich OLG Brandenburg FamRZ 2009, 994). Dass der Vater in der Lage ist, die Belange des Kindes ernst zu nehmen, wurde deutlich, als er seinen Antrag auf einen mehrtägigen Umgang über die Weihnachtsferien zurückgestellt hat, nachdem die Pflegemutter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass S. noch nie auswärts übernachtet habe und ihn dies belasten könnte. Soweit die Pflegeeltern die Befürchtung geäußert hatten, der Vater habe S. während der Umgangskontakte am 19.11. und 26.11.2011 stark verunsichert, indem er dem Kind „seinen" neuen Kindergarten gezeigt habe, kann nicht ausgeschlossen werden, dass S. selbst aufgrund der Erlebnisse beim Kindergartentag mit seiner Stiefschwester K. sowie aus einem - möglicherweise - indifferenten Verhalten des Vaters bestimmte Fragen und Ansichten aus seiner kindlichen Sicht formuliert hat.

Ebenso wenig ist feststellbar, dass dem Vater das Verständnis für das Bindungserleben des Kindes und somit in der Konsequenz auch das Verständnis für die Trennungsschmerzen und die Sorgen des Kindes bei einem Wechsel fehlen werden. Soweit die Sachverständige Dr. C. diesen Eindruck - ausschließlich - aus einem an die Pflegeeltern gerichteten Schreiben des Vaters vom 12.9.2011 gewinnt, vermag dies den Senat nicht überzeugen. Das Schreiben wurde vom Vater unmittelbar nach einem Telefonat mit den Pflegeeltern verfasst, bei dem die Pflegeeltern eine einmalige Ausweitung des Umgangs mit S. um zwei Stunden für einen Familienausflug abgelehnt hatten. In Hinblick darauf, dass diese Bitte nicht mit einer für ihn plausiblen Erklärung abgelehnt wurde, sah der Vater das Wohl von S. als gefährdet an und warf der Pflegefamilie vor, S. zu manipulieren und nicht im Interesse des Kindes zu handeln. Dieser Vorwurf ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Pflegeeltern - aus Sicht des Vaters vorwerfbar - entgegen vorheriger Absprache S. nicht ermöglicht hatten, an der Trauung seines Vaters am 10.6.2011 teilzunehmen. Aus diesem Vorfall entwickelte sich - jedenfalls nachvollziehbar - eine gewisse Verärgerung des Vaters, die sich auch in dem Schreiben vom 12.9.2011 wiederfindet.

Die Vorwürfe des Vaters gegenüber der Pflegefamilie in dem genannten Schreiben sind so sicherlich unberechtigt und anmaßend. Gleichwohl ist zu sehen, dass der Brief offensichtlich in Rage und Unmut über die derzeitige Situation verfasst wurde, und er von daher zu relativieren ist. Im übrigen lässt sich aus dem Brief zwar ableiten, dass der Vater ggf. überzogen und emotional reagiert und dass das Verhältnis zu den Pflegeeltern belastet ist. Es lässt sich indes dem Brief nicht entnehmen, dass dem Vater ein Verständnis für das Bindungserleben des Kindes fehlt. Damit setzt sich der Brief in keiner Weise auseinander und es war auch nicht Thema der damaligen Auseinandersetzung. Weitere tatsächliche Anhaltpunkte - außer dem genannten Brief - , aus denen sich die Folgerung ableiten ließe, dass dem Vater das Verständnis für das Bindungserleben des Kindes fehlt, hat die Sachverständige trotz Nachfrage des Senats in der Verhandlung nicht benannt.

In Hinblick darauf, dass es dem Vater trotz der ungünstigen und erschwerten Bedingungen, unter denen er den Kontakt zu seinem Sohn aufbauen musste, gelungen ist, eine positive, beachtliche, vertrauensvolle Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen, geht der Senat davon aus, dass der Vater ein ausreichendes Verständnis für die Befindlichkeiten und Bedürfnisse seines Sohnes aufbringen kann. Andernfalls ist kaum vorstellbar, dass sich trotz der widrigen Umstände die Beziehung zwischen Vater und Kind in dieser Form entwickelt hätte. Der Vater hat sich seit der Geburt des Kindes um regelmäßige Umgangskontakte bemüht und diese auch zuverlässig im Rahmen des Möglichen wahrgenommen. Im Rahmen des Hausbesuches am 23.10.2010 konnte die Sachverständige feststellen, dass S. vertrauensvoll mit seinem Vater umgeht. Er habe sich von seinem Vater versorgen lassen, habe seine körperliche Nähe gesucht, sei spielerisch mit ihm in Interaktion getreten, habe sich von ihm anregen lassen, aber auch Grenzsetzungen angenommen. Diese Beschreibung der Sachverständigen deutet nicht darauf hin, dass der Vater in seiner Wahrnehmungsfähigkeit hinsichtlich der kindlichen Bedürfnisse und Sorgen eingeschränkt ist. Ebenso wenig wurde von erheblichen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes vor, während und nach den Umgangskontakten beim Vater berichtet.

Das Verhältnis zwischen dem Vater und den Pflegeeltern ist - davon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild machen - angespannt. Die Pflegeeltern warfen dem Vater in der Verhandlung vor, er stelle das Wohl des Kindes S. nicht in dem Mittelpunkt. Umgekehrt beharrte der Vater auf seinem Standpunkt, dass es S. in seinem Haushalt nicht schlechter gehen werde als bei den Pflegeeltern und argumentierte ebenfalls mit Aspekten des Kindeswohls. Aus diesen Differenzen kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Vater kein Verständnis für das Kind in der besonderen Situation des Wechsels aufbringen werde. Immerhin ist es dem Vater und den Pflegeeltern gelungen, ihre zum Teil grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten von dem Kind weitgehend fernzuhalten.

(4) Der Senat geht davon aus, dass der Vater ggf. externe fachliche Unterstützung (etwa durch das Jugendamt) in Anspruch nehmen wird, um gemeinsam mit den Pflegeeltern für S. ein möglichst schonendes Szenario für die Durchführung des Wechsels zu entwickeln.

Soweit die Pflegeeltern darauf verweisen, dass der Vater in der Vergangenheit nicht bereit gewesen sei, an einem Beratungsprozess teilzunehmen, ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass bereits das Beratungsziel, namentlich die dauerhafte Betreuung des Kindes in der Pflegefamilie und die Verbesserung der Umgangskontakte, für den Vater - nachvollziehbar - nicht konsensfähig war und es wohl deshalb bereits am Beratungswillen gefehlt hatte. Die Motivation für eine Beratung wird sich jedoch aus Sicht des Vaters völlig anders darstellen, wenn der Wechsel des Kindes und Fragen des schonenden Übergangs im Mittelpunkt der fachlichen Unterstützung stehen. Dass der Vater grundsätzlich beratungswillig ist, ergibt sich daraus, dass er jedenfalls anfänglich Beratungsgespräche wahrgenommen hat.

(5) Das zwischen den Beteiligten herrschende Konfliktniveau steht einem Wechsel nicht entgegen.

Soweit die Sachverständige für einen Wechsel des Kindes zum Vater die - aus ihrer Sicht notwendige - Unterstützung, vor allem der Mutter und der Pflegeeltern, nicht feststellen konnte und angesichts des zwischen den Beteiligten herrschenden Konfliktniveaus sich für einen Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern und - da die Mutter dies gewährleiste - für die Beibehaltung der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter aussprach, liegt dieser Einschätzung ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde. Insbesondere berücksichtigen diese Ausführungen nicht ausreichend das Recht der leiblichen Eltern, hier des Vaters, aus Art. 6 Abs. 2 GG und die zu beachtenden Grundsätze des Art. 8 EMRK, wonach eine Verpflichtung des Staates besteht, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Denn würde allein die Ablehnung der Mutter und die fehlende Unterstützung der Pflegeeltern einen Wechsel des Kindes zum Vater ausschließen, würde typischerweise ein Wechsel des Kindes zum leiblichen Vater bereits immer dann ausscheiden, wenn das Kind bei Unterbringung in einer Pflegestelle seine sozialen Eltern gefunden hätte. Damit würde indes das Recht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt, da er in diesen Fällen generell von der persönlichen Betreuung des Kindes und somit vom Sorgerecht ausgeschlossen werden könnte, ohne dass eine Kindeswohlprüfung erfolgt (vgl. dazu grundlegend BVerfG FamRZ 2010, 1403).

Unabhängig davon wird die Einschätzung auch nicht hinreichend durch entsprechende tatsächliche Feststellungen gestützt. Dabei wird nicht verkannt, dass das Verhältnis zwischen dem Vater und den Pflegeeltern angespannt ist. Andererseits arbeiten der Vater und die Pflegeeltern bereits seit der Geburt des Kindes, somit seit über vier Jahren im Rahmen der Umgangskontakte des Vaters mit S., zusammen und begegnen sich regelmäßig. Wäre das Konfliktpotential zwischen den Pflegeeltern und dem Vater derartig hoch, dass S. unter erheblichen Loyalitätskonflikten leiden würde, wäre kaum vorstellbar, dass die Umgangskontakte zum Vater - wie von allen Beteiligten beschrieben - für S. unbelastet und freudvoll ablaufen. Insofern spricht viel dafür, dass Pflegeeltern und leiblicher Vater über die gebotene Bindungstoleranz und erzieherische und kommunikative Kompetenz verfügen, S. aus den Konflikten herauszuhalten und zu seinem Wohl jedenfalls im Ergebnis gedeihlich zusammenzuarbeiten.

Zwar werden die Begegnungen der Pflegeeltern mit dem Vater durch seine sorgerechtliche Verantwortung für S. sowie durch die sich häufenden Umgangskontakte in den nächsten Monaten zunehmen. Insoweit ist es dann die primäre Aufgabe der Beteiligten, respektvoll zum Wohle des Kindes miteinander zu kommunizieren und miteinander Lösungen zu finden. Insoweit kann es geboten sein, die Unterstützung des Jugendamtes einzufordern und fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Senat geht davon aus, dass die Pflegeeltern, die von der Sachverständigen als im besonderen Maße feinfühlig und am Kindeswohl orientiert handelnd beschrieben werden und in der mündlichen Anhörung durch den Senat so erlebt wurden, alles tun werden, um S. einen schonenden Wechsel zum Vater zu ermöglichen und ihm Leid und Traurigkeit soweit wie möglich zu ersparen. Der Senat ist zuversichtlich, dass S. - auch wenn er seinen Lebensmittelpunkt zum Vater wechselt - seine sichere Bindung zu den Pflegeeltern dauerhaft beibehalten kann.

(6) Die von der Sachverständigen als möglich beschriebenen Belastungs-symptome bei S. haben kein derartiges Gewicht, dass sie einen Wechsel zum Vater unter Kindeswohlgesichtspunkten ausschließen würden.

Die Sachverständige hat ausgeführt, dass es in Folge der Trennung bei S. zu Schreiattacken, Einnässen oder ähnlichem kommen könne. Sie hat deswegen einen Wechsel von S. zu seinem Vater nicht befürwortet.

Die Trennung eines Kindes von seiner unmittelbaren Bezugsperson führt regelmäßig zu einer erheblichen psychischen Belastung für das Kind und ist mit einem Risiko für die Entwicklung des Kindes verbunden. Wie bereits ausgeführt, kann jedoch die stets mit einer Trennung von der Pflegefamilie verbundene Belastungssituation allein nicht dazu führen, die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater mit dem Ziel eines Wechsels des Aufenthalts abzulehnen. Sonst wäre eine Rückführung zu den leiblichen Eltern stets ausgeschlossen, wenn sich eine tragfähige Bindung an die Pflegeeltern eingestellt hat, das Kind seine „soziale Familie" gefunden hätte (BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865).

Die Sachverständige beschreibt die befürchteten Symptome des Kindes als eine Reaktion auf die Verunsicherung und auf die durch die Trennung bedingten Belastungen. Weitere Belastungsreaktionen wurden von der Gutachterin - auch auf Nachfrage - nicht genannt, insbesondere wurden von der Sachverständigen keine über die genannten Symptome hinausgehenden dauerhaften psychischen oder sogar physischen Schädigungen prognostiziert. Insbesondere hat die Sachverständige nicht ausgeführt, dass sich die von ihr genannten Belastungssymptome voraussichtlich zu Schädigungen entwickeln werden. Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1666 BGB hat die Sachverständige von daher nicht festgestellt.

Hierfür spricht auch im Übrigen wenig. S., der seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern lebt, musste bisher keine Bindungsabbrüche erleben. Insoweit gestaltet sich der vorliegende Fall abweichend von denjenigen, in denen Kinder aufgrund bereits erfolgter Bindungsabbrüche, etwa nach erfolgten Maßnahmen gemäß §§ 1666, 1666a BGB, in ihre Familie zurückgeführt werden und in denen aufgrund der bereits erlebten Bindungsabbrüche eine erhöhte Vulnerabilität der Kinder besteht (so etwa im Fall OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1514 und OLG Hamm FamRZ 2007, 659; auch BVerfG FamRZ 2010, 865).

S. ist ein gesundes, normal entwickeltes, fröhliches Kind. Er hat keinen erhöhten Pflege- und Betreuungsbedarf, ebenso wenig sind besondere Fördermaßnahmen für seine Entwicklung erforderlich. Verhaltensauffälligkeiten des Kindes wurden nicht festgestellt. Nach dem vorgelegten Bericht der Gruppenleiterin des Kindergartens vom 16.12.2011 ist die sprachliche Entwicklung des Kindes altersentsprechend. Nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase gehe S. gern in den Kindergarten und fühle sich dort wohl. Die Psychologin, die S. in der Zeit von September bis Dezember 2010 viermal aufgesucht hat, hielt nach den Angaben der Pflegeeltern die Fortsetzung der Gespräche mit dem Kind nicht für erforderlich, da S. ein natürliches, offenes und gut gebundenes Kind sei. Die Verfahrensbeiständin schilderte S. in der Verhandlung am 7.12.2011 ebenfalls als offenes Kind ohne Berührungsängste. S. habe nicht belastet gewirkt, sondern allenfalls still. Nach dem Bericht des Kindergartens vom 16.12.2011 benötigt S. eine klare und feste Tagesstruktur, feste Rituale und die zuverlässige Anwesenheit bestimmter Personen. Auf Veränderungen reagiere er verunsichert, sei motorisch unruhig und verhalte sich zwanghaft. Diese Beschreibung trifft - dies ist dem Senat aus anderen Verfahren und aus eigenen Erfahrungen bekannt - auf eine Vielzahl von Kindern zu, die (ganz unterschiedliche) Ablösungsschwierigkeiten im Kindergarten zeigen. Rückschlüsse, dass S. im Vergleich zu anderen Kindern verhaltensauffällig ist, ergeben sich insoweit nicht.

Bei der mündlichen Anhörung durch den Senat präsentierte sich S. als selbstbewusster, intelligenter, zugewandter Junge, der über eine für sein Alter sehr gute - die Bewältigung der auf ihn zukommenden Belastungen erleichternde - sprachliche Kompetenz verfügt.

Insgesamt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters aufgrund eines besonderen Pflege- und Betreuungsbedürfnisses des Kindes oder aufgrund einer besonderen Vulnerabilität des Kindes, die etwa in seinem Wesen begründet sein könnte, zu einer Kindeswohlgefährdung oder gar zu psychischen oder physischen Schädigungen bei S. führen kann.

Die dennoch mit der Trennung des Kindes von den Pflegeeltern zu erwartenden psychischen Belastungen sind unter Berücksichtigung der Bedeutung des Elternrechts des Vaters letztlich hinzunehmen. Insoweit ist es insbesondere die Aufgabe des Jugendamtes, den Beteiligten die notwendige Unterstützung zu geben (BGH NJW 2008, 223), um die Beeinträchtigungen für S. so gering wie möglich zu halten. Dabei gehören die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (BVerfG FamRZ 2010, 713). Selbst wenn S. möglicherweise bei den Pflegeeltern ein noch besseres Umfeld als beim Vater mit optimalen Förderungsmöglichkeiten geboten werden könnte, spräche dies für sich allein nicht gegen den Wechsel des Kindes zum Vater. Denn zum Wächteramt des Staates zählt nicht die Aufgabe, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen (vgl. BVerfGE FamRZ 2010, 713 m. w. N.).

(7) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der möglichen langfristigen Folgen bei einem Verbleib S. in der Pflegefamilie.

Für die Entscheidung dürfen nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen einer Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern betrachtet werden, ohne die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung von seinem leiblichen Vater zu erwägen (EMRK FamRZ 2004, 1456, 1559; BVerfG FamRZ 2005, 783).

Auf Frage erklärte die Sachverständige insoweit, dass es bisher keine validen Forschungsergebnisse zur Frage gebe, wie sich die Entwicklung eines Kindes bei einer langfristigen Trennung vom leiblichen Elternteil auswirken würde. Die Möglichkeit, dass S. während seiner - noch lang andauernden - Kindheit und in der späteren Adoleszenz nach seinen Wurzeln fragt, sich in der Pflegefamilie tatsächlich als Pflegekind fühlt und seinem Vater vorwirft, er habe sich nicht ausreichend um seine Betreuung bemüht, ist jedenfalls denkbar.

(8) Soweit die Sachverständige befürchtet, dass es aufgrund der hochkonfliktbehafteten Elternbeziehung zu einem Bindungsabbruch zwischen S. und seiner Mutter kommen werde, kann einer solchen Entfremdung des Kinder von der Mutter durch eine angemessene - ggf. gerichtliche - Regelung des Umgangs entgegengewirkt werden (so ausdrücklich BVerfG NJW 2011, 3355).

Der Vater hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er den Kontakt des Kindes zur Mutter unterstützen wird und sogar angeboten, dass die Mutter S. in seinem Haushalt trifft. Zweifel an der Ernsthaftigkeit diese Absicht ergeben sich nicht. Dass möglicherweise die Mutter Probleme hat, S. in einem anderen Rahmen als bisher im Haushalt der Pflegeeltern zu treffen, kann allein einem Wechsel des Kindes zum Vater nicht entgegenstehen. Insoweit hat es die Mutter bisher auch versäumt, mit S. unbegleitete Kontakte zu verbringen. Sollte zunächst ein unbegleiteter Kontakt nicht möglich sein, käme eine Begleitung im beschützten Rahmen, etwa beim Kinderschutzbund, in Betracht.

Soweit die Mutter den Vater nunmehr als äußerst diktatorisch anmutend, egozentrisch und wenig partnerschaftlich beschreibt und aus seiner Persönlichkeitsstruktur die fehlende Kooperationsbereitschaft ableitet, vermag das den Senat nicht zu überzeugen. Die Mutter stützt ihre Angaben auf Erfahrungen, die sie während einer lediglich zweimonatigen Beziehung mit dem Vater erlebt hat. Abgesehen davon, dass diese kurze gemeinsame Zeit nunmehr bereits fünf Jahre zurückliegt, sieht der Senat diese Konflikte ausschließlich auf der Paarebene der Eltern begründet.

Soweit die Sachverständige Spannungen zwischen den Eltern erwartet, etwa im Zusammenhang mit Umgangskontakten der Mutter, und darin eine langfristige Belastung des Kindes befürchtet, geht der Senat davon aus, dass durch die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater und die zu treffenden Regelungen zum Umgang das Streitpotential eher gering sein wird. Die Eltern müssen keine sorgerechtsrelevanten Dinge besprechen. In Hinblick darauf, dass die Mutter S. nicht selbst betreuen will, werden die Loyalitätskonflikte für S. nicht gravierend sein.

Sollte der Mutter gleichwohl eine Wahrnehmung des Umgangs aufgrund des angespannten Verhältnisses zum Vater nicht möglich sein, wäre dies zwar bedauerlich. Eine Kindeswohlgefährdung, die einen Wechsel des Kindes zum betreuungsfähigen und -willigen leiblichen Vater unter Berücksichtigung der inmitten stehenden Grundrechte ausschließen würde, kann darin indes nicht erblickt werden. Denn S. konnte - wie dargelegt - aufgrund der Gesamtumstände ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Beziehung zur Mutter entwickeln, sodass sie keine primäre Bezugsperson für ihn ist.

II. Es wird das Verbleiben des Kindes im Haushalt der Pflegeeltern befristet bis zum 31.8.2012 angeordnet, § 1632 Abs. 4 BGB.

Ein Wechsel des Kindes in den väterlichen Haushalt kann nicht sofort erfolgen, da dies zur Überzeugung des Senats mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde. S. würde durch die abrupte Herausnahme aus dem Haushalt der Pflegeeltern seine Hauptbezugspersonen verlieren und dadurch in seiner psychischen Entwicklung erheblich geschädigt werden.

1. Der Anordnung der befristeten Verbleibensanordnung steht nicht entgegen, dass der Vater mehrfach erklärt hat, S. nicht sofort aus der Pflegefamilie herauszunehmen, sondern einen schonenden Wechsel herbeiführen zu wollen. Für ihn sei es selbstverständlich, dass ein Wechsel nicht zur Unzeit erfolgen dürfe. Eine rechtlich verbindliche Erklärung hat er insoweit jedoch nicht abgegeben, so dass der Senat eine ausdrückliche Regelung der Verbleibensanordnung zum Wohle des Kindes für angezeigt erachtet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Vater im Schriftsatz vom 12.1.2012 vortragen lässt, dass der Antrag der Pflegeeltern auf eine Verbleibensanordnung nicht geboten sei, da eine sichere Bindung des Kindes zum Vater gegeben sei. Eine verlässliche Aussage, dass der Vater S. nur nach einer ausreichenden Übergangszeit und nach Intensivierung der Bindung durch erweitere Umgänge zu sich nehmen werde, kann daraus nicht abgeleitet werden, so dass für die Verbleibensanordnung ein Regelungsbedürfnis besteht.

2. Bei der vorzunehmenden Auslegung der Voraussetzung für die Verbleibensanordnung ist sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie schließlich auch dem Grundrecht der Pflegefamilie aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Rechnung zu tragen (BVerfG FamRZ 2005, 783). Gleichwohl ist im Rahmen der erforderlichen Abwägung das Wohl des Kindes letztlich entscheidend (BVerfG FamRZ 1999, 1417; BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865).

3. Eine unbefristete Verbleibensanordnung kommt nicht in Betracht, da durch eine weitere sukzessive Annäherung an den leiblichen Vater und eine damit einhergehende Lockerung des Verhältnisses zu den Pflegeeltern die Herausnahme des Kindes aus seiner Pflegefamilie und der Wechsel in den Haushalt des Vaters ohne Kindeswohlgefährdung in absehbarer Zeit möglich erscheint.

4. Der Gefährdung des Kindeswohls, die durch eine sofortige Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie entstehen würde, kann entgegengewirkt werden, indem als milderer Eingriff eine befristete Verbleibensanordnung zugunsten der Pflegefamilie ergeht.

Der Senat hat nach den Ausführungen sämtlicher Beteiligter, insbesondere der Pflegeeltern, der Verfahrensbeiständin und der Vertreterin des Jugendamtes, sowie nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. C. vom 25.5.2009 und vom 21.3.2011 keine Zweifel, dass S. eine feste, sichere und tragfähige Bindung zu seinen Pflegeeltern hat.

S. lebt seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern. Er ist dort verwurzelt und hat zu den Pflegeeltern und deren Sohn M. eine stabile Bindung entwickelt. Die Pflegeeltern sind seine Hauptbezugspersonen. S. hat jedoch - dies wurde bereits ausgeführt - auch eine vertrauensvolle und positive Beziehung zu seinem Vater. Dies ist insoweit bemerkenswert, als dieser Beziehungsaufbau - insoweit wird auf die Ausführungen der Gutachterin im Sachverständigengutachten vom 25.5.2009 verweisen - erschwert wurde. Diese Bindung des Kindes an seinen Vater ist letztlich Voraussetzung für den mittelfristig bevorstehenden endgültigen Wechsel des ständigen Aufenthalts in die väterliche Familie.

Ein sofortiger Wechsel von S. zu seinem Vater würde jedoch eine abrupte Trennung von den Hauptbezugspersonen bedeuten. Ein solcher Bindungsabbruch zu den Hauptbezugspersonen - dies ist dem Senat aufgrund eigener Sachkunde, die er in anderen Verfahren gewinnen konnte, bekannt, kann bei Kindern im Alter von drei bis vier Jahren zu einem Trennungstrauma mit nachhaltigen psychischen Schäden in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Das Sicherheitsgefühl des Kindes würde gravierend gestört, das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Bindungen und damit auch das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes elementar erschüttert.

In Hinblick darauf, dass die Beziehung von S. zu seinem Vater nicht so gefestigt und tragfähig ist wie die zu den Pflegeeltern, ist mit einer Gefährdung des Kindeswohls bei einer sofortigen Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie zu rechnen. Dies sieht auch der Vater so, der mehrfach versichert hat, das Kind nicht sofort zu sich nehmen zu wollen.

Es ist somit erforderlich, dass die Bindungen zu den Pflegeeltern einerseits aufrechterhalten und andererseits die Bindungen zum Vater vor der endgültigen Übersiedelung intensiviert und verstärkt werden. Dies erfordert einen - bereits jetzt einzuleitenden - schonenden Hinführungsprozess. Dass eine schrittweise Umge-wöhnung in derartigen Fällen notwendig ist, hat zum einen die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 1.7.2009 ausgeführt. Dem Senat ist im übrigen auch aus anderen Verfahren bekannt, dass ein schrittweiser Wechsel mit zeitweise gleichstarken Bindungen an Pflegeeltern und leibliche Eltern zum Wohle des Kindes möglich ist. Auf die Anforderungen an die Pflegeeltern und den Vater in diesem Zusammenhang wurde bereits hingewiesen.

Um den Wechsel des Kindes in den väterlichen Haushalt vorzubereiten, muss eine verstärkte Annäherung des Kindes an den Vater erfolgen. Dabei sind auch mehrtägige Umgangskontakte und Ferienkontakte sicherzustellen (so BGH NJW 2008, 223). Die Sachverständige hat zur Beziehungsintensivierung zum Vater für den Fall eines beabsichtigten dauerhaften Wechsels die Ausweitung des Umgangs empfohlen, namentlich in Form von mehreren wöchentlichen Umgangskontakten mit Übernachtungsbesuchen.

Dieser Prozess wird durch die nachfolgende Umgangsregelung sichergestellt. Der Senat geht derzeit davon aus, dass der Prozess des Wechsels etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen wird. Aus ähnlich gelagerten Fällen ist dem Senat bekannt, dass dieses Hinführungsszenario in etwa diese Zeit dauern wird. Insoweit ist die Verbleibensanordnung zu befristen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1632 Rz. 16).

Der Senat hält es für angemessen, wenn S. zu Beginn des Kindergartenjahres 2012/2013 zum Vater wechselt und dann am Wohnort des Vaters den Kindergarten besucht. Dies ermöglicht ihm, neue Freunde zu finden und mit einem Teil dieser Kinder dann auch eingeschult zu werden.

Der Senat weist darauf hin, dass diese Entscheidung gemäß § 1696 BGB jederzeit abgeändert werden kann, wenn triftige Gründe dies zum Wohle des Kindes erfordern.

5. Der Senat verkennt nicht, dass sich auch die Pflegeeltern auf eine eigene Grundrechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen können, da das Pflegeverhältnis bereits seit 13.11.2007, somit über einen längeren Zeitraum besteht und Bindungen zwischen ihnen und S. gewachsen sind (zur Grundrechtsposition der Pflegeeltern BVerfG FamRZ 1985, 39; BVerfG FamRZ 1989, 31; BVerfG FamRZ 2010, 865; BGH NJW 2008, 223).

Das Recht der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 GG muss jedoch im Zusammenhang mit dem Recht der leiblichen Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden, auf das sich Pflegeeltern nicht berufen können. Für die leiblichen Eltern ist die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff in das Elternrecht, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG FamRZ 1989, 31). Die Stellung der Pflegeeltern ist umso weniger geschützt, als sie sich auf die spätere Herausgabe des Kindes einstellen mussten (BGH NJW 2008, 223).

Im vorliegenden Fall war der Vater von Beginn an nicht mit der Unterbringung des Kindes bei einer Pflegefamilie einverstanden. Dies hatte er in einem Gespräch am 26.10.2007 - noch vor der Geburt des Kindes - dem Jugendamt und den künftigen Pflegeeltern mitgeteilt. Der Vater wollte stets das Kind in seinem Haushalt betreuen und versorgen. Darüber hinaus beantragte der Vater bereits im März 2008 erstmals die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Für die Pflegeeltern war somit seit Beginn des Pflegeverhältnisses erkennbar, dass der Vater den Wechsel des Kindes in seinen Haushalt nachhaltig anstrebt. Die Pflegeeltern durften somit nicht darauf vertrauen, dass das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt sein wird.

III. Die Umgangskontakte des Vaters mit dem Kind sind mit dem Ziel auszuweiten, dass S. im September 2012 zum Vater wechseln und ab dem Kindergartenjahr 2012/2013 einen neuen Kindergarten besuchen kann.

Der Umgang wird - entsprechend den Empfehlungen der Sachverständigen für ähnlich gelagerte Fälle - stufenweise ausgedehnt. Dem Senat ist aus zahlreichen Umgangsverfahren bekannt, dass zur Intensivierung der Kontakte zu einem Elternteil eine sukzessive Ausdehnung des Umgangs zum Wohle des Kindes angezeigt ist. Dabei darf ein Kind nicht überfordert werden. Ihm müssen die Bindungen zu seinen bisherigen Hauptbezugspersonen erhalten bleiben; gleichzeitig müssen die Bindungen zum Vater qualitativ verbessert und insgesamt gefördert werden.

Zunächst wird das Ziel verfolgt, Übernachtungsumgänge an den Wochenenden zu ermöglichen. In Hinblick darauf, dass S. bisher nur einen Tag in der Woche, am Samstag für 6 Stunden, bei seinem Vater verbracht hat, soll in den ersten Wochen an einem zusätzlichen Tag, namentlich am Sonntag, Umgang stattfinden. In Hinblick darauf, dass S. noch nie auswärts übernachtet hat, könnten ihn sofortige Wochenendumgänge einschließlich Übernachtungen überfordern.

Übernachtungen können angeordnet werden, wenn zwischen dem Kind und dem Umgangsberechtigten eine innige und vertrauensvolle Bindung besteht (vgl. Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1684 Rz. 26). Durch die zweitägigen Umgänge sollen die Übernachtungen des Kindes beim Vater behutsam angebahnt und dann ab Mai 2012 regelmäßig durchgeführt werden. Dadurch soll es S. ermöglicht werden, seine Beziehung zum Vater zu intensivieren und den Aufbau einer familiären Beziehung zum Vater zu erleichtern.

Der Anordnung der Übernachtungen steht nicht entgegen, dass S. im Rahmen der Anhörung durch den Senat am 25.1.2012 die Frage, ob er gern bei seinem Vater übernachten wolle, verneint hat. In Hinblick darauf, dass S. bisher nie auswärts übernachtet hat, konnte er bisher keine eigenen Vorstellungen oder Erfahrungen entwickeln. Ungeachtet dessen ist der Wille des 4-jährigen Kindes nicht allein als zuverlässige Entscheidungsgrundlage anzusehen und kann nicht als eigenständige Selbstbestimmung angenommen werden (Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1671 Rz. 81 a.E.). Der Senat, der S. als offenen und kontaktfreudigen Jungen erlebt hat, geht davon aus, dass sich das Kind auf die Übernachtungen bei seinem Vater in einer für ihn - mittlerweile vertrauten Umgebung - einlassen kann.

Diese Übernachtungen werden in den Pfingstferien auf drei bzw. vier Tage ausgedehnt. Ab 15.6.2012 erfolgen sodann regelmäßige wöchentliche Umgänge von Freitagnachmittag bis Sonntag und ab Juli sodann von Donnerstagnachmittag bis Sonntag. Außerdem wird in den Sommerferien ein Ferienumgang in der Zeit vom 9.8.2012 bis 19.8.2012 vorgesehen.

Diese Umgangsregelungen sind so gefasst, dass S. sich einerseits bestmöglich auf seinen Vater und dessen Familie einstellen kann, andererseits aber eine sichere Bindung und zunächst den Lebensmittelpunkt bei seinen Pflegeeltern behält. Andererseits sind die Regelungen einfach und klar gefasst, so dass ein reibungsloser Ablauf des Umgangs die Gefahr möglicher Konflikte zwischen den Pflegeeltern und dem Vater ganz erheblich reduziert.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sowohl die Pflegeeltern als auch der Vater dieses Übergangszenario für das Kind so verträglich wie nur möglich gestalten und alles unterlassen werden, was nur im geringsten Maß die Wertschätzung der jeweils andere Seite in Frage stellen und das Kind verunsichern könnte.

Der Senat regt ausdrücklich an, dass die Beteiligten die Unterstützung des Jugendamtes und gegebenenfalls weitere fachliche Beratung sowie Hilfe in Anspruch nehmen. Für den Fall, dass sich einzelne Umgangsanordnung aufgrund besonderer beruflicher oder persönlicher Erfordernisse als nicht praktikabel erweisen, sollten die Beteiligen einvernehmlich eine den Interessen aller gerecht werdende Regelung finden und Probleme gemeinsam lösen. In diesem Zusammenhang entspräche es dem Wohl des Kindes, nahtlos ab 1.9.2012 regelmäßige Umgangskontakte der Pflegeeltern mit Simon einerseits und der Mutter mit S. andererseits abzusprechen. ..."

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Auch wenn Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen einem Vorrang- und Beschleunigungsgebot unterliegen und die Möglichkeit besteht, im Anhörungstermin einstweilige Anordnungen zu erlassen (§§ 155, 156 Abs. 1, 3 Satz 1 FamFG), kann im Einzelfall gleichwohl ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts im Sinn von § 49 Abs. 1 FamFG bestehen (Abgrenzung zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. September 2010, 16 WF 189/10, FamRB 2011, 42). Wenn die Beteiligten in einem früheren Verfahren eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung abgeschlossen haben, ergibt sich der Abänderungsmaßstab hierfür aus § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und nicht aus den höheren Anforderungen des § 1696 Abs. 1 BGB, solange die Elternvereinbarung nicht zu einer Änderung der Sorgeverhältnisse geführt hat. Soweit der im Verfahren der einstweiligen Anordnung von einem Elternteil vorgebrachte Verdacht des sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den anderen Elternteil nach Ausschöpfung aller, im Eilverfahren zulässigerweise zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht geklärt werden kann, ist eine umfassende Risikoabwägung unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmen, wobei es vom Grad der Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der erhobenen Anschuldigungen ankommt, ob eine Sorgeentscheidung zugunsten des betreffenden Elternteils ergehen kann. Der Verfahrensbeistand untersteht nicht der Aufsicht des Gerichts, sondern nimmt seine Aufgaben im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich wahr und deshalb liegt es regelmäßig allein an ihm, zu entscheiden, ob er im Eilverfahren vor dem Anhörungstermin noch einen Hausbesuch macht und mit den Kindern, die er bereits aus mehreren anderen, früheren Verfahren kennt, noch einmal in Kontakt tritt (KG Berlin, Beschluss vom 05.04.2012 - 17 UF 50/12 zu §§ 1671 II Nr 2, 1696 BGB, §§ 49 I, 155, 156 I, III FamFG).

***

„... II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Vaters hat in der Sache Erfolg. Eine Entziehung der elterlichen Sorge ist nicht gerechtfertigt, da die hierfür erforderlichen Voraussetzungen (§§ 1666, 1666 a BGB) gegenwärtig nicht vorliegen. Auf Antrag des Vaters ist ihm die elterliche Sorge für S… und A… allein zu übertragen, weil dies dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Im Einzelnen gilt Folgendes:

1. Der Vater hält an seiner im Termin erklärten Zustimmung, dass das Jugendamt zum Vormund für die Töchter bestellt wird und sie bis zu einer Entscheidung des Jugendamts über ihren zukünftigen Lebensmittelpunkt in der Wohneinrichtung O… leben, nicht fest. Da die Zustimmung des Vaters frei widerruflich ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 21.12.2011 - 2 UF 481/11, juris), hat sein in erster Instanz erklärtes Einverständnis mit einer Bestellung des Jugendamts zum Vormund für S… und A… und Fortdauer ihrer Fremdunterbringung keinen Bestand mehr.

2. Die Eingriffsvoraussetzungen für den Entzug aller Teilbereiche der elterlichen Sorge gemäß §§ 1666, 1666 a BGB und die damit verbundene Trennung der Kinder S… und A… von den Eltern liegen gegenwärtig nicht vor.Es fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die beiden Kinder im Haushalt der Eltern einer akuten Gefährdung ausgesetzt wären, die es erforderlich machen könnten, die seit 2/2011 andauernde Fremdunterbringung der Kinder nach §§ 1666, 1666 a Abs. 1 BGB aufrechtzuerhalten.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kommt dem Recht der Eltern auf Pflege und Erziehung, das ihnen durch Artikel 6 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG) garantiert ist, eine hohe Bedeutung zu. Dabei wird sogar die Möglichkeit in Kauf genommen, dass das Kind durch einen Entschluss der Eltern Nachteile erleidet, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben getroffenen Erziehungsentscheidung vielleicht vermieden werden können. Dementsprechend darf die Trennung des Kindes von seinen Eltern als stärkster Eingriff in das Elternrecht nur unter sehr strengen Voraussetzungen erfolgen. Nicht jedes Versagen oder jede Nachlässigkeit der Eltern berechtigt den Staat auf der Grundlage seines ihm nach Artikel 6 Abs. 2 S. 2 GG zukommenden Wächteramts, die Eltern von der Pflege und Erziehung ihres Kindes auszuschließen oder gar selbst die Aufgabe zu übernehmen. Das elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreichen, dass das Kind bei einem Verbleib in der Familie in seinem körperlichen, seelischen oder geistigen Wohl erheblich und nachhaltig gefährdet ist (vgl. hierzu z.B. BVerfG, FamRZ 2010, 528; FamRZ 2010, 713). Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen und damit zugleich die Aufrechterhaltung der Trennung der Kinder von ihnen umgesetzt wird, darf dies zudem nur unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Dieser gebietet es, dass Art und Ausmaß des staatlichen Eingriffs sich nach dem Grund des Versagens der Eltern und danach bestimmen müssen, was im Interesse des Kindes geboten ist. Der Staat muss daher nach Möglichkeit versuchen, durch helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten Verhaltens der Eltern gerichtete Maßnahmen sein Ziel zu erreichen (vgl. hierzu BVerfG, a.a.O.).In diesem Zusammenhang hat der Gesetzgeber mit § 1666 Abs. 1 in Verbindung mit § 1666 a BGB eine Regelung geschaffen, die es dem Familiengericht ermöglicht, bei Maßnahmen zum Schutze des Kindes auch dem grundgesetzlich verbürgten Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, a.a.O.). Hierzu zählt auch die Inanspruchnahme von Familienhilfe, auf die Eltern gemäß §§ 27 ff. SGB VIII auch Anspruch haben.

b) Es kann dahinstehen, ob S… und A… vor dem Hintergrund der strengen Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts betreffend §§ 1666, 1666 a BGB in der Vergangenheit bzw. seit ihrer Fremdunterbringung in 2/2009 bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht in ihrer kindgerechten Entwicklung in einem so schwerwiegenden Maß gefährdet waren, dass dem nur durch gerichtliche Eingriffe in Form einer Sorgerechtsentziehung und Fremdunterbringung der Kinder zu begegnen war. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 1666, 1666 a BGB lässt sich eine gegenwärtige konkrete Kindeswohlgefährdung nicht mit der vom Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung rechtfertigen. Sie machen ein fehlerhaftes Verständnis der Vorschriften der §§ 1666, 1666 a BGB deutlich.

Gemäß § 1666 BGB ist Voraussetzung für ein gerichtliches Eingreifen und den Entzug elterlicher Sorge eine körperliche, geistige oder seelische Kindeswohlgefährdung, die abzuwenden die Kindeseltern nicht willens oder nicht in der Lage sind und die nicht durch andere Maßnahmen als den Sorgerechtsentzug abwendbar ist. Eine Gefahr für das Kindeswohl im Sinne von § 1666 BGB setzt eine gegenwärtige, in solchem Maße vorhandene Gefahr voraus, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2012, 99; FamRZ 2010, 720; OLG Saarbrücken, NJW-RR 2010, 146; OLG Naumburg, OLGReport 2007, 543; OLG Hamm, FamRZ 2006, 359). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Das Amtsgericht hat hierzu ausgeführt, dass sich die Situation zwischen den Eltern gegenwärtig so darstelle, dass sie weder miteinander kommunizieren noch kooperieren könnten. Eine gemeinsame Basis bestehe zwischen den Eltern nicht, so dass auch nicht Teile der elterlichen Sorge von ihnen weiter gemeinsam ausgeübt werden könnten. Es sei deshalb erforderlich, die aus dem Tenor des angefochtenen Beschlusses ersichtlichen Maßnahmen zu treffen, die mit der Trennung der Kinder von der elterlichen Familie verbunden seien. Der Gefahr für das Kindeswohl könne nicht auf andere Weise begegnet werden, da andere Maßnahmen ein Minimum an Kommunikationsbereitschaft bei beiden Elternteilen voraussetzen würden. Dies sei jedoch vorliegend nicht gegeben. Weiter führt das Amtsgericht aus, da die Eltern nicht in der Lage seien, ihr Konfliktpotential auf der Partnerschaftsebene abzubauen, sei ihnen die Auflage erteilt worden, eine Paartherapie aufzunehmen. Hiermit sollten sie in die Lage versetzt werden, zum Wohle der Kinder wieder eine vernünftige Kommunikation aufzubauen, um weiteren Schaden von den Kindern abzuwenden.

Ein Sorgerechtsentzug nach §§ 1666, 1666 a BGB zum Zweck der Aufrechterhaltung einer Fremdunterbringung ist jedoch nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn es Eltern nicht gelingt, ihre Fähigkeit und Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation (wieder) herzustellen bzw. nachzuweisen. Ein derartiger Nachweis kann Eltern nicht abverlangt werden, ebenso wenig reichen Zweifel an der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit aus, Kinder aus der elterlichen Umgebung zu nehmen bzw. ihre Fremdunterbringung aufrechtzuerhalten.

Getrennt lebende Eltern sind zwar im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge zu einer Konsensfindung verpflichtet, solange ihnen dies zum Wohle ihrer Kinder zumutbar ist (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 71. Aufl., § 1671, Rn. 21). Trotz der entsprechenden Verpflichtung lässt sich jedoch in der Realität eine Konsensfindung sowie elterliche Gemeinsamkeit nicht verordnen bzw. erzwingen (vgl. hierzu z. B. BGH FamRZ 2008, 592; FamRZ 2005, 1167; BVerfG, FamRZ 2007, 1876; FamRZ 2004, 354; Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, 5. Aufl., § 1671 BGB, Rn. 36 c). Die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt ein Mindestmaß an objektiver und subjektiver Verständigung zwischen den Eltern in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge voraus (vgl. hierzu BVerfG, FamRZ 2004, 354 und 1015). Konflikte zwischen den Eltern und das daraus resultierende Fehlen einer Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation und Kooperation stellt dabei für sich genommen keine Fehlhandlung oder ein Erziehungsunvermögen der Eltern dar. Allein damit lässt sich folglich nicht die Annahme einer Kindeswohlgefährdung im Sinne von §§ 1666, 1666 a BGB und ein Eingriff in das Sorgerecht der Eltern rechtfertigen. Ob unter den verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG i. V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, § 1666) eine ausreichende Grundlage vorhanden ist für die gerichtlich angeordnete Auflage einer Paartherapie zur Verbesserung der Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern, erscheint zweifelhaft (vgl. hinsichtlich der Frage einer Psychotherapie BVerfG, FamRZ 2011, 179). Zudem ist eine solche Paartherapie ohne die Zustimmungserklärung beider Elternteile und vor allem die innere Bereitschaft zu einer solchen Therapie gar nicht möglich. Beides fehlt hier aber auf Seiten der Mutter, so dass das Ziel der (Wieder-) Herstellung der elterlichen Kommunikation und Kooperation in absehbarer Zeit nicht zu erreichen ist. Wenn es aber dauerhaft an der Bereitschaft und Fähigkeit der Eltern zu einer Kommunikation und Kooperation zwischen ihnen fehlt, folgt daraus nicht eine dauerhafte Kindeswohlgefährdung im Sinne von §§ 1666, 1666 a BGB, die zu einer unbefristeten Fremdunterbringung der Kinder führen könnte. Vielmehr machen gravierende Kommunikations- und Kooperationsdefizite zwischen den Eltern die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge erforderlich und die Übertragung der vollen oder partiellen Alleinsorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 BGB. Denn das Fehlen der erforderlichen Bereitschaft zu einer Konsensfindung und Kommunikation kann einerseits für das Kindeswohl abträgliche Auswirkungen haben, reicht aber für sich genommen nicht aus, Kinder aus der elterlichen Umgebung zu nehmen bzw. ihre Fremdunterbringung aufrechtzuerhalten.

c) Es sind nach den Umständen auch keine anderen nach §§ 1666, 1666 a BGB für einen Sorgerechtsentzug erforderlichen Anzeichen einer konkreten Gefahr für das Wohl von S… und A… erkennbar.

Solche ergeben sich insbesondere nicht aus dem psychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch… vom 17.6.2011. Dieser hat lediglich festgestellt, dass die beteiligten Eltern nicht in der Lage sind, einvernehmliche Konzepte der zukünftigen Aufteilung ihrer Elternverantwortung zu erarbeiten. Vor dem Hintergrund einer hohen Konflikthaftigkeit ihrer Beziehung, die auch im Senatstermin vom 26.1.2012 zum Ausdruck gekommen ist, können die Eltern nach Einschätzung des Sachverständigen in Fragen betreffend ihre Kinder weder miteinander kommunizieren noch kooperieren. Diese einer Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge entgegenstehenden Umstände rechtfertigen jedoch - wie dargestellt - nicht eine Fremdunterbringung der Kinder, weil daraus für sich genommen nicht die Annahme einer fehlenden Erziehungseignung der Eltern hergeleitet werden kann. Die gravierenden Konflikte zwischen den Eltern machen, ausgehend vom Erziehungsprimat der Eltern und mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB erforderlich, weil hier auch keine sonstigen Gefahren für das Kindeswohl zu erkennen sind.

2. Die Sorge für die gemeinsamen Kinder der beteiligten Eltern ist dem Vater allein zu übertragen, da dies dem Wohl und der weiteren Entwicklung von S… und A… im Sinne von § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB am besten entspricht.

a) Gemäß § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB ist nach der Trennung der Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag einem Elternteil allein zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge oder eines Teilbereichs davon sowie die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßstab für die zu treffende Sorgerechtsentscheidung ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB das Kindeswohl. Dabei geht der Senat von dem bereits dargestellten Grundsatz aus, dass beim Fehlen der Kooperationsbereitschaft und/oder -fähigkeit sowie eines tragfähigen Grundkonsenses der Eltern in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge die Nachteile oder Risiken für das Wohl des Kindes, das vom zu erwartenden Streit oder von den Konflikten der Eltern über die einzelnen Sorgerechtsangelegenheiten mitbetroffen, wenn nicht gar in den Streit hinein gezogen werden wird, so groß sind, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge - ganz oder teilweise - im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist (vgl. hierzu Senat, FamRZ 2003, 1953; Johannsen/ Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671, Rn. 38 m.w.N.). „Funktioniert" also die gemeinsame elterliche Sorge praktisch nicht, so ist nach der Rechtsprechung der Alleinsorge der Vorzug zu geben (vgl. hierzu z. B. BGH, FamRZ 2008, 592; FamRZ 2005, 1167; BVerfG, FamRZ 2007, 1876; FamRZ 2004, 354 und 1015).

Von diesen Grundsätzen ausgehend scheidet hier für die Zukunft eine Ausübung der gemeinsamen Sorge durch die beteiligten Eltern aus, und es bedarf der Begründung der Alleinsorge eines Elternteils.

b) Unter Berücksichtigung aller Umstände und Abwägung der eltern- und kindbezogenen Kriterien ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass es dem Wohl von S… und A… gegenwärtig am besten entspricht, wenn der Vater die gesamte elterliche Sorge für sie allein ausübt.

Angesichts der fehlenden Voraussetzung für eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge gewinnen für die Frage, auf welchen Elternteil das Sorgerecht gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu übertragen ist, insbesondere folgende Gesichtspunkte Bedeutung, wobei der hier gewählten Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. hierzu auch Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1671 BGB, Rn. 84):

- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung, einschließlich der Bindungstoleranz, also der Bereitschaft, den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zuzulassen und zu fördern,

- die Bindung des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,

- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist, sowie

- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des Kindes abstellt.

Die einzelnen Kriterien stehen allerdings nicht wie Tatbestandsmerkmale kumulativ nebeneinander. Jedes von ihnen kann im Einzelfall mehr oder weniger bedeutsam für die Beurteilung sein, was dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2011, 796; FamRZ 2010, 1060). Die Beurteilung des Kindeswohls anhand der genannten Gesichtspunkte und deren Gewichtung ist Aufgabe des Senats. Im Ergebnis führt dies hier zu einer Sorgerechtsübertragung auf den Vater.

Der Sachverständige Dr. Sch… hat in seinem psychologischen Gutachten vom 17.6.2011 festgestellt, dass der Vater von seiner Persönlichkeit her durchaus in der Lage sei, bei entsprechender Unterstützung durch eine Familienhilfe, eine kindeswohlförderliche Erziehung zu garantieren, d. h. die Bedürfnisse seiner beiden Töchtern wahrzunehmen und ihnen eine normale körperliche, seelische und geistige Entwicklung zu sichern. Er sei auch in der Lage, den Kindern ausreichende soziale Kontakte zu ermöglichen. Es ist danach davon auszugehen, dass der Vater zu einer verantwortlichen Ausübung des Sorgerechts in der Lage ist. Er hat im Senatstermin auch ausdrücklich seine Bereitschaft zur Annahme der zu seiner Unterstützung erforderlichen Familienhilfe erklärt.

Ferner hat der Sachverständige festgestellt, es habe sich im Rahmen der Begutachtung gezeigt, dass die emotionale Bindung der Kinder an die Eltern unterschiedlich sei. Die Kinder seien an den Vater emotional sicher gebunden, an die Mutter unsicher-ambivalent. Die Bindungsintensität von S… und A… zum Vater ist danach höher als diejenige zur Mutter einzuschätzen.

Des Weiteren hat der Sachverständige festgestellt, neben dieser emotionalen Bindung sei hier auch der kindliche Wille von Bedeutung. Dieser sei auch aus psychologischer Sicht ein wichtiges Kindeswohlkriterium. Zur Willensbildung und -haltung von Kindern sei aus psychologischer Sicht festzustellen, dass etwa ab dem 4. Lebensjahr der geäußerte Kindeswille für eine Sorgerechtsregelung bedeutsam sei, auch wenn der Bedürfnishintergrund und die Motivation des Kindes sowie das Ziel und die Stabilität des geäußerten Willens zu hinterfragen seien. Ebenso sei zu prüfen, ob der Kindeswille eventuell ein sich selbst gefährdender Wille sei. Im Ergebnis seiner Begutachtung ist der Sachverständige Dr. Sch… jedoch zu dem Ergebnis gekommen, dass es der ausdrückliche Wunsch und Wille von S… und A… sei, beim Vater zu leben. Dies spiegele sich auch in den Ergebnissen der von ihm durchgeführten Tests, insbesondere des Erziehungsstil-Inventars und des Familien-Identitätstests, wider. Es sei dabei nach dem Stand ihrer Persönlichkeitsentwicklung und einer ausreichenden Reife von einem stabilen, autonomen und nicht das Kindeswohl gefährdenden Wunsch der Kinder, beim Vater leben zu wollen, auszugehen. Das Vorhandensein eines entsprechenden stabilen kindlichen Wunsches und Willens nach ihrem zukünftigen Lebensmittelpunkt beim Vater hat der Sachverständige auch im Senatstermin im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen des schriftlichen Gutachtens wiederholt.

Der Kontinuitätsgrundsatz, nachdem sich diejenige Sorgerechtsregelung empfiehlt, die die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stetigkeit der erzieherischen Kontinuität, der räumlichen Kontinuität und der Kontinuität des sozialen Umfelds wahrt oder am wenigsten stört, spricht vorliegend für keinen Elternteil. S… und A… leben seit 2/2009, also bereits seit zwei Jahren, im Kinderheim R…. Ihre derzeitigen Lebensverhältnisse haben sich durch diesen Zeitablauf derart gefestigt, dass es auf den Kontinuitätsgesichtspunkt, insbesondere den früheren Aufenthalt der Kinder im Haushalt der Mutter, hier nicht entscheidend ankommt. Ein dem Kindeswohl zuwiderlaufender Bruch der Kontinuität ist mit dem Wechsel der Kinder in den Haushalt des Vaters jedenfalls nicht verbunden.

Zwar hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten und im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen empfohlen, aus seiner psychologischen Sicht für die Kinder zunächst noch einen Vormund zu bestellen. Davon abgesehen hat er es jedoch als „dringend geboten" erachtet, eine Rückführung der Kinder zu einem Elternteil vorzunehmen, und zwar nach seiner Einschätzung wegen der bestehenden stärkeren Bindungen und Beziehungen zum Vater. Jedenfalls solle der Lebensmittelpunkt der Kinder zukünftig nicht mehr in der Wohneinrichtung sein. Der Sachverständige hat sein schriftliches Gutachten mit der ausdrücklichen Empfehlung abgeschlossen, dem Wunsch und Willen der Kinder zu entsprechen, beim Vater leben zu können und dies mit Blick auf seine durch Gespräche und Tests erzielten Untersuchungsergebnisse im Senatstermin bekräftigt.

Der Senat folgt - abweichend von den Empfehlungen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts - dieser Einschätzung des Sachverständigen zum künftigen Lebensmittelpunkt von S… und A…. Dabei steht angesichts des Alters von S… und A… weniger der Kindeswille, sondern die gutachterlich festgestellte stärkere Bindung der Kinder zum Vater und seine vorhandene Kompetenz, die Kinder in Zukunft umfassend und ausreichend zu versorgen, zu erziehen und zu fördern, im Vordergrund. Er ist für S… und A… (sowie für T…) eine stabile Bezugsperson und kann es gewährleisten, sich adäquat um die gemeinsamen Kinder zu kümmern, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen und darauf angemessen zu reagieren. Da der Vater zur verantwortlichen Ausübung des Sorgerechts in der Lage ist, ist hier aus Rechtsgründen wegen des grundsätzlichen Vorrangs der Eltern und vor allem mit Blick auf die vorstehend dargestellte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu §§ 1666, 1666 BGB kein Raum für eine Aufrechterhaltung der vom Amtsgericht angeordneten Entziehung der elterlichen Sorge.

Zwar wird der Vater nach einem Umzug der Kinder in seinen Haushalt öffentlicher Hilfe bedürfen, um durch helfende und unterstützende Maßnahmen die Bedingungen für einen dauerhaften Verbleib von S… und A… in seinem Haushalt zu verbessern und ihm zu einer positiven Entwicklung der Kinder zu verhelfen. Der Vater hat jedoch im Senatstermin ausdrücklich erklärt, entsprechende Familienhilfe annehmen zu wollen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese Absicht des Vaters nicht ernst gemeint sei.

Auch die Frage der bislang noch nicht sichergestellten adäquaten Wohnsituation lässt sich nach den vorgelegten Bescheinigungen bzw. der in Aussicht gestellten Aufnahme des Vaters und der beiden Kinder in das Wohnprojekt „M…" lösen. Der Senat geht davon aus, dass der Vater den tatsächliche Wechsel von S… und A… aus dem Kinderheim in seinen Haushalt in verantwortlicher Ausübung der ihm übertragenen elterlichen Sorge erst dann vornimmt, wenn er die ihm in Aussicht gestellte Wohnung übernommen und eingerichtet hat und damit den notwendigen äußeren Rahmen für die Sorgerechtsauübung geschaffen hat. Zur Vermeidung von Beeinträchtigungen des Kindeswohls wird er bis dahin die beiden Mädchen im Kinderheim zu belassen haben.

Nach alldem ist der Senat der Auffassung, dass es dem Vater mit Unterstützung durch eine entsprechende Familienhilfe gelingen wird, die Bedürfnisse von S… und A… nach Orientierung, Lenkung und Struktur, nach altersgerechter Anregung und Förderung zu erfüllen. Er ist auch in der Lage, die sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Kinder ausreichend sicherzustellen und hat zudem eine hohe Bereitschaft gezeigt, die Kinder zu unterstützen. Dementsprechend geht der Senat in der Gesamtschau davon aus, dass es dem Wohl der Kinder am besten entspricht, wenn sie in den Haushalt des Vaters wechseln.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass er von dem Vater mit Blick auf seine Erklärungen im Senatstermin sowie unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz erwartet, dass er der Mutter umgehend den üblichen Umgang mit den Kindern S… und A… in Form einer Wochenend-, Feiertags- und Ferienregelung - gegebenenfalls mit Hilfe und Unterstützung der Verfahrensbevollmächtigten beider Elternteile - einräumt, den beide Kinder wünschen und auch brauchen. Diese Umgangseinräumung ist Ausdruck der vom Vater erwarteten Erziehungsfähigkeit und -eignung. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 24.02.2012 - 10 UF 360/11)

***

Hat der Kindesvater der Kindesmutter eine umfassende Vollmacht zur Regelung der Angelegenheiten des gemeinsamen Kindes erteilt und kam es bisher nicht zu erheblichen Streitigkeiten betreffend die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts, fehlt es an den Voraussetzungen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Der bloße fehlende Kontakt zwischen dem Kind und dem Kindesvater sowie der Wunsch des Kindes auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Kindesmutter reichen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge dann nicht aus (OLG Schleswig, Beschluss vom 03.01.2012 - 10 WF 263/11):

„... Insbesondere liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorliegen. Nach dieser Vorschrift kann die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden, wenn es dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Maßgebend ist dabei, ob zwischen den Kindeseltern ein Mindestmaß an Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft besteht, um wesentliche Frage betreffend das Kind gemeinsam entscheiden zu können. Darüber hinaus muss sich diese fehlende Kooperations- und Kommunikationsbereitschaft negativ auf das Kindeswohl auswirken (Palandt/Diedrichsen, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1671 Rn. 20 ff.).

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Zwar besteht zwischen dem Kindesvater und dem Kind und wohl auch zwischen den Kindeseltern seit längerer Zeit kein Kontakt mehr. Dies allein ist allerdings für eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht ausreichend (vgl. OLG Dresden, FamRZ 2002, Seite 973).

Im vorliegenden Fall sind jedenfalls erhebliche für das Kindeswohl abträgliche Auswirkungen nicht festzustellen. Denn zum einen ist es zu erheblichen Streitpunkten zwischen den Kindeseltern im Hinblick auf Angelegenheiten der gemeinsamen elterlichen Sorge bisher nicht gekommen. Zwar dürfte dies insbesondere daran liegen, dass eine Bevollmächtigung erteilt wurde.

Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist dies jedenfalls als mildere geeignetere Maßnahme im Vergleich zur Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge und den damit verbundenen Eingriff in das Elternrecht des Kindesvaters anzusehen.

Soweit die Kindesmutter vorträgt, dass beim Kind psychosomatische Reaktionen festzustellen seien, wenn Schreiben eintreffen, die an beide Elternteile adressiert sind, vermag dieser Vortrag eine Beeinträchtigung des Kindeswohls nicht zu begründen. Zum einen ist dieser Vortrag nicht weiter konkretisiert worden. Darüber hinaus kann den von der Kindesmutter behaupteten psychosomatischen Reaktionen einfach dadurch entgegengetreten werden, indem das Kind die an die Eltern adressierte Post nicht erhält.

Auch der Wunsch des Kindes, keinen Kontakt mehr zum Vater zu haben, führt nicht zwingend dazu, die gemeinsame elterliche Sorge aufzulösen. Zwar dürfte es im Rahmen der gemeinsamen elterlichen Sorge regelmäßig notwendig sein, dass der jeweilige Elternteil insbesondere bei fortgeschrittenem Alter des Kindes Dinge von Bedeutung auch mit dem Kind bespricht. Diese Problematik stellt sich im vorliegenden Fall allerdings schon deshalb nicht, weil die Kindesmutter aufgrund der erteilten Vollmacht alle wesentlichen Dinge allein entscheiden kann. Im Übrigen ist der Kindeswille zwar im Rahmen einer Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen. Der bloße Wunsch vermag allerdings nicht das Fehlen der Voraussetzungen des § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu ersetzen. ..."

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Bis zu einer Regelung des Verfahrens durch den Gesetzgeber können auf Antrag des bislang nicht an der elterlichen Sorge beteiligten nichtehelichen Kindesvaters auch lediglich Teile der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam übertragen werden, wenn die Kindeseltern eine dahingehende Vereinbarung geschlossen haben. Eine Vereinbarung der Eltern, die Grundlage einer derartigen gerichtlichen Entscheidung über die elterliche Sorge geworden ist, ist einer „Aufkündigung" oder „Anfechtung" nicht zugänglich. Eine Änderung der auf Grundlage einer einvernehmlichen Erklärung der Eltern getroffenen gerichtlichen Entscheidung kommt nur unter den Voraussetzungen des § BGB § 1696 BGB in Betracht; dies gilt insbesondere auch, wenn von Seiten des Kindesvaters erstmals eine über die Vereinbarung hinausgehende Beteiligung an weiteren Teilen der elterlichen Sorge in Form einer gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichteten Beschwerde geltend gemacht wird (OLG Celle, Beschluss vom 12.08.2011 - 10 UF 270/10).

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Regelung des Sorgerechts auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG 1 BvR 420/09 (KG, Beschluss vom 07.02.2011 - 16 UF 86/10):

„... Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 12. Oktober 2007 in Braunschweig geborenen L… A… B… . Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt. Die Mutter verweigert die Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung.

Zum Zeitpunkt der Geburt L… arbeiteten beide Parteien in den Niederlanden, …, S… . Sie lebten in getrennten, aber in unmittelbar benachbarten Häusern belegenen Wohnungen. L… wurde von einer Tagesmutter, aber auch von beiden Eltern -an jeweils einem Tag der Woche von je einem Elternteil allein - betreut, er war es gewohnt, auch ohne den anderen Elternteil zu übernachten. Die Kosten für die Versorgung und Betreuung des Kindes haben die Eltern damals hälftig abgerechnet. Eine Heirat der Eltern scheiterte daran, dass die Mutter nicht bereit war, einen Ehevertrag mit der vorgesehenen Gütertrennung zu unterzeichnen. Der Vater hielt die Vereinbarung einer Gütertrennung wegen des Vermögens seiner Eltern für unabdingbar.

Im März 2009, nach Beendigung ihres befristeten Arbeitsvertrags, zog die Mutter mit L… nach B. Der Vater hatte diesem Umzug zugestimmt, nachdem die Mutter ihm zugesagt hatte, dass er L… sehen und auch betreuen könne, sooft es ihm möglich sei, nach B… zu kommen. Die Eltern gingen damals davon aus, den Kindesunterhalt einvernehmlich regeln zu können.

Wann die Paarbeziehung der Eltern endete ist streitig, nach der Behauptung des Vaters erst im März 2009, nach dem Vorbringen der Mutter bereits vor der Geburt L… im 7. Schwangerschaftsmonat auf Veranlassung des Vaters.

Nach dem Umzug der Mutter kam es zu Streitigkeiten hinsichtlich des Kindesunterhalts und des Umgangsrechts. Das Umgangsrechtsverfahren Amtsgericht… -… - endete nach sehr langer Erörterung mit dem Vergleich der Eltern vom 11. März 2010.

Der Vater möchte an der elterlichen Sorge für L… teilhaben, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L… allein ausüben.

Das Familiengericht hat die Anträge des Vaters mit Beschluss vom 16. April 2010 zurückgewiesen.

Gegen diesen am 29. April 2010 zugestellten Beschluss wendet sich der Vater mit seiner am 25. Mai 2010 bei dem Familiengericht eingegangenen Beschwerde, die er mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010, eingegangen an demselben Tag, begründet hat.

Der Vater trägt vor:

Die gemeinsame elterliche Sorge entspreche dem Kindeswohl. Auf Grund seiner Persönlichkeit, Bildung und seinem persönlichen Engagement sei er in besonderem Maße in der Lage, die Entwicklung L… mitzugestalten und zu fördern. Unter seinem Einfluss habe sich L… hervorragend entwickelt, das Kind zeige überdurchschnittliche Begabungen. Zu einer weiteren bestmöglichen Förderung gehöre, dass er hinsichtlich wichtiger Belange ein Mitbestimmungsrecht erhalte und künftig die Entwicklung über die Umgangskontakte hinaus als gleichberechtigter Elternteil mitprägen könne. L----- solle ihn nicht als den schwächeren Elternteil erleben. Auch L… habe ein Recht darauf, dass der Vater an prägenden Weichenstellungen in seinem Leben mitwirke.

So dürfe er sich nicht einmal von dem behandelnden Arzt über den Gesundheitszustand des Kindes informieren lassen. Die von der Mutter angebotenen Vollmachtserteilungen (Kita/Schule, Ärzte) seien wegen ihrer jederzeitigen Widerrufbarkeit keine Alternative. Er sei bemüht, den Ruf einer B… bzw. B… nahen Universität zu erlangen, falls das nicht alsbald möglich sein sollte, würde er auch ein „Sabbatjahr" nehmen.

Er habe Sorge, dass- wenn die Mutter alleinentscheidungsbefugt bliebe- sie den Wohnsitz erneut wechseln und damit seine Bemühungen, L… im Alltag nahe zu sein, unterlaufen könnte oder dass in Zukunft ein neuer Partner der Mutter die Vaterrolle würde einnehmen wollen (50).

Die Mutter habe auch in der Vergangenheit nicht im Interesse L… gehandelt. Sie habe den Wohnort aus den Niederlanden verlegt, dem Kind damit die Tagesmutter und das sonstige Umfeld entzogen und dann in B zweimal die Kindertagesstätte gewechselt. Der Umzug nach B… sei erfolgt, um eine möglichst große Distanz zwischen Vater und Sohn zu schaffen (198). Die Eltern der Mutter lebten nicht in B…, sondern in S… . Eine Mediation habe sie ebenfalls verweigert. Sie übe das Sorgerecht nicht gewissenhaft aus, wenn sie die Umgangszeiten gegen den Willen des erziehungswilligen Vaters schmälere.

Seit der Umgangsvereinbarung vom 11. März 2010 gestalte sich die Kommunikation der Eltern positiv, sie hätten übereinstimmende Erziehungsansätze -Probleme gebe es nur auf der Paarebene- und der Austausch erfolge sachlich. Beleidigungen fänden nicht statt. Die von der Mutter im Termin vom 11. Oktober 2010 vorgelegten e-mails vom 5. August 2010 seien untypisch und einer besonderen Problemlage geschuldet, wie sich aus den vorgelegten e-mails aus dem Zeitraum 12. März bis zum 15. Oktober 2010 ergebe. Die vorangegangenen Konflikte seien von der Mutter ausgelöst worden, die den Umgang eigenmächtig auf ein Minimum reduziert und das Unterhaltsverfahren angestrengt habe, obwohl sich seine Anwälte um eine außergerichtliche Klärung bemüht hätten.

Der Vater erkenne die Leistungen der Mutter in jeder Hinsicht an und er respektiere sie. Auf Wunsch des kranken Kindes habe er am 10. Oktober 2010 auch zugestimmt, dass L… mit seiner Mutter mitgehe, statt bis zum Ende der vereinbarten väterlichen Betreuungszeit bei ihm zu bleiben. Die Diskussion um einen Ersatztermin habe nicht mehr als eine Minute in Anspruch genommen. Damit habe der Vater Konsensfähigkeit bewiesen. Auch habe er auf ein Angebot der Mutter vom 13. Oktober 2010 flexibel reagiert (e-mail v. 13.10.10)

Die fortdauernde Weigerung der Mutter beruhe lediglich auf ihrer Angst, den - durchaus diskussionsfreudigen - Vater künftig in Entscheidungen einbinden zu müssen. Sie wolle mit dem Vater nichts mehr zu tun haben.

Hilfsweise wolle er das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben. Allerdings solle L… seinen Lebensmittelpunkt weiter bei der Mutter haben. Mit diesem Antrag möchte er nur sicherstellen, dass die Mutter den Aufenthaltsort des Kindes nicht erneut eigenmächtig und gegen die Belange des Kindes verändern kann und - als ein Instrument der Machtausübung gegen den Vater (80, 127) - ihm dadurch im Ergebnis nur noch den Mindestumgang ermöglichen würde. Schließlich habe er in B… bei B eine Wohnung gemietet, so dass er L… in den vereinbarten Umgangszeiten, also dort neun Tage im Monat, allein betreuen könne. Bei dieser langen Betreuungszeit müsse er auch mit einem Mindestmaß eigener Befugnisse ausgestattet sein. In diesen neun Tagen vermisse L… seine Mutter nicht, er habe im Gegenteil Schwierigkeiten, sich am Ende der Umgangszeit vom Vater zu trennen.

Er sei weder beharrend noch rechthaberisch und wolle sich auch nicht seiner Unterhaltsverpflichtung entziehen, aber er habe sehr hohe Umgangskosten von 800 EUR monatlich.

Der Vater beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vom 16. April 2010 abzuändern und ihm die elterliche Sorge für den am 12. Oktober 2007 geborenen L… A… B… zum Zwecke der gemeinsamen Ausübung mit der Mutter zu übertragen, hilfsweise die Zustimmung der Mutter zur Übertragung des Sorgerechts zwecks Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichtlich zu ersetzen, und weiter hilfsweise, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den am 12. Oktober 2007 geborenen L… A… B… allein zu übertragen. Vorsorglich beantragt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde (SS 8.11.10)

Die Mutter bittet um Zurückweisung der Beschwerde Sie trägt vor: Die gemeinsame elterliche Sorge entspreche nicht dem Kindeswohl. Die Lebenskonzepte der Eltern drifteten weit auseinander, es gebe in keiner einzigen Erziehungsposition Übereinstimmung. Der Vater stelle alles in Frage und zur Diskussion, was die Mutter für L… entscheide. Jede ihrer Entscheidung würde kritisiert und Rechtfertigung verlangt (Kitawechsel, Verordnungen des Kinderarztes, Wahl der Kita, Fähigkeiten der Kita, L… angemessen zu fördern). Der Vater unternehme regelmäßig lange und zermürbende Einwirkungsversuche, mit denen er sie zu seiner Ansicht umstimmen wolle. Sein Verhalten sei bereits jetzt - ohne, dass ihm ein entsprechendes „Recht hierzu" zustehe - übergriffig und sie fürchte erhebliche Weiterungen, wenn ihm ein Mitsorgerecht zugebilligt würde. Dabei sei der Vater entscheidungsschwach. Er habe sich bis zum Termin am 11. Oktober 2010 nicht entscheiden können, wann und wo er -gemäß Ziffer 4 des Vergleichs im Umgangsverfahren vom 11. März 2010 - mit L… im Jahr 2010 den ihm zustehenden 2-wöchigen Urlaub verbringen wollte.

Es sei schwierig, mit dem Vater ein Gespräch zu führen, weil er regelmäßig so lange weiterspreche, bis er sein Ziel erreicht habe. 80 % der Gesprächszeit entfielen auf ihn. Deshalb gehe sie Gesprächen mit ihm aus dem Weg. Er sei nicht bereit, die Positionen anderer zu berücksichtigen, nicht einmal die seiner Eltern. Alle Menschen, die nicht auf seinem Niveau denken, halte er für asozial. Er vermöge auch nicht, sein egoistisches persönliches Recht vom Kindeswohl zu trennen und im Interesse des Kindes zu handeln. Die erstinstanzliche Familienrichterin, die das stundenlang dauernde Umgangsverfahren geführt habe, könne das Konfliktpotential zwischen den Eltern ermessen. Der Vater sei zu keinem Kompromiss bereit. Er sei insgesamt wenig emphatisch und stelle den Intellekt des Kindes - er wähne L… erklärtermaßen auf der Entwicklungsstufe eines 5-jährigen - absolut in den Vordergrund. Er überfordere L…, indem er maßlos viele und altersunangemessene Aktivitäten anbiete, die das Kind erschöpften.

Ferner habe der Vater die Absicht gehabt, mit L… in die USA und nach Madagaskar reisen, bzw. ihn im Sommer 2010 auf eine Dienstreise nach Paris mitzunehmen. Diese Reisen seien nicht kindgerecht. L…, ein eher ängstliches Kind, sei dafür viel zu klein. Ein gemeinsames Sorgerecht hätte nur zur Folge, dass sie als engste und vertrauteste Bezugsperson in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt und drangsaliert würde. Dies entspreche nicht dem Kindeswohl, sondern nur dem Machtanspruch des Vaters. Dass es dem Vater überhaupt nicht um das Kindeswohl gehe, folge auch daraus, dass er - obwohl gut verdienend und vermögend - freiwillig lediglich 225 EUR Mindestunterhalt monatlich zahle.

Der Umzug nach B nach dem Auslaufen ihrer befristeten Stelle sei mit dem Vater abgesprochen gewesen, er habe zugestimmt und dem Vorstellungsgespräch der Mutter für ihre neue Stelle in B im M…D…-Centrum sogar beigewohnt. Der Umzug sei nicht erfolgt, um das Umgangsrecht des Vaters zu beeinträchtigen. In B lebe ihre Herkunftsfamilie, auf deren Hilfe sie bei der Kinderbetreuung bei unvorhergesehenen Vorfällen zurückgreifen könne.

Sein Beitrag in dem Magazin B… 13/2008, in dem er eigenmächtig auch ein Foto L… habe veröffentlichen lassen, und seine Äußerungen in der Abendschau im R… vom 3. August 2010 verdeutlichten, dass er das - nicht seiner Disposition unterstehende - Persönlichkeitsrecht L… zugunsten seiner eigenen Meinungsäußerungsfreiheit missachte. Schon als Baby habe er L… im Rahmen seiner „Vater-Betreuungstage" zu Streitgesprächen mit Kollegen mitgenommen. Dies entspreche nicht dem Wohl des Kindes.

Für den Fall der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur gemeinsamen Ausübung befürchte sie, dass der Vater seine Umgangszeiten nicht in B ausüben, sondern L… zu seinen anderen Wohnsitzen (D… H…, R…, M… /H… ) mitnehmen würde, so dass ein regelmäßiger Kita-Besuch und fristgerechte Rückgaben nicht gewährleistet wären.

Sie sei willens und bereit, sich vor der Entscheidung von Fragen, die Einfluss auf die Zukunft L… haben (etwa Schulwahl, Operationen) mit dem Vater auseinanderzusetzen und dessen Ansichten und Vorschläge in die Entscheidung mit einzubeziehen. Sie sei ferner bereit, ihm Vollmachten zu erteilen, um ihm ein eigenes Informationsrecht in der Kita/Schule oder Gesundheitsfragen betreffend einzuräumen.

Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 5. Oktober 2010 eine gemeinsame elterliche Sorge wegen der Kommunikationsschwierigkeiten nicht empfohlen.

Der Senat hat im Termin vom 11.Oktober 2010 die Eltern persönlich angehört. Der Versuch, den knapp 3-jährigen L…, ein zartes, leises Kind, anzuhören, scheiterte am Alter des Kindes, das das Anhörungszimmer zwar auf Weisung betreten hat, darin jedoch an der Tür stehen blieb, weinte und jede Kommunikation mit dem Senat verweigert hat. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09- verletzt es das Elternrecht des Vaters (Art. 6 Abs. 2 GG) eines nichtehelichen Kindes, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohl angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm an Stelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung der verfassungswidrigen Vorschriften ist auf Grund der vorläufigen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (aaO, zu § 1626 a Abs. 1 Nr 1 BGB: Tz 75) auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt (BVerfG aaO, Tz 76 zu §1672 Abs. 1 BGB) überträgt das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder Teile der elterlichen Sorge allein, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Der vorgegebene Prüfungsmaßstab zur gemeinsamen elterlichen Sorge („dem Wohl des Kindes entspricht") soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.

Der Vater und L… haben seit der Geburt des Kindes eine vertrauensvolle Beziehung. Am Willen (und der Fähigkeit) des Vaters, das Kind zu behüten und zu beschützen und es bestmöglich zu fördern, bestehen keine Zweifel. Der Vater zeigt ein erhebliches Interesse an L… . Er nimmt berufliche und zeitliche Einschränkungen sowie erhebliche Wegzeiten in Kauf, um das Umgangsrecht in dem vergleichsweise vereinbarten Umfang auszuüben.

Beide Eltern verhalten sich dem Kind gegenüber loyal, sie würdigen einander nicht herab und lassen es zu, dass L… auch den anderen Elternteil liebt und dass er das zeigen und aussprechen darf.

Es entspricht dem Kindeswohl, seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt zu erleben. Diese Erfahrung ist auf Grund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend. Auch werden in Diskussionen regelmäßig mehr Argumente erwogen als bei Alleinentscheidungen.

Der Wunsch der Mutter, berechtigt zu bleiben, Entscheidungen für L… auch künftig allein zu treffen, überwiegt das vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 21. Juli 2010 gestärkte Elternrecht des Vaters eines nichtehelich geborenen Kindes grundsätzlich nicht. Der Senat hält nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls dafür, dass die überwiegende gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes L… entspricht.

Von beiden Eltern ist zum Wohl L… eine Konsensbereitschaft zu verlangen. Dies ist in dem hierfür erforderlichen Umfang - dazu unten- der Mutter auch zumutbar.

Die gemeinsame elterliche Sorge darf allerdings nicht missbraucht werden, alltägliche Anordnungen zu hinterfragen oder über das Kind wieder Zugang zum Leben des anderen Elternteils zu suchen. Auch muss eine Lösung in einer dem Problem angemessenen Zeit herbeigeführt werden können. In diesem Punkt besteht vorliegend eine Problematik, weil nämlich der Vater regelmäßig lange braucht, sich zu entscheiden (Urlaub im Jahr 2010 -hierzu konnte der Vater sich auch im Termin vom 11. Oktober 2010 nicht entscheiden), er das Für und Wider zeitraubend abwägt (wie sich auch aus der Dauer des Anhörungstermins vor dem Familiengericht am 11. März 2010 ergibt), weil er beharrend auftritt und weil auch die von ihm angeführten Begründungen nicht immer richtig sind, er aber an seiner Meinung gleichwohl festhält. So ließ er die Eheschließung mit der Mutter erklärtermaßen daran scheitern, dass die Mutter einer Gütertrennung nicht zustimmen wollte, die er wegen des Vermögens seiner Eltern für sinnvoll hielt. Auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wäre im Falle einer Ehescheidung ein von Todes wegen erworbenes Vermögen gemäß § 1374 Abs. 2 BGB jedoch nicht in einen auszugleichenden Zugewinn gefallen.

Die Besorgnis der Mutter, dass der Vater versuchen könnte, die Mitsorge dafür zu missbrauchen, für jede ihrer Entscheidungen eine Rechtfertigung zu verlangen und ihr durch unverhältnismäßig lange und immer wieder aufs neue geführte Diskussionen das Leben zu erschweren und so lange auf sie einzureden, bis sie „zermürbt aufgibt" und seiner Auffassung folgt, ist auch nach dem Eindruck, den der Senat im Termin vom 11. Oktober 2010 von dem Vater gewinnen konnte, nicht unberechtigt. Einem solchen Vorgehen steht die Mutter, eine promovierte Akademikerin und ebenfalls eloquent, jedoch nicht wehrlos gegenüber. Abgesehen davon, dass sich die Streitpunkte der Eltern nach den überreichten e-mails zu über 75 % auf die Ausübung des - inzwischen geregelten - Umgangsrechts beziehen (dieses erfährt durch die hiesige Sorgerechtsentscheidung keine Änderung) ist die Mutter auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht gezwungen, sich in unverhältnismäßig lange Diskussionen einbinden zu lassen. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Probleme gesprächsweise diskutiert werden, Argumente können auch per e-mail ausgetauscht werden, die Eltern haben hier inzwischen offenbar eine für beide Seiten akzeptable Form der Kommunikation gefunden.

Davon abgesehen ist darauf hinzuweisen, dass die Mutter gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens ohnehin alleinentscheidungsbefugt bleibt. Einvernehmen müssen die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge nur in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung herbeiführen. Das sind solche Angelegenheiten, deren Entscheidung nur schwer oder gar nicht abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hat. Hierunter fallen etwa: Wahl der Kindertagesstätte und Schule, Schulwechsel, Wechsel in ein Heim/Internat, Religionsausübung, Berufswahl, medizinische Eingriffe, soweit sie mit der Gefahr erheblicher Komplikationen und Nebenwirkungen verbunden sind (nicht: die Behandlung kleinerer Erkrankungen beim Kinderarzt), Vermögenssorge für das Kind (Entscheidungen über die Anlage/Verwendung des Vermögens des Kindes, Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften) und etwa auch Handlungen, die das Persönlichkeitsrecht des Kindes berühren (Veröffentlichung von Fotos des Kindes in Zeitschriften/Magazinen oder anderen Medien -„facebook"-, Mitnahme des Kindes auf Demonstrationen).

Hinzu kommt, dass in nächster Zeit ohnehin keine Entscheidungen von erheblicher Bedeutung anfallen. Das Umgangsrecht des Vaters und der Kita-Besuch sind geregelt. Die Einschulung steht erst in 2 ½ Jahren bevor. L… ist mit jetzt 3 Jahren und 4 Monaten auch nicht mehr so klein, dass die Unternehmungen des Vaters in B ihn überfordern würden.

Da die Mutter ohnehin erklärt hat, den Vater in weichenstellende Entscheidungen über die Zukunft L… einbinden zu wollen, war dies in rechtlich verbindlicher Form zu regeln.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L… hingegen war der Mutter allein zu belassen. Es entspricht auch dem Wunsch des Vaters, dass L… den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse weiter im Haushalt der Mutter haben soll und dass das Kind ihn gemäß der Umgangsvereinbarung besucht. Dies war ebenfalls entsprechend in rechtlich verbindlicher Form zu regeln. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht war demjenigen zu übertragen, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält. Der Vater kann grundsätzlich nicht bestimmen, wo die Mutter wohnt. Hierzu würde ihn im übrigen auch ein uneingeschränktes gemeinsames Sorgerecht nicht berechtigen. Die Alleinübertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter trägt dem Rechnung, dass sie von Geburt an die engste Bezugsperson L… ist und dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Kindes in ihrem Haushalt nicht in Frage steht. Wenn der Gesetzgeber einerseits von Müttern ab dem 3. Lebensjahr des Kindes grundsätzlich eine volle Berufstätigkeit erwartet, darf dies andererseits nicht durch einschränkende Sorgerechtsregeln konterkariert werden. Soweit die Mutter aus beruflichen Gründen - etwa zur Steigerung ihrer wissenschaftlichen Reputation - ihren Wohnsitz von B weg verlegen muss, ist das grundsätzlich hinzunehmen. Eine Hemmung ihres beruflichen Fortkommens mit dementsprechenden Frustrationen über die eigene Lebensentwicklung würde im übrigen auch nicht dem Wohl L… dienen.

Die Besorgnis des Vaters, die Mutter könne mit L… B verlassen und damit - nach Vollzug seiner beruflichen Veränderung in den B… Raum - das vereinbarte Umgangsrecht beliebig umgehen, teilt der Senat nicht. Die Mutter hat derartige Handlungsmotivationen verneint und ihr bisheriges Verhalten -ihr Umzug von … nach B war zwischen den Parteien abgesprochen und der Vater hatte dem zugestimmt; seit März 2010 gewährt sie dem Vater ein großzügiges Umgangsrecht im Umfang von neun Tagen im Monat- lässt keine Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit aufkommen. ..."

***

Übertragung des Sorgerechts auf den Vater eines nicht ehelichen Kindes (OLG Hamm, Beschluss vom 07.10.2010 - II-2 WF 211/10):

I. Das betroffene Kind K ging aus einer nichtehelichen Beziehung zwischen den Beteiligten zu 2) und 3) hervor. Eine gemeinsame Sorgerechtserklärung zwischen den Kindeseltern im Sinne von § 1626 a I Ziff. 1 BGB besteht nicht.

Die Kindesmutter, welche K seit seiner Geburt betreut und versorgt, lebte zunächst bei ihren Eltern in X (C2) im Landkreis P. Im Frühherbst 2009 verzog sie gemeinsam mit K und ihrer jüngeren Tochter L1, welche nicht vom Antragsteller abstammt, nach C3 zu ihrem jetzigen Ehemann I. Aus dieser Beziehung ging im Juli 2010 ein weiteres Kind hervor.

Der Kindesvater lebt mit seiner Partnerin O in C4. Beide erwarten ein gemeinsames Kind.

Auch K hält sich seit dem 09.08.2010 im Haushalt des Kindesvaters in C4 auf. Zum 01.09.2010 ist er dort in einen Kindergarten aufgenommen worden.

Durch den angegriffenen Beschluss vom 09.08.2010 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Bottrop im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht für die schulischen Belange für K auf den Kindesvater allein und die elterliche Sorge im Übrigen auf beide Kindeseltern gemeinsam übertragen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter vom 30.08.2010, mit der sie sich ausschließlich gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und des Rechtes für die schulischen Belange auf den Kindesvater wendet.

II. A. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 I, 57 S. 2, Ziff. 1 FamFG statthaft. Sie ist zulässig, insbesondere innerhalb der Beschwerdefrist nach § 63 II Ziff. 1 FamFG eingelegt worden. In der Sache ist die Beschwerde jedoch nicht begründet.

Die vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes und des Rechtes für die schulischen Belange auf den Kindesvater ist nach den weitergehenden Ermittlungen nicht zu beanstanden.

1. Entgegen der insoweit missverständlichen Formulierung im Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist davon auszugehen, dass das Amtsgericht die elterliche Sorge der Kindesmutter nicht teilweise gemäß § 1666 I, 1666 a I BGB entzogen sondern unmittelbar von der Kindesmutter aus den Kindesvater übertragen hat. Denn in seinen Entscheidungsgründen nimmt das Amtsgericht ausdrücklich auf § 1672 BGB i.V.m. mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 21.07.2010 (Az: 1 BvR 420/09) Bezug. Danach ist es bis zu einer entsprechenden Neuregelung durch den Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen möglich, die elterliche Sorge ausnahmsweise auch ohne Zustimmung der bislang allein sorgeberechtigten Kindesmutter auf den nichtehelichen Kindesvater zu übertragen.

a) In seinen Entscheidungsgründen weist das Bundesverfassungsgericht auf den Charakter der elterlichen Sorge als einen "essentiellen Bestandteil" des von Art. 6 II GG geschützten Rechtes der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes hin (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnr. 47). Dieses Elternrecht wird in der Person eines nichtehelichen Vaters dadurch verletzt, dass ihm der Zugang zur Sorgerechtsausübung für sein Kind im Fall der Verweigerung der Zustimmung durch die Kindesmutter generell verwehrt wird. Denn durch §§ 1626 a I Ziff. 1, 1672 I BGB wird ihm keine Möglichkeit eingeräumt, gegen den Willen der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Gründen des Wohls seines Kindes angezeigt ist, ihm gemeinsam mit der Kindesmutter die Sorge für das Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnr. 46).

Durch die Abhängigkeit der Beteiligung des nichtehelichen Kindesvaters an der gemeinsamen Sorge vom Willen der Kindesmutter setzt der Gesetzgeber bislang das Elternrecht des Vaters in unverhältnismäßiger Weise generell hinter das Elternrecht der Mutter zurück, ohne dass dieses durch die Wahrung des Kindeswohls geboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnr. 56).

b) Bislang hat sich der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von der Erwägung leiten lassen, die Zustimmungsverweigerung der Kindesmütter basiere in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt. Sie werde von Gründen getragen, die der Wahrung des Kindeswohls dienen und nicht den Eigeninteressen der Mütter folgen würden.

Insbesondere neuere empirische Erkenntnisse bestätigen diese Annahme des Gesetzgebers jedoch nicht. Denn in aktuellen Untersuchungen sind häufig persönliche Wünsche der Mütter hervorgetreten. So ist oftmals als Begründung für die Verweigerung der Zustimmung angegeben worden, man wolle die Alleinsorge behalten, um allein über die Angelegenheiten des Kindes entscheiden zu können. Man wolle sich also nicht mit dem Vater darauf verständigen und nichts mit dem Vater zu tun haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnrn. 59, 61).

c) Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverfassungsgericht die §§ 1626 a I Ziff. 1, 1672 I BGB als mit Art. 6 II GG unvereinbar und deshalb für verfassungswidrig erklärt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnr. 34). Zugleich hat es Übergangsregelungen geschaffen, um den Fachgerichten bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage nicht nur im Einklang mit Art 6 II GG sondern darüber hinaus auch mit Art. 14 i.V.m. Art. 8 EMRK zu gewährleisten und eine Aussetzung einschlägiger Sorgerechtsverfahren entsprechend dem verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zu vermeiden.

Hiernach kann das Familiengericht in Erweiterung der engen Tatbestandsvoraussetzungen in § 1672 I BGB bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung die elterliche Sorge ganz oder teilweise auf Antrag eines Elternteils auf den (nichtehelichen) Kindesvater übertragen, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az: 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403, Juris, Rdnr. 76; Zimmermann, "Das Sorgerecht des Vaters für sein nichteheliches Kind", FamFR 2010, 413, 415).

Diese Voraussetzungen sind nach summarischer Prüfung erfüllt.

2. Es wird nicht übersehen, dass K während seiner vergangenen 6 Lebensjahre überwiegend von der Kindesmutter betreut und versorgt worden ist. Dass der Antragsteller sein Vater ist, war ihm anlässlich seiner erstinstanzlichen Anhörung nicht bekannt. Der Gesichtspunkt der Kontinuität spricht daher nicht für den Kindesvater sondern vielmehr für die Kindesmutter.

3. Allerdings haben die Vertreter des Jugendamtes der Stadt C3 im erstinstanzlichen Termin am 09.08.2010 die Befürchtung geäußert, bei K sei es während seines Aufenthaltes im mütterlichen Umfeld trotz der Präsenz der Kindesmutter zu einer Bindungsstörung gekommen. Für das Kind bedeute es keinen Unterschied, ob es mit seinen Eltern oder mit Fremden umgehe. K verhalte sich jedem Menschen gegenüber unbefangen und vertrauensvoll. Dieses Phänomen weise auf eine unsichere menschliche Bindung hin.

4. Die räumlichen Lebensverhältnisse für K während seiner Zeit in C3 sind in hohem Maße unzulänglich gewesen. Zunächst lebte die Kindesmutter gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren damals zwei Kindern in einer 30 m²-Junggesellenwohnung von Herrn I. Darin waren weder eine Küche noch ein Kühlschrank vorhanden. Betten fehlten ebenfalls. Das Spielzeug für die Kinder war in einem Müllbeutel verstaut. Als das Jugendamt von diesen Zuständen erfuhr, wurden K und L1 zumindest vorübergehend in Kurzzeitpflegefamilien untergebracht.

Eine neue größere Wohnung, welche die Kindesmutter zwischenzeitlich mit Herrn I und den Kindern bezogen hatte, ist seitens des Vermieters fristlos gekündigt worden. Als Kündigungsgrund sind u.a. Verunreinigungen in der Wohnung, eine erhebliche Geruchsbelästigung aus der Wohnung und die Ablagerung von Müll auf dem Balkon angegeben worden.

5. Der Ehemann der Kindesmutter I hat nach den vorläufigen Ermittlungen zumindest in der Vergangenheit Alkohol in einem derart erheblichen Umfang konsumiert, dass zwischen dem 20.05.2010 und dem 26.05.2010 eine Entgiftung im B-Krankenhaus in C3 durchgeführt wurde. In ihrer Beschwerdeschrift vom 30.08.2010 spricht die Kindesmutter selbst davon, ihr Ehemann plane eine Langzeittherapie.

6. Am 30.06.2010 ließ sich Herr I von Hausgenossen aus einer benachbarten Wohnung derart provozieren, dass er schließlich mit einer "Softairpistole" gegen die Fenster dieser Wohnung schoss.

Der Verfahrensbeistand beschreibt Herrn I als eine "Belastung für das gesamte Familiensystem". Seitens des Jugendamtes der Stadt C3 ist der Kindesmutter die Auflage erteilt worden, die Kinder nicht mit ihrem Ehemann allein zu lassen.

7. Als K zum Kindesvater nach C4 kam, wurden die Überfälligkeit seiner Vorsorgeuntersuchung U 9 sowie ein auffallend schlechter Zustand seiner Zähne festgestellt. Ausweislich der Stellungnahme des "Krisendienstes" C4 vom 16.09.2010 sind in dieser Hinsicht bereits mehrere Behandlungstermine durchgeführt worden. Überdies besucht der Junge inzwischen eine Psychomotorikgruppe.

8. Schließlich ist nach den bisherigen Ermittlungen zu befürchten, dass die Kindesmutter trotz eines installierten Schutzkonzeptes nach § 8 a SGB VIII mit der Versorgung von drei Kindern auf Dauer überfordert wäre.

Im Termin am 09.08.2010 haben die Vertreter des Jugendamtes in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, sie würden die häuslichen Verhältnisse als "schwankend" erleben. Es müsse immer wieder korrigierend eingegriffen werden. Längerfristige Verbesserungen seien noch nicht erreicht worden. Alles werde konflikthaft ausgetragen. Allein die Versorgung des Säuglings sei immer wieder gefährdet gewesen.

9. Soweit der Verfahrensbeistand und der "Krisendienst C4" demgegenüber vom Kindesvater berichtet haben, lassen sich Defizite in seiner Erziehungsfähigkeit nicht erkennen.

Zumindest während des vergangenen Jahres in C3 hat er K regelmäßig besucht und ist auf Wunsch der Kindesmutter sogar spontan angereist, als bei ihr am 20.06.2010 die Wehen einsetzten. Nicht nur die Übergabe von K im Anschluss an den Termin am 09.08.2010 hat er einvernehmlich mit der Kindesmutter geregelt, sondern Mitte September 2010 in einem gemeinsamen Gespräch mit der Sachverständigen und der Kindesmutter auch die Umgangskontakte zwischen K und seiner Mutter bis einschließlich Weihnachten 2010 abgestimmt. Daneben ermöglicht er dem Jungen alle 2 - 4 Tage einen telefonischen Kontakt zur Kindesmutter.

10. In der Stellungnahme des "Krisendienstes" C4 vom 16.09.2010 werden der Kindesvater und seine Partnerin als verantwortungsbewusste, fürsorgliche und liebevolle Bezugspersonen beschrieben. Den anstehenden Fragen würden sie sich interessiert und realitätsbezogen stellen. Untereinander begegnen sie sich mit Respekt.

Die notwendigen Schritte zur Integration von K in seine neue Situation hätten der Kindesvater und Frau O zielstrebig und konsequent in Angriff genommen. Der Kindergarten sei von ihnen selbst gesucht worden.

Beide seien offen für Hilfsangebote und nehmen zumindest für eine Übergangszeit von 6 Wochen eine Sozialpädagogische Familienhilfe in Anspruch.

In seiner Freizeit widme sich der Kindesvater konsequent den Bedürfnissen des betroffenen Kindes. Sein Arbeitgeber habe ihm zugesagt, seine Arbeitszeit ggf. flexibel zu gestalten.

Insgesamt werden die persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten vom Kindesvater und seiner Partnerin in Bezug auf die Kindererziehung und die Organisation des Haushaltes aus Sicht des "Krisendienstes" als "sehr gut" bewertet.

Dementsprechend hat die Kindesmutter selbst im Termin am 09.08.2010 erklärt, sie hege keinen Zweifel daran, dass der Antragsteller gut für K sorgen würde.

11. Schließlich weist der Verfahrensbeistand darauf hin, K sei gerade im Begriff, sein neues Lebensumfeld in C4 zu akzeptieren und sich dort einzufinden. Der Kindergarten habe Frau L gegenüber ebenfalls bestätigt, dass er sich dort gut eingelebt habe.

Angesichts der zahlreichen Ortswechsel für das Kind seit seinem Fortzug aus X vor etwa einem Jahr würde es unter diesen Umständen seinem Wohl zuwiderlaufen, seinen Lebensmittelpunkt vor Abschluss des anhängigen Hauptsacheverfahrens erneut zu ändern. Zumindest im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens ist von einer Rückkehr des Kindes nach C3 Abstand zu nehmen.

12. Neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht ist zu diesem Zweck auch das Recht für die schulischen Belange vorläufig auf den Kindesvater allein zu übertragen.

In dieser Hinsicht kommt eine gemeinsame elterliche Sorge ebenfalls nicht in Betracht, da sich die Interessen beider Kindeseltern unvereinbar gegenüberstehen. Während die Kindesmutter den gemeinsamen Sohn bereits im Sommer 2010 in C3 hat einschulen wollen, hat sich der Kindesvater entschieden, K noch für ein weiteres Jahr den Kindergarten besuchen zu lassen, um ihn danach in C4 einzuschulen.

13. Aufgrund der drängenden Frage einer möglichen Einschulung hat das Amtsgericht schließlich auch zu Recht die erforderliche Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne von § 49 I FamFG bejaht (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2010, Az: 10 WF 187/10, FamFR 2010, 426, 426). ..."

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Bei einem Verfahren auf Übertragung der elterlichen Sorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist das Kindeswohl auch für die Frage der Dringlichkeit gemäß § 49 Abs. 1 FamFG das maßgebliche Kriterium. An einem dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (§ 49 Abs. 1 FamFG) fehlt es regelmäßig, wenn die gesamte elterliche Sorge übertragen werden soll. Bei einer zum Zweck des Umzugs in das Ausland zu treffenden Sorgerechtsentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit ("vorläufige Maßnahme", § 49 Abs. 1 FamFG) zu berücksichtigen, dass mit einen Umzug Fakten geschaffen werden, die sich auf das Kindeswohl gravierend auswirken können, und zudem durch die damit verbundene faktische Präjudizwirkung erheblich in die Grundrechtsposition des anderen Elternteils eingegriffen wird. (OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.09.2010 - 11 WF 972/10):

„... I. Die beteiligten Eltern streiten um die elterlichen Sorge für das gemeinsame Kind ... geboren am ... . Die Eltern schlossen am ... in Brasilien die Ehe, wo der Antragsteller sich beruflich aufhielt und die Antragsgegnerin kennen gelernt hatte. Sie ist Brasilianerin und hat drei weitere vom Antragsteller in Brasilien adoptierte Kinder (... geboren ..., ... geboren .... und ... geboren ...). Diese Adoption wurde in Deutschland nicht anerkannt, weil das Anerkennungsverfahren nicht durchgeführt wurde. Die Eltern zogen mit den Kindern nach der Eheschließung im August 2004 nach Deutschland und wohnten bis zum Auszug der Mutter im ersten Halbjahr 2009 in ... beim Vater. Die anderen Kinder der Mutter leben bei dieser. Mit Beschluss vom 21.4.2009 (6 F 1607/08) übertrug das Amtsgericht Erlangen Im Einvernehmen mit beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für ... auf den Vater. Beim Amtsgericht - Familiengericht - Erlangen ist das Scheidungsverfahren anhängig (6 F 498/09). In diesem hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 25.5.2010 beantragt, in Abänderung des genannten Beschlusses das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf sie zu übertragen. Nunmehr hat der Vater die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf sich beantragt, weil er für mindestens ein Jahr beruflich nach Argentinien will. Er hat dies durch einen Schriftsatz vom 1.6.2010 im Wege der einstweiligen Anordnung beim Amtsgericht - Familiengericht - Erlangen geltend gemacht und die Eilbedürftigkeit damit begründet, er müsse seinem Arbeitgeber bis spätestens Ende Juni eine verbindliche Mitteilung machen, ob der Auftrag von ihm durchgeführt werde oder nicht. Mit Beschluss vom 2.7.2010 hat das Amtsgericht Erlangen im Wege der einstweiligen Anordnung nach mündlicher Erörterung die elterliche Sorge auf den Vater übertragen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass ... bereits seit mittlerweile einem Jahr bei seinem Vater wohne und dieser die Hauptbezugsperson sei. Die Antragsgegnerin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge unter Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts zurückzuweisen. Dies begründet sie insbesondere damit, ein Umzug nach Argentinien würde eine erhebliche Belastung für ... darstellen und insbesondere die Bindung zu ihr und zu den Halbgeschwistern erheblich beeinträchtigen. Sie befürchtet einen völligen Bindungsabbruch, weil sie damit rechnet, dass der Aufenthalt in Argentinien erheblich länger als ein Jahr dauern wird.

II. Das gemäß §§ 57, 58 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 63, 64 FamFG) eingelegt. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Der Antrag des Vaters auf Übertragung der elterlichen Sorge im Verfahren der einstweiligen Anordnung ist bereits deswegen unter Aufhebung der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - Erlangen zurückzuweisen, weil es an einem dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden (§ 49 Abs. 1 FamFG) fehlt. Für die Übertragung der (gesamten) elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB besteht ein (dringendes) Regelungsbedürfnis nur ganz ausnahmsweise (Zöller/Feskorn , ZPO, 28. Aufl., § 49 Rn. 16; Schulte-Bunert/Weinreich/Schwonberg, FamFG, 2. Aufl., § 49 Rn. 26; s.a. OLG München FamRZ 1999, 111). Hier vermag der Senat ein solches dringendes Regelungsbedürfnis nicht zu bejahen. Eine Anordnung ist am Kindeswohl zu orientieren. Damit ist auch für die Frage der Dringlichkeit das Kindeswohl das maßgebliche Kriterium. Warum eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater mit dem Ziel, mit dem Kind für mindestens ein Jahr nach Argentinien zu gehen, aus Kindeswohlgründen dringend erforderlich ist, legt der Antragsteller weder dar noch ist dies ersichtlich. Der Antragsteller hat vielmehr angegeben, er habe ein persönliches Interesse daran, für seinen Arbeitgeber in Argentinien tätig zu werden, weil er gerne im Ausland arbeite. Die Dringlichkeit hat er nur darauf gestützt, er müsse seinem Arbeitgeber baldmöglich Bescheid geben, ob der Auftrag von ihm durchgeführt werde. Obwohl der Vater erklärt hat, ohne seinen Sohn nicht nach Argentinien zu wechseln, ist bei der Frage der Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater allerdings dessen Lebensplanung grundsätzlich zu akzeptieren und bei der Prüfung gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB die denkbare Alternative, dass der Vater in Deutschland bleibt, nicht in Betracht zu ziehen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060). Eine solche Prüfung, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller unter Zugrundelegung eines Umzugs nach Argentinien dem Wohl des Kindes am besten entspricht, kann jedoch nur in einem Hauptsacheverfahren und nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung erfolgen, zumal hier möglicherweise ein Sachverständigengutachten erholt werden muss. Eine schriftliches Sachverständigengutachten kommt im Verfahren der einstweiligen Anordnung jedoch grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. Zöller/Feskorn § 51 Rn. 6). Darüber hinaus hat der Senat erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vorläufigkeit der Entscheidung des Erstrichters (‚vorläufige Maßnahme', § 49 Abs. 1 FamFG), weil durch einen Umzug des Vaters mit dem Kind nach Argentinien Fakten geschaffen werden, die sich auf das Kindeswohl gravierend auswirken können und zudem durch die damit verbundene faktische Präjudizwirkung erheblich in die Grundrechtsposition der Mutter eingegriffen wird (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2009, 189). Auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist kein Raum für eine vorläufige Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Die Kostenentscheidung beruht auf § 51 Abs. 4, § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften. Es entspricht billigem Ermessen, im Ergebnis eine ‚Kostenaufhebung' anzuordnen. Ein Grund, dem Antragsteller darüber hinaus Kosten gemäß § 81 Abs. 2 FamFG aufzuerlegen, ist nicht gegeben. Die Wertfestsetzung beruht auf § 41 i.V. mit § 45 Abs. 1 FamGKG. Die Rechtsbeschwerde findet gemäß § 70 Abs. 4 FamFG nicht statt. Auch ein anderer ordentlicher Rechtsbehelf ist nicht statthaft. ..."

***

„... Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27.7.2010 ist zulässig. Der Beteiligte zu 1. ist insbesondere beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Denn auch als Vater der nicht in einer Ehe geborenen Kinder hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen Sorge bzw. eines Teils der elterlichen Sorge für diese Kinder auf sich zu beantragen (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, 1 BvR 420/09).

Die Beschwerde ist auch begründet. Die aus der Beschlussformel ersichtliche einstweilige Anordnung zugunsten des Vaters ist zu erlassen.

Da die Mutter gegen den Willen des Vaters beabsichtigt, die Kinder aus der bisher besuchten Schule bzw. aus dem gewohnten Kindergarten herauszunehmen und zu Beginn des Schuljahrs am Montag, dem 23.8.2010, in eine andere Schule bzw. einen anderen Kindergarten in der Nähe ihrer Wohnung wechseln zu lassen, besteht ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Eingreifen, § 49 FamFG (s.a. Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 49, Rz. 13).

Aufgrund der im Anordnungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung (vgl. dazu Keidel/Giers, a.a.O., § 49, Rz. 10) ist dem Vater, entsprechend seinem erstinstanzlichen Begehren, das Recht zu übertragen, vorläufig Schule bzw. Kindergarten für die Kinder zu bestimmen.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung zugunsten des Vaters ist außerhalb der Eingriffsschwelle von § 1666 BGB möglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09) ausgesprochen hat, dass die Regelungen in §§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB, die den Vater eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge ausschließen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigert, mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar sind. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung darf nun auch dem Vater nicht in einer Ehe geborener Kinder in Anlehnung an die Regelung des § 1671 BGB die elterliche Sorge oder ein Teil davon übertragen werden, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Somit ist dem Vater vorläufig die Befugnis zu übertragen, Schule bzw. Kindergarten für die Kinder zu bestimmen. Denn dies entspricht dem Wohl der Kinder am besten. Durch diese einstweilige Anordnung wird sichergestellt, dass den Kindern, die seit der Trennung ihrer Eltern im Sommer 2009 im Haushalt des Vaters leben und mit denen die Mutter erst seit Mai 2010 regelmäßigen Umgang pflegt, vorerst die bisherige Schule bzw. der gewohnte Kindergarten erhalten und ein Wechsel in die von der Mutter ausgewählten Einrichtungen erspart bleibt. In einem Hauptsacheverfahren - insoweit hat der Vater in der Beschwerdeschrift bereits Anträge angekündigt - mag geklärt werden, ob der von der Mutter gewünschte Umzug der Kinder in ihren Haushalt und damit einhergehend der Schul- bzw. Kindergartenwechsel deren Wohl am besten entspricht.

Von der Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil das Amtsgericht diese bereits vor etwa zwei Wochen durchgeführt hat und von einer erneuten Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2010 - 10 WF 187/10)

***

„ ... 1. Durch den angefochtenen Beschluss des Familiengerichts, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten verwiesen wird, ist die Ehe der Beteiligten zu 1. und 2. geschieden sowie unter Zurückweisung des Sorgerechtsantrages der Antragstellerin (Mutter) bestimmt worden, dass die elterliche Sorge für das betroffene Kind beiden Elternteilen gemeinsam zusteht (Ziff. II. der Entscheidungsformel) und dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.

Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde gegen die Entscheidung zur elterlichen Sorge und verfolgt ihren Antrag auf Übertragung der Alleinsorge weiter.

Sie begründet dies mit der von ihr seit längerer Zeit geplanten Auswanderung nach Kanada, an der der Antragsgegner ursprünglich - vor der Trennung der Beteiligten zu 1. und 2. - auch habe teilnehmen wollen. Die Auswanderung der gesamten Familie einschließlich ihrer Eltern sei seit langer Zeit geplant und vorbereitet. Die Familie ihrer Schwester wohne bereits in Kanada und habe ein Haus gebaut, in dem auch sie Unterkunft finden werde. Sie habe auch schon eine Arbeitsstelle, die sie antreten könne. Dem Antragsgegner werde der Umgang mit D. ermöglicht werden, wenn er besuchsweise nach Kanada komme. Sie gibt an, D. bisher im Wesentlichen allein versorgt zu haben.

Die Antragstellerin beantragt, unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die elterliche Sorge auf sie allein zu übertragen. Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Er will weiterhin mit der Antragstellerin gemeinsam die elterliche Sorge wahrnehmen und widerspricht der Auswanderung des Kindes zusammen mit der Antragstellerin. Er macht geltend, dass der Umgang mit dem Kind im Falle der Auswanderung mit der Mutter praktisch unmöglich gemacht würde und es nicht dem Kindeswohl entspreche, ohne Vater aufzuwachsen. Er misstraut dem Angebot der Antragstellerin zur Ermöglichung des Umgangs in Kanada.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Das beteiligte Jugendamt ist in der mündlichen Verhandlung angehört worden.

2. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist die elterliche Sorge allein der Antragstellerin zu übertragen, weil dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Dies ergibt sich für den Senat bei einer umfassenden Würdigung der entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 28.04.2010 XII ZB 81/09 RZ. 18,20 m.w.N. zitiert nach JURIS) zu beachtenden Gesichtspunkte des Kindeswohls unter Berücksichtigung der durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechte beider Elternteile.

Dabei ist zu beachten, dass die Auswanderungsabsicht der Antragstellerin nicht zur Disposition der familiengerichtlich zu treffenden Entscheidung steht, sondern im Rahmen der Gesamtabwägung zu beurteilen ist, ob die Auswanderung mit der Antragstellerin oder der Verbleib im Inland beim Antragsgegner die für das Kindeswohl bessere Lösung ist (vgl. BGH a.a.O. RZ 28).

Vorliegend misst der Senat dem Grundsatz der Betreuungs- und Bindungs-Kontinuität in Bezug auf die Mutter für das noch nicht zwei Jahre alte Kind einen hohen und letztlich entscheidenden Stellenwert bei. Da sich auch der Antragsgegner - abgesehen von der Auswanderungsabsicht - für einen Verbleib des Kindes bei der Mutter ausgesprochen hat, kann es letztlich keinem Zweifel unterliegen, dass dies die bessere Lösung für das Kind ist, da anderen entgegen stehenden Gesichtspunkten kein noch höherer Stellenwert im Hinblick auf das Kindeswohl beizumessen ist.

Hier hat der Senat berücksichtigt, dass mit der Auswanderung nach Kanada jedenfalls das sowohl im Interesse des Kindes als auch des Vaters bestehende Umgangsrecht, das Gegenstand des durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechtes ist, in erheblichen Maße beeinträchtigt zu werden droht, weil auch nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung noch keine konkrete Lösung für die Fortsetzung des Umgangs von Vater und Tochter nach der Auswanderung gefunden werden konnte und insoweit derzeit lediglich der Appell an den guten Willen der Parteien bleibt, der jedenfalls von Antragstellerseite zugesichert wurde. Bei einer Gesamtabwägung muss aber nach Auffassung des Senats die insoweit jedenfalls vorläufig nur vage Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Kontakts zum Vater, die angesichts des Alters des Kindes auch nur unbefriedigend mit Fernkommunikationsmitteln gewährleistet werden kann, in Kauf genommen werden, weil der alternativ drohende Beziehungsabbruch zur Mutter, die das Kind bisher vorwiegend betreut hat, mit einer erheblich gravierenderen Beeinträchtigung des Kindeswohls verbunden wäre. Einer näheren Aufklärung des von den Beteiligten unterschiedlich dargestellten Umfanges der Betreuungsbeiträge des Antragsgegners, die auch nach dessen Darstellung nur als untergeordnet bezeichnet werden können, bedarf es insoweit nicht. Der Antragsgegner hat auch keine konkreten Vorstellungen dargetan, wie die Betreuung Celinas ohne die von ihm grundsätzlich befürwortete Betreuung durch die Mutter erfolgen könnte. Allein der allgemeine Hinweis, dass er sehr wohl in der Lage sei, die Betreuung und Versorgung D. sicherzustellen, wobei er über einen längeren Zeitraum und im Falle eines Wiedereinstiegs in das Berufsleben durch seine Familie unterstützt werden könnte, erscheint insoweit als unzureichend. In der mündlichen Verhandlung wurde für den Senat durch die persönlichen Äußerungen des Antragsgegners deutlich, dass es diesem praktisch nur um die Verhinderung der Auswanderung zur Aufrechterhaltung des inzwischen nach Unterbrechung wieder angebahnten Umgangskontaktes geht, ohne ernsthaft selbst die persönliche alleinige Verantwortung übernehmen zu wollen. Dies ist zwar ein nachvollziehbares und verständliches Anliegen, zeigt aber letztlich auf, dass der weitere Verbleib der Tochter bei der Mutter im Interesse des Kindeswohls im Ergebnis alternativlos ist.

Hinzukommt, dass für die auswandernde Teilfamilie und damit auch für das Kind eine Verbesserung der Lebensumstände zu erwarten ist. Die Auswanderung ist seit längerer Zeit vorbereitet. Sie erfolgt im Familienverband der mütterlichen Familie. Auch der Antragsgegner hatte während des Zusammenlebens mit der Antragstellerin einen Einwanderungsantrag gestellt, der von den kanadischen Behörden allerdings abgelehnt wurde. Die Antragstellerin, die zurzeit nur Sozialhilfeleistungen erhält, hat bereits einen Arbeitsvertrag vorgelegt, der ein eigenes Einkommen sichert.

Im Hinblick auf die auch wegen der anstehenden erheblichen räumlichen Entfernung und die unterschiedlichen Lebensverhältnisse zu erwartenden Kommunikationsprobleme hält der Senat im Interesse des Kindeswohles auch die vollständige Übertragung der elterlichen Sorge auf die Antragstellerin für geboten.

Der Senat weist darauf hin, dass die der Antragstellerin hiermit übertragene Verantwortung sie verpflichtet, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um im Rahmen der sich der Auswanderung ergebenden Möglichkeiten Kontakte des Kindes mit dem Vater zu fördern (OLG Köln, Beschluss vom 27.07.2010 - 10 UF 80/10).

***

Er gibt Anlass, die Regelung des Sorgerechts zu überprüfen. Bei einem von einem Elternteil induzierten Willen eines Kindes ist zu bedenken, ob das Kind ihn sich selbst zu eigen gemacht hat. In diesem Fall ist zu prüfen, ob es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, ihn zu übergehen oder ob dies dann zu einer für das Kind schädlichen Entwicklung führen würde. Mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Ergänzungspfleger kann die Verpflichtung verbunden sein, mit dem sorgeberechtigten Elternteil Kontakt zu halten und ihn zu informieren, damit er für die Kinder anstehende Entscheidungen treffen kann. Der Ergänzungspfleger ist dann gehalten, das Aufenthaltsbestimmungsrecht so auszuüben, dass die Entscheidungen des sorgeberechtigten Elternteils beachtet werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2005 - 1 UF 94/03, FamRZ 2005, 1700).

Anordnung einer Pflegschaft zur Durchsetzung eines "behüteten" Umgangsrechts bei ablehnender Haltung des sorgeberechtigten Elternteils (u. a. wegen des Verdachts sexuell gefärbten Verhaltens; OLG Hamburg, Beschluss vom 02.08.1995 - 12 UF 85/94, FamRZ 1996, 422).



§ 1672 Getrenntleben bei elterlicher Sorge der Mutter (a. F. - ab 19.05.2013 aufgehoben)

(1) Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 2 der Mutter zu, so kann der Vater mit Zustimmung der Mutter beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient.

(2) Soweit eine Übertragung nach Absatz 1 stattgefunden hat, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils mit Zustimmung des anderen Elternteils entscheiden, dass die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zusteht, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Das gilt auch, soweit die Übertragung nach Absatz 1 wieder aufgehoben wurde.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... SACHVERHALT

Der 19… geborene Beschwerdeführer, Herr D., ist deutscher Staatsangehöriger und in B. wohnhaft.

A. Die Umstände des Falls

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt lässt sich wie folgt zusammenfassen.

1. Der Hintergrund der Rechtssache

Der Beschwerdeführer hat einen Sohn, der 1995 nichtehelich geboren wurde. Noch im selben Jahr erkannte er die Vaterschaft für das Kind an. Da die Eltern keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hatten, erhielt die Mutter nach § 1626a Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs („BGB" - siehe „Das einschlägige innerstaatliche Recht") die alleinige elterliche Sorge.

Von 1995 bis Dezember 1997, als die Eltern sich trennten und die Mutter in eine andere Wohnung in der Nachbarschaft umzog, lebten der Beschwerdeführer und die Kindesmutter zusammen mit dem Kind in einem gemeinsamen Haushalt in B. Im Zeitraum von Januar 1998 bis Januar 2002 betreuten beide Eltern das Kind wöchentlich abwechselnd im selben Umfang.

Im Januar 2002 verzog die Mutter mit dem Sohn von B. nach S., einer Stadt, die 650 km von B. entfernt ist, ohne dies mit dem Beschwerdeführer abgesprochen zu haben. Die Mutter behauptete, sie sei umgezogen, weil das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit dem Wohl des Kindes geschadet habe.

2. Das Verfahren zur Regelung der elterlichen Sorge und des Umgangs

(a) Das Verfahren bis zur Regelung des Umgangsrechts des Beschwerdeführers

Mit Schriftsätzen vom 29. Januar und 1. Februar 2002 beantragte der Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht B., ihm die elterliche Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen. Außerdem beantragte der Beschwerdeführer Umgang mit seinem Sohn abwechselnd wöchentlich sowie darüber hinaus eine einstweilige Anordnung hinsichtlich einer vorläufigen Regelung seines Umgangs mit dem Kind.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2002 teilte das Gericht dem Beschwerdeführer mit, dass die Sache an das Amtsgericht S. abgegeben worden sei; dort wurden zwei getrennte Verfahren eröffnet: ein Verfahren über die Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer (Az.: 41 F 36/02) und ein weiteres Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers auf Umgang mit seinem Sohn (Az.: 41 F 37/02). In der Folgezeit wurden die Verfahren weitgehend gleichzeitig geführt.

Am 1. März 2002 erstattete der Beschwerdeführer Strafanzeige gegen die Mutter u. a. wegen Kindesentziehung. Das daraufhin gegen die Mutter eingeleitete Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Nachdem die Mutter den Beschwerdeführer beschuldigt hatte, das Kind sexuell missbraucht zu haben, leitete die Staatsanwaltschaft B. gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein.

Am 21. Juni 2002 teilte das Jugendamt S. dem Amtsgericht mit, dass es eine Stellungnahme zu der Frage, wie der Umgang des Vaters mit dem Sohn geregelt werden sollte, nicht abgeben könne, da die Mutter Gesprächsangebote abgelehnt habe.

Bei einer Anhörung im Verfahren über das Umgangsrecht (Az.: 41 F 37/02) am 26. Juni 2002 beantragte der Beschwerdeführer unbetreuten Umgang mit seinem Sohn.

Mit Beschluss vom 5. November 2002 räumte das Amtsgericht dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung betreuten Umgang unter Einschaltung des Ortsverbandes S. (nahe S.) des Deutschen Kinderschutzbundes ein. Das Gericht wies den Antrag des Beschwerdeführers auf unbetreuten Umgang mit der Begründung ab, dass darüber erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden könne, nachdem das Gericht ein Gutachten zu einer möglichen Regelung des Umgangs zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn eingeholt habe.

In den Hauptsacheverfahren (Az.: 41 F 37/02 and 41 F 36/02) wurden die Eltern und das Kind am 11. bzw. 18. Dezember 2002 angehört. Das Kind äußerte den Wunsch, abwechselnd eine Woche bei seiner Mutter und eine Woche bei seinem Vater zu verbringen.

Mit Beschluss vom 14. Januar 2003 ordnete das Amtsgericht S. ein psychologisches Sachverständigengutachten zu der Frage an, welche Ausgestaltung des Sorge- und Umgangsrechts dem Kindeswohl dienlich wäre, und bestellte eine Gutachterin. Beide Elternteile wandten sich gegen die Entscheidung des Gerichts und lehnten die Gutachterin ab. Später weigerte sich die Mutter, mit der Gutachterin zusammenzuarbeiten.

Zwischen dem 27. Dezember 2002 und dem 18. Juli 2003 hatte der Beschwerdeführer in etwa zwölf Mal betreuten Umgang mit seinem Sohn in den Räumlichkeiten des Kinderschutzbundes Schifferstadt. Dann stellte er die Besuche ein, da er die Bedingungen, unter denen der Umgang mit seinem Sohn stattfand, als für das Wohl des Kindes schädlich ansah.

Mit Schreiben vom 25. Juni 2003 teilte die Staatsanwaltschaft B. dem Beschwerdeführer mit, dass das 2002 gegen ihn wegen sexuellen Missbrauchs seines Sohnes eingeleitete Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei.

Am 2. und 16. Juli 2003 beantragte der Beschwerdeführer erneut im Wege einer einstweiligen Anordnung ein unbetreutes Umgangsrecht und verwies zur Begründung darauf, dass nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens kein Grund mehr bestehe, sein Recht auf Umgang mit seinem Sohn Einschränkungen zu unterwerfen.

In einem Beschluss vom 16. Januar 2004, mit dem die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags des Beschwerdeführers gegen den mit der Sache befassten Richter am Amtsgericht S. bestätigt wurde, wies das Oberlandesgericht Zweibrücken darauf hin, dass eine missbräuchliche Vereitelung des Umgangs des Beschwerdeführers mit dem Kind durch die Mutter Zweifel an ihrer Erziehungseignung begründen und sogar den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur Folge haben könne.

Mit Beschluss vom 27. Januar 2004 gab das Amtsgericht den Parteien auf, mit der Sachverständigen zusammenzuarbeiten, und drohte im Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld bis zu 2.000,00 Euro an.

Am 29. Januar 2004 verbrachte der Beschwerdeführer mit Einverständnis der Mutter vier Stunden allein mit seinem Sohn.

Ein erstes Treffen zwischen der Sachverständigen und der Mutter fand im März 2004 statt.

Am 11. März 2004 hob das Oberlandesgericht Zweibrücken den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Januar 2004 auf und stellte fest, dass Eltern zwar nach dem Gesetz nicht verpflichtet seien, ihr Kind begutachten zu lassen, und ihnen deshalb auch kein Zwangsgeld angedroht werden könne, die beharrliche Weigerung der Mutter, mit der Sachverständigen zusammenzuarbeiten, im vorliegenden Fall jedoch Zweifel an ihrer Geeignetheit zur Ausübung der elterlichen Sorge aufkommen lassen könne.

Mit Beschluss vom 27. Mai 2004 wies das Amtsgericht S. den Antrag des Beschwerdeführers ab, seinen Beschluss vom 5. November 2002 abzuändern und ihm nicht betreuten Umgang mit seinem Sohn einzuräumen. Das Gericht stellte fest, dass in Anbetracht der von der Mutter erhobenen Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs ein nicht betreuter Umgang erst dann in Betracht kommen könne, wenn das Gutachten vorliege und Klarheit in Bezug auf den Wahrheitsgehalt dieser Anschuldigungen bestehe.

Am 18. Juni 2004 sprach die Sachverständige mit dem Kind.

Am 5. und 8. Juli 2004 beantragte der Beschwerdeführer im Wege einer einstweiligen Anordnung erneut unbetreuten Umgang mit seinem Sohn.

Nachdem ein Richterwechsel stattgefunden hatte, bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 29. Juli 2004 eine Verfahrenspflegerin für das Kind.

Am 5. August 2004 wurden die Eltern und das Kind erneut angehört.

Mit Beschluss vom 11. August 2004 bestellte das Amtsgericht einen neuen Sachverständigen, nachdem hinsichtlich der Kompetenz und Objektivität der zunächst bestellten Gutachterin Zweifel entstanden waren.

Mit Beschluss vom selben Tag wies das Amtsgericht nach Anhörung der Eltern und des Kindes sowie unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme der zunächst bestellten Gutachterin vom 8. Juli 2004 den erneuten Antrag des Beschwerdeführers auf einstweilige Anordnung des unbetreuten Umgangs bis zur Fertigstellung eines Gutachtens durch den neu bestellten Sachverständigen ab. Das Gericht war nach Anhörung der Mutter der Auffassung, dass die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs nicht gänzlich unsubstantiiert seien und deshalb auf ein Sachverständigengutachten nicht verzichtet werden könne. Die ausdrückliche Weigerung des Beschwerdeführers, seinen Sohn unter den Bedingungen eines betreuten Umgangs zu sehen oder andere Formen des betreuten Umgangs zu akzeptieren, ließen Zweifel an der Bedeutung aufkommen, die er dem Wohl des Kindes zumesse.

Das Gutachten wurde am 12. November 2004 erstattet, nachdem die Eltern und das Kind befragt worden waren. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass es unter den gegebenen Umständen dem Kindeswohl abträglich wäre, der Mutter das Sorgerecht zu entziehen und die alleinige Sorge dem Vater zu übertragen. Ein gemeinsames Sorgerecht diene dem Kindeswohl auch nicht, denn das Verhältnis zwischen den Eltern sei immer noch angespannt. Der Sachverständige empfahl jedoch regelmäßigen Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn. Zunächst könne vorgesehen werden, dass der Vater seinen Sohn an jedem zweiten Wochenende in S. besucht; nach einer Probezeit von sechs Monaten könnten längere Aufenthalte des Kindes im Haushalt des Vaters in Betracht gezogen werden.

Nachdem sie die Eltern und das Kind angehört hatte, sprach sich die Verfahrenspflegerin in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 3. und 27. Dezember 2004 ebenfalls gegen eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer aus, empfahl aber, ihm sofort ein Recht auf unbetreuten Umgang mit seinem Sohn einzuräumen. Die Verfahrenspflegerin wies darauf hin, dass nach dem anwendbaren Recht die Übertragung der Alleinsorge auf den nichtehelichen Vater, wenn die Zustimmung der Mutter nicht vorliege, nach § 1666 BGB nur dann möglich sei, wenn die Mutter erziehungsunfähig und dadurch das Wohl des Kindes gefährdet sei. Der Mutter könne zwar vorgeworfen werden, dass sie den Sohn ohne einen triftigen Grund aus seiner vertrauten Umgebung in B. herausgerissen und ihm den Vater als Bezugsperson entzogen habe, aber es gebe keine Anhaltspunkte für die Behauptungen des Beschwerdeführers, dass sie psychisch gestört und deshalb erziehungsunfähig sei. Die Verfahrenspflegerin war ferner der Meinung, dass in Anbetracht der anhaltenden Streitigkeiten und der Uneinigkeit zwischen den Eltern über die Erziehung des Kindes ein gemeinsames Sorgerecht ebenfalls ausscheide.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2005 räumte das Amtsgericht S. dem Beschwerdeführer unbetreuten Umgang mit dem Kind an jedem zweiten Wochenende mit der Maßgabe ein, dass die Begegnungen im Umkreis von 30 km vom Wohnsitz der Mutter stattfinden müssten. Gegen diesen Beschluss legten beide Parteien Rechtsmittel ein.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2005 änderte das Oberlandesgericht Zweibrücken den Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Februar 2005 ab und gewährte dem Beschwerdeführer regelmäßigen unbetreuten Umgang mit dem Kind an jedem dritten Wochenende sowie während der Hälfte der Schulferien.

In der Folgezeit konnte der Beschwerdeführer sein Umgangsrecht anscheinend dementsprechend ausüben.

(b) Das Sorgerechtsverfahren im Übrigen

Im Rahmen der Vorbereitung auf einen Sitzungstermin in dem noch immer anhängigen Sorgerechtsverfahren, in dem der Sachverständige sein Gutachten vom 12. November 2004 näher erläutern sollte, beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht S. die Zulassung eines Diplom-Pädagogen, der den psychologischen Sachverständigen an seiner Stelle befragen sollte, da weder er noch sein Anwalt über den erforderlichen psychologischen Sachverstand verfügten, um die relevanten Fragen zu stellen. Mit Beschluss vom 25. Juli 2005 wies das Gericht den Antrag des Beschwerdeführers mit der Feststellung zurück, sein Anwalt habe dem Sachverständigen bereits schriftlich eine Liste mit relevanten Fragen vorgelegt, die den von ihm behaupteten Mangel an Sachverstand nicht erkennen lasse. Das Gericht war außerdem der Meinung, dass der vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Pädagoge nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfüge. Unter Hinweis darauf, dass Verhandlungen in Familiensachen grundsätzlich nicht öffentlich seien und die Zulassung von weiteren Beiständen für die Parteien deshalb die Ausnahme bleiben müsse, vertrat das Gericht die Auffassung, dass außergewöhnliche Umstände, die eine Abweichung von diesem Grundsatz rechtfertigen würden, im vorliegenden Fall nicht gegeben seien.

Am 19. Juni 2006 fand eine mündliche Verhandlung statt, in welcher der Sachverständige weitere Ausführungen machte. Die Verfahrenspflegerin berichtete, dass das Kind nach seinem letzten Besuch beim Vater Anfang Juni 2006 den Wunsch geäußert habe, er wolle jetzt bei seinem Vater wohnen und seine Mutter nur besuchen.

Mit Beschluss vom 23. August 2006 wies das Amtsgericht S. den Antrag des Beschwerdeführers zurück, ihm nach § 1672 bzw. 1666 BGB die alleinige elterliche Sorge für das Kind, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Seinen weiter hilfsweise gestellten Antrag, die gemeinsame Sorge herzustellen und die nach § 1672 Abs. 1 BGB erforderliche Zustimmung der Mutter hierzu nach Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB, einer vom deutschen Gesetzgeber am 31. Dezember 2003 eingeführten Übergangsvorschrift (siehe „Das einschlägige innerstaatliche Recht"), zu ersetzen, wies das Gericht ebenfalls zurück.

In Bezug auf die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stellte das Gericht zunächst fest, dass der Antrag des Beschwerdeführers, sofern er nach § 1672 BGB gestellt sei, als unzulässig zurückgewiesen werden müsse. Das Gericht wies darauf hin, dass der Beschwerdeführer und die Kindesmutter niemals miteinander verheiratet gewesen seien und keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben hätten und dass die elterliche Sorge daher nach § 1626a BGB der Mutter allein zustehe. Gemäß § 1672 Abs. 1 könne, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend getrennt lebten und die elterliche Sorge für das Kind nach § 1626a BGB der Mutter zustehe, der Vater nur mit Zustimmung der Mutter beantragen, dass ihm das Gericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein übertrage. Da die Mutter im vorliegenden Fall ihre Zustimmung verweigert habe, scheide § 1672 Abs. 1 als Rechtsgrundlage für den diesbezüglichen Antrag des Vaters aus. Auf die Gründe, aus denen die Mutter die Zustimmung verweigert habe, komme es nicht an, denn die genannte Vorschrift sehe die Möglichkeit einer gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung der Mutter grundsätzlich nicht vor. Dabei sei leider hinzunehmen, dass nach wie vor keine Gleichstellung von Vätern nichtehelicher Kinder mit den Vätern ehelicher Kinder erreicht sei.

Anschließend befasste sich das Gericht mit der Frage, ob eine Übertragung des Sorgerechts durch eine Gerichtsentscheidung ohne Zustimmung der Mutter unter den in § 1666 BGB genannten Ausnahmen in Betracht kommen könnte; danach sei das Familiengericht befugt, die erforderlichen Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet sei und die Eltern nicht gewillt seien, selbst Maßnahmen zu ergreifen. Das Gericht war jedoch insbesondere unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten vom 12. November 2004, das in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006 ergänzt worden war, der Auffassung, dass das Wohl des Kindes im vorliegenden Fall durch das alleinige Sorgerecht der Mutter nicht gefährdet sei. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl widersprechen würde, insbesondere im Hinblick auf das angespannte Verhältnis zwischen den Eltern, das im Wesentlichen darauf zurückzuführen sei, dass der Vater versuche, die von der Mutter geleistete Erziehungsarbeit zu untergraben. Die früher von der Mutter erhobenen sexuellen Missbrauchsvorwürfe könnten nicht zu einer anderen Einschätzung führen, denn sie habe diese Vorwürfe vor ihm nicht aufrechterhalten und aus der Exploration des Kindes ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das vertrauensvolle Verhältnis zwischen Vater und Sohn infolge der Behauptungen der Mutter Schaden genommen habe. Der Sachverständige führte weiter aus, dass es keine Anhaltspunkte für die Behauptung des Vaters gebe, dass die Mutter an einer pathologischen Persönlichkeitsstörung leide und deshalb erziehungsunfähig sei. Dass das Kind nach seinem letzten Aufenthalt bei seinem Vater im Juni 2006 den Wunsch geäußert habe, er wolle nunmehr auch einmal bei seinem Vater leben und seine Mutter nur besuchen, sei eine normale Konfliktreaktion eines Kindes, dessen Eltern sich getrennt haben. Doch da der Sohn erst 11 Jahre alt und deshalb nicht fähig sei, sich die Konsequenzen eines Umzugs zu seinem Vater vorzustellen, könnten die Äußerungen des Kindes keine Änderung seiner Schlussfolgerung, nämlich die alleinige elterliche Sorge der Mutter beizubehalten, bewirken.

Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen deckten sich mit den Schilderungen der Verfahrenspflegerin in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006; sie hatte kurz vor dem Verhandlungstermin mit dem Kind gesprochen und bestätigt, dass das Kind emotional stabil sei. Nach alledem war das Gericht der Auffassung, dass eine weitere Anhörung des Kindes nicht erforderlich sei.

Abschließend stellte das Gericht fest, dass der Hilfsantrag des Beschwerdeführers auf Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB sowie Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach dieser Übergangsvorschrift sei es zwar grundsätzlich möglich, die gemeinsame elterliche Sorge anzuordnen und die diesbezügliche Zustimmung der Mutter zu ersetzen, wenn sich die Eltern, wie im vorliegenden Fall, vor dem 1. Juli 1998 getrennt und vor der Trennung mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit dem Kind zusammengelebt hätten, aber Voraussetzung sei auch, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl diene. Unter Bezugnahme auf seine Begründung hinsichtlich der Voraussetzungen für die Übertragung der alleinigen oder gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1666 BGB sowie die Einschätzung des Sachverständigen in der Anhörung vom 19. Juni 2006 und die Stellungnahmen der Vertreterin des Jugendamts und der Verfahrenspflegerin gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass in Anbetracht der anhaltenden Spannungen zwischen den Eltern die gemeinsame Sorge zu weiteren Auseinandersetzungen über die Erziehung des Sohnes, seine Betreuung und die Frage seines Aufenthaltsorts führen würde. Diese Auseinandersetzungen könnten die positive Entwicklung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn gefährden und liefen somit dem Kindeswohl zuwider. Das Gericht hob ferner hervor, dass sich keine Zweifel an der Fachkompetenz des bestellten Gutachters oder der Richtigkeit seiner Feststellungen ergeben hätten.

Der Beschwerdeführer legte gegen das Urteil mit Schriftsatz vom 6. November 2006 Beschwerde ein. Er machte insbesondere geltend, dass in Anbetracht der Tatsache, dass das Kind vom Gericht und von dem Sachverständigen zuletzt im Jahr 2004 angehört worden sei, im Juni 2006 aber gegenüber der Verfahrenspflegerin erklärt habe, dass es nun bei seinem Vater leben wolle, eine erneute Anhörung seines Sohnes durch das Gericht sowie ein neues Sachverständigengutachten unverzichtbar seien für eine Entscheidung über die Frage, welche Zuordnung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl dienen würde.

Am 10. Januar 2007 wies das Oberlandesgericht Zweibrücken die Beschwerde des Beschwerdeführers zurück. Das Oberlandesgericht schloss sich den Feststellungen des Amtsgerichts S. an und wies ergänzend darauf hin, dass die gemeinsame elterliche Sorge ein Mindestmaß an Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern voraussetze; im vorliegenden Fall, in dem die unüberbrückbaren Konflikte zwischen den Eltern durch eine gemeinsame Sorge eher noch verschärft würden, sei diese Voraussetzung nicht erfüllt. Diese Feststellungen könnten aus dem Inhalt der Akten und ohne Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens getroffen werden. Einer weiteren Anhörung des Kindes oder der übrigen Prozessbeteiligten habe es ebenfalls nicht bedurft, da hiervon keine weiteren, für die Entscheidung bedeutsamen Erkenntnisse hinsichtlich der Übertragung der elterlichen Sorge zu erwarten gewesen seien.

Am 30. Januar 2007 erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge zum Oberlandesgericht Zweibrücken.

Am 14. Februar 2007 erhob er Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts S. vom 23. August 2006 sowie gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 10. Januar 2007 und focht die Ablehnung seines Antrags auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, hilfsweise der gemeinsamen Sorge für seinen Sohn gemäß § 1666 BGB bzw. Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB an.

Mit Beschluss vom 22. Februar 2007 wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers als unbegründet zurück. In Ergänzung der in seinem Beschluss vom 10. Januar 2007 angeführten Gründe vertrat das Oberlandesgericht die Auffassung, dass das Amtsgericht den Sachverhalt umfassend ermittelt und seine Entscheidung auf der Grundlage der Erklärungen der Verfahrensbeteiligten getroffen habe, die mit Ausnahme des Kindes zeitnah angehört worden seien. Seit dem Beschluss des Amtsgerichts hätten sich keine entscheidungserheblichen tatsächlichen Änderungen ergeben, und es könne deshalb ausgeschlossen werden, dass eine erneute Anhörung zu einer anderen Einschätzung des Sachverhalts führen würde. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter erziehungsungeeignet sei oder das Kindeswohl in einem Maß gefährdet habe, das die Entziehung ihres Sorgerechts nach § 1666 BGB rechtfertigen würde. Außerdem stehe außer Zweifel, dass der erhebliche Konflikt zwischen den Eltern eine gemeinsame elterliche Sorge unmöglich mache; ein weiteres Sachverständigengutachten oder eine erneute Anhörung des Kindes könne daher für die Entscheidung darüber, wer das Sorgerecht erhalte, keine Rolle spielen.

Mit Schriftsatz vom 26. März 2007 erstreckte der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 22. Februar 2007.

Am 3. März 2009 lehnte es das Bundesverfassungsgericht ohne weitere Begründung ab, die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers zur Entscheidung anzunehmen (1 BvR 846/07). Die Entscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 23. März 2009 zugestellt.

3. Das Verfahren vor dem Gerichtshof

Am 14. September 2005 erhob der Beschwerdeführer beim Gerichtshof eine erste Individualbeschwerde nach Artikel 34 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Individualbeschwerde Nr. 40014/05) betreffend das Sorgerecht für seinen Sohn und das Recht auf Umgang mit ihm. Unter Berufung auf Artikel 6 Abs. 1 sowie die Artikel 8 und 14 der Konvention rügte er die Dauer des innerstaatlichen Verfahrens und die Weigerung der innerstaatlichen Gerichte, ihm unbetreuten Umgang mit seinem Sohn zu gewähren.

In seinem Urteil hierüber vom 8. Juli 2010 entschied der Gerichtshof, dass zwar die Dauer des umgangsrechtlichen Verfahrens noch konventionskonform sei, die Dauer des Sorgerechtsverfahrens aber das in Artikel 6 der Konvention verankerte Gebot der Entscheidung innerhalb „angemessener Frist" verletzt habe, und erklärte die Beschwerde im Übrigen für unzulässig. Der Gerichtshof erklärte dazu allerdings, dass die Rüge des Beschwerdeführers nach Artikel 8 ausschließlich das Umgangsrechtsverfahren betreffe und die Vereinbarkeit des Sorgerechtsverfahrens mit dieser Vorschrift Gegenstand einer gesonderten Individualbeschwerde sei (vorliegende Individualbeschwerde Nr. 50216/09).

B. Das einschlägige innerstaatliche Recht und die innerstaatliche Praxis

Nach Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) sind die Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

Die Gesetzesbestimmungen zu Sorge- und Umgangsrecht finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das Kind zu sorgen (elterliche Sorge).

Nach § 1666 BGB hat das Familiengericht die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch Vernachlässigung gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt sind, diese Maßnahmen selbst zu treffen. Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von einem Elternteil verbunden ist, sind nur zulässig, wenn das Kind andernfalls in Gefahr wäre (§ 1666a BGB).

Nichtehelich geborene Kinder standen - nach § 1705 BGB in der früheren Fassung - automatisch unter der elterlichen Sorge der Mutter. Diese Bestimmung wurde jedoch 1996 vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Am 1. Juli 1998 trat die Reform zum Kindschaftsrecht (Bundesgesetzblatt 1997, S. 2942) zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1996 in Kraft. Die einschlägigen Bestimmungen im BGB wurden wie folgt geändert: Nach § 1626a Abs. 1 können die Eltern eines nichtehelichen minderjährigen Kindes die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, wenn sie eine entsprechende Erklärung abgeben (Sorgeerklärung) oder einander heiraten. Andernfalls sieht § 1626a Abs. 2 vor, dass die Mutter das alleinige Sorgerecht erhält.

Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die alleinige elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 2 BGB der Mutter zu, so sieht § 1672 Abs. 1 BGB vor, dass das Familiengericht die elterliche Sorge dem Vater allein übertragen kann, wenn ein Elternteil mit Zustimmung des anderen Elternteils den entsprechenden Antrag stellt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient.

Im Gegensatz hierzu führen Eltern nach ihrer Trennung das Sorgerecht gemeinsam fort, wenn sie vor ihrer Trennung die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübt haben, entweder weil das Kind ehelich geboren wurde, weil die Eltern einander nach der Geburt des Kindes geheiratet haben, oder weil sie eine Sorgeerklärung abgegeben haben, es sei denn, ein Gericht spricht einem Elternteil auf dessen Antrag hin, und wenn es dem Wohl des Kindes dient, nach § 1671 BGB das alleinige Sorgerecht zu.

Am 29. Januar 2003 befand das Bundesverfassungsgericht, dass § 1626a BGB nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sei, da eine Übergangsregelung für unverheiratete Eltern fehle, die 1996 zusammengelebt, sich aber noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt hätten (also diejenigen, denen es unmöglich war, eine Sorgeerklärung abzugeben). Um die oben genannte mangelnde Verfassungsmäßigkeit zu beheben, führte der deutsche Gesetzgeber am 31. Dezember 2003 Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) ein, wonach ein Gericht auf Antrag des Vaters die Sorgeerklärung der Mutter ersetzen kann, wenn nicht miteinander verheiratete Eltern mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit ihrem Kind zusammengelebt und sich vor dem 1. Juli 1998 getrennt haben, vorausgesetzt, die gemeinsame elterliche Sorge dient dem Kindeswohl.

In seinem Urteil vom 29. Januar 2003 befand das Bundesverfassungsgericht auch, dass § 1626a Abs. 2 BGB - von der fehlenden Übergangsregelung abgesehen - das Recht von Vätern nichtehelich geborener Kinder auf Achtung ihres Familienlebens nicht verletze.

In einem späteren Urteil vom 21. Juli 2010 stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch u. a. unter Bezugnahme auf die Schlussfolgerungen des Gerichtshofs in der Rechtssache Z. ./. Deutschland (Individualbeschwerde Nr. 22028/04, 3. Dezember 2009) fest, dass das nach Artikel 6 Abs. 2 GG garantierte Elternrecht des Vaters dadurch verletzt werde, dass dieser generell von der Sorgetragung für ein nichteheliches Kind ausgeschlossen werde, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung verweigere, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt werde, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder die alleinige Sorge für das Kind auf ihn selbst zu übertragen sei. Das Bundesverfassungsgericht entschied folglich, dass § 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB verfassungswidrig und bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung mit der Maßgabe anzuwenden seien, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge gemeinsam oder allein übertrage, soweit zu erwarten sei, dass dies dem Kindeswohl entspreche.

RÜGEN

Der Beschwerdeführer rügte nach Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention, dass die Tatsache, dass ihm das Sorgerecht für seinen Sohn nur deshalb verwehrt worden sei, weil er mit der Kindesmutter nicht verheiratet gewesen sei, einen Verstoß gegen sein Recht auf Achtung seines Familienlebens und eine ungerechtfertigte Diskriminierung wegen des Geschlechts darstelle. Ferner rügte er, dass die innerstaatlichen Gerichte seinen Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge, hilfsweise der gemeinsamen Sorge für seinen Sohn gemäß § 1666 BGB sowie Art. 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB abgelehnt hätten.

RECHTLICHE WÜRDIGUNG

1. Unter Berufung auf Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention rügte der Beschwerdeführer, dass die innerstaatlichen Behörden mit ihrer Entscheidung, ihm jegliches Sorgerecht für seinen Sohn mit der Begründung zu verweigern, dieser sei nichtehelich geboren, seine Elternrechte im Vergleich zur Kindesmutter unverhältnismäßig stark beschnitten hätten.

Artikel 8 sieht Folgendes vor:

„(1) Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."

Artikel 14 lautet wie folgt:

„Der Genuss der in [der] Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ist ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status zu gewährleisten."

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Vater eines nichtehelich geborenen Kindes im vorliegenden Fall im Wesentlichen eine gegen Artikel 8 und 14 der Konvention verstoßende Ungleichbehandlung gegenüber der Mutter rügte, da er keine Möglichkeit habe, ohne deren Zustimmung das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht zu erlangen.

Der Gerichtshof stellt fest, dass die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind nach § 1626a BGB zunächst der Mutter zukommt, es sei denn, die beiden Elternteile einigen sich darauf, die gemeinsame elterliche Sorge zu beantragen. Die einschlägigen Bestimmungen schließen zwar nicht kategorisch aus, dass der Vater künftig das gemeinsame Sorgerecht erlangen kann, doch nach §§ 1666 und 1672 BGB kann das Familiengericht das Sorgerecht nur dann auf den Vater übertragen, wenn das Wohl des Kindes durch Vernachlässigung seitens der Mutter gefährdet ist oder wenn ein Elternteil mit Zustimmung des anderen Elternteils einen entsprechenden Antrag stellt. Lagen diese Voraussetzungen nicht vor, d.h. war das Wohl des Kindes nicht gefährdet und stimmte die Mutter einer Übertragung des Sorgerechts nicht zu, wie im vorliegenden Fall festgestellt wurde, sah das zur Zeit des hier in Rede stehenden Verfahrens geltende deutsche Recht grundsätzlich keine gerichtliche Überprüfung der Frage vor, ob dem Kindeswohl mit der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater oder mit der Einrichtung der gemeinsamen Sorge beider Elternteile gedient wäre.

Das Amtsgericht S. hat in seinem Beschluss vom 23. August 2006 mithin festgestellt, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge oder eines Teilbereichs davon, sofern er nach § 1672 Abs. 1 BGB gestellt sei, als unzulässig zurückzuweisen sei, da eine solche Übertragung nur mit Zustimmung der Mutter möglich sei. Dabei sei leider hinzunehmen, dass in dieser Hinsicht nach wie vor keine Gleichstellung von Vätern nichtehelicher Kinder mit den Vätern ehelicher Kinder erreicht sei.

Der Gerichtshof stellt fest, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Beschwerde gegen den genannten Beschluss des Amtsgerichts S. und in seiner anschließenden Verfassungsbeschwerde lediglich das Ergebnis der Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte in seinem besonderen Fall angefochten hat, nämlich deren Ablehnung seines Antrags auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB, hilfsweise der gemeinsamen Sorge gemäß Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB. Er hat anscheinend nicht gerügt, dass er im Vergleich zur Mutter insoweit diskriminiert wurde, dass ihm nach §§ 1626a und 1672 BGB die Möglichkeit verwehrt war, das alleinige Sorgerecht oder die gemeinsame Sorge ohne die Zustimmung der Mutter zu erlangen oder die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen.

Selbst unter der Annahme, der innerstaatliche Rechtsweg wäre diesbezüglich erschöpft, weist der Gerichtshof darauf hin, dass er bereits die Frage geprüft hat, ob die Bestimmungen des BGB, nach denen die alleinige Sorge für ein nichtehelich geborenes Kind der Mutter zusteht und eine Übertragung des Sorgerechts oder eines Teilbereichs davon auf den Vater ihrer Zustimmung bedarf, ohne dass eine gerichtliche Überprüfung für den Fall einer Verweigerung der Zustimmung vorgesehen ist, mit Artikel 8 in Verbindung mit Artikel 14 der Konvention vereinbar sind (siehe Z. ./. Deutschland, a. a. O., Rdnrn. 42 ff, und S. ./. Deutschland (Entsch.), Individualbeschwerde Nr. 38102/04, 7. Dezember 2010). Der Gerichtshof ließ zwar gelten, dass die ursprüngliche Zuweisung der Alleinsorge für ein nichteheliches Kind an die Mutter zum Schutz des Kindeswohls gerechtfertigt war, stellte aber fest, dass der grundsätzliche Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Zuweisung des alleinigen Sorgerechts an die Mutter hingegen nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stand, nämlich dem Schutz des Wohls eines nichtehelichen Kindes. Der Gerichtshof stellte folglich fest, dass Artikel 14 i. V. m. Artikel 8 der Konvention verletzt wurde (siehe Z., a. a. O., Rdnrn. 55 und 63). Der Gerichtshof nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 21. Juli 2010 u. a. unter Bezugnahme auf das Urteil Z. die Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen des BGB (§§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1) festgestellt hat. Das Bundesverfassungsgericht erließ bis zum Inkrafttreten der erforderlichen gesetzlichen Neuregelung eine verbindliche Übergangsregelung, nach der die genannten Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden waren, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind gemeinsam oder allein überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Im Hinblick auf die besonderen Umstände der vorliegenden Rechtssache weist der Gerichtshof allerdings darauf hin, dass bereits zur Zeit des hier in Rede stehenden Verfahrens nach der Übergangsbestimmung in Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB eine Ausnahme vom Ausschluss der gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Zuweisung der Alleinsorge an die Mutter einen nichtehelichen Kindes gegeben war. Nach dieser Bestimmung kann das Familiengericht die gemeinsame elterliche Sorge anordnen und bei nicht miteinander verheirateten Eltern, die sich vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt und vor ihrer Trennung mindestens sechs Monate ohne Unterbrechung mit dem Kind zusammengelebt haben, die diesbezügliche Zustimmung der Mutter ersetzen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient. Während sich die Eltern im Fall Z. nach dem 1. Juli 1998 getrennt hatten und die Übergangsregelung somit nicht galt, haben sich die Eltern in der vorliegenden Rechtssache im Dezember 1997 getrennt und die innerstaatlichen Gerichte konnten somit - anders als im Sorgerechtsverfahren im Fall Z. - auf Antrag des Beschwerdeführers in vollem Umfang überprüfen, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Sohnes des Beschwerdeführers dienen würde.

Nach alledem stellt der Gerichtshof fest, dass dieser Teil der Beschwerde offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

2. Der Beschwerdeführer rügte ferner, dass der Verfahrensausgang sein Recht auf Achtung seines Familienlebens verletzt habe. Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass diese Rüge allein nach Artikel 8 der Konvention zu prüfen ist. Er erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die Rüge des Beschwerdeführers wegen der Dauer des Sorgerechtsverfahrens sowie seine Rügen in Bezug auf das Umgangsrechtsverfahren bereits im Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 2010 (Individualbeschwerde Nr. 40014/05) behandelt wurden und nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde sind. In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof zu entscheiden, ob die innerstaatlichen Gerichte bei ihren Entscheidungen in dem Sorgerechtsverfahren das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens beachtet haben.

Der Gerichtshof weist in diesem Zusammenhang erneut darauf hin, dass für einen Elternteil und sein Kind das Zusammensein einen grundlegenden Bestandteil des Familienlebens darstellt, selbst wenn die Beziehung zwischen den Eltern zerbrochen ist, und innerstaatliche Maßnahmen, welche die Betroffenen an diesem Zusammensein hindern, einen Eingriff in das durch Artikel 8 der Konvention geschützte Recht bedeuten (siehe u. a. E. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 25735/94, Rdnr. 43, ECHR 2000-VIII).

Die angegriffenen Maßnahmen im vorliegenden Fall, nämlich die Entscheidungen der innerstaatlichen Gerichte, mit denen die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Beschwerdeführer, hilfsweise die Erstellung der gemeinsamen Sorge, die das Recht auf Ausübung der elterlichen Sorge u. a. in Bezug auf die Erziehung und Betreuung seines Sohnes sowie die Bestimmung seines Aufenthalts einschließt, abgelehnt wurde, waren einen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Familienlebens. Ein solcher Eingriff stellt eine Verletzung von Artikel 8 dar, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen", verfolgt ein oder mehrere Ziele, die nach Absatz 2 dieser Bestimmung legitim sind, und kann als „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" angesehen werden.

Die maßgeblichen Entscheidungen des Amtsgerichts S., mit denen dieses ablehnte, der Mutter das alleinige Sorgerecht zu entziehen und es dem Beschwerdeführer zu übertragen bzw. die gemeinsame elterliche Sorge für seinen Sohn herzustellen, beruhten auf innerstaatlichem Recht, nämlich auf § 1666 BGB bzw. Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB. Der Gerichtshof ist ferner überzeugt, dass die angegriffenen Gerichtsentscheidungen den Schutz des Kindeswohls zum Ziel hatten und somit ein legitimes Ziel im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 verfolgten.

Bei der Entscheidung darüber, ob die angegriffenen Maßnahmen „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" waren, hat der Gerichtshof zu prüfen, ob die zur Rechtfertigung dieser Maßnahmen angeführten Gründe in Anbetracht der Rechtssache insgesamt im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 zutreffend und ausreichend waren. Von entscheidender Bedeutung ist bei jeder Rechtssache dieser Art zweifellos die Überlegung, was dem Kindeswohl am besten dient. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die nationalen Behörden insoweit im Vorteil sind, als sie unmittelbaren Kontakt zu allen Beteiligten haben. Die Aufgabe des Gerichtshofs besteht demnach nicht darin, an Stelle der nationalen Behörden deren Aufgaben in Fragen des Sorge- und Umgangsrechts wahrzunehmen, sondern er hat vielmehr im Lichte der Konvention die Entscheidungen zu überprüfen, die diese Behörden im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums getroffen haben (siehe S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 30943/96, Rdnr. 64, EGMR 2003-VIII).

Welcher Beurteilungsspielraum den zuständigen innerstaatlichen Behörden dabei einzuräumen ist, hängt von der Art der streitigen Fragen und der Bedeutung der betroffenen Interessen ab. Insbesondere bei Sorgerechtsentscheidungen hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Behörden insofern einen großen Spielraum haben. Einer genaueren Kontrolle bedarf es jedoch bei weitergehenden Beschränkungen, wie beispielsweise bei Einschränkungen des Umgangsrechts der Eltern durch diese Behörden, sowie bei allen gesetzlichen Maßnahmen, die einen wirksamen Schutz des Rechts von Eltern und Kindern auf Achtung ihres Familienlebens gewährleisten sollen. Solche weitergehenden Beschränkungen bergen die Gefahr, dass die Familienbeziehungen zwischen einem kleinen Kind und einem oder beiden Elternteilen endgültig abgeschnitten werden (siehe N. ./. Deutschland, Individualbeschwerde Nr. 39741/02, Rdnr. 64, 12. Juli 2007).

Der Gericht weist insoweit erneut darauf hin, dass die innerstaatlichen Behörden nach Artikel 8 einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Kindes und denen der Eltern herbeizuführen und dabei dem Wohl des Kindes, das je nach seiner Art und Bedeutung den Interessen der Eltern vorgehen kann, besonderes Gewicht beizumessen haben. Insbesondere kann ein Elternteil nach Artikel 8 der Konvention nicht beanspruchen, dass Maßnahmen getroffen werden, die der Gesundheit und der Entwicklung des Kindes schaden würden (siehe S. ./. Deutschland [GK], Individualbeschwerde Nr. 31871/96, Rdnr. 64, ECHR 2003-VIII). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof gelten lassen, dass es triftige Gründe dafür geben kann, einem nicht verheirateten Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen; wenn Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden können (siehe Z., a. a. O., Rdnr. 56).

Im Hinblick auf die Umstände der vorliegenden Rechtssache stellt der Gerichtshof fest, dass die innerstaatlichen Gerichte insbesondere unter Bezugnahme auf die Feststellungen des psychologischen Sachverständigen vom 12. November 2004, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 19. Juni 2006 ergänzt wurden, zu dem Schluss kamen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass das Wohl des Kindes durch die aktuelle Sorgerechtsregelung gefährdet sei, und deshalb auch keine Veranlassung bestehe, der Mutter nach § 1666 BGB das alleinige Sorgerecht zu entziehen und es dem Vater zu übertragen. In Anbetracht der anhaltenden Spannungen zwischen den Eltern und der Versuche des Vaters, die Erziehungsarbeit der Mutter zu untergraben, waren die Gerichte der Auffassung, dass vielmehr eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater dem Kindeswohl abträglich wäre. Die Feststellungen des Sachverständigen deckten sich mit der Einschätzung der für das Kind bestellten Verfahrenspflegerin. Die innerstaatlichen Gerichte trugen dem Umstand, dass sich das Kind nach seinem letzten Aufenthalt bei seinem Vater in B. im Jahr 2006 dahingehend geäußert hatte, nun bei seinem Vater leben und seine Mutter nur besuchen zu wollen, zwar Rechnung, waren aber gleichwohl von der Einschätzung des Sachverständigen überzeugt, dass das Kind aufgrund seines jungen Alters nicht fähig sei, sich die Konsequenzen einer solchen Entscheidung vorzustellen, und sich deshalb durch eine entsprechende Äußerung des Kindes eine Änderung der Einschätzung der Situation nicht ergeben könne. In seinem Beschluss vom 23. August 2006 führte das Amtsgericht S. auch aus, warum Zweifel an der Fachkompetenz des Sachverständigen oder der Richtigkeit seiner Schlussfolgerungen nicht veranlasst seien.

Insbesondere in Anbetracht der anhaltenden und unüberbrückbaren Differenzen zwischen den Eltern sowie der mangelnden Einigung in Fragen der Erziehung, der Betreuung und des Aufenthaltsortes ihres Sohnes kamen die innerstaatlichen Gerichte zu dem Schluss, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl auch nicht dienlich wäre, und wiesen deshalb den Antrag des Beschwerdeführers, die diesbezügliche Zustimmung der Mutter nach Artikel 224 § 2 Buchstabe a [sic] EGBGB zu ersetzen, zurück.

Der Gerichtshof ist der Auffassung, dass die innerstaatlichen Gerichte die Begründung ihrer Beschlüsse auf Erwägungen gestützt haben, die auf eine Übertragung der elterlichen Sorge zum Wohl des Kindes gerichtet waren, und dass diese Gründe daher im Sinne von Artikel 8 Abs. 2 zutreffend und ausreichend waren.

Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der erforderliche Schutz der Interessen des Beschwerdeführers im Entscheidungsprozess der innerstaatlichen Gerichte nicht gewährleistet war. Das Amtsgericht S. hörte die Eltern an und berücksichtigte Äußerungen und Berichte der Verfahrenspflegerin und des zuständigen Jugendamts sowie die Feststellungen des psychologischen Sachverständigen. Der Beschwerdeführer konnte in den Verfahren vor dem Amtsgericht und dem Oberlandesgericht alle Argumente für eine Übertragung des Sorgerechts für seinen Sohn auf ihn vorbringen. Es wurde ihm insbesondere Gelegenheit gegeben, den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2006 zu befragen, und er hatte auch Zugang zu allen maßgeblichen Informationen, auf die sich die Gerichte gestützt haben.

Im Hinblick auf den Antrag des Beschwerdeführers, den Sachverständigen von einem Pädagogen befragen zu lassen, stellte das Amtsgericht S. in seinem Beschluss vom 25. Juli 2005 fest, dass die beantragte Maßnahme im innerstaatlichen Recht regelmäßig nicht vorgesehen sei, und führte schlüssig begründet aus, dass im Fall des Beschwerdeführers keine besonderen Umständen vorlägen, die eine Abweichung von dieser Regel rechtfertigen würden. Der Gerichtshof erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass es generell Sache der nationalen Gerichte ist, die ihnen vorliegenden Beweise zu würdigen; dies gilt auch für die Mittel zur Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (Vidal ./. Belgien, 22. April 1992, Rdnr. 33, Serie A Band 235-B).

Hinsichtlich des Problems, dass das Kind vom Amtsgericht zuletzt im Jahr 2004, d.h. zwei Jahre vor dessen Beschluss vom 23. August 2006, angehört worden war, stellt der Gerichtshof fest, dass die Entscheidung der innerstaatlichen Gerichte, das Sorgerecht für den Sohn allein bei der Mutter zu belassen, auf ihrer Einschätzung beruhte, dass eine Übertragung des Sorgerechts bzw. die Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes nicht dienlich sei, weil die Eltern offensichtlich und unbestritten keine Kooperationsbereitschaft zeigten. Der Gerichtshof stellt ferner fest, dass die Verfahrenspflegerin, die an der Gerichtsverhandlung am 19. Juni 2006 teilnahm, erst kurz vor diesem Termin mit dem Kind gesprochen hatte. Unter diesen Umständen durften das Amtsgericht und das Oberlandesgericht zu der Einschätzung gelangen, dass eine erneute Anhörung des Kindes für die Entscheidung über eine Sorgerechtsübertragung nicht nötig war und es keines weiteren psychologischen Sachverständigengutachtens bedurfte.

Der Gerichtshof erinnert außerdem daran, dass der Wunsch des Kindes, bei seinem Vater zu wohnen, im Rahmen des früheren Umgangsrechtsverfahrens berücksichtigt worden war. Mit Beschluss des Amtsgerichts S. vom 5. November 2002 war dem Beschwerdeführer im Wege der einstweiligen Anordnung ein Recht auf betreuten Umgang mit seinem Sohn eingeräumt worden; dieses Recht wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 15. Juli 2005 durch ein Recht auf regelmäßigen nicht betreuten Umgang mit seinem Sohn ersetzt. Der Gerichtshof ist der Meinung, dass diese Entscheidungen darauf gerichtet waren, eine übermäßige Einschränkung des Verhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn zu vermeiden.

Aus den vorstehenden Erwägungen und unter Berücksichtigung des großen Beurteilungsspielraums, der den innerstaatlichen Behörden in Sorgerechtsfragen zusteht, ist der Gerichtshof überzeugt, dass die Verfahrensweise der deutschen Gerichte unter den gegebenen Umständen angemessen war und dass sie mit ihren Beschlüssen in dem Sorgerechtsverfahren einen gerechten Ausgleich zwischen dem Wohl des Kindes und den Interessen der Eltern hergestellt haben.

Der Gerichtshof stellt daher fest, dass dieser Teil der Beschwerde ebenfalls offensichtlich unbegründet und nach Artikel 35 Abs. 3 Buchstabe a und Abs. 4 der Konvention zurückzuweisen ist.

Aus diesen Gründen erklärt der Gerichtshof die Individualbeschwerde mit Stimmenmehrheit für unzulässig. ..." (EGMR, Entscheidung vom 21.02.2012 - 50216/09)

***

„... Die Bf., die Axel Springer AG, hat ihren Sitz in Hamburg. Die von ihr herausgegebenen Bild-Zeitung veröffentlichte am 29.9.2004 auf der Titelseite folgende Schlagzeile in großen Buchstaben : „Kokain ! TV-Kommissar Y auf dem Oktoberfest erwischt !" Sie berichtete über die Festnahme des bekannten Schauspielers X in einem Bierzelt auf dem Münchner Oktoberfest, der seit 1998 die Rolle des Kommissars Y in einer bekannten Fernsehserie spielte. Der Artikel wurde mit drei Fotos von X illustriert und im Inneren des Blatts fortgesetzt. Dort wurde unter der Überschrift „ TV-Star X mit Kokain erwischt. Eine Brezn, eine Maß und eine Nase Koks" berichtet. In dem Artikel heißt es, X habe die Aufmerksamkeit der Polizei erregt, weil er seine Nase gewischt habe. Eine Überprüfung habe ergeben, dass er 0,23 Gramm Kokain bei sich hatte. X sei schon im Juli 2000 wegen Drogenbesitzes zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Am 7.7.2005 veröffentlichte die Bild-Zeitung im inneren Teil einen weiteren Artikel unter der Schlagzeile : "TV-Kommissar X. Kokain-Beichte vor Gericht. 18 000 Euro Strafe !" Auch dieser Artikel war mit einem Foto von X illustriert.

X beantragte unmittelbar nach Erscheinen des ersten Artikels eine einstweilige Verfügung gegen die Bf.. Das LG Hamburg gab dem Antrag am 30.9.2004 statt und verbot der Bf. die weitere Veröffentlichung des Artikels und am 6.10.2004 auch der Fotos. Mit zwei Urteilen vom 12.11.2004 bestätigte es die einstweiligen Verfügungen. Die Bf. focht die Entscheidung nicht an, die sie sich auf die Fotos bezog. Die im Übrigen eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Im Hauptverfahren verbot das LG Hamburg mit Urteil vom 11.11.2005 jede weitere Veröffentlichung des nahezu vollständigen ersten Artikels unter Androhung eines Ordnungsgelds und verurteilte die Bf. zur Zahlung von 5000 Euro für die erste Veröffentlichung. Das Recht des X auf Achtung seines Privatlebens überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das OLG Hamburg wies die Berufung dagegen am 21.3.2006 zurück und setzte den zu zahlenden Betrag auf 1000 Euro herab. Der BGH wies die Beschwerde des Verlags gegen die Nichtzulassung der Revision am 7.11.2006 zurück, am 11.12.2006 eine Anhörungsrüge.

Wegen des zweiten Artikels über die Verurteilung des X hatte das LG Hamburg am 5.5.2006 ein entsprechendes Verbotsurteil erlassen, gegen das Berufung und Revision erfolglos blieben. Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde des Verlags am 5.3.2008 nicht zur Entscheidungan.

Am 18.8.2008 hat die Bf. beim Gerichtshof Beschwerde eingelegt und sich gegen das Verbot der Berichterstattung über die Festnahme und Verurteilung des allgemein bekannten Schauspielers wegen eines Drogendelikts gewendet. Am 30.3.2010 hat eine Kammer der V. Sektion die Sache nach Art. 30 EMRK an die Große Kammer abgegeben. Der Präsident hat der Media Lawyers Association, der Media Legal Defence Initiative, dem International Press Institute und der World Association of Newspapers and News Publishers nach Art. 36 II EMRK, Art. 44 II VerfO Gelegenheit gegeben, schriftlich Stellung zu nehmen. Am 7.2.2012 hat der Gerichtshof aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13.10.2012 die Beschwerde einstimmig für zulässig erklärt, mit 12 : 5 Stimmen festgestellt, dass Art. 10 EMRK verletzt ist, und Deutschland nach Art. 41 EMRK (Gerechte Entschädigung) verurteilt, an die Bf. binnen drei Monaten

17 734,80 Euro als Ersatz für Nichtvermögensschaden und
32 522, 80 Euro als Ersatz für Kosten und Auslagen zu zahlen. ...

II. Behauptete Verletzung von Art. 10 EMRK

[53] Die Bf. wendet sich gegen das ihr gegenüber ausgesprochene Verbot der Berichterstattung über die Festnahme und Verurteilung von X. Sie beruft sich auf Art. 10 EMRK. ...

A. Zulässigkeit

[54] Die Beschwerde ist nicht offensichtlich unbegründet i. S. von Art. 35 III lit. a EMRK und auch nicht aus einem anderen Grund unzulässig. Deswegen ist sie für zulässig zu erklären.

B. Begründetheit

I. Vortrag der Parteien (zusammengefasst)

1. Die Regierung

[55 - 64] Die Regierung macht geltend, die Beschwerde sei unbegründet. Die Entscheidungen der deutschen Gerichte griffen zwar in den Schutzbereich von Art. 10 EMRK ein, seien aber „gesetzlich vorgesehen" und verfolgten ein berechtigtes Ziel i. S. von Art. 10 II EMRK, nämlich den Schutz der Privatsphäre. Der Eingriff sei auch in einer demokratischen Gesellschaft notwendig gewesen. X sei ein allgemein bekannter Schauspieler und eine Person des öffentlichen Lebens. Die Berichterstattung habe ein geringfügiges Drogendelikt betroffen. Bei der Beurteilung hätten die Gerichte einen Ermessensspielraum, den sie nicht überschritten hätten.

II. Die Bf.

[65 - 70] Die Bf. tragen vor, X sei ein allgemein bekannter Schauspieler, der die Hauptrolle in einer sehr beliebten Krimi-Serie im Fernsehen gespielt habe. Er sei also nicht eine gewöhnliche Person, für die sich die Medien nicht interessierten. Eine Straftat sei nie eine private Angelegenheit und das Publikumsinteresse an Informationen darüber habe mehr Gewicht als das Recht von X auf Achtung seines Privatlebens. Er selbst habe die öffentliche Aufmerksamkeit gesucht. Im Gegensatz dazu habe im Fall von Hannover/Deutschland Nr. 2 (in diesem Heft S. …) die Bf. zu 1 ständig versucht, ihr Privatleben abzuschirmen. Die Tatsachen, über die berichtet worden sei, seien unstreitig richtig. Die Bild-Zeitung habe im Übrigen erst über die Verhaftung berichtet, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen und die Identität von X bekannt gemacht habe. Die Aufgabe der Presse dürfe nicht darauf reduziert werden, nur über Politiker zu berichten. ...

3. Beurteilung durch den Gerichtshofs

[75] Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Entscheidungen der deutschen Gerichte in das in Art. 10 EMRK geschützte Recht der Bf. auf Freiheit der Meinungsäußerung eingegriffen haben.

[76] Ein solcher Eingriff verletzt Art. 10 EMRK, wenn er nicht nach Art. 10 II EMRK gerechtfertigt ist. Deswegen ist zu prüfen, ob er „gesetzlich vorgesehen" war, eines oder mehrere der in dieser Vorschrift genannten berechtigten Ziele verfolgte und „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war, um das Ziel zu erreichen.

[77] Der Eingriff war unstreitig in § 823 I BGB und § 1004 I BGB, ausgelegt unter Berücksichtigung des Rechts auf Schutz des Persönlichkeitsrechts, vorgesehen. ...Die Parteien stimmen auch darin überein, dass er ein berechtigtes Ziel verfolgte, nämlich den Schutz des guten Rufs oder der Rechte anderer i.S. von Art. 10 II EMRK, was nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfassen kann (s. EGMR, Slg. 2004-VI Nr. 70 - Chauvy u.a./Frankreich; EGMR, NJW-RR 2008, 1218 Nr. 35 - Pfeifer/Österreich). Streitig ist aber, ob der Eingriff „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" war.

(a) Grundsätze

(i) Freiheit der Meinungsäußerung

[78-79] (Der Gerichtshof wiederholt die im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft S. ] in Nrn. 101, 102 niedergelegten Grundsätze zu Art. 10 EMRK).

[80] Die Aufgabe der Presse bezieht sich auch auf die Berichterstattung und Kommentierung von Gerichtsverfahren, die, wenn sie die genannten Grundsätze berücksichtigt, zu deren Öffentlichkeit beitragen und deswegen mit dem Erfordernis nach Art. 6 I EMRK, dass gerichtliche Verfahren öffentlich sind, im Einklang stehen. Es ist nicht vorstellbar, dass es über ein Gerichtsverfahren keine vorherige oder gleichzeitige Diskussion in Spezialzeitschriften oder in der breiten Öffentlichkeit geben dürfte. Die Medien haben nicht nur die Aufgabe, solche Informationen und Ideen zu vermitteln, die Öffentlichkeit hat auch das Recht,sie zu erhalten (s. EGMR, Slg. 2000-I Nr. 56 = MR 2000, 221 - News Verlags GmbH & Co. KG/Österreich; EGMR, Slg. 2007-VII Nr. 35 = NJW 2008, 3412 - Dupuis u. a./Frankreich; EGMR, Urt. v. 24.4.2008 - 17107/05 Nr. 31- Campos Dâmaso/Portugal).

[81] Zur journalistischen Freiheit gehört auch die Möglichkeit einer gewissen Übertreibung und sogar Provokation (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 71 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark). Außerdem ist es nicht Aufgabe des Gerichtshofs und auch nicht der staatlichen Gerichte, anstelle der Presse über die anzuwendende Technik zu entscheiden (s. EGMR, 1994, Serie A, Bd. 298 Nr. 31 = NStZ1995, 237 -Jersild/Dänemark; EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 65 - Eerikäinen u.a./Finnland).

(ii) Grenzen der Meinungsfreiheit

[82] Art. 10 II EMRK bestimmt aber, dass die Freiheit der Meinungsäußerung „mit Pflichten und Verantwortung verbunden" ist. Das gilt für die Medien auch bei der Berichterstattung über Angelegenheiten großen öffentlichen Interesses. Diese Pflichten und Verantwortung können von besonderer Bedeutung sein, wenn die Gefahr besteht, den guten Ruf eines namentlich Genannten zu schädigen oder die „Rechte anderer" zu verletzen. Daher müssen besondere Gründe vorliegen, um die Medien von der sie grundsätzlich treffenden Verpflichtung zu entbinden, die Richtigkeit ehrverletzender Tatsachenbehauptungen über andere zu prüfen. Ob solche Gründe gegeben sind, hängt insbesondere von Art und Gewicht solcher ehrverletzender Behauptungen ab und davon, wie weit die Medien ihre Quelle vernünftigerweise als vertrauenswürdig ansehen können (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 78 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Slg. 2007-III Nr. 89 - Tønsbergs Blad A.S. u. Haukom/Norwegen).

[83] Das Recht auf Schutz des guten Rufs ist als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens von Art. 8 EMRK geschützt (s. EGMR, Slg. 2004-VI Nr. 70 - Chauvy u.a./Frankreich; EGMR, NJW-RR 2008, 1218 Nr. 35 - Pfeifer/Österreich; EGMR, Urt. v. 21.9.2010 - 34147/06 Nr. 40 - Polanco Torres u. Movilla Polanco/Spanien). Der Begriff „Privatleben" ist umfassend und einer erschöpfenden Definition nicht zugänglich. Darunter fallen die geistige und körperliche Identität einer Person und damit zahlreiche Aspekte der Persönlichkeit, wie die geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung, der Name oder Aspekte, die das Recht einer Person am eigenen Bild betreffen (s. EGMR, Slg. 2008 Nr. 66 = NJOZ 2010, 696 - S. u. Marper/Vereinigtes Königreich). Der Begriff umfasst auch persönliche Informationen, von denen der Betroffene berechtigterweise erwarten kann, dass sie nicht ohne seine Einwilligung veröffentlicht werden (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 75 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Urt. v. 12.10.2010 - 184/06 Nr. 61 - Saaristo u.a./Finnland).

Um Art. 8 EMRK ins Spiel zu bringen, muss der Angriff auf den guten Ruf einer Person eine bestimmte Schwere erreichen und die Ausübung ihres Rechts auf Achtung des Privatlebens beeinträchtigen (s. EGMR, NJW-RR 2010, 1483 Nr. 64 - A./Norwegen). Außerdem hat der Gerichtshof entschieden, dass sich eine Person nicht nach Art. 8 EMRK über eine Verletzung ihres guten Rufs beschweren kann, wenn die Verletzung vorhersehbare Folge einer eigenen Handlung ist, z.B. des Begehens einer Straftat (s. EGMR, Slg. 2004-VIII Nr. 49 - Sidabras u. Dziautas/Litauen).

[84] Wenn zu prüfen ist, ob ein Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft „zum Schutz des guten Rufs oder der Rechte anderer" notwendig ist, kann es erforderlich sein festzustellen, ob die staatlichen Behörden und Gerichte einen gerechten Ausgleich beim Schutz von zwei in der Konvention geschützten Rechten hergestellt haben, die in bestimmten Fällen kollidieren können, z. B. die in Art. 10 EMRK geschützte Freiheit der Meinungsäußerung und das in Art. 8 EMRK garantierte Recht auf Achtung des Privatlebens (s. EGMR, Urt. v. 14.6.2007 - 71111/01 Nr. 43 - Hachette Filipacchi Associés/Frankreich; EGMR, NJOZ 2012, … Nr. 142 - MGN Limited/Vereinigtes Königreich).

(iii) Ermessensspielraum

[85 - 88] ( Der Gerichtshof führt aus, die staatlichen Behörden und Gerichte hätten einen Ermessensspielraum, und wieder- holt die im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft] Nrn. 104-107 wiedergegebenen Grundsätze).

(iv) Grundsätze für die Interessenabwägung

[89 - 92, 94] Wenn das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens abgewogen werden muss, gelten die nachstehenden Grundsätze. (Der Gerichtshof weist darauf hin,dassdie im Urteil von Hannover/Deutschland Nr. 2 [in diesem Heft] Nrn. 109 - 112 genannten Grundsätze zu beachten sind, nämlich ob der Bericht zu einer Diskussion allgemeinen Interesses beigetragen hat, der Bekanntheitsgrad des Betroffenen und der Gegenstand des Berichts, das vorherige Verhalten des Betroffenen, die Umstände der Aufnahme von Fotos sowie Inhalt und Form der Veröffentlichung. Er fügt zwei Gesichtspunkte hinzu)

(dd) Wie die Information erlangt worden ist und ihre Richtigkeit

[93] Weiterere wichtige Gesichtspunkte sind die Art und Weise, wie die Information erlangt wurde, und ob sie zutreffend ist. Der Schutz, den Art. 10 EMRK Journalisten für ihre Berichterstattung über Fragen allgemeinen Interesses gewährt, setzt voraus, dass sie sich in gutem Glauben auf der Grundlage exakter Tatsachen äußern und "zuverlässige und genaue" Informationen in Übereinstimmung mit ihrem Berufsethos liefern (s. u.a. EGMR, Slg. 1999-I Nr. 54 = NJW 1999, 1315 - Fressoz u. Roire/Frankreich; EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 78 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Slg. 2007-V Nr. 103 = NJW-RR 2008, 1141 - Stoll/Schweiz). ...

(ff) Schwere der verhängten Sanktion

[95] Schließlich müssen bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Freiheit der Meinungsäußerung Art und Schwere der verhängten Sanktion berücksichtigt werden (s. EGMR, Slg. 2004-XI Nr. 93 = NJW 2006, 1645 - Pedersen u. Baadsgaard/Dänemark; EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 43349/05 Nr. 77 -Jokitaipale u.a./Finnland).

(b) Anwendung im vorliegenden Fall

(i) Beitrag zu einer Diskussion allgemeinen Interesses

[96] Die Zeitungsartikel betrafen die Festnahme und Verurteilung des Schauspielers X , also öffentliche Tatsachen aus der Justiz, die in bestimmten Maß von allgemeinem Interesse sind. Die Öffentlichkeit hat in der Regel ein Interesse, über Strafverfahren unterrichtet zu werden und sich unterrichten zu können, wobei die Unschuldsvermutung strikt beachtet werden muss (s. EGMR, Slg. 2000-I Nr. 56 = MR 2000, 221 - News Verlags GmbH & Co. KG/Österreich; EGMR, Slg. 2007-VII Nr. 37 = NJW 2008, 3412 - Dupuis u. a./Frankreich; EGMR, Urt. v. 24.4.2008 - 17107/05 Nr. 32- Campos Dâmaso/Portugal; só auch die Empfehlung (2003)13 des Ministerkomitees des Europarats über Informationen durch die Medien bezüglich Strafverfahren, insbes. Grundsätze 1 u. 2 der Anlage ...). Das Interesse ist allerdings unterschiedlich groß und kann nach der Festnahme im Lauf des Verfahrens größer werden, wobei mehrere Faktoren eine Rolle spielen, wie der Bekanntheitsgrad des Betroffenen, die Unmstände des Falls und andere Entwicklungen während des Verfahrens.

(ii) Bekanntheit von X und Gegenstand der Artkel

[97] Die deutschen Gerichte sind bei der Beurteilung des Bekanntheitsgrads von X zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Das LG nahm an, X habe nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gestanden und die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nicht in einem Ausmaß gesucht, dass angenommen werden könne, er habe auf den Schutz seines Persönlichkeitsrechts verzichtet, wenn er auch ein bekannter Schauspieler sei und häufig im Fernsehen aufgetreten sei … Das OLG nahm demgegenüber an, X sei allgemein bekannt und sehr populär, er habe lange Zeit die Rolle eines Kommissars gespielt, ohne das Idol oder ein Vorbildcharakter des Ordnungshüters geworden zu sein, was ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit hätte begründen können zu erfahren, ob er selbst einem solchen Leitbild entsprechend lebe...

[98] Grundsätzlich ist es in erster Linie Aufgabe der staatlichen Gerichte, den Bekanntheitsgrad einer Person festzustellen, insbesondere wenn die Person hauptsächlich im betroffenen Land bekannt ist. X war zur maßgebenden Zeit Hauptdarsteller in einer sehr populären Krimi-Serie, in der er die Hauptrolle des Kommissars Y spielte. Seine Popularität geht im Wesentlichen auf die Fernseh-Serie zurück, von der bei Erscheinen des ersten Zeitungsartikels 103 Episoden gesendet worden waren, in 54 davon hatte X den Kommissar Y gespielt. Er war also nicht, wie das LG annahm, ein weniger bedeutender Schauspieler, dessen Bekanntheit trotz vieler Filmrollen (mehr als 200 …) begrenzt geblieben sei. Das OLG hat nicht nur darauf hingewiesen, dass es X-Fan-Clubs gab, sondern auch darauf, dass seine Fans möglicherweise dazu ermutigt worden wären, ihn durch Drogenkonsum nachzuahmen, wenn die Straftat der Öffentlichkeit nicht verborgen geglieben wäre. ...

[99] Es trifft zwar zu, dass die Öffentlichkeit im Allgemeinen zwischen dem Schauspieler und der Person, die er darstellt, unterscheidet. Trotzdem kann es eine enge Verbindung zwischen beiden geben, besonders, wenn der Schauspieler, wie hier, hauptsächlich wegen einer bestimmten Rolle bekannt ist. Im Fall des X war das noch dazu die Rolle eines Polizeikommissars, dessen Aufgabe es ist, für Gesetzestreue zu sorgen und Verbrechen zu bekämpfen. Das steigerte das Interesse der Öffentlichkeit daran, über die Festnahme des X wegen einer Straftat informiert zu werden. Unter Berücksichtigung dessen und der Begründung der deutschen Gerichte für seinen Bekanntsheitsgrad war X jedenfalls so gut bekannt, dass er als Person des öffentlichen Lebens eingestuft werden kann. Das hat das Interesse der Öffentlichkeit, über seine Festnahme und das Strafverfahren gegen ihn informiert zu werden, verstärkt.

[100] Was den Gegenstand der zwei Zeitungsartikel angeht, haben die deutschen Gerichte festgestellt, dass die von X begangene Straftat nicht geringfügig war, weil Kokain eine harte Droge ist.Trotzdem habe die Straftat nur mittleres, ja geringes Gewicht, weil X nur eine geringe Menge der Droge bei sich gehabt habe und nur für den eigenen Konsum, und wegen der großen Zahl von derartigen Straftaten und Strafverfahren. Die deutschen Gerichte haben der Tatsache, dass X schon wegen eines ähnlichen Delikts verurteilt worden war, kein großes Gewicht beigemessen und darauf hingewiesen, dass es seine einzige Vortat gewesen sei, die außerdem schon vor einigen Jahren begangen worden sei. Sie sind zu dem Schluss gekommen, das Interesse der Bf. an der Veröffentlichung der Artikel beruhe nur darauf, dass X eine Straftat begangen habe, über die vermutlich nie berichtet worden wäre, wenn eine in der Öffentlichkeit unbekannte Person sie begangen hätte. ...

Dem ist im Wesentlichen zuzustimmen. Hinzuweisen ist aber darauf, dass X in der Öffentlichkeit festgenommen worden ist, in einem Zelt auf dem Münchner Oktoberfest. Das hat nach Auffassung des OLG in der Öffentlichkeit großes Interesse erregt, wenn es sich auchnicht auf die Beschreibung und Charakterisierung der Straftat bezogen hat, die nicht in der Öffentlichkeit begangen worden war.

(iii) Verhalten des X vor der Veröffentlichung

[101] Zu berücksichtigen ist weiter das vorherige Verhalten des X gegenüber den Medien. Er hatte selbst in vielen Interviews Einzelheiten über sein Privatleben offenbart …, also die Öffentlichkeit aktiv gesucht, só dass angesichts seines Bekanntheitsgrads seine "berechtigte Erwartung", dass sein Privatleben wirksam geschützt werde, reduziert war (s. mutatis mutandis EGMR, MR 2009, 298 Nr. 53 - Hachette Filipacchi Associés (ICI PARIS)/Frankreich und andererseits EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 66 - Eerikäinen u.a./Finnland).

(iv) Wie die Information erlangt wurde und ob sie richtig war.

[102] Was die Art und Weise angeht, wie sie zu den veröffentlichten Informationen gekommen ist, trägt die Bf. vor, sie habe über die Festnahme von X erst berichtet, nachdem die Strafverfolgungsbehörden die Tatsachen und die Identität des X bekannt gemacht hätten. Alle von ihr veröffentlichten Informationen seien schon vorher , insbesondere auf einer Pressekonferenz und in einer Presseerklärung der StA der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden .. Die Regierung bestreitet, dass es eine Pressekonferenz der StA gegeben habe, und trägt vor, erst nach Erscheinen des ersten Artikels habe StA W anderen Medien gegenüber die Tatsachen bestätigt, über welche die Bf. berichtet hatte.

[103] Aus den Unterlagen, die dem Gerichtshof vorliegen, ergibt sich nicht nicht, dass die Behauptung der Bf. zutrifft, vor der Veröffentlichung des ersten Artikels seien eine Pressekonferenz abgehalten und eine Presseerklärung herausgegeben worden. Im Gegenteil hat sich die Behauptung nach einer vom Gerichtshof in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage als unzutreffend erwiesen. Das Verhalten der Bf. ist insoweit bedauerlich.

[104] Aus den im weiteren Verlauf ergangenen Entscheidungen der deutschen Gerichte und dem Parteivortrag dazu in den Gerichtsverfahren ergibt sich aber, dass die Gerichte auf diese Frage nicht eingegangen sind. Für die Prüfung des vorliegenden Falls genügt die Feststellung, dass die Bf. allen ihren Stellungnahmen in den verschiedenen Verfahren vor den deutschen Gerichten die Erklärung einer ihrer Journalistinnen beigefügt hat, wie die am 29.9.2004 veröffentlichten Informationen erlangt worden sind, … und dass die Regierung das nicht bestritten hat. Die Bf. kann also nicht geltend machen, sie habe nur Informationen veröffentlicht, welche die StA München auf einer Pressekonferenz schon vorher der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hätte. Doch bleibt, dass die veröffentlichten Informationen, insbesondere über die Identität von X, von der Polizei und StA W stammten,dem damaligenPressesprecher der StA München.

[105] Der erste Zeitungsartikel hatte also eine ausreichende Tatsachengrundlage, weil er auf Informationen des Pressesprechers der Münchner StA beruhte (s. EGMR, Slg. 1999-IIINr. 72 = NJW 2000, 1015 - Bladet Tromsø u. Stensaas/Norwegen; EGMR, Urt. v. 10.2.2009 -3514/02 Nr. 64 - Eerikäinen u.a./Finnland; EGMR, Entsch. v. 15.5.2009 - 4020/03 - Pipi/Türkei). Die Wahrheit der Informationen in den beiden Artikeln war vor den deutschen Gerichten und ist vor dem Gerichtshof nicht streitig (s. EGMR, Slg. 2004-X Nr. 44 = NJW 2006, 591 - Karhuvaara u. Iltalehti/Finnland).

[106] Die deutschen Gerichte waren der Meinung, aus der Tatsache, dass die Informationen von der StA München stammten, ergebe sich nur, dass sich die Bf. auf ihre Richtigkeit verlassen konnte. Das habe sie aber nicht von der Verpflichtung entbunden, ihr Interesse an der Veröffentlichung gegen das Recht des X auf Achtung seines Privatlebens abzuwägen. Nur die Presse könne diese Abwägung vornehmen, weil eine Behörde oder ein Gericht nicht wissen könnten, wie und in welcher Form die Information veröffentlicht würde. ...

[107] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Abwägung nicht vorgenommen worden ist. Richtig ist aber, dass die Bf., welche eine Bestätigung der Information von den Strafverfolgungsbehörden selbst erhalten hatte, unter Berücksichtigung der von X begangenen Straftat, seinem Bekanntheitsgrad in der Öffentlichkeit und den Umständen seiner Festnahme sowie der Richtigkeit der Information keine ausreichenden Gründe hatte anzunehmen, sie müsse die Anonymität von X wahren. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass StA W anderen Zeitschriften und Fernsehkanälen noch am Tage des Erscheinens des ersten Artikels alle von der Bf. enthüllten Informationen bestätigt hat. Als der zweite Artikel erschien, waren die der Verurteilung von X zugrunde liegenden Tatsachen der Öffentlichkeit bereits bekannt (s. mutatis mutandis EGMR, Urt. v. 16.12.2010 - 24061/04 Nr. 49 - Aleksey Ovchinnikov/Russland). Auch das OLG nahm an, der Bf. könne nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, weil die von der StA mitgeteilten Information sie dazu veranlassen konnte anzunehmen, der Bericht sei legal … Danach ist nicht nachgewiesen, dass die Bf. bei der Veröffentlichung in bösem Glauben gehandelt hat.

(v) Inhalt, Form und Auswirkungen der Artikel

[108] Der erste Artikel berichtete nur über die Festnahme von X, die von der StA erhaltenen Informationen und eine rechtliche Beurteilung des Gewichts der Straftat durch einen juristischen Sachverständigen … Der zweite Artikel schilderte das vom Gericht am Ende der mündlichen Verhandlung und nach dem Geständnis von X erlassene Urteil … Die Artikel enthielten also keine Einzelheiten über das Privatleben von X, sondern nur über die Umstände und Ereignisse nach seiner Festnahme (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 84 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 43349/05 Nr. 72 -Jokitaipale u.a./Finnland). Sie enthielten keine abschätzigen Bemerkungen oder grundlose Behauptungen … Dass der erste Artikel Wendungen enthielt, welche die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregen sollten, wirft nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine Probleme auf (s. EGMR, Urt. v. 6.4.2010 - 25576/04 Nr. 74 - Flinkkilä u.a./Finnland; EGMR, Entsch. v. 15.5.2009 - 4020/03 - Pipi/Türkei).

Im Übrigen hat das LG die Veröffentlichung der Fotos, welche die Artikel illustrierten, verboten, und die Bf. hat das auch nicht angefochten. Deswegen ist anzunehmen, dass die Form der Artikel keinen Grund für ein Verbot ihrer Veröffentlichung darstellten. Die Regierung hat im Übrigen nicht dargelegt, dass die Veröffentlichung der Artikel für X Schäden zur Folge hatte.

(vi) Schwere der Sanktion

[109] Die der Bf. auferlegte Sanktion war war zwar mild, konnte aber eine abschreckende Wirkung haben. Jedenfalls war sie aus den erwähnten Gründen nicht gerechtfertigt.

(c) Ergebnis

[110] Die von den deutschen Gerichten angeführten Gründe sind also zwar stichhaltig, aber nicht ausreichend, um zu belegen, dass der Eingriff in einer demokratischen Gesellschaft notwendig war. Trotz des den Konventionsstaaten zustehenden Ermessensspielraums gab es kein angemessenes Verhältnis zwischen den von den deutschen Gerichten verfügten Einschränkungen des Rechts der Bf. auf Freiheit der Meinungsäußerung einerseits und dem verfolgten berechtigten Ziel andererseits. Deswegen ist Art. 10 EMRK verletzt. ..." (EGMR, Urteil 07.02.2012 - 39954/08)

*** (BVerfG)

Es verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen (BVerfG, 1 BvR 420/09 vom 21.7.2010, Absatz-Nr. (1 - 78), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20100721_1bvr042009.html):

„... 1. § 1626a Absatz 1 Nummer 1 und § 1672 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz) vom 16. Dezember 1997 (Bundesgesetzblatt I Seite 2942) sind mit Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes unvereinbar.

2. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung ist § 1626a des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

3. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung ist § 1672 des Bürgerlichen Gesetzbuches mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge überträgt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

4. Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 30. Juni 2008 - 23 F 109/08 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben. Damit werden der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 20. November 2008 - 1 UF 180/08 - und der Beschluss des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 8. Januar 2009 - 43 F 3/09 - gegenstandslos. Die Sache wird an das Amtsgericht Bad Oeynhausen zurückverwiesen.

5. Die Bundesrepublik Deutschland und das Land Nordrhein-Westfalen haben dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen je zur Hälfte zu erstatten.

Gründe:

A. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass gegen den Willen der Mutter eine Übertragung der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder auch oder allein auf den Vater unterhalb der Schwelle des Sorgerechtsentzugs gemäß § 1666 BGB nach den einschlägigen familienrechtlichen Vorschriften nicht möglich ist.

I. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2942) am 1. Juli 1998 wurde nicht miteinander verheirateten Eltern erstmals unabhängig davon, ob sie zusammenleben, durch § 1626a BGB die Möglichkeit eröffnet, die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam zu tragen, wenn sie dies wollen und entsprechende Sorgeerklärungen abgeben, was schon vor der Geburt des Kindes geschehen kann (§ 1626b Abs. 2 BGB). Erfolgen diese Sorgeerklärungen nicht, ist grundsätzlich die Mutter alleinige Sorgerechtsinhaberin für das nichteheliche Kind.

§ 1626a BGB lautet:

(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie

1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärungen), oder
2. einander heiraten.

(2) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.

Auch eine Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge von der Mutter auf den Vater eines nichtehelichen Kindes bei Getrenntleben der Eltern ist mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz geregelt worden. Sie kann ebenfalls nur mit Zustimmung der Mutter erfolgen.

§ 1672 Abs. 1 BGB, der dies bestimmt, lautet:

(1) Leben die Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht die elterliche Sorge nach § 1626a Abs. 2 der Mutter zu, so kann der Vater mit Zustimmung der Mutter beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient.

Gegen den Willen der Mutter kann der Vater eines nichtehelichen Kindes nur dann das Sorgerecht für das Kind erhalten, wenn
- der Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entzogen wird (§ 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1666 BGB),
- ihre elterliche Sorge dauerhaft ruht (§ 1678 Abs. 2 BGB) oder
- wenn sie stirbt (§ 1680 Abs. 2 Satz 2, § 1681 BGB)
.

II. 1. Bereits im Jahr 2003 hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Regelungskonzepts von § 1626a BGB zur gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern befasst und damals § 1626a BGB nur insoweit für nicht vereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 5 GG erklärt, als eine Übergangsregelung für Eltern fehlte, die sich noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt hatten (BVerfGE 107, 150 ff.).

Zur Begründung hat es ausgeführt, es verstoße nicht gegen das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG, dass ein Kind nach § 1626a Abs. 2 BGB zunächst rechtlich allein der Mutter zugeordnet und grundsätzlich ihr die Personensorge übertragen ist (vgl. BVerfGE 107, 150 <169>). Anders als bei Eltern ehelicher Kinder, die sich mit dem Eheschluss rechtlich dazu verpflichtet hätten, füreinander und für ein gemeinsames Kind Verantwortung zu tragen, könne der Gesetzgeber bei nicht miteinander verheirateten Eltern auch heutzutage nicht generell davon ausgehen, dass diese in häuslicher Gemeinschaft lebten und gemeinsam für das Kind Verantwortung übernehmen wollten und könnten. Das Kindeswohl verlange, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person habe, die für das Kind rechtsverbindlich handeln könne. Angesichts der Unterschiedlichkeit der Lebensverhältnisse, in die nichteheliche Kinder hineingeboren würden, sei es gerechtfertigt, das Kind bei der Geburt sorgerechtlich grundsätzlich der Mutter und nicht dem Vater oder beiden Elternteilen gemeinsam zuzuordnen (vgl. BVerfGE 107, 150 <169 f.>).

Auch § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB verstoße nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG. Es lägen derzeit keine Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Vorschrift, die unter Kindeswohlgesichtspunkten den Konsens der Eltern zur Voraussetzung einer gemeinsamen Sorge mache, dem Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes nicht ausreichend Rechnung getragen werde (vgl. BVerfGE 107, 150 <172>).

Die gemeinsame Sorge setze im Kindeswohlinteresse bei beiden Elternteilen die Bereitschaft voraus, Verantwortung für das Kind zu tragen. Die Ausübung dieser gemeinsamen Verantwortung erfordere den Aufbau einer persönlichen Beziehung zum Kind durch jeden Elternteil und bedürfe eines Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Fehle es hieran und seien die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage, könne die gemeinsame Sorge für das Kind dem Kindeswohl zuwiderlaufen (vgl. BVerfGE 107, 150 <173>).

Der Gesetzgeber habe bei verheirateten Eltern aufgrund der rechtlichen Verbindung, die diese mit der Ehe eingegangen seien, unterstellt, dass es zwischen ihnen als Voraussetzung für eine dem Kindeswohl dienliche gemeinsame Sorgerechtsausübung eine Übereinstimmung sowie die Bereitschaft gebe, zusammen Sorge für das gemeinsame Kind zu tragen. Bei nicht miteinander verheirateten Eltern fehle es an diesem Anknüpfungspunkt für eine solche Annahme. Um dafür ein Äquivalent zu schaffen, das die gesetzliche Vermutung einer gemeinsamen Sorgerechtsausübung im Kindeswohlinteresse auch bei nicht miteinander verheirateten Eltern trage, habe der Gesetzgeber ihnen mit § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB die Möglichkeit eingeräumt, durch übereinstimmende Erklärungen zum Ausdruck zu bringen, dass sie willig und bereit seien, gemeinsam für ihr Kind zu sorgen (vgl. BVerfGE 107, 150 <174>).

Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Eltern bei bestehender Kooperationsbereitschaft die Möglichkeit einer gemeinsamen Sorgetragung in der Regel nutzen und ihre tatsächliche Sorge durch Sorgeerklärungen auch rechtlich absichern würden. Dass es dennoch Fälle geben könne, in denen die Mutter sogar trotz Zusammenlebens mit dem Vater und dem Kind keine Sorgeerklärung abgeben wolle, habe der Gesetzgeber gesehen. Seine Einschätzung, in solchen Fällen sei die Weigerung der Mutter Ausdruck eines Konflikts zwischen den Eltern, der sich bei einem Streit auch über die gemeinsame Sorge nachteilig für das Kind auswirke, sei vertretbar. Der Gesetzgeber habe davon ausgehen dürfen, dass eine Mutter, gerade wenn sie mit dem Vater und dem Kind zusammenlebe, sich nur ausnahmsweise und nur dann dem Wunsch des Vaters nach einer gemeinsamen Sorge verweigere, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe habe, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen würden, und dass sie die Möglichkeit der Verweigerung einer Sorgeerklärung nicht etwa als Machtposition gegenüber dem Vater missbrauche (vgl. BVerfGE 107, 150 <176 f.>).

§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB würde sich aber mit Art. 6 Abs. 2 GG als unvereinbar erweisen, falls diese Annahme des Gesetzgebers nicht zuträfe und sich insbesondere herausstellen sollte, dass es selbst bei einem Zusammenleben der Eltern mit dem Kind in größerer Zahl nicht zur Abgabe gemeinsamer Sorgeerklärungen aus Gründen komme, die nicht vom Kindeswohl getragen würden. Da der Gesetzgeber Regelungen getroffen habe, die nur bei Richtigkeit seiner prognostischen Annahme das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG wahren, sei er verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob seine Annahme auch vor der Wirklichkeit Bestand habe. Stelle sich heraus, dass dies regelmäßig nicht der Fall sei, werde er dafür sorgen müssen, dass Vätern nichtehelicher Kinder, die mit der Mutter und dem Kind als Familie zusammenleben, ein Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnet werde, der ihren Elternrechten aus Art. 6 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung trage (vgl. BVerfGE 107, 150 <178 ff.>).

2. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich im Jahr 2009 in dem Fall Zaunegger gegen Deutschland mit der Vorschrift des § 1626a BGB befasst (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, Nr. 22028/04, Urteil vom 3. Dezember 2009). In dem Urteil erklärte eine Kammer der Fünften Sektion des EGMR, dass
- der grundsätzliche Ausschluss einer gerichtlichen Überprüfung der ursprünglichen Zuweisung der Alleinsorge an die Mutter im Hinblick auf den verfolgten Zweck, nämlich den Schutz des Wohls eines nichtehelichen Kindes, nicht verhältnismäßig sei. Folglich liege eine Verletzung von Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK vor.

Indem der deutsche Gesetzgeber Eltern eines nichtehelichen Kindes gestatte, sich auf das gemeinsame Sorgerecht zu einigen, versuche er, die nicht miteinander verheirateten Eltern in gewissem Umfang verheirateten Eltern gleichzustellen, die sich mit dem Eheschluss dazu verpflichtet hätten, füreinander und für ein gemeinsames Kind Verantwortung zu tragen. Angesichts der unterschiedlichen Lebenssituationen nichtehelicher Kinder und in Ermangelung einer gemeinsamen Sorgeerklärung sei es auch gerechtfertigt, zum Schutz des Kindeswohls die elterliche Sorge zunächst der Mutter zuzuweisen, um sicherzustellen, dass es ab der Geburt eine Person gebe, die für das Kind rechtsverbindlich handeln könne (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 53, 55).

Es könne auch triftige Gründe dafür geben, einem nicht verheirateten Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen. Dies könne der Fall sein, wenn
- Streitigkeiten oder
- mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern
- das Kindeswohl gefährden würden.

Es sei jedoch keineswegs erwiesen, dass die Beziehungen zwischen nicht verheirateten Vätern und ihren Kindern generell durch eine solche Haltung gekennzeichnet seien. Für den Fall, dass keine triftigen Gründe vorlägen, bleibe es nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB dem Vater eines nichtehelichen Kindes dennoch von vornherein kraft Gesetzes verwehrt, eine gerichtliche Überprüfung zu beantragen, ob die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl dienen würde, und durch eine gerichtliche Entscheidung eine möglicherweise willkürliche Weigerung der Mutter, dem gemeinsamen Sorgerecht zuzustimmen, ersetzen zu lassen. Das Argument des Gesetzgebers, dass, wenn die Eltern zusammenlebten, die Mutter sich aber weigere, eine gemeinsame Sorgeerklärung abzugeben, dies eine Ausnahme sei und die Mutter dafür schwerwiegende Gründe habe, die vom Kindeswohl getragen seien, sei nicht überzeugend (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 56 ff.).

Ebenso wenig sei der Gerichtshof von dem Argument überzeugt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die gerichtliche Anordnung der gemeinsamen Sorge zu Konflikten zwischen beiden Elternteilen führe und dem Kindeswohl daher abträglich sei. Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge könnten zwar immer potentiell zur Verunsicherung eines Kindes führen, allerdings sehe das deutsche Recht eine umfassende gerichtliche Überprüfung der Sorgerechtsregelung immer dann vor, wenn der Vater ehemals sorgeberechtigt gewesen sei, entweder weil die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet gewesen seien, oder danach geheiratet oder die gemeinsame elterliche Sorge vereinbart hätten. Es seien keine hinreichenden Gründe ersichtlich, warum der Vater eines nichtehelichen Kindes einen geringeren Rechtsschutz habe und bei Anerkennung der Vaterschaft und Übernahme der Vaterrolle anders behandelt werden solle als ein Vater, der ursprünglich die elterliche Sorge inne gehabt und sich später von der Mutter getrennt habe oder sich habe scheiden lassen (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 61 f.).

III. In allen 27 Ländern der Europäischen Union besteht die Möglichkeit zur gemeinsamen elterlichen Sorge für nichtehelich geborene Kinder unter der Voraussetzung, dass die Vaterschaft des nichtverheirateten Vaters rechtsverbindlich feststeht. Im Rahmen der konkreten Ausgestaltung der Regelung elterlicher Sorge belassen sieben EU-Mitgliedstaaten, anders als das deutsche Recht, der Mutter zwar von Gesetzes wegen die Alleinsorge, ermöglichen aber dem Vater sowohl bei Konsens der Eltern als auch aufgrund gerichtlicher Entscheidung ein Sorgerecht (Finnland: §§ 9, 10 finn. SorgRG; Irland: Sec. 6A para 1 Guardianship of Infants Act 1964 i.d.F. der Sec. 6 Children Act 1997, Sec. 9 Guardianship of Infants Act 1964; Luxemburg: Art. 380 lux. CC; Niederlande: Art. 1:253c nl. BW; Schweden: 6:5 schwed. FB; Vereinigtes Königreich: Sec. 4 para. 1c Children Act 1989; Zypern: Sec. 6 Illegitimate Children Law CAP 278). In 18 EU-Mitgliedstaaten sind unverheiratete Eltern verheirateten Eltern weitgehend oder vollständig gleichgestellt und erlangen kraft Gesetzes das gemeinsame Sorgerecht (Belgien: Art. 373, Art. 374 § 1 belg. CC; Bulgarien: Art. 68 Abs. 1, Art. 72 bulg. FamGB; Dänemark: Kap. 2 § 7 des dän. Gesetzes über elterliche Verantwortung; Estland: §§ 49, 50 estn. FamG; Frankreich: Art. 372 franz. Cciv; Griechenland: Art. 1515 griech. ZGB; Italien: Art. 317bis ital. Cciv; Lettland: Art. 178, 181 lett. ZGB; Litauen: Art. 3.165 litau. ZGB; Malta: Art. 90 Abs. 1, Art. 86 malt. ZGB; Polen: Art. 93 § 1 poln. FVGB; Portugal: Art. 1911 i.V.m. Art. 1901 port. CC; Rumänien: Art. 97 rumän. FGB; Slowakei: § 28 Abs. 2 slowak. FamG; Slowenien: Art. 102, Art. 105 Abs. 1 slowen. EheFamG; Spanien: Art. 156 span. CC; Tschechische Republik: § 34 Abs. 1, § 52 Abs. 1 tschech. FamG; Ungarn: § 72 Abs. 1 ungar. FamG).

Aufgrund des vom Bundesverfassungsgericht formulierten Prüfungsauftrags werden nach Maßgabe des Gesetzes zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2003 (BGBl I S. 2547) seit 2004 die jährlich rechtswirksam abgegebenen gemeinsamen Sorgeerklärungen statistisch erfasst. Setzt man die Zahl der im jeweiligen Berichtsjahr abgegebenen gemeinsamen Sorgeerklärungen ins Verhältnis zu den nichtehelichen lebend geborenen Kindern in dem betreffenden Jahr, ergibt dies
- im Jahr 2004 eine Quote von 44,3 %,
- im Jahr 2005 eine Quote von 45,2 %,
- im Jahr 2006 eine Quote von 46,6 %,
- im Jahr 2007 eine Quote von 49,1 % und
- im Jahr 2008 eine Quote von 50,7 %
(vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.23; Statistisches Bundesamt 2008, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2004, Tab. 3; Statistisches Bundesamt 2006, Bevölkerung 2005; Statistisches Bundesamt 2008, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2005, Tab. 3; Statistisches Bundesamt 2007, Bevölkerung 2006; Statistisches Bundesamt 2008, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2006, Tab. 3; Statistisches Bundesamt 2008, Bevölkerung 2007; Statistisches Bundesamt 2008, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2007, Tab. 3; Statistisches Bundesamt 2009, Bevölkerung 2008; Statistisches Bundesamt 2010, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2008, Tab. 3). Allerdings ist dabei zu beachten, dass damit nicht exakt wiedergegeben ist, wie viele Eltern nichtehelicher Kinder tatsächlich gemeinsame Sorgeerklärungen zu einem bestimmten Erhebungszeitpunkt abgegeben haben. Zum einen bleibt unberücksichtigt, dass Sorgeerklärungen auch für ältere Kinder abgegeben werden können und dass die Erklärung eines gemeinsamen Sorgerechts bereits vor der Geburt des Kindes vorgenommen werden kann (§ 1626b Abs. 2 BGB). Zum anderen kann von den amtlichen Zahlen der nichtehelichen Geburten nicht direkt auf die Anzahl nichtehelicher Kinder zu einem bestimmten Erhebungszeitpunkt geschlossen werden, da der Status des Kindes, beispielsweise durch Heirat der Eltern oder Adoption, veränderbar ist.

3. Eine im Jahr 2006 durchgeführte Umfrage des Bundesministeriums der Justiz zur gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern, an der sich 440 Jugendämter und 109 Rechtsanwälte beteiligten, hat das Ergebnis erbracht, dass nach Schätzung der befragten Jugendämter und Rechtsanwälte
- etwa 25 % bis 75 % aller Eltern nichtehelicher Kinder zusammenleben
- oder zumindest längere Zeit (mindestens ein Jahr) zusammengelebt haben,
ohne eine gemeinsame Sorge begründet zu haben (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 9, 12). Die Teilnehmer der Umfrage wurden ferner befragt, welche Motive von den Müttern für die Ablehnung der gemeinsamen Sorge angegeben würden. Dazu wurden acht mögliche Motive zur Auswahl gestellt, die zum Teil kindeswohlorientiert und zum Teil kindeswohlfern waren; eine Mehrfachnennung war möglich. Am häufigsten nannten die Teilnehmer die Motive
Die Mutter möchte die Alleinsorge behalten, um allein entscheiden zu können", und
Die Mutter möchte nichts mehr mit dem Vater zu tun haben und lehnt daher jeden Kontakt auch in Angelegenheiten des Kindes ab".
Diese beiden Motive wurden von etwa 80 % aller Jugendämter genannt. Mit etwa 70 % nannten die Jugendämter die Motive
Es kommt häufig zu Konflikten der Eltern, eine friedliche Verständigung ist nicht möglich", und
Eine Beziehung zwischen den Eltern hat nie bestanden, war lose oder ist beendet";
bei Rechtsanwälten wurden die beiden letzteren Motive nur von etwa 50 % der Teilnehmer genannt (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 12). Einige Befragte wiesen darüber hinaus darauf hin, dass Eltern häufig über die rechtlichen Folgen der Begründung oder Ablehnung der gemeinsamen Sorge wenig informiert seien. Dementsprechend würden bei ihren Entscheidungen emotionale Gründe - wie Verunsicherung, Kontrollbedürfnis und eigene Verletztheit - sowie die Einflussnahme Dritter eine große Rolle spielen. Darüber hinaus würden in einer intakten Beziehung die das Kind betreffenden Entscheidungen ohnehin gemeinsam getroffen, so dass viele Eltern nicht das Bedürfnis sehen würden, die gemeinsame Sorge zu begründen. Dieses Bedürfnis trete oftmals erst hervor, wenn sich die Eltern bereits getrennt hätten (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 14). Nach der Auswertung dieser Umfrage hat das Bundesministerium der Justiz ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben. Dessen bisherige Ergebnisse weisen die gleiche Tendenz auf.

IV. 1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines 1998 nichtehelich geborenen Sohnes. Die Eltern lebten lediglich einige Wochen zusammen und trennten sich noch während der Schwangerschaft der Mutter. Der gemeinsame Sohn lebt seit seiner Geburt im Haushalt der Mutter. Nachdem der Beschwerdeführer die Vaterschaft angezweifelt hatte, wurde diese in einem Verfahren vor dem Familiengericht durch Sachverständigengutachten festgestellt. Daraufhin erkannte der Beschwerdeführer im Dezember 1998 die Vaterschaft vor dem Jugendamt an. Die Mutter stimmte dem Anerkenntnis zu. Im Januar 2001 ließ der Beschwerdeführer eine notarielle Sorgeerklärung erstellen, in welcher er erklärte, die elterliche Sorge gemeinsam mit der Mutter übernehmen zu wollen. Die Mutter verweigerte eine entsprechende Sorgeerklärung. Im November 2002 vereinbarten die Eltern vor dem Familiengericht ein Umgangsrecht, das dem Beschwerdeführer unter anderem ermöglicht, jedes zweite Wochenende unter Einschluss von Übernachtungen mit dem gemeinsamen Sohn zu verbringen. Außerdem wurden Ferien-, Feiertags- und Geburtstagsregelungen getroffen. Beide Elternteile haben sich in den darauf folgenden Jahren an die getroffene Vereinbarung gehalten. Allerdings ist das Verhältnis der Eltern seit der Geburt des Kindes von Auseinandersetzungen und gegenseitigem Misstrauen geprägt.

2. Nachdem der Beschwerdeführer Anfang 2008 erfahren hatte, dass die Mutter beabsichtige, in den Sommerferien 2008 mit dem Kind innerhalb Deutschlands umzuziehen, beantragte er beim Familiengericht
- die teilweise Entziehung des Sorgerechts der Mutter und
- die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn selbst;

darüber hinaus stellte er hilfsweise den Antrag,
- ihm das alleinige Sorgerecht für seinen Sohn zu übertragen oder
- zur Begründung einer gemeinsamen Sorge die Zustimmung der Mutter zu seiner Sorgeerklärung zu ersetzen.


Nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten wies das Familiengericht die Anträge des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 30. Juni 2008 zurück. Gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter könne der Beschwerdeführer wegen § 1626a Abs. 1 BGB das alleinige Sorgerecht oder Teile davon nicht erlangen. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts oder des hilfsweise beantragten Sorgerechts auf den Beschwerdeführer komme auch nicht nach § 1672 Abs. 1 BGB in Betracht. § 1672 Abs. 1 BGB setze zwingend die Zustimmung der Mutter zur Begründung der alleinigen elterlichen Sorge voraus. Gründe für eine Entziehung der Sorge der Mutter nach § 1666 BGB lägen nicht vor. Allein der seit Beginn des Verfahrens bestehende und mit einer teilweisen Ablehnung der Mutter verbundene ausdrückliche Wunsch des Sohnes, beim Vater leben zu wollen, könne einen Eingriff nach § 1666 BGB nicht rechtfertigen. Die dagegen eingelegte Beschwerde verwarf das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 20. November 2008 als unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht beschwerdebefugt sei. Eine unmittelbare Betroffenheit des nicht sorgeberechtigten Beschwerdeführers in seinen Rechten könne erst bejaht werden, wenn die elterliche Sorge der Mutter gemäß den §§ 1666, 1666a, 1680 BGB entzogen worden sei, da sich erst dann die Frage stelle, ob die Sorge auf den Beschwerdeführer zu übertragen sei. Die gegen die amtsgerichtliche Entscheidung erhobene Anhörungsrüge wies das Familiengericht mit Beschluss vom 8. Januar 2009 zurück, da dem Beschwerdeführer umfänglich rechtliches Gehör gewährt worden sei.

3. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde, mit der er eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 1, Art. 6, Art. 8 und Art. 14 EMRK geltend macht. Er hält die den Entscheidungen zugrunde liegenden Normen für verfassungswidrig, soweit diese die Begründung der gemeinsamen oder alleinigen Sorge für den Vater eines nichtehelich geborenen Kindes von der Zustimmung der Mutter oder einem Sorgerechtsentzug der Mutter abhängig machen. Verfassungsrechtlich geboten sei vielmehr der automatische Eintritt der gemeinsamen elterlichen Sorge ab Feststehen der Vaterschaft. Zumindest müsse eine gerichtliche Überprüfung der von der Mutter verweigerten Zustimmungserklärung im Einzelfall und die Anordnung einer gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der alleinigen Sorge auf den Vater unterhalb der Schwelle des § 1666 BGB möglich sein. In seinem Fall sei aufgrund der hohen Schwelle des § 1666 BGB der Kindeswille unbeachtet geblieben; eine Überprüfung, ob der Beschwerdeführer zur Ausübung der elterlichen Sorge geeignet sei und die Übertragung der elterlichen Sorge oder von Teilen der elterlichen Sorge auf ihn dem Kindeswohl diene, habe nicht stattgefunden. Wäre das Kind ehelich, hätte dem Beschwerdeführer das alleinige Sorgerecht bei bestehender Alleinsorge der Mutter gemäß § 1696 BGB und nach § 1671 Abs. 2 BGB bei bestehendem gemeinsamen Sorgerecht übertragen werden können. Zu Unrecht habe das Oberlandesgericht seine Beschwerdebefugnis verneint.

V. Von der eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme haben namens der Bundesregierung das Bundesministerium der Justiz und der Deutsche Familiengerichtstag e.V. Gebrauch gemacht.

1. Das Bundesministerium der Justiz geht in seiner Stellungnahme davon aus, dass nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen der Hauptantrieb der Mütter, einem gemeinsamen Sorgerecht mit dem Vater nicht zuzustimmen, wohl in einer größeren Zahl von Fällen nicht primär in schwerwiegenden Kindeswohlerwägungen liege. Angesichts dessen und im Lichte des jüngsten Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte würden Vorüberlegungen für einen Gesetzesentwurf zur Änderung der sorgerechtlichen Rechtslage angestellt. Die Vorschriften zur Beschwerdebefugnis in sorgerechtlichen Verfahren seien einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich.

2. Der Deutsche Familiengerichtstag e.V. ist der Auffassung, dass § 1672 Abs. 1 BGB und damit auch § 1626a BGB und § 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 1666 BGB gegen Art. 6 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 und Art. 3 GG verstoßen, soweit die Normen bei einer Zustimmungsverweigerung der Mutter keine gerichtliche Prüfung im Einzelfall vorsehen. Dem Vater allein über den Weg des § 1666 BGB die Zugangsmöglichkeit zur elterlichen Sorge zu eröffnen, sei ungeeignet, einen angemessenen, insbesondere auch dem Kindeswohl gerecht werdenden Ausgleich zwischen den Grundrechten der Eltern eines nichtehelichen Kindes zu schaffen. § 1666 BGB biete keinen Maßstab für die sorgerechtliche Entscheidung in Konfliktsituationen zwischen den Eltern, sondern sei auf den durch das Kindesinteresse legitimierten staatlichen Eingriff in das Elternrecht zugeschnitten. Eine Absenkung der in § 1666 Abs. 1 BGB definierten Eingriffsschwelle würde die Abgrenzung zwischen Elternverantwortung und staatlichem Wächteramt relativieren.

B. Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist begründet.

§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 1672 Abs. 1 BGB sind mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar.

Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber das elterliche Sorgerecht für ein nichteheliches Kind zunächst allein seiner Mutter übertragen hat (vgl. BVerfGE 107, 150 <169>). Ebenfalls steht mit der Verfassung in Einklang, dass dem Vater eines nichtehelichen Kindes nicht zugleich mit der wirksamen Anerkennung seiner Vaterschaft gemeinsam mit der Mutter das Sorgerecht eingeräumt ist. Eine solche Regelung wäre zwar möglich, sie ist aber verfassungsrechtlich nicht geboten.

Der Gesetzgeber greift jedoch dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes ein, dass er den Vater generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließt, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigert, ohne dass ihm die Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob er aus Gründen des Kindeswohls an der elterlichen Sorge zu beteiligen oder ihm, auch in Abwägung seines Elternrechts mit dem der Mutter, die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen ist. Die dem geltenden Recht zugrunde liegende Annahme des Gesetzgebers, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter verfolgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen, hat sich nicht bestätigt.

I. Das Elternrecht, das Art. 6 Abs. 2 GG Müttern wie Vätern gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. So sind Regeln und rechtsförmige Verfahren erforderlich, die auch für nichtehelich geborene Kinder klären, wer rechtlich als Vater des Kindes anzuerkennen und damit Rechtsträger des Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG ist (vgl. BVerfGE 92, 158 <177 f.>; 108, 82 <101>). Weil das Elternrecht beiden Elternteilen zusteht, sind zudem Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen. Dabei hat der Staat aufgrund seines ihm durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG auferlegten Wächteramtes sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl. BVerfGE 121, 69 <94>). Fehlt es hieran mangels eines erforderlichen Mindestmaßes an Übereinstimmung zwischen den Eltern, darf der Gesetzgeber einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>).

1. Das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG wird nicht dadurch verletzt, dass das Kind nach § 1626a Abs. 2 BGB zunächst rechtlich allein seiner Mutter zugeordnet wird und sie die Personensorge für das Kind erhält. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2003 ausgeführt hat, werden nichteheliche Kinder in eine Vielzahl familiärer Konstellationen hineingeboren (vgl. BVerfGE 107, 150 <170>). Das Spektrum reicht von Fällen, in denen der Vater nicht feststellbar ist oder nicht feststeht, über solche, in denen er zwar Unterhalt zahlen, aber keine Sorge für das Kind tragen will und teilweise sogar den Umgang mit dem Kind ablehnt (vgl. BVerfGE 121, 69 ff.), bis hin zu solchen, in denen der Vater zusammen mit der Mutter oder alleine für das Kind sorgen möchte. Im Zeitpunkt der Geburt eines nichtehelichen Kindes kann deshalb nicht generell davon ausgegangen werden, dass das Kind einen Vater hat, dem es rechtlich zugeordnet werden kann und der bereit ist, Verantwortung für das Kind zu tragen.

Hieran hat sich seit dieser Entscheidung nichts Wesentliches geändert. Zwar ist inzwischen der Anteil der Kinder, die nichtehelich geboren werden, an der Gesamtzahl der Geburten in Deutschland auf 32,1 % angestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Bevölkerung 2008). Auch hat sich der Anteil der minderjährigen Kinder, die in nichtehelichen elterlichen Lebensgemeinschaften aufwachsen, seit dem Jahr 2001 von 5,4 % auf mindestens 7,1 % im Jahr 2008 erhöht. Jedoch wachsen zugleich mindestens 16,1 % der Kinder lediglich mit einem Elternteil auf, wobei hierunter auch Scheidungskinder fallen (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.17). Setzt man wiederum die jährlich abgegebenen gemeinsamen Sorgeerklärungen von Eltern nichtehelicher Kinder ins Verhältnis zu den nichtehelich geborenen Kindern des jeweiligen Jahres, dann trägt dies die Einschätzung, dass mittlerweile für ungefähr die Hälfte der nichtehelich geborenen Kinder eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern besteht (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Bevölkerung 2008; Statistisches Bundesamt 2010, Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe 2008, Tab. 3). Allerdings ist nicht feststellbar, wann die Sorgeerklärungen, die die Anerkennung der Vaterschaft voraussetzen, abgegeben werden. So bleibt eine Studie bisher unwiderlegt, die bei den untersuchten Fällen zu dem Ergebnis kam, dass zwar 80 % der Väter ihre Vaterschaft freiwillig anerkannten, dies jedoch in zwei Dritteln der Fälle erst nach der Geburt des Kindes taten (vgl. Vascovics u.a., Lebenslage nichtehelicher Kinder, 1997, S. 160 f.). Aufgrund der statistischen Zahlen ist insofern zwar ein Entwicklungstrend hin zu Familiengründungen erkennbar, in denen nicht miteinander verheiratete Eltern gemeinsam für ihr Kind Sorge tragen. Allerdings ist auch heutzutage zum Zeitpunkt der Geburt eines nichtehelichen Kindes vielfach rechtlich noch nicht geklärt, wer dessen Vater ist und ob dieser gegebenenfalls auch Sorge für das Kind tragen will.

Das Kindeswohl verlangt aber, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die für das Kind rechtsverbindlich handeln kann. Der Gesetzgeber verfolgt deshalb ein legitimes Ziel, wenn er das nichteheliche Kind bei seiner Geburt sorgerechtlich grundsätzlich der Mutter und nicht dem Vater oder beiden gemeinsam zuweist (vgl. auch EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 53, 55). Denn die Mutter ist die einzige sichere Bezugsperson, die das Kind bei seiner Geburt vorfindet und die aufgrund von § 1591 BGB als Elternteil feststeht. Um sicherzustellen, dass für das Kind vom ersten Lebenstag an tatsächlich und rechtlich Verantwortung getragen werden kann, ist es gerechtfertigt, den Vater zunächst einmal an der Sorge für das Kind nicht teilhaben zu lassen (vgl. BVerfGE 107, 150 <170 f.>).

2. Das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG gebietet es auch nicht, Vätern nichtehelicher Kinder generell mit wirksamer Anerkennung ihrer Vaterschaft gemäß §§ 1594 ff. BGB kraft Gesetzes das Sorgerecht für ihr Kind gemeinsam mit der Mutter zuzuerkennen.

Eine gesetzliche Regelung, die eine solche Rechtsfolge des Vaterschaftsanerkenntnisses vorsieht, wäre zwar mit der Verfassung vereinbar, sofern sie mit der Möglichkeit verbunden wird, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob die gesetzlich begründete gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl im Einzelfall tatsächlich entspricht. Der Gesetzgeber hat aber tragfähige Gründe, von dieser Lösung abzusehen.

a) Die Anerkennung der Vaterschaft enthält die Erklärung, Vater eines nichtehelichen Kindes zu sein und für das Kind die Rechtsposition als Vater einnehmen zu wollen. Stimmt die Mutter des Kindes dem zu, dann wird gesetzlich vermutet, dass dies den Tatsachen entspricht, und der Erklärende rückt in die rechtliche Vaterschaft ein. Aus dieser Bereitschaft des Vaters eines nichtehelichen Kindes, rechtlich dem Kind als Vater zugeordnet zu werden, kann jedoch nicht generell darauf geschlossen werden, dass dieser auch gewillt ist, zusammen mit der Mutter Sorge für das Kind zu tragen. Ebenso lässt die elterliche Übereinstimmung über die Anerkennung der Vaterschaft nicht unbedingt darauf schließen, dass die Eltern bereit und in der Lage sind, die Sorge für das Kind unter hinreichender Berücksichtigung des Kindeswohls gemeinsam auszuüben. Zum einen sind die Beziehungskonstellationen zwischen den Eltern, in die nichteheliche Kinder hineingeboren werden, zu unterschiedlich, um eine solch weitgehende Vermutung zu tragen. Denn es kann vorkommen, dass beide Elternteile trotz rechtlicher Anerkennung der Vaterschaft einander ablehnen, was einer gedeihlichen gemeinsamen Sorge im Interesse des Kindes unzuträglich sein kann. Auch ist nicht auszuschließen, dass ein Vater zwar die Vaterschaft anerkennt, sich aber weigert, Kontakt mit seinem Kind aufzunehmen oder Umgang zu pflegen (vgl. BVerfGE 121, 69 ff.). Zum anderen spricht auch der Umstand, dass es nach rechtlicher Vaterschaftsanerkennung nur bei ungefähr der Hälfte der nichtehelichen Kinder zu einer freiwilligen Begründung einer gemeinsamen Sorge durch die Eltern nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt, gegen die Annahme, in der Übereinstimmung der Eltern hinsichtlich der Vaterschaft komme stets konkludent auch ein übereinstimmender Wille der Eltern zur gemeinsamen Sorgetragung zum Ausdruck. Ein genereller Wille des Vaters zur Sorgetragung für sein Kind lässt sich hieraus jedenfalls nicht ableiten. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Nichtbegründung einer gemeinsamen Sorge bei ungefähr der Hälfte der nichtehelich geborenen Kinder vor allem oder gar ausschließlich an der mangelnden Bereitschaft der Mutter dazu scheitert.

b) Dies hindert den Gesetzgeber allerdings nicht daran, angesichts des Umstandes, dass immerhin für die Hälfte der nichtehelichen Kinder eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern begründet wird, den Vater eines nichtehelichen Kindes mit der rechtlichen Anerkennung der Vaterschaft zugleich kraft Gesetzes in die Sorgetragung für das Kind einzubeziehen und ihm die gemeinsame Sorge mit der Mutter zu übertragen, zumal eine große Anzahl von Eltern nur mangels ausreichender Information oder weil sie meinen, ihre faktische gemeinsame Sorge für das Kind bedürfe keiner rechtlichen Absicherung, von der Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung absehen (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 14). Hierdurch würde nicht nur dem väterlichen Elternrecht Rechnung getragen, sondern der Vater eines nichtehelichen Kindes würde auch mehr in die Pflicht zur Pflege und Erziehung seines Kindes genommen, die mit dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG verbunden ist (vgl. BVerfGE 108, 82 <102>; 121, 69 <92>). Jedoch ist bei einer solchen generellen Rechtszuweisung der gemeinsamen elterlichen Sorge an die Mutter wie den Vater eines nichtehelichen Kindes zu berücksichtigen, dass keineswegs immer von einer tragfähigen Beziehung zwischen den Eltern eines nichtehelichen Kindes ausgegangen werden kann, die gewährleistet, dass die Ausübung gemeinsamer elterlicher Sorge hinreichend konfliktfrei verläuft und das Kindeswohl nicht beeinträchtigt. Zur Wahrung des Kindeswohls wäre der Gesetzgeber deshalb verfassungsrechtlich gehalten, in Ausübung seines Wächteramtes jedem Elternteil die Möglichkeit einzuräumen, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern im Einzelfall wirklich mit dem Kindeswohl in Einklang steht oder aus Kindeswohlgründen entweder wieder der Mutter oder nunmehr dem Vater die Alleinsorge für das Kind zu übertragen ist. Für den Fall einer durch Ehe oder übereinstimmende Sorgeerklärung begründeten gemeinsamen Sorge getrennt lebender Eltern hat der Gesetzgeber dies bereits in § 1671 BGB vorgesehen.

c) Andererseits aber ist es dem Gesetzgeber auch nicht verwehrt, bei der Zuordnung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind zu berücksichtigen, dass nicht davon ausgegangen werden kann, Väter nichtehelicher Kinder seien stets willens, gemeinsam mit der Mutter Sorge für ihr Kind zu tragen. Denn ein mangelnder Wille des Vaters zur gemeinsamen Sorgetragung könnte bei Koppelung der Sorgetragung an die Anerkennung der Vaterschaft die Gefahr in sich bergen, dass Väter sich weniger dazu bereit erklären, die Vaterschaft freiwillig anzuerkennen. Dies könnte die Zahl der notwendig werdenden Verfahren einer gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft gemäß § 1600d BGB erhöhen und das Verhältnis zwischen den Eltern in einer dem Kindeswohl unzuträglichen Weise beeinträchtigen. Darüber hinaus darf der Gesetzgeber in seine Erwägungen einbeziehen, dass eine generelle gesetzliche Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorgetragung auch Fälle umfassen kann, in denen aufgrund massiver Konflikte zwischen den Eltern das Kindeswohl zumindest so lange in Mitleidenschaft gezogen würde, bis die gemeinsame Sorge der Eltern durch gerichtliche Entscheidung wieder aufgehoben und in eine Alleinsorge überführt würde (vgl. BTDrucks 13/8511, S. 66). Um dies zu verhindern, ist es in Abwägung des Kindeswohls mit dem Elternrecht beider Elternteile ebenfalls verfassungsrechtlich gerechtfertigt und nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, dem Vater eines nichtehelichen Kindes mit wirksamer Vaterschaftsanerkennung zugleich kraft Gesetzes die gemeinsame Sorge mit der Mutter zu übertragen, womit es auch bei erfolgter Anerkennung der Vaterschaft zunächst bei der alleinigen Sorgetragung für das Kind durch die Mutter verbleibt.

II. Das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG ist jedoch dadurch verletzt, dass ihm der Zugang zur Sorgetragung für sein Kind bei Weigerung der Mutter, hierzu die Zustimmung zu erteilen, generell verwehrt ist, weil ihm durch § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB und § 1672 Abs. 1 BGB keine Möglichkeit eingeräumt ist, gegen den Willen der Mutter gerichtlich überprüfen zu lassen, ob es aus Gründen des Wohls seines Kindes angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm anstelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.

1. Es ist nicht nur eine notwendige gesetzgeberische Ausgestaltung des Elternrechts, sondern stellt einen Eingriff in das von Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes dar, dass der Gesetzgeber in § 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Realisierung des väterlichen Sorgerechts vom Willen der Mutter abhängig macht und dem Vater bei Zustimmungsverweigerung durch die Mutter den Zugang zur elterlichen Sorge verschließt, indem er für diesen Fall keine gerichtliche Einzelfallprüfung vorsieht. Die elterliche Sorge ist essentieller Bestandteil des von Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Rechts der Eltern auf Pflege und Erziehung des eigenen Kindes (vgl. BVerfGE 56, 363 <382>). Wird sie einem Elternteil generell vorenthalten, liegt darin ein Eingriff.

2. Ein Eingriff in das Elternrecht durch generellen Ausschluss des Vaters von der elterlichen Sorge bei mangelnder Zustimmung der Mutter ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil § 1680 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 1666 BGB es zulässt, bei einer Gefährdung des Kindeswohls durch Versagen der Mutter dieser unter bestimmten Voraussetzungen das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es auf den Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient. Damit wird dem Vater eines nichtehelichen Kindes der Zugang zur elterlichen Sorge nicht grundsätzlich eröffnet. § 1666 BGB ist keine Norm, die den Eltern im Verhältnis zueinander prinzipiell Rechte zuordnet oder auf einen Ausgleich der elterlichen Rechte abzielt. Mit dieser Norm werden vielmehr Eingriffen des Staates in das Recht der Eltern Grenzen gesetzt und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen der Staat seinem Wächteramt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG nachkommen muss (vgl. BVerfGE 107, 150 <182 f.>). Deshalb verbietet es sich auch, durch interpretatorische Öffnung von § 1666 BGB dem Vater eines nichtehelichen Kindes einen erleichterten Zugang zum Sorgerecht zu verschaffen. Denn dies senkte zugleich die Hürde der staatlichen Eingriffsbefugnis in das Elternrecht, womit es zu einer unverhältnismäßigen und damit ungerechtfertigten Einschränkung der durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Eigenverantwortung von Eltern für ihre Kinder kommen könnte. § 1680 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 1666 BGB ist damit als generelle Zugangsregel zum elterlichen Sorgerecht für Väter weder gesetzlich vorgesehen noch geeignet.

3. Mit dem Erfordernis der mütterlichen Zustimmung als Voraussetzung für den Zugang des Vaters eines nichtehelichen Kindes zur elterlichen Sorge verfolgt der Gesetzgeber ein legitimes Ziel. Er will eine Kindeswohlgefährdung vermeiden, die
- bei Begründung einer gemeinsamen Sorge aufgrund fehlenden Konsenses der Eltern über die Sorgetragung für ihr Kind oder
- bei Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gegen den Willen der Mutter durch Beeinträchtigung der Mutter-Kind-Beziehung eintreten könnte
(vgl. BTDrucks 13/4899, S. 58, 60).

a) Die Ausübung der gemeinsamen Verantwortung für ein Kind erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern. Fehlt es daran und sind die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage, kann die gemeinsame Sorge für das Kind dem Kindeswohl zuwiderlaufen. Tragen die Eltern ihren Konflikt auf dem Rücken des Kindes aus, kann das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet werden (vgl. BVerfGE 107, 150 <173>).

Besteht zwischen den Eltern Einigkeit über die Sorgetragung für das Kind und kommt dies in einer gemeinsamen und übereinstimmenden Erklärung zum Ausdruck, kann davon ausgegangen werden, dass beide Eltern auch den Willen zur Kooperation bei der Pflege und Erziehung ihres Kindes besitzen. Fehlt es jedoch an einer solchen Einigung, kann dies auf einen Konflikt zwischen den Eltern hinweisen, der sich folgenschwer auf das Kind auswirken kann (vgl. BVerfGE 107, 150 <174 ff.>). Denn Uneinigkeit über die Begründung einer gemeinsamen Sorge lässt darauf schließen, dass es auch zu Auseinandersetzungen über deren Ausübung kommen kann, die womöglich auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist zu vermuten, dass eine gegen den Willen eines Elternteils erzwungene gemeinsame Sorge regelmäßig mit mehr Nachteilen als Vorteilen für das Kind verbunden ist (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 58 ff.; BTDrucks 13/8511, S. 66). Um solche Nachteile auszuschließen und dem Kindeswohl Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB nur bei übereinstimmendem elterlichen Willen dazu vorgesehen und sie bei mangelndem Konsens der Eltern ausgeschlossen.

b) Auch die Bindung der Sorgeübertragung allein auf den Vater an die Zustimmung der Mutter soll dem Kindeswohl dienen. Der Gesetzgeber will damit vermeiden, dass die Unsicherheit der Mutter, ihr könne gegen ihren Willen die Sorge für das Kind entzogen und auf den Vater übertragen werden, das bestehende enge Verhältnis zwischen Mutter und Kind belastet und dies dem Kind zum Nachteil gereicht. Zudem soll verhindert werden, dass die Befürchtung der Mutter, der Vater könne sich als der „bessere" Elternteil erweisen, sich schon auf deren Bereitschaft, die Vaterschaftsfeststellung zu betreiben, auswirken und auch den Umgang des Vaters mit dem Kind zu dessen Nachteil tangieren könnte (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 59 f.).

4. Die Regelungen der § 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB, die den Zugang des Vaters eines nichtehelichen Kindes zur elterlichen Sorge an die Zustimmung der Mutter binden, sind zur Wahrung des Kindeswohls und zur Verhinderung einer Kindeswohlgefährdung grundsätzlich auch geeignet. Sie können Konflikte zwischen den Eltern über die Sorgetragung für ihr Kind im Faktischen zwar nicht verhindern. Dadurch, dass diese Konflikte nicht gerichtlich ausgetragen werden können, haben sie jedoch auf die Ausübung der elterlichen Sorge keinen maßgeblichen Einfluss, die insofern widerspruchsfrei erfolgen und dem Kind Orientierung bieten kann. Zudem wird das Kind nicht noch zusätzlich durch eine gerichtliche Auseinandersetzung belastet (vgl. BVerfGE 107, 150 <177>).

5. Es bestehen allerdings Zweifel, ob der generelle, gerichtlich nicht überprüfbare Ausschluss des Vaters eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge bei Zustimmungsverweigerung durch die Mutter erforderlich ist, um eine Kindeswohlgefährdung durch eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern oder durch eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gegen den Willen der Mutter zu verhindern. Jedenfalls ist der darin liegende Eingriff in das Elternrecht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG unverhältnismäßig im engeren Sinne und verletzt das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes, weil dieser den Ausschluss des Sorgerechts nicht einer gerichtlichen Einzelfallprüfung am Maßstab des Kindeswohls unterziehen kann.

a) § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB eröffnet dem Vater eines nichtehelichen Kindes lediglich dann die Teilhabe an der gemeinsamen Sorge mit der Mutter, wenn diese ihre Zustimmung dazu gibt. Wird diese von der Mutter verweigert, ist der Vater dauerhaft von der gemeinsamen Sorge für sein Kind ausgeschlossen. Er wird zwar gemäß §§ 1601 ff. BGB zur Zahlung von Kindesunterhalt herangezogen und hat auch der Mutter nach Maßgabe von § 1615l BGB wegen der Betreuung des Kindes Unterhalt zu zahlen, soweit er leistungsfähig ist, darf aber über die Geschicke seines Kindes und dessen Erziehung nicht mitentscheiden. Ihm verbleibt lediglich das Recht auf Umgang mit dem Kind (§ 1684 BGB), sofern und soweit der Umgang mit dem Kindeswohl in Einklang steht. Diese Versagung der Einflussnahmemöglichkeit auf die Pflege und Erziehung des Kindes ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung stellt einen tiefgreifenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters dar.

Demgegenüber ist der Mutter gesetzlich nicht nur vorbehaltlos das alleinige Sorgerecht eingeräumt, das ihr nur bei Gefährdung des Kindeswohls entzogen werden kann. Ihr ist auch die Kompetenz übertragen, darüber zu entscheiden, ob der Vater Zugang zur elterlichen Sorge für sein Kind erhält. Unmaßgeblich ist bei dieser Regelung, ob die Sorgetragung, die die Mutter wünscht oder ablehnt, dem Kindeswohl zuträglich ist. Mit dieser Abhängigkeit der Beteiligung des Vaters an der gemeinsamen Sorge vom Willen der Mutter setzt der Gesetzgeber das Elternrecht des Vaters in unverhältnismäßiger Weise generell hinter das der Mutter zurück, ohne dass dies durch die Wahrung des Kindeswohls geboten ist. Zwar können Gerichtsverfahren temporär eine zusätzliche Belastung für das Kind mit sich bringen (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 61). Doch die grundsätzliche Klärung der Sorgerechtsfrage dient gerade dem Kindeswohl. Nur dieses vermag zu rechtfertigen, einen Elternteil von der Sorge für sein Kind auszuschließen (vgl. BVerfGE 121, 69 <94>).

(1) Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist beizupflichten, dass der Gesetzgeber selbst seine die Regelung des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtfertigende Prämisse, eine mangelnde Übereinstimmung der Eltern über die Sorgetragung lasse einen elterlichen Konflikt erkennen, der stets zu einer dem Wohl des Kindes abträglichen Ausübung gemeinsamer Sorge führe, nicht konsequent seinem Gesamtkonzept der Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder zugrunde gelegt hat (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 61 f.). Denn leben nicht miteinander verheiratete Eltern, die einmal eine gemeinsame Sorge begründet haben, getrennt und möchte ein Elternteil gegen den Willen des anderen die Alleinsorge für das Kind erhalten, ist ihm gemäß § 1671 BGB das Recht eingeräumt, einen entsprechenden Antrag auf Übertragung der Alleinsorge zu stellen. Dabei schließt der Gesetzgeber nicht schon aus dieser Antragstellung und der mangelnden Zustimmung des anderen Elternteils hierzu auf eine mangelnde Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern mit schädlichen Auswirkungen für das Kind. Vielmehr hat das Gericht dann zu prüfen, ob zu erwarten ist, dass die Übertragung der Alleinsorge auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes tatsächlich am besten entspricht. Maßgeblich für die Sorgerechtszuweisung ist in diesem Fall also das Kindeswohl, nicht dagegen die fehlende Willensübereinstimmung der Eltern, die erst im Rahmen der Würdigung des Einzelfalls Berücksichtigung findet, wenn zu klären ist, ob sie auf einer Unfähigkeit der Eltern zur Kooperation beruht, die negative Auswirkungen auf das Kind befürchten lässt (so z.B. auch OLG Köln, FamRZ 2009, S. 62 <62 f.>; OLG Hamm, FamRZ 2006, S. 1058 <1059>).

Insofern ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Gesetzgeber nicht auch bei der Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge vorrangig darauf abgestellt hat, ob diese trotz darüber bestehender Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern im konkreten Einzelfall dem Kindeswohl entspricht, sondern hier den entgegenstehenden Willen der Mutter hat ausreichen lassen, um daran generell die Vermutung der Kindeswohlbeeinträchtigung anzuknüpfen, und aufgrund dessen eine gerichtliche Einzelfallprüfung am Maßstab des Wohles des betroffenen Kindes ausgeschlossen hat. Dass es, anders als bei einer Neubegründung der gemeinsamen elterlichen Sorge, bei deren Beendigung zumindest in der Vergangenheit zwischen den Eltern einmal ein gewisses Maß an Kooperationsbereitschaft gegeben hat, ist kein tragfähiger Grund für die unterschiedliche rechtliche Behandlung der Fallkonstellationen. Denn in beiden Fällen besteht ein Dissens der Eltern über die Sorgetragung für ihr gemeinsames Kind, der jeweils ein Indiz dafür sein kann, dass eine neu begründete oder weiterhin bestehende gemeinsame elterliche Sorgetragung wegen der elterlichen Konflikte dem Kindeswohl in Zukunft eher abträglich ist. Ob diese Annahme wirklich trägt, kann aber gleichermaßen erst durch gerichtliche Prüfung im Einzelfall geklärt werden.

(2) Vor allem aber bestätigen neuere empirische Erkenntnisse die Annahme des Gesetzgebers nicht, dass die Zustimmungsverweigerung von Müttern in aller Regel auf einem sich nachteilig auf das Kind auswirkenden elterlichen Konflikt basiert und von Gründen getragen ist, die nicht Eigeninteressen der Mutter folgen, sondern der Wahrung des Kindeswohls dienen.

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber in seiner Entscheidung vom 29. Januar 2003 zugestanden, dass er bei seiner Regelung der gemeinsamen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern davon ausgehen konnte, Eltern würden die eingeführte Möglichkeit gemeinsamer Sorgetragung in Zukunft in der Regel nutzen und Mütter sich nur dann dem Wunsch des Vaters nach einer Beteiligung an der Sorge verweigern, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe haben, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden, Mütter also die Möglichkeit, die Sorgeerklärung zu verweigern, nicht als Machtposition gegenüber dem Vater missbrauchen würden (vgl. BVerfGE 107, 150 <177>). Das Bundesverfassungsgericht hat aber darauf hingewiesen, dass sich § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB als unvereinbar mit dem Elternrecht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG erweisen würde, wenn sich die Annahmen des Gesetzgebers nicht bestätigten, sich vielmehr herausstellen sollte, dass es in größerer Zahl aus Gründen, die nicht vom Kindeswohl getragen sind, nicht zur gemeinsamen Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder kommt (vgl. BVerfGE 107, 150 <178 f.>). Deshalb hat es den Gesetzgeber verpflichtet, die tatsächliche Entwicklung zu beobachten und zu prüfen, ob seine Annahmen vor der Wirklichkeit Bestand haben. Denn sollte dies nicht der Fall sein, müsse der Gesetzgeber Vätern nichtehelicher Kinder einen Zugang zur gemeinsamen Sorge eröffnen, der ihrem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG unter Berücksichtigung des Kindeswohls ausreichend Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 107, 150 <180 f.>).

Inzwischen liegt hinreichendes Datenmaterial vor, aus dem sich ergibt, dass sich die damaligen Annahmen des Gesetzgebers nicht als zutreffend erwiesen haben. Dies betrifft zum einen die Anzahl der von Eltern nichtehelicher Kinder begründeten gemeinsamen Sorgetragungen. Den statistischen Erhebungen ist zu entnehmen, dass sich lediglich knapp über die Hälfte der Eltern darauf verständigen, entsprechende Sorgeerklärungen abzugeben (vgl. Statistisches Bundesamt 2009, Statistisches Jahrbuch 2009, Tab. 2.23). Eine gemeinsame Sorge wird in relevantem Umfang auch dann nicht begründet, wenn die Eltern zusammenleben (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 11 f.). Zum anderen hat sich die Vermutung des Gesetzgebers - wie auch die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme ausführt - nicht bestätigt, dass die Ablehnung einer gemeinsamen Sorgetragung seitens der Mütter in aller Regel von Gründen getragen wird, die sich am Kindeswohl orientieren. Die hierzu durchgeführten Befragungen von Institutionen und Experten, die aufgrund ständiger Befassung mit der Sorgetragung von Eltern nichtehelicher Kinder über Erfahrungen zur Motivation von Müttern verfügen, die einer gemeinsamen Sorge nicht zustimmen, aber auch die bisher vorliegenden Ergebnisse der Befragungen von Müttern lassen erkennen, dass neben Kindeswohlerwägungen häufig auch persönliche Wünsche der Mütter zu deren Ablehnung einer gemeinsamen Sorge mit dem Vater des Kindes führen. So wurde oftmals als Begründung angegeben, man wolle die Alleinsorge behalten, um allein über die Angelegenheiten des Kindes entscheiden zu können, wolle sich also nicht mit dem Vater darauf verständigen müssen oder nichts mit dem Vater zu tun haben (vgl. BTDrucks 16/10047, S. 12 ff.).

Wenn sich aber damit die Annahme des Gesetzgebers nicht bestätigt, vielmehr davon auszugehen ist, dass in nicht unbeträchtlicher Zahl Mütter allein deshalb die Zustimmung zur gemeinsamen Sorge verweigern, weil sie ihr angestammtes Sorgerecht nicht mit dem Vater ihres Kindes teilen wollen, hängt der Zugang zur Sorgetragung von Vätern nichtehelicher Kinder in nicht zu vernachlässigender Zahl vom dominierenden Willen der Mutter ab und bleibt verschlossen, wenn sie hierzu nicht bereit ist, ohne dass damit feststeht, ob eine gemeinsame Sorge der Eltern dem Kindeswohl zu- oder abträglich ist. Dass Vätern bei Weigerung der Mutter, einer gemeinsamen Sorge zuzustimmen, gesetzlich nicht die Möglichkeit eingeräumt ist, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine gemeinsame Sorgetragung in ihrem Einzelfall nicht doch aus Kindeswohlgründen angezeigt sein könnte, beeinträchtigt deshalb das Elternrecht des Vaters gegenüber dem der Mutter in unverhältnismäßiger und damit nicht gerechtfertigter Weise.

b) § 1672 Abs. 1 BGB macht auch die Übertragung der Alleinsorge für ein nichteheliches Kind, die die Mutter gemäß § 1626a Abs. 2 BGB inne hat, auf den Vater eines nichtehelichen Kindes von der Zustimmung der Mutter dazu abhängig. Liegt sie nicht vor, hat der Vater keine Möglichkeit, gerichtlich überprüfen zu lassen, ob eine Sorgetragung durch ihn dem Kindeswohl zuträglicher sein könnte als die Sorgetragung der Mutter. Dieser generelle Ausschluss des Zugangs zur elterlichen Sorge bei mangelnder Zustimmung der Mutter stellt ebenfalls einen schwerwiegenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG dar, der unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt ist.

(1) Eine mangelnde Fähigkeit der Eltern zur Zusammenarbeit bei der Sorge für ihr Kind, das in der Zustimmungsverweigerung der Mutter zum Ausdruck kommen kann, vermag den Ausschluss des Vaters von der Alleinsorge nicht zu rechtfertigen. Denn auch nach Auffassung des Gesetzgebers ist eine fehlende Kooperationsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern gerade ein gewichtiger Grund, eine gemeinsame elterliche Sorge nicht zu eröffnen oder aufrechtzuerhalten, sondern einem Elternteil die Sorge für das Kind allein zu übertragen, damit dieses durch Uneinigkeit und Zwist der Eltern keinen Schaden nimmt. Diese Einschätzung liegt jedenfalls § 1671 BGB zugrunde, der einen Wechsel von der gemeinsamen Sorge getrennt lebender Eltern zur Alleinsorge eines Elternteils aus Kindeswohlgründen ermöglicht.

(2) Soweit der Gesetzgeber mit der Regelung eine Belastung des bestehenden Mutter-Kind-Verhältnisses durch die ständige Befürchtung der Mutter vermeiden möchte, ihr könne bei entsprechender Beantragung durch den Vater das Sorgerecht für ihr Kind entzogen und auf den Vater übertragen werden (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 60), liegt darin ebenfalls kein hinreichender Grund, den Vater bei Zustimmungsverweigerung der Mutter generell vom Sorgerecht auszuschließen und ihm keine Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einzuräumen, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm die Alleinsorge für das Kind zu übertragen.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Eröffnung einer gerichtlichen Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zwar einerseits dem Elternrecht des Vaters Rechnung trägt, aber andererseits schwerwiegend in das Elternrecht der Mutter eingreift, wenn dem väterlichen Antrag im Einzelfall stattgegeben wird. Denn anders als beim Zugang des Vaters zur gemeinsamen Sorge mit der Mutter muss diese die Sorge für das gemeinsame Kind nicht lediglich mit dem Vater teilen, was Art. 6 Abs. 2 GG als Regelfall schützt, der die Pflege und Erziehung der Kinder nicht einem Elternteil, sondern den Eltern als natürliches Recht zuweist. Der Mutter wird vielmehr die bisher von ihr ausgeübte Sorge gänzlich entzogen, und zwar nicht, weil sie bei ihrer Erziehungsaufgabe versagt hat und dadurch das Kindeswohl gefährdet ist, wie dies § 1666 BGB voraussetzt, sondern weil in Konkurrenz zu ihr der Vater sein Recht reklamiert, an ihrer Stelle für das Kind zu sorgen. Dabei ist auch von Gewicht, dass der Gesetzgeber zunächst einmal den Müttern nichtehelicher Kinder die Sorge für diese ab deren Geburt zuweist. Damit erhalten sie nicht nur das Recht zur elterlichen Sorge, sondern sind auch gesetzlich dazu verpflichtet, für ihr Kind zu sorgen. Anders als Väter nichtehelicher Kinder haben sie nicht die Wahl, sich für oder gegen ein Sorgetragen für ihr Kind zu entscheiden. Ein Entzug der ihnen auferlegten Elternverantwortung trotz nicht zu beanstandender Ausübung der elterlichen Sorge wiegt deshalb schwer und stellt einen tiefen Eingriff in ihr Elternrecht dar.

(3) Zudem ist mit einem Sorgerechtswechsel von der Mutter auf den Vater, anders als bei der Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge, regelmäßig auch ein Wechsel des Kindes vom Haushalt der Mutter in den des Vaters verbunden. Dies wirkt sich nicht nur auf die bestehende Mutter-Kind-Beziehung aus, sondern berührt auch das Bedürfnis des Kindes nach Stabilität und Kontinuität hinsichtlich seiner gewachsenen persönlichen Bindungen und seines sozialen Umfeldes.

(4) Unter Berücksichtigung dessen und in Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen beider Eltern und des Kindes ist es zwar unverhältnismäßig und deshalb mit Art. 6 Abs. 2 GG nicht vereinbar, dass der Gesetzgeber den Vater eines nichtehelichen Kindes allein schon bei fehlender Zustimmung der Mutter vom Sorgerecht für sein Kind ausgeschlossen und ihm mangels Möglichkeit einer gerichtlichen Einzelfallprüfung den Zugang auch zur alleinigen Sorge verwehrt hat. Bei Eröffnung einer gerichtlichen Einzelfallprüfung ist aber dem Elternrecht der Mutter des nichtehelichen Kindes ebenfalls hinreichend Rechnung zu tragen. Ihr die Sorge zu entziehen, ist nur gerechtfertigt, wenn
- es zur Wahrung des väterlichen Elternrechts keine andere Möglichkeit gibt, die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreift, und
- wenn gewichtige Kindeswohlgründe vorliegen, die den Sorgerechtsentzug nahelegen.

Weniger einschneidend in das Elternrecht der Mutter als der Entzug der elterlichen Sorge wäre eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern. Deshalb ist auch in einem Verfahren auf Übertragung der Alleinsorge von der Mutter auf den Vater eines nichtehelichen Kindes zunächst zu prüfen, ob
- nicht eine gemeinsame Sorgetragung der Eltern angezeigt sein könnte, die dem Kindeswohl nicht abträglich ist.
Sofern dies der Fall ist, hat zur Wahrung des mütterlichen Elternrechts eine Übertragung der Alleinsorge auf den Vater zu unterbleiben. Ansonsten können gewichtige Belange des Kindes und sein Wohl den Wechsel der Alleinsorge auf den Vater rechtfertigen.

6. Da die angegriffenen Vorschriften schon Art. 6 Abs. 2 GG verletzen und sich als verfassungswidrig erweisen, ist nicht weiter zu prüfen, ob sie auch gegen Art. 3 Abs. 1 oder 2 GG und Art. 6 Abs. 5 GG verstoßen. Der Gesetzgeber hat allerdings bei einer Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder darauf zu achten, dass auch diese Grundrechte gewahrt werden. Dies gilt insbesondere auch für die Frage, ob für den Fall, dass Vätern nichtehelicher Kinder bei Zustimmungsverweigerung der Mutter ein Antragsrecht auf Begründung einer gemeinsamen Sorge oder Übertragung der Alleinsorge für ihr Kind zuerkannt wird, auch Müttern ein solches Recht einzuräumen ist, wenn der Vater ihres Kindes nicht zur gemeinsamen Sorgetragung oder zur Übernahme der Alleinsorge bereit ist.

III. Die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts vom 30. Juni 2008 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG, da sie auf den § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1672 Abs. 1 BGB beruht, die gegen diese Grundrechtsnorm verstoßen. Die Entscheidung ist deshalb aufzuheben. Die lediglich aus prozessualen Gründen ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts vom 20. November 2008 sowie der die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers betreffende Beschluss des Amtsgerichts vom 8. Januar 2009 werden damit gegenstandslos. Die Sache wird an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

C. I. Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1 und 2 BVerfGG). Dies gilt allerdings nicht, wenn durch die Nichtigkeit ein Zustand geschaffen würde, der von der verfassungsmäßigen Ordnung noch weiter entfernt wäre als der bisherige (vgl. BVerfGE 119, 331 <382 f.>). Danach scheidet eine Nichtigerklärung der § 1626a Abs. 1 Nr. 1, § 1672 Abs. 1 BGB hier aus, weil sie zur Folge hätte, dass die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater selbst dann nicht mehr möglich wäre, wenn die Eltern eines nichtehelichen Kindes dies übereinstimmend wollten. Zudem steht einer Nichtigerklärung entgegen, dass dem Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten offen stehen, den verfassungswidrigen Zustand zu beseitigen (vgl. BVerfGE 109, 256 <273>).

II. Auch eine Unanwendbarkeit (vgl. BVerfGE 84, 9 <21>) der Normen in Folge ihrer Unvereinbarkeit mit Art. 6 Abs. 2 GG kommt nicht in Betracht, da dies ebenfalls den verfassungswidrigen Zustand nur weiter vertiefen würde.

Allerdings ist auch davon abzusehen, lediglich die verfassungswidrigen Normen bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber für weiter anwendbar zu erklären. Dies führte zu einer Perpetuierung der Grundrechtsbeeinträchtigung von Vätern nichtehelicher Kinder, die möglicherweise bei Inkrafttreten einer verfassungsgemäßen Regelung nicht mehr behoben werden könnte, weil in kindschaftsrechtlichen Verfahren der Zeitfaktor eine wesentliche Rolle spielt (vgl. Heilmann, Kindliches Zeitempfinden und Verfahrensrecht, 1998, S. 26). Mit zunehmendem Zeitablauf können sich die persönlichen Bindungen eines Kindes verändern, so dass sich hierdurch möglicherweise im Faktischen Weichen neu stellen, die sich auf spätere Entscheidungen nach neuem Recht auswirken können.

Vor allem aber hätten die Fachgerichte weiterhin Normen anzuwenden, die nicht nur unvereinbar mit dem Grundgesetz sind, sondern mit § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB auch eine Norm, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für unvereinbar mit der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärt worden ist, weil sie Art. 14 in Verbindung mit Art. 8 EMRK verletzt (vgl. EGMR, Zaunegger gegen Deutschland, a.a.O., Ziffer 64). Da die Fachgerichte gehalten sind, im Rahmen der Rechtsanwendung die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausreichend zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 f.>), und eine Aussetzung einschlägiger Sorgerechtsverfahren dem verfahrensrechtlichen Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen zuwiderlaufen könnte, ist es zur vorübergehenden Sicherstellung eines verfassungs- und konventionsgemäßen Zustandes angezeigt, eine Übergangsregelung zu treffen. Dabei ist eine Lösung zu wählen, die der gesetzlichen Regelung nicht vorgreift und sie nicht erschwert (vgl. BVerfGE 84, 9 <23>).

III. Insofern bietet es sich an, vom bisherigen Regelungskonzept des Gesetzgebers auszugehen, das die Begründung der gemeinsamen Sorge von Eltern nichtehelicher Kinder von der Abgabe gemeinsamer Sorgeerklärungen abhängig macht. Ergänzend zu dieser Regelung des § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB wird deshalb bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig angeordnet, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der gewählte Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Kindeswohls soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.

Bei der Übertragung der Alleinsorge auf den Vater erscheint für die Übergangszeit bis zur Neuregelung eine Anlehnung an die Regelung des § 1671 BGB sinnvoll. Da auch nach dieser Norm die Übertragung der Alleinsorge nur dann vorzunehmen ist, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Sorge der Eltern nicht mehr bestehen, und zugleich, wie unter B.II.5.b) (4) ausgeführt, die Begründung einer gemeinsamen Sorge bei bisher bestehender Alleinsorge der Mutter deren Elternrecht weniger beeinträchtigt als der vollständige Wechsel des Sorgerechts von ihr auf den Vater, wird in Ergänzung von § 1672 Abs. 1 BGB bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung vorläufig angeordnet, dass das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge überträgt, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Wegen der getroffenen Übergangsregelung wird davon abgesehen, dem Gesetzgeber eine Frist für die vorzunehmende Neuregelung zu setzen, zumal die Bundesregierung im Verfahren erklärt hat, dass es schon Vorüberlegungen für eine gesetzliche Neuregelung gibt. ..."

*** (BGH)

Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 16.06.2010 - XII ZB 35/10 zu BGB §§ 1626 a, 1666, 1672, 1680; GG Art. 6; FGG § 20).

*** (OLG)

Zur Folgenabwägung bei einem Antrag des Vaters auf einstweilige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nach der Übergangsregelung des Bundesverfassungsgerichts zu § 1672 BGB bei weitem Wegzug der Mutter (OLG Saarbrücken, 25.02.2013 - 6 UF 38/13).

***

Zur Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den nichtehelichen Vater (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.03.2012 - 18 UF 266/11 zu §§ 1671 II Nr 2, 1672 I BGB, Art 6 II GG, Art 8 MRK):

„... I. Dem Antragsteller ist das alleinige Sorgerecht für das Kind S. B., geboren 2007, zu übertragen.

1. Der Vater eines nichtehelichen Kindes ist von der Sorgetragung für sein Kind nicht generell ausgeschlossen. Denn ein derartiger Ausschluss würde unverhältnismäßig in dessen Elternrecht eingreifen, wenn die Weigerung der Kindesmutter, der gemeinsamen elterlichen Sorge mit dem Vater oder dessen Alleinsorge zuzustimmen, gerichtlich nicht - am Maßstab des Kindeswohls - überprüft werden kann. §§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 und § 1672 Abs. 1 BGB sind mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar und somit verfassungswidrig (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, 1 BvR 420/09, FamRZ 2010, 1403 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht hat den Gesetzgeber aufgefordert, das Recht der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder neu zu regeln. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung wurde vorläufig angeordnet, dass das Familiengericht den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam überträgt, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der gewählte Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Kindeswohls soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge jedoch nicht zu hoch angesetzt werden. Soweit eine Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht in Betracht kommt, ist dem Vater die Alleinsorge zu übertragen, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (BVerfG a.a.O. Rz. 75 f.).

2. Die Übertragung der gemeinsamen elterliche Sorge für das Kind S. kommt nicht in Betracht, da es den Eltern an der für ein gemeinsames Sorgerecht unverzichtbaren Voraussetzung der objektiven Kooperationsfähigkeit und subjektiven Kooperationsbereitschaft auf Elternebene fehlt.

Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus (BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016). Unverzichtbare Grundvoraussetzung für die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist danach, dass zwischen den Eltern objektiv Kooperationsfähigkeit und subjektiv Kooperationsbereitschaft besteht (so bereits KG FamRZ 1999, 616; Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 1671 Rz. 36).

a) Es fehlt bereits an einem Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen den Eltern in wesentlichen Sorgerechtsbereichen. Die Eltern haben insbesondere verschiedene Auffassungen darüber, wo und bei wem S. seinen Lebensmittelpunkt haben soll. Während sich die Mutter klar für die Betreuung des Kindes bei der Pflegefamilie ausspricht und dem Kind die bisherige Lebenssituation erhalten will, beabsichtigt der Vater, S. selbst im väterlichen Haushalt zu betreuen und strebt einen Wechsel des Kindes von den Pflegeeltern zu sich an. Dies wiederum lehnt die Mutter - seit der Geburt des Kindes bis heute - vehement ab. Insoweit ist keine Gesprächsebene zwischen den Eltern vorhanden. Die Differenzen hinsichtlich des Lebensmittelpunktes von S. sind auch nach dem Eindruck des Senats bei der mündlichen Anhörung der Eltern unüberbrückbar.

b) Zwischen den Eltern besteht keine tragfähige soziale Beziehung zur Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Bereits vor der Geburt bis zum heutigen Zeitpunkt gab und gibt es unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten, gegenläufige Ansichten und - nicht zuletzt wegen der von Beginn an streitigen Frage des Aufenthalts von S. - erhebliches Misstrauen. Es fehlt an der gegenseitigen Wertschätzung der beteiligten Kindeseltern; indirekt werfen sie sich vor, nicht zum Wohle des Kindes zu handeln.

Bereits das Jugendamt führte in seinem Bericht vom 23.8.2008 aus, dass sich die Situation der Eltern als von Beginn an konfliktreich gestaltet habe. Im Sachverständigengutachten vom 25.5.2009 führte die Gutachterin Dr. C. aus, dass es zwischen den Eltern keine Gesprächsbasis gebe. Im Gutachten vom 21.3.2011 beschreibt sie die Elternbeziehung als hoch konfliktbehaftet. Eine ausreichende Kooperation der Eltern könne - so die Sachverständige - in Bezug auf die elterliche Sorge nicht erwartet werden. Beispielhaft für das zerrüttete Verhältnis sei etwa, dass sich die Eltern untereinander siezen, was auch in hochstreitigen Familiensachen nur selten vorkomme.

Dass die Mutter den Vater ablehnt und sich nicht in der Lage sieht, in irgendeiner Form Kontakt mit ihm zu haben, zeigte sich in der mündlichen Verhandlung auch bei der Erörterung der Frage des Umgangs der Mutter mit dem Kind für den Fall, dass der Vater S. bei sich aufnehmen würde. Während der Vater sich hinsichtlich des Umgangsrechts der Mutter mit dem Kind kooperationsbereit zeigte und versicherte, dass ihm der Kontakt des Kindes zur Mutter wichtig sei und die Mutter S. sogar im Haushalt des Vaters treffen könne, jedenfalls aber Lösungen gefunden werden müssten, erklärte die Mutter, dass sie sich unter solchen Voraussetzungen nicht vorstellen könne, den Kontakt zu S. aufrecht zu erhalten. Offensichtlich will die Mutter jede Form des Zusammentreffens und des gemeinsamen Gesprächs mit dem Vater vermeiden.

Vor diesem Hintergrund ist - nicht zuletzt wegen der extrem ablehnenden Haltung der Mutter - nicht zu erwarten, dass die Kindeseltern in der Lage sein werden, wesentliche, das Kind betreffende Fragen lösungsorientiert zu kommunizieren. Aufgrund notwendiger Absprachen der Kindeseltern, etwa über Fragen der Gesundheitsfürsorge, der Betreuung und Förderung des Kindes, absehbare Fragen der schulische Entwicklung und vor allem zum Lebensmittelpunkt des Kindes, besteht die konkrete Gefahr von Uneinigkeiten und Auseinandersetzungen der beteiligten Eltern, die bei Kindern erfahrungsgemäß zu kindeswohlgefährdenden Loyalitätskonflikten führen können. Dieser Elternkonflikt wird in der Regel auf dem Rücken des Kindes ausgetragen, so dass das Kind in seiner Beziehungsfähigkeit beeinträchtigt und in seiner Entwicklung gefährdet werden kann (BVerfG NJW 2003, 955).

c) In Hinblick darauf, dass es am erforderlichen Mindestmaß an Übereinstimmung fehlt und die Eltern zur Kooperation weder bereit noch in der Lage sind, würde die - selbst nur in Teilbereichen eingeräumte - gemeinsame elterliche Sorge zu einer spürbaren Verschlechterung der Situation für das Kind S. führen. Dies entspricht der Einschätzung der Sachverständigen Dr. C. in ihrem Gutachten vom 21.3.2011, die die Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge deshalb nicht empfohlen hat. Dem hat sich die Verfahrensbeiständin angeschlossen. Auch die Eltern sehen letztlich keine Basis für eine gemeinsame Sorge.

3. Dem Vater ist die alleinige elterliche Sorge für das Kind S. zu übertragen, § 1672 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Das Familiengericht überträgt dem Vater auf Antrag die elterliche Sorge, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht (BVerfGE FamRZ 2010, 1403 ff. Rz. 77). In Hinblick darauf, dass durch die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater gleichzeitig der Mutter die elterliche Sorge entzogen wird, darf es - um deren Elternrecht hinreichend Rechnung zu tragen - zur Wahrnehmung des väterlichen Elternrechts keine andere Möglichkeit geben, die weniger in das mütterliche Elternrecht eingreifen. Zudem müssen gewichtige Kindeswohlgründe vorliegen, die den Sorgerechtsentzug nahelegen (BVerfGE a.a.O. Rz. 68).

Nach den obigen Ausführungen scheidet die - auch nur teilweise - Übertragung der gemeinsamen elterlichen Sorge aus.

Die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für S. auf den Vater entspricht dem Wohl des Kindes am besten. Diese Kindeswohlgründe rechtfertigen im Ergebnis den damit verbundenen Sorgerechtsentzug der Mutter.

Bei der allein am Kindeswohl auszurichtenden Frage, welchem der Elternteile die elterliche Sorge zu übertragen ist, sind die Erziehungseignung der Eltern - einschließlich ihrer Bindungstoleranz -, die Bindungen des Kindes - insbesondere an seine Eltern und Geschwister -, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie der Kindeswille als gewichtige Gesichtspunkte zu berücksichtigen (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060; 1990, 392; 1985, 169). Außer diesen Aspekten sind je nach den Begleitumständen des Falles weitere Gesichtspunkte wie Erziehungsbereitschaft, häusliche Verhältnisse, soziales Umfeld und Grundsätze wie der einzubeziehen, dass Geschwister nicht ohne besonderen Grund voneinander getrennt werden sollen (BGH FamRZ 1985, 169).

a) Nach dem Förderungsprinzip ist die elterliche Sorge dem Elternteil zu übertragen, der am besten zur Erziehung und Betreuung des Kindes geeignet erscheint und von dem es voraussichtlich die meiste Unterstützung für den Aufbau seiner Persönlichkeit erwarten kann. Ein wesentlicher Aspekt sind die Möglichkeiten der Eltern zur persönlichen Betreuung des Kindes. Im Grundsatz ist dabei anerkannt, dass die persönliche Betreuung durch die Eltern für das Kindeswohl förderlicher ist als die Betreuung durch Dritte (BVerfG NJW 1981, 217). Letztlich kommt es entscheidend darauf an, dass der Elternteil für das Kind präsent ist, ihm ein Zugehörigkeits- und Geborgenheitsgefühl vermittelt und die ihm zur Verfügung stehende Zeit dem Kind widmen kann (Staudinger/Coester, BGB, Bearbeitung 2009, § 1671 Rz. 206). Ein Elternteil, der seine Elternfunktion praktisch verdrängt, etwa durch die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie, ist regelmäßig ungeeignet (Staudinger/Coester, a.a.O., § 1671 Rz. 206; Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1671 Rz. 54; Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts, 6. Auflage 2010, Kap. III Rz. 128).

(1) Der Vater beabsichtigt, S. in seinen Haushalt, in dem er mit seiner Ehefrau und deren Tochter K. lebt, aufzunehmen. Er hat nachhaltig und ernsthaft erklärt, dass er S. in seinem Haushalt persönlich betreuen und die Hauptverantwortung für die Erziehung und Versorgung des Kindes tragen will. Die Erziehungsfähigkeit und die Erziehungseignung des Vaters sind nach den wiederholten Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. sowohl in den schriftlichen Gutachten vom 25.9.2009 und vom 21.3.2011 als auch in den mündlichen Erörterungen der Gutachten beim Familiengericht am 1.7.2009 sowie am 24.5.2011 und im Senatstermin am 7.12.2011 nicht beeinträchtigt. Zweifel an der Erziehungsfähigkeit und der Erziehungseignung des Vaters wurden zu keinem Zeitpunkt von der Sachverständigen geäußert und sind auch aus Sicht des Senates nicht ersichtlich.

Die Mutter hingegen möchte S. - dies hat sie in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Senats nochmals bestätigt -, nicht persönlich betreuen und wäre dazu wohl auch nicht in der Lage. Sie wünscht, dass S. wie bisher in der Pflegefamilie betreut wird. Durch die Delegation der gesamten Erziehung auf die Pflegeeltern erfüllt sie jedoch nicht ihre eigene Erziehungs- und Betreuungsverantwortung. Vielmehr müsste sie selbst einen zumindest nicht unerheblichen Teil dieser Erziehungs- und Betreuungsaufgaben erfüllen. Dies tut die Mutter jedoch nicht. Indem die Mutter diese Aufgabe nahezu vollständig an die Pflegeeltern delegiert, ist sie unter dem Aspekt des Förderungsprinzips nur sehr eingeschränkt erziehungsgeeignet. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Mutter S. 14-tägig für zwei Stunden bei den Pflegeeltern besucht. In dieser Zeit erfüllt sie keine nennenswerten Erziehungsaufgaben. Unternehmungen der Mutter mit S. allein gab es bisher nicht. Soweit in der mündlichen Verhandlung seitens der Pflegeeltern mitgeteilt wurde, dass die Mutter durchaus ihre Vorstellungen, etwa über die Konfession sowie über den Ablauf der Geburtstage, äußere, handelt es um eine Beteiligung eher punktuellen Charakters, die auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der konfessionellen Orientierung eines Kindes keine nachhaltige Erfüllung wesentlicher Bereiche der Betreuung und Erziehung des Kindes darstellt, zumal die Mutter die konkrete Umsetzung der von ihr geäußerten Wünsche nicht selbst vornimmt, insbesondere die eigentliche religiöse Erziehung den Pflegeeltern überlässt.

Nachdem der Vater das Kind S. tatsächlich persönlich betreuen und im Vergleich zur Mutter die Verantwortung für die Erziehung und Versorgung übernehmen will und kann, ist er nach dem Förderungsprinzip besser erziehungsgeeignet als die Mutter.

(2) Auch unter dem Gesichtspunkt der Bindungstoleranz ergibt sich nichts anderes. Die Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die Mutter ihre rechtliche Situation zum Teil ausgenutzt habe, etwa bezüglich der zunächst versagten Teilnahme des Vaters an der Taufe des Kindes. Der Vater hat demgegenüber angekündigt, den Kontakt zwischen S. und der Mutter einerseits, sowie den Pflegeeltern andererseits zu unterstützen. Dass es sich hierbei um Lippenbekenntnisse handelt, kann nicht festgestellt werden. Insbesondere kann aus den Irritationen zwischen Pflegeeltern und Antragsteller in der Vergangenheit auch bei Fragen des Umgangs nicht geschlossen werden, dass der Vater - wenn S. erst einmal bei ihm wohnt - dessen Kontakt zu seinen bisher wichtigsten Bezugspersonen nicht unterstützen wird.

b) Hat das Kind zu einem Elternteil eine stärkere Bindung und innere Beziehung entwickelt, so muss das bei der Sorgerechtsentscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerfG FamRZ 1981, 124).

Nach den Ausführungen der Sachverständigen hat S. eine positive Beziehung zu seinem Vater und geht vertrauensvoll mit ihm um. Bereits im ersten Gutachten vom 25.9.2009 führte die Sachverständige aus, dass S., obwohl der Beziehungsaufbau nur unter erschwerten Bedingungen möglich gewesen sei, eine gute Beziehung zu seinem Vater habe. Diese Beziehung des Kindes zum Vater sei deutlich ausgeprägter als diejenige zur Mutter, da der Vater - im Gegensatz zur Mutter - mit S. auch außerhalb des beschützten Rahmens bei den Pflegeeltern Unternehmungen durchführt und mit dem Kind seit Februar 2009 regelmäßig unbegleitete Umgangskontakte in zeitlich deutlich größerem Umfang als die Mutter ausübt.

Diese Einschätzung ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Zur Mutter, die sich nur stundenweise im Schnitt etwa alle 14 Tage, zeitweise auch seltener bei den Pflegeeltern aufhält und dort mit der Pflegemutter Kaffee trinkt und sich mit ihr unterhält, konnte S. naturgemäß nur eine sehr eingeschränkte Beziehung entwickeln.

c) Der Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf den Vater steht nicht entgegen, dass der Vater S. selbst betreuen und versorgen will und S. somit von den Pflegeeltern in den Haushalt des Vaters wechseln soll und damit seine bisherigen Hauptbezugspersonen verlieren wird.

Zwar kommt dem Kontinuitätsgrundsatz, für die Zukunft die Einheitlichkeit und Gleichmäßigkeit des Erziehungs- und Betreuungsverhältnisses sicherzustellen, bei der Frage, welchem Elternteil die elterliche Sorge zu übertragen ist, eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Auch die Aufrechterhaltung der bestehenden gefühlsmäßigen Bindungen des Kindes an Eltern und Geschwister bzw. an weitere primäre Bezugspersonen wie etwa Pflegeeltern und deren Kinder wird vom Kontinuitätsgrundsatz erfasst, sodass vorliegend der Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern dem Kontinuitätsprinzip entspräche. Aus diesem Grund haben sich die Mutter, die Verfahrensbeiständin und letztlich auch die Sachverständige gegen einen Wechsel von S. in den väterlichen Haushalt ausgesprochen.

Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass S. von Pflegeeltern betreut wird und nicht von einem - erziehungsgeeigneten und erziehungsbereiten - leiblichen Elternteil, im vorliegenden Fall von seinem Vater. § 1672 BGB muss insoweit im Lichte des Art. 6 Abs. 2 GG und insbesondere Art. 8 Menschenrechtskonvention (EMRK) ausgelegt werden. Danach ist jeder Vertragsstaat verpflichtet, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Die Europäische Menschenrechtskonvention hat den Rang eines Bundesgesetzes und ist bei der Auslegung des deutschen materiellen Rechts zu berücksichtigen (BVerfG FamRZ 2004, 1857, 1859). Der Umstand, dass S. seine gewohnte Umgebung verlieren könnte, rechtfertigt allein nicht die Trennung des Kindes vom Vater (BVerfG NJW 2011, 3355). Insoweit tritt der Aspekt der Kontinuität in den Hintergrund.

In den Fällen der Adoptionspflege ist anerkannt, dass im Rahmen der Entscheidung über den Antrag eines erziehungsgeeigneten und -bereiten Vaters auf Übertragung des Sorgerechts geprüft werden muss, ob eine Zusammenführung von Vater und Kind möglich ist, die die Belastungen des Kindes soweit wie möglich vermindert (BGH NJW 2008, 223).

Etwas anderes kann nicht gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - der Vater ein fremduntergebrachtes Kind selbst betreuen will, die sorgeberechtigte Mutter - ähnlich wie in den Adoptionspflegefällen - dazu jedoch nicht bereit und / oder in der Lage ist. Denn auch bei dieser Konstellation ist das Recht des leiblichen Vaters aus Art. 6 Abs. 2 GG zu beachten, wenngleich es nicht nur mit dem Recht der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 3 GG, sondern auch mit dem der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG konkurriert. Dies spiegelt sich in der Auslegung des § 1672 Abs. 1 BGB wider. Während in den Adoptionspflegefällen, in denen die alleinige elterliche Sorge der Mutter ruht, eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater bereits dann in Betracht kommt, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht (BGH NJW 2008, 223), ist im vorliegenden Fall, bei dem die Mutter Inhaberin des Sorgerechts ist, auf den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Maßstab des § 1671 BGB abzustellen (BVerfG FamRZ 2010, 1403). Die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater muss also dem Kindeswohl am besten entsprechen. Dieser Maßstab gewährleistet nicht nur die Wahrung der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, sondern auch die der Mutter aus Art. 6 Abs. 2 GG.

Die Trennung eines Kindes von seiner unmittelbaren Bezugsperson sowie seine Herausnahme aus der gewohnten Umgebung stellen für das Kind regelmäßig eine erhebliche psychische Belastung dar und sind mit einem schwer bestimmbaren Zukunftsrisiko verbunden. Dies darf aber allein nicht genügen, um die Betreuung des Kindes durch leibliche Eltern abzulehnen. Anderenfalls wäre die Zusammenführung von Kind und Eltern immer ausgeschlossen, wenn das Kind seine "sozialen" Eltern gefunden hätte (BVerfG FamRZ 2005, 783 Rz. 18; BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27; BGH NJW 2008, 223 Rz. 37). Dabei ist die mit Blick auf das Kindeswohl hinzunehmende Risikogrenze immer dann weiter zu ziehen, wenn das Kind im Haushalt der Eltern bzw. eines Elternteils untergebracht werden soll (BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27). Des weiteren ist in diesen Fällen ein größeres Maß an Unsicherheiten bei der Prognose über mögliche Beeinträchtigungen des Kindes hinnehmbar als bei einem lediglich beabsichtigten Wechsel der Pflegefamilie (BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27). Die Risikogrenze für die Zusammenführung des erziehungsgeeigneten und -bereiten, leiblichen Elternteils mit dem Kind ist allerdings dann überschritten, wenn durch den Wechsel des Kindes von den Pflegeeltern in den Haushalt der Eltern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, dass die Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern psychische oder physische Schädigungen nach sich ziehen kann. Ein solches Risiko wäre für das Kind nicht hinnehmbar (BVerfG FamRZ 2010, 865 Rz. 27).

Im vorliegenden Fall sind zwar bei S. als Folge einer Trennung von seinen Pflegeeltern gewisse Belastungsreaktionen wahrscheinlich. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die zu gewärtigenden Beeinträchtigungen des Kindes über das mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen typischerweise verbundene Maß hinausgehen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Trennung von den Pflegeeltern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei S. psychische oder physische Schäden nach sich ziehen wird.

(1) S. hat nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. C. eine positive Beziehung zu seinem Vater und geht vertrauensvoll mit ihm um. Es besteht somit eine hinreichend tragfähige Basis für einen Wechsel des Kindes zum Vater. Demzufolge hält die Sachverständige einen Wechsel des Kindes in die Familie des Vaters ohne eine Kindeswohlgefährdung für möglich, wenn alle Beteiligten dies unterstützen.

Ausgehend von den Empfehlungen der Sachverständigen zu den Voraussetzungen eines schonenden Wechsels hat der Senat insoweit eine schrittweise Ausweitung der Umgangskontakte mit dem leiblichen Vater angeordnet, um so eine weitere Annährung des Kindes an den Vater und die väterliche Lebensverhältnisse zu gewährleisten. Die Hinführung zum Vater soll entsprechend den Ausführungen der Sachverständigen langsam, stressarm und mit wohlwollender Begleitung der Pflegemutter erfolgen.

(2) Es erscheint gut möglich, dass S. auch nach dem Wechsel seines Lebensmittelpunkts die Bindungen zu seinen Pflegeeltern erhalten bleiben.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu einem völligen Beziehungsabbruch zwischen dem Kind S. und der Pflegefamilie kommt. Der Vater seinerseits hat mehrfach betont, dass er den Kontakt S. zu den Pflegeeltern für wichtig hält und unterstützen wird. Der Senat kann nicht feststellen, dass es sich hierbei - wie die Mutter meint - nur um „Lippenbekenntnisse" handeln könnte. Der Vater hat sich bisher stets - wenn auch nicht immer mit voller Überzeugung - an die Vereinbarungen gehalten. Grenzüberschreitungen, etwa die eigenmächtige Ausdehnung des Umgangs, sind dem Senat nicht bekannt.

Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Pflegeeltern sich bemühen werden, zum Wohl des Kindes den Kontakt zu S. auch bei einem erfolgten Wechsel in den Haushalt des Vaters aufrecht zu erhalten, auch wenn die Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt für sie derzeit nicht vorstellbar ist. Die Pflegeeltern, die von der Gutachterin als sehr feinfühlig bezeichnet wurden, werden nach der Überzeugung des Senats - wie bisher auch - stets das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt rücken und reflektiert mit der für sie sicher schwierigen Situation umgehen. Dabei wird es ihnen - gegebenenfalls mit professioneller Unterstützung - gelingen, ihre eigenen Belange hinter die des Kindes zu stellen.

Der Senat geht davon aus, dass der Vater im Fall eines Wechsels des Kindes in seinen Haushalt den Pflegeeltern - auch ohne dass es hierfür einer gerichtlichen Regelung bedarf - ein regelmäßiges und ausgedehntes Umgangsrecht - mehrmals im Monat - einräumen wird.

(3) Auch die Bindungen des Kindes an seinen „Pflegebruder" M., den leiblichen Sohn der Pflegeeltern, können ausreichend durch den Umgang der Pflegeeltern mit S. aufrecht erhalten werden. Gleiches gilt für seine Halbgeschwister T. und A., die Kinder der Mutter. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass S. zu diesen Kindern, die ebenfalls fremduntergebracht sind - T. in einer Betreuungseinrichtung für Behinderte und A. bei einer anderen Pflegefamilie - in der Vergangenheit nur gelegentliche Kontakte hatte, namentlich mit T. einmal und mit A. drei bis vier Mal im Jahr. Auch diese Kontakte können - sogar im bisherigen Umfang - etwa durch Umgangskontakte bei der Mutter oder durch die erklärte Bereitschaft des Vaters, gemeinsam mit S. die Halbgeschwister zu besuchen - erhalten werden.

(4) Der Vater verfügt nach Einschätzung des Senats über die erforderliche erzieherische Kompetenz, um die mit einem Wechsel des Kindes verbundenen Schwierigkeiten zu bewältigen.

S. werden bei einem Wechsel von den Pflegeeltern zum Vater Trennungsschmerz und Verlustängste zugemutet. Dem Vater wird insoweit abverlangt, Ablehnung und Aggression des Kindes zu ertragen, mögliche Depression und Trauer des Kindes zu akzeptieren und insbesondere dem Kind zu helfen, den Trennungsschmerz zu verarbeiten. Dies erfordert elterliche Kompetenzen, die weit über das übliche Maß hinausgehen, Einfühlungs- und Lernfähigkeit sowie eine hohe Konflikt- und Frustrationstoleranz, um drohende Entwicklungsrisiken abzuwenden (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1514). Der Vater muss insbesondere in der Lage sein, die nachteiligen Folgen einer eventuellen Traumatisierung des Kindes so gering wie möglich zu halten (BVerfG FamRZ 2010, 865).

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Vater diese besondere elterliche Kompetenz fehlen wird. Der Vater hat immer wieder betont, dass er nicht die sofortige Herausgabe des Kindes verlangen würde, sondern einen sukzessiven, schonenden Wechsel anstrebte. Ebenfalls ist ihm - auch darauf hat er mehrfach hingewiesen - bewusst, dass ein Wechsel für S. eine Belastung darstellt. Damit zeigt der Vater bereits, dass er bereit ist, im Interesse von S. tragfähige Lösungen für einen schonenden Wechsel zu suchen (ähnlich OLG Brandenburg FamRZ 2009, 994). Dass der Vater in der Lage ist, die Belange des Kindes ernst zu nehmen, wurde deutlich, als er seinen Antrag auf einen mehrtägigen Umgang über die Weihnachtsferien zurückgestellt hat, nachdem die Pflegemutter in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass S. noch nie auswärts übernachtet habe und ihn dies belasten könnte. Soweit die Pflegeeltern die Befürchtung geäußert hatten, der Vater habe S. während der Umgangskontakte am 19.11. und 26.11.2011 stark verunsichert, indem er dem Kind „seinen" neuen Kindergarten gezeigt habe, kann nicht ausgeschlossen werden, dass S. selbst aufgrund der Erlebnisse beim Kindergartentag mit seiner Stiefschwester K. sowie aus einem - möglicherweise - indifferenten Verhalten des Vaters bestimmte Fragen und Ansichten aus seiner kindlichen Sicht formuliert hat.

Ebenso wenig ist feststellbar, dass dem Vater das Verständnis für das Bindungserleben des Kindes und somit in der Konsequenz auch das Verständnis für die Trennungsschmerzen und die Sorgen des Kindes bei einem Wechsel fehlen werden. Soweit die Sachverständige Dr. C. diesen Eindruck - ausschließlich - aus einem an die Pflegeeltern gerichteten Schreiben des Vaters vom 12.9.2011 gewinnt, vermag dies den Senat nicht überzeugen. Das Schreiben wurde vom Vater unmittelbar nach einem Telefonat mit den Pflegeeltern verfasst, bei dem die Pflegeeltern eine einmalige Ausweitung des Umgangs mit S. um zwei Stunden für einen Familienausflug abgelehnt hatten. In Hinblick darauf, dass diese Bitte nicht mit einer für ihn plausiblen Erklärung abgelehnt wurde, sah der Vater das Wohl von S. als gefährdet an und warf der Pflegefamilie vor, S. zu manipulieren und nicht im Interesse des Kindes zu handeln. Dieser Vorwurf ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Pflegeeltern - aus Sicht des Vaters vorwerfbar - entgegen vorheriger Absprache S. nicht ermöglicht hatten, an der Trauung seines Vaters am 10.6.2011 teilzunehmen. Aus diesem Vorfall entwickelte sich - jedenfalls nachvollziehbar - eine gewisse Verärgerung des Vaters, die sich auch in dem Schreiben vom 12.9.2011 wiederfindet.

Die Vorwürfe des Vaters gegenüber der Pflegefamilie in dem genannten Schreiben sind so sicherlich unberechtigt und anmaßend. Gleichwohl ist zu sehen, dass der Brief offensichtlich in Rage und Unmut über die derzeitige Situation verfasst wurde, und er von daher zu relativieren ist. Im übrigen lässt sich aus dem Brief zwar ableiten, dass der Vater ggf. überzogen und emotional reagiert und dass das Verhältnis zu den Pflegeeltern belastet ist. Es lässt sich indes dem Brief nicht entnehmen, dass dem Vater ein Verständnis für das Bindungserleben des Kindes fehlt. Damit setzt sich der Brief in keiner Weise auseinander und es war auch nicht Thema der damaligen Auseinandersetzung. Weitere tatsächliche Anhaltpunkte - außer dem genannten Brief - , aus denen sich die Folgerung ableiten ließe, dass dem Vater das Verständnis für das Bindungserleben des Kindes fehlt, hat die Sachverständige trotz Nachfrage des Senats in der Verhandlung nicht benannt.

In Hinblick darauf, dass es dem Vater trotz der ungünstigen und erschwerten Bedingungen, unter denen er den Kontakt zu seinem Sohn aufbauen musste, gelungen ist, eine positive, beachtliche, vertrauensvolle Beziehung zu seinem Sohn aufzubauen, geht der Senat davon aus, dass der Vater ein ausreichendes Verständnis für die Befindlichkeiten und Bedürfnisse seines Sohnes aufbringen kann. Andernfalls ist kaum vorstellbar, dass sich trotz der widrigen Umstände die Beziehung zwischen Vater und Kind in dieser Form entwickelt hätte. Der Vater hat sich seit der Geburt des Kindes um regelmäßige Umgangskontakte bemüht und diese auch zuverlässig im Rahmen des Möglichen wahrgenommen. Im Rahmen des Hausbesuches am 23.10.2010 konnte die Sachverständige feststellen, dass S. vertrauensvoll mit seinem Vater umgeht. Er habe sich von seinem Vater versorgen lassen, habe seine körperliche Nähe gesucht, sei spielerisch mit ihm in Interaktion getreten, habe sich von ihm anregen lassen, aber auch Grenzsetzungen angenommen. Diese Beschreibung der Sachverständigen deutet nicht darauf hin, dass der Vater in seiner Wahrnehmungsfähigkeit hinsichtlich der kindlichen Bedürfnisse und Sorgen eingeschränkt ist. Ebenso wenig wurde von erheblichen Verhaltensauffälligkeiten des Kindes vor, während und nach den Umgangskontakten beim Vater berichtet.

Das Verhältnis zwischen dem Vater und den Pflegeeltern ist - davon konnte sich der Senat in der mündlichen Verhandlung selbst ein Bild machen - angespannt. Die Pflegeeltern warfen dem Vater in der Verhandlung vor, er stelle das Wohl des Kindes S. nicht in dem Mittelpunkt. Umgekehrt beharrte der Vater auf seinem Standpunkt, dass es S. in seinem Haushalt nicht schlechter gehen werde als bei den Pflegeeltern und argumentierte ebenfalls mit Aspekten des Kindeswohls. Aus diesen Differenzen kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Vater kein Verständnis für das Kind in der besonderen Situation des Wechsels aufbringen werde. Immerhin ist es dem Vater und den Pflegeeltern gelungen, ihre zum Teil grundsätzlichen Meinungsverschiedenheiten von dem Kind weitgehend fernzuhalten.

(4) Der Senat geht davon aus, dass der Vater ggf. externe fachliche Unterstützung (etwa durch das Jugendamt) in Anspruch nehmen wird, um gemeinsam mit den Pflegeeltern für S. ein möglichst schonendes Szenario für die Durchführung des Wechsels zu entwickeln.

Soweit die Pflegeeltern darauf verweisen, dass der Vater in der Vergangenheit nicht bereit gewesen sei, an einem Beratungsprozess teilzunehmen, ist dies vor dem Hintergrund zu sehen, dass bereits das Beratungsziel, namentlich die dauerhafte Betreuung des Kindes in der Pflegefamilie und die Verbesserung der Umgangskontakte, für den Vater - nachvollziehbar - nicht konsensfähig war und es wohl deshalb bereits am Beratungswillen gefehlt hatte. Die Motivation für eine Beratung wird sich jedoch aus Sicht des Vaters völlig anders darstellen, wenn der Wechsel des Kindes und Fragen des schonenden Übergangs im Mittelpunkt der fachlichen Unterstützung stehen. Dass der Vater grundsätzlich beratungswillig ist, ergibt sich daraus, dass er jedenfalls anfänglich Beratungsgespräche wahrgenommen hat.

(5) Das zwischen den Beteiligten herrschende Konfliktniveau steht einem Wechsel nicht entgegen.

Soweit die Sachverständige für einen Wechsel des Kindes zum Vater die - aus ihrer Sicht notwendige - Unterstützung, vor allem der Mutter und der Pflegeeltern, nicht feststellen konnte und angesichts des zwischen den Beteiligten herrschenden Konfliktniveaus sich für einen Verbleib des Kindes bei den Pflegeeltern und - da die Mutter dies gewährleiste - für die Beibehaltung der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter aussprach, liegt dieser Einschätzung ein unzutreffender rechtlicher Maßstab zugrunde. Insbesondere berücksichtigen diese Ausführungen nicht ausreichend das Recht der leiblichen Eltern, hier des Vaters, aus Art. 6 Abs. 2 GG und die zu beachtenden Grundsätze des Art. 8 EMRK, wonach eine Verpflichtung des Staates besteht, geeignete Maßnahmen zur Zusammenführung eines leiblichen Elternteils mit seinem Kind zu ergreifen. Denn würde allein die Ablehnung der Mutter und die fehlende Unterstützung der Pflegeeltern einen Wechsel des Kindes zum Vater ausschließen, würde typischerweise ein Wechsel des Kindes zum leiblichen Vater bereits immer dann ausscheiden, wenn das Kind bei Unterbringung in einer Pflegestelle seine sozialen Eltern gefunden hätte. Damit würde indes das Recht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG verletzt, da er in diesen Fällen generell von der persönlichen Betreuung des Kindes und somit vom Sorgerecht ausgeschlossen werden könnte, ohne dass eine Kindeswohlprüfung erfolgt (vgl. dazu grundlegend BVerfG FamRZ 2010, 1403).

Unabhängig davon wird die Einschätzung auch nicht hinreichend durch entsprechende tatsächliche Feststellungen gestützt. Dabei wird nicht verkannt, dass das Verhältnis zwischen dem Vater und den Pflegeeltern angespannt ist. Andererseits arbeiten der Vater und die Pflegeeltern bereits seit der Geburt des Kindes, somit seit über vier Jahren im Rahmen der Umgangskontakte des Vaters mit S., zusammen und begegnen sich regelmäßig. Wäre das Konfliktpotential zwischen den Pflegeeltern und dem Vater derartig hoch, dass S. unter erheblichen Loyalitätskonflikten leiden würde, wäre kaum vorstellbar, dass die Umgangskontakte zum Vater - wie von allen Beteiligten beschrieben - für S. unbelastet und freudvoll ablaufen. Insofern spricht viel dafür, dass Pflegeeltern und leiblicher Vater über die gebotene Bindungstoleranz und erzieherische und kommunikative Kompetenz verfügen, S. aus den Konflikten herauszuhalten und zu seinem Wohl jedenfalls im Ergebnis gedeihlich zusammenzuarbeiten.

Zwar werden die Begegnungen der Pflegeeltern mit dem Vater durch seine sorgerechtliche Verantwortung für S. sowie durch die sich häufenden Umgangskontakte in den nächsten Monaten zunehmen. Insoweit ist es dann die primäre Aufgabe der Beteiligten, respektvoll zum Wohle des Kindes miteinander zu kommunizieren und miteinander Lösungen zu finden. Insoweit kann es geboten sein, die Unterstützung des Jugendamtes einzufordern und fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Senat geht davon aus, dass die Pflegeeltern, die von der Sachverständigen als im besonderen Maße feinfühlig und am Kindeswohl orientiert handelnd beschrieben werden und in der mündlichen Anhörung durch den Senat so erlebt wurden, alles tun werden, um S. einen schonenden Wechsel zum Vater zu ermöglichen und ihm Leid und Traurigkeit soweit wie möglich zu ersparen. Der Senat ist zuversichtlich, dass S. - auch wenn er seinen Lebensmittelpunkt zum Vater wechselt - seine sichere Bindung zu den Pflegeeltern dauerhaft beibehalten kann.

(6) Die von der Sachverständigen als möglich beschriebenen Belastungs-symptome bei S. haben kein derartiges Gewicht, dass sie einen Wechsel zum Vater unter Kindeswohlgesichtspunkten ausschließen würden.

Die Sachverständige hat ausgeführt, dass es in Folge der Trennung bei S. zu Schreiattacken, Einnässen oder ähnlichem kommen könne. Sie hat deswegen einen Wechsel von S. zu seinem Vater nicht befürwortet.

Die Trennung eines Kindes von seiner unmittelbaren Bezugsperson führt regelmäßig zu einer erheblichen psychischen Belastung für das Kind und ist mit einem Risiko für die Entwicklung des Kindes verbunden. Wie bereits ausgeführt, kann jedoch die stets mit einer Trennung von der Pflegefamilie verbundene Belastungssituation allein nicht dazu führen, die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater mit dem Ziel eines Wechsels des Aufenthalts abzulehnen. Sonst wäre eine Rückführung zu den leiblichen Eltern stets ausgeschlossen, wenn sich eine tragfähige Bindung an die Pflegeeltern eingestellt hat, das Kind seine „soziale Familie" gefunden hätte (BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865).

Die Sachverständige beschreibt die befürchteten Symptome des Kindes als eine Reaktion auf die Verunsicherung und auf die durch die Trennung bedingten Belastungen. Weitere Belastungsreaktionen wurden von der Gutachterin - auch auf Nachfrage - nicht genannt, insbesondere wurden von der Sachverständigen keine über die genannten Symptome hinausgehenden dauerhaften psychischen oder sogar physischen Schädigungen prognostiziert. Insbesondere hat die Sachverständige nicht ausgeführt, dass sich die von ihr genannten Belastungssymptome voraussichtlich zu Schädigungen entwickeln werden. Eine Kindeswohlgefährdung im Sinne von § 1666 BGB hat die Sachverständige von daher nicht festgestellt.

Hierfür spricht auch im Übrigen wenig. S., der seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern lebt, musste bisher keine Bindungsabbrüche erleben. Insoweit gestaltet sich der vorliegende Fall abweichend von denjenigen, in denen Kinder aufgrund bereits erfolgter Bindungsabbrüche, etwa nach erfolgten Maßnahmen gemäß §§ 1666, 1666a BGB, in ihre Familie zurückgeführt werden und in denen aufgrund der bereits erlebten Bindungsabbrüche eine erhöhte Vulnerabilität der Kinder besteht (so etwa im Fall OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 1514 und OLG Hamm FamRZ 2007, 659; auch BVerfG FamRZ 2010, 865).

S. ist ein gesundes, normal entwickeltes, fröhliches Kind. Er hat keinen erhöhten Pflege- und Betreuungsbedarf, ebenso wenig sind besondere Fördermaßnahmen für seine Entwicklung erforderlich. Verhaltensauffälligkeiten des Kindes wurden nicht festgestellt. Nach dem vorgelegten Bericht der Gruppenleiterin des Kindergartens vom 16.12.2011 ist die sprachliche Entwicklung des Kindes altersentsprechend. Nach einer anfänglichen Eingewöhnungsphase gehe S. gern in den Kindergarten und fühle sich dort wohl. Die Psychologin, die S. in der Zeit von September bis Dezember 2010 viermal aufgesucht hat, hielt nach den Angaben der Pflegeeltern die Fortsetzung der Gespräche mit dem Kind nicht für erforderlich, da S. ein natürliches, offenes und gut gebundenes Kind sei. Die Verfahrensbeiständin schilderte S. in der Verhandlung am 7.12.2011 ebenfalls als offenes Kind ohne Berührungsängste. S. habe nicht belastet gewirkt, sondern allenfalls still. Nach dem Bericht des Kindergartens vom 16.12.2011 benötigt S. eine klare und feste Tagesstruktur, feste Rituale und die zuverlässige Anwesenheit bestimmter Personen. Auf Veränderungen reagiere er verunsichert, sei motorisch unruhig und verhalte sich zwanghaft. Diese Beschreibung trifft - dies ist dem Senat aus anderen Verfahren und aus eigenen Erfahrungen bekannt - auf eine Vielzahl von Kindern zu, die (ganz unterschiedliche) Ablösungsschwierigkeiten im Kindergarten zeigen. Rückschlüsse, dass S. im Vergleich zu anderen Kindern verhaltensauffällig ist, ergeben sich insoweit nicht.

Bei der mündlichen Anhörung durch den Senat präsentierte sich S. als selbstbewusster, intelligenter, zugewandter Junge, der über eine für sein Alter sehr gute - die Bewältigung der auf ihn zukommenden Belastungen erleichternde - sprachliche Kompetenz verfügt.

Insgesamt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wechsel des Kindes in den Haushalt des Vaters aufgrund eines besonderen Pflege- und Betreuungsbedürfnisses des Kindes oder aufgrund einer besonderen Vulnerabilität des Kindes, die etwa in seinem Wesen begründet sein könnte, zu einer Kindeswohlgefährdung oder gar zu psychischen oder physischen Schädigungen bei S. führen kann.

Die dennoch mit der Trennung des Kindes von den Pflegeeltern zu erwartenden psychischen Belastungen sind unter Berücksichtigung der Bedeutung des Elternrechts des Vaters letztlich hinzunehmen. Insoweit ist es insbesondere die Aufgabe des Jugendamtes, den Beteiligten die notwendige Unterstützung zu geben (BGH NJW 2008, 223), um die Beeinträchtigungen für S. so gering wie möglich zu halten. Dabei gehören die Eltern und deren sozio-ökonomische Verhältnisse grundsätzlich zum Schicksal und Lebensrisiko eines Kindes (BVerfG FamRZ 2010, 713). Selbst wenn S. möglicherweise bei den Pflegeeltern ein noch besseres Umfeld als beim Vater mit optimalen Förderungsmöglichkeiten geboten werden könnte, spräche dies für sich allein nicht gegen den Wechsel des Kindes zum Vater. Denn zum Wächteramt des Staates zählt nicht die Aufgabe, für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen (vgl. BVerfGE FamRZ 2010, 713 m. w. N.).

(7) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der möglichen langfristigen Folgen bei einem Verbleib S. in der Pflegefamilie.

Für die Entscheidung dürfen nicht nur die unmittelbaren Auswirkungen einer Trennung des Kindes von seinen Pflegeeltern betrachtet werden, ohne die langfristigen Auswirkungen einer dauerhaften Trennung von seinem leiblichen Vater zu erwägen (EMRK FamRZ 2004, 1456, 1559; BVerfG FamRZ 2005, 783).

Auf Frage erklärte die Sachverständige insoweit, dass es bisher keine validen Forschungsergebnisse zur Frage gebe, wie sich die Entwicklung eines Kindes bei einer langfristigen Trennung vom leiblichen Elternteil auswirken würde. Die Möglichkeit, dass S. während seiner - noch lang andauernden - Kindheit und in der späteren Adoleszenz nach seinen Wurzeln fragt, sich in der Pflegefamilie tatsächlich als Pflegekind fühlt und seinem Vater vorwirft, er habe sich nicht ausreichend um seine Betreuung bemüht, ist jedenfalls denkbar.

(8) Soweit die Sachverständige befürchtet, dass es aufgrund der hochkonfliktbehafteten Elternbeziehung zu einem Bindungsabbruch zwischen S. und seiner Mutter kommen werde, kann einer solchen Entfremdung des Kinder von der Mutter durch eine angemessene - ggf. gerichtliche - Regelung des Umgangs entgegengewirkt werden (so ausdrücklich BVerfG NJW 2011, 3355).

Der Vater hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er den Kontakt des Kindes zur Mutter unterstützen wird und sogar angeboten, dass die Mutter S. in seinem Haushalt trifft. Zweifel an der Ernsthaftigkeit diese Absicht ergeben sich nicht. Dass möglicherweise die Mutter Probleme hat, S. in einem anderen Rahmen als bisher im Haushalt der Pflegeeltern zu treffen, kann allein einem Wechsel des Kindes zum Vater nicht entgegenstehen. Insoweit hat es die Mutter bisher auch versäumt, mit S. unbegleitete Kontakte zu verbringen. Sollte zunächst ein unbegleiteter Kontakt nicht möglich sein, käme eine Begleitung im beschützten Rahmen, etwa beim Kinderschutzbund, in Betracht.

Soweit die Mutter den Vater nunmehr als äußerst diktatorisch anmutend, egozentrisch und wenig partnerschaftlich beschreibt und aus seiner Persönlichkeitsstruktur die fehlende Kooperationsbereitschaft ableitet, vermag das den Senat nicht zu überzeugen. Die Mutter stützt ihre Angaben auf Erfahrungen, die sie während einer lediglich zweimonatigen Beziehung mit dem Vater erlebt hat. Abgesehen davon, dass diese kurze gemeinsame Zeit nunmehr bereits fünf Jahre zurückliegt, sieht der Senat diese Konflikte ausschließlich auf der Paarebene der Eltern begründet.

Soweit die Sachverständige Spannungen zwischen den Eltern erwartet, etwa im Zusammenhang mit Umgangskontakten der Mutter, und darin eine langfristige Belastung des Kindes befürchtet, geht der Senat davon aus, dass durch die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater und die zu treffenden Regelungen zum Umgang das Streitpotential eher gering sein wird. Die Eltern müssen keine sorgerechtsrelevanten Dinge besprechen. In Hinblick darauf, dass die Mutter S. nicht selbst betreuen will, werden die Loyalitätskonflikte für S. nicht gravierend sein.

Sollte der Mutter gleichwohl eine Wahrnehmung des Umgangs aufgrund des angespannten Verhältnisses zum Vater nicht möglich sein, wäre dies zwar bedauerlich. Eine Kindeswohlgefährdung, die einen Wechsel des Kindes zum betreuungsfähigen und -willigen leiblichen Vater unter Berücksichtigung der inmitten stehenden Grundrechte ausschließen würde, kann darin indes nicht erblickt werden. Denn S. konnte - wie dargelegt - aufgrund der Gesamtumstände ohnehin nur eine sehr eingeschränkte Beziehung zur Mutter entwickeln, sodass sie keine primäre Bezugsperson für ihn ist.

II. Es wird das Verbleiben des Kindes im Haushalt der Pflegeeltern befristet bis zum 31.8.2012 angeordnet, § 1632 Abs. 4 BGB.

Ein Wechsel des Kindes in den väterlichen Haushalt kann nicht sofort erfolgen, da dies zur Überzeugung des Senats mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Kindeswohlgefährdung führen würde. S. würde durch die abrupte Herausnahme aus dem Haushalt der Pflegeeltern seine Hauptbezugspersonen verlieren und dadurch in seiner psychischen Entwicklung erheblich geschädigt werden.

1. Der Anordnung der befristeten Verbleibensanordnung steht nicht entgegen, dass der Vater mehrfach erklärt hat, S. nicht sofort aus der Pflegefamilie herauszunehmen, sondern einen schonenden Wechsel herbeiführen zu wollen. Für ihn sei es selbstverständlich, dass ein Wechsel nicht zur Unzeit erfolgen dürfe. Eine rechtlich verbindliche Erklärung hat er insoweit jedoch nicht abgegeben, so dass der Senat eine ausdrückliche Regelung der Verbleibensanordnung zum Wohle des Kindes für angezeigt erachtet. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Vater im Schriftsatz vom 12.1.2012 vortragen lässt, dass der Antrag der Pflegeeltern auf eine Verbleibensanordnung nicht geboten sei, da eine sichere Bindung des Kindes zum Vater gegeben sei. Eine verlässliche Aussage, dass der Vater S. nur nach einer ausreichenden Übergangszeit und nach Intensivierung der Bindung durch erweitere Umgänge zu sich nehmen werde, kann daraus nicht abgeleitet werden, so dass für die Verbleibensanordnung ein Regelungsbedürfnis besteht.

2. Bei der vorzunehmenden Auslegung der Voraussetzung für die Verbleibensanordnung ist sowohl dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG als auch der Grundrechtsposition des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 i. V. mit Art. 1 Abs. 1 GG sowie schließlich auch dem Grundrecht der Pflegefamilie aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Rechnung zu tragen (BVerfG FamRZ 2005, 783). Gleichwohl ist im Rahmen der erforderlichen Abwägung das Wohl des Kindes letztlich entscheidend (BVerfG FamRZ 1999, 1417; BVerfG FamRZ 2005, 783; BVerfG FamRZ 2010, 865).

3. Eine unbefristete Verbleibensanordnung kommt nicht in Betracht, da durch eine weitere sukzessive Annäherung an den leiblichen Vater und eine damit einhergehende Lockerung des Verhältnisses zu den Pflegeeltern die Herausnahme des Kindes aus seiner Pflegefamilie und der Wechsel in den Haushalt des Vaters ohne Kindeswohlgefährdung in absehbarer Zeit möglich erscheint.

4. Der Gefährdung des Kindeswohls, die durch eine sofortige Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie entstehen würde, kann entgegengewirkt werden, indem als milderer Eingriff eine befristete Verbleibensanordnung zugunsten der Pflegefamilie ergeht.

Der Senat hat nach den Ausführungen sämtlicher Beteiligter, insbesondere der Pflegeeltern, der Verfahrensbeiständin und der Vertreterin des Jugendamtes, sowie nach den Gutachten der Sachverständigen Dr. C. vom 25.5.2009 und vom 21.3.2011 keine Zweifel, dass S. eine feste, sichere und tragfähige Bindung zu seinen Pflegeeltern hat.

S. lebt seit seiner Geburt bei den Pflegeeltern. Er ist dort verwurzelt und hat zu den Pflegeeltern und deren Sohn M. eine stabile Bindung entwickelt. Die Pflegeeltern sind seine Hauptbezugspersonen. S. hat jedoch - dies wurde bereits ausgeführt - auch eine vertrauensvolle und positive Beziehung zu seinem Vater. Dies ist insoweit bemerkenswert, als dieser Beziehungsaufbau - insoweit wird auf die Ausführungen der Gutachterin im Sachverständigengutachten vom 25.5.2009 verweisen - erschwert wurde. Diese Bindung des Kindes an seinen Vater ist letztlich Voraussetzung für den mittelfristig bevorstehenden endgültigen Wechsel des ständigen Aufenthalts in die väterliche Familie.

Ein sofortiger Wechsel von S. zu seinem Vater würde jedoch eine abrupte Trennung von den Hauptbezugspersonen bedeuten. Ein solcher Bindungsabbruch zu den Hauptbezugspersonen - dies ist dem Senat aufgrund eigener Sachkunde, die er in anderen Verfahren gewinnen konnte, bekannt, kann bei Kindern im Alter von drei bis vier Jahren zu einem Trennungstrauma mit nachhaltigen psychischen Schäden in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Das Sicherheitsgefühl des Kindes würde gravierend gestört, das Vertrauen in die Verlässlichkeit von Bindungen und damit auch das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl des Kindes elementar erschüttert.

In Hinblick darauf, dass die Beziehung von S. zu seinem Vater nicht so gefestigt und tragfähig ist wie die zu den Pflegeeltern, ist mit einer Gefährdung des Kindeswohls bei einer sofortigen Herausnahme des Kindes aus der Pflegefamilie zu rechnen. Dies sieht auch der Vater so, der mehrfach versichert hat, das Kind nicht sofort zu sich nehmen zu wollen.

Es ist somit erforderlich, dass die Bindungen zu den Pflegeeltern einerseits aufrechterhalten und andererseits die Bindungen zum Vater vor der endgültigen Übersiedelung intensiviert und verstärkt werden. Dies erfordert einen - bereits jetzt einzuleitenden - schonenden Hinführungsprozess. Dass eine schrittweise Umge-wöhnung in derartigen Fällen notwendig ist, hat zum einen die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht am 1.7.2009 ausgeführt. Dem Senat ist im übrigen auch aus anderen Verfahren bekannt, dass ein schrittweiser Wechsel mit zeitweise gleichstarken Bindungen an Pflegeeltern und leibliche Eltern zum Wohle des Kindes möglich ist. Auf die Anforderungen an die Pflegeeltern und den Vater in diesem Zusammenhang wurde bereits hingewiesen.

Um den Wechsel des Kindes in den väterlichen Haushalt vorzubereiten, muss eine verstärkte Annäherung des Kindes an den Vater erfolgen. Dabei sind auch mehrtägige Umgangskontakte und Ferienkontakte sicherzustellen (so BGH NJW 2008, 223). Die Sachverständige hat zur Beziehungsintensivierung zum Vater für den Fall eines beabsichtigten dauerhaften Wechsels die Ausweitung des Umgangs empfohlen, namentlich in Form von mehreren wöchentlichen Umgangskontakten mit Übernachtungsbesuchen.

Dieser Prozess wird durch die nachfolgende Umgangsregelung sichergestellt. Der Senat geht derzeit davon aus, dass der Prozess des Wechsels etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen wird. Aus ähnlich gelagerten Fällen ist dem Senat bekannt, dass dieses Hinführungsszenario in etwa diese Zeit dauern wird. Insoweit ist die Verbleibensanordnung zu befristen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1632 Rz. 16).

Der Senat hält es für angemessen, wenn S. zu Beginn des Kindergartenjahres 2012/2013 zum Vater wechselt und dann am Wohnort des Vaters den Kindergarten besucht. Dies ermöglicht ihm, neue Freunde zu finden und mit einem Teil dieser Kinder dann auch eingeschult zu werden.

Der Senat weist darauf hin, dass diese Entscheidung gemäß § 1696 BGB jederzeit abgeändert werden kann, wenn triftige Gründe dies zum Wohle des Kindes erfordern.

5. Der Senat verkennt nicht, dass sich auch die Pflegeeltern auf eine eigene Grundrechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 GG berufen können, da das Pflegeverhältnis bereits seit 13.11.2007, somit über einen längeren Zeitraum besteht und Bindungen zwischen ihnen und S. gewachsen sind (zur Grundrechtsposition der Pflegeeltern BVerfG FamRZ 1985, 39; BVerfG FamRZ 1989, 31; BVerfG FamRZ 2010, 865; BGH NJW 2008, 223).

Das Recht der Pflegeeltern aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 GG muss jedoch im Zusammenhang mit dem Recht der leiblichen Eltern aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gesehen werden, auf das sich Pflegeeltern nicht berufen können. Für die leiblichen Eltern ist die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff in das Elternrecht, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG FamRZ 1989, 31). Die Stellung der Pflegeeltern ist umso weniger geschützt, als sie sich auf die spätere Herausgabe des Kindes einstellen mussten (BGH NJW 2008, 223).

Im vorliegenden Fall war der Vater von Beginn an nicht mit der Unterbringung des Kindes bei einer Pflegefamilie einverstanden. Dies hatte er in einem Gespräch am 26.10.2007 - noch vor der Geburt des Kindes - dem Jugendamt und den künftigen Pflegeeltern mitgeteilt. Der Vater wollte stets das Kind in seinem Haushalt betreuen und versorgen. Darüber hinaus beantragte der Vater bereits im März 2008 erstmals die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich. Für die Pflegeeltern war somit seit Beginn des Pflegeverhältnisses erkennbar, dass der Vater den Wechsel des Kindes in seinen Haushalt nachhaltig anstrebt. Die Pflegeeltern durften somit nicht darauf vertrauen, dass das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt sein wird.

III. Die Umgangskontakte des Vaters mit dem Kind sind mit dem Ziel auszuweiten, dass S. im September 2012 zum Vater wechseln und ab dem Kindergartenjahr 2012/2013 einen neuen Kindergarten besuchen kann.

Der Umgang wird - entsprechend den Empfehlungen der Sachverständigen für ähnlich gelagerte Fälle - stufenweise ausgedehnt. Dem Senat ist aus zahlreichen Umgangsverfahren bekannt, dass zur Intensivierung der Kontakte zu einem Elternteil eine sukzessive Ausdehnung des Umgangs zum Wohle des Kindes angezeigt ist. Dabei darf ein Kind nicht überfordert werden. Ihm müssen die Bindungen zu seinen bisherigen Hauptbezugspersonen erhalten bleiben; gleichzeitig müssen die Bindungen zum Vater qualitativ verbessert und insgesamt gefördert werden.

Zunächst wird das Ziel verfolgt, Übernachtungsumgänge an den Wochenenden zu ermöglichen. In Hinblick darauf, dass S. bisher nur einen Tag in der Woche, am Samstag für 6 Stunden, bei seinem Vater verbracht hat, soll in den ersten Wochen an einem zusätzlichen Tag, namentlich am Sonntag, Umgang stattfinden. In Hinblick darauf, dass S. noch nie auswärts übernachtet hat, könnten ihn sofortige Wochenendumgänge einschließlich Übernachtungen überfordern.

Übernachtungen können angeordnet werden, wenn zwischen dem Kind und dem Umgangsberechtigten eine innige und vertrauensvolle Bindung besteht (vgl. Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1684 Rz. 26). Durch die zweitägigen Umgänge sollen die Übernachtungen des Kindes beim Vater behutsam angebahnt und dann ab Mai 2012 regelmäßig durchgeführt werden. Dadurch soll es S. ermöglicht werden, seine Beziehung zum Vater zu intensivieren und den Aufbau einer familiären Beziehung zum Vater zu erleichtern.

Der Anordnung der Übernachtungen steht nicht entgegen, dass S. im Rahmen der Anhörung durch den Senat am 25.1.2012 die Frage, ob er gern bei seinem Vater übernachten wolle, verneint hat. In Hinblick darauf, dass S. bisher nie auswärts übernachtet hat, konnte er bisher keine eigenen Vorstellungen oder Erfahrungen entwickeln. Ungeachtet dessen ist der Wille des 4-jährigen Kindes nicht allein als zuverlässige Entscheidungsgrundlage anzusehen und kann nicht als eigenständige Selbstbestimmung angenommen werden (Johannsen/Henrich, a.a.O., § 1671 Rz. 81 a.E.). Der Senat, der S. als offenen und kontaktfreudigen Jungen erlebt hat, geht davon aus, dass sich das Kind auf die Übernachtungen bei seinem Vater in einer für ihn - mittlerweile vertrauten Umgebung - einlassen kann.

Diese Übernachtungen werden in den Pfingstferien auf drei bzw. vier Tage ausgedehnt. Ab 15.6.2012 erfolgen sodann regelmäßige wöchentliche Umgänge von Freitagnachmittag bis Sonntag und ab Juli sodann von Donnerstagnachmittag bis Sonntag. Außerdem wird in den Sommerferien ein Ferienumgang in der Zeit vom 9.8.2012 bis 19.8.2012 vorgesehen.

Diese Umgangsregelungen sind so gefasst, dass S. sich einerseits bestmöglich auf seinen Vater und dessen Familie einstellen kann, andererseits aber eine sichere Bindung und zunächst den Lebensmittelpunkt bei seinen Pflegeeltern behält. Andererseits sind die Regelungen einfach und klar gefasst, so dass ein reibungsloser Ablauf des Umgangs die Gefahr möglicher Konflikte zwischen den Pflegeeltern und dem Vater ganz erheblich reduziert.

Der Senat ist davon überzeugt, dass sowohl die Pflegeeltern als auch der Vater dieses Übergangszenario für das Kind so verträglich wie nur möglich gestalten und alles unterlassen werden, was nur im geringsten Maß die Wertschätzung der jeweils andere Seite in Frage stellen und das Kind verunsichern könnte.

Der Senat regt ausdrücklich an, dass die Beteiligten die Unterstützung des Jugendamtes und gegebenenfalls weitere fachliche Beratung sowie Hilfe in Anspruch nehmen. Für den Fall, dass sich einzelne Umgangsanordnung aufgrund besonderer beruflicher oder persönlicher Erfordernisse als nicht praktikabel erweisen, sollten die Beteiligen einvernehmlich eine den Interessen aller gerecht werdende Regelung finden und Probleme gemeinsam lösen. In diesem Zusammenhang entspräche es dem Wohl des Kindes, nahtlos ab 1.9.2012 regelmäßige Umgangskontakte der Pflegeeltern mit Simon einerseits und der Mutter mit S. andererseits abzusprechen. ..."

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Einem Antrag des nichtehelichen Vaters auf Begründung der gemeinschaftlichen elterlichen Sorge ist stattzugeben, wenn die Übertragung dem Wohl des Kindes dient (§ 1672 Abs. 1 BGB). Auch bei einem funktionierenden Umgangsrecht widerspricht die Begründung der Mitsorge dem Kindeswohl, wenn eine am Kindeswohl orientierte gleichberechtigte Kommunikation und Kooperation zwischen den Eltern nicht möglich ist und die Mitsorge Streitigkeiten über Kindesbelange nur vermehren würde (OLG Braunschweig, Beschluss vom 09.03.2012 - 2 UF 174/11 zu Art 6 Abs 2 GG, §§ 1626a I Nr 1, 1672 I BGB - Volltext unter § 1626 a BGB).

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„... Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 27.7.2010 ist zulässig. Der Beteiligte zu 1. ist insbesondere beschwerdeberechtigt, § 59 Abs. 1 FamFG. Denn auch als Vater der nicht in einer Ehe geborenen Kinder hat er das Recht, die Übertragung der elterlichen Sorge bzw. eines Teils der elterlichen Sorge für diese Kinder auf sich zu beantragen (BVerfG, Beschluss vom 21.7.2010, 1 BvR 420/09).

Die Beschwerde ist auch begründet. Die aus der Beschlussformel ersichtliche einstweilige Anordnung zugunsten des Vaters ist zu erlassen.

Da die Mutter gegen den Willen des Vaters beabsichtigt, die Kinder aus der bisher besuchten Schule bzw. aus dem gewohnten Kindergarten herauszunehmen und zu Beginn des Schuljahrs am Montag, dem 23.8.2010, in eine andere Schule bzw. einen anderen Kindergarten in der Nähe ihrer Wohnung wechseln zu lassen, besteht ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Eingreifen, § 49 FamFG (s.a. Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 49, Rz. 13).

Aufgrund der im Anordnungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung (vgl. dazu Keidel/Giers, a.a.O., § 49, Rz. 10) ist dem Vater, entsprechend seinem erstinstanzlichen Begehren, das Recht zu übertragen, vorläufig Schule bzw. Kindergarten für die Kinder zu bestimmen.

Der Erlass der einstweiligen Anordnung zugunsten des Vaters ist außerhalb der Eingriffsschwelle von § 1666 BGB möglich, nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 21.7.2010 (1 BvR 420/09) ausgesprochen hat, dass die Regelungen in §§ 1626 a Abs. 1 Nr. 1 und 1672 Abs. 1 BGB, die den Vater eines nichtehelichen Kindes von der elterlichen Sorge ausschließen, wenn die Mutter ihre Zustimmung verweigert, mit Art. 6 Abs. 2 GG unvereinbar sind. Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung darf nun auch dem Vater nicht in einer Ehe geborener Kinder in Anlehnung an die Regelung des § 1671 BGB die elterliche Sorge oder ein Teil davon übertragen werden, soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Somit ist dem Vater vorläufig die Befugnis zu übertragen, Schule bzw. Kindergarten für die Kinder zu bestimmen. Denn dies entspricht dem Wohl der Kinder am besten. Durch diese einstweilige Anordnung wird sichergestellt, dass den Kindern, die seit der Trennung ihrer Eltern im Sommer 2009 im Haushalt des Vaters leben und mit denen die Mutter erst seit Mai 2010 regelmäßigen Umgang pflegt, vorerst die bisherige Schule bzw. der gewohnte Kindergarten erhalten und ein Wechsel in die von der Mutter ausgewählten Einrichtungen erspart bleibt. In einem Hauptsacheverfahren - insoweit hat der Vater in der Beschwerdeschrift bereits Anträge angekündigt - mag geklärt werden, ob der von der Mutter gewünschte Umzug der Kinder in ihren Haushalt und damit einhergehend der Schul- bzw. Kindergartenwechsel deren Wohl am besten entspricht.

Von der Durchführung einer erneuten mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil das Amtsgericht diese bereits vor etwa zwei Wochen durchgeführt hat und von einer erneuten Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind, § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG. (OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2010 - 10 WF 187/10)

§ 1673 BGB Ruhen der elterlichen Sorge bei rechtlichem Hindernis

(1) Die elterliche Sorge eines Elternteils ruht, wenn er geschäftsunfähig ist.

(2) Das Gleiche gilt, wenn er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist. Die Personensorge für das Kind steht ihm neben dem gesetzlichen Vertreter des Kindes zu; zur Vertretung des Kindes ist er nicht berechtigt. Bei einer Meinungsverschiedenheit geht die Meinung des minderjährigen Elternteils vor, wenn der gesetzliche Vertreter des Kindes ein Vormund oder Pfleger ist; andernfalls gelten § 1627 Satz 2 und § 1628.

Leitsätze/Entscheidungen:

Eine zeitliche Begrenzung gerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls (§ 1666 BGB) ist regelmäßig nicht möglich und allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Dies gilt auch für die minderjährigen Eltern gem. § 1673 II BGB zustehende Personensorge (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.10.2004 - 16 UF 81/04, FamRZ 2005, 1272).

***



§ 1674 BGB Ruhen der elterlichen Sorge bei tatsächlichem Hindernis

(1) Die elterliche Sorge eines Elternteils ruht, wenn das Familiengericht feststellt, dass er auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann.

(2) Die elterliche Sorge lebt wieder auf, wenn das Familiengericht feststellt, dass der Grund des Ruhens nicht mehr besteht.

Leitsätze/Entscheidungen:

A. Zur Frage des anzuhörenden Jugendamts in Berlin in familienrechtlichen Verfahren betreffend allein eingereiste ausländische Minderjährig. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Senatsverwaltung und Jugendamt erfordert ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung. Zur Amtsaufklärungspflicht des Familiengerichts in Verfahren über das Ruhen der elterlichen Sorge bezüglich der Minderjährigkeit, der Feststellung des Todes eines Elternteils und der Feststellung der Hinderung eines Elternteils an der Ausübung der elterlichen Sorge (KG Berlin, Beschluss vom 02.07.2012 - 16 WF 111/12 zu §§ 26, 27 II, 62 I 2, 69 I 3, 162 I 2 FamFG u.a.):

„... Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen das Ruhen der elterlichen Sorge beider Eltern nach § 1674 Abs. 1 BGB festgestellt. Der nach Deutschland ohne Eltern eingereiste Betroffene unterhalte keinen Kontakt zu diesen. Bei seiner persönlichen Anhörung hätten sich keine Zweifel an der Minderjährigkeit ergeben. Der Antragsteller sei angehört worden und dieser sei Jugendamt nach § 162 Abs. 1 S. 2 FamFG gemäß Nr. 2 S. 1 AV-JAMA vom 10. Juni 2008.

Der Betroffene hat sein Geburtsdatum mit dem 28. August 1994 angegeben und erklärt, sein Vater sei tot, seine Mutter nicht erreichbar.

Der Beteiligte zu 4., das Jugendamt S… Z… dem der angefochtene Beschluss nicht zugestellt worden ist, hat Beschwerde eingelegt, seine unterlassene Beteiligung und die mangelnde Sachaufklärung des Amtsgerichts gerügt. Die Minderjährigkeit des Betroffenen stehe nicht fest. Nicht einmal die Ausländerakte sei beigezogen worden. Der Verbleib der Sorgeberechtigten sei unklar und nicht aufgeklärt worden. Der Antragsteller habe entgegen § 27 Abs. 2 FamFG keine vollständigen Erklärungen abgegeben.

B. Die gemäß §§ 58 ff., 162 Abs. 3. S. 2 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet und führt auf den entsprechenden Antrag des Beteiligten zu 4. zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG). Wegen des Antrages kann der Senat offen lassen, ob die Schwere der Verfahrensfehler eine entsprechende Anwendung von § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG gebieten würde.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, weil das Amtsgericht das Jugendamt, den Beteiligten zu 4., verfahrensfehlerhaft nicht nach § 162 Abs. 1 FamFG angehört hat, und es sind umfangreiche Ermittlungen von Amts wegen erforderlich (§ 26 FamFG), die es unterlassen hat.

Im Verfahren zuständiges und zu beteiligendes Jugendamt war und ist das Jugendamt des Bezirks (§§ 86 Abs. 4, 87b SGB 8) und nicht die S… und … . Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts kann nicht auf Nr. 2 AV-JAMA vom 10. Juni 2008 gestützt werden. Dabei mag offen bleiben, ob Art. 67 (4, 66) VvB überhaupt eine Zuständigkeitsverteilung durch eine AV zulässt und dass die Regelung in § 33 Abs. 2 AG-KJHG dahin zu verstehen ist, dass allenfalls die örtliche Zuständigkeit der Jugendämter durch AV geregelt werden könnte, nicht aber die Frage, ob die Senatsverwaltung oder der Bezirk (sachlich) zuständig ist. Denn die sachliche Zuständigkeit/Aufgabenverteilung ist in § 33 Abs. 1 AG-KJHG geregelt und § 33 Abs. 2 AG-KJHG betrifft die örtliche Zuständigkeit im Aufgabenbereich der Jugendämter der Bezirke. Entscheidend ist vielmehr, dass es hier nicht um die Zuständigkeit für die Inobhutnahme nach § 87 SGB 8 geht, sondern um die Beteiligung am gerichtlichen Verfahren, die in § 87b SGB 8 selbständig geregelt ist und von der AV-JAMA weder berührt wird noch unter Beachtung von Art. 67 VvB berührt werden könnte (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012, 16 UF 48/12).

Auch infolge der verfahrensfehlerhaft unterlassenen Beteiligung des Jugendamts hat das Amtsgericht weitere Erkenntnisse nicht berücksichtigen und nicht erlangen können. Den sich ergebenden Zweifeln zu den Altersangaben des Betroffenen wird im Rahmen der Amtsaufklärung (§ 26 FamFG) auch durch die Einholung eines Gutachtens zum Alter nachzugehen sein. Da die Antragstellerin in allen dem Senat bekannten gleichartigen Verfahren spätere Bemühungen um die Altersfeststellung nicht im Verfahren nachträgt, muss im Wege der Amtsaufklärung auch die Ausländerakte beigezogen werden, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Auf den Senatsbeschluss vom 10. April 2012 zur Geschäftsnummer 16 UF 299/11 (86 F 168/11 Amtsgericht Schöneberg) wird insoweit ergänzend Bezug genommen. Auch kommt es in Betracht dem Betroffenen aufzugeben, über die Botschaft von G… in Deutschland neue Ausweispapiere zu erlangen, wobei die Botschaft in diesem Verfahren auf Daten des Herkunftslandes zurückgreifen kann. Zweifel bestehen hier insbesondere deshalb, weil die Erklärungen des Betroffenen erhebliche Bedenken an ihrem Wahrheitsgehalt aufkommen lassen. Nach der Erklärung des Betroffenen vom 5. März 2012 hat ihm die Mutter den Flug nach Europa bezahlt, die dafür ein Grundstück verkaufte, und nun will er keinen Kontakt mit ihr haben, obwohl er erst am 1. März 2012 aus der Elfenbeinküste, in die er mit dem Auto 2009 gelangt sein will, nach Deutschland einreiste. Er gibt einen Onkel an, bei dem er aufgewachsen sei, zu dem ebenfalls jegliche nähere Angaben fehlen (Name, Anschrift usw.). In der späteren Erklärung vom 8. März 2012 verweigerte er Angaben dazu, wer ihm den Flug finanziert hat. Einmal gibt er zwei Geschwister an (5. März 2012), ein anderes Mal werden Geschwister verneint (8. März 2012). Einmal wuchs er beim Onkel, der Koranlehrer ist, in L… auf, besuchte dort nach der Grundschule in den Jahren 2008 bis 2009 die Koranschule und arbeitete als Fotograf in K… und L… /G… (5. März 2012), anderseits gibt er an, dass er in der Grundschule war und zuletzt in der Landwirtschaft auf dem Hof seiner Mutter gearbeitet habe (8. März 2012). Seit 2009 will er jedoch in der Elfenküste gewesen sein und dort auf der Straße gelebt haben. Das Amtsgericht hat dazu in seiner Anhörung vom 20. März 2012 nichts hinterfragt und keine Aufklärung des Sachverhalts vorgenommen, obwohl sich die Ansatzpunkte und Lügen des Betroffenen massiv aufdrängen.

Ferner wird das Amtsgericht von Amts wegen (§ 26 FamFG) im Hinblick auf die Widersprüche in der Erklärung des Betroffenen die Voraussetzungen des § 1674 Abs. 1 BGB zu klären haben. Es muss einerseits die elterliche Sorge bestehen, was beim Vater fraglich ist, wenn er - wie der Betroffene erklärt hat - tatsächlich verstorben ist (§ 1680 BGB), und andererseits müssen beide Eltern, jedenfalls aber die Mutter tatsächlich nicht in der Lage sein, die elterliche Sorge auszuüben, also auch nicht durch Erteilung von Vollmachten. In dieser Hinsicht hat das Amtsgericht keine Ermittlungen angestellt und nicht beispielsweise versucht, über die Botschaft von G… oder evtl. die deutsche Botschaft in G… Erkenntnisse zu gewinnen oder Urkunden zu erlangen. Es hat sich nicht einmal nach der Anschrift des Onkels erkundigt, über den weitere Ermittlungen denkbar sind. Vielmehr hat es sich allein auf die offensichtlich zweifelhaften Angaben des Betroffenen verlassen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage der Anhörung und der Beteiligung der Mutter im Verfahren und ob diese ggf. im Wege der öffentlichen Zustellung zu beteiligen ist. Falls der Vater nicht tot sein sollte, muss auch er beteiligt werden. Denn das Amtsgericht hat nicht etwa eine einstweilige Anordnung vor der endgültigen Klärung der Fragen erlassen und dann nach weiteren Ermittlungen eine Änderung der einstweiligen Anordnung oder die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens beabsichtigt, sondern es hat bereits eine endgültige Regelung getroffen. Den von Amts wegen möglichen Gestaltungsspielraum, den ein einstweiliges Anordnungsverfahren bietet (vgl. auch § 1693 BGB), um die Rechte der Beteiligten zu wahren und die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen, hat das Amtsgericht dabei nicht ausgeschöpft.

Der Senat weist darauf hin, dass mit der Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) erfolgt. Die Verfahrensgestaltung aller Beteiligten muss diesem Verfassungswert gerecht werden. Es geht nicht um die Frage, wie das „Problem" „verwaltungstechnisch" am einfachsten und billigsten für die eigene Kostenstelle zu lösen ist. ..."

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Die Bestellung des Jugendamts zum Vormund für einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling ist nicht zu beanstanden ( OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.03.2012 - 18 UF 274/11 zu §§ 1674 BGB, 1779, 1791b I S 1, §§ 42 I 1 Nr 3, 55 II 1 SGB 8 u.a.):

„... 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, folgt im vorliegenden Falle jedenfalls aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 (Brüssel IIa-VO). Diese Verordnung ist stets anwendbar, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, vgl. Art. 61 lit. a Brüssel IIa-VO. Grundsätzlich sind nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel IIa-VO die Gerichte des Staates für die Sorgerechtsregelung international zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Neben der körperlichen Anwesenheit eines Kindes werden weitere Faktoren für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts - in Abgrenzung einer nur vorübergehenden Anwesenheit - herangezogen, namentlich eine gewisse Integration in ein soziales und familiäres Umfeld sowie die Dauer des Aufenthalts (Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Auflage 2010, § 99 FamFG Rz. 10). Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird dabei grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf eine längere Zeitdauer angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkt sein soll (BGH NJW 1981, 520). Minderjährige, die zusammen mit ihren Eltern oder mit dem sorgeberechtigten Elternteil oder mit Zustimmung des oder der Sorgeberechtigten in ein anderes Land übersiedeln, erwerben deshalb mit dem Umzug am neuen Wohnort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt (OLG Karlsruhe NJW-RR 2008, 1323; ähnlich Johannsen/Henrich, a.a.O., Art. 21 EGBGB Rz. 7 m.w.N., der davon ausgeht, dass der neue gewöhnliche Aufenthalt alsbald erworben wird).

Y. kam am 28.7.2011 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Ungeachtet der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt bereits familiäre und soziale Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland bestanden, ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auszugehen. Y. wohnte nach seiner Ankunft in Deutschland zunächst im Haushalt der Familie S. in S. und nunmehr bei Familie L. in V.

2. In der Sache ist gemäß Art. 15 Abs. 1 Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ) deutsches Recht anwendbar. Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ gilt das lex fori-Prinzip: Ist die Zuständigkeit eines Vertragsstaates begründet, wendet dieser sein eigenes Recht an. Dabei ist unerheblich, ob das betroffene Kind Angehöriger eines Vertragsstaates oder eines Drittstaates ist (Palandt/Thorn, BGB, 71. Auflage 2012, Anh zu EGBGB 24 Rz. 18).

3. Danach ist § 1674 Abs. 1 BGB anwendbar. Nach dieser Vorschrift ruht die elterliche Sorge eines Elternteils, wenn das Familiengericht feststellt, dass ein Elternteil auf längere Zeit die elterliche Sorge tatsächlich nicht ausüben kann. Dabei genügt die bloße physische Abwesenheit eines Elternteils nicht, soweit das Sorgerecht mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel- und Reisemöglichkeiten aus der Ferne wahrgenommen werden kann (BGH FamRZ 2005, 29). Demgegenüber ist anerkannt, dass ein Auslandsaufenthalt mit schwierigen Verkehrsverbindungen und / oder politischen Verhältnissen ein tatsächliches Ausübungshindernis darstellt (OLG Köln FamRZ 1992, 1093; OLG Brandenburg FamRZ 2009, 237; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1674 Rz. 1).

Im vorliegenden Fall besteht zwischen dem Kind und seinen Eltern kein Kontakt. Der Aufenthalt der Eltern von Y. ist unbekannt. Die Mutter soll nach T. geflohen sein. Ausreichende Kommunikationsmöglichkeiten, die unabdingbare Voraussetzung für die Möglichkeit der Ausübung des elterlichen Sorgerechts sind, bestehen damit nicht. Eine derartige Einschränkung der Ausübung der elterlichen Gewalt kommt deren Verhinderung gleich (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1674 BGB Rz. 1). Eine Vollmacht für Sorgerechtsangelegenheiten liegt nicht vor.

In Hinblick darauf, dass die Eltern von Y. infolge der Anordnung des Ruhens der elterlichen Sorge nicht mehr vertretungsberechtigt sind, ist für das Kind die Vormundschaft anzuordnen, § 1773 Abs. 1 2. Alt. BGB.

4. Die Auswahl des Jugendamts, als Vormund ist nicht zu beanstanden, §§ 1779 Abs. 1 und 2, 1791b Abs. 1 Satz 1 BGB.

a) Es fehlt eine als ehrenamtlicher Einzelvormund geeignete Person. Y. hat nach eigenen Angaben in Deutschland keine Verwandten, nahen Angehörigen oder Bekannten. Das Jugendamt hat in Ermangelung eines geeigneten und bereiten ehrenamtlichen Einzelvormundes die Ernennung eines Berufsvormunds vorgeschlagen, § 53 Abs. 1 SGB VIII. Einer gerichtlichen Aufforderung des Jugendamtes, eine geeignete ehrenamtliche Person vorzuschlagen, bedurfte es somit nicht mehr (zu diesem Erfordernis OLG Hamm FamRZ 2010, 1684; KG FamRZ 2010, 1998). Dem Senat ist ebenfalls keine natürliche Person bekannt, die geeignet und bereit wäre, ehrenamtlich die Vormundschaft für das Kind Y. zu übernehmen.

Nachdem weder ein ehrenamtlicher Einzelvormund, der gemäß §§ 1791a Abs. 1 Satz 2, 1791b Abs. 1 Satz 1 BGB vorrangig zu bestellen wäre, noch ein rechtsfähiger Verein zur Führung der Vormundschaft zur Verfügung steht, hat das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zwischen der Amtsvormundschaft und der Berufsvormundschaft auszuwählen (OLG Hamm FamRZ 2010, 1684; KG FamRZ 2010, 1998; OLG Celle JAmt 2011, 352).

Amts- und Berufsvormundschaft stehen insoweit gleichrangig nebeneinander (MünchKomm/Wagenitz, BGB, 6. Auflage 2012, § 1791b Rz. 2). Durch das am 1.7.2005 in Kraft getretene Betreuungsrechtsänderungsgesetz wurde die Subsidiarität auf das Vorhandensein eines ehrenamtlichen Einzelvormunds beschränkt (BT-Ds. 15/2494, S. 27). Einzelne Berufsvormünder sind gegenüber dem Jugendamt nicht (mehr) vorrangig (M. Hamdan/B. Hamdan in: jurisPK-BGB, 5. Auflage 2010, § 1791b Rz. 2; MünchKomm/Wagenitz, a.a.O., § 1791b Rz. 2; anders noch zu der bis 30.6.2005 geltenden Rechtslage KG Berlin FGPrax 1999, 103; s. auch OLG Celle Beschluss vom 19.4.2011 - 15 UF 76/10, JAmt 2011, 352: kein Rangverhältnis zwischen Vereins- und Amtsvormundschaft).

b) Das Jugendamt ist geeignet, die Vormundschaft für Y. zu führen.

Dabei ist für die Frage der Geeignetheit nicht maßgeblich, dass die Berufsvormundschaft gemäß 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB entgeltlich geführt wird und die Staatskasse in Hinblick auf die Mittellosigkeit des ausländischen Flüchtlings die Kosten für die Vormundschaft tragen muss (§§ 1836d, 1835 Abs. 4 Satz 1, 1835a Abs. 3, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG), während dem Amtsvormund weder eine Vergütung, Aufwendungsersatz noch Aufwandsentschädigung gewährt werden (§§ 1835 Abs. 5 Satz 1, 1835a Abs. 5, 1836 Abs. 3 BGB) (KG FamRZ 2010, 1998).

Die Auswahl des Vormunds bestimmt sich vielmehr nach der Eignung, das heißt der Fähigkeit, das Amt im Interesse des Mündels zu führen. Entscheidend sind danach Charakter, Kenntnisse, Erfahrungen, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sonstige Umstände (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1779 Rz. 5). Vorliegend muss der Vormund in der Lage sein, die Interessen des ausländischen minderjährigen Flüchtlings zu vertreten. Dabei ist die besondere Situation der unbegleitet nach Deutschland einreisenden minderjährigen Flüchtlinge zu beachten.

Die Bestellung des Jugendamtes als Vormund für Y. ist nicht zu beanstanden, da das Amt mindestens genauso gut wie die vom Jugendamt benannte Rechtsanwältin in der Lage ist, die Interessen des Jugendlichen adäquat wahrzunehmen.

Für die Auswahl des Jugendamtes sprechen die nachfolgenden Umstände.

(1) Gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein ausländisches unbegleitetes Kind in Obhut zu nehmen. Die Jugendhilfe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge beginnt in der Regel mit der Inobhutnahme durch das Jugendamt. Das Jugendamt ist - wie auch hier - von Beginn an mit dem Fall befasst. Vorliegend hat das Jugendamt für Y. eine Pflegefamilie in S. und später in V. gefunden, bei der das Kind leben kann.

Damit ist das Jugendamt in besonderer Weise geradezu prädestiniert, einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling durch den persönlichen Kontakt mit festen Bezugspersonen Unterstützung und Sicherheit in einer für ihn neuen, unbekannten und ungewohnten Umgebung zu geben. Insbesondere kann die Unterbringung des Kindes gewährleistet werden und lebenspraktische Hilfeleistungen, etwa bei der Entwicklung von schulischen und beruflichen Perspektiven, erteilt werden. Das Jugendamt ist auch ohne weiteres kompetent und in der Lage, die erforderlichen Sozial- und Hilfeleistungen für den Jugendlichen zu beantragen und ihm entsprechend beratend zur Seite zu stehen. Ohnehin ist für Kinder und Jugendliche, die um Asyl nachsuchen und einen Asylantrag gestellt haben, der örtliche Träger der Sozialhilfe zuständig, wenn der Jugendliche dort seinen tatsächlichen Aufenthalt hat. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Leistungsgewährung die Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII vorausgeht, s. §§ 86 Abs. 7, 87 SGB VIII.

Darüber hinaus hat das Jugendamt die Möglichkeit, ausländische Kinder, die aufgrund ihrer Vergangenheitserinnerungen und eventueller Traumata besonders begleitet werden müssen, an geeignete Beratungsstellen zu vermitteln. Insoweit ist die besondere Vernetzung der Jugendämter mit den sozialen und psychologischen Beratungsstellen der Stadt und der Landkreise hervorzuheben, die eine geeignete und helfende Unterstützung der ausländischen Flüchtlinge sicherstellen. Die beachtliche sozialpädagogische Kompetenz der Mitarbeiter des Jugendamtes kann in diesem Bereich ganz besonders zur Integration des Flüchtlingskindes beitragen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Vormund zugleich eine Anlaufstelle bei allen persönlichen Sorgen und Problemen des Kindes sein soll. Ebenso ist aufgrund der lückenlosen Vernetzung des Jugendamtes mit Ärzten und Psychologen, auch mit dem Gesundheitsamt, die medizinische Betreuung der ausländischen Kinder gewährleistet.

Das Jugendamt ist - wie sich durch die am 1.8.2011 erfolgte Anhörung des Kindes Y. ergibt - in der Lage, mit Hilfe von Dolmetschern eine Verständigung zu den ausländischen Kindern zu erreichen. Auch insoweit ist ein deutscher Rechtsanwalt in der Regel nicht besser geeignet.

(2) Auch die individuelle Betreuung des Kindes gesichert. Denn das Jugendamt hat gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII die Ausübung der Vormundschaft einem einzelnen Beamten oder Angestellten zu übertragen (so auch M. Hamdan/ B. Hamdan in: jurisPK-BGB, a.a.O., § 1791b Rz. 11). Aufgrund der personell und organisatorischen Trennung der Wahrnehmung der Aufgaben des Jugendamtes als allgemeiner Sozialdienst einerseits und der Amtsvertretungen andererseits sind Interessenkollisionen, etwa mit der Ausländerbehörde, strukturell ausgeschlossen (ausführlich Hoffmann in: Münder/Wiesner, Kinder- und Jugendhilferecht, 2007, Kap. 3.10.4). Sobald ein Mitarbeiter des Jugendamtes - der gegebenenfalls bereits zuvor mit dem Jugendlichen Kontakt aufgenommen hatte - bestimmt wurde, steht dem Minderjährigen ein verlässlicher Ansprechpartner, zu dem er auch Vertrauen aufbauen kann, zur Seite. Aufgrund der besonderen sozialen Kompetenz und vor allem der entsprechenden Ausbildung der Mitarbeiter des Jugendamtes wird dem ausländischen Jugendlichen ein versierter und verständiger Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge zur Seite gestellt, s. § 72 Abs. 1 SGB VIII. Insoweit ist das Jugendamt als Amtsvormund in Hinblick auf diese besondere Qualifikation der Mitarbeiter (Fachkräfte) regelmäßig sogar besser geeignet als ein Rechtsanwalt.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Regelung des § 56 Abs. 4 SGB VIII, wonach das Jugendamt jährlich zu prüfen hat, ob die Bestellung einer Einzelperson oder eines Vereins angezeigt ist. Zum einen lässt sich aus dieser jugendhilferechtlichen Vorschrift keine Subsidiarität der Amtsvormundschaft ableiten (ausführlich dazu OLG Celle Beschluss vom 19.4.2011 - 15 UF 76/10, JAmt 2011, 352). Zum anderen ist Y. bereits 16 Jahre alt, so dass es eher fernliegend erscheint, dass es bis zu seiner Volljährigkeit - wie vom Jugendamt befürchtet - in Folge von Umstrukturierungen im Jugendamt zu mehrfachen Wechseln in der Person des Vormunds kommen wird. Darüber hinaus kommt gemäß § 56 Abs. 4 SGB VIII die Bestellung eines Einzelvormundes oder eines Vereins ohnehin nur im Interesse des Kindes in Betracht, so dass die Kontinuität in der Person des Vormundes gewahrt bleiben muss, soweit im Einzelfall ein Wechsel nicht dem Interesse des - auch zu beteiligenden - Kindes entsprechen würde.

(3) Von besonderer Bedeutung sind Hilfestellungen für ausländische minderjährige Flüchtlinge während des Asyl- oder anderer aufenthaltsbezogener Verfahren. Diese asyl- und ausländerrechtlichen Fragen gehören als Teil der Personensorge zum Aufgabengebiet des bestellten Vormundes. Sie sind somit grundsätzlich von dem Mitarbeiter des Jugendamtes zu erledigen. Dabei haben die Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Fortbildung und Praxisberatung sicher zu stellen, § 72 Abs. 3 SGB VIII. Verfügt ein Vormund nicht über die ausreichenden rechtlichen Kenntnisse, hat er dies durch Hinzuziehung von fachlichem Rat auszugleichen (OLG Brandenburg Beschluss vom 13.12.2010 - 13 UF 96/10, ZKJ 2011, 139). Es ist Sache des Sorgerechtsinhabers, etwaige Mängel seiner Eignung in eigener Verantwortung, etwa durch die Einholung sachkundiger Beratung, auszugleichen. Diese sachkundige Beratung ist vorliegend zunächst innerhalb der Behörde, der Stadt F., durch die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde oder extern durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts als sachkundige Person möglich (OLG Brandenburg Beschluss vom 13.12.2010 - 13 UF 96/10, ZKJ 2011, 139; Staudinger/Bienwald, BGB, Bearbeitung 2006, § 1909 Rz. 14; MünchKomm/Schwab, a.a.O., § 1909 Rz. 14; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Auflage 2006, § 75 Rz. 32). Mit Hilfe sachkundiger Unterstützung wird es auch gelingen, die Interessen des Jugendlichen im Vorfeld eines Verwaltungsverfahrens wahrzunehmen, insbesondere alternative Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

(4) Die Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts als Berufsvormund folgt auch nicht aus Art. 22 UN-Kinderrechtskonvention. Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein völkerrechtlichen Vertrag, dem die Bundesrepublik Deutschland nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG beigetreten ist. Sie steht im Rang eines Bundesgesetzes und gilt nach der Rücknahme der Vorbehaltserklärung am 15.7.2010 durch die Bundesregierung unbeschränkt.

Art. 22 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention ist nach seinem Wortlaut und nach seinem Zweck lediglich auf ein vereinbartes Ziel gerichtet, namentlich die Sicherstellung des angemessenen Schutzes und der humanitären Hilfe bei der Wahrnehmung von Rechten durch Flüchtlingskinder. Dabei bleibt es der Handlungsfreiheit der Vertragsstaaten überlassen, welche geeigneten Maßnahmen sie ergreifen, um die genannten Ziele zu erreichen. Die UN-Kinderrechtskonvention statuiert kein Recht, wonach die gesetzliche Vertretung eines Flüchtlingskindes durch einen Rechtsanwalt erfolgen muss (ebenso OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740, wonach kein Recht auf die Bestellung eines Rechtsanwalts als Ergänzungspfleger für die asyl- und ausländerrechtliche Betreuung eines Flüchtlingskindes bestehe).

Anders als Art. 37 lit. d UN-Kinderrechtskonvention, der für den Fall der Freiheitsentziehung eines Kindes das Recht auf umgehenden Zugang zu einem rechtskundigen oder anderen geeigneten Beistand vorsieht, enthält Art. 22 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention eine solche Regelung gerade nicht.

Auch aus Art. 3 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention, der den allgemeinen Grundsatz normiert, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes als vorrangiger Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist, ergibt sich nichts anderes. Ein Anspruch auf Bestellung eines Rechtsanwalts als Vormund lässt sich aus dieser Vorschrift nicht ableiten, insbesondere wenn Alternativen - wie hier die Bestellung des Jugendamtes als Amtsvormund -, vorhanden sind, die ebenfalls dem Wohl des Kindes dienen.

(5) Ebenso wenig folgt die Notwendigkeit der Bestellung eines Rechtsanwalts als Berufsvormund aus Art. 16 Abs. 1, Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, der das Recht jedes Flüchtlings auf freien und ungehinderten Zugang zu den Gerichten und das Recht eines Flüchtlings auf dieselbe Behandlung hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten wie ein eigener Staatsangehöriger des Aufenthaltsstaats einschließlich des Armenrechts regelt. Ungeachtet dessen, dass vorliegend ein Gerichtsverfahren nicht anhängig ist, wird dieses Flüchtlingsrecht auf Gleichbehandlung mit deutschen Staatsangehörigen dadurch gewährt, dass im Gerichtsverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts in Betracht kommt (OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740).

(6) Den Vorgaben des Art. 17 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, wonach die Mitgliedstaaten so bald wie möglich Maßnahmen ergreifen müssen, um zu gewährleisten, dass ein Vertreter bestellt wird, der den unbegleiteten Minderjährigen bei der Prüfung des Asylantrags vertritt und/oder unterstützt, wird bereits durch § 42 Abs. 3 Satz 3 SGB VIII entsprochen. Danach ist für ein ausländisches Kind, das unbegleitet nach Deutschland kommt und für das sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten, eine Entscheidung des Familiengerichts über die erforderlichen Maßnahmen zum Wohle des Kindes herbeizuführen, also ein Vormund als gesetzlicher Vertreter zu bestellen. Insoweit obliegt es dem Vormund im Rahmen der Personensorge, gemäß Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2005/85/EG den unbegleiteten Minderjährigen über die Bedeutung und die möglichen Konsequenzen seiner persönlichen Anhörung sowie gegebenenfalls darüber aufzuklären, wie er sich auf seine persönliche Anhörung vorbereiten kann.

Die Auffassung des Jugendamtes, dass dann von vornherein ein kostenloser Rechtsanwalt als Berufsvormund mit der Vertretung beauftragt werden soll, erscheint zwar nicht fernliegend, ist aber keinesfalls zwingend. Entscheidend ist, dass dem ausländischen Jugendlichen überhaupt ein Vertreter bestellt wird, der sich mit sachkundiger Beratung auf die ausländer- und asylrechtlichen Fragen einlässt. Das Jugendamt ist insoweit in der Lage, verhältnismäßig einfach zu bewältigende Fälle, die leicht zu überblicken sind und keine besonderen Schwierigkeiten aufweisen, zum Wohle des Kindes sachgerecht zu behandeln. Diese Auffassung des Senats wird einerseits durch den Bericht der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2009 Workingpaper 26 ‚Unbegleitete minderjährige Migranten in Deutschland', gestützt, wonach ‚oft ein Mitarbeiter des Jugendamtes' oder der ‚Clearingstelle' zum gesetzlichen Vertreter des Kindes bestellt werde (S. 29, veröffentlicht unter www.bamf.de). Zum anderen beschreibt Hoffmann, dass ‚in der Realität' die Vertretung durch das Jugendamt als Amtsvertreter ‚dominiere' (in Münder/Wiesner, Kinder- und Jugendhilferecht, 2007, Kap. 3.10.3.1).

Im vorliegenden Fall - darauf hat das Familiengericht hingewiesen - muss entschieden werden, ob Y. einen Asylantrag in Deutschland stellt mit der Folge, dass ein Asylverfahren eingeleitet und die Rückführung in das sichere Drittland - hier die S. - erfolgt oder ob Y. bei der Ausländerbehörde um einen Aufenthaltstitel nachsucht. Diese Entscheidung kann das Jugendamt mit fachkundiger Unterstützung in Einvernehmen mit dem Jugendlichen klären.

(7) Die hohe Belastung der Jugendämter sowie deren knappe Ressourcen stellen keinen Grund dar, von der Bestellung eines Amtsvormundes abzusehen (KG FamRZ 2010, 1998; Erman/Saar, BGB, 13. Auflage 2011, § 1791b Rz. 2). Soweit der Beschwerdeführer darauf hingewiesen hat, dass er aufgrund der jahrzehntelangen Praxis des Freiburger Familiengerichts, stets einen Rechtsanwalt als Berufsvormund zu bestellen, organisatorisch nicht auf die Führung der Amtsvormundschaften eingestellt sei und Zeit benötige, die notwendigen organisatorischen Entscheidungen zu treffen sowie geeignete Maßnahmen umzusetzen, damit die Mitarbeiter des Jugendamtes in die Lage versetzt würden, die Interessen der Mündel in ausreichendem Maße wahrzunehmen, hat das Familiengericht diesem Umstand Rechnung getragen, indem es für Y. mit Beschluss vom 23.11.2011 (44 F 2499/11) eine Rechtsanwältin als Ergänzungspflegerin mit dem Aufgabenkreis ‚Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten und Aufenthaltsbestimmung' bestellt hat.

Die Frage, ob in diesen Fällen wegen des Fehlens der für eine zu besorgende Angelegenheit erforderlichen Sachkunde oder Erfahrung beim Vormund eine tatsächliche Verhinderung im Sinne des § 1909 Abs. 1 BGB vorliegt (OLG Frankfurt/M. Beschluss vom 28.4.2000 - 20 W 549/99, DAVorm 2000, 484; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1909 Rz. 6; a.A. Staudinger/Bienwald, a.a.O, § 1909 Rz. 14: ‚seltener Ausnahmefall'; offen OLG Karlsruhe FamRZ 2011, 740 mit kritischer Anmerkung Rieger/Bender JA 2011, 359 ff.) und ausnahmsweise die Anordnung der Ergänzungspflegschaft in Betracht kommt (OLG Köln FamRZ 2000, 117 ‚keine Vorratsbestellung'), muss hier nicht entschieden werden. ..."

*** (AG/VG)

„... Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Sowohl die Klage des Landkreises ... gegen die Stadt ... als auch die Widerklage der Stadt ... gegen den Landkreis ... sind als allgemeine Leistungsklagen zulässig. Klage und Widerklage weisen den nach § 89 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Zusammenhang auf, denn beide Klagen betreffen letztlich die Frage, welcher Jugendhilfeträger für die ... im streitgegenständlichen Zeitraum erbrachte Jugendhilfeleistung örtlich zuständig bzw. kostenerstattungspflichtig ist. Klage und Widerklage sind jeweils als allgemeine Leistungsklage zulässig, weil weder für den Kostenrückerstattungsanspruch noch für den Kostenerstattungsanspruch ein Erlass von Verwaltungsakten im Raum steht, so dass auch § 89 Abs. 2 VwGO der Zulässigkeit der Widerklage nicht entgegensteht.

Die zulässige Klage des Landkreises ... ist nicht begründet. Ihm steht der begehrte Kostenrückerstattungsanspruch für die der Stadt ... in der Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Dezember 2008 erstatteten Jugendhilfeaufwendungen in Höhe von - insoweit nicht bestrittenen - 2.756,00 EUR nicht zu. Demgegenüber hat die Widerklage der Stadt ... in vollem Umfang Erfolg, da ihr ab dem 1. Januar 2009 bis 23. Juni 2009 ein Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Landkreis ... in Höhe von - insoweit ebenfalls nicht bestrittenen - 4.317,73 EUR zusteht. Denn der Landkreis ... war für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum kostenerstattungspflichtiger Jugendhilfeträger.

Die Stadt ... war für die im streitgegenständlichen Zeitraum für ... erbrachten Jugendhilfeleistungen zuständig gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII, da sich das Kind bereits seit 20. August 1997 in Vollzeitpflege in einer Pflegefamilie in ... befand und sein Aufenthalt auf Dauer dort zu erwarten war. Demgemäß stand der Stadt ... grundsätzlich ein Kostenerstattungsanspruch auf der Grundlage des § 89 a Abs. 1, Abs. 3 SGB VIII zu. Nach dieser Vorschrift sind Kosten, die ein örtlicher Träger auf Grund einer Zuständigkeit nach § 86 Abs. 6 aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu erstatten, der zuvor zuständig war oder gewesen wäre, wobei die Kostenerstattungspflicht des bis dahin nach Abs. 1 in Anspruch genommenen Trägers dann endet, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse, die eine Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 begründen, ändern, etwa durch Verlegung des für die Zuständigkeitsbestimmungen maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalts des maßgeblichen Elternteils in den Bereich eines anderen örtlichen Trägers (§ 89 a Abs. 3 SGB VIII). Dies ist unter den Beteiligten auch nicht streitig.

Die Bestimmung des an sich örtlich zuständigen Jugendhilfeträgers richtete sich, solange der Kindsmutter das alleinige Personensorgerecht zustand, nach deren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). Denn die Elternteile hatten verschiedene gewöhnliche Aufenthalte: Der Vater offenbar durchgehend in der Stadt ..., die Kindsmutter an wechselnden Orten, zuletzt mit Zuzug in den Markt ... am 15. August 2008 im Bereich des Landkreises .... Dieser ist auch davon ausgegangen, dass er ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich kostenerstattungspflichtig ist.

Mit der Anordnung des Ruhens der Personensorge durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - ... vom 9. August 2004 ist jedoch eine Prüfung und gegebenenfalls Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit veranlasst. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 13. September 2004 - 5 B 65.04 an, wonach sich ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt, dass das Ruhen der elterlichen Personensorge einem Nichtzustehen der elterlichen Personensorge im Sinne der für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit maßgeblichen Vorschriften des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII gleich zu erachten ist. Sofern durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts festgestellt ist, dass die elterliche Sorge eines Elternteiles nach § 1674 Satz 1 BGB ruht, bewirkt dies zwar keine endgültigen Verluste der elterlichen Sorge, es bewirkt aber nach § 1675 BGB, dass die Berechtigung aus der elterlichen Sorge, sie auszuüben, für die Dauer des Ruhens entfällt. Nach § 1674 Abs. 2 BGB lebt die elterliche Sorge erst wieder auf, wenn das Familiengericht feststellt, dass der Grund des Ruhens nicht mehr besteht. Damit ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz, dass während des Ruhens der elterlichen Sorge nach § 1674 BGB dem Elternteil, auf den sich die vormundschaftsgerichtliche Feststellung bezieht, die Personensorge auch im Sinne von § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII nicht zusteht. Dabei wird mit gestaltungsähnlicher Wirkung (BayObLG, FamRZ 88, 867) der Beschluss wirksam mit Bekanntmachung an den Elternteil, gegebenenfalls an den Vormund (vgl. Palandt, BGB, 66. Auflage 2007, § 1676 RdNr. 5). Wann bzw. ob der Beschluss des Amtsgerichts ... der Kindsmutter zugestellt wurde, ergibt sich nicht aus den vorgelegten Behördenvorgängen, konnte der Beschluss jedenfalls nicht vor Zugang an den Vormund, das Jugendamt der Stadt ..., wirksam werden. Dieser Zugang erfolgte am 24. August 2004.

Damit ergibt sich für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit, dass mit dem Wirksamwerden des Ruhens der elterlichen Sorge der Kindsmutter am 24. August 2004 eine Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit erfolgen musste, die sich nunmehr nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII richtet. Diese Vorschrift schreibt die bisherige Zuständigkeit bei verschiedenen gewöhnlichen Aufenthalten der Elternteile und für den Fall, dass - wie hier - keinem das Personensorgerecht zusteht, fest. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden (Urteil vom 30.9.2009 - Az. 5 C 18/08 -, Urteil vom 9.12.2010 - Az. 5 C 17/09 -, Urteil vom 12.5.2011 - Az. 5 C 4/10 -), dass die Zuständigkeitsregelung des § 86 Abs. 5 SGB VIII alle Fallgestaltungen erfasst, in denen die Eltern nach Leistungsbeginn erstmals verschiedene gewöhnliche Aufenthalte begründen und auch bei weiteren Veränderungen beibehalten, aber auch dann eingreift, wenn die Eltern bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehalten. Abzustellen ist immer darauf, ob die Eltern nach Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte besitzen, wobei Satz 2 die Fälle gemeinsamer oder fehlender Personensorge gleichermaßen regelt. Dabei hat die zeitliche Abfolge der zuständigkeitsrelevanten Kriterien („Begründung verschiedener gewöhnlicher Aufenthalte„ oder „gemeinsame oder fehlende Personensorge beider Elternteile") auf die Bestimmung der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII keinen Einfluss. Mit der „bisherigen Zuständigkeit" im Sinne des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII ist die Zuständigkeit gemeint, die vor dem Zeitpunkt, zu dem eine Prüfung und ggf. Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit veranlasst ist, zuletzt bestanden hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.9.2009, a.a.O., Urteil vom 9.12.2010, a.a.O.). Darunter kann nur eine Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII gemeint sein. Das Bundesverwaltungsgericht führt weiter in der Entscheidung vom 9. Dezember 2009 (a.a.O.) aus, dass die Vorschrift des § 86 Abs. 5 SGB VIII entsprechend ihrem Charakter als umfassende Regelung für verschiedene gewöhnliche Aufenthalte der Eltern nach Leistungsbeginn auch dann eingreift, wenn die Eltern - wie hier - bereits vor bzw. bei Leistungsbeginn verschiedene gewöhnliche Aufenthalte haben und solche während des Leistungsbezugs beibehalten. Als Folge der Festschreibung der bisherigen Zuständigkeit gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sind nachfolgende Änderungen des gewöhnlichen Aufenthalts der Kindsmutter unbeachtlich. Dies gilt auch für weitere Aufenthaltsänderungen sowohl der Kindsmutter als auch des Vaters, solange weiter unterschiedliche Aufenthalte begründet bleiben und eine erneute Änderung in der Personensorge nicht eingetreten ist.

Unstreitig hat die Kindsmutter mit ihrem Zuzug zum 15. August 2004 in den Markt ... ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bereich des Landkreises ... begründet. Sie hat zu erkennen gegeben, dass sie an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt und sich dort „bis auf weiteres" im Sinne eines zukunftsoffenen Verbleibens aufhält und dort den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen hat (vgl. BayVGH, Urteil vom 21.5.2010 - 12 BV 09.1973 -). Damit ergibt sich ab diesem Zeitpunkt die an sich örtliche Zuständigkeit des Landkreises ... gemäß § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII und wurde diese mit dem jedenfalls nicht vor dem 24. August 2004 wirksam gewordenen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - ... über das Ruhen der Personensorge gemäß § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII festgeschrieben.

Deshalb kommt es für die Folgezeit maßgeblich weder auf die Inhaftierung der Kindsmutter an noch darauf, ob sie sich nach ihrer Entlassung aus der Haft eventuell in geschützten Einrichtungen aufgehalten hat. Änderungen im Personensorgerecht bzw. Anhaltspunkte für einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt mit dem Kindsvater sind jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ersichtlich.

Daraus folgt auch, dass entgegen der Auffassung des Landkreises ... es sich mit der Trennung vom ehemaligen Lebensgefährten und mit dessen Auszug aus dem gemeinsam bewohnten, mittlerweile unbewohnbaren Anwesen bzw. mit der Haftentlassung der Kindsmutter nicht um einen neuen Lebenssachverhalt handelt, der ein erneutes Geltendmachen eines Kostenanspruchs erforderlich gemacht hätte. Für den Zeitraum 1. Juni bis 23. Juni 2009 unterliegt der Anspruch nicht der Ausschlussfrist des § 111 Satz 1 SGB X. Da es bei der bisherigen Zuständigkeit des Landkreises ... verblieben ist, war ein erneutes Anmelden des Kostenerstattungsanspruchs nicht erforderlich. Insoweit ist auch zur Überzeugung der Kammer das Schreiben der Stadt ... vom 25. Februar 2010 ausreichend für eine rechtzeitige Anmeldung eines Kostenerstattungsanspruchs ab dem 1. September 2008. Damit sind fristwahrend weitere mögliche Kostenerstattungsansprüche geltend gemacht worden. Wegen ihrer rechtssichernden Funktion muss die Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen den unbedingten Willen des Sozialleistungsträger erkennen lassen, einen solchen etwa bestehenden Anspruch auch durchsetzen zu wollen, aber nicht, dass dieser im Zeitpunkt seiner Geltendmachung nach Grund und Höhe bereits feststeht (so BVerwG, Urteil vom 10.4.2003 - 5 C 18/02 - FEVS 54, 495 bis 499). Maßgeblich ist die erkennbar auf Rechtssicherung gerichtete Mitteilung, dass und für welchen Hilfeempfänger welche Sozialleistungen gewährt werden bzw. wurden und dass und für welche Leistungen Erstattung begehrt wird, nicht erforderlich ist hingegen, dass das Bestehen einer vorrangigen Leistungspflicht, an die der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch anknüpft, nach Grund und Höhe in allen Einzelheiten ausgeführt oder gar „bewiesen" oder die Kostenerstattungsforderung beziffert wird (so BVerwG, Urteil vom 10.4.2003, a.a.O.). Nach alledem entspricht das Schreiben der Stadt ... vom 25. Februar 2010 diesen Anforderungen. Es wurde damit hinreichend deutlich gemacht, dass Kostenerstattung für die ... ab dem 1. September 2008 erbrachten Jugendhilfeleistungen begehrt wird, wobei das Ende der Kostenerstattungspflicht noch nicht absehbar war bzw. bezeichnet werden konnte. Bei dem Schreiben vom 21. Juni 2009, eingegangen beim Landkreis ... am 24. September 2009, handelt es sich um eine Wiederholung des bereits mit Schreiben vom 25. Februar 2010 geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs.

Nach alledem hat der Landkreis ... in der Zeit vom 1. September 2008 bis 31. Dezember 2008 zu Recht gegenüber der Stadt ... Kostenerstattung geleistet, so dass ihm ein Kostenrückerstattungsanspruch gemäß § 112 SGB X nicht zusteht. Die Klage des Landkreises ... war deshalb abzuweisen. Da der Kostenerstattungsanspruch im streitgegenständlichen Zeitraum ab 1. Januar 2009 weiterhin der Stadt ... zusteht, war der Widerklage in vollem Umfang stattzugeben. Der Gesamtbetrag in Höhe von 4.317,73 EUR wird vom Landkreis ... nicht bestritten. Der Anspruch auf Zinsen hieraus mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 23. Dezember 2010 ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB. ..." (VG Ansbach, Urteil vom 04.10.2012 - AN 14 K 10.02295, AN 14 K 10.02616)

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§ 1678 Folgen der tatsächlichen Verhinderung oder des Ruhens für den anderen Elternteil (n. F. ab 19.05.2013)

(1) Ist ein Elternteil tatsächlich verhindert, die elterliche Sorge auszuüben, oder ruht seine elterliche Sorge, so übt der andere Teil die elterliche Sorge allein aus; dies gilt nicht, wenn die elterliche Sorge dem Elternteil nach § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand.

(2) Ruht die elterliche Sorge des Elternteils, dem sie gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, und besteht keine Aussicht, dass der Grund des Ruhens wegfallen werde, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem anderen Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

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§ 1680 BGB Tod eines Elternteils oder Entziehung des Sorgerechts (n. F. ab 19.05.2013)

(1) Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu und ist ein Elternteil gestorben, so steht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu.

(2) Ist ein Elternteil, dem die elterliche Sorge gemäß § 1626a Absatz 3 oder § 1671 allein zustand, gestorben, so hat das Familiengericht die elterliche Sorge dem überlebenden Elternteil zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, soweit einem Elternteil die elterliche Sorge entzogen wird.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschwerdeführer wird durch die angegriffene Entscheidung in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt. Soweit das Oberlandesgericht sinngemäß festgestellt hat, eine Sorgerechtsübertragung auf den Beschwerdeführer scheide trotz dessen grundsätzlicher Erziehungseignung aus, weil die Kinder in der Pflegefamilie eine bessere Förderung genössen, hat es die inhaltlichen Anforderungen des Art. 6 Abs. 2 GG verkannt.

a) Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der angegriffenen Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass für die leiblichen Eltern die Trennung von ihrem Kind der stärkste vorstellbare Eingriff darstellt, der nur bei strikter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit mit dem Grundgesetz vereinbar ist (vgl.BVerfGE 60, 79; 79, 51 <60>).

Zwar stellt das Kindeswohl in der Beziehung zum Kind die oberste Richtschnur der elterlichen Pflege und Erziehung dar. Das bedeutet jedoch nicht, dass es zur Ausübung des Wächteramts des Staates nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG gehörte, gegen den Willen der Eltern für eine den Fähigkeiten des Kindes bestmögliche Förderung zu sorgen. Das Grundgesetz hat den Eltern zunächst die primäre Entscheidungszuständigkeit bezüglich der Förderung ihrer Kinder zugewiesen. Dabei wird auch in Kauf genommen, dass Kinder durch den Entschluss der Eltern wirkliche oder vermeintliche Nachteile erleiden, die im Rahmen einer nach objektiven Maßstäben betriebenen Begabtenauslese vielleicht hätten vermieden werden können (vgl.BVerfGE 60, 79 <94>; stRspr).

b) Diese Erwägungen werden durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Januar 2003 - 1 BvL 20/99, 1 BvR 933/01 - über die grundsätzliche Zuweisung der elterlichen Sorge für nichteheliche Kinder zur Kindesmutter nicht in Frage gestellt (vgl. insbesondereBVerfGE 107, 150 <169 ff.> ). Danach beruht die durch § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB den Eltern eines nichtehelichen Kindes eröffnete Möglichkeit zur gemeinsamen Sorgetragung auf einem Regelungskonzept für die elterliche Sorge, das unter Kindeswohlgesichtspunkten den Konsens der Eltern über die gemeinsame Sorgetragung zu deren Voraussetzung macht. Das Bundesverfassungsgericht hat zumindest zum Zeitpunkt seiner Entscheidung keine Anhaltspunkte gesehen, dass damit dem Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen wird. Es hat auch nicht beanstandet, dass der Gesetzgeber in dem Fall einer fehlenden gemeinsamen Sorgerechtserklärung grundsätzlich der Mutter die elterliche Sorge zuweist (vgl.BVerfGE 107, 150 <169 ff.> ). Diese Entscheidung hat damit eine Klärung von Fragen nach dem Ausgleich der elterlichen Rechte in Konfliktsituationen zwischen den Eltern herbeigeführt. Sie lässt jedoch zugleich den Stellenwert des Elternrechts des bislang nichtsorgeberechtigten Kindesvaters für den Fall unberührt, dass der Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge entzogen worden ist.

c) Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht mit der Fallkonstellation vergleichbar, die der Entscheidung der Dritten Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2003 - 1 BvR 1248/99 - zugrunde lag (vgl. BVerfGK 1, 117-119). Im Rahmen dieser Entscheidung hat die Kammer keine Zweifel an der Verfassungskonformität der gesetzlichen Regelungen der § 1626 a, § 1672 Abs. 1 BGB gehabt. Die Kammer hat dabei darauf hingewiesen, dass ein Sorgerechtswechsel - anders als die gemeinsame Sorge beider Eltern - nicht zur Verfestigung der Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen beitragen kann, sondern die bisherige Sorgetragung eines Elternteils durch die des anderen ersetzt. Es ist danach nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber mit § 1672 Abs. 1 BGB für eine solche Änderung zur Voraussetzung macht, dass die Übertragung der Alleinsorge dem Kindeswohl dient (vgl. BVerfGK 1, 117 <119>).

Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht übertragbar, als hier kein Wechsel des Sorgerechts zwischen den Elternteilen stattfindet, sondern die elterliche Sorge der Kindesmutter weitgehend entzogen worden ist. Anders als bei der Entscheidung BVerfGK 1, 117 ff. wird bei einer Gesamtbetrachtung der Umfang der elterlichen Sorge vorliegend reduziert.

d) Soweit die elterliche Sorge, wie in diesem Verfahren, ursprünglich der Mutter gemäß § 1626 a BGB allein zustand, ist eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater dem Wortlaut des § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB zufolge allerdings nur zulässig, wenn dies dem Wohl des Kindes dient.

Das Elternrecht des Beschwerdeführers aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gebietet jedoch, die Vorschrift des § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB in einer Weise auszulegen, die der primären Entscheidungszuständigkeit der leiblichen Eltern gerecht wird. Wenn ein nach § 1626 a BGB nichtsorgeberechtigter Vater, wie hier der Beschwerdeführer, über einen längeren Zeitraum die elterliche Sorge für die Kinder zwar nicht in rechtlicher, aber in tatsächlicher Hinsicht wahrgenommen hat, ist es daher nach Art. 6 Abs. 2 BGB geboten, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Sorgerechtsübertragung nach § 1680 Abs. 2 Satz 2 GG auf den Vater regelmäßig dem Kindeswohl dient, solange nicht konkret feststellbare Kindesinteressen der Übertragung widersprechen (vgl. beispielsweise Coester in Staudinger, BGB, Dreizehnte Bearbeitung 2000, § 1680, Rn. 14).

Der Gesetzesbegründung zufolge sollte die Formulierung des § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB den Familiengerichten wegen der Vielzahl von denkbaren Einzelfallkonstellationen die Möglichkeit eröffnen, eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung zu treffen (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 103, 102). Die Erwägungen der Gesetzesbegründung zu § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB, dass in Fällen, in denen Eltern nichtehelicher Kinder keine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben, der Vater vielfach wenig oder gar keinen Kontakt zu seinen Kindern habe (vgl. BTDrucks 13/4899, S. 103, 102), treffen indes auf den Beschwerdeführer gerade nicht zu. Der Beschwerdeführer hat über längere Zeit nicht nur seine beiden eigenen Kinder, sondern alle sechs Kinder der Kindesmutter nahezu allein versorgt und betreut. Während dieser Zeitspanne der Kinderbetreuung durch den Beschwerdeführer sah das Jugendamt offenbar keinen Anlass, der Kindesmutter die alleinige elterliche Sorge entziehen zu lassen, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass ein entsprechender Antrag erst nach der Trennung der Kindeseltern gestellt wurde. Die tatsächlich erfolgte Wahrnehmung elterlicher Verantwortung durch den Vater ist jedoch unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlich vorrangigen Entscheidungszuständigkeit der leiblichen Eltern zu berücksichtigen.

Dies hat das Oberlandesgericht in der angegriffenen Entscheidung verkannt. Es hat dabei nicht in Abrede gestellt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich in der Lage wäre, Kinder zu erziehen und zu versorgen. Soweit es den Verbleib der Kinder in der Pflegefamilie für besser für das Kindeswohl hält, verweist das Oberlandesgericht allerdings auf die dortigen besseren Fördermöglichkeiten für die Sprachentwicklung des Sohns. Der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, die hier erforderliche, besonders qualifizierte Betreuung und Förderung zu leisten. Bereits hierbei verkennt das Gericht jedoch die grundsätzlich vorrangige Erziehungsverantwortlichkeit des Beschwerdeführers. Insbesondere ist verfassungsrechtlich zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht bei der Beurteilung der Erziehungseignung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die Möglichkeit einer Unterstützung des Beschwerdeführers durch öffentliche Stellen in Gestalt von logopädischen, therapeutischen und vergleichbaren Hilfen nicht erkennbar berücksichtigt hat.

Diese Verletzung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG stellt für den Beschwerdeführer einen besonders schweren Nachteil dar, sodass die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung anzunehmen ist (vgl. § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).

3. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der von der nach § 94 Abs. 3 BVerfGG anhörungsberechtigten Kindesmutter beantragten Prozesskostenhilfe unter Beiordnung einer Rechtsanwältin liegen nicht vor, da die mit dem Gesuch vorgelegte anwaltliche Stellungnahme der Kindesmutter keinen relevanten Beitrag zur verfassungsrechtlichen Beurteilung der Verfassungsbeschwerde geleistet hat (vgl.BVerfGE 92, 122 <125>). ..." (BVerfG, 1 BvR 364/05 vom 8.12.2005, Absatz-Nr. (1 - 21), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20051208_1bvr036405.html)

*** (BGH)

Großeltern, die das minderjährige Kind nach dem Tod der allein sorgeberechtigten Mutter betreut haben und betreuen, sind gegen eine familiengerichtliche Entscheidung, die das Sorgerecht dem Vater und wichtige Einzelbefugnisse einem Pfleger überträgt, grundsätzlich nicht beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 02.02.2011 - XII ZB 241/09 zu BGB §§ 1666, 1680; FGG §§ 20, 57, 59, 64; FamFG § 59).

***

Wird der allein sorgeberechtigten Mutter eines nichtehelichen Kindes das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen, so kann der Vater des Kindes insoweit die Übertragung des Sorgerechts auf sich beantragen und ist gegen eine ablehnende Entscheidung des Familiengerichts auch beschwerdeberechtigt (BGH, Beschluss vom 16.06.2010 - XII ZB 35/10 zu BGB §§ 1626 a, 1666, 1672, 1680; GG Art. 6; FGG § 20).

Hat das Familiengericht der nach § 1626 a II BGB allein sorgeberechtigten Mutter das Sorgerecht (teilweise) nach § 1666 BGB entzogen und es nicht zugleich nach § 1680 II und III BGB auf den Vater übertragen, kann der Vater insoweit das alleinige Sorgerecht weder durch Sorgeerklärung noch durch Heirat mit der Mutter, sondern allein durch eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1696 BGB erlangen (BGH, Beschluss vom 25.05.2005 - XII ZB 28/05).

*** (OLG)

Wird der allein sorgeberechtigten Kindesmutter das Sorgerecht entzogen, kann eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht nur dann ausscheiden, wenn sie kindeswohlgefährdend wäre, sondern schon dann, wenn ihr weniger gewichtige Nachteile für das Kind entgegenstehen, die im konkreten Fall die Übertragung als dem Wohl des Kindes widersprechend erscheinen lassen (hier: unsicher-vermeidende Bindung des seit mehr als 20 Monaten fremdplatzierten vierjährigen Kindes an den in seiner Erziehungsfähigkeit deutlich eingeschränkten Kindesvater, der aktuell versucht, im Wege eines begleiteten Umgangs eine stabile Beziehung zu dem Kind aufzubauen; OLG Bremen, Beschluss vom 08.12.2020 - 5 UF 66/20).

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Altersfeststellung bei einem unbegleiteten Flüchtling (OLG Hamm, Beschluss vom 23. 10.2018 - II-9 UF 104/18):

„ ... 2. Die Beschwerde des Jugendamtes ist auch begründet, weil entgegen der Annahme des Amtsgerichts die Voraussetzungen für die Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge (§ 1674 Abs. 1 BGB) und für die Anordnung einer Vormundschaft (§§ 1773, 1774 BGB) vorliegen.

a) Die Voraussetzungen für die Anordnung einer Vormundschaft richten sich hier nach deutschem Recht.

Zwar unterliegen die Entstehung, die Änderung und das Ende der Vormundschaft gem. Art. 24 EGBGB grundsätzlich dem Recht des Staates, dem der Mündel angehört. Davon abweichend sieht aber die Regelung in Art. 15 Abs. 1 des in Deutschland am 01.01.2011 in Kraft getretenen Haager Kinderschutzübereinkommens - KSÜ - vor, dass die gem. Art. 5 und Art. 6 KSÜ zum Schutz von Flüchtlingskindern zuständigen staatlichen Verwaltungsbehörden und Gerichte das in ihren Staat geltende Recht anwenden sollen (BGH FamRZ 2018, 457 - juris-Tz. 20; BGH FamRZ 2011, 796 - juris-Tz. 30ff; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2182 - juris-Tz. 17f).

b) Davon zu unterscheiden ist die vorgelagerte Frage, ob der Betroffene überhaupt noch als Minderjähriger anzusehen ist und deshalb der Ausübung der elterlichen Sorge bedarf.

Insofern unterliegt nach Art. 7 Abs. 1 EGBGB die Geschäftsfähigkeit dem Recht des Staates, dem eine Person angehört. Dieses Heimatrecht entscheidet grundsätzlich auch darüber, wann die Volljährigkeit dieser Person eintritt (Lipp, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2018, EGBGB Art. 7 Rnr. 48).

Die Regelung in Art. 7 EGBGB wird allerdings durch Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - verdrängt (BGH FamRZ 2018, 457 - juris-Tz. 23), nach dem sich der Personalstatut eines Flüchtlings nach dem Recht des Landes seines Wohnsitzes oder seines Aufenthaltslandes richtet.

Die Anwendbarkeit der vorrangigen Bestimmung des Art. 12 GFK setzt aber voraus, dass die betroffene Person als Flüchtling nach Art. 1 Abschnitt A Abs. 2 GFK i.V.m. dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II S. 1293, 1294) anzusehen ist, sie sich also aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will (vgl. auch § 3 Abs. 1 AsylG).

Diese Flüchtlingseigenschaft bedarf an sich der inzidenten tatrichterlichen Überprüfung durch das Familiengericht (BGH FamRZ 2018, 457 - juris-Tz. 23; BGH FamRZ 2007, 109) und dementsprechend vorrangig einer entsprechenden Berichterstattung des Jugendamtes zur Verfolgungssituation des jeweiligen Betroffenen im Herkunftsland und zum Stand des Asylanerkennungsverfahrens. Solche Anknüpfungstatsachen werden hier vom Jugendamt nicht mitgeteilt.

Im vorliegenden Fall kann allerdings nach den vom Senat angestellten Ermittlungen die Flüchtlingseigenschaft dahinstehen, denn selbst bei unterstellter Anwendbarkeit des irakischen Rechts tritt die Volljährigkeit des Betroffenen gem. Art. 3 des Gesetzes Nr. 78/1980 - Law on the Protection of Minors - mit Vollendung des 18. Lebensjahres ein (vgl. Bergmann/Ferid Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, 2018, Loseblatt, und die vom Flüchtlingsrat NRW unter www.frnrw.de veröffentlichte Länderübersicht sowie die Angaben bei Mäsch, in: Beck'scher Onlinekommentar zum BGB, Stand: 01.05.2018, Anh. zu Art. 7 EGBGB Rnr. 57.1 ‚Irak'). Das Heimatrecht deckt sich hier also mit der Regelung in § 2 BGB.

c) Damit wurde erstinstanzlich zu Recht der Frage nachgegangen, zu welchem Zeitpunkt der Betroffene des vorliegenden Verfahrens das 18. Lebensjahr vollendet hat.

Dabei ist dem Amtsgericht im Ausgangspunkt darin zu folgen, dass allein das vom Betroffenen angegebene Geburtsdatum (16.01.2001) für die Altersbestimmung nicht zugrunde gelegt werden kann, weil darüber keine verlässlichen Ausweispapiere vorliegen und das Alter möglicherweise unzutreffend niedrig angegeben wurde, um die mit der Minderjährigkeit verbundenen ausländerrechtlichen Vorteile zu wahren.

Umgekehrt konnte hier eine Minderjährigkeit des Betroffenen auch nicht von vornherein nach seinem äußeren Gesamteindruck ausgeschlossen werden. Nach den vom Jugendamt zur Akte gereichten Unterlagen wurde bei ihm anlässlich der Erstaufnahme am 18.09.2017 eine Altersschätzung durch zwei berufserfahrene Sozialpädagogen bzw. Jugendamtsmitarbeiter vorgenommen. Sie hielten den Betroffenen nach einem Gespräch und einer Inaugenscheinnahme für minderjährig. Auch im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht bestätigte die Jugendamtsmitarbeiterin, dass ihr sein Verhalten in der Jugendhilfeeinrichtung eher pubertär erschienen sei und sie an seiner Minderjährigkeit keine Zweifel habe.

Nachdem dem Familienrichter offenbar gleichwohl - nicht näher dokumentierte - Zweifel an der Minderjährigkeit des Betroffenen blieben, gebot die Amtsermittlungspflicht nach § 26 FamFG eine weitere Sachaufklärung zum möglichst verlässlichen Nachweis seines Alters.

Dabei ist für die richterliche Überzeugungsbildung über das Alter des Betroffenen ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erforderlich, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (OLG Koblenz FamRZ 2017, 1676; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2182).

Verbleiben hingegen nach Ausschöpfung aller verfahrensrechtlich möglichen und zulässigen Aufklärungsmöglichkeiten nach wie vor durchgreifende Zweifel an der Volljährigkeit des Betroffenen, dann ist zur Vermeidung von Rechtsnachteilen zu seinen Gunsten von dessen Minderjährigkeit auszugehen (BGH JAmt 2015, 395; OLG Koblenz FamRZ 2017, 1676; OLG Hamm, Beschl. 1 UF 213/13 vom 25.02.2014; Dürbeck FamRZ 2018, 553 (557).

Hier hat das Amtsgericht den Sachverständigen Prof. Dr. T vom Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums N mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt, der als Leiter der B über eine in mehreren Publikationen dokumentierte besondere Sachkunde zu Fragen der Altersfeststellung verfügt.

Gleichwohl ist in den Blick zu nehmen, dass die zur forensischen Altersdiagnostik angewandten Methoden - insbesondere Röntgenaufnahmen des Gebisses, der Handwurzelknochen und des Schlüsselbeins - in der Ärzteschaft auf Kritik gestoßen sind (vgl. die Sachstandsmitteilung des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags (WD 9 - 3000 - 001/18) vom 25. Januar 2018).

Um dieser Kritik Rechnung zu tragen hat die vom hiesigen Sachverständigen geleitete B in ihrer auf der Homepage abrufbaren Stellungnahme vom 02.05.2018 Folgendes festgehalten:

Ziel der forensischen Altersdiagnostik ist nicht eine tag- oder monatsgenaue Altersbestimmung, sondern der Nachweis des Überschreitens juristisch relevanter Altersgrenzen (z.B. 14 Jahre, 18 Jahre, 21 Jahre) mit einem bestimmten Beweismaß.

Mit den derzeit verfügbaren Methoden der forensischen Altersdiagnostik ist der zweifelsfreie Nachweis der Vollendung des 18. Lebensjahrs bei unbegleiteten und fraglich minderjährigen Flüchtlingen möglich. Hierfür ist ein dreistufiges Verfahren erforderlich.

Auf der ersten Stufe erfolgt eine körperliche Untersuchung mit einer Anamneseerhebung. Hierbei wird geklärt, ob entwicklungsbeschleunigende Krankheiten oder Medikationen vorliegen. Diese könnten dazu führen, dass Fehleinschätzungen resultieren. Werden keine Auffälligkeiten festgestellt und liegt eine Rechtsgrundlage für Röntgenuntersuchungen ohne medizinische Indikation vor, werden auf der zweiten Stufe die linke Hand und die Kieferregion geröntgt. Auf der Röntgenaufnahme der Kieferregion wird insbesondere die Weisheitszahnmineralisation beurteilt. Sind sowohl die Handskelettentwicklung als auch die Weisheitszahnmineralisation abgeschlossen, kann man Volljährigkeit noch nicht zweifelsfrei nachweisen, da bei Frühentwicklern beide Entwicklungssysteme vor Vollendung des 18. Lebensjahres ausgereift sein können. Deshalb ist bei abgeschlossener Handskelettentwicklung die dritte Stufe anzuschließen, und das ist eine CT-Untersuchung der Schlüsselbeine. Die Schlüsselbeine sind deshalb von großer Bedeutung für die Altersdiagnostik, weil das die Knochen des menschlichen Skeletts sind, deren Wachstumsfugen sich als Letzte schließen. Wenn ein höheres Entwicklungsstadium der Schlüsselbeinverknöcherung vorliegt, ist die Vollendung des 18. Lebensjahres zweifelsfrei nachgewiesen.

Diese vorstehend zusammengefassten Empfehlungen der B geben den aktuellen Stand der anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnis dieses Fachgebiets wieder; jedenfalls die auf der Grundlage dieser Empfehlungen erstellten Altersbestimmungsgutachten weisen aufgrund der Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden eine so hohe Validität auf, dass sie einer gerichtlichen Entscheidungsfindung zugrunde gelegt werden können (OVG Bremen, Beschl. 1 B 82/18 vom 04.06.2018; VG Minden, Urt. 10 K 240/15.A vom 13.06.2017; OLG Karlsruhe FamRZ 2015, 2182; Kirchhoff/Rudolf NVwZ 2017, 1167).

Das vom Sachverständigen Prof. Dr. T am 20.01.2018 erstellte Gutachten entspricht den methodischen Anforderungen der von ihm geleiteten B:

Danach wurde zunächst am 10.01.2018 eine körperliche Untersuchung des Betroffenen durchgeführt, aus der sich keine Anhaltspunkte ergaben für entwicklungsbeschleunigende Erkrankungen.

Die Röntgenuntersuchung des Gebisses zeigte, dass alle vier Weisheitszähne vorhanden waren. Die Wurzelentwicklung von drei dieser Weisheitszähne war allerdings nicht sicher beurteilbar. Der (Weisheits-) Zahn 38 wies ein Mineralisierungsstadium F nach Demirjian et al. (1973) auf. Der Mittelwert des chronologischen Alters für das Stadium F beträgt 18,3 Jahre bei einer Standardabweichung von 2,2 Jahren.

Die Röntgenuntersuchung der linken Hand ergab, dass alle Wachstumszonen vollständig knöchern durchbaut waren entsprechend einem Handskelettalter von 18,0 Jahren.

Anschließend wurde am 10.01.2018 eine Dünnschicht-CT-Aufnahme der Schlüsselbeine angefertigt, wobei sich dies innerhalb der verfügbaren bildgebenden Verfahren zur Bestimmung des Ossifikationsstadiums der medialen Claviculaepiphyse derzeit als Methode der Wahl darstellt (T u.a. in Ärzteblatt 04/2016).

Diese Untersuchung ergab, dass beiderseits das epiphysäre Ossifikationszentrum verknöchert war bei noch nicht begonnener knöcherner Durchbauung der epiphysären Wachstumszone. Nach Einschätzung des radiologischen Zusatzgutachtens - erstellt von Prof. Dr. I, Ltd. OA Prof. Dr. med. C und dem Assistenzarzt P - entspricht dieser Befund dem Hauptstadium 2 nach T et al. (2004) und dem Substadium 2c nach Kellinghaus et al. (2010). Dem hat der koordinierende Sachverständige Prof. Dr. T sich in seinem Gutachten angeschlossen und ausgeführt, das Altersminimum des chronologischen Alters für das Stadium 2c betrage 17,1 Jahre; der Mittelwert liege bei 18,6 Jahren mit einer Standardabweichung von 1,4 Jahren.

Vor dem Hintergrund dieser Untersuchungsergebnisse geht der Sachverständige Prof. Dr. T in seinem Gutachten davon aus, dass das absolute Mindestalter des Betroffenen am 10.01.2018 bei 17,1 Jahren gelegen habe; das wahrscheinlichste Lebensalter habe zu diesem Zeitpunkt ‚ca. 18 Jahre' betragen.

Entgegen der Einschätzung des Amtsgerichts kann der für die Überzeugungsbildung erforderliche Grad an Gewissheit über das Erreichen der Volljährigkeit im vorliegenden Fall nicht auf das ‚wahrscheinlichste Lebensalter' gestützt werden.

Zum einen ist zu bedenken, dass die Ermittlung dieses wahrscheinlichsten Lebensalters des Betroffenen von Unsicherheiten geprägt ist. So konnte lediglich bei einem von vier Weisheitszähnen ein verwertbarer Befund erhoben werden, dessen Mineralisationsstadium mit 18,3 Jahren relativ nah an der Grenze zum Eintritt der Volljährigkeit liegt. Auch das vom Amtsgericht angeführte Handskelettalter von 18 Jahren erlaubt nach den Empfehlungen der B keinen zwingenden Rückschluss auf die Vollendung des 18. Lebensjahres, sondern gibt lediglich Anlass für die CT-Aufnahme der Schlüsselbeine. Dabei wurde zwar ein Verknöcherungsstadium von 2c festgestellt, das im Mittelwert einem Alter von 18,6 Jahren entspricht. Die Standardabweichung liegt allerdings bei 1,4 Jahren und das Altersminimum bei 17,1 Jahren.

Abgesehen davon müssen aber bei der Bewertung der verschiedenen Altersangaben ohnehin die Ausführungen berücksichtigt werden, die der Sachverständige des vorliegenden Verfahrens als Leiter der B im Ärzteblatt 04/2016 wie folgt zusammengefasst hat (ohne Hervorhebungen):

Solange zumindest eines der untersuchten Entwicklungssysteme (körperliche Entwicklung, Skelettreife, Zahnentwicklung) nicht ausgereift ist, kann das wahrscheinlichste Alter der begutachteten Person benannt werden. Dieses wird auf Grundlage der zusammengefassten Einzeldiagnosen und der kritischen Diskussion des konkreten Falls ermittelt. Liegt das wahrscheinlichste Alter oberhalb der juristisch relevanten Altersgrenze, ist das Überschreiten dieser Altersgrenze (überwiegend) wahrscheinlich. Da derzeit keine Referenzstudie vorliegt, bei der alle relevanten Altersmerkmale an einer Stichprobe erhoben wurden, ist die Berechnung der Streubreite der zusammengefassten Altersdiagnose bislang nicht möglich. Dem wird dadurch Rechnung getragen, dass diagnostische Variationen und Streubreiten der altersbezogenen Parameter angesprochen werden, die sich zugunsten des betroffenen Menschen auswirken und diesen rechtlich im Zweifel günstiger stellen.

Ist das Überschreiten einer juristisch relevanten Altersgrenze mit dem höchsten Beweismaß (‚mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit') zu beurteilen, kommt das Mindestalterkonzept zur Anwendung. Das Mindestalter ergibt sich aus dem Altersminimum der Referenzstudie für die festgestellte Merkmalsausprägung; es ist das Alter der jüngsten Person der Referenzpopulation, die die jeweilige Merkmalsausprägung aufweist. Bei der Untersuchung mehrerer Merkmalssysteme ist das höchste festgestellte Mindestalter maßgeblich. Die Anwendung des Mindestalterkonzepts stellt sicher, dass das forensische Alter der begutachteten Person keinesfalls zu hoch angegeben wird, sondern praktisch immer unter dem tatsächlichen Alter liegt. Liegt das ermittelte Mindestalter oberhalb der juristisch relevanten Altersgrenze, ist das Überschreiten dieser Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen. Liegt das ermittelte Mindestalter oberhalb des von der untersuchten Person mitgeteilten Alters, kann dieses praktisch ausgeschlossen werden. Liegt das mitgeteilte Alter oberhalb des ermittelten Mindestalters, ist das mitgeteilte Alter mit den erhobenen Befunden vereinbar.

Danach bedeutet das angegebene ‚wahrscheinlichste Lebensalter' trotz Verwendung des Superlativs nicht, dass dieses Alter aus medizinischer Sicht in einem besonders hohen Maß an Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, sondern nur mit ‚überwiegender' Wahrscheinlichkeit, die letztlich in einer Größenordnung von 50% liegt (VG Minden, Urt. 10 K 240/15.1 vom 13.06.2017 - juris-Tz. 64).

Da auch eine Berechnung der Streubreite zwischen dem absoluten Mindestalter und dem wahrscheinlichsten Lebensalter nach den Ausführungen der B bislang nicht möglich ist, lässt sich auf Grundlage des Gutachtens keine Aussage in dem Sinne treffen, dass ein nahe beim absoluten Mindestalter angesiedeltes tatsächliches Alter nur in einer zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, also praktisch nicht vorkommt.

Vor diesem Hintergrund wird bei einem durch Sachverständigengutachten ermittelten ‚absoluten Mindestalter' unterhalb der Volljährigkeitsgrenze regelmäßig im Zweifel zugunsten des Betroffenen von dessen Minderjährigkeit auszugehen sein (Kirchhoff/Rudolf NVwZ 2017, 1167 (1172)).

Zwar stellt die medizinische Altersfeststellung nur einen Baustein in der richterlichen Überzeugungsbildung dar, so dass Fallkonstellationen vorstellbar bleiben, in denen das festgestellte ‚wahrscheinlichste Lebensalter' durch weitere Daten untermauert wird (etwa aus der Biographie des Betroffenen oder aufgrund von Vorfällen im Fluchtverlauf) und deshalb als das zutreffende angenommen werden kann. Eine solche besondere Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor.

Deshalb kann letztlich nicht mit dem erforderlichen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der Betroffene im Zeitpunkt der Untersuchung am 10.01.2018 erst 17,1 Jahre alt war. Seine Volljährigkeit ist deshalb auch zum Zeitpunkt der Beschlussfassung im Beschwerdeverfahren noch nicht anzunehmen.

d) Der Betroffene bedarf somit noch der Ausübung der elterlichen Sorge. Dieser Ausübung steht aber i.S.d. § 1674 Abs. 1 BGB das tatsächliche Hindernis entgegen, dass seine Eltern in der Türkei nicht erreichbar sind und sich diese Situation auf absehbare Zeit nicht ändern wird. Deshalb ist das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen.

e) Für die nach §§ 1675, 1773 BGB gebotene Bestellung eines Vormunds stehen keine i.S.d. § 1779 BGB bevorzugt zu berücksichtigenden Personen zur Verfügung. Deshalb ist gem. §§ 1774, 1791b BGB das Jugendamt zum Amtsvormund zu bestellen. Trotz des Aufenthaltswechsels ist weiterhin gem. § 88a Abs. 4 Nr. 3 SGB VIII das Jugendamt N zur Ausübung der Amtsvormundschaft zuständig. ..."

***

„...Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG zulässige Beschwerde der Mutter führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Ihr ist neben dem Aufenthaltsbestimmungsrecht für V…, das ihr bereits durch Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist, nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen, sondern lediglich weitere Teilbereiche derselben.

1. Ungeachtet des Umstands, dass die Mutter unter Betreuung steht, begegnet die wirksame Einlegung der Beschwerde durch die Mutter selbst, bevor sie ihre Verfahrensbevollmächtigte beauftragt hat, keinen Bedenken. Der vom Amtsgericht beigezogenen Betreuungsakte 61 XVII 232/11 lässt sich nicht entnehmen, dass die Mutter etwa geschäfts- und damit verfahrensunfähig wäre. Auch bei ihrer Anhörung durch den Senat haben sich Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit nicht ergeben.

2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein das Rechtsmittel der Mutter, die sich dagegen wendet, dass ihr über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens 30 F 450/10 war, hinaus die gesamte elterliche Sorge entzogen worden ist.

a) Ein Rechtsmittel des Vaters liegt nicht vor. Dieser hat zwar zu erkennen gegeben, dass er die elterliche Sorge für V… anstrebt. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts vom 5.9.2012 hat er aber nicht ausdrücklich eingelegt.

Auch aufgrund seines weiteren Vorbringens, insbesondere der Angaben im Senatstermin vom 4.3.2013, kann nicht angenommen werden, dass der Vater ein Rechtsmittel einlegen wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ihm die elterliche Sorge bereits in einem früheren Verfahren mit Beschluss des Amtsgerichts vom 17.8.2011 (30 F 475/10) entzogen worden ist. Die Rechtsposition, die er seinerzeit verloren hat, könnte er daher nur im Wege eines Abänderungsverfahrens nach § 1696 BGB zurückerlangen. Eine solche Abänderung war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens kann grundsätzlich nur der Verfahrensgegenstand sein, über den im ersten Rechtszug entschieden worden ist (BGH, NJW 2011, 2577 Rn. 11; NJW-RR 2011, 1081 Rn. 12; FGPrax 2011, 78 Rn. 7; vgl. auch Hahne/Munzig/Gutjahr, BeckOK FG, Edition 7, § 69 Rn. 40). Mithin hätte ein erstmals in zweiter Instanz gestellter Abänderungsantrag keinen Erfolg.

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Vater Beschwerde nicht eingelegt hat. Dessen ungeachtet ist sein Ziel, die elterliche Sorge (zurück)zu erlangen im Rahmen der Vorschrift des § 1680 Abs. 3 BGB zu berücksichtigen.

b) Ein Rechtsmittel der Großmutter väterlicherseits und ihres Lebensgefährten ist ebenfalls nicht gegeben. Diese sind auf die Frage der Vormundschaft in ihren Äußerungen im Beschwerdeverfahren nicht mehr ausdrücklich zurückgekommen, sondern haben lediglich in der Sache Stellung bezogen. Da es im Beschwerdeverfahren um die Person des Vormunds bzw. Pflegers nicht mehr geht, sind die Großmutter und ihr Lebensgefährte auch nicht Beteiligte des Beschwerdeverfahrens. Soweit die Großmutter die Frage des Umgangs anspricht, ist dies nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.

c) Das Rechtsmittel der Mutter ist allein darauf gerichtet, die Entziehung weiterer Teilbereiche der elterlichen Sorge - über das bereits vorab entzogene Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus - zu verhindern. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht selbst könnte, wie ausgeführt, nur Gegenstand eines Änderungsbegehrens nach § 1696 BGB sein. Die Verfahrensbevollmächtigte der Mutter hat im Übrigen im Senatstermin vom 4.3.2013 ausdrücklich erklärt, dass sich die Mutter gegen den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurzeit nicht wende.

3. Der Mutter ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts über das Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus nicht die gesamte elterliche Sorge zu entziehen. Vielmehr reicht der Entzug der Gesundheitsfürsorge, des Rechts zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII und des Rechts zur Entscheidung aller Angelegenheiten in Bezug auf Schule bzw. Kindergarten aus.

a) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind, § 1666 Abs. 1 BGB. Darauf, ob hinsichtlich der Gefährdung des Kindeswohls ein Verschulden der Eltern festzustellen ist, kommt es nicht an (vgl. Johannsen/Henrich/Büte, Familienrecht, 5. Aufl., § 1666 Rn. 40). Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts ist ein bereits eingetretener Schaden des Kindes oder eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BVerfG, NJW 2010, 2333 Rn. 41; BGH, NJW 2010, 1351 Rn. 19; NJW 2012, 151 Rn. 25). Eine in diesem Sinne konkrete Gefährdung liegt hier vor.

Hinsichtlich der bei der Mutter bestehenden Defizite wird Bezug genommen auf die ausführlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluss sowie die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten im Verfahren 30 F 450/10 wie auch seinem Ergänzungsgutachten im vorliegenden Verfahren sowie seine Erläuterungen im Senatstermin vom 4.3.2013. Dass es diese Defizite gegeben hat, wird von der Mutter auch nicht ernstlich in Abrede gestellt. Sie beruft sich vorrangig darauf, ihre Situation habe sich stabilisiert. Dazu verweist sie darauf, nun in der Mutter-Kind-Einrichtung die Versorgung ihres ganz kleinen Kindes allein sicher stellen zu können. Dabei ist aber zu beachten, dass durch die Gewährleistung der Mutter-Kind-Einrichtung auf unbestimmte Dauer das Jugendamt eine engmaschige Unterstützung der Mutter durch das Betreuungspersonal in der Einrichtung sicher stellt.

Eine Stabilisierung der Situation der Mutter mag sich in der Mutter-Kind-Einrichtung eingestellt haben. Nach dem vorgelegten Entwicklungsbericht der Einrichtung ist die Beschwerdeführerin in Bezug auf die kleine Tochter M… eine liebevolle und sich kümmernde Mutter und im Verhältnis zu den mit in der Einrichtung beschäftigten Personen zur Mitarbeit bereit. Seitens der Einrichtung wird eingeschätzt, dass von den vier laut Hilfeplan vom 23.5.2012 getroffenen Vereinbarungen drei Ziele vollständig und eines überwiegend erreicht sei. Das vollständige Erreichen bezieht sich auf die Konkretisierung des Hilfebedarfs gemeinsam mit der Mutter, das Einhalten von Absprachen und die Unterstützung der Mutter in den Versorgungssituationen von M…. Das Einhalten des Tagesplans wird als überwiegend erreicht eingeschätzt. Diese Einschätzungen sprechen allerdings für eine Stabilisierung auf Seiten der Mutter. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass die Stabilisierung im Rahmen des festen Gefüges der Einrichtung erreicht worden ist. Damit ist - auch in Bezug auf M… - noch nicht sichergestellt, dass die Mutter ohne engmaschige Unterstützung in der Lage wäre, Versorgung und Betreuung des Kindes eigenverantwortlich zu übernehmen. Jedenfalls enthält der mit Schriftsatz vom 30.1.2013 vorgelegte Entwicklungsbericht der Einrichtung auch Hinweise darauf, dass es ungeachtet des guten Willens der Mutter nach wie vor gilt, Defizite aufzuarbeiten. Dies betrifft etwa die nach wie vor benötigte Unterstützung im Bereich der Körperpflege ihres Kindes und der täglichen Ordnung, aber auch das Hintanstellen eigener Bedürfnisse wie Essen oder Rauchen, wenn M… ihre alltäglichen Bedürfnisse deutlich macht. Mithin ist die Mutter bei der Versorgung und Betreuung M… voll gefordert. Dass darüber hinaus Raum für eine weitergehende Übernahme von Verantwortung in Bezug auf V…, kann nicht angenommen werden.

Auch der Sachverständige hat der Mutter im Senatstermin den Willen zu einer positiven Entwicklung nicht abgesprochen, bislang jedoch vermisst, dass sie den Willen unter Beweis gestellt hat. Die Notwendigkeit, eine Psychotherapie zu absolvieren, ist seit längerem betont worden. Bereits in seinem ersten Gutachten hat der Sachverständige einen erheblichen psychotherapeutischen Aufarbeitungsbedarf seitens der Mutter gesehen. Auch im Rahmen der Nachbegutachtung im vorliegenden Verfahren hat er erneut die psychotherapeutische Behandlung der Mutter empfohlen. Dessen ungeachtet hat die Mutter eine Psychotherapie erst kürzlich begonnen. Inwieweit diese geeignet ist, die aufgezeigten Defizite abzubauen, bleibt abzuwarten.

b) Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, § 1666 a BGB, sind aber lediglich die aus der Beschlussformel ersichtlichen Maßnahmen zu ergreifen. Dabei kommt der vom Amtsgericht ausgesprochene vollständige Entzug der elterlichen Sorge nicht in Betracht (vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Gottschalk, Anmerkung zu OLG Köln, Beschluss vom 12.9.2012 - 4 UF 142/12, ZKJ 2013, 30).

Entgegen der Auffassung der Mutter reicht es allerdings nicht aus, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind vorzuenthalten. Es bedarf des Entzuges auch der weiteren genannten Teilbereiche der elterlichen Sorge.

aa) Soweit es die Gesundheitsfürsorge betrifft, ergibt sich das Erfordernis eines Eingriffs schon daraus, dass der Mutter, soweit es sich Sorge für ihre eigene Gesundheit angeht, eine Betreuerin bestellt worden ist. Im Betreuungsverfahren ist angenommen worden, dass die Mutter nicht ausreichend in der Lage ist, für ihre eigene Gesundheit selbst zu sorgen. Angesichts dessen ergibt sich nahezu zwingend, dass die Mutter auch nicht in der Lage ist, die Gesundheitsfürsorge für ihr Kind zu übernehmen.

Die nach wie vor nicht ausreichende Einsicht in die Erfordernisse der Gesundheitsfürsorge machen die Angaben der Mutter im Senatstermin zu den Zahnproblemen V… deutlich. Insoweit hat sie sich allein auf die Aussagen des Zahnarztes zurückgezogen, sich hingegen aber nicht mit den Ursachen für die Zahnprobleme, wie sie bereits in dem Schreiben des Jugendamtes vom 14.3.2012 genannt worden sind, auseinandergesetzt.

bb) Im Hinblick darauf, dass sich die Kinder infolge des Vollzuges des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht mehr in der Obhut der Mutter befinden, ist ihr auch das Recht zur Antragstellung nach § 27 SGB VIII zu entziehen.

Dafür, der Mutter dieses Recht zu entziehen, spricht auch der Umstand, dass der Aufgabenkreis ihrer Betreuerin die Vertretung vor Behörden und Ämtern und die Geltendmachung von Ansprüchen mit umfasst, also angenommen werden muss, dass die Mutter - auch was ihre Angelegenheiten anbetrifft - zur selbständigen Wahrnehmung dieser Bereiche nicht in der Lage ist. Gleiches muss auch für die Belange des Kindes angenommen werden.

cc) Wegen der besonderen Situation bei der Betreuung des Kindes erstrecken sich die Maßnahmen nach § 1666 BGB zudem auf Angelegenheiten, die Schule und die Kindertageseinrichtungen, welche die Kinder besuchen, betreffend. Auch der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Mutter zu Entscheidungen in Bezug auf den Kindergarten nicht in der Lage sei.

dd) Der Entzug der elterlichen Sorge hinsichtlich der soeben genannten Teilbereiche ist ausreichend. Ein Entzug der Personensorge darüber hinaus, § 1666 a Abs. 2 BGB, ist nicht erforderlich. Gleiches gilt erst recht hinsichtlich der Vermögenssorge, die das Amtsgericht, indem es seinen Ausspruch auf die gesamte elterliche Sorge erstreckt hat, mit entzogen hat. Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Kindesvermögens sind nicht vorhanden. Dass V… über Vermögen verfügt, ist weder dem Jugendamt bekannt noch sonst ersichtlich. Angesichts dessen bedarf es des Entzugs der Vermögenssorge nicht, obwohl die Mutter insoweit auch zur Wahrnehmung ihrer eigenen Belange nicht in der Lage erscheint, wie der Umstand deutlich macht, dass die Vermögenssorge auch zum Aufgabenkreis ihrer Betreuerin gehört.

4. Einer Übertragung derjenigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter durch diesen Beschluss gezogen werden, auf den Vater gemäß § 1680 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB kommt nicht in Betracht. Es lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht feststellen, dass dies dem Wohl des Kindes dienen würde.

In dem Verfahren 30 F 475/10 sind erhebliche Defizite auf Seiten des Vaters festgestellt worden. Auch bei ihm ist offensichtlich eine Stabilisierung eingetreten, insbesondere auch durch die Aufnahme einer Partnerschaft zu einer Frau mit zwei Kindern. Der Vater erkennt auch die Fortschritte an, die V… im Rahmen der Fremdunterbringung gemacht hat. So hat er in seinem Schreiben vom 12.2.2013 erklärt, V… sei momentan bei der Familie S… bestens untergebracht.

Zurzeit wäre es dem Kindeswohl aber nicht dienlich, wenn dem Vater mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts, das nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, die übrigen Teilbereiche der elterlichen Sorge, die der Mutter zu entziehen sind, übertragen würden. Schon der Umstand der Fremdunterbringung und der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts durch das Jugendamt als Pfleger spricht eher dafür, auch die übrigen Teilbereiche dem Pfleger zu übertragen. Außerdem ist der Vater in der Vergangenheit seiner Verantwortung gegenüber V… noch nicht gerecht geworden. Er wird sich zukünftig um eine engere Bindung zum Kind bemühen müssen, etwa durch regelmäßige Wahrnehmung des Umgangs, gegebenenfalls auch durch das Bestreben, die Umgangskontakte auszuweiten. Ist das geschehen und hat die Stabilisierung des Vaters - insbesondere im Rahmen der neuen Partnerschaft - weitere Fortschritte erbracht, wird sich zeigen, ob die Einschätzung des Jugendamts im Bericht vom 5.2.2013, wonach ‚der Fokus weniger auf die Mutter, sondern klar auf den Vater sowie dessen Lebensgefährtin gelegt werden sollte', eine Bestätigung findet. ...." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2013 - 3 UF 93/12)

***

Dem nicht sorgeberechtigten Kindesvater steht gegen einen Beschluss, durch welchen der Kindesmutter Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen worden sind, die Beschwerdebefugnis zu, weil er nach § 1680 BGB gegebenenfalls sorgeberechtigt werden kann. Eine bestehende Heroinabhängigkeit der Kindesmutter begründet jedenfalls dann nicht ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Entzug der elterlichen Sorge, wenn sich die Kindesmutter bereits seit Jahren im Methadon-Programm befindet und das Kind in der Vergangenheit im mütterlichen Haushalt gut versorgt worden ist (OLG Hamm, Beschluss vom 21. Februar 2013 - 2 UF 246/12).

***

A. Zur Frage des anzuhörenden Jugendamts in Berlin in familienrechtlichen Verfahren betreffend allein eingereiste ausländische Minderjährig. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Senatsverwaltung und Jugendamt erfordert ein Gesetz oder eine Rechtsverordnung. Zur Amtsaufklärungspflicht des Familiengerichts in Verfahren über das Ruhen der elterlichen Sorge bezüglich der Minderjährigkeit, der Feststellung des Todes eines Elternteils und der Feststellung der Hinderung eines Elternteils an der Ausübung der elterlichen Sorge (KG Berlin, Beschluss vom 02.07.2012 - 16 WF 111/12 zu §§ 26, 27 II, 62 I 2, 69 I 3, 162 I 2 FamFG u.a.):

„... Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen das Ruhen der elterlichen Sorge beider Eltern nach § 1674 Abs. 1 BGB festgestellt. Der nach Deutschland ohne Eltern eingereiste Betroffene unterhalte keinen Kontakt zu diesen. Bei seiner persönlichen Anhörung hätten sich keine Zweifel an der Minderjährigkeit ergeben. Der Antragsteller sei angehört worden und dieser sei Jugendamt nach § 162 Abs. 1 S. 2 FamFG gemäß Nr. 2 S. 1 AV-JAMA vom 10. Juni 2008.

Der Betroffene hat sein Geburtsdatum mit dem 28. August 1994 angegeben und erklärt, sein Vater sei tot, seine Mutter nicht erreichbar.

Der Beteiligte zu 4., das Jugendamt S… Z… dem der angefochtene Beschluss nicht zugestellt worden ist, hat Beschwerde eingelegt, seine unterlassene Beteiligung und die mangelnde Sachaufklärung des Amtsgerichts gerügt. Die Minderjährigkeit des Betroffenen stehe nicht fest. Nicht einmal die Ausländerakte sei beigezogen worden. Der Verbleib der Sorgeberechtigten sei unklar und nicht aufgeklärt worden. Der Antragsteller habe entgegen § 27 Abs. 2 FamFG keine vollständigen Erklärungen abgegeben.

B. Die gemäß §§ 58 ff., 162 Abs. 3. S. 2 FamFG zulässige Beschwerde ist begründet und führt auf den entsprechenden Antrag des Beteiligten zu 4. zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 69 Abs. 1 S. 3 FamFG). Wegen des Antrages kann der Senat offen lassen, ob die Schwere der Verfahrensfehler eine entsprechende Anwendung von § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG gebieten würde.

Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, weil das Amtsgericht das Jugendamt, den Beteiligten zu 4., verfahrensfehlerhaft nicht nach § 162 Abs. 1 FamFG angehört hat, und es sind umfangreiche Ermittlungen von Amts wegen erforderlich (§ 26 FamFG), die es unterlassen hat.

Im Verfahren zuständiges und zu beteiligendes Jugendamt war und ist das Jugendamt des Bezirks (§§ 86 Abs. 4, 87b SGB 8) und nicht die S… und … . Die gegenteilige Auffassung des Amtsgerichts kann nicht auf Nr. 2 AV-JAMA vom 10. Juni 2008 gestützt werden. Dabei mag offen bleiben, ob Art. 67 (4, 66) VvB überhaupt eine Zuständigkeitsverteilung durch eine AV zulässt und dass die Regelung in § 33 Abs. 2 AG-KJHG dahin zu verstehen ist, dass allenfalls die örtliche Zuständigkeit der Jugendämter durch AV geregelt werden könnte, nicht aber die Frage, ob die Senatsverwaltung oder der Bezirk (sachlich) zuständig ist. Denn die sachliche Zuständigkeit/Aufgabenverteilung ist in § 33 Abs. 1 AG-KJHG geregelt und § 33 Abs. 2 AG-KJHG betrifft die örtliche Zuständigkeit im Aufgabenbereich der Jugendämter der Bezirke. Entscheidend ist vielmehr, dass es hier nicht um die Zuständigkeit für die Inobhutnahme nach § 87 SGB 8 geht, sondern um die Beteiligung am gerichtlichen Verfahren, die in § 87b SGB 8 selbständig geregelt ist und von der AV-JAMA weder berührt wird noch unter Beachtung von Art. 67 VvB berührt werden könnte (Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012, 16 UF 48/12).

Auch infolge der verfahrensfehlerhaft unterlassenen Beteiligung des Jugendamts hat das Amtsgericht weitere Erkenntnisse nicht berücksichtigen und nicht erlangen können. Den sich ergebenden Zweifeln zu den Altersangaben des Betroffenen wird im Rahmen der Amtsaufklärung (§ 26 FamFG) auch durch die Einholung eines Gutachtens zum Alter nachzugehen sein. Da die Antragstellerin in allen dem Senat bekannten gleichartigen Verfahren spätere Bemühungen um die Altersfeststellung nicht im Verfahren nachträgt, muss im Wege der Amtsaufklärung auch die Ausländerakte beigezogen werden, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen. Auf den Senatsbeschluss vom 10. April 2012 zur Geschäftsnummer 16 UF 299/11 (86 F 168/11 Amtsgericht Schöneberg) wird insoweit ergänzend Bezug genommen. Auch kommt es in Betracht dem Betroffenen aufzugeben, über die Botschaft von G… in Deutschland neue Ausweispapiere zu erlangen, wobei die Botschaft in diesem Verfahren auf Daten des Herkunftslandes zurückgreifen kann. Zweifel bestehen hier insbesondere deshalb, weil die Erklärungen des Betroffenen erhebliche Bedenken an ihrem Wahrheitsgehalt aufkommen lassen. Nach der Erklärung des Betroffenen vom 5. März 2012 hat ihm die Mutter den Flug nach Europa bezahlt, die dafür ein Grundstück verkaufte, und nun will er keinen Kontakt mit ihr haben, obwohl er erst am 1. März 2012 aus der Elfenbeinküste, in die er mit dem Auto 2009 gelangt sein will, nach Deutschland einreiste. Er gibt einen Onkel an, bei dem er aufgewachsen sei, zu dem ebenfalls jegliche nähere Angaben fehlen (Name, Anschrift usw.). In der späteren Erklärung vom 8. März 2012 verweigerte er Angaben dazu, wer ihm den Flug finanziert hat. Einmal gibt er zwei Geschwister an (5. März 2012), ein anderes Mal werden Geschwister verneint (8. März 2012). Einmal wuchs er beim Onkel, der Koranlehrer ist, in L… auf, besuchte dort nach der Grundschule in den Jahren 2008 bis 2009 die Koranschule und arbeitete als Fotograf in K… und L… /G… (5. März 2012), anderseits gibt er an, dass er in der Grundschule war und zuletzt in der Landwirtschaft auf dem Hof seiner Mutter gearbeitet habe (8. März 2012). Seit 2009 will er jedoch in der Elfenküste gewesen sein und dort auf der Straße gelebt haben. Das Amtsgericht hat dazu in seiner Anhörung vom 20. März 2012 nichts hinterfragt und keine Aufklärung des Sachverhalts vorgenommen, obwohl sich die Ansatzpunkte und Lügen des Betroffenen massiv aufdrängen.

Ferner wird das Amtsgericht von Amts wegen (§ 26 FamFG) im Hinblick auf die Widersprüche in der Erklärung des Betroffenen die Voraussetzungen des § 1674 Abs. 1 BGB zu klären haben. Es muss einerseits die elterliche Sorge bestehen, was beim Vater fraglich ist, wenn er - wie der Betroffene erklärt hat - tatsächlich verstorben ist (§ 1680 BGB), und andererseits müssen beide Eltern, jedenfalls aber die Mutter tatsächlich nicht in der Lage sein, die elterliche Sorge auszuüben, also auch nicht durch Erteilung von Vollmachten. In dieser Hinsicht hat das Amtsgericht keine Ermittlungen angestellt und nicht beispielsweise versucht, über die Botschaft von G… oder evtl. die deutsche Botschaft in G… Erkenntnisse zu gewinnen oder Urkunden zu erlangen. Es hat sich nicht einmal nach der Anschrift des Onkels erkundigt, über den weitere Ermittlungen denkbar sind. Vielmehr hat es sich allein auf die offensichtlich zweifelhaften Angaben des Betroffenen verlassen.

Darüber hinaus stellt sich die Frage der Anhörung und der Beteiligung der Mutter im Verfahren und ob diese ggf. im Wege der öffentlichen Zustellung zu beteiligen ist. Falls der Vater nicht tot sein sollte, muss auch er beteiligt werden. Denn das Amtsgericht hat nicht etwa eine einstweilige Anordnung vor der endgültigen Klärung der Fragen erlassen und dann nach weiteren Ermittlungen eine Änderung der einstweiligen Anordnung oder die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens beabsichtigt, sondern es hat bereits eine endgültige Regelung getroffen. Den von Amts wegen möglichen Gestaltungsspielraum, den ein einstweiliges Anordnungsverfahren bietet (vgl. auch § 1693 BGB), um die Rechte der Beteiligten zu wahren und die notwendigen Ermittlungen vorzunehmen, hat das Amtsgericht dabei nicht ausgeschöpft.

Der Senat weist darauf hin, dass mit der Feststellung des Ruhens der elterlichen Sorge ein Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 GG) erfolgt. Die Verfahrensgestaltung aller Beteiligten muss diesem Verfassungswert gerecht werden. Es geht nicht um die Frage, wie das „Problem" „verwaltungstechnisch" am einfachsten und billigsten für die eigene Kostenstelle zu lösen ist. ..."

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Kein Beschwerderecht der vormals alleinsorgeberechtigten Mutter, wenn das Familiengericht das Sorgerecht in einem neuen Verfahren nunmehr vom Amtsvormund auf den leiblichen Vater des Kindes überträgt (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.06.2012 - 3 UF 37/12 zu §§ 1680 II 2, 1696 I BGB, § 59 I FamFG).

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„... I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die Eltern des betroffenen Kindes X, geb. …1998, das bei der Kindesmutter lebt. Die Kindeseltern waren nie verheiratet; eine gemeinsame Sorgeerklärung wurde nicht abgegeben.

Nachdem jahrelang kein bzw. nur ganz unregelmäßiger Kontakt zwischen X und dem Kindesvater stattgefunden hatte, beantragte der Kindesvater in den vorangegangenen Verfahren 20 F 186/09 und 20 F 245/10 vor dem Familiengericht Ahrensburg die Einräumung eines Umgangsrechtes. Nach Einholung von Sachverständigengutachten einigten die Kindeseltern sich aufgrund der darin ausgesprochenen Empfehlung dahingehend, dass vor Durchführung eines Umganges des Kindesvaters mit X für diesen zunächst eine kindertherapeutische Maßnahme und zwischen den Eltern zur Verbesserung ihres Verhältnisses eine Beratung durchgeführt werden sollte.

Da im Laufe des Verfahrens Auffälligkeiten bei X festgestellt worden waren, leitete das Familiengericht zudem von Amts wegen ein Verfahren nach § 1666 BGB zur Überprüfung ein, ob das Kindeswohl durch die Sorgerechtsausübung seitens der Kindesmutter gefährdet sei. Der Kindesvater, der bislang an diesem Verfahren nicht beteiligt worden ist, beantragt seine Hinzuziehung gemäß § 7 FamFG.

Das Familiengericht hat den Antrag des Kindesvaters mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen, da er durch das Verfahren nicht unmittelbar in seinen Rechten betroffen sei.

Gegen diese Entscheidung wendet der Kindesvater sich mit seiner sofortigen Beschwerde.

II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 FamFG iVm §§ 567 ff. ZPO statthaft und zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

Sie hat auch in der Sache Erfolg, da der Kindesvater durch das vorliegende Verfahren, das die Prüfung des Sorgerechtsentzuges der Kindesmutter (§ 1666 BGB) zum Gegenstand hat, unmittelbar in eigenen Rechten betroffen ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), auch wenn er nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist (vgl. auch OLG Schleswig, Beschluss vom 19.11.2010 - 12 UF 153/10, nicht veröffentlicht).

Insoweit kann dahinstehen, ob dem Kindesvater allein aufgrund seines Elternrechtes aus Art. 6 Abs. 2 GG das Recht zusteht, die vom Familiengericht zu treffende Entscheidung, insbesondere im Falle der Ablehnung von Maßnahmen nach § 1666 BGB, durch Einlegung eines Rechtsmittels überprüfen zu lassen (abgelehnt noch durch BGH FamRZ 2009, 220; ausdrücklich offengelassen nunmehr in BGH FamRZ 2010, 1242). Jedenfalls begründen die §§ 1680 Abs. 3, Abs. 2 Satz 2 BGB - danach hat das Familiengericht dem Kindesvater im Fall des Sorgerechtsentzugs der gemäß § 1626a Abs. 2 BGB alleinsorgeberechtigten Kindesmutter die elterliche Sorge zu übertragen, wenn dies dem Wohl des Kindes dient - ein subjektives Recht des Vaters, aus dem sich auch dessen Beschwerdeberechtigung ergibt (vgl. BGH FamRZ 2010, 1242 zu § 20 FGG a.F.).

Entgegen der Auffassung der Kindesmutter gilt dies auch vorliegend. Zwar übt der Kindesvater aufgrund einer Einigung der Kindeseltern derzeit keinen Umgang mit X aus und ist der Sachverständige Dr. Y in seinem Gutachten vom 15.07.2010 im Verfahren 20 F 245/10 zu dem Ergebnis gekommen, dass das krankheitsbedingte Zustandsbild des Kindesvaters ein Aufwachsen Xs bei ihm unmöglich mache. Dennoch schließt dies eine (Teil-)Sorgerechtsausübung des Kindesvaters für den Fall, dass der Kindesmutter das Sorgerecht oder Teile davon entzogen werden sollten, nicht von vornherein zwingend aus, da unter bestimmten Umständen auch eine Sorgerechtsausübung ohne gleichzeitige persönliche Betreuung des Kindes denkbar wäre. Jedenfalls kann eine entsprechende Prüfung, für die derzeit auch noch kein Anlass besteht, nicht in das Verfahren über die Hinzuziehung des Kindesvaters verlagert werden. Dieser ist vielmehr durch das Verfahren nach § 1666 auch als nichtsorgeberechtigter Vater stets in eigenen Rechten unmittelbar betroffen.

Über den weiteren, noch nicht beschiedenen Antrag des Kindesvaters auf Akteneinsicht hat das Familiengericht nach § 13 Abs. 1 FamFG zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1 FamFG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes aus § 45 Abs. 3 FamGKG. ..." (OLG Schleswig, Beschluss vom 04.05.2011 - 12 UF 83/11)

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Ist der ursprünglich gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein sorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge gemäß § 1666 BGB teilweise entzogen, kann die mit dieser Entscheidung verbundene Anordnung einer Pflegschaft hinsichtlich der entzogenen Teilbereiche der elterlichen Sorge einschließlich der Auswahl eines Pflegers im Hinblick auf § 1680 Abs. 3 i. V. mit Abs. 2 Satz 2 BGB vom Vater angefochten werden, auch wenn dieser nie (mit) sorgeberechtigt war. Hat ein Vater mit der Mutter nach der Geburt eines gemeinsamen Kindes nie zusammengelebt und zu diesem auch durch Umgangskontakte über mehrere Monate keine echte Beziehung hergestellt, spricht mehr dagegen als dafür, § 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB im Sinn der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 8.12.2005 (FamRZ 2006, 385) und vom 20.10.2008 (FamRZ 2008, 2185) "vaterfreundlich" auszulegen. Verbleiben der Mutter nach dem Entzug insbesondere des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht unwesentliche Teilbereiche der elterlichen Sorge, so kommt es für die Entscheidung, ob das Aufenthaltsbestimmungsrecht und mit diesem entzogene weitere Teilbereiche der elterlichen Sorge dem Vater zu übertragen sind oder ob insoweit eine Pflegschaft anzuordnen ist, auch darauf an, ob Vater und Mutter bereit und in der Lage sind, in Angelegenheiten des betroffenen Kindes zu kooperieren (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.12.2009 - 7 UF 1050/09 zu BGB § 1680 Abs. 2 S 2, Abs. 3, § 1666; ZPO § 621e a. F. = FamFG § 58 Abs. 1, FGG § 20).

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Der nichteheliche Vater kann gegen den Willen der Mutter des Kindes kein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Die Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge nach § 1666 BGB kommt in Betracht, wenn die Mutter als allein Sorgeberechtigte das Elternrecht des Vaters nicht angemessen zur Geltung bringt und dadurch das Wohl des Kindes gefährde (OLG Jena, Beschluss vom 19.08.2009 - 1 UF 143/09):

„... Es trifft zwar zu, dass entsprechend der Vorschrift des § 1626 a BGB der nicht mit der Mutter verheiratete Vater auch nach jahrelangem Zusammenleben mit der Mutter gegen deren Willen grundsätzlich ein gemeinsames Sorgerecht nicht erreichen kann (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 67. Auflage, § 1626 a, Rdnr. 11 zu).

Materiell rechtliche Grundlage für die vom Familiengericht getroffene Entscheidung I. Instanz ist nur § 1666 BGB. Danach hat das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen, wenn das Kindeswohl (unter anderem) durch missbräuchliche Ausübung des Sorgerechts oder durch unverschuldetes Versagen der Eltern gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt und in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden. Dabei kommt es nicht darauf an, auf welche Weise das Familiengericht von der Gefahrenlage Kenntnis erlangt; es hat vielmehr von Amts wegen einzugreifen (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.06.2005, Az. 26 WF 1169/05; Quelle: www.juris.de).

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 04.04.2001 (FamRZ 2001, 907 - 911), in der er sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift des § 1626 a BGB auseinander gesetzt hat, darauf hingewiesen, dass Maßnahmen nach § 1666 BGB in Betracht kommen, wenn die Mutter als alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge das Elternrecht des anderen Elternteils nicht angemessen zur Geltung bringt und das Wohl des Kindes durch das Verhalten der Mutter gefährdet wird.

Die gewählte gesetzliche Regelung stärke die rechtliche Stellung der Mutter, die nicht ohne ihre Zustimmung zur gemeinsamen elterlichen Sorge mit dem nichtehelichen Vater gezwungen, und der das eigene Sorgerecht in der Regel nur unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB entzogen werden kann.

Unter diesem Gesichtspunkt werden verbreitet Bedenken gegen die gesetzliche Lösung geäußert (vgl. Palandt/Diederichsen aaO § 1626 a Rdn. 11).

Diese Bedenken führen indessen nach Auffassung des BGH nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 1626 a BGB. Ihnen ist allerdings bei der Anwendung des § 1666 BGB im Einzelfall Rechnung zu tragen. Dabei muss - bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift - gewährleistet sein, dass in die Prüfung des Merkmals einer „missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge" durch die Mutter auch die Frage einbezogen wird, ob und inwieweit die Mutter das Elternrecht des Vaters angemessen zur Geltung bringt (BGH, a.a.O.).

Nach Auffassung des OLG München (a.a.O.) ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet, wenn nur die Maßnahmen gewählt werden, die für die Abwendung der Gefahr unerlässlich sind.

Das Amtsgericht hat der Kindesmutter die elterliche Sorge für N. nicht entzogen, sondern nur insoweit eingeschränkt, als an die Stelle der Alleinsorge die gemeinsame Sorge durch die Eltern getreten ist. Diese Einschränkung erscheint erforderlich, damit ausreichend sichergestellt ist, dass der Vater gemäß § 1687 BGB auch die Alleinentscheidungsbefugnis in Angelegenheiten des täglichen Lebens erhält, aber auch in Angelegenheiten, deren Regelung von erheblicher Bedeutung ist, mit entscheiden kann.

Soweit der Mutter die elterliche Sorge, die ihr gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB allein zustand, entzogen wird, ist gemäß § 1680 Abs. 3 BGB die elterliche Sorge dem Vater zu übertragen, wenn dies dem Wohl der Kinder nicht widerspricht. Schon aus dem Sinn dieser Vorschrift ergibt sich, dass die vom Familiengericht getroffene Regelung unter den Voraussetzungen des § 1666 BGB grundsätzlich zulässig ist.

Das Verfahren I. Instanz leidet aber an Verfahrensfehlern, die zu einer Zurückverweisung zu führen haben.

Das Amtsgericht hat es unterlassen, N. einen Verfahrenspfleger zu bestellen, obwohl das Regelbeispiel des § 50 Abs. 2 Ziffer 2 FGG vorliegt. Das Amtsgericht hat in den Gründen auch nicht ausgeführt, warum von der Bestellung eines Verfahrenspflegers abgesehen wurde (§ 50 Abs. 2 FGG).

Das Amtsgericht hat sich auch nicht sachverständiger Hilfe bedient, um zu beurteilen, ob die weitere Belassung des Kindes N. bei der Mutter eindeutig den Charakter einer Kindeswohlgefährdung, die auf einem unverschuldeten Versagen der Mutter beruhen kann, annehme, um so eine nachvollziehbare Bewertung der Situation des Kindes aus familienpsychologischer Sicht zu erhalten.

Aufgrund dieser Verfahrensmängel ist die angefochtene Entscheidung - für den Fall der Entscheidung - aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - zurückzuverweisen.

Der Senat geht derzeit nicht davon aus, dass es sachdienlich ist, von der Zurückverweisung abzusehen und selbst zu entscheiden. Es erscheint sachgerechter, dass die Bestellung des Verfahrenspflegers vom Familiengericht durchgeführt wird und ggf. ein Sachverständigengutachten eingeholt wird (vgl. OLG Schleswig, OLGR 2008, 135).

Eines Antrags auf Zurückverweisung bedarf es im FGG-Verfahren nicht (vgl. OLG Köln, FamRZ 2005, 1921).

Der Senat weist die Parteien noch auf die Möglichkeit des § 1630 Abs. 3 BGB hin. Geben die Eltern (die nichteheliche Mutter) das Kind für längere Zeit in Familienpflege, so kann auf ihren Antrag das Familiengericht Angelegenheiten der elterlichen Sorge auf die Pflegeperson (hier: nichtehelicher Vater) übertragen; soweit das Familiengericht eine Übertragung vornimmt, hat die Pflegeperson die Rechte und Pflichten eines Pflegers; § 1630 Abs 3 BGB.

Auch sollten die Parteien - unter Berücksichtigung des Alters des Kindes überlegen - ob nicht die Errichtung einer gemeinsamen elterlichen Sorge in Teilbereichen in Betracht kommt.

Für den Fall der Zurückverweisung wäre auch für die Zeit bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Zwischenlösung zu treffen, sei es in Form einer Verlängerung der Elternvereinbarung oder aber in einer einstweiligen Anordnung von Amts wegen. ..."

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§ 1682 Verbleibensanordnung zugunsten von Bezugspersonen

1Hat das Kind seit längerer Zeit in einem Haushalt mit einem Elternteil und dessen Ehegatten gelebt und will der andere Elternteil, der nach den §§ 1678, 1680, 1681 den Aufenthalt des Kindes nunmehr allein bestimmen kann, das Kind von dem Ehegatten wegnehmen, so kann das Familiengericht von Amts wegen oder auf Antrag des Ehegatten anordnen, dass das Kind bei dem Ehegatten verbleibt, wenn und solange das Kindeswohl durch die Wegnahme gefährdet würde. 2Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Kind seit längerer Zeit in einem Haushalt mit einem Elternteil und dessen Lebenspartner oder einer nach § 1685 Abs. 1 umgangsberechtigten volljährigen Person gelebt hat.

Leistätze/Entscheidungen:

Eine Verbleibensanordnung kann zugunsten der Großeltern nicht stattfinden, wenn diese lediglich einen erweiterten Umgang mit den Kindern hatten, die Kinder aber nicht länger im Haushalt der Großeltern gelebt haben. Trotz einer engen Beziehung der betroffenen Kinder zu den Großeltern ist nicht davon auszugehen, dass gemeinsame kurze Urlaube während der Schulferien, Kurzurlaube an Wochenenden oder einige Tage Aufenthalt während Krankenhausaufenthalten der Bezugsperson ausreichen, um ein längeres Zusammenleben im gesetzlichen Sinne zu statuieren. Auch ein Aufenthalt von einem Monat bei den Großeltern angesichts eines (tatsächlich mit dem Tode endenden) Krankenhausaufenthaltes der Betreuungsperson kann angesichts der erkennbaren Vorläufigkeit der Situation nicht dazu führen, ein längeres Zusammenleben zu statuieren (AG Dortmund, Beschluss vom 05.10.2016 - 113 F 4850/16):

„... Die Antragsteller sind die Großeltern der beiden Kinder 1 und 2. Die Kindesmutter ist verstorben. Dem Kindesvater und Antragsgegner steht das Sorgerecht zu. Die Antragsteller haben in den vergangenen Jahren mit den genannten Kindern mehrere Urlaube verbracht. Auch zu Kurzurlauben wurden die Kinder regelmäßig von den Antragstellern mitgenommen. Tatsächlicher Aufenthalts- und Wohnort war jedoch bei der Kindesmutter. Im Jahre 2016 befanden sich die Kinder im April, im Mai und im Juni aufgrund von Krankenhausaufenthalten der Mutter für jeweils vier Tage bei den Antragstellern. Zudem befinden sie sich seit dem 28.08.2016, dem letzten Krankenhausaufenthalt der Mutter vor dem Tode bei den Antragstellern. Die Kindesmutter hatte bereits während des laufenden Scheidungsverfahrens (Rechtskraft der Scheidung: 25.08.2016) gegenüber dem Notar D in E notariell erklärt, dass ihr ausdrücklicher Wunsch sei, dass im Falle ihres Versterbens die Kinder nicht bei dem Kindesvater wohnen, sondern bei den Antragstellern. Die Antragsteller sehen das Kindeswohl durch einen Wechsel zu dem Antragsgegner gefährdet.

Der Antrag der Antragsteller ist zulässig als Antrag auf Erlass einer Verbleibensanordnung nach § 1682 BGB. Hiernach können auch die Großeltern eine Verbleibensanordnung beantragen, wenn das Kind seit längerer Zeit in ihrem Haushalt gelebt hat. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die Verbleibensanordnung lediglich eine vorübergehende Regelung darstellt, die dem Kind Zeit und Gelegenheit geben soll, sich innerlich auf den Wechsel in den Haushalt des leiblichen Elternteils einzustellen. Die Verbleibensanordnung hat daher nicht den Sinn, dauerhaft das Verbleiben der Kinder bei den Antragstellern zu ermöglichen.

Voraussetzung für eine Verbleibensanordnung im Sinne der Antragsteller wäre, dass ein längeres Zusammenleben in einem Haushalt gegeben war. Entscheidend ist die Festigkeit der Lebensbeziehung bzw. eine gewisse Regelmäßigkeit des Kontaktes, die zu tragfähigen Bindungen geführt haben. Die längere Zeit ist hierbei nicht absolut, sondern unter Berücksichtigung des kindlichen Zeitbegriffs zu verstehen. Maßgebend ist, ob das Kind in der Pflegezeit seine Bezugswelt in der Familie gefunden hat, für die die Verbleibensanordnung gelten soll und deshalb die Herausnahme zu diesem Zeitpunkt die Gefahr schwerwiegender Schäden mit sich brächte.

Hier tragen die Antragsteller letztlich vor, dass die Kinder stets ihren Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter hatten. Das längere Zusammenleben mit den Großeltern - wie es dargestellt wird - stellte lediglich einen erweiterten Umgang dar. Trotz einer engen Beziehung zu den Großeltern ist nicht davon auszugehen, dass gemeinsame kurze Urlaube während der Schulferien, Kurzurlaube an Wochenenden oder einige Tage Aufenthalt während Krankenhausaufenthalten der Bezugsperson ausreichen, um ein längeres Zusammenleben im gesetzlichen Sinne zu statuieren.

Angeknüpft werden könnte letztlich nur an den letzten Krankenhausaufenthalt vor dem Tode der Kindesmutter. Seit dem 28.08.2016 befinden sich die Kinder nämlich nach Angaben der Antragsteller bei ihnen. Wäre die Mutter bei diesem Krankenhausaufenthalt nicht verstorben, so wäre auch aus Sicht der Antragssteller sicher die Situation genauso wie bisher zu beurteilen gewesen. Auch ein Aufenthalt von einem Monat bei den Großeltern hätte so angesichts der erkennbaren Vorläufigkeit der Situation nicht dazu geführt, ein längeres Zusammenleben mit diesen im Sinne des Gesetzes zu statuieren. Für die Kinder wäre nämlich klar gewesen, dass sie nach Krankenhausentlassung der Mutter wieder zu dieser zurückgekehrt wären und die Wohnsituation bei den Großeltern lediglich eine vorübergehende Angelegenheit war. Dies zeigt, dass für die Bestimmung der längeren Zeit des Zusammenlebens vorwiegend die Zeit zwischen dem Tode der Mutter am 25.09.2016 und dem heutigen Tage maßgeblich sein kann. Dieser Zeitraum ist jedoch derart kurz, dass eine Verbleibensanordnung seitens der Antragsteller nicht erstrebt werden kann. ..."

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§ 1686 Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes

Jeder Elternteil kann vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.

Leitsätze/Entscheidungen:

Ist den Eltern die Gesundheitssorge entzogen, so richtet sich insoweit der Auskunftsanspruch eines Elternteils über die persönlichen Verhältnisse des Kindes vorrangig gegen den Inhaber der Gesundheitssorge (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016, XII ZB 345/16, FamRZ 2017, 378). Eine Auskunftserteilung kann dem Kindeswohl widersprechen, wenn zu befürchten ist, dass der auskunftsberechtigte Elternteil die Auskunft missbrauchen wird, um im Bereich der ihm entzogenen elterlichen Sorge Einfluss zu nehmen (BGH, Beschluss vom 26.07.2017 - XII ZB 85/17).

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„... I. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes (ersatzweise Ordnungshaft) von 100 €. Das Oberlandesgericht hatte die Antragsgegnerin durch Beschluss vom 15. Juli 2015 (Absätze 3 bis 5) wie folgt verpflichtet:

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15. August 2015 und sodann jeweils zum 15. November, 15. Februar, 15. Mai und 15. August eines jeden Jahres ein Foto des gemeinsamen Kindes zu übersenden, ebenso Fotos des Kindes anlässlich von Feierlichkeiten, die in Bezug auf das Kind stattfinden, wie Feiern des Geburtstages des Kindes oder der Einschulung des Kindes.

Der Mutter wird aufgegeben, dem Vater zum 15. August 2015 und sodann jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines jeden Jahres Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes zu erteilen und hierzu jeweils aktuelle Atteste der behandelnden Ärzte und Therapeuten des Kindes vorzulegen.

Die Mutter wird darauf hingewiesen, dass das Gericht im Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Anordnungen ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 25.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann oder die Anordnung eines Ordnungsgelds keinen Erfolg verspricht, Ordnungshaft anordnen kann.

Die Antragsgegnerin hat Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes zum 15. August 2015 nicht erteilt.

Das Amtsgericht hat auf Antrag des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 100 €, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft je 50 €, festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie ihren Antrag auf Zurückweisung des Antrags auf Anordnung von Ordnungsmitteln weiterverfolgt.

II. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO (vgl. Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 4) statthaft, weil das Oberlandesgericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). In der Sache hat die Rechtsbeschwerde nur insoweit Erfolg, als gegen die Antragsgegnerin nicht ein Ordnungsgeld, sondern ein Zwangsgeld nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO festzusetzen ist.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner in FamRZ 2016, 1943 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht ein Ordnungsgeld gegen die Mutter festgesetzt. Auf eine Auskunftsverpflichtung nach § 1686 BGB seien entgegen der überwiegenden Auffassung nicht die Regeln über die Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO anzuwenden, sondern die §§ 88 ff. FamFG. Denn bei dieser Auskunftsverpflichtung handele es sich um einen Annexanspruch zum Anspruch auf Regelung des Umgangs. Dass ein isoliertes Auskunftsverfahren nach § 1686 BGB im Gegensatz zur Regelung des persönlichen Umgangs eines Kindes zu den Rechtspflegergeschäften gehöre, spreche nicht notwendig dafür, dass auch hinsichtlich der jeweiligen Vollstreckung unterschiedliche Wege eingeschlagen werden müssten. Das Auskunftsrecht nach § 1686 BGB sei nach seiner systematischen Stellung den Umgangsregelungen zugeordnet. Es entspreche einem praktischen Bedürfnis, dass ein umgangsberechtigter Elternteil sein Auskunftsrecht nach § 1686 BGB bereits im Umgangsregelungsverfahren zur Sprache bringen könne. Dann liege es nahe, dass das Gericht in einer einheitlichen Entscheidung die Ausgestaltung des Umgangs und die Auskunftsverpflichtung regele. Angesichts dessen sei auch eine einheitliche Vollstreckung der Verpflichtungen wünschenswert. Vorliegend habe die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Belegvorlage aus dem Beschluss des Beschwerdegerichts vom 15. Juli 2015 nicht vollständig erfüllt. Unabhängig davon, welche Atteste oder sonstigen Belege hinsichtlich des Gesundheitszustands des Kindes vorzulegen wären, habe die Antragsgegnerin offensichtlich eine Auskunft über den Gesundheitszustand zum 15. August 2015 nicht erteilt. Die Höhe des Ordnungsgelds sei mit 100 € nicht unangemessen, denn der Umstand, dass die Auskunftsverpflichtete nach ihren eigenen Angaben nur Leistungen nach SGB II beziehe, könne nicht zu einem Verzicht auf Festsetzung eines Ordnungsgelds führen.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach § 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG ist auf die Vollstreckung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung - soweit es nicht um die Herausgabe von Personen und die Regelung des Umgangs geht - § 888 ZPO entsprechend anzuwenden. Danach ist der Schuldner durch Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft, oder durch Zwangshaft zur Vornahme der Handlung anzuhalten, wobei eine Androhung der Zwangsmittel nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet.

Anders als diese Zwangsmittel, die ausschließlich der Einwirkung auf den Willen der pflichtigen Person dienen, haben Ordnungsmittel nach § 89 FamFG daneben Sanktionscharakter. Sie können deshalb auch dann festgesetzt und vollstreckt werden, wenn die zu vollstreckende Handlung, Duldung oder Unterlassung wegen Zeitablaufs nicht mehr vorgenommen werden kann (Senatsbeschluss vom 17. August 2011 - XII ZB 621/10 - FamRZ 2011, 1729 Rn. 14 mwN). Mit dieser weitergehenden Sanktionsmöglichkeit der Ordnungsmittel korrespondiert die Hinweispflicht nach § 89 Abs. 2 FamFG.

b) Nach weit überwiegender Auffassung (OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 162; OLG Frankfurt Beschluss vom 12. September 2011 - 6 UF 193/11 - juris Rn. 11 f.; Keidel/Giers FamFG 19. Aufl. § 95 Rn. 12; Zöller/Feskorn, ZPO 31. Aufl. § 95 FamFG Rn. 6; Staudinger/Rauscher BGB [2014] § 1686 Rn. 17; Erman/Döll BGB [2014] § 1686 Rn. 1; MünchKommBGB/Hennemann 7. Aufl. § 1686 BGB Rn. 14; Prütting/Helms/Hammer FamFG 3. Aufl. § 95 Rn. 6; a.A.: NK-BGB/Peschel-Gutzeit 3. Aufl. § 1686 Rn. 13 Fn. 48; Völker/Clausius Das familienrechtliche Mandat § 2 Rn. 214 iVm § 6 Rn. 30) handelt es sich bei der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 1686 BGB nicht um eine Regelung des Umgangs im Sinne des § 89 Abs. 1 FamFG, sondern um eine nicht vertretbare Handlung nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO.

Die überwiegend vertretene Auffassung ist zutreffend.

Nach § 1686 BGB kann jeder Elternteil bei berechtigtem Interesse vom anderen Elternteil Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Kindeswohl nicht widerspricht. Der Auskunftsanspruch wurde durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember 1997 (Kindschaftsrechtsreformgesetz - KindRG; BGBl. I S. 2942) mit Wirkung zum 1. Juli 1998 in § 1686 Satz 1 BGB geregelt. Während der zuvor in § 1634 Abs. 3 Satz 1 BGB geregelte Auskunftsanspruch ursprünglich geschaffen wurde, um das mit Einschränkung oder Ausschluss des Umgangsrechts einhergehende Informationsdefizit des umgangsberechtigten Elternteils auszugleichen (BT-Drucks. 8/2788 S. 55 f.), kommt dem Anspruch nunmehr neben dieser reinen Ersatzfunktion zusätzlich eine Ergänzungsfunktion gegenüber dem Umgangsrecht zu (Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 - XII ZB 345/16 - FamRZ 2017, 378 Rn. 15 mwN). § 1686 BGB will dem Grundsatz nach jedem Elternteil ohne Rücksicht auf die Verteilung des Sorgerechts ermöglichen, vom anderen Elternteil die wesentlichen Informationen zu den persönlichen Verhältnissen des Kindes zu erhalten, an die er anders nicht in zumutbarer Weise gelangen kann (BT-Drucks. 13/4899 S. 107; Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2016 - XII ZB 345/16 - FamRZ 2017, 378 Rn. 16). Danach steht die Auskunftsverpflichtung selbständig neben einer Regelung des Umgangs.

Dass eine Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft, die nur aufgrund persönlichen Wissens des Auskunftspflichtigen gegeben werden kann, regelmäßig als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO vollstreckt wird, entspricht im Übrigen allgemeiner Auffassung (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 21; BGH Beschluss vom 3. Juli 2008 - I ZB 87/06 - NJW 2008, 2919, 2920 zur Vollstreckung des Anspruchs auf Nennung des Namens des Kindesvaters; BGHZ 49, 11, 15 zur Auskunftspflicht des Konkursverwalters; Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 1 Rn. 1191).

3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben.

Der Senat kann in der Sache selbst abschließend entscheiden, weil die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgelds gemäß §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 FamFG, 888 ZPO nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts vorliegen und eine Androhung der Zwangsmittel nach § 888 Abs. 2 ZPO nicht stattfindet.

Der Antrag des Antragstellers vom 23. September 2015 auf Verhängung eines Ordnungsgelds gegen die Antragsgegnerin wegen der fehlenden Auskunft über den Gesundheitszustand des Kindes zum 15. August 2015 ist nach seinen Interessen als Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes auszulegen.

Die Antragsgegnerin stellt im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht in Abrede, dass sie die ihr aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. Juli 2015 obliegende Verpflichtung zur Auskunftserteilung und Vorlage von Belegen zum 15. August 2015 nicht vollständig erfüllt hat. Ebenso wenig wendet sie sich gegen die Einschätzung des Oberlandesgerichts, die Festsetzung von 100 € sei maßvoll, wenn auch die Antragsgegnerin nach ihren eigenen Angaben ausschließlich Leistungen nach SGB II bezieht. ..." (BGH, Beschluss vom 15.03.2017 - XII ZB 245/16)

***

Der Auskunftsanspruch nach § 1686 BGB setzt nicht voraus, dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind ausübt. Grundsätzlich kommt daher auch ein auf Umgangskontakte beschränkter Elternteil als Anspruchsgegner in Betracht. § 1686 BGB kann in entsprechender Anwendung einem Elternteil auch einen Auskunftsanspruch gegenüber Anspruchsgegnern gewähren, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind (hier: Jugendamt). Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten. Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls der Umgang mit dem Kind darstellen, aber auch in sonstigen Informationsquellen bestehen, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln. Zum Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte nach § 1686 BGB beanspruchen kann (BGH, Beschluss vom 14.12.2016 - XII ZB 345/16).

*nach oben*

§ 1687 BGB Ausübung der gemeinsamen Sorge bei Getrenntleben

(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich. Der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, hat die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Solange sich das Kind mit Einwilligung dieses Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung bei dem anderen Elternteil aufhält, hat dieser die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung. § 1629 Abs. 1 Satz 4 und § 1684 Abs. 2 Satz 1 gelten entsprechend.

(2) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 2 und 4 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Leitsätze/Entscheidungen:

„... I. Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer vor allem dagegen, dass die Gerichte ihm kein paritätisches Umgangsrecht (‚Wechsel-modell') eingeräumt haben und beanstandet die zugrunde liegende Gesetzeslage.

1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines im September 2011 nichtehelich geborenen Kindes. Kurz nach der Geburt des Kindes trennten sich die Eltern. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter, die die elterliche Sorge allein ausübt. Anträge des Beschwerdeführers auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und der gemeinsamen elterlichen Sorge blieben erfolglos.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2013 regelte das Amtsgericht Potsdam den Umgang des Beschwerdeführers mit dem Kind in Abänderung eines zuvor geschlossenen Vergleichs dergestalt, dass dieser in den geraden Kalenderwochen von Freitag 15:00 Uhr bis Montag 8:30 Uhr Umgang mit seinem Sohn haben soll. Außerdem regelte es die Urlaubsumgänge. Da das Verhältnis zwischen den Eltern hoch strittig sei, seien die Umgangswechsel so zu gestalten, dass Begegnungen zwischen den Eltern möglichst vermieden und Übergabesituationen auf ein Minimum reduziert würden.

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers änderte das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. November 2013 den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend ab, dass der Beschwerdeführer zusätzlich zu den Umgängen in den geraden Kalenderwochen Umgänge mit dem Kind auch in den ungeraden Kalenderwochen jeweils von Donnerstag 15:00 Uhr bis Freitag 8:30 Uhr haben soll, und traf eine präzisere Ferien- und Feiertagsregelung.

Es sei nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht von der Anordnung eines Wechselmodells abgesehen habe. Das grundrechtlich geschützte Recht des nicht-sorgeberechtigten Elternteils auf Umgang mit dem Kind finde eine Beschränkung auch im Elterngrundrecht des anderen, sorgeberechtigten Elternteils. Der Ausgestaltung des Umgangsrechts liege das Leitbild des Residenzmodells zugrunde. Diesem Leitbild entsprächen auch die an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anknüpfenden Regelungen über die unterschiedlichen Entscheidungskompetenzen des betreuenden und des umgangsberechtigten Elternteils in unter anderem §§ 1687 ff. BGB. Das Umgangsrecht kollidiere mit der elterlichen Befugnis, den Aufenthalt zu bestimmen und finde daher seine Grenze, wo seine Ausübung zur Veränderung des Lebensmittelpunktes abweichend von der Bestimmung des Sorgeberechtigten führen würde. Das Recht zur Entscheidung, wo sich das Kind gewöhnlich aufhalte, sei kein Ausfluss des Umgangsrechts, sondern ein Teil des Sorgerechts. Der nichtsorgeberechtigte Beschwerdeführer könne daher die vom sorgeberechtigten Elternteil getroffene Aufenthaltsbestimmung nicht abändern. Auch wenn die Eltern sich im Rahmen der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts auf ein Wechselmodell geeinigt hätten, stelle sich dies nicht als Umgangsregelung, sondern als Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts dar, an die jeder Elternteil gebunden sei. Es bestehe aber keine gerichtliche Befugnis, dieses Recht anstelle des sorgeberechtigten Elternteils auszuüben.

Darüber hinaus entspreche eine paritätische Betreuung des Kindes durch beide Eltern nach dem persönlichen Eindruck, den der Senat von ihnen im Rahmen der Anhörung habe gewinnen können, und nach den Berichten des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie dem Inhalt der beigezogenen Akten der Sorgerechtsverfahren nicht dem Kindeswohl. Zwischen den Eltern bestünden ganz erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten, die auf anhaltenden Spannungen und dem Unvermögen beruhten, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, um eine die Kindesinteressen betreffende Kommunikation herzustellen. So halte der Beschwerdeführer die Mutter für geisteskrank und gefährlich für das Kind. Diese anhaltenden Vorwürfe empfinde die Mutter als Kränkung. Sie werfe dem Beschwerdeführer ihrerseits obsessive Klagewut und Kindeswohlgefährdung vor. Sämtliche an die Eltern gerichteten Appelle des Jugendamts, der Verfahrensbeistände und der Gerichte, zu einer sachlichen Kommunikationsebene zu kommen, seien bislang gescheitert. Auch dem Senat sei es im Anhörungstermin nicht gelungen, die Eltern zur Wahrnehmung professioneller Elterngespräche zu veranlassen. Die zwischen den Eltern abgegebene Erklärung zur strukturellen Gestaltung des künftigen Umgangs hätten die Eltern unmittelbar danach widerrufen. In einem solchen Klima wechselseitigen Misstrauens und wechselseitiger Ablehnung würde ein Wechselmodell dem Kind eher schaden. Gerade bei einem so jungen Kind würde eine paritätische Betreuung eine weitaus höhere Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern erfordern. Mangels gemeinsamer Kooperations- und Kommunikationsebene zwischen den Eltern würde das ohnehin schon hohe Konfliktpotenzial der Eltern bei Praktizierung des Wechselmodells gesteigert und auf dem Rücken des Kindes ausgetragen.

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG allein und in Verbindung mit Art. 2, 3 und 18 des völkerrechtlichen Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child) vom 20. November 1989 (Zustimmungsgesetz, BGBl 1992 II S. 121 - im Folgenden: UN-Kinderrechtskonvention). Die aktuelle Gesetzeslage, die nach überwiegender Auffassung der Rechtsprechung die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells weder als Regelung des Umgangs noch des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasse, sei verfassungswidrig. Da das Elternrecht beiden Elternteilen gleichermaßen zustehe, bedürfe es einer gesetzlichen Regelung, die es den Gerichten ermögliche, ein Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils anzuordnen und damit rechtlich abzusichern, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspreche, hilfsweise ihm entspreche. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, wonach die paritätische Betreuung dem Kindeswohl nicht entspreche, verstoße außerdem gegen Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG, da sie auf pauschalen, nicht tragfähigen Behauptungen beruhe und die Gerichte sich nicht mit seinem Vortrag auseinandergesetzt hätten, wonach selbst in hochstrittigen Elternkonflikten das Wechselmodell dem Kindeswohl besser entspreche als das Residenzmodell.

II. Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet.

1. Gegen die Vorschriften über die Zuordnung von Sorge- und Umgangsrechten getrennter Eltern, die auch für die gerichtliche Regelung einer paritätischen Betreuung in Betracht kommen, ist, jedenfalls soweit dies für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich ist, verfassungsrechtlich nichts einzuwenden.

a) Soweit der Beschwerdeführer einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 GG rügt, ist die Verfassungsbeschwerde unbegründet. Die geltende Gesetzeslage verstößt, jedenfalls soweit entscheidungserheblich, nicht gegen Art. 6 Abs. 2 GG.

aa) Das Elternrecht, welches Art. 6 Abs. 2 GG Müttern wie Vätern gewährleistet, bedarf der gesetzlichen Ausgestaltung. Weil das Elternrecht beiden Elternteilen zusteht, sind Regeln zu schaffen, die ihnen für den Fall, dass sie sich über die Ausübung ihrer Elternverantwortung nicht einigen können, jeweils Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind zuordnen. Dabei hat der Staat sicherzustellen, dass sich die Wahrnehmung des Elternrechts am Kindeswohl ausrichtet und bei der Ausübung der Elternverantwortung die Rechte des Kindes Beachtung finden (vgl. BVerfGE 127, 132 <146> m.w.N.). Die Einbeziehung aller Eltern in den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 GG bedeutet nicht, dass allen Müttern und Vätern stets die gleichen Rechte im Verhältnis zu ihrem Kind eingeräumt werden müssen (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 107, 150 <169>). Weil die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung nach einer Trennung eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraussetzt und ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen erfordert, obliegt es dem Gesetzgeber, den einzelnen Elternteilen bestimmte Rechte und Pflichten zuzuordnen, wenn die Voraussetzungen für eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung fehlen. Seine Gestaltungsbefugnis ist dabei umso größer, je weniger von einer Übereinstimmung zwischen den Eltern und von einer sozialen Beziehung zwischen dem einzelnen Elternteil und dem Kind ausgegangen werden kann (vgl. BVerfGE 92, 158 <178 f.>; 127, 132 <146 f.>).

bb) (1) Diesen Gestaltungsspielraum überschreitet der Gesetzgeber nicht dadurch, dass er die Anordnung paritätischer Betreuung nicht als Regelfall vorsieht. Aus Art. 6 Abs. 2 GG und der dazu bislang ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt nicht, dass der Gesetzgeber den Gerichten für die Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorgeben und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme ausgestalten müsste.

(2) Ob der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten und die Gesetzeslage damit verfassungswidrig wäre, wenn sie die gegen den Willen eines Elternteils getroffene Anordnung paritätischer Betreuung ausschlösse, bedarf hier ebenso wenig der Entscheidung wie die primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht eine solche Anordnung - sei es im Wege sorgerechtlicher Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung - ausgeschlossen ist (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 14; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17 ff.; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 17 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. März 2007 - 16 UF 13/07 -, juris, Rn. 17 ff.; Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e.V., FamRZ 2014, S. 1157 <1163>; Coester, in: Staudinger, BGB (2009), § 1671, Rn. 23 und 261; Hennemann, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1671, Rn. 91) oder nicht (vgl. etwa KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11 <jedoch nur im Ausnahmefall>; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 -, juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 37 ff.; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 49 ff.; Sünderhauf, Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis, 2013, S. 376 ff.). Denn das Oberlandesgericht hat die Anordnung eines paritätischen Umgangsrechts auch aus verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen des Kindeswohls abgelehnt, welche die Entscheidung eigenständig tragen (unten 2 b).

(3) Mangels Entscheidungserheblichkeit kann umgekehrt auch dahinstehen, ob die in den Ausführungen des Oberlandesgerichts anklingende Annahme zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils komme mit Blick auf das Elterngrundrecht des sorgeberechtigten Elternteils verfassungsrechtlich von vornherein nicht in Betracht.

b) Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Grundsatzes der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) rügt, ist seine Verfassungsbeschwerde teils unbegründet (aa), teils ist sein Vortrag nicht hinreichend substantiiert (bb).

aa) Eine Ungleichbehandlung liegt zwar darin, dass immer dann, wenn eine nicht paritätische Umgangsregelung getroffen ist, ein Elternteil das Kind häufiger betreuen kann als der andere Elternteil. Dies ist jedoch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, weil die Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Sowohl § 1671 BGB als auch § 1684 BGB in Verbindung mit § 1697a BGB orientieren sich vorrangig am Kindeswohl. Wenn - wie hier - das Kindeswohl einer paritätischen Betreuung entgegensteht, stellt dies einen sachlichen Grund für etwaige Ungleichbehandlungen durch Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB oder Umgangsregelungen nach § 1684 BGB dar.

bb) Inwiefern die geschlechtsneutral formulierten Regelungen der §§ 1671 und 1684 BGB unmittelbar oder etwa aufgrund einer regelmäßig spezifisch benachteiligenden Anwendung Männer diskriminieren und damit gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoßen könnten, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Der Beschwerdeführer beschränkt sich insoweit auf die pauschale Feststellung, dass die aktuelle Rechtslage Väter diskriminiere.

c) Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, bei fehlender Einigkeit der Eltern eine paritätische Betreuung als Regelfall der Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennter Eltern vorzusehen, besteht auch nicht aufgrund völkerrechtskonformer Auslegung des Grundgesetzes im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention, weil sich daraus eine solche Verpflichtung nicht ergibt. Das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der in Art. 18 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention geregelte Grundsatz der gemeinsamen Erziehungsverantwortung beider Eltern der Garantie des Elternrechts in Art. 6 Abs. 2 GG entspricht. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Einführung eines paritätischen Betreuungsrechts als Regelmodell kann daraus nicht hergeleitet werden. Dass Art. 18 Abs. 1 der UN-Kinderrechtskonvention hierzu verpflichtet, ist auch deshalb ausgeschlossen, weil Art. 9 der UN-Kinderrechtskonvention eine umgangsrechtliche Spezialregelung für den Fall der Trennung der Eltern enthält. Art. 9 Abs. 3 der UN-Kinderrechtskonvention gewährleistet das Umgangsrecht des Kindes zu dem von ihm getrennt lebenden Elternteil, besagt aber nichts darüber, in welchem Umfang die Vertragsstaaten den Umgang zu bemessen haben. Aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 2 der UN-Kinderrechtskonvention folgt nichts anderes. Wie Art. 3 GG erfordert dieses keine identische Behandlung, sondern lässt es zu, sachlich berechtigte Differenzierungen angemessen zu berücksichtigen (vgl. Schmahl, UN-Kinderrechtskonvention, 2. Aufl. 2013, Art. 2, Rn. 3). Bei Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB beziehungsweise Umgangsregelungen nach § 1684 BGB können Gründe des Kindeswohls einer paritätischen Betreuung entgegenstehen (oben II 1 b aa).

2. Die Auslegung und Anwendung der §§ 1671, 1684 BGB durch die Fachgerichte ist im konkreten Fall im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

a) Bei der Überprüfung fachgerichtlicher Entscheidungen, welche Sorge- und Umgangsstreitigkeiten zwischen den Eltern zum Gegenstand haben, überprüft das Bundesverfassungsgericht die fachgerichtliche Ermittlung und Würdigung des Sachverhalts sowie die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts nur daraufhin, ob die fachgerichtliche Entscheidung eine grundsätzliche Verkennung der Grundrechte oder eine willkürliche Handhabung des einfachen Rechts erkennen lässt (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 31, 194 <210>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, juris, Rn. 7 f. m.w.N.).

Unabhängig davon, ob die in der angegriffenen Entscheidung anklingende Einschätzung des Oberlandesgerichts zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils sei bereits von Verfassungs wegen ausgeschlossen, und ungeachtet der Frage, ob die Regelung der paritätischen Betreuung als Frage der elterlichen Sorge (so etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 15; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 14 ff.) oder als Umgangsregelung (so etwa OLG Naumburg, Beschluss vom 26. September 2013 - 8 UF 146/13 -, juris, Rn. 14 f.; KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 - juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 30, 35; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 50 ff.) einzuordnen ist, könnte über eine paritätische Betreuung des Kindes - die Möglichkeit dieser gesetzlichen Ausgestaltung unterstellt - nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern und des Kindes sachgerecht entschieden werden. Denn sowohl im Rahmen des § 1671 BGB als auch bei der Anwendung des § 1684 BGB müssen die Fachgerichte die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern wie auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigen (vgl. BVerfGE 31, 194 <206 f.>; 55, 171 <179>; 64, 180 <188>) und sich im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen. Ausschlaggebend ist jeweils das Wohl des Kindes (vgl. etwa BVerfGE 55, 171 <179> bezüglich der elterlichen Sorge; BVerfGE 121, 69 <98> sowie BVerfGK 17, 407 <411 f.> bezüglich der Anordnung beziehungsweise Regelung des Umgangs).

b) Dass die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben nicht genügen, ist nicht zu erkennen. Eine paritätische Betreuung entsprach - deren rechtliche Möglichkeit unterstellt - nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall nicht dem Kindeswohl. Das Oberlandesgericht hat dies plausibel damit begründet, dass aufgrund anhaltender Spannungen ganz erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bestünden und es ihnen trotz zahlreicher Versuche der Fachkräfte und Gerichte auch zwei Jahre nach ihrer Trennung nicht gelungen sei, sich auf professionell begleitete Elterngespräche zu verständigen. Es hat sich hierbei auf seine eigenen Wahrnehmungen im Anhörungstermin, auf die Berichte des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie den Inhalt der beigezogenen Sorgerechtsakten gestützt. Die erheblichen Differenzen zwischen den Eltern werden darüber hinaus durch die im Verfahren eingereichten Schriftsätze beider Elternteile belegt. Soweit der Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht vorhält, es habe weder festgestellt, worin das vermeintliche Konfliktpotenzial der Eltern bestehe, noch habe es das zeitweilige ‚nahezu reibungslose' Funktionieren einer im März 2012 getroffenen Umgangsregelung bis zum Umgangsantrag der Mutter im November 2012 berücksichtigt, widerspricht dies den Feststellungen der beigezogenen Beschlüsse des Sorgerechtsverfahrens. Diese benennen diverse, die Ausübung des Umgangs betreffende Streitigkeiten während des vom Beschwerdeführer genannten Zeitraums, die in einem Fall sogar zu einem Polizeieinsatz und in einem anderen Fall dazu führten, dass das Kind aufgrund des gegenseitigen Misstrauens der Eltern wegen derselben Erkrankung unnötig ein zweites Mal in einer Klinik vorgestellt wurde. Dies zeigt eindrücklich, dass die Eltern nicht in der Lage sind, ihr Kind aus ihrem Konflikt herauszuhalten, sondern dass sie dieses aktiv in ihre Streitigkeiten einbeziehen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Oberlandesgericht getroffene Prognose, wonach sich das bereits hohe Konfliktpotenzial der Eltern bei Praktizierung des Wechselmodells weiter steigern würde, nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat dies im Übrigen mit dem noch jungen Alter des Kindes und dem eigentlichen Bestreben des Beschwerdeführers, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu erlangen, begründet. Dass letzteres zu weiterem Konfliktstoff zwischen den Eltern führen würde, liegt auf der Hand. Gleiches gilt im Hinblick auf das Begehren des Beschwerdeführers, das Kind während seiner Betreuungszeit in der Kindertagesstätte jederzeit zu sich nehmen zu dürfen. Denn damit zeigt er, dass er die von der Mutter getroffene Entscheidung, die Erziehungsangebote der Kindertagesstätte in dem von ihr gewünschten zeitlichen Umfang anzunehmen, nicht akzeptiert, was weiteres Konfliktpotenzial in sich birgt.

Da es der prognostischen Einschätzung des Fachgerichts als Tatsachengericht obliegt, ob eine paritätische Betreuung mit Blick auf das Kindeswohl in Betracht kommt oder nicht, und die vorliegend getroffene Prognose des Oberlandesgerichts keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kam es auf die ab-strakte Behauptung des Beschwerdeführers, das Wechselmodell sei nach dem Stand der psychologischen Forschung selbst in hochstrittigen Elternkonflikten gegenüber dem Residenzmodell die dem Kindeswohl förderlichere Betreuungsalternative, nicht an.

3. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers verstößt die im vorliegenden Fall vorgenommene Auslegung der bestehenden gesetzlichen Regelungen durch die Fachgerichte auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Die Versagung der Anordnung eines Wechselmodells ist aus einem sachlichen Grund gerechtfertigt. Denn die paritätische Betreuung des Kindes entspricht aus den vorgenannten Gründen nach den verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht dem Kindeswohl. ..." (BVerfG, Beschluss vom 24.06.2015 - 1 BvR 486/14)

*** (BGH)

Die Schutzimpfung eines Kindes ist auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt. Bei Uneinigkeit der Eltern über die Durchführung einer solchen Impfung kann die Entscheidungsbefugnis dem Elternteil, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut befürwortet, jedenfalls dann übertragen werden, wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Klärung und Abwägung der allgemeinen Infektions- und Impfrisiken ist hierfür nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 03.05.2017 - XII ZB 157/16).

*** (OLG)

Schwerwiegende und nachhaltige Kommunikationsstörungen der Eltern, die nicht nur auf einer grundlosen einseitigen Verweigerungshaltung eines Elternteils beruhen, stehen der Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge in der Regel entgegen. Eine unzureichende Information über Belange des Kindes rechtfertigt nicht die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Vielmehr ist der Informationsanspruch des nicht sorgeberechtigten Elternteils gesondert in § 1686 BGB geregelt (wie OLG Brandenburg, Beschluss vom 23. April 2020 - 13 UF 101/19). Die gemeinsame elterliche Sorge ist kein Instrument zur gegenseitigen Kontrolle der Eltern und zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge eines Elternteils. Ein Verfahrensbeistand ist nicht gehalten, sich im Rahmen seiner Stellungnahme neutral gegenüber den Eltern zu verhalten, sondern gefordert, im Interesse des Kindes Position zu beziehen. Es gehört nicht zu seinen Aufgaben, Ermittlungen anzustellen, um die ihm gegenüber getätigten Angaben der Eltern auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen (OLG Braunschweig, Beschluss vom 25.07. 2022 - 1 UF 115/21).

***

Zum Inhalt der geschuldeten Auskunft gehört nach herrschender Meinung auch die Überlassung einer Fotografie des gemeinsamen Kindes. Ein „berechtigtes Interesse" an einem Foto ist zweifelsfrei gegeben, wenn der Antragsteller schon seit mehreren Jahren keinen persönlichen Umgang mit dem Kind mehr hatte. Er hat dementsprechend erkennbar keine andere Möglichkeit, sich über die Entwicklung seines Kindes zu informieren. Das Wohl des Kindes ist im Rahmen des § 1686 BGB nicht Maßstab, sondern lediglich Grenze des Auskunftsrechts. Nur wenn und soweit konkrete Umstände dafür sprechen, dass durch die Erfüllung des Auskunftsverlangens das Kindeswohl beeinträchtigt wird, darf die Auskunft verweigert werden. Das dem Antragsteller aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG zustehende Elternrecht verdrängt vorliegend das Recht des minderjährigen Kindes am eigenen Bild aus Art. 2 Abs. 1 GG. Auch insoweit ist zu sehen, dass sich der Anspruch aus § 1686 BGB nicht gegen das Kind richtet, sondern gegen den anderen Elternteil. Zum anderen tangiert die Überlassung eines Passfotos erkennbar nicht die Privat- oder Intimsphäre des Kindes (OLG Bamberg, Beschluss vom 13.04.2022 - 7 UF 52/22).

***

Eine zweiwöchige USA-Reise des Vaters mit dem sechsjährigen Sohn zum Besuch der dort lebenden hochbetagten Großeltern väterlicherseits stellt jedenfalls nach dem Wegfall der Einstufung als Risikogebiet durch das Robert-Koch-Institut und dem der Aufhebung der Reisewarnung durch das Auswärtige Amt keine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung dar (OLG Dresden, Beschluss vom 25.06.2021 - 21 UF 350/21).

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Urlaubsreise in Türkei keine Angelegenheit des täglichen Lebens nach § 1687 Abs. 1 BGB: „ ... Gemäß § 49 Abs. 1 FamFG kann das Familiengericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Maßnahme treffen, soweit dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften gerechtfertigt ist (Anordnungsanspruch) und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht (Anordnungsgrund). Beide Voraussetzungen sind hier zu bejahen.

Zunächst hat das Familiengericht den Antrag der Kindesmutter auf Verpflichtung des Kindesvaters (Antragsgegners) zur Erteilung seiner Zustimmung zu ihrer Ende Juni 2018 anstehenden Urlaubsreise mit den gemeinsamen Kindern in die Türkei zutreffend als Antrag auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis über die Durchführung der Reise nach § 1628 BGB ausgelegt, §§ 133, 157 BGB. Denn die Eltern üben die elterliche Sorge für A und B gemeinsam aus und sind daher berechtigt und verpflichtet, die ihre Kinder betreffenden Entscheidungen in eigener Verantwortung und gegenseitigem Einvernehmen, also gemeinsam zu treffen. Können sie sich trotz entsprechender Bemühungen nicht einigen, hat die nur von einem Elternteil befürwortete Maßnahme grundsätzlich zu unterbleiben. Gemäß § 1628 BGB kann das Familiengericht in derartigen Situationen die Entscheidungsbefugnis aber dann auf einen Elternteil allein übertragen, wenn es sich um eine Angelegenheit handelt, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist und seinem Wohl am besten entspricht. Dem entspricht auch die Begründung des Sachantrags der Kindesmutter, in der diese ausdrücklich "eine Regelung hinsichtlich des bevorstehenden Urlaubs" begehrt.

Der Senat teilt ferner die Auffassung des Familiengerichts, dass eine Urlaubsreise in die Türkei in der derzeitigen Lage keine Angelegenheit des täglichen Lebens ist, über die trotz des bestehenden Mitsorgerechts die Kindesmutter als Obhut ausübender Elternteil gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB alleine entscheiden kann, sondern dass es der Zustimmung des mitsorgeberechtigten Kindesvaters bedarf. Die Durchführung einer Reise, die besondere Gefahren mit sich bringen kann, die mit dem Reiseziel zusammenhängen und die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, ist nicht von der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB gedeckt (OLG Frankfurt FamRZ 2016, 1595-1596).

Von derartigen Risiken ist für die beabsichtigte Reise (noch) auszugehen. Die Türkei war in den letzten Jahren mehrfach Ziel terroristischer Anschläge, befindet sich in ihren östlichen Grenzregionen faktisch im Kriegszustand mit jenseits der Grenzen lebenden Bevölkerungsgruppen und befindet sich jedenfalls zurzeit im Ausnahmezustand, der eine Einschränkung des Rechtsschutzes im Falle von behördlicher Verfolgung zeitigt (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/tuerkeisicherheit/ 201962#content_2). Diese Gefahrenlage schließt zwar Urlaubsreisen in das von der Kindesmutter gewählte Ziel - Stadt1 - nicht aus, weshalb sich Eltern weiterhin dafür entscheiden können, mit ihren Kindern dort ihren Urlaub zu verbringen. Da die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausüben, setzt dies aber voraus, dass die Entscheidung von beiden getragen wird.

Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht ohne Rücksicht auf die Antragstellung die Entscheidung zu treffen, die dem Kindeswohl am besten entspricht (Palandt-Götz, BGB, 77. A., § 1628, Rz. 8). Nach diesen Maßstäben war die Entscheidungsbefugnis über die bevorstehende Urlaubsreise auf die Kindesmutter zu übertragen.

Der Senat teilt die Bedenken des Kindesvaters hinsichtlich der Durchführung der Reise nicht. Soweit er seine Zweifel zunächst primär auf eine vermeintlich fehlende Erziehungseignung der Kindesmutter - verursacht durch eine psychische Erkrankung - und seine vermeintlich bessere eigene Erziehungseignung gestützt hat, erschöpfen sich seine Ausführungen zu diesem Thema überwiegend in einer Schilderung des Trennungskonflikts mit seiner Frau. Nicht erkennbar ist, dass die Kinder über das in diesem Kontext übliche Maß hinaus von dem Streit ihrer Eltern betroffen sind und das Kindeswohl dadurch beeinträchtigt wird. Die vom Kindesvater diagnostizierte paranoide Persönlichkeitsstörung der Mutter macht er daran fest, dass diese ohne vorherige Rücksprache mit ihm einen Steuerklassenwechsel initiiert habe und aus der Ehewohnung ausgezogen sei. Auch hier vermag der Senat kein über das im Zusammenhang mit Trennungssituationen Übliche hinausgehendes Fehlverhalten der Kindesmutter zu erkennen, das einen Rückschluss auf eine Erkrankung zulassen würde.

Im Hinblick auf die bei einer Urlaubsreise in die Türkei konkret drohenden Gefahren hatte sich der Kindesvater zunächst auf Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts vom 06.06.2018 bezogen, in denen von erhöhten politischen Spannungen und Protesten im Zusammenhang mit der anstehenden (inzwischen durchgeführten) Präsidentenwahl die Rede ist. Diese Hinweise gelten (Stand 27.06.2018) unverändert fort (vgl. https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/tuerkei-node/tuerkeisicherheit/201962#content_2). Wörtlich heißt es darin u. a.:

"Reisenden wird empfohlen, sich von politischen Veranstaltungen und grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten.
...
Unter Geltung des seit Juli 2016 bestehenden Notstands wurden vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert.
...
Betroffen von derartigen Maßnahmen sind insbesondere, aber nicht ausschließlich deutsche Staatsangehörige mit engen privaten und persönlichen Bindungen in die Türkei sowie Personen, die neben der deutschen auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzen.
...
Zudem wurde deutschen Staatsangehörigen seit Anfang 2017 in zahlreichen Fällen ohne Mitteilung der Gründe die Einreise verweigert. Betroffene Personen mussten nach einer Wartezeit in Gewahrsam von mehreren Stunden bis zu einigen Tagen ihre Rückreise nach Deutschland antreten. Dabei wurden ihnen auch ihre Mobiltelefone abgenommen und auf gespeicherte Inhalte sowie Kontakte durchsucht.
...
In der Türkei ist es insbesondere seit Mitte 2015 wiederholt zu terroristischen Anschlägen gekommen.
...
Diese können sich auch gezielt gegen Ausländer richten.'

Für das am Mittelmeer gelegene Reiseziel Stadt1 gilt jedoch folgendes:

‚Aus den touristischen Reisezielen entlang der Mittelmeerküste wurden bislang keine sicherheitsrelevanten Ereignisse gemeldet, bei denen ausländische Touristen zu Schaden gekommen sind.'

Vor diesem Hintergrund erscheint die in eigener Verantwortung getroffene Entscheidung der Kindesmutter vertretbar, auch unter Berücksichtigung der aktuellen politischen Situation ihren Urlaub mit den Kindern dort zu verbringen. Für das Ausbrechen der vom Kindesvater befürchteten politischen Unruhen nach der Wahl bestehen keine objektiven Anhaltspunkte. Insbesondere ist die von ihm zu Vergleichszwecken herangezogene Entwicklung in Kenia und in Nicaragua nach dort durchgeführten Wahlen nicht mit der in der Türkei vergleichbar.

Soweit der Kindesvater darüber hinaus in der außergerichtlichen Korrespondenz gegenüber dem Bevollmächtigten der Mutter Bedenken geäußert hatte, A sei wegen der von ihm krankheitsbedingt eingenommenen Immunsuppressiva angesichts der defizitären hygienischen Zustände im Urlaubsgebiet besonderen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt, erschließt sich dem Senat nicht, warum die Kindesmutter nicht in der Lage sein sollte, entsprechende Vorkehrungen zum Schutz ihres Kindes zu treffen, insbesondere selbst für die erforderliche Hygiene im unmittelbaren Umfeld As zu sorgen. Nach Angaben der Kindesmutter gegenüber dem Verfahrensbeistand hat der von ihr wegen dieses Problems konsultierte Arzt erklärt, es bestehe kein erhöhtes Risiko. A selbst hat erklärt, sein Arzt habe ihm gegenüber die Chance, dass etwas passiere, mit 1: 1000 beziffert. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Kinder mit fast ... bzw. ... Jahren nicht in der Lage sein könnten, die mit der geplanten Flugreise nach Stadt1 verbundenen körperlichen Anstrengungen zu verkraften. Zudem dürfte die gemeinsame Zeit mit Mutter und Großmutter nicht nur der Erholung, sondern auch der Festigung des familiären Zusammenhalts und damit dem Kindeswohl dienlich sein.

Schließlich haben sich neben den vom Familiengericht persönlich angehörten Kindern auch der Verfahrensbeistand und die fallzuständige Mitarbeiterin des Jugendamts für die Durchführung der Urlaubsreise ausgesprochen.

Soweit das Familiengericht den Antrag der Kindesmutter auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Teil-Beschluss beschieden hat, war mit der Beschwerdeentscheidung klarzustellen, dass es sich um eine Endentscheidung handelt, da eine Bescheidung des Widerantrags des Kindesvaters im Hinblick auf sein Ablehnungsgesuch erst nach Beendigung des geplanten Urlaubs möglich ist, ein Regelungsbedürfnis für den Antrag der Mutter aber nur bis zum Zeitpunkt des Urlaubs besteht. Entsprechend war der familiengerichtliche Beschluss um die fehlende Kostenentscheidung zu ergänzen. Das Familiengericht hat noch in gesondertem Verfahren über den Antrag des Kindesvaters zu entscheiden. ..." (OLG Frankfurt, Beschluss vom 27.06.2018 - 4 UF 110/18)

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Bei der Veröffentlichung von Fotos eines Kindes getrenntlebender gemeinsam sorgeberechtigter Eltern auf einer kommerziellen Zwecken dienenden Internetseite handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.v. § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB (OLG Oldenburg, Beschluss vom 24.05.2018 - 13 W 10/18).

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Auskunftsanspruch der beteiligten Eltern untereinander bei gemeinsamer elterliche Sorge gemäß § 242 BGB bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung. Vorliegend hatte ein Elternteil bei gemeinsamer elterlicher Sorge unberechtigt alleine über das Barvermögen des gemeinsamen Sohnes durch Einrichtung eines neuen Sparkontos verfügt. In diesem Fall steht dem anderen Elternteil ein Auskunftsanspruch über den Verbleib des Geldes aufgrund der gemeinsamen Vermögenssorge als Teil der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 242 BGB zu (OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.01.2018 - 4 WF 11/18).

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Bei gemeinsamer elterlicher Sorge unterfällt die Entscheidung, mit dem Kind eine Urlaubsreise in die Türkei durchzuführen, unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen nicht der Alleinentscheidungsbefugnis des § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB. Hält der andere Elternteil eine Urlaubsreise des Kindes in die Türkei für zu gefährlich, kann dies unter den gegenwärtigen dortigen Verhältnissen einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB auf den die Reise beabsichtigenden Elternteil entgegenstehen (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.07.2016 - 5 UF 206/16).

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„... Soweit es schließlich um die Privatschulkosten für den Sohn B… geht, kann der Antragsgegner mit seinen dagegen gerichteten Einwänden ebenfalls nicht gehört werden.

Der Verweis des Antragsgegners auf eine vermeintliche Obliegenheit der Antragstellerin zum Wechsel ihrer Arbeitsstelle, damit sie finanziell in der Lage sei, sich an den Schulkosten angemessen zu beteiligen, trägt schon deshalb nicht, weil die Antragstellerin gegenüber B… keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft. Sie leistet den Betreuungsunterhalt und genügt damit ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber B… (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Dementsprechend ist die Mutter im Verhältnis zum minderjährigen Sohn B… nicht zu einem Wechsel ihrer Arbeitsstelle verpflichtet. Daran ändert auch die grundsätzliche Mithaftung der Antragstellerin im Rahmen eines unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs für die Privatschulkosten nichts.

Zwar gehört bei gemeinsamem Sorgerecht die Frage, welche - gegebenenfalls mit Kosten verbundene - Schule das Kind nach der Grundschulzeit besucht, zu den Angelegenheiten, die für das Kind von erheblicher Bedeutung sind. Sie muss daher grundsätzlich von beiden Eltern im gegenseitigen Einvernehmen entschieden werden (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB). Können sich die Eltern in dieser für das Kind wichtigen Frage der Fortsetzung seines Schulbesuchs nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag die Entscheidung einem Elternteil übertragen (§ 1628 BGB). Der mit der Entscheidung über den Besuch der weiterführenden Schule betraute Elternteil ist dann berechtigt, die Ziele und Wege der Ausbildung unter Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Kindes allein verantwortlich festzulegen. Der andere (barunterhaltspflichtige) Elternteil muss diese Entscheidung hinnehmen, auch wenn sie sich kostensteigernd für ihn auswirkt und sie ihm nicht sinnvoll erscheint. Vermeintliche Fehlentscheidungen lassen sich nur im Rahmen von § 1666 BGB angreifen (vgl. hierzu Wendl/Klinkhammer, a.a.O., § 2, Rn. 456).

Vorliegend kann nicht zweifelhaft sein, dass im Falle fortdauernder Meinungsverschiedenheiten zwischen den Beteiligten und einer entsprechenden Antragstellung eine Entscheidungsübertragung nach § 1628 BGB auf die Antragstellerin erfolgt wäre, in deren Haushalt B… lebt. Ihr wäre die Wahl der weiterführenden Schule für den Sohn übertragen worden, weil dies seinem Wohl besser entspricht als eine Entscheidungsübertragung auf den nicht betreuenden Antragsgegner. Die Kosten für den Besuch der Privatschule sind auch nicht erheblich. Schließlich sind die entstehenden laufenden Mehrkosten von monatlich 61,50 €, zu denen das Amtsgericht den Antragsgegner verpflichtet hat, für den Antragsgegner auch wirtschaftlich zumutbar, zumal auch die ursprüngliche Entscheidung für den Besuch der kostenpflichtigen Grundschule von beiden sorgeberechtigten Eltern getroffen worden ist. Wenn die Antragstellerin dem Sohn B… auch nach der 6. Klasse (ab 1. August 2014) weiterhin sein vertrautes Schulumfeld erhalten wollte bzw. zukünftig will, so stellt dies einen sachlichen Grund dar. Dieser rechtfertigt eine Wahl der mit Schulkosten verbundenen Gesamtschule in K… und lässt diese für den Antragsgegner nach den Gesamtumständen auch nicht als unzumutbar erscheinen. Dementsprechend schuldet der Antragsgegner auch weiterhin die vom Amtsgericht zuerkannten Schulkosten. Der Anspruch auf Schulgeldzahlung ist folglich nicht bis zum 24. August 2013 zu befristen. ..." (OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.07.2015 - 3 UF 155/14).

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„... Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 12. Oktober 2007 in Braunschweig geborenen L… A… B… . Der Vater hat die Vaterschaft anerkannt. Die Mutter verweigert die Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung.

Zum Zeitpunkt der Geburt L… arbeiteten beide Parteien in den Niederlanden, …, S… . Sie lebten in getrennten, aber in unmittelbar benachbarten Häusern belegenen Wohnungen. L… wurde von einer Tagesmutter, aber auch von beiden Eltern -an jeweils einem Tag der Woche von je einem Elternteil allein - betreut, er war es gewohnt, auch ohne den anderen Elternteil zu übernachten. Die Kosten für die Versorgung und Betreuung des Kindes haben die Eltern damals hälftig abgerechnet. Eine Heirat der Eltern scheiterte daran, dass die Mutter nicht bereit war, einen Ehevertrag mit der vorgesehenen Gütertrennung zu unterzeichnen. Der Vater hielt die Vereinbarung einer Gütertrennung wegen des Vermögens seiner Eltern für unabdingbar.

Im März 2009, nach Beendigung ihres befristeten Arbeitsvertrags, zog die Mutter mit L… nach B. Der Vater hatte diesem Umzug zugestimmt, nachdem die Mutter ihm zugesagt hatte, dass er L… sehen und auch betreuen könne, sooft es ihm möglich sei, nach B… zu kommen. Die Eltern gingen damals davon aus, den Kindesunterhalt einvernehmlich regeln zu können.

Wann die Paarbeziehung der Eltern endete ist streitig, nach der Behauptung des Vaters erst im März 2009, nach dem Vorbringen der Mutter bereits vor der Geburt L… im 7. Schwangerschaftsmonat auf Veranlassung des Vaters.

Nach dem Umzug der Mutter kam es zu Streitigkeiten hinsichtlich des Kindesunterhalts und des Umgangsrechts. Das Umgangsrechtsverfahren Amtsgericht… -… - endete nach sehr langer Erörterung mit dem Vergleich der Eltern vom 11. März 2010.

Der Vater möchte an der elterlichen Sorge für L… teilhaben, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L… allein ausüben.

Das Familiengericht hat die Anträge des Vaters mit Beschluss vom 16. April 2010 zurückgewiesen.

Gegen diesen am 29. April 2010 zugestellten Beschluss wendet sich der Vater mit seiner am 25. Mai 2010 bei dem Familiengericht eingegangenen Beschwerde, die er mit Schriftsatz vom 29. Juni 2010, eingegangen an demselben Tag, begründet hat.

Der Vater trägt vor: Die gemeinsame elterliche Sorge entspreche dem Kindeswohl. Auf Grund seiner Persönlichkeit, Bildung und seinem persönlichen Engagement sei er in besonderem Maße in der Lage, die Entwicklung L… mitzugestalten und zu fördern. Unter seinem Einfluss habe sich L… hervorragend entwickelt, das Kind zeige überdurchschnittliche Begabungen. Zu einer weiteren bestmöglichen Förderung gehöre, dass er hinsichtlich wichtiger Belange ein Mitbestimmungsrecht erhalte und künftig die Entwicklung über die Umgangskontakte hinaus als gleichberechtigter Elternteil mitprägen könne. L----- solle ihn nicht als den schwächeren Elternteil erleben. Auch L… habe ein Recht darauf, dass der Vater an prägenden Weichenstellungen in seinem Leben mitwirke.

So dürfe er sich nicht einmal von dem behandelnden Arzt über den Gesundheitszustand des Kindes informieren lassen. Die von der Mutter angebotenen Vollmachtserteilungen (Kita/Schule, Ärzte) seien wegen ihrer jederzeitigen Widerrufbarkeit keine Alternative. Er sei bemüht, den Ruf einer B… bzw. B… nahen Universität zu erlangen, falls das nicht alsbald möglich sein sollte, würde er auch ein „Sabbatjahr" nehmen.

Er habe Sorge, dass- wenn die Mutter alleinentscheidungsbefugt bliebe- sie den Wohnsitz erneut wechseln und damit seine Bemühungen, L… im Alltag nahe zu sein, unterlaufen könnte oder dass in Zukunft ein neuer Partner der Mutter die Vaterrolle würde einnehmen wollen (50).

Die Mutter habe auch in der Vergangenheit nicht im Interesse L… gehandelt. Sie habe den Wohnort aus den Niederlanden verlegt, dem Kind damit die Tagesmutter und das sonstige Umfeld entzogen und dann in B zweimal die Kindertagesstätte gewechselt. Der Umzug nach B… sei erfolgt, um eine möglichst große Distanz zwischen Vater und Sohn zu schaffen (198). Die Eltern der Mutter lebten nicht in B…, sondern in S… . Eine Mediation habe sie ebenfalls verweigert. Sie übe das Sorgerecht nicht gewissenhaft aus, wenn sie die Umgangszeiten gegen den Willen des erziehungswilligen Vaters schmälere.

Seit der Umgangsvereinbarung vom 11. März 2010 gestalte sich die Kommunikation der Eltern positiv, sie hätten übereinstimmende Erziehungsansätze -Probleme gebe es nur auf der Paarebene- und der Austausch erfolge sachlich. Beleidigungen fänden nicht statt. Die von der Mutter im Termin vom 11. Oktober 2010 vorgelegten e-mails vom 5. August 2010 seien untypisch und einer besonderen Problemlage geschuldet, wie sich aus den vorgelegten e-mails aus dem Zeitraum 12. März bis zum 15. Oktober 2010 ergebe. Die vorangegangenen Konflikte seien von der Mutter ausgelöst worden, die den Umgang eigenmächtig auf ein Minimum reduziert und das Unterhaltsverfahren angestrengt habe, obwohl sich seine Anwälte um eine außergerichtliche Klärung bemüht hätten.

Der Vater erkenne die Leistungen der Mutter in jeder Hinsicht an und er respektiere sie. Auf Wunsch des kranken Kindes habe er am 10. Oktober 2010 auch zugestimmt, dass L… mit seiner Mutter mitgehe, statt bis zum Ende der vereinbarten väterlichen Betreuungszeit bei ihm zu bleiben. Die Diskussion um einen Ersatztermin habe nicht mehr als eine Minute in Anspruch genommen. Damit habe der Vater Konsensfähigkeit bewiesen. Auch habe er auf ein Angebot der Mutter vom 13. Oktober 2010 flexibel reagiert (e-mail v. 13.10.10)

Die fortdauernde Weigerung der Mutter beruhe lediglich auf ihrer Angst, den - durchaus diskussionsfreudigen - Vater künftig in Entscheidungen einbinden zu müssen. Sie wolle mit dem Vater nichts mehr zu tun haben.

Hilfsweise wolle er das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht ausüben. Allerdings solle L… seinen Lebensmittelpunkt weiter bei der Mutter haben. Mit diesem Antrag möchte er nur sicherstellen, dass die Mutter den Aufenthaltsort des Kindes nicht erneut eigenmächtig und gegen die Belange des Kindes verändern kann und - als ein Instrument der Machtausübung gegen den Vater (80, 127) - ihm dadurch im Ergebnis nur noch den Mindestumgang ermöglichen würde. Schließlich habe er in B… bei B eine Wohnung gemietet, so dass er L… in den vereinbarten Umgangszeiten, also dort neun Tage im Monat, allein betreuen könne. Bei dieser langen Betreuungszeit müsse er auch mit einem Mindestmaß eigener Befugnisse ausgestattet sein. In diesen neun Tagen vermisse L… seine Mutter nicht, er habe im Gegenteil Schwierigkeiten, sich am Ende der Umgangszeit vom Vater zu trennen.

Er sei weder beharrend noch rechthaberisch und wolle sich auch nicht seiner Unterhaltsverpflichtung entziehen, aber er habe sehr hohe Umgangskosten von 800 EUR monatlich.

Der Vater beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vom 16. April 2010 abzuändern und ihm die elterliche Sorge für den am 12. Oktober 2007 geborenen L… A… B… zum Zwecke der gemeinsamen Ausübung mit der Mutter zu übertragen, hilfsweise die Zustimmung der Mutter zur Übertragung des Sorgerechts zwecks Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gerichtlich zu ersetzen, und weiter hilfsweise, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den am 12. Oktober 2007 geborenen L… A… B… allein zu übertragen.

Vorsorglich beantragt er die Zulassung der Rechtsbeschwerde (SS 8.11.10)

Die Mutter bittet um Zurückweisung der Beschwerde Sie trägt vor: Die gemeinsame elterliche Sorge entspreche nicht dem Kindeswohl. Die Lebenskonzepte der Eltern drifteten weit auseinander, es gebe in keiner einzigen Erziehungsposition Übereinstimmung. Der Vater stelle alles in Frage und zur Diskussion, was die Mutter für L… entscheide. Jede ihrer Entscheidung würde kritisiert und Rechtfertigung verlangt (Kitawechsel, Verordnungen des Kinderarztes, Wahl der Kita, Fähigkeiten der Kita, L… angemessen zu fördern). Der Vater unternehme regelmäßig lange und zermürbende Einwirkungsversuche, mit denen er sie zu seiner Ansicht umstimmen wolle. Sein Verhalten sei bereits jetzt - ohne, dass ihm ein entsprechendes „Recht hierzu" zustehe - übergriffig und sie fürchte erhebliche Weiterungen, wenn ihm ein Mitsorgerecht zugebilligt würde. Dabei sei der Vater entscheidungsschwach. Er habe sich bis zum Termin am 11. Oktober 2010 nicht entscheiden können, wann und wo er -gemäß Ziffer 4 des Vergleichs im Umgangsverfahren vom 11. März 2010 - mit L… im Jahr 2010 den ihm zustehenden 2-wöchigen Urlaub verbringen wollte.

Es sei schwierig, mit dem Vater ein Gespräch zu führen, weil er regelmäßig so lange weiterspreche, bis er sein Ziel erreicht habe. 80 % der Gesprächszeit entfielen auf ihn. Deshalb gehe sie Gesprächen mit ihm aus dem Weg. Er sei nicht bereit, die Positionen anderer zu berücksichtigen, nicht einmal die seiner Eltern. Alle Menschen, die nicht auf seinem Niveau denken, halte er für asozial. Er vermöge auch nicht, sein egoistisches persönliches Recht vom Kindeswohl zu trennen und im Interesse des Kindes zu handeln. Die erstinstanzliche Familienrichterin, die das stundenlang dauernde Umgangsverfahren geführt habe, könne das Konfliktpotential zwischen den Eltern ermessen. Der Vater sei zu keinem Kompromiss bereit. Er sei insgesamt wenig emphatisch und stelle den Intellekt des Kindes - er wähne L… erklärtermaßen auf der Entwicklungsstufe eines 5-jährigen - absolut in den Vordergrund. Er überfordere L…, indem er maßlos viele und altersunangemessene Aktivitäten anbiete, die das Kind erschöpften.

Ferner habe der Vater die Absicht gehabt, mit L… in die USA und nach Madagaskar reisen, bzw. ihn im Sommer 2010 auf eine Dienstreise nach Paris mitzunehmen. Diese Reisen seien nicht kindgerecht. L…, ein eher ängstliches Kind, sei dafür viel zu klein. Ein gemeinsames Sorgerecht hätte nur zur Folge, dass sie als engste und vertrauteste Bezugsperson in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt und drangsaliert würde. Dies entspreche nicht dem Kindeswohl, sondern nur dem Machtanspruch des Vaters. Dass es dem Vater überhaupt nicht um das Kindeswohl gehe, folge auch daraus, dass er - obwohl gut verdienend und vermögend - freiwillig lediglich 225 EUR Mindestunterhalt monatlich zahle.

Der Umzug nach B nach dem Auslaufen ihrer befristeten Stelle sei mit dem Vater abgesprochen gewesen, er habe zugestimmt und dem Vorstellungsgespräch der Mutter für ihre neue Stelle in B im M…D…-Centrum sogar beigewohnt. Der Umzug sei nicht erfolgt, um das Umgangsrecht des Vaters zu beeinträchtigen. In B lebe ihre Herkunftsfamilie, auf deren Hilfe sie bei der Kinderbetreuung bei unvorhergesehenen Vorfällen zurückgreifen könne.

Sein Beitrag in dem Magazin B… 13/2008, in dem er eigenmächtig auch ein Foto L… habe veröffentlichen lassen, und seine Äußerungen in der Abendschau im R… vom 3. August 2010 verdeutlichten, dass er das - nicht seiner Disposition unterstehende - Persönlichkeitsrecht L… zugunsten seiner eigenen Meinungsäußerungsfreiheit missachte. Schon als Baby habe er L… im Rahmen seiner „Vater-Betreuungstage" zu Streitgesprächen mit Kollegen mitgenommen. Dies entspreche nicht dem Wohl des Kindes.

Für den Fall der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zur gemeinsamen Ausübung befürchte sie, dass der Vater seine Umgangszeiten nicht in B ausüben, sondern L… zu seinen anderen Wohnsitzen (D… H…, R…, M… /H… ) mitnehmen würde, so dass ein regelmäßiger Kita-Besuch und fristgerechte Rückgaben nicht gewährleistet wären.

Sie sei willens und bereit, sich vor der Entscheidung von Fragen, die Einfluss auf die Zukunft L… haben (etwa Schulwahl, Operationen) mit dem Vater auseinanderzusetzen und dessen Ansichten und Vorschläge in die Entscheidung mit einzubeziehen. Sie sei ferner bereit, ihm Vollmachten zu erteilen, um ihm ein eigenes Informationsrecht in der Kita/Schule oder Gesundheitsfragen betreffend einzuräumen.

Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 5. Oktober 2010 eine gemeinsame elterliche Sorge wegen der Kommunikationsschwierigkeiten nicht empfohlen.

Der Senat hat im Termin vom 11.Oktober 2010 die Eltern persönlich angehört. Der Versuch, den knapp 3-jährigen L…, ein zartes, leises Kind, anzuhören, scheiterte am Alter des Kindes, das das Anhörungszimmer zwar auf Weisung betreten hat, darin jedoch an der Tür stehen blieb, weinte und jede Kommunikation mit dem Senat verweigert hat. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die gemäß §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 420/09- verletzt es das Elternrecht des Vaters (Art. 6 Abs. 2 GG) eines nichtehelichen Kindes, dass er ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und nicht gerichtlich überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohl angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm an Stelle der Mutter die Alleinsorge für das Kind zu übertragen. Bis zur gesetzlichen Neuregelung der verfassungswidrigen Vorschriften ist auf Grund der vorläufigen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts (aaO, zu § 1626 a Abs. 1 Nr 1 BGB: Tz 75) auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder ein Teil der elterlichen Sorge auf die Eltern gemeinsam zu übertragen, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht.

Soweit eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt (BVerfG aaO, Tz 76 zu §1672 Abs. 1 BGB) überträgt das Familiengericht dem Vater auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder Teile der elterlichen Sorge allein, wenn zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht.

Der vorgegebene Prüfungsmaßstab zur gemeinsamen elterlichen Sorge („dem Wohl des Kindes entspricht") soll sicherstellen, dass die Belange des Kindes maßgeblich Berücksichtigung finden, jedoch die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen Sorge nicht zu hoch angesetzt werden.

Der Vater und L… haben seit der Geburt des Kindes eine vertrauensvolle Beziehung. Am Willen (und der Fähigkeit) des Vaters, das Kind zu behüten und zu beschützen und es bestmöglich zu fördern, bestehen keine Zweifel. Der Vater zeigt ein erhebliches Interesse an L… . Er nimmt berufliche und zeitliche Einschränkungen sowie erhebliche Wegzeiten in Kauf, um das Umgangsrecht in dem vergleichsweise vereinbarten Umfang auszuüben.

Beide Eltern verhalten sich dem Kind gegenüber loyal, sie würdigen einander nicht herab und lassen es zu, dass L… auch den anderen Elternteil liebt und dass er das zeigen und aussprechen darf.

Es entspricht dem Kindeswohl, seine Eltern in wichtigen Entscheidungen für sein Leben als gleichberechtigt zu erleben. Diese Erfahrung ist auf Grund der Vorbildfunktion der Eltern wichtig und für das Kind und für seine Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit prägend. Auch werden in Diskussionen regelmäßig mehr Argumente erwogen als bei Alleinentscheidungen.

Der Wunsch der Mutter, berechtigt zu bleiben, Entscheidungen für L… auch künftig allein zu treffen, überwiegt das vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 21. Juli 2010 gestärkte Elternrecht des Vaters eines nichtehelich geborenen Kindes grundsätzlich nicht. Der Senat hält nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls dafür, dass die überwiegende gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes L… entspricht.

Von beiden Eltern ist zum Wohl L… eine Konsensbereitschaft zu verlangen. Dies ist in dem hierfür erforderlichen Umfang - dazu unten- der Mutter auch zumutbar.

Die gemeinsame elterliche Sorge darf allerdings nicht missbraucht werden, alltägliche Anordnungen zu hinterfragen oder über das Kind wieder Zugang zum Leben des anderen Elternteils zu suchen. Auch muss eine Lösung in einer dem Problem angemessenen Zeit herbeigeführt werden können. In diesem Punkt besteht vorliegend eine Problematik, weil nämlich der Vater regelmäßig lange braucht, sich zu entscheiden (Urlaub im Jahr 2010 -hierzu konnte der Vater sich auch im Termin vom 11. Oktober 2010 nicht entscheiden), er das Für und Wider zeitraubend abwägt (wie sich auch aus der Dauer des Anhörungstermins vor dem Familiengericht am 11. März 2010 ergibt), weil er beharrend auftritt und weil auch die von ihm angeführten Begründungen nicht immer richtig sind, er aber an seiner Meinung gleichwohl festhält. So ließ er die Eheschließung mit der Mutter erklärtermaßen daran scheitern, dass die Mutter einer Gütertrennung nicht zustimmen wollte, die er wegen des Vermögens seiner Eltern für sinnvoll hielt. Auch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wäre im Falle einer Ehescheidung ein von Todes wegen erworbenes Vermögen gemäß § 1374 Abs. 2 BGB jedoch nicht in einen auszugleichenden Zugewinn gefallen.

Die Besorgnis der Mutter, dass der Vater versuchen könnte, die Mitsorge dafür zu missbrauchen, für jede ihrer Entscheidungen eine Rechtfertigung zu verlangen und ihr durch unverhältnismäßig lange und immer wieder aufs neue geführte Diskussionen das Leben zu erschweren und so lange auf sie einzureden, bis sie „zermürbt aufgibt" und seiner Auffassung folgt, ist auch nach dem Eindruck, den der Senat im Termin vom 11. Oktober 2010 von dem Vater gewinnen konnte, nicht unberechtigt. Einem solchen Vorgehen steht die Mutter, eine promovierte Akademikerin und ebenfalls eloquent, jedoch nicht wehrlos gegenüber. Abgesehen davon, dass sich die Streitpunkte der Eltern nach den überreichten e-mails zu über 75 % auf die Ausübung des - inzwischen geregelten - Umgangsrechts beziehen (dieses erfährt durch die hiesige Sorgerechtsentscheidung keine Änderung) ist die Mutter auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht gezwungen, sich in unverhältnismäßig lange Diskussionen einbinden zu lassen. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Probleme gesprächsweise diskutiert werden, Argumente können auch per e-mail ausgetauscht werden, die Eltern haben hier inzwischen offenbar eine für beide Seiten akzeptable Form der Kommunikation gefunden.

Davon abgesehen ist darauf hinzuweisen, dass die Mutter gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens ohnehin alleinentscheidungsbefugt bleibt. Einvernehmen müssen die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge nur in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung herbeiführen. Das sind solche Angelegenheiten, deren Entscheidung nur schwer oder gar nicht abzuändernde Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes hat. Hierunter fallen etwa: Wahl der Kindertagesstätte und Schule, Schulwechsel, Wechsel in ein Heim/Internat, Religionsausübung, Berufswahl, medizinische Eingriffe, soweit sie mit der Gefahr erheblicher Komplikationen und Nebenwirkungen verbunden sind (nicht: die Behandlung kleinerer Erkrankungen beim Kinderarzt), Vermögenssorge für das Kind (Entscheidungen über die Anlage/Verwendung des Vermögens des Kindes, Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften) und etwa auch Handlungen, die das Persönlichkeitsrecht des Kindes berühren (Veröffentlichung von Fotos des Kindes in Zeitschriften/Magazinen oder anderen Medien -„facebook"-, Mitnahme des Kindes auf Demonstrationen).

Hinzu kommt, dass in nächster Zeit ohnehin keine Entscheidungen von erheblicher Bedeutung anfallen. Das Umgangsrecht des Vaters und der Kita-Besuch sind geregelt. Die Einschulung steht erst in 2 ½ Jahren bevor. L… ist mit jetzt 3 Jahren und 4 Monaten auch nicht mehr so klein, dass die Unternehmungen des Vaters in B ihn überfordern würden.

Da die Mutter ohnehin erklärt hat, den Vater in weichenstellende Entscheidungen über die Zukunft L… einbinden zu wollen, war dies in rechtlich verbindlicher Form zu regeln.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für L… hingegen war der Mutter allein zu belassen. Es entspricht auch dem Wunsch des Vaters, dass L… den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse weiter im Haushalt der Mutter haben soll und dass das Kind ihn gemäß der Umgangsvereinbarung besucht. Dies war ebenfalls entsprechend in rechtlich verbindlicher Form zu regeln. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht war demjenigen zu übertragen, bei dem sich das Kind überwiegend aufhält. Der Vater kann grundsätzlich nicht bestimmen, wo die Mutter wohnt. Hierzu würde ihn im übrigen auch ein uneingeschränktes gemeinsames Sorgerecht nicht berechtigen. Die Alleinübertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter trägt dem Rechnung, dass sie von Geburt an die engste Bezugsperson L… ist und dass der Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Kindes in ihrem Haushalt nicht in Frage steht. Wenn der Gesetzgeber einerseits von Müttern ab dem 3. Lebensjahr des Kindes grundsätzlich eine volle Berufstätigkeit erwartet, darf dies andererseits nicht durch einschränkende Sorgerechtsregeln konterkariert werden. Soweit die Mutter aus beruflichen Gründen - etwa zur Steigerung ihrer wissenschaftlichen Reputation - ihren Wohnsitz von B weg verlegen muss, ist das grundsätzlich hinzunehmen. Eine Hemmung ihres beruflichen Fortkommens mit dementsprechenden Frustrationen über die eigene Lebensentwicklung würde im übrigen auch nicht dem Wohl L… dienen.

Die Besorgnis des Vaters, die Mutter könne mit L… B verlassen und damit - nach Vollzug seiner beruflichen Veränderung in den B… Raum - das vereinbarte Umgangsrecht beliebig umgehen, teilt der Senat nicht. Die Mutter hat derartige Handlungsmotivationen verneint und ihr bisheriges Verhalten -ihr Umzug von … nach B war zwischen den Parteien abgesprochen und der Vater hatte dem zugestimmt; seit März 2010 gewährt sie dem Vater ein großzügiges Umgangsrecht im Umfang von neun Tagen im Monat- lässt keine Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit aufkommen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG, 45 FamGKG. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 70 Abs.2 FamFG nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung. ..." (KG, Beschluss vom 07.02.2011 - 16 UF 86/10)

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Die Anmeldung des Kindes zum Nachhilfeuntericht ist eine Angelegenheit des täglichen Lebens i.S. des § 1687 I 2 BGB und bedarf deshalb nicht der Zustimmung des mitsorgeberechtigten Elternteils (OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.07.2005 - 3 UF 21/05, NJW-RR 2005, 1529).

Eine Urlaubsreise des Kindes mit dem mitsorgeberechtigten Vater nach China kann nach den individuellen Verhältnissen der betroffenen Familie eine Angelegenheit des täglichen Lebens sein (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2004 - 16 UF 156/04, FamRZ 2005, 1004).

Die Unterbringung eines bisher von der Mutter betreuten Kleinkindes in einer Kindertagesstätte ist für das Kind eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i. S. des § 1687 I 1 BGB (OLG Brandenburg, Beschluss vom 19.07.2004 - 9 UF 89/04, NJOZ 2005, 2964).

Die gemeinsame Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern dient nur dann dem Wohl des Kindes, wenn bei beiden Elterteilen Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit in den Angelegenheiten des Kindes vorhanden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob in absehbarer Zeit Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind zu treffen sind (§ 1687 I S. 1 BGB; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.04.2004 - 18 UF 30/03, FamRZ 2004, 1397).

Können sich die Eltern über den Vornamen ihres Kindes nicht einigen, so weist das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis einem Elternteil zu; das Gericht trifft dabei die Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligen dem Wohl des Kindes am besten entspricht (OLG Dresden, Beschluss vom 13.01.2004 - 21(10) UF 821/03, OLG-NL 2004, 164).

Verweigert ein Elternteil nachhaltig Umgang des anderen Elternteils mit den Kindern, kommt zunächst die Einrichtung einer Pflegschaft als milderes Mittel gegenüber dem Entzug des gesamten Aufenthaltsbestimmungsrechts in Betracht. Bei der Frage, ob es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge bleiben kann oder ob diese einem Elternteil allein zu übertragen ist, ist auch von Bedeutung, ob in absehbarer Zeit sorgerechtsrelevante Entscheidungen gemeinsam zu treffen sind. Eine größere räumliche Entfernung zwischen den Eltern steht der Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge regelmäßig nicht entgegen (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.03.2003 - 10 UF 253/02, FamRZ 2003, 1952).

Eine Umschulung ist keine Angelegenheit der Alltagssorge i.S. des § 1687 I 3 BGB. Der Inhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts darf deshalb nur im Einvernehmen mit dem mitsorgeberechtigten anderen Elternteil zusammen mit dem Kind umziehen, sofern durch den Umzug ein Wechsel der Schule nötig wird (OLG Dresden, Beschluss vom 15.10.2002 - 10 UF 433/02, NJW-RR 2003, 148).

Die Beachtung der Verantwortung des jeweils anderen Elternteils sowie die hervorgehobene Stellung des Alleinsorgeberechtigten gewährleisten die Pflicht zum Wohlverhalten, deren Einhaltung durch beide Elternteile das Familiengericht überwacht. Zur Umschreibung dieser beiderseitigen elterlichen Positionen dienen familiengerichtliche Anordnungen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.08.2000 - 5 UF 39/99, FamRZ 2001, 639).

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Coronatest: Ob die Teilnahme eines Kindes an Testverfahren zur Diagnose von Covid-19 eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung i.S.d. § 1628 Satz 1 BGB ist, bestimmt sich nach dem Zweck des Testverfahrens. Die Teilnahme eines schulpflichtigen Kindes am Präsenzunterricht bei bestehender Test- und Präsenzpflicht ist eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, weil sie geeignet ist, nachhaltig Einfluss auf die schulische und seelische Entwicklung sowie auf die sozialen Kompetenzen eines Kindes zu nehmen. Dies gilt umso mehr, wenn das Kind aufgrund einer Pandemie bereits längere Zeit nur am Heimunterricht teilnehmen durfte und es dann trotz Ermöglichung von Präsenzunterricht an der Schule aufgrund gesunkener Fallzahlen im Heimunterricht verbleiben muss, während ihre Mitschüler wieder regulär die Schule, wenn auch nur im Wechselunterricht, besuchen dürfen (AG Mainz, Beschluss vom 04.05.2021 - 34 F 126/21).

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„... Die Antragstellerin hat die Befugnis zur Entscheidung über die in Rede stehenden Impfungen gemäß § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Voraussetzungen liegen vor. Die Kinder halten sich derzeit gewöhnlich bei der Antragstellerin auf. Dies geschieht zuletzt auf der Grundlage der Vereinbarung vom 23.04.2015, mit Einwilligung des Antragsgegners. Ferner üben die Eltern das Sorgerecht gemeinsam aus.

Die Entscheidung, die in Rede stehenden Impfungen vorzunehmen, ist eine sogenannte Entscheidung in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens (sog. Alltagssorge, vgl. auch OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 07.06.2010, 2 WF 117/10). Bei den in Rede stehenden Impfungen handelt es sich um Schutzimpfungen, welche allgemein empfohlen werden. Die Impffrage ist Teil der sogenannten U-Vorsorgeuntersuchungen, welche ihrerseits zur Alltagssorge gehören. Darüber hinaus sind es Impfungen, welche von der weitüberwiegenden Mehrheit der Bevölkerung vorgenommen werden. Der Lebenswirklichkeit, somit der häufigen und regelmäßigen Vornahme dieser Impfungen, entspricht es, dass die Entscheidung von demjenigen zu treffen ist, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten. Hierfür spricht nicht zuletzt, dass die in Rede stehenden Impfungen die unmittelbare Gesundheitssorge betreffen und von den durchgeführten Impfungen auch das Verhalten im Alltag abhängig ist. So kann beispielsweise eine nichtvorhandene Tetanusimpfung den betreuenden Elternteil davon abhalten, die Kinder an bestimmten Stellen im Freien spielen zu lassen. Daher ist es folgerichtig, die Entscheidung durch den Elternteil treffen zu lassen, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten. Schließlich ist der Elternteil, bei welchem sich die Kinder gewöhnlich aufhalten, regelmäßig derjenige, welcher über den Gesundheitszustand der Kinder am besten informiert ist.

Die Ansicht, dass aufgrund von möglichen Komplikationen und Nebenwirkungen Impfungen Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung seien, überzeugt nicht. Die von den Vertretern dieser Ansicht dabei vorgenommene Abgrenzung zwischen komplizierten und unkomplizierten Krankheiten ist nach Ansicht des Gerichts bereits nicht geeignet. Auch Routineuntersuchungen können zu Komplikationen oder Nebenwirkungen führen. Anders ist dies in den Fällen zu beurteilen, in denen keine Impfung vorgenommen werden soll. Dies ist nicht mehr „alltäglich" im Sinne des § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Folgen des Nichtimpfens sind gegebenenfalls derart gravierend, dass die Angelegenheit erhebliche Bedeutung erlangen kann.

Aufgrund des Vorstehenden war der Antrag der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass sie die Feststellung begehrt, dass sie die in Frage stehenden Impfungen vornehmen kann. Einer Übertragung gemäß § 1628 S. 1 BGB bedurfte es nicht. Insoweit war der Antrag zurückzuweisen.

Einer Anhörung der Kinder bedurfte es nicht. Eine solche war nach der dargestellten Rechtslage für die Entscheidung nicht von Bedeutung (§ 159 Abs. 2 FamFG). ..." (AG Darmstadt, Beschluss vom 11.06.2015 - 50 F 39/15 SO)

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Die Entscheidung, ob ein minderjähriges Kind während eines Krieges eine Flugreise in ein am Krieg beteiligtes Land unternimmt, fällt nicht unter die alleinige Entscheidungsbefugnis eines Elternteils nach § 1687 I BGB im Rahmen der Angelegenheiten des täglichen Lebens. Jedenfalls dann, wenn die Flugreise mit einem Unternehmen durchgeführt wird, das einem am Krieg beteiligten Land zuzuordnen ist, liegt eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung vor, die eine gerichtliche Entscheidung nach § 1628 BGB rechtfertigt (AG Freising, Beschluss vom 10.04.2003 - 2 F 292/03, FamRZ 2004, 968).



§ 1687 a BGB Entscheidungsbefugnisse des nicht sorgeberechtigten Elternteils

Für jeden Elternteil, der nicht Inhaber der elterlichen Sorge ist und bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder eines sonstigen Inhabers der Sorge oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung aufhält, gilt § 1687 Abs. 1 Satz 4 und 5 und Abs. 2 entsprechend.

§ 1687 b BGB Sorgerechtliche Befugnisse des Ehegatten

(1) Der Ehegatte eines allein sorgeberechtigten Elternteils, der nicht Elternteil des Kindes ist, hat im Einvernehmen mit dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes. § 1629 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.

(2) Bei Gefahr im Verzug ist der Ehegatte dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind; der sorgeberechtigte Elternteil ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Das Familiengericht kann die Befugnisse nach Absatz 1 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(4) Die Befugnisse nach Absatz 1 bestehen nicht, wenn die Ehegatten nicht nur vorübergehend getrennt leben.

Hinweise:

Die Regelung des § 1687b BGB enthält zahlreiche Bruchstellen und birgt die Gefahr neuer Streitigkeiten zwischen den Beteiligten des fragilen Beziehungsgeflechts "leibliche Eltern - Stiefeltern - Kind". Diese resultieren nicht zuletzt aus einem Mehr an sorgerechtlichen Befugnissen des Stiefelternteils gegenüber dem nichtsorgeberechtigten leiblichen Elternteil (Veit, FPR 2004, 67).



§ 1688 BGB Entscheidungsbefugnisse der Pflegeperson

(1) Lebt ein Kind für längere Zeit in Familienpflege, so ist die Pflegeperson berechtigt, in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu entscheiden sowie den Inhaber der elterlichen Sorge in solchen Angelegenheiten zu vertreten. Sie ist befugt, den Arbeitsverdienst des Kindes zu verwalten sowie Unterhalts-, Versicherungs-, Versorgungs- und sonstige Sozialleistungen für das Kind geltend zu machen und zu verwalten. § 1629 Abs. 1 Satz 4 gilt entsprechend.

(2) Der Pflegeperson steht eine Person gleich, die im Rahmen der Hilfe nach den §§ 34 , 35 und 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 des Achten Buches Sozialgesetzbuch die Erziehung und Betreuung eines Kindes übernommen hat.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn der Inhaber der elterlichen Sorge etwas anderes erklärt. Das Familiengericht kann die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 einschränken oder ausschließen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(4) Für eine Person, bei der sich das Kind auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung nach § 1632 Abs. 4 oder § 1682 aufhält, gelten die Absätze 1 und 3 mit der Maßgabe, dass die genannten Befugnisse nur das Familiengericht einschränken oder ausschließen kann.

Leitsätze/Entscheidungen:

Die der Pflegeperson eingeräumte Rechtsmacht, für das in die Familienpflege aufgenommene Kind zu entscheiden und den Inhaber der elterlichen Sorge in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten, verleiht nicht die Rechtszuständigkeit, Eingliederungshilfe nach §§ 39, 40 BSHG zu beantragen, wenn durch Art und Umfang der Hilfe zugleich in erheblicher Weise die persönliche Entwicklung des Kindes bestimmt wird. Einzelfall der Aufnahme eines Kleinkindes in eine teilstationäre Behinderteneinrichtung (OVG Weimar, Beschluss vom 19.04.2002 - 3 EO 55/00, FamRZ 2002, 1725).



§ 1696 BGB Abänderung und Überprüfung gerichtlicher Anordnungen (n. F. ab 19.05.2013)

1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Entscheidungen nach § 1626a Absatz 2 können gemäß § 1671 Absatz 1 geändert werden; § 1671 Absatz 4 gilt entsprechend. § 1678 Absatz 2, § 1680 Absatz 2 sowie § 1681 Absatz 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

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§ 1696 BGB Abänderung und Überprüfung gerichtlicher Anordnungen (a. F. bis zum 18.05.2013)

(1) Eine Entscheidung zum Sorge- oder Umgangsrecht oder ein gerichtlich gebilligter Vergleich ist zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. § 1672 Abs. 2, § 1680 Abs. 2 Satz 1 sowie § 1681 Abs. 1 und 2 bleiben unberührt.

(2) Eine Maßnahme nach den §§ 1666 bis 1667 oder einer anderen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die nur ergriffen werden darf, wenn dies zur Abwendung einer Kindeswohlgefährdung oder zum Wohl des Kindes erforderlich ist (kindesschutzrechtliche Maßnahme), ist aufzuheben, wenn eine Gefahr für das Wohl des Kindes nicht mehr besteht oder die Erforderlichkeit der Maßnahme entfallen ist.

Leitsätze/Entscheidungen:

Zur Ablehnung der Übertragung des Sorgerechts (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 13.07. 2022 - 1 BvR 580/22):

„ ... 1. Der Beschwerdeführer ist der leibliche Vater eines im August 2011 geborenen Sohnes. Die Trennung von der Mutter erfolgte bereits vor der Geburt des Kindes. Bislang hat er mit seinem Sohn nicht zusammengelebt und hatte auch nie das Sorgerecht für diesen inne. Die Mutter heiratete 2012 einen anderen Mann; aus der Ehe ging eine Tochter hervor. Nach Trennung der Eheleute und Scheidung der Ehe verblieben der Sohn des Beschwerdeführers und seine Halbschwester zunächst bei der Mutter, wechselten später aber beide in den Haushalt von deren (früherem) Ehemann. Seitdem lebt der Sohn dort. Der Mutter wurde das Sorgerecht für den Sohn des Beschwerdeführers entzogen und das Jugendamt zum Vormund bestellt. In der Vergangenheit war es bereits zu mehreren familiengerichtlichen Verfahren gekommen, in denen der Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Sohn geregelt wurde.

2. Im der Verfassungsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren beantragte der Beschwerdeführer erfolglos, ihm die alleinige Sorge für seinen Sohn zu übertragen und diesen an ihn herauszugeben. Das Familiengericht hörte die Verfahrensbeteiligten sowie den Sohn persönlich an und holte ein Sachverständigengutachten ein. In seinem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen, den Antrag des Beschwerdeführers zurückweisenden Beschluss vom 10. November 2021 führte es aus, die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB für einen Wechsel des Sohnes in den Haushalt des Beschwerdeführers lägen nicht vor. Vor allem die Grundsätze der Kontinuität und Stabilität sprächen für einen Verbleib des Sohnes im Haushalt der Pflegeeltern (dem früheren Ehemann der Mutter und dessen jetziger Ehefrau). Zwar attestiere das Sachverständigengutachten sowohl den Pflegeeltern als auch dem Beschwerdeführer die Fähigkeit zu grundlegender Versorgung und Förderung des Sohnes. Allerdings sei der Wechsel in den Haushalt des Beschwerdeführers wegen dessen deutlich eingeschränkten emotionalen Kompetenzen (u.a. dem Vorrang der eigenen Bedürfnisse, der erheblichen Bindungsintoleranz und der Instrumentalisierung des Kindes) mit einem signifikanten Risiko für die Bindungen und die weitere sozio-emotionale Entwicklung des Sohnes verbunden.

Die dagegen gerichtete Beschwerde wies das Oberlandesgericht ohne Anhörung des Beschwerdeführers und seines Sohnes mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 15. Februar 2022 zurück. Das Familiengericht habe in Ergebnis und Begründung zutreffend und in Übereinstimmung mit den Einschätzungen der fachlich Beteiligten eine Änderung der vorhandenen Regelung zur elterlichen Sorge nach § 1696 BGB abgelehnt. Von der erneuten mündlichen Verhandlung habe nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG abgesehen werden können. Insbesondere eine erneute Kindesanhörung erscheine nicht geboten, weil diejenige vor dem Familiengericht nicht lange zurückliege und deren Ergebnisse in einem ausführlichen Vermerk niedergelegt seien. Zudem habe der Sohn die Anhörung als sehr belastend empfunden. Jugendamt und Verfahrensbeistand hielten regelmäßig Kontakt zu ihm und hätten seine Wünsche und Bedürfnisse in ihren Berichten übermittelt.

3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde macht der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geltend. Die fachgerichtlichen Entscheidungen würden den verfassungsrechtlichen Maßstäben dazu, unter welchen Voraussetzungen ein Kind aus dem Haushalt von Pflegeeltern zu seinen leiblichen Eltern wechselt, nicht gerecht. Eine Zusammenführung des Beschwerdeführers mit seinem Sohn entspreche dem Kindeswohl. Insbesondere die von den Fachgerichten betonte Kontinuität der Lebensverhältnisse stehe dem Wechsel zum Beschwerdeführer nicht im Wege.

II. Die Verfassungsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Annahmegründe nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Beschwerdeführer zeigt nicht die Möglichkeit auf, durch die Entscheidungen des Familien- und des Oberlandesgerichts in dem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt zu sein. An der ausreichenden Darlegung einer möglichen Verletzung dieses Grundrechts fehlt es selbst dann, wenn die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen an den strengen, aus Art. 6 Abs. 3 GG folgenden Anforderungen zu messen wären, die für das Aufrechterhalten der Trennung eines Kindes von seinen beiden Elternteilen maßgeblich sind. Ob diese hier zu Anwendung gelangen, obwohl der Beschwerdeführer bislang niemals mit seinem Sohn zusammengelebt hat, bedarf daher ungeachtet der Frage rechtlicher Vaterschaft keiner Entscheidung.

1. Der Begründung der Verfassungsbeschwerde sowie den dazu eingereichten Unterlagen lässt sich zumindest unmittelbar nicht einmal entnehmen, ob der Beschwerdeführer rechtlicher Vater im Sinne von § 1592 BGB seines Sohnes ist und ihm das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG vollumfänglich zusteht (zur Bedeutung des Grundrechts für den nur leiblichen, nicht aber rechtlichen Vater vgl. BVerfGE 108, 82 <99 f.>). Ausdrücklicher Vortrag dazu, auf welchem Weg er rechtlicher Vater geworden sein kann, fehlt. Die Begründung rechtlicher Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 BGB scheidet mangels Ehe der leiblichen Eltern aus. Ausführungen zu einer Vaterschaftsanerkennung (§ 1592 Nr. 2 BGB) oder einer gerichtlichen Vaterschaftsfeststellung (§ 1592 Nr. 3 BGB) enthält die Verfassungsbeschwerde nicht. Auch in den angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen finden sich keine Feststellungen zur rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers. Es bewendet im angegriffenen Beschluss des Familiengerichts bei der Angabe, es handele sich um den "biologischen Vater". Das Oberlandesgericht hat keine eigenen Feststellungen insoweit getroffen, sondern lediglich auf den vom Familiengericht festgestellten Sachverhalt verwiesen.

Die als Anlagen beigefügten Beschlüsse aus vorangegangenen Umgangs- und Sorgeverfahren enthalten ebenfalls keine ausdrücklichen Feststellungen zur rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers. Lediglich aus den im Ausgangsverfahren sowie in den vorangegangenen Verfahren von den Fachgerichten herangezogenen Regelungen des materiellen Rechts, unter anderem dem allein den rechtlichen Vater betreffenden § 1684 BGB (vgl. Altrogge, in: BeckOGK, BGB, Stand: 1.11.2019, § 1684 Rn. 38), lässt sich ableiten, dass die Fachgerichte implizit von einer rechtlichen Vaterschaft des Beschwerdeführers ausgehen beziehungsweise ausgegangen sind. Wie sich aus einem als Anlage beigefügten früheren Beschluss des Oberlandesgerichts ergibt, hatte der Beschwerdeführer in einem früheren Verfahren vorgetragen, "leiblicher und rechtlicher Vater" zu sein. Feststellungen dazu enthält aber auch der genannte Beschluss nicht.

2. Der Beschwerdeführer zeigt ungeachtet fehlenden substantiierten Vortrags zur rechtlichen Vaterschaft weder die Möglichkeit auf, dass die Fachgerichte § 1696 BGB in einer das Elternrecht verletzenden Weise ausgelegt und angewendet haben, noch eine solche mögliche Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG durch das zu den Entscheidungen führende Verfahren.

a) aa) Das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantiert den Eltern das Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder. Der Schutz des Elternrechts erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). Eine räumliche Trennung des Kindes von seinen Eltern gegen deren Willen stellt den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht dar (vgl. BVerfGE 60, 79 <91>), der nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfolgen oder aufrechterhalten werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 23. April 2018 - 1 BvR 383/18 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 - 1 BvR 1655/21 -, Rn. 3; stRspr). Art. 6 Abs. 3 GG gestattet diesen Eingriff nur unter der strengen Voraussetzung, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei Verbleib bei oder Rückkehr zu den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 - 1 BvR 1655/21 -, Rn. 3 m.w.N.).

Begehren Eltern die Rückführung ihres in einer Pflegefamilie lebenden Kindes, müssen bei der Kindeswohlprüfung die Tragweite der Trennung des Kindes von seiner Pflegefamilie und die Erziehungsfähigkeit der Ursprungsfamilie auch im Hinblick auf ihre Eignung berücksichtigt werden, die negativen Folgen einer Traumatisierung des Kindes gering zu halten. Das Kindeswohl gebietet es, die neuen gewachsenen Beziehungen des Kindes zu seinen Pflegepersonen zu bedenken und das Kind aus seiner Pflegefamilie lediglich herauszunehmen, wenn die körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen des Kindes als Folge der Trennung von den bisherigen Bezugspersonen unter Berücksichtigung der Grundrechtsposition des Kindes noch hinnehmbar sind (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31 m.w.N.). Allerdings folgt aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, dass Pflegeverhältnisse nicht in einer Weise verfestigt werden dürfen, die in nahezu jedem Fall zu einem dauerhaften Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie führte. Da eine Rückkehr zu den Eltern auch nach längerer Fremdunterbringung - soweit Kindeswohlbelange nicht entgegenstehen - möglich bleiben muss, dürfen die mit einem Wechsel der Hauptbezugspersonen immer verbundenen Belastungen eine Rückführung nicht automatisch dauerhaft ausschließen (vgl. BVerfGE 68, 176 <191>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31 m.w.N.).

bb) Der Grundrechtsschutz beeinflusst auch die Gestaltung des fachgerichtlichen Verfahrens (vgl. BVerfGE 53, 30 <65>; 55, 171 <182>; 79, 51 <66 f.>; 99, 145 <162>). In Sorgerechtsverfahren haben die Familiengerichte das Verfahren so zu gestalten, dass es geeignet ist, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>; stRspr). In Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz bleibt es dennoch grundsätzlich dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>; 79, 51 <62>).

cc) Die fachgerichtlichen Annahmen dazu, ob die Voraussetzungen für eine Trennung des Kindes von den Eltern oder das Aufrechterhalten dieser Trennung im Einzelfall erfüllt sind, unterliegen wegen des besonderen Eingriffsgewichts einer strengen verfassungsgerichtlichen Überprüfung. Diese beschränkt sich nicht darauf, ob eine angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts beruht (vgl. BVerfGE 18, 85 <93>). Wegen der besonderen Intensität des Eingriffs kommt bei dieser verfassungsgerichtlichen Prüfung ein strenger Kontrollmaßstab zur Anwendung, der sich ausnahmsweise auch auf einzelne Auslegungsfehler sowie auf deutliche Fehler bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts erstrecken kann (vgl. BVerfGE 136, 382 <391 Rn. 28>; stRspr).

b) Selbst wenn an die angegriffenen Entscheidungen dieser strenge verfassungsgerichtliche Prüfungsmaßstab anzulegen wäre, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, durch die Ablehnung seines Antrags, ihm das Sorgerecht für seinen Sohn zu übertragen und diesen an ihn herauszugeben, in seinem Elternrecht verletzt sein zu können.

aa) Der Beschwerdeführer legt deutliche Auslegungs- und Anwendungsfehler der Fachgerichte nicht dar. Familien- und Oberlandesgericht haben, durch die Grundrechtspositionen des Kindes geboten (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kam- mer des Ersten Senats vom 22. Mai 2014 - 1 BvR 2882/13 -, Rn. 31), dessen als intensiv, qualitativ hochwertig und lang andauernd gewertete Bindung an die Pflegeeltern sowie insbesondere auch an seine Halbschwester unter dem Aspekt der aus einer Trennung von diesen Bezugspersonen drohenden Kindeswohlgefährdung berücksichtigt. Dabei sind die aus dem Elternrecht des Beschwerdeführers resultierenden Anforderungen an den Verbleib des Sohnes in der Pflegefamilie nicht aus dem Blick geraten. Denn beide angegriffenen Beschlüsse sind nicht allein auf das Vorhandensein dieser Bindungen gestützt, sondern haben auch auf Gefahren für die Entwicklung des Kindes abgestellt, die nach einem Wechsel zum Beschwerdeführer drohen und ihre Ursache in dessen näher festgestellten Einschränkungen im Bereich der emotionalen Kompetenzen vor allem für die sozio-emotionale Entwicklung seines Sohnes haben. Es lässt sich daher nicht erkennen, dass die Fachgerichte eine Übertragung des Sorgerechts auf den Beschwerdeführer und einen Wechsel seines Sohnes in seinen Haushalt allein oder auch nur vorrangig wegen der vorhandenen Bindungen an die Pflegeeltern und seine dort lebende Halbschwester abgelehnt hätten. Die Angriffe des Beschwerdeführers, insbesondere gegen die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts, beschränken sich darauf, eine andere Gewichtung der vom Gericht berücksichtigten Aspekte vorzunehmen. Damit legt der Beschwerdeführer aber selbst bei einem strengen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab keine deutlichen Auslegungs- oder Anwendungsfehler dar.

bb) Auch deutliche Fehler der Fachgerichte bei der Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die zu einer Verletzung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG führen könnten, zeigt der Beschwerdeführer ebenso wenig auf wie eine sein Elternrecht möglicherweise verletzende Verfahrensgestaltung. Zwar entspricht die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts den geltenden fachrechtlichen Anforderungen an das Beschwerdeverfahren möglicherweise nicht vollauf (1). Der Beschwerdeführer hat aber entgegen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht dargelegt, dass es dadurch an der gebotenen zuverlässigen Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung fehlen könnte und deshalb sein Elternrecht verletzt wäre (2).

(1) Der Verzicht des Oberlandesgerichts auf eine Anhörung des Sohnes im Beschwerdeverfahren sowie die dafür im angegriffenen Beschluss gegebene Begründung könnten den fachrechtlichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung nicht ohne Weiteres entsprochen haben. Zwar gestattet § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG in der hier maßgeblichen Fassung dem Beschwerdegericht auch weiterhin, von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen abzusehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Von dem Vorliegen dieser Voraussetzungen ist das Oberlandesgericht ausgegangen und hat dies näher begründet. Allerdings schließt der seit dem 1. Juli 2021 geltende § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG die Anwendung von § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG aus, wenn ein Hauptsacheverfahren betroffen ist, in dem die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach §§ 1666, 1666a BGB in Betracht kommt.

Die Entstehungsgeschichte und die vom Gesetzgeber mit der Reform der Gestaltung des Beschwerdeverfahrens verfolgten Zwecke (vgl. BTDrucks 19/23707, S. 51 f.) lassen fachrechtlich möglich erscheinen, § 68 Abs. 5 Nr. 1 FamFG auch dann für anwendbar zu halten, wenn das Hauptsacheverfahren Entscheidungen über die Abänderung oder Aufnahmen von Kinderschutzmaßnahmen nach § 1696 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat und etwa eine Trennung des Kindes von seinen Eltern aufrechterhalten bleiben soll (vgl. Strube, NZFam 2021, 901 <904>). Die angegriffene Beschwerdeentscheidung lässt nicht erkennen, dass dem Oberlandesgericht die möglicherweise gegenüber dem früheren Recht strengeren Anforderungen an den Verzicht auf eine mündliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten und insbesondere eine Kindesanhörung (vgl. § 159 Abs. 1 bis Abs. 3 FamFG) vollauf bewusst gewesen sind.

(2) Der Beschwerdeführer hat jedoch nicht anhand der dafür geltenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe aufgezeigt, durch das Unterbleiben einer mündlichen Anhörung, insbesondere der Anhörung seines Sohnes, in der Beschwerdeinstanz in seinem Elternrecht verletzt zu sein. Eine solche Verletzung liegt auch nicht auf der Hand.

Selbst bei - hier ohnehin nur möglicher - Geltung des strengen verfassungsgerichtlichen Kontrollmaßstabs aus Art. 6 Abs. 3 GG geht nicht mit jedem Verstoß gegen einfaches Recht stets eine Verletzung von Verfassungsrecht einher. Verfassungsrechtlich kommt es bei der Beurteilung eines Eingriffs in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG insoweit darauf an, dass die Gerichte den Sachverhalt dergestalt ermittelt haben, dass eine möglichst zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung vorliegt. Deutliche Fehler bei der Feststellung des Sachverhalts liegen jedenfalls dann vor, wenn nicht hinreichend erkennbar wird, auf welche Erkenntnisgrundlage die Gerichte ihre tatsächlichen Annahmen stützen. Hat das Fachgericht eine solche zuverlässige Tatsachengrundlage für eine am Wohl des Kindes orientierte Entscheidung ermittelt, kann selbst der Verzicht auf einfachrechtlich vorgesehene persönliche Anhörungen in Sorgerechtsangelegenheiten mit Verfassungsrecht in Einklang stehen, wenn er mit dem Zweck der betroffenen Anhörungsregelung vereinbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 20. August 2020 - 1 BvR 886/20 -, Rn. 9; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 7. Februar 2022 - 1 BvR 1655/21 -, Rn. 10 f.).

Auf diese Maßgaben geht der Beschwerdeführer nicht ein und legt vor allem nicht unter deren Heranziehung eine aus der Verfahrensgestaltung des Oberlandesgerichts folgende Verletzung seines Elternrechts dar. Eine solche liegt trotz des Verzichts auf eine Anhörung seines Sohnes im Beschwerdeverfahren nicht auf der Hand. Das Oberlandesgericht verfügte mit den gut dokumentierten, im erstinstanzlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnissen über eine zuverlässige Tatsachengrundlage für seine Entscheidung. Der Verzicht auf die erneute Kindesanhörung mag zwar nicht ohne Weiteres den seit 1. Juli 2021 geltenden strengen Voraussetzungen nach § 159 Abs. 2 FamFG dafür genügen. Das Oberlandesgericht hat aber immerhin mit dem Hinweis auf die mit der Anhörung einhergehenden Belastungen des Kindes und dessen lediglich eingeschränkte Fähigkeit, seine Wünsche und Vorlieben zu äußern, Umstände benannt, die fachrechtlich nach § 159 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 FamFG möglicherweise einen Verzicht auf die Anhörung gestatten könnten (zum Verständnis dieser Regelungen BTDrucks 19/23707, S. 57; Ernst, FamRZ 2021, 993 <998>; Jokisch, FuR 2021, 471 <477 f.>). Das vom Oberlandesgericht begründete Unterbleiben einer erneuten Anhörung des Kindes ist mit dem Zweck der Anhörungsregelungen in § 159 FamFG und § 68 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 FamFG daher nicht von vornherein unvereinbar. ..."

***

„... I. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Antrags auf Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung zwischen getrennt lebenden Eltern.

1. Der Beschwerdeführer ist Vater eines im Jahr 2008 geborenen Sohnes. Nach der Geburt des Kindes lebten der Beschwerdeführer und die Mutter mit dem Sohn und der im Jahr 2000 geborenen Tochter des Beschwerdeführers aus einer vorangegangenen Beziehung zunächst in einem gemeinsamen Haushalt. Nach Trennung der für den Sohn bislang gemeinsam sorgeberechtigten Eltern im Jahr 2011 beantragten diese jeweils die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts. Die Halbschwester verblieb beim Beschwerdeführer. Auch der Sohn hielt sich zunächst überwiegend im Haushalt des Beschwerdeführers auf. Im April 2012 übertrug das Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn auf die Mutter. Dagegen erhob der Beschwerdeführer erfolglos Beschwerde. Eine Gehörsrüge wies das Oberlandesgericht im Mai 2013 zurück. Seit Frühjahr 2013 lebt der Junge im Haushalt der Mutter. Der Beschwerdeführer erhob Verfassungsbeschwerde, welche nicht zur Entscheidung angenommen wurde. Seit April 2013 besucht der sprachlich und motorisch verzögert entwickelte Sohn am Wohnort der Mutter eine integrative Bewegungskindertagesstätte.

Wenige Tage nach der Zurückweisung der Gehörsrüge stellte der Beschwerdeführer einen neuen Antrag auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts mit der Begründung, die seit kurzem geänderten Lebensverhältnisse des Kindes liefen dessen Wohl zuwider, da es nicht von dem Beschwerdeführer und seiner Halbschwester getrennt sein wolle. Das Amtsgericht bestellte eine Verfahrensbeiständin für das Kind und holte Stellungnahmen des Jugendamtes ein.

2. Nach Anhörung der Kindeseltern sowie der Verfahrensbeiständin wies das Amtsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Abänderung der Sorgerechtsentscheidung und Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf ihn mit angegriffenem Beschluss vom 22. August 2013 zurück. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde. Die Verfahrensbeiständin gab eine erneute Stellungnahme ab. Das Jugendamt legte einen aktuellen Bericht über die Entwicklung des Kindes vor.

3. Mit angegriffenem Beschluss vom 2. April 2014 wies das Oberlandesgericht die Beschwerde des Beschwerdeführers ohne mündliche Verhandlung und nochmalige Anhörung der Beteiligten zurück. In seiner Begründung führte das Oberlandesgericht aus, dass keine triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründe im Sinne von § 1696 Abs. 1 BGB vorliegen würden, welche eine Abänderung der ursprünglichen Entscheidung angezeigt erscheinen ließen. § 1696 BGB verlange eine Steigerung der auch sonst maßgeblichen Kindeswohlerfordernisse, um eine Änderung der zumal erst kurze Zeit vorher getroffenen Regelung zu rechtfertigen.

Das Kind lebe seit Frühjahr 2013 bei der Mutter und werde von dieser versorgt und betreut. Allein diesen tatsächlichen Verhältnissen komme aus der maßgeblichen Sicht und nach dem Zeitempfinden eines fünfeinhalbjährigen Kindes die Qualität einer sehr langfristig verfestigten Kontinuität zu, die bereits nachdrücklich für die Aufrechterhaltung der Betreuungssituation spreche.

Dass der Junge von seiner Halbschwester getrennt sei, führe zu keiner anderen Betrachtung. Der Senat habe dies bereits im Ausgangsverfahren berücksichtigt und festgestellt, dass ein relativ großer Altersunterschied zwischen den Kindern bestehe und großzügige Umgangsregelungen ausreichend Raum für Kontakte lassen würden. Die tatsächlichen Verhältnisse seien insoweit unverändert. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die Mutter führe die Förderung des Kindes nicht fort, sei durch die im Beschwerdeverfahren getroffenen Feststellungen widerlegt. Dass der Sohn sich nach Aussage der Verfahrensbeiständin in direkten Befragungen nach dem favorisierten Lebensmittelpunkt dahingehend geäußert hatte, eher beim Beschwerdeführer leben zu wollen, führt nach Ansicht des Oberlandesgerichts ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung. Der Kindeswille sei altersbedingt ohnehin nur begrenzt berücksichtigungsfähig und scheide hier auch deshalb als maßgebliches Entscheidungskriterium aus, weil sich ein entsprechender Wille als nicht überprüfungsfähig erwiesen habe. Das Kind sei erst knapp sechs Jahre alt und befinde sich ersichtlich in einem ausgeprägten Loyalitätskonflikt und wolle es sich offenbar mit keinem der beiden Elternteile verderben.

Von einer nochmaligen Anhörung der Beteiligten wurde abgesehen, weil keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten seien.

4. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts erhob der Beschwerdeführer Anhörungsrüge. Mit angegriffenem Beschluss vom 19. Juni 2014 wies das Oberlandesgericht die Gehörsrüge zurück.

5. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht habe den Änderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB in verfassungswidriger Weise zu Lasten des Beschwerdeführers überspannt. Das Oberlandesgericht habe die Bedeutung des Kindeswillens verkannt und den nachhaltig geäußerten Willen des Jungen, zu dem Beschwerdeführer und zur Halbschwester zurückzukehren, unberücksichtigt gelassen. Das Oberlandesgericht hätte das Kind anhören und den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Es hätte ein Sachverständigengutachten zur Kindeswohldienlichkeit einer Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Beschwerdeführer einholen müssen. Auch habe das Gericht die enge Bindung des Sohnes an seine Halbschwester nicht hinreichend berücksichtigt und die Auswirkungen einer Trennung von der Halbschwester in verfassungswidriger Weise nicht weiter aufgeklärt. Schließlich habe das Oberlandesgericht bei der Zurückweisung des Antrags des Beschwerdeführers nicht maßgeblich auf den Kontinuitätsgrundsatz abstellen dürfen, da sich das Kind bei der Mutter gerade nicht eingelebt und vor dem Wechsel in den Haushalt der Mutter im Frühjahr 2013 größtenteils beim Beschwerdeführer gelebt habe.

II. Ein Annahmegrund nach § 93a Abs. 2 BVerfGG liegt nicht vor. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer insbesondere nicht in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG.

1. a) Der Schutz des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, welches Vater und Mutter gleichermaßen zukommt, erstreckt sich auf die wesentlichen Elemente des Sorgerechts (vgl. BVerfGE 84, 168 <180>; 107, 150 <173>). In Fällen, in denen Fachgerichte - wie hier - nach der Trennung der Eltern auf Antrag eines Elternteils über die künftige Wahrnehmung der elterlichen Sorge entschieden haben, beschränkt sich die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichts darauf zu prüfen, ob die Fachgerichte die Tragweite der betroffenen Grundrechte grundlegend verkannt haben. Bei fehlendem Einvernehmen der Eltern bleibt es in erster Linie dem Familiengericht vorbehalten zu beurteilen, inwieweit nach § 1671 Abs. 1 BGB die gemeinsame Sorge aufgehoben und welchem Elternteil die Alleinsorge übertragen werden soll (vgl. dazu im Einzelnen zuletzt BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. April 2014 - 1 BvR 3360/13 -, juris, Rn. 7 f.). Auch die Beurteilung, ob eine nach § 1671 BGB getroffene Sorgerechtsregelung nach § 1696 Abs. 1 BGB abgeändert werden soll, obliegt in erster Linie dem Familiengericht. Nach § 1696 Abs. 1 BGB müssen triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe vorliegen, welche eine Änderung der ursprünglichen Regelung angezeigt erscheinen lassen. Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 10. September 2009 - 1 BvR 1248/09 -, juris, Rn. 17; stRspr). Sie stellt im Interesse des Kindes aus Kontinuitätsgründen sicher, dass eine einmal getroffene Sorgerechtsentscheidung, obgleich sie nicht in materielle Rechtskraft erwächst, nicht beliebig und jederzeit, sondern erst nach Erreichen der genannten Änderungsschwelle modifizierbar ist.

b) Wie in sonstigen Sorgerechtsverfahren ist auch im Abänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist. Indessen bleibt es grundsätzlich dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Insbesondere müssen die Gerichte nicht immer ein Sachverständigengutachten einholen, es kann ausreichen, dass sie anderweitig über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (vgl. BVerfGK 9, 274 <279>).

2. Die angegriffenen Entscheidungen sind den genannten Maßstäben gerecht geworden.

a) Das Oberlandesgericht hat sich mit den widerstreitenden Positionen ausführlich und sorgfältig auseinandergesetzt und seine Entscheidung in erster Linie auf den Kontinuitätsgedanken gestützt. Dem Interesse des Kindes an der Stabilität seiner Lebensverhältnisse besondere Bedeutung beizumessen, ist einfachrechtlich durch den strengen Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 BGB geboten und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Selbst eine strenge Handhabung dieses Maßstabs begegnet, jedenfalls soweit es um einen Obhutswechsel geht, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Das Bedürfnis nach Kontinuität hat das Oberlandesgericht hier nicht deshalb fehlerhaft gewertet, weil der Sohn vor dem Umzug in den mütterlichen Haushalt im Frühjahr 2013 überwiegend beim Beschwerdeführer gelebt hat. Der dem § 1696 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Kontinuitätsgedanke bezieht sich auf den Zeitraum nach der sorgerechtlichen Ausgangsentscheidung, in dem das Kind hier bei der Mutter lebte.

b) Dass das Oberlandesgericht keine durchgreifenden Gründe gesehen hat, die für einen erneuten Wechsel des Kindes in den Haushalt des Beschwerdeführers und damit für eine Durchbrechung des Kontinuitätsgrundsatzes sprechen würden, ist verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der Gedanke der Geschwisterbindung gebietet von Verfassungs wegen keine andere Entscheidung. Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar dargelegt, dass dies bereits im Ausgangsverfahren berücksichtigt und nicht für durchschlagend erachtet wurde und dass eine zwischenzeitliche Änderung der für die ursprüngliche Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Trennungssituation der Halbgeschwister offensichtlich nicht vorliege.

Auch die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Förderungsbereitschaft und -eignung der Mutter lassen nicht auf eine Verkennung der Grundrechte des Beschwerdeführers schließen.

Dass das Gericht den Willensbekundungen des Kindes, beim Vater leben zu wollen, keine entscheidende Bedeutung beigemessen hat, bewegt sich ebenfalls im verfassungsrechtlich vertretbaren Rahmen. Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass das Kind erst knapp sechs Jahre alt ist und sich in einem gravierenden Loyalitätskonflikt befindet, so dass dem aktuell gegenüber der Verfahrensbeiständin geäußerten Kindeswillen, wonach der Junge derzeit lieber beim Beschwerdeführer leben möchte, nur eine abgeschwächte Bedeutung zukommt. Dass das Oberlandesgericht den Kontinuitätsinteressen hier im Verhältnis zu den Willensbekundungen des Kindes einen besonderen Stellenwert eingeräumt hat, lässt nicht auf eine Verkennung von Grundrechten schließen. Ihm ist auch nicht vorzuwerfen, den Willen des Kindes nicht hinreichend erforscht und insofern keine ausreichende Sachverhaltsaufklärung betrieben zu haben. Das Oberlandesgericht hat sich mit den vorliegenden Erkenntnisquellen auseinandergesetzt und dabei sowohl die zahlreichen Berichte der Verfahrensbeiständin als auch die Stellungnahmen des Jugendamts und die Erziehungsberichte der Kindertagesstätte in seine Prüfung miteinbezogen. Auf eine Anhörung des Kindes hat das Oberlandesgericht zwar verzichtet, weil es insoweit keine weiteren Erkenntnisse erwartete. Dies ist jedoch vor der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Annahme, angesichts der Umstände des Falles komme der Willensbekundung des Kindes gegenüber dem Kontinuitätsinteresse ohnehin nur begrenzte Bedeutung zu, konsequent. Vor diesem Hintergrund war auch die Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens von Verfassungs wegen nicht angezeigt. ..." (BVerfG, Beschluss vom 22.09.2014 - 1 BvR 2102/14).

*** (OLG)

Bei dem Überprüfungsverfahren nach § 166 Abs. 2 FamFG handelt es sich um eine nicht-förmliche Vorprüfung, ob ein förmliches Abänderungsverfahren nach § 166 Abs. 1 FamFG, § 1696 BGB einzuleiten ist. Das Überprüfungsverfahren wird in der ursprünglichen Akte, in der die zu überprüfende Maßnahme verfügt wurde, geführt; hierfür ist weder ein neues gerichtliches Aktenzeichen zu vergeben, noch stellt das die Einleitung eines neuen Verfahrens dar. Für das Überprüfungsverfahren kann keine Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden und es ergeht auch keine Kostenentscheidung. Hinsichtlich der Anwaltsgebühren gilt das Überprüfungs- (Vorprüfungs-) Verfahren nicht als neue Angelegenheit, sondern als Teil des Ursprungsverfahrens. Wenn im Zuge der Überprüfung Abänderungsbedarf festgestellt wird, ist ein förmliches Abänderungsverfahren nach § 166 I FamFG, § 1696 BGB einzuleiten und ein neues Verfahren unter neuem Aktenzeichen und mit den üblichen verfahrensrechtlichen Gewährleistungen wie unter anderem einer persönlichen Anhörung der Beteiligten und des Kindes zu führen. Wenn das Familiengericht die Elemente von zwei unterschiedlichen Verfahren - einem von Amts wegen geführten Überprüfungsverfahren nach § 166 Abs 2 FamFG und einem Abänderungsverfahren nach § 1696 BGB, § 166 Abs. 1 FamFG - miteinander vermengt, führt das zu einem wesentlichen Verfahrensmangel, der auf Antrag zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht führen kann. Der Regelwert für eine Kindschaftssache kann entsprechend § 45 Abs. 3 FamGKG auf 2.000 EUR herabgesetzt werden, wenn keine Kindschaftssache aus dem „Katalog" des § 45 Abs. 1 FamGKG vorliegt, sondern eine Beschwerde in einem amtswegig geführten Überprüfungsverfahren nach § 166 Abs. 2 FamFG, das verfahrensfehlerhaft mit einem förmlichen, rechtsmittelfähigen Beschluss abgeschlossen wurde und zusätzlich der Aktenumfang (ca. 30 Seiten) gering ist, die wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Mutter sehr beengt sind und der anwaltliche Arbeitsaufwand außerordentlich überschaubar gewesen ist (KG Berlin, Beschluss vom 06.04.2023 - 16 UF 34/23).

***

Bestandskraft von Umgangsregelungen: Zu den Voraussetzungen der Begründung eines Wechselmodells im Wege der Abänderung einer bestehenden gerichtlichen Umgangsregelung (hier verneint - OLG Dresden, Beschluss vom 27.04.2022 - 21 UF 71/22):

„ ... I. Die weiteren Beteiligten zu 1. und 2. sind die geschiedenen und getrenntlebenden Eltern des am 00.00.2015 geborenen Sohnes F...... und der am 00.00.2019 geborenen Tochter M....... Beide Kinder leben im Haushalt der Mutter.

Nach der familiengerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung vom 02.11.2020 hat der Vater an jedem zweiten Wochenende in der Zeit von Freitag nach dem Kindergarten bis Dienstagmorgen Umgang mit seinen beiden Kindern. Daneben stehen ihm Umgangszeiten in den sächsischen Schulferien und zu Ostern und Weihnachten zu. Ferner haben die Eltern in der genannten Umgangsvereinbarung ihre „Bereitschaft erklärt, auch weiterhin die bereits aufgenommene Familienberatung fortzusetzen, um ihre „Kommunikation weiter zu verbessern, aber auch die Entwicklung der Kinder mit diesem Betreuungsmodell zu beobachten und auszuwerten, die Umgänge jedenfalls auch entsprechend der Entwicklung der Kinder etwas zu erweitern". Die bei der ... stattgefundene Familienberatung wurde in der Folgezeit beendet.

Das erstinstanzliche Verfahren ist durch einen Schriftsatz des Vaters vom 22.10.2021 eingeleitet worden, mit welchem er die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells erstrebt hat. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, dass er so viel Zeit wie möglich mit seinen Kindern verbringen und die Vater-Kind-Beziehung nicht dadurch gefährden wolle, dass er Kontakt seltener pflege als dies grundsätzlich möglich sei. Die Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern seien zwischenzeitlich behoben worden. Der Sohn F...... habe wiederholt den Wunsch geäußert, seinen Vater öfter sehen zu wollen. Die Mutter ist der Forderung des Vaters nach einem paritätischen Wechselmodell entgegengetreten. Sie hat u.a. geltend gemacht, dass sich die Kommunikation zwischen den Eltern verschlechtert habe. Der Vater bringe ihr keine Wertschätzung entgegen. Er habe sie vorgerichtlich massiv unter Druck gesetzt, um das von ihm angestrebte Ziel eines paritätischen Wechselmodells zu erreichen.

Mit dem angefochtenen Beschluss, auf welchen wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Familiengericht nach Anhörung der Eltern und des Kindes sowie der Bestellung eines Verfahrensbeistandes den „Antrag" des Vaters zurückgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Abänderung der Umgangsvereinbarung nach § 1696 Abs. 1 BGB nicht vorlägen. Es sei schon nicht feststellbar, dass ein paritätisches Wechselmodell dem Kindeswohl mehr entspräche als jedes andere Betreuungsmodell. Die Kinder hätten sich in ihrer Anhörung nicht eindeutig für eine hälftige Betreuung ausgesprochen. Beide Eltern hätten das Wohl ihrer Kinder aus dem Blick verloren und seien nicht bereit, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse gegenüber denen ihrer Kinder hintanzustellen. Unter diesen Bedingungen verhieße ein paritätisches Wechselmodell nichts Gutes.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vaters, mit der er, wie in erster Instanz, eine gerichtliche Regelung des Umgangs in Gestalt eines Wechselmodells erstrebt. Die Mutter begehrt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Verfahrensbeistand hat in seiner Stellungnahme empfohlen, den Regelumgang bis Mittwochfrüh zu verlängern.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein gerichtlich gebilligter Vergleich zum Umgang zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Zweck der Änderungsbefugnis ist nicht die nochmalige Überprüfung der Grundlagen der ursprünglichen Regelung, sondern die Anpassung der getroffenen Anordnung an eine Änderung der für die ursprüngliche Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 2018, 597). Zwar kann die Angriffsschwelle für eine Änderung der Umgangsregelung niedriger anzusetzen sein als für eine Änderung einer Sorgerechtsentscheidung (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 2021, 201, 202). Jedoch haben auch Umgangsregelungen eine „gewisse Bestandskraft", die ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht durchbrochen werden darf (vgl. Staudinger/Coester [2019], § 1696 BGB Rn. 113). Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber mit der Einschränkung der Abänderungsbefugnis verfolgten Zwecke der Erziehungskontinuität und des Schutzes des Kindes vor fortwährenden Gerichtsverfahren müssen die Vorteile der Neuregelung die mit der Abänderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen (vgl. Senat, Beschluss vom 22.03.2010 - 21 UF 670/99 -, FamRZ 2010, 1992, 1993; OLG Nürnberg, NZFam 2017, 185; KG, FamRZ 2016, 1718; Völker/Clausius, Sorge- und UmgangsR-HdB, 8. Aufl., § 3 Rn. 17; Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl., § 1696 Rn. 8).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Triftige Gründe, die das von dem Antragsteller angestrebte paritätische Wechselmodell (oder eine Umgangsausweitung) gegenüber dem derzeit praktizierten erweiterten Umgang als deutlich vorzugswürdig erscheinen lassen, sind weder von dem Vater vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Das von dem Vater mit seiner Beschwerde verfolgte Ziel der Einführung eines paritätischen Wechselmodels begegnet schon grundsätzlichen Bedenken.

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat jedes Kind das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind berechtigt und verpflichtet. Das Umgangsrecht ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, FamRZ 2015, 1093, 1094; OLG Koblenz, FamRZ 2018, 507, 508; KG, FamRZ 2013, 709). Das hiernach bestehende Bedürfnis und Recht des Vaters auf Umgang mit seinen beiden Kindern und das darauf gerichtete Grundbedürfnis der Kinder wird durch den von den Eltern vereinbarten erweiterten Umgang, nach dem sich die Kinder alle 14 Tage von Freitagnachmittag bis zum darauffolgenden Dienstagmorgen im Haushalt ihres Vaters aufhalten, bereits erfüllt. Das Umgangsrecht dient dagegen nicht dazu, den (elternzentrierten) Wunsch des Vaters nach gleichwertiger Teilhabe am Leben der Kinder in Form eines Wechselmodells zu verwirklichen. Das Wechselmodell selbst zielt nicht darauf ab, Erwartungen oder Wünsche der Eltern zu regeln (vgl. Senat, Beschluss vom 07.06.2021 - 21 UF 163/21 -, FamRZ 2021, 1805). Entscheidungsmaßstab ist allein das Kindeswohl (§ 1697a BGB).

Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2020, 255, 257; FamRZ 2017, 532, 535), auch das Alter des Kindes von Bedeutung. Die am 06.03.2019 geborene Tochter M...... ist erst im letzten Monat drei Jahre alt geworden. Bei Kleinkindern in diesem Alter werden sowohl in der Rechtsprechung (vgl. BGH, FamRZ 2017, 532, 535) und im juristischen Schrifttum (vgl. etwa Heilmann, NJW 2015, 3346, 3347; Staudinger/Dürbeck [2019], § 1684 BGB Rn. 255) als auch im sozial-wissenschaftlichen Schrifttum (vgl. Kindler/Walper, NZFam 2016, 820, 822; Salzgeber, NZFam 2014, 921, 924; Castellanos/Hertkorn, Psychologische Sachverständigengutachten im Familienrecht, Teil II Rn. 285) im Hinblick auf die seelischen Bedürfnisse von Kleinkindern Bedenken gegen die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells angemeldet. Häufige Wechsel und längere Betreuungszeiten können für Kleinkinder einen erheblichen Stress bedeuten. Salzgeber (NZFam 2014, 921, 927) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Kindern bis zu einem Alter von 5 Jahren das Wechselmodell aus der Sicht der Bindungsforschung zu einem Entwicklungsrisiko werden könne.

Unter Bindungsaspekten erscheint aber auch eine Erweiterung des Umgangs des Vaters mit seinem im Juli diesen Jahres 7 Jahre alt werdenden Sohnes F...... nicht geboten. Denn bei jungen Kindern bis zum 7. Lebensjahr wird die Beziehung zu den Eltern über das konkrete Handeln mit dem jeweiligen Elternteil konstituiert. Im Erleben des Kindes ist es daher eher nebensächlich, wie viele Tage es bei dem einen oder dem anderen Teil verbringt (vgl. Salzgeber, a.a.O.).

3. Zwar haben die beiden Kinder F...... und M...... - anders als noch in ihrer Anhörung durch das Familiengericht - gegenüber dem Verfahrensbeistand zuletzt den Wunsch geäußert, jeweils abwechselnd 6 Tage bei ihrem Papa und ihrer Mama verbringen zu wollen. Dem geäußerten Kindeswillen kann jedoch schon angesichts ihres geringen Alters kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Zudem wird er durch den Loyalitätsdruck der Eltern mitgeprägt und verliert auch aus diesem Grunde an Bedeutung (vgl. hierzu auch BVerfG, FamRZ 2015, 210, 212). Der gravierende Loyalitätskonflikt der Kinder ist in ihrem reservierten Verhalten gegenüber ihrem Vater, zu dem auch nach Darstellung der Mutter eine enge emotionale Bindung besteht, anlässlich des Anhörungstermins vor dem Familiengericht deutlich zutage getreten. Das Familiengericht hat anschaulich geschildert, dass M...... sich zunächst nicht getraut habe, ihren Vater in Anwesenheit der Mutter zu umarmen. Auch F...... sei wegen der Anwesenheit seiner Mutter ersichtlich gehemmt gewesen. Die Anordnung eines Wechselmodells kann schließlich auch deshalb nicht maßgeblich mit dem Kindeswillen begründet werden, weil in der Vergangenheit kein Wechselmodell bestand und beide Kinder deshalb keine Vorstellungen über mögliche Belastungen durch dieses Betreuungsmodell haben können (vgl. MüKoBGB/Hennemann, 8. Aufl., § 1671 Rn. 71). Es ist nicht selten, dass Kinder eine hälftige Betreuung durch ihre Eltern wünschen, weil dies in ihrer Vorstellung einer Beibehaltung des Zusammenlebens mit beiden Eltern am nächsten kommt. Zudem haben Kinder meist ein ausgeprägtes Fairnessbedürfnis und wollen deshalb möglichst hälftig bei jedem Elternteil leben (vgl. Salzgeber, NZFam 2014, 921, 926). Ein solch vordergründiges Fairnessbedürfnis kann jedoch, wie auch im vorliegenden Fall, keine Berücksichtigung finden (vgl. JHA/Rake, Familienrecht, 7. Aufl., § 1684 BGB Rn. 47).

4. Ein gemeinsamer Elternwille, der einen Abänderungsgrund i.S. des § 1696 Abs. 1 BGB darstellen könnte (vgl. Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl., § 1696 Rn. 10), liegt nicht vor. Die Mutter lehnt ein paritätisches Wechselmodell weiterhin kategorisch ab. Zwar sind die Eltern nach ihrem übereinstimmenden Vorbringen in der Lage, über das Pendelbuch und per E-Mail miteinander zu kommunizieren und auf diesem Wege einvernehmliche Absprachen über die Belange ihrer Kinder zu treffen. Gleichwohl bleibt ihr Verhältnis zueinander spannungsgeladen. Die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes hat im Anhörungstermin vor dem Familiengericht von einem „Kampf auf hohem Niveau" gesprochen und - ebenso wie der Verfahrensbeistand - die Praktizierung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen der Mutter als „schwierig" eingeschätzt. Die Mutter bringt dem Vater kein Vertrauen entgegen und fühlt sich durch sein Verhalten, wie etwa durch die Erteilung eines Hausverbots für das von den Großeltern väterlicherseits bewohnte Grundstück oder durch die Androhung einer Strafanzeige im Falle eines Verstoßes hiergegen, massiv unter Druck gesetzt. Nach ihrer Darstellung ist die Familienberatung bei der ... abgebrochen worden, weil es dem Vater schon nach kurzer Zeit ausschließlich darum gegangen sei, eine Erweiterung des Umgangs durchzusetzen. Unter diesen Umständen erscheinen die Vorbehalte der Mutter gegen ein Wechselmodell derzeit als unüberwindbar. Obgleich ein Konsens der Eltern über die Betreuung des Kindes im Wechselmodell grundsätzlich keine Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung ist, wird in der Praxis die gerichtliche Anordnung eines paritätischen Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils nur in wenigen Fällen tatsächlich kindeswohldienlich sein (vgl. Senat, Beschluss vom 07.06.2021 - 21 UF 123/21 - FamRZ 2021, 1805; OLG Bremen, FamRZ 2018, 1908, 1909). Denn dem Kind wird die Ablehnung eines Elternteils auf Dauer nicht verborgen bleiben. In einem solchen Fall kann ein Wechselmodell aber dem Kindeswohl nicht am besten entsprechen (vgl. Jokisch, FuR 2013, 679, 682).

5. Auch im Übrigen sind keine neuen Tatsachen aufgetreten, die eine Abänderung der von den Eltern am 02.11.2020 getroffenen Elternvereinbarung am Maßstab des § 1696 Abs. 1 BGB rechtfertigen könnten. Allein der Wunsch des Vaters nach Veränderung (vgl. hierzu Heilmann/Gottschalk, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl., § 1696 BGB Rn. 22) oder die tatsächlich vorhandenen Verständigungsmöglichkeiten der Eltern in der Vergangenheit sind nicht ausreichend. Dabei bleibt zu bedenken, dass die Absprachen der Eltern durch die ausschließliche Kommunikation über das Pendelheft und per E-Mail „entpersönlicht" worden sind. Eine solche Verhaltensweise deutet eher auf eine (weiterhin) gestörte Kommunikationsfähigkeit hin (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 25.03.2022 - 21 UF 427/21 -; Völker/Clausius, Sorge- und UmgangsR-HdB, 8. Aufl., § 1 Rn. 251).

Nach alledem erscheinen ein paritätisches Wechselmodell (oder eine Erweiterung der bestehenden Umgangsregelung) aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht als deutlich vorzugswürdig gegenüber dem Beibehalten des von den Eltern vereinbarten und derzeit auch praktizierten erweiterten Umgangs. Eine Abänderung hat deshalb zu unterbleiben. Unter diesen Umständen vermag sich der Senat - ebenso wie das Familiengericht - der Empfehlung des Verfahrensbeistandes, den Regelumgang bis Mittwochfrüh zu verlängern, nicht anzuschließen.

6. Der Senat hat von einer erneuten persönlichen Anhörung der Eltern und der Kinder abgesehen, weil hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Neue Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte, die eine Wiederholung der Anhörung geboten erscheinen lassen könnten, sind im Beschwerdeverfahren nicht aufgetreten. Dem Kindeswillen kommt vorliegend zudem eine ohnehin nur begrenzte Bedeutung zu. ..."

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Ein Wechselmodell kann gegen den Willen eines Elternteils auch bei einer erheblichen Störung der elterlichen Kommunikation gerichtlich angeordnet werden, wenn das Wechselmodell bereits seit geraumer Zeit tatsächlich gelebt wird, es dem beachtlichen Willen des Kindes entspricht und nachteilige Auswirkungen auf das Kind nicht feststellbar sind (OLG Dresden, Beschluss vom 14.04.2022 - 21 UF 304/21).

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Eine gerichtliche Anordnung kann auch in einer vorangegangenen Entscheidung gesehen werden, mit der der Antrag auf Änderung der gesetzlichen Sorgerechtsverhältnisse zurückgewiesen wurde. Es gibt keinen Grund, die Kontinuität der Lebens- und Erziehungsverhältnisse eines Kindes nur dann zu schützen, wenn die abzuändernde Entscheidung ihrerseits eine Veränderung des vorherigen Zustandes bewirkt hatte. Vielmehr muss § 1696 BGB seine Stabilisierungsfunktion auch dann entfalten, wenn mit dem neuen Antrag die Korrektur einer zuvor ablehnenden Entscheidung begehrt wird. Aus Sicht des Kindes und der Antragsgegnerin macht es keinen Unterschied, ob die Kontinuität und Stabilität, auf die sie vertrauen wollen und dürfen, Folge einer positiven Entscheidung des Familiengerichts ist oder - wie hier - darauf beruht, dass ein Antrag des Vaters auf Änderung des Sorgerechts (hier: der Alleinsorge der Mutter nach § 1626a Abs. 3 BGB) durch gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen wurde (OLG Bamberg, Beschluss vom 22.03.2022 - 7 UF 21/22).

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Die Entscheidung über einen wiederholten Sorgerechtsantrag richtet sich nach § 1671 Abs. 1 BGB und nicht nach § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn ein auf Auflösung der elterlichen Sorge gerichteter Antrag gem. § 1671 Abs. 1 BGB zurückgewiesen wird. Die bei teilweiser Ablehnung eines Antrags gem. § 1671 Abs. 1 BGB fortbestehende gemeinsame elterliche Sorge beruht nicht auf dieser Gerichtsentscheidung. Die bloße Beibehaltung des vorherigen Rechtszustandes nach § 1671 Abs. 1 BGB ist begrifflich bereits keine Entscheidung bzw. Anordnung im Sinne des § 1696 Abs. 1 BGB (OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.10.2018 - 11 WF 188/18).

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Das bloße Inaussichtstellen einer Sorgerechtsvollmacht führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit einer Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Eine erteilte Sorgerechtsvollmacht ist im Allgemeinen kein geeignetes Mittel der Konfliktvermeidung und steht daher einer Sorgeübertragung gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB in aller Regel nicht dagegen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.12.2017 - II-1 UF 151/17).

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„... 3.2.1. Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB ist eine Entscheidung zum Sorgerecht nur abzuändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen erforderlich ist. Der Abänderungsmaßstab gemäß § 1696 Abs. 1 BGB fordert gegenüber den Anforderungen, die nach § 1671 BGB für die erstmalige Zuweisung des Alleinsorgerechts gelten, gesteigerte Anforderungen. Hieraus folgt, dass die Abänderung einer Sorgeentscheidung voraussetzt, dass die begehrte Regelung zunächst den sich aus § 1671 BGB ergebenden Anforderungen genügen muss. Gemäß § 1671 BGB kann jeder Elternteil, wenn die Eltern des Kindes nicht nur vorübergehend getrennt leben, beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge zur alleinigen Ausübung überträgt. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn entweder der andere Elternteil zustimmt oder zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Aus § 1671 BGB ergibt sich, dass, in Abweichung von der gemeinsamen elterlichen Sorge, das Sorgerecht dann einem Elternteil alleine zu übertragen ist, wenn das Kindeswohl dies erfordert. § 1671 BGB enthält insoweit kein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinn, dass eine Priorität zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge bestehen und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht kommen würde (vgl. BGH NJW 2008, 994; 2005, 2008; BVerfG FamRZ 2004, 354). Wenn also die Vergangenheit, insbesondere das Verhalten der Eltern nach der Trennung, gezeigt hat, dass die elterliche Sorge praktisch nicht funktioniert und auch keine begründete Hoffnung besteht, dass sich dies in Zukunft ändert, ist der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu geben (BGH NJW 2000, 203; 2008, 994). Wenn es feststeht, dass es aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist, die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und das Sorgerecht einem Elternteil alleine zu übertragen, sind bei der Beurteilung, welchem Elternteil das Sorgerecht zu übertragen ist, mehrere Gesichtspunkte abzuwägen. Insbesondere ist auf die Bindungen des Kindes an die Eltern und die Geschwister abzustellen. Darüber hinaus werden in Ausfüllung des Kriteriums Kindeswohl in Rechtsprechung und Schrifttum das Förderprinzip und der Kontinuitätsgrundsatz hervorgehoben.

Geht es um die Abänderung einer bestehenden gerichtlichen Entscheidung zur elterlichen Sorge, muss hinzukommen, dass es durch eine nicht nur vorübergehende Veränderung der für die vorangegangene Entscheidung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist, die bestehende Sorgerechtsregelung abzuändern. Zu verlangen ist, dass ein Abänderungsgrund von solcher Bedeutung vorliegt, dass er den Grundsatz der Erziehungskontinuität und die mit der Veränderung verbundenen Nachteile für die Entwicklung des Kindes deutlich überwiegt (vgl. OLG Köln FamRZ 2005, 1276; OLG Karlsruhe FPR 2002, 662, 663; OLG Frankfurt FamRZ 2014, 317; OLG Zweibrücken FamRZ 2010, 138).

Mit zunehmendem Alter des betroffenen Kindes kommt seinem nachhaltig geäußerten Willen zunehmende Bedeutung zu. Dies gilt auch dann, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser Wille - auch - auf Beeinflussung durch den anderen Elternteil beruht. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass es sich um einen manifesten, nachhaltig geäußerten Kindeswillen handelt, der nicht ohne erhebliche Gefährdung des Kindeswohls ignoriert werden könnte (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 1093). Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung u.a. ausgeführt: ‚... Hierbei ist in den Blick zu nehmen, dass das Kind mit der Kundgabe seines Willens von seinem Recht auf Selbstbestimmung Gebrauch macht (vgl. BVerfGK 15, 509 <515>) und seinem Willen mit zunehmenden Alter mehr Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGK 9, 274 <281; 10, 519, 524>)...'. Zwar betrifft die zitierte Entscheidung Umgangskontakte, die dargestellten Grundsätze gelten jedoch für den Fall eines dauerhaften Wechsel eines Kindes von dem einen Elternteil zum anderen umso mehr. In einer weiteren Entscheidung (FamRZ 2015, 210) hat das Bundesverfassungsgericht u.a. ausgeführt: ‚...Wie in sonstigen Sorgerechtsverfahren ist auch im Abänderungsverfahren nach § 1696 Abs. 1 BGB der Wille des Kindes zu berücksichtigen, soweit dies mit seinem Wohl vereinbar ist. Indessen bleibt es grundsätzlich dem erkennenden Gericht überlassen, welchen Weg es im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften für geeignet hält, um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (vgl. BVerfGE 55, 171 <182>). Insbesondere müssen die Gerichte nicht immer ein Sachverständigengutachten einholen, es kann ausreichen, dass sie anderweitig über eine möglichst zuverlässige Entscheidungsgrundlage verfügen (vgl. BVerfGK 9, 274 <279>)...'

3.2.2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Abänderungsantrag des Antragstellers keinen Erfolg haben.

Zunächst ist von ihm bereits eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse, diese müsste seit dem Anhörungstermin vor dem Senat im Verfahren 7 UF 1129/15 am 9.12.2015 eingetreten sein, nicht dargelegt. Der Antragsteller stützt seinen erneuten Abänderungsantrag vom 10.4.2016 im Wesentlichen auf Vorwürfe gegen die Mutter, welche er bereits seit dem im Jahr 2010 durchgeführten Abänderungsverfahren gegen diese erhebt. Dies betrifft insbesondere die angebliche generelle Erziehungsunfähigkeit der Mutter, deren psychische Erkrankung und die Probleme im Bereich des Umgangs, welche der Antragsteller von Anfang an alleine dem Verantwortungsbereich der Mutter zuweist. Auch die weiter von dem Antragsteller vorgebrachten Umstände, welche seinen Abänderungsantrag begründen sollen, waren bereits Gegenstand der vorangegangenen Abänderungsverfahren, sind in diesen Verfahren überprüft worden und haben zutreffenderweise keine Veranlassung gegeben, dem Antragsteller die elterliche Sorge für S... zu übertragen.

Erhebliches Gewicht hat, dass S... nunmehr seit Anfang August 2010 bei ihrer Mutter lebt. Der Kontinuitätsgrundsatz spricht daher, worauf auch das zuständige Jugendamt hingewiesen hat, für die Beibehaltung der bisherigen Sorgerechtsregelung. Auch der eindeutige Wille des bereits 9 Jahre alten Kindes steht der vom Antragsteller begehrten Sorgerechtsregelung entgegen. S... hat bei ihrer Anhörung durch den Senat einen durchaus aufgeweckten Eindruck hinterlassen. Benahm sie sich im Rahmen der Anhörung zunächst in Anbetracht der Umstände gefasst, sogar relativ locker, ändert sich dies schlagartig, als sie gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könne, auf Dauer beim Vater zu leben. Sofia brach augenblicklich in Tränen aus und bekundete unter verzweifeltem Schluchzen, dass sie auf keinen Fall beim Vater und seiner Ehefrau leben wolle, weil sie Angst vor dem Vater und seiner Ehefrau habe. Unter Schluchzen flehte S... die Mitglieder des Senats an, dafür zu sorgen, dass sie bei ihrer Mutter bleiben könne. Der Senat hat keinerlei Zweifel daran, dass S... bei ihrer Anhörung subjektiv echte und aus ihrem Innersten kommende Gefühle gezeigt hat. In Anbetracht des Alters des Kindes scheidet daher ein gegen seinen Willen erzwungener Wechsel zum Vater aus. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass S... nun bereits im Rahmen vieler Anhörungen über einen langen Zeitraum gegenüber verschiedenen Anhörungspersonen bekundet hat, noch nicht einmal mehr Umgangskontakte mit dem Vater ausüben zu wollen.

Bei dieser Situation müssten, um eine Übertragung der elterlichen Sorge auf den Vater rechtfertigen zu können, Umstände vorliegen, welche den sicheren Schluss zulassen würden, S... wäre bei einem Verbleib bei der Mutter nachhaltig und unmittelbar i. S. des § 1666 BGB gefährdet. Solche Gründe liegen jedoch nicht vor. Insbesondere sind keinerlei Hinweise auf eine psychische Erkrankung der Mutter, durch welche ihre Erziehungsfähigkeit in gefährdender Weise beeinträchtigt sein könnte, gegeben. Vielmehr haben die beiden in der Vergangenheit beauftragten Sachverständigen jeweils unabhängig voneinander festgestellt, dass eine wesentliche Beeinträchtigung der Erziehungsfähigkeit der Mutter durch psychische Auffälligkeiten nicht gegeben ist. Anhaltspunkte dafür, dass sich hieran seit der letzten Begutachtung etwas verändert haben könnte, sind von dem Antragsteller weder schlüssig dargelegt noch sonst feststellbar. Im Gegenteil hat die Antragsgegnerin in dem Anhörungstermin vor dem Senat am 30.11.2016 einen durchaus überlegten und gefassten Eindruck hinterlassen.

Schließlich teilt der Senat die Einschätzung des Amtsgerichts, dass sich mit einem Wechsel des Kindes zum Vater an der bedrückenden Situation S... nichts verbessern würde. Es kann ausgeschlossen werden, dass die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater und ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zum Vater geeignet wären, beruhigend auf den heillosen Streit zwischen den Eltern zu wirken. S... wäre deshalb auch nach einem Wechsel zum Vater weiterhin dem sie massiv belastenden Loyalitätskonflikt ausgesetzt. Damit ist ausgeschlossen, dass die von dem Antragsteller beantragte Änderung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes besser entsprechen würde als ein Verbleib bei der Mutter.

Außerdem muss berücksichtigt werden, dass eine wichtige Konstante in dem seit Jahren andauernden, ungewöhnlich heftig geführten Streit der Eltern die Bindung S... zu ihren Schwester L... und D... darstellt. Da ein Wechsel der Töchter L... und D... von der Mutter zum Vater nicht zur Diskussion steht, würde mit der begehrten Abänderung eine Geschwistertrennung einhergehen, welche unbedingt vermieden werden muss.

Die begehrte Sorgerechtsänderung kann nicht auf die zuletzt relativ schlechten schulischen Leistungen des Kindes gestützt werden. Dass die schulischen Probleme des Kindes nichts mit einer angeblich mangelnden Erziehungsfähigkeit der Mutter zu tun haben, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die schulischen Leistungen in früheren Zeiten besser waren, obwohl die elterliche Sorge für S... auch zu diesen Zeiten bereits alleine bei der Mutter lag. Das Absinken der schulischen Leistungen des Kindes stellt vielmehr eine exemplarische, in Anbetracht der Gesamtumstände fast notwendigerweise auftretende, Folge des seit Jahren anhaltenden Streits der Eltern und die dadurch verursachten Belastungen des Kindes dar. Die Entscheidung der Mutter, S... die letzte Schulklasse freiwillig wiederholen zu lassen, ist aus erzieherischen Gründen nicht zu beanstanden, spricht vielmehr wiederum für ihre Erziehungsfähigkeit.

In Anbetracht aller Umstände besteht keine Veranlassung, ein weiteres Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Umstände, welche eine erneute Begutachtung, mit welcher eine erneute und zusätzliche Belastung des Kindes S... verbunden wäre, erforderlich machen oder auch nur rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. ..." (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.11.2016 - 7 UF 1309/16)

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Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 ZPO) in einem vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG) beherrschten Sorgerechtsverfahren ist bereits dann gegeben, wenn das Familiengericht auf Grund des eingeleiteten Verfahrens den Sachverhalt zu ermitteln hat, ggfs. eine Regelung treffen muss und sich nicht darauf beschränken kann, den Antrag ohne Weiteres, also ohne jede Ermittlung und ohne jede Anhörung der Beteiligten, zurückzuweisen. Eine Entscheidung des Familiengerichts, die den Antrag der Kindeseltern auf Rückübertragung der elterlichen Sorge ohne ausreichende Darlegung, weshalb das Kindeswohl im Falle der Rückkehr des Kindes in den mütterlichen Haushalt gefährdet ist, zurückweist, wird den strengen verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Trennung des Kindes von seinen Eltern nicht gerecht (im Anschluss an BVerfG, 20. Januar 2016, 1 BvR 2742/15, FamRZ 2016, 439ff, bei juris Langtext Rn 13ff m.w.N.). Die Erziehungseignung von nicht mehr sorgerechtsberechtigten Kindeseltern und eine mögliche Gefährdung für das Wohl des Kindes bei dessen Herausnahme aus der Pflegefamilie können regelmäßig nicht schon im Verfahren auf Prüfung der Verfahrenskostenhilfe abschließend beurteilt werden (OLG Hamm, Beschluss vom 16.08.2016 - II-2 WF 46/16).

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Die nach dem Erlass einer Entscheidung zur elterlichen Sorge in Kraft getretene Änderung des § 1626a II BGB hat die Rechtslage wesentlich verändert und kommt als triftiger Grund für eine Änderung der Entscheidung in Betracht (§ 1696 I 1 BGB). Mit der gesetzlichen, wenn auch widerleglichen Vermutung des Vorzuges der gemeinsamen Sorge (§§ 1626a II BGB, 155a FamFG) ist ein rechtlich verbindliches Leitbild errichtet. Dem entspricht es, einer nach § 1696 I 1 BGB zu prüfenden Änderung mit dem Antragsziel der gemeinsam Sorge überwiegende Vorteile zuzuschreiben, wenn dies in den konkreten Verhältnissen des Einzelfalles irgendeine Bestätigung findet (OLG Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2015 - 13 UF 240/14).

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„... Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Mit dem im Tenor näher bezeichneten Beschluss hat das Amtsgericht den von der Antragsgegnerin zuletzt in der Sitzung vom 30.08.2012 noch verfolgten sinngemäßen Antrag, ihr in Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 06.06.2007 - 41 F 360/06 - das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das gemeinsame Kind allein zu übertragen, zu Recht und mit zutreffender Begründung zurückgewiesen.

Zu dieser Entscheidung im schriftlichen Verfahren sieht sich der Senat nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG befugt und veranlasst, weil zur abgetrennten Folgesache „Elterliche Sorge" erstinstanzlich mehrmals verhandelt und das Kind K auch mehrmals und zeitnah angehört worden ist und von der Wiederholung dieser Verfahrenshandlungen keine weiteren Erkenntnisse zu erwarten sind. Zwar ist auch ein Kind, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gemäß § 159 Abs. 2 FamFG persönlich anzuhören, wenn die Neigungen, Bindungen oder der Wille des Kindes für die Entscheidung von Bedeutung sind oder wenn eine persönliche Anhörung aus sonstigen Gründen angezeigt ist. Diesem Gebot hat das Amtsgericht ungeachtet von in früheren Jahren mehrmals durchgeführten entsprechenden Verfahrenshandlungen durch die persönlichen Anhörungen am 21.08.2012 und am Folgetag genügt. Der Senat verkennt nicht, dass die Verpflichtung zur persönlichen Anhörung des Kindes grundsätzlich auch für das Beschwerdegericht gilt, die nochmalige persönliche Anhörung also die Regel ist. Von diesem Grundsatz kann nach der Auffassung des Senats indessen eine Ausnahme gemacht werden, wenn neue entscheidungserhebliche Tatsachen nicht vorgetragen sind, eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts nicht eingetreten ist und weder der Zeitablauf noch sonstige Gründe die nochmalige Anhörung des Kindes geboten erscheinen lassen (vgl. : Engelhardt in Keidel, FamFG, 17. Auflage, § 159 Rn. 22). So liegt der Fall hier. Das Kind ist im ersten Rechtszug noch zeitnah zur Beschwerdeentscheidung in gehöriger Form angehört worden ist, die Anhörung ist in Anwesenheit weiterer zwei „neutraler" Personen (der Verfahrensbeiständin und des Sachverständigen Prof. Q) erfolgt und auch diese haben die Erklärungen des Kindes bei der Anhörung ausweislich des Sitzungsprotokolls als deutlich und ernsthaft beurteilt. Zudem wurde K auch noch zeitlich danach zu seinem Willen befragt, nämlich durch die Verfahrensbeiständin, die diesen in ihrer an den Senat gerichteten Stellungnahme vom 12.12.2012 gleichbleibend dokumentiert hat, wie auch durch den für ihn in dem auf Anzeige der Antragsgegnerin vom 30.08.2012 gegen den Antragsteller wegen des Verdachts des Missbrauchs von Schutzbefohlenen von der Staatsanwalt Bonn zum Aktenzeichen 773 Js 275/12 eingeleiteten Ermittlungsverfahren bestellten Ergänzungspfleger Rechtsanwalt C, wozu sich dessen an das Familiengericht zur Ergänzungspflegschaftssache 454 F 57/12 des Amtsgerichts Bonn gerichteter Bericht vom 13.11.2012 über ein persönliches Gespräch mit K am 12.11.2012 verhält und in dem ebenfalls von einem gleichbleibenden Willen des Kindes die Rede ist. Änderungen im Tatsächlichen oder Rechtlichen sind nicht dargetan und nicht ersichtlich.

Der angefochtene Beschluss erscheint dem Senat uneingeschränkt richtig. Zur Begründung wird zunächst auf dieses Erkenntnis (Bl. 936 ff. GA) Bezug genommen. Die von der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Beschwerde erhobenen Einwendungen rechtfertigen eine abweichende Entscheidung nicht.

Die Begründetheit des Abänderungsbegehrens der Antragsgegnerin setzt gemäß § 166 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 1696 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass eine Änderung der von dem Amtsgericht in seinem Beschluss vom 06.06.2007 zum Sorgerecht für das Kind K getroffenen Regelung aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Solche Gründe, die es rechtfertigen könnten, dem Antragsteller das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu nehmen und es gegenteilig (entsprechend dem Beschwerdeantrag einschließlich der Verantwortung für Gesundheits- und Schulangelegenheiten) auf die Antragsgegnerin zu übertragen, sind nicht gegeben.

(1) Der Antragsgegnerin ist einzuräumen, dass der Wille eines zum Zeitpunkt seiner Anhörung elfjährigen Kindes durchaus einen triftigen Grund im Sinne der genannten Vorschriften darstellen kann. Dessen Ermittlung durch Anhörung gewährleistet einerseits die Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung des Kindes und kann andererseits seine persönlichen Bindungen zu seinen Familienmitgliedern erkennbar werden lassen. Die von der Antragsgegnerin beanstandete Feststellung des Amtsgerichts, K habe seinen Willen mehrfach, konkret, deutlich und glaubhaft dahingehend bekundet, er wolle dauerhaft beim Vater bleiben, findet indessen keine Stütze.

(1.1) Die protokollierte Mitteilung des Ergebnisses der Anhörung des Kindes, zuerst am 21.08.2012 und sodann am Folgetag, ist insoweit unmissverständlich. Danach hat K im ersten Termin, zu dem ihn seiner Vater brachte, erklärt, dass er keine Veränderung seiner Lebensverhältnisse wünsche, und hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er weiterhin bei dem Vater leben möchte. Bei diesen Erklärungen ist K in dem Folgetermin, zu dem ihn nunmehr die Kindesmutter brachte, auf mehrmaliges Fragen des Amtsrichters geblieben.

Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die Verfahrensbeiständin, die bei den Anhörungen zugegen war, die Erklärungen des Kindes entsprechend dem protokollierten Inhalt der Mitteilungen des Amtsgerichts bestätigt. Auch der zur Anhörung hinzugezogene Sachverständige Prof. Q hat die Ernsthaftigkeit des von dem Kind bei den Anhörungen geäußerten Willens bestätigt; danach konnte sich das Kind gut ausdrücken und gut formulieren und hat deutlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht, dass nichts geändert werden solle; aus seiner Sicht haben sich keine Anzeichen dafür ergeben, dass dieser geäußerte Wille nicht der wahre Wille des Kindes ist, dass also der geäußerte Wille fremd gesteuert oder beeinflusst war.

Die diesbezügliche Feststellung durch das Amtsgericht findet ihre Bestätigung letztlich auch durch die Stellungnahme der Verfahrensbeiständin vom 12.12.2012 und den Bericht einer weiteren "neutralen" Person, nämlich des dem Kind im Ermittlungsverfahren bestellten Ergänzungspflegers vom 13.11.2012. Beide haben unabhängig voneinander ein Gespräch mit K in Abwesenheit anderer Personen geführt und den unmissverständlichen Willen des Kindes dokumentiert, ihn beim Vater leben zu lassen.

(1.2) Soweit die Antragsgegnerin weiterhin die Auffassung vertritt, der wahre Wille des Kindes gehe dahin, lieber bei ihr zu leben, vermag sich der Senat dieser Bewertung in Anbetracht der Eindeutigkeit des Sitzungsprotokolls und der angeführten weiteren zwei Berichte nicht anzuschließen. Soweit sie aus dem Protokoll zitiert und dazu meint, dies sei nicht die Sprache von elfjährigen Kindern, zitiert sie zunächst nicht korrekt, da sich in dem Sitzungsprotokoll eine zusammenhängende Passage wie in der Beschwerdebegründungsschrift wiedergegeben nicht findet. Entscheidend ist, dass es sich ersichtlich nicht um ein Wortprotokoll über die Anhörung des Kindes handeln soll, da das Ergebnis der Anhörung des Kindes durch den Familienrichter beim Amtsgericht in indirekter Rede und damit ersichtlich mit dessen Ausdrucksweise versetzt wiedergegeben und protokolliert ist.

Dass das Kind der Antragsgegnerin gegenüber immer wieder erklärt haben soll, es wolle lieber bei ihr leben, hat das Amtsgericht ausdrücklich für durchaus möglich gehalten. Dieses Verhalten von K findet denn auch tatsächlich seine Bestätigung in der Stellungnahme der Verfahrensbeiständin vom 12.12.2012; danach befindet sich K in einem für ihn unlösbaren Loyalitätskonflikt gegenüber beiden Eltern. Gegenüber seiner Mutter hat er erklärt, er wolle bei ihr leben; der Grund für dieses „widersprüchliche" Verhalten findet sich in dem Zugeständnis des Kindes, dass er seiner Mutter gegenüber gegenteilige Äußerungen gemacht hat, um diese nicht zu verletzen. Dementsprechende Erklärungen hat das Kind auch gegenüber dem Ergänzungspfleger gemacht, wie sein Bericht vom 13.11.2012 belegt. Diese für das Wohl des Kindes sicherlich missliche Situation vermag indessen keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit dessen Erklärungen gegenüber inzwischen vier „neutralen" Personen einschließlich des Familienrichters zu begründen.

Zweifel an der Ernsthaftigkeit seines nach vorstehender Maßgabe wiedergegebenen Willens ergeben sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht deswegen, weil K bei Anhörungen in 2007 und 2008, am 10.08.2010, und zuletzt noch im Oktober 2011 auch gegenüber dem Familienrichter erklärt haben soll, er wolle lieber bei seiner Mutter leben. Wenn es denn so gewesen ist, ist der Entscheidung auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen zugrunde zu legen, dass sich der Wille des Kindes in der Zwischenzeit geändert hat und das Kind bei seinem geäußerten Willen jedenfalls seit August 2012 auch geblieben ist.

Soweit die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Bewertung das Ergebnis der mündlichen Anhörung der zunächst als Sachverständigen beauftragten Frau Prof. Dr. L in der Sitzung vom 21.11.2010 (siehe Blatt 674 ff. GA) anführt, gilt dasselbe. Im Übrigen vermag der Senat die Richtigkeit dieses Vorbringens aufgrund der Aktenlage nicht nachzuvollziehen; eine Entäußerung dieser Sachverständigen dahingehend, K habe damals geäußert, lieber bei der Mutter zu leben, und die Kindesmutter solle das alleinige Sorgerecht bekommen, findet sich in dem Protokoll nicht.

(1.3) In verfahrensrechtlicher Hinsicht bedarf es nicht der Einholung eines "fundierten" psychologischen Fachgutachtens zur Frage der Ernsthaftigkeit des von K bei den Anhörungen am 21. und 22.08.2012 geäußerten Willens. Gegenüber mehreren „neutralen" Personen hat er wie oben ausgeführt erklärt, er wolle beim Vater leben, und diese haben seine Erklärungen übereinstimmend für deutlich, ernsthaft, unbeeinflusst und wahrhaft befunden.

(2) Auch weitere das Kindeswohl betreffende Kriterien lassen auf einen triftigen Grund zur Abänderung der Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht beim Kindesvater nicht erkennen. Die Erziehungsfähigkeit jedenfalls des Kindesvaters wird nicht ernsthaft, jedenfalls nicht auf verifizierbaren Tatsachen gründend in Zweifel gezogen; das auf Anzeige der Antragsgegnerin zum Nachteil des Antragstellers eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Missbrauchs von Schutzbefohlenen wurde von der Staatsanwaltschaft Bonn aufgrund Verfügung vom 19.11.2012 mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und auch im vorliegenden Verfahren hat die Antragsgegnerin keine verifizierbaren Tatsachen vorgetragen, die die erhobenen Vorwürfe tragen könnten. Der Kontinuitätsgrundsatz spricht gegenteilig für die Beibehaltung der bisherigen Regelung zum Aufenthaltsbestimmungsrecht, weil K. bei dem Kindesvater unstreitig seit dem Jahr 2006 lebt. Der Entscheidung kann zugrunde gelegt werden, dass die emotionale Beziehung des Kindes zur Mutter stark ausgeprägt ist. Dieser Tatsache kann durch entsprechende Ausgestaltung des Umgangsrechts, über das der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu erkennen hat, hinreichend Rechnung getragen werden. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 05.02.2013 - 4 UF 188/12)

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„... Zu Recht hat das Amtsgericht dem Kindesvater im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden gemeinsamen Töchter gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB übertragen. Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss. Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung.

Soweit die Antragsgegnerin einen Verfahrensfehler des Familiengerichts bei Erlass der einstweiligen Anordnung rügt, so wäre dieser jedenfalls im Beschwerdeverfahren geheilt. Der Einwand der Antragsgegnerin, das Amtsgericht habe bei seiner Entscheidung verkannt, dass für die zu treffende Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht der strenge Maßstab des § 1696 BGB und nicht die (einfache) Kindeswohlprognose des § 1671 Abs. 2 BGB gilt, greift nicht durch.

Es ist bereits zweifelhaft, ob der Vergleich vom 27.6.2012 überhaupt eine verbindliche Regelung zum Sorgerecht im Sinne des § 1696 Absatz 1 BGB enthält. Die Eltern haben in der vorgenannten Vereinbarung lediglich festgelegt, dass der Lebensmittelpunkt der Kinder bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren im Haushalt der Mutter sein soll. Eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts im Rechtssinne kann durch eine Vereinbarung der Eltern nicht erfolgen, da die Eltern über die elterliche Sorge nicht disponieren können. Vielmehr hätte es hierfür einer gerichtlichen Entscheidung gemäß § 1671 Abs. 2 BGB bedurft, die bis zu der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts vom 14.11.2012 nicht erfolgt ist. Selbst eine familiengerichtliche Billigung von Vereinbarungen der Eltern reicht nicht aus, um in den gesetzlichen Sorgestatus einzugreifen. Dementsprechend vertritt das Kammergericht (Beschluss vom 5.4.2012 - 17 UF 50/12 - m. w. N.; zitiert nach juris; Leitsatz veröffentlicht in FamRZ 2013,46) die Auffassung, dass der Abänderungsmaßstab des § 1696 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht eingreift, solange trotz einer gerichtlich gebilligten Elternvereinbarung die kraft Gesetzes bestehenden Sorgeverhältnisse unverändert fortgelten.

Der Senat kann im vorliegenden Fall offen lassen, ob er sich der Auffassung des Kammergerichts uneingeschränkt anschließt. Denn jedenfalls steht einer Anwendung des § 1696 Abs. 1 BGB auf den Vergleich der Eltern vom 27.6.2012 entgegen, dass es sich nur um eine ausdrücklich vorläufige Regelung zum Aufenthalt der Kinder bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens handelt.

Der Vergleich wurde zur Erledigung des einstweiligen Anordnungsverfahrens getroffen. Eine gerichtliche Entscheidung in einer einstweiligen Anordnungssache könnte gemäß § 54 Abs. 1 FamFG indes abgeändert werden, ohne dass die besonderen Voraussetzungen des § 1696 BGB vorliegen müssten. Die Gleichstellung von gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen in § 1696 BGB beruht auf der gerichtlichen Billigung. Lässt § 54 FamFG eine Abänderung einer gerichtlichen Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren ohne besondere Voraussetzungen zu, so muss dies erst recht für Vergleiche gelten, deren besonderer Bestandsschutz nur auf der gerichtlichen Billigung beruht; zumal vorliegend nicht einmal eine ausdrückliche Billigung durch das Familiengericht erfolgt ist. Der strenge Abänderungsmaßstab des § 1696 BGB bezweckt, die Beteiligten, insbesondere das betroffene Kind, vor Belastungen durch ein beliebiges Wiederaufrollen von Sorgerechts- und Umgangsentscheidungen zu schützen. Ein solcher Schutz ist dem einstweiligen Anordnungsverfahren, dessen Entscheidungen nur auf einer summarischen Prüfung beruhen und per se vorläufig sind, fremd, wie auch die Vorschrift des § 54 FamFG zeigt.

Maßstab für die vom Kindesvater beantragte vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die gemeinsamen Töchter ist somit § 1671 Abs. 2 BGB. Da die Eltern sich derzeit nicht einigen können, wo die Kinder sich bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufhalten sollen, bedarf es einer gerichtlichen Entscheidung.

Nach den ausführlichen Berichten des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin, dem Inhalt der Sitzungsprotokolle vom 27.6.2012 in dem Verfahren 19 F 109/12 und vom 31.10.2012 in dem Verfahren 19 F 116/12 sowie unter Würdigung aller übrigen Umstände ist der Senat nach der gebotenen summarischen Prüfung im einstweiligen Anordnungsverfahren überzeugt, dass eine vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für B und J auf den Kindesvater dem Kindeswohl am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Bei der Entscheidung, welchem Elternteil das Sorgerecht oder ein Teil der elterlichen Sorge - hier das Aufenthaltsbestimmungsrecht - zu übertragen ist, kommen dem Kindeswillen, der Kontinuität, der Erziehungskompetenz, der Bindungstoleranz sowie der Geschwisterbindung besondere Bedeutung zu.

Wie die Kindesmutter nicht in Abrede stellt, hat die achtjährige B sich wiederholt für einen Aufenthalt beim Vater ausgesprochen. Frau G, die dem Senat als erfahrene Verfahrensbeiständin bekannt ist, konnte bei ihren Besuchen feststellen, dass auch die vierjährige J sehr vertraut mit dem Vater umgeht und sich ebenfalls in seinem Haushalt wohlfühlt. Eine Trennung der Schwestern während des einstweiligen Anordnungsverfahrens ist in jedem Fall zu vermeiden. Nach dem Auszug der Kindesmutter und dem Wiedereinzug des Antragsgegners in die eheliche Wohnung steht den Kindern nach dem Wechsel in den väterlichen Haushalt wieder das gewohnte häusliche Umfeld bis zur Entscheidung in der Hauptsache zur Verfügung. Sie können ihr vollständig eingerichtetes Kinderzimmer in der früheren Ehewohnung sowie die Spielmöglichkeiten im Hof des Miethauses nutzen. Nach den Berichten des Jugendamts und der Verfahrensbeiständin hat der Senat keine Zweifel, dass die beiden Mädchen vom Vater gut versorgt und betreut werden. Der Vater ist aufgrund seiner Deutschkenntnisse in der Lage, die Mädchen angemessen zu fördern. Regelmäßiger Umgang der Mädchen mit der Mutter am Wochenende sowie zusätzlich in der Woche findet statt, so dass keine Bedenken gegen die Bindungstoleranz des Vaters bestehen.

Demgegenüber gibt das emotional aufgewühlte Verhalten der Kindesmutter bei zwei Hausbesuchen des Jugendamts Anlass, die Erziehungsfähigkeit der Kindesmutter im Rahmen des vom Amtsgericht angeforderten Sachverständigengutachtens im Hauptsacheverfahren näher aufzuklären. Mit Befremden hat der Senat zudem aus dem Bericht der Verfahrensbeiständin zur Kenntnis genommen, dass die Kindesmutter trotz der von ihr eingelegten Beschwerde beabsichtigte, Mitte Januar für 2-3 Wochen zu ihrer Familie nach Estland zu fahren. Im Falle einer positiven Entscheidung über ihre Beschwerde wäre somit eine Betreuung und Versorgung der Kinder durch die Kindesmutter überhaupt nicht sichergestellt.

Der Grundsatz der Kontinuität gebietet keine andere Entscheidung. Die in dem Termin vom 27.6.2012 getroffene Vereinbarung zum Aufenthalt der Kinder bei der Mutter erfolgte nur wenige Wochen nach der räumlichen Trennung der Eltern am 11.6.2012. Das Familiengericht hatte das einstweilige Anordnungsverfahren nach dem gesetzlichen Beschleunigungsgebot zeitnah terminiert. Angesichts der Kürze der Zeit bis zum Termin am 27.6.2012 konnten nur sehr eingeschränkte Feststellung zum Sachverhalt getroffen werden. Inzwischen liegen aufgrund der mündlichen und schriftlichen Berichte des Jugendamts und der am 2.7.2012 bestellten Verfahrensbeiständin weitere Erkenntnisse vor. Im Übrigen wurde die angefochtene einstweilige Anordnung des Amtsgerichts zeitnah vollzogen mit der Folge, dass die beiden Kinder seit dem 16.11.2012 im Haushalt des Vaters leben. Eine Aufhebung der einstweiligen Anordnung im Beschwerdeverfahren hätte somit zur Folge, dass die beiden Mädchen erneut den Aufenthaltsort wechseln müssten. Ein mehrfaches Hin- und Herwechseln der Kinder bis zur Entscheidung in der Hauptsache gilt es aber zu vermeiden.

Unter nochmaliger Abwägung aller Umstände entspricht es dem Wohl von B und J am besten, es bei der einstweiligen Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu belassen.

Gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG hat der Senat von einer mündlichen Verhandlung abgesehen, nachdem erstinstanzlich mündlich verhandelt wurde und von einer erneuten Verhandlung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Auf eine Kindesanhörung im Beschwerdeverfahren konnte verzichtet werden, obwohl nicht erkennbar ist, dass das Familiengericht die beiden Mädchen vor der Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren persönlich angehört hat. Dass B wiederholt den Willen geäußert hat, beim Vater zu leben, ist unstrittig. Dem Willen der 4-jährigen J kommt unter Würdigung aller Umstände für die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren keine maßgebliche Bedeutung zu. Die persönliche Anhörung beider Mädchen durch das Familiengericht wird im Hauptsacheverfahren nachzuholen sein. ..." (OLG Köln, Beschluss vom 31.01.2013 - 4 UF 233/12)

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Im Rahmen eines - letztlich von Amts wegen eingeleiteten - Abänderungsverfahrens nach § 1696 BGB bedarf es einer gerichtlichen Sachentscheidung, die auch darin bestehen kann, dass keine Veranlassung besteht, die Ausgangsentscheidung zu ändern (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.01.2013 - 4 UF 143/12).

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Kein Beschwerderecht der vormals alleinsorgeberechtigten Mutter, wenn das Familiengericht das Sorgerecht in einem neuen Verfahren nunmehr vom Amtsvormund auf den leiblichen Vater des Kindes überträgt (OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.06.2012 - 3 UF 37/12 zu §§ 1680 II 2, 1696 I BGB, § 59 I FamFG).

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Zum Verfahrensgegenstand eines Sorgerechtsverfahrens bei Inzidentprüfung einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung. Einer ausländischen Sorgerechtsentscheidung ist nicht wegen Verstoßes gegen den ordre public die Anerkennung zu versagen, nur weil die Kindesanhörung nicht durch das Gericht persönlich, sondern durch eine Gutachterin erfolgt ist ( OLG Oldenburg, Beschluss 30.04.2012 - 4 UF 14/12):

„... Die Entscheidung des High Court of South Africa (North Gauteng High Court, Pretoria) vom 08. April 2011 ist wirksam und für die deutschen Gerichte bindend. Abänderungsgründe im Sinne des § 1696 BGB, wonach der Mutter nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Sorgerecht die gemeinsame Sorge mit dem Vater zu übertragen sein könnte, liegen nicht vor. Im Übrigen wäre dem Vater nach § 1696 BGB jedenfalls nunmehr die Alleinsorge zu übertragen, wäre der Entscheidung die Anerkennung zu versagen.

1. Der Senat ist überzeugt, dass die Entscheidung des High Court of South Africa vom 08. April 2011 tatsächlich so ergangen ist, wie vom Antragsgegner vorgetragen. Er teilt die Zweifel der Antragstellerin nicht, hält sie im Gegenteil für abwegig. Der High Court hatte im Verhandlungstermin im März 2011 der Antragstellerin Gelegenheit gegeben, noch einmal die Kinder begutachten zu lassen und für Anfang April die Abschlussentscheidung angekündigt. Es lagen zwei Gutachten vor, die sich dafür aussprachen, dass der Vater mit den Kindern nach Deutschland zieht. Danach ist nicht erklärlich, warum sich der Antragsgegner in dieser Situation zu einer Fälschung der Entscheidung entschließen sollte, völlig unklar bliebe, warum das Gericht entgegen seiner Ankündigung nicht entschieden haben sollte und letztlich die Antragstellerin davon keine Kenntnis erhalten haben sollte bzw. von einer tatsächlich abweichenden Entscheidung des High Court nichts gehört haben sollte. Zumal in letzterem Fall anzunehmen gewesen wäre, dass die Antragstellerin alles getan hätte, die Ausreise zu verhindern. Insofern fügt es sich auch ins Bild, dass die Antragstellerin erstmals 1 Jahr nach der Verhandlung in Südafrika in der Beschwerdeinstanz nach dem Wechsel ihres Verfahrensbevollmächtigten auf die Idee verfallen ist, die Existenz der Sorgerechtsentscheidung des High Court in Zweifel zu ziehen, nachdem sie noch am 18.10. 2011 gegenüber der Ergänzungspflegerin erklärt hat, sie (Bericht der Ergänzungspflegerin vom 25.10.2011) habe das südafrikanische Urteil aus Geldmangel nicht anfechten können; zudem hätte ein Rechtsmittel zu viel Zeit erfordert (Ziff.5 des Berichts, Bl. 167 / I d.A,). Der Senat hatte auf diesen Umstand hingewiesen. Die Antragstellerin hat sich zu diesem Widerspruch nicht erklärt.

Die e-mail einer Frau S…., die erfolglos beim High Court um eine Ausfertigung der Entscheidung nachgesucht haben will, beweist insoweit nichts.

Der südafrikanischen Entscheidung ist auch nicht nach § 109 Abs.1 Nr.2 FamFG die Anerkennung zu versagen, weil der Antragstellerin das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden wäre, denn die Antragstellerin hat sich zur Hauptsache im Verfahren hinreichend äußern können. Am 18. März 2011 im ersten Termin war sie durch ihre Anwälte vertreten, im Abschlußtermin am 08. April 2011 hat sie ihre Rechte nach eigenem Vortrag selbst wahrgenommen. In der Zwischenzeit hatte sie sich zudem mehrfach gegenüber der Gutachterin äußern können. In diesem Fall kommt es auf die Frage, ob ihr der verfahrenseinleitende Schriftsatz zugestellt ist, im Ergebnis nicht an. Nur vorsorglich sei darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zudem eingeräumt hat, den Schriftsatz jedenfalls in der Form erhalten zu haben, wie sie ihn als Anlage 2 zur Akte gereicht hat. Danach war sie im Bilde, dass der Antragsgegner mit den Kindern Aufenthalt in Deutschland nehmen wollte und sie insoweit Umgang haben sollte.

Im Ergebnis hält es der Senat auch nicht für geboten, der Entscheidung die Anerkennung zu versagen, weil der verfahrenseinleitende Antrag des Vaters nur auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bei im Übrigen gemeinsamer Sorge gerichtet war und das Gericht dann am 08.04.2011 die „primary responsibilities and rights" im Ganzen auf den Kindesvater übertragen hat. Wenn, wie hier, ein Elternteil mit den Kindern das Land verlassen will und sich der andere Elternteil dem widersetzt und im Lande bleiben will, muss allen Verfahrensbeteiligten klar sein, dass auch immer eine Übertragung des Sorgerechts im Ganzen im Raum steht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin kann der Senat darin nicht erblicken, jedenfalls nicht in einem solchen Maße, dass es geboten wäre, der Entscheidung des High Court die Anerkennung zu versagen, zumal die Antragstellerin nicht dargetan hat, dass über diesen Gesichtspunkt nicht verhandelt worden wäre und inwieweit sie sich durch diesen Umstand in ihren Rechten verletzt gesehen hat, also inwieweit sie anderes vorgetragen oder geltend gemacht hätte.

Die Entscheidung des High Court of South Africa verstößt nicht gegen den ordre public (§ 109 Abs. 1 Nr.4 FamFG), weil die Kinder nicht angehört worden wären.

Der Antragstellerin ist darin zuzustimmen, dass die Anhörung der Kinder, um ihren Willen zu erforschen und eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu ermöglichen, ein fundamentales Prinzip des deutschen Sorgerechtsverfahrens darstellt. Dem entspricht, dass in den wesentlichen supra- und internationalen Regelungen sinngemäß vorgesehen ist, dass bei unterbliebener Anhörung des Kindes der ausländischen Sorgerechtsentscheidung die Anerkennung zu versagen ist, wenn die Anhörung ein wesentliches Verfahrensprinzip des Anerkennungsstaates darstellt (vgl. Art 23 lit b der VO Brüssel IIa, EG Nr. 2201/2003 vom 27.11. 2003, vgl. Art 23 Abs.2 lit b KSÜ) . Dementsprechend versagen deutsche Gerichte zutreffend unter Hinweis auf den ordre public die Anerkennung, wenn eine Anhörung unterblieben ist (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2011, OVG 3 B 8/08 1.b.cc) der Urteilsgründe - Juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2006 - 1UF 40/04 NJOZ 2006, 2652, 2654 a.E. f.; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2008, 12 UF 203/07 - Juris Rn.37 ff; vgl. im Übrigen in diesem Sinne MünchKomm-Rauscher, FamFG, 3. Aufl., § 109 Rn.39).

Hier hat indessen eine Anhörung der Kinder stattgefunden und zwar durch die Gutachterin, und zwar eine Woche vor der Entscheidung des High Court. Wie dem vorliegenden Gutachten der Sachverständigen S… zu entnehmen ist, hat sie den Kindeswillen erforscht und diesen dem Gericht in dem Gutachten ausführlich mitgeteilt (vgl. Ziff 4 des Gutachtens vom 06.April 2011, S.4 - 11). Im Gutachten ist explizit das Gespräch mit den Kindern wiedergegeben, die sich dafür ausgesprochen haben, mit dem Vater nach Deutschland zu gehen. Der High Court hat seine Entscheidung damit entgegen der Annahme der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Kindeswillens getroffen.

Sofern die Antragstellerin meinen sollte, der Entscheidung sei deshalb die Anerkennung zu versagen, weil die Anhörung nicht durch den Richter persönlich durchgeführt worden ist, wie dies das deutsche Recht vorsieht bzw. durch die höchstrichterliche Rechtsprechung für den gesamten Spruchkörper postuliert wird, ist diese Sichtweise nicht zutreffend. Vorrangiger Sinn des § 159 FamFG ist es, verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass der Kindeswille zuverlässig festgestellt und im Verfahren berücksichtigt wird. Dieses Ziel wird auch erreicht, wenn der Kindeswille in der Weise festgestellt wird, dass das Kind durch andere sachkundige Stellen angehört wird und diese dem Gericht das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitteilen, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen. Nach Ansicht des Senates handelt es sich auch insoweit um den Mindeststandard, der gewahrt sein muss, damit eine ausländische Entscheidung die inländische Anerkennung erfahren kann. Dem entspricht Art 12 Abs. 2 der UN-Kinderrechtskonvention, der festlegt, dass der Kindeswille nicht nur durch unmittelbare Anhörung sondern auch durch Anhörung eines Vertreters oder durch Anhörung vor geeigneten staatliche Stellen, ermittelt werden kann.

Soweit das deutsche Verfahrensrecht darüber hinaus, die persönliche Anhörung durch das Gericht verlangt und demgemäß die Äußerung gegenüber einem Sachverständigen regelmäßig nicht ausreichen lässt (§ 159 FamFG bzw. § 50 b FGG a.F.), wird der Zweck gemeinhin darin gesehen, dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, das Gutachten aus eigener Anschauung kritisch würdigen zu können, und darin sicherzustellen, dass das Kind als Betroffener im Verfahren zu Wort kommt (BayObLG Beschluss vom 11.06.1997 1Z BR 74/97 -Juris Rn.11). Diese Erwägungen des deutschen Gesetzgebers erscheinen dem Senat indessen nicht als so bedeutsam in ihren Auswirkungen für die Rechte der Verfahrensbeteiligten, als dass es geboten wäre, die persönliche Anhörung durch das erkennende Gericht zum absoluten Mindeststandard der internationalen Urteilsanerkennung in Sorgerechtssachen zu machen, solange die Kindesanhörung zeitnah durch kompetente Stellen für das Gericht durchgeführt und diesem das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitgeteilt wird, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen.

Damit ist die Beschwerde schon deshalb zurückzuweisen, weil die Entscheidung des High Court, mit welcher dem Antragsgegner das Sorgerecht zugewiesen worden ist, für die inländischen Gerichte bindend ist und - wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat- Gründe nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Recht für eine Abänderung zu Gunsten der Antragstellerin nicht bestehen (§ 1696 BGB).

Soweit der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin meint, auf die letztgenannte Frage komme es nicht an (die Hinweise des Senates seien „völlig überflüssig"), beruht dies auf einer Verkennung des Verfahrensgegenstandes.

Gegenstand dieses Verfahrens ist nicht die isolierte Frage, ob die Entscheidung des südafrikanischen High Courts anerkennungsfähig ist, sondern die Frage, wem heutigentags auf der Grundlage deutschen Rechts das Sorgerecht zusteht. Denn beide Eltern haben sich an das Familiengericht gewandt, um die Alleinsorge für die Kinder zu erhalten. Weil die Frage strittig war, welche Wirkung die südafrikanische Sorgerechtsentscheidung hat, haben die Parteien mit Feststellungsanträgen operiert, durch ihre Hilfsanträge, mit denen sie für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Hauptanträge die jeweilige Übertragung von Sorgerechten auf sich allein beantragt haben, aber zum Ausdruck gebracht, dass sie die jeweils alleinige Inhaberschaft der Personensorge erstreben, entweder durch deklaratorische Feststellung oder aber, sofern ihr jeweiliges Regelungsziel so nicht zu erreichen ist, durch gestaltende Zuweisung des Sorgerechts durch das Familiengericht. Andernfalls hätte beispielsweise eine Anhörung der Kinder auch gar keinen Sinn ergeben.

Damit war das Familiengericht, weil eine Sorgerechtsentscheidung deutschen Rechts zum aktuellen Zeitpunkt erstrebt war, gehalten, auf der Grundlage deutschen Rechts zudem zu prüfen, ob nach § 1696 BGB das Sorgerecht gemäß dem Hilfsantrag auf die Antragstellerin zu übertragen war, was es zu Recht verneint hat.

Diese Entscheidung des Familiengerichts, also die gegenwärtige Zuweisung der Alleinsorge an den Antragsgegner auf der Grundlage deutschen Rechts unter Berücksichtigung der südafrikanischen Entscheidung, bildet den Verfahrensgegenstand des Beschwerdeverfahrens; die Frage der Anerkennungsfähigkeit ist demgegenüber eine rechtliche Vorfrage, die im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht isoliert zum Verfahrensgegenstand gemacht werden kann. Einer solchermaßen beschränkte Beschwerde wäre unzulässig, weil Rechtsschutzinteresse und Beschwer fehlten; die Antragstellerin mag sich zudem vor Augen halten, dass, ließe man eine derartige Teilanfechtung zu, die Entscheidung des Familiengerichts im Übrigen, die sich nicht in der Prüfung der Anerkennungsfähigkeit erschöpft, in Rechtskraft erwüchse. Auch dies zeigt, dass die intendierte isolierte Prüfung nicht nur verfahrensrechtlich nicht möglich, sondern überdies sinnlos wäre.

Indessen hat die Antragstellerin durch ihren weitgefassten Feststellungsantrag den gesamten Verfahrensgegenstand erster Instanz zum Gegenstand des Beschwerdeverfahrens gemacht, weswegen sich der Senat mit dieser Frage inhaltlich auseinander zu setzen hatte, wobei die Anerkennungsfähigkeit der südafrikanischen Entscheidung nur eine Rechtsfrage darstellt, aber eben nicht den Verfahrensgegenstand erschöpft, weil die von der Antragstellerin begehrte Feststellung nur auf der Grundlage deutschen Rechts und der konkreten aktuellen Situation auszusprechen war.

2. Letztlich könnte die Frage der Anerkennungsfähigkeit auf sich beruhen, weil zudem, wenn die Entscheidung nicht anerkennungsfähig wäre, dem Antragsgegner jedenfalls nunmehr gemäß § 1696 BGB die Personensorge zur alleinigen Ausübung zuzuweisen wäre.

Eine Ausübung der Personensorge durch die Antragstellerin allein verkehrte angesichts der faktischen Verhältnisse in der Vergangenheit die von § 1696 BGB intendierte Kontinuität in ihr Gegenteil, denn in den vergangenen Jahren haben die Kinder beim Antragsgegner gelebt.

Eine solche Entscheidung widerspräche weiterhin dem wiederholt geäußerten Kindeswillen. In jeder Anhörung haben sich die beiden Jungen dafür ausgesprochen beim Vater zu leben. Gründe, warum der Kindeswille unbeachtlich sein sollte, bleibt die Antragstellerin schuldig.

Schließlich kann es insoweit auch keine maßgebliche Rolle spielen, dass die Antragstellerin meint, die Fremdbetreuung, die den Kindern nachmittags zuteil werde, schade ihnen, sie könne demgegenüber die persönliche Betreuung sicherstellen. Zum einen sind schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Kinder über das bislang geleistete Maß einer persönlichen Betreuung durch die leiblichen Eltern bedürften; zum anderen übersieht die Antragstellerin, dass sie nach § 1615 l Abs.2 S.3 BGB keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt hätte, dass sie also, wie der Antragsgegner ihren Unterhalt durch vollschichtige Arbeit wird bestreiten müssen.

Die Verfahrensführung der Antragstellerin hat auch in keiner Weise erkennen lassen, dass sie bei ihrem Handeln die Interessen der Kinder hinreichend im Blick hätte; im Gegenteil spricht die Verfahrensführung stark dafür, dass die Antragstellerin vorrangig ihre eigenen Interessen verfolgt. So fehlt jede Auseinandersetzung mit dem entgegenstehenden Willen der Kinder, den die Antragstellerin schlicht ignoriert. In dieses Bild fügt sich der Eindruck der Kinder, die sich in ihren Anhörungen sowohl in Südafrika als auch in Deutschland sich gegenüber Gutachterin bzw. Richterin darüber beschwert haben, dass die Antragstellerin bei den Umgangswochenenden zu wenig Rücksicht auf die Kindesinteressen nehme und vorrangig ihre Ziele verfolge, ob dies nun Aufräumen und Hausputzen oder aber die Schwimmstunden der Antragstellerin betrifft. Für bedenklich erachtet es der Senat auch in diesem Zusammenhang, dass die Antragstellerin meint, ihr Umgangsrecht sei ein taugliches Argument gegen den (kinder-) ärztlich verordneten Kuraufenthalt des Antragsgegners mit den Kindern, sich jedenfalls mit keinem Wort zur Gesundheit der Kinder verhält.

Ebenso wenig hat die Antragstellerin dargelegt, wie sie sich die weitere Lebensführung der Kinder bei ihr vorstellt. Die Antragstellerin verfügt über nahezu keine Berufserfahrung aus Südafrika, die sie in Deutschland fruchtbar machen könnte; die Idee, wie gegenüber der Ergänzungspflegerin geäußert, sie könne ihren Lebensunterhalt mit einer Import- / Exportfirma bestreiten, erscheint dem Senat sehr abstrakt; insoweit hat die Antragsgegnerin anders als der Antragsteller den Kindern auch keine materiell abgesicherten Verhältnisse oder wenigstens eine Perspektive auf solche zu bieten.

Der Senat ist zudem der Ansicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nur eine Alleinsorge gemäß § 1696 BGB in Betracht kommt, denn dem Antragsgegner ist eine Zusammenarbeit mit der Antragstellerin zur Zeit nicht zuzumuten, nachdem sich die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren in der Beschwerdeinstanz dazu verstiegen hat, die Existenz der südafrikanischen Sorgerechtsentscheidung in Zweifel ziehen, obgleich ihr, wovon der Senat überzeugt ist, die Entscheidung bekannt war. Dies ergibt sich schon aus der an anderer Stelle zitierten Einlassung gegenüber der Ergänzungspflegerin. Dass die Antragstellerin sich zu dem Vorhalt des Senats im Hinweisbeschluss zu diesem widersprüchlichen Vortrag nicht geäußert hat, sieht der Senat als Bestätigung seiner Einschätzung.

Dieses Verhalten erweist sich, was die Zusammenarbeit mit dem anderen Elternteil angeht, als in höchstem Maße illoyal. Dem Antragsgegner ist bei diesem Sachstand nicht zuzumuten, sich mit Antragstellerin über Fragen der Personensorge auseinanderzusetzen. ..."

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Auch wenn Verfahren in bestimmten Kindschaftssachen einem Vorrang- und Beschleunigungsgebot unterliegen und die Möglichkeit besteht, im Anhörungstermin einstweilige Anordnungen zu erlassen (§§ 155, 156 Abs. 1, 3 Satz 1 FamFG), kann im Einzelfall gleichwohl ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden des Gerichts im Sinn von § 49 Abs. 1 FamFG bestehen (Abgrenzung zu OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. September 2010, 16 WF 189/10, FamRB 2011, 42). Wenn die Beteiligten in einem früheren Verfahren eine gerichtlich gebilligte Elternvereinbarung abgeschlossen haben, ergibt sich der Abänderungsmaßstab hierfür aus § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB und nicht aus den höheren Anforderungen des § 1696 Abs. 1 BGB, solange die Elternvereinbarung nicht zu einer Änderung der Sorgeverhältnisse geführt hat. Soweit der im Verfahren der einstweiligen Anordnung von einem Elternteil vorgebrachte Verdacht des sexuellen Missbrauchs des Kindes durch den anderen Elternteil nach Ausschöpfung aller, im Eilverfahren zulässigerweise zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht geklärt werden kann, ist eine umfassende Risikoabwägung unter Berücksichtigung des Kindeswohls vorzunehmen, wobei es vom Grad der Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der erhobenen Anschuldigungen ankommt, ob eine Sorgeentscheidung zugunsten des betreffenden Elternteils ergehen kann. Der Verfahrensbeistand untersteht nicht der Aufsicht des Gerichts, sondern nimmt seine Aufgaben im Rahmen der Gesetze eigenverantwortlich wahr und deshalb liegt es regelmäßig allein an ihm, zu entscheiden, ob er im Eilverfahren vor dem Anhörungstermin noch einen Hausbesuch macht und mit den Kindern, die er bereits aus mehreren anderen, früheren Verfahren kennt, noch einmal in Kontakt tritt (KG Berlin, Beschluss vom 05.04.2012 - 17 UF 50/12 zu §§ 1671 II Nr 2, 1696 BGB, §§ 49 I, 155, 156 I, III FamFG).

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Zu den Voraussetzungen eines Entzuges der Gesundheitssorge unter der Verdachtsdiagnose der Transsexualität eines 11jährigen Kindes ((KG Berlin, Beschluss vom 15.03.2012 - 19 UF 186/11 zu §§ 1629, 1666, 1696, 1909 BGB u.a.):

„... 1. Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Kindesmutter nach § 68 Abs. 3 S.2 FamFG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Nachdem die Beteiligten vor dem Amtsgericht angehört worden sind, sind neue Erkenntnisse aus einem weiteren Anhörungstermin nicht zu erwarten. Die Beteiligten haben gegen diese mit gerichtlichem Schreiben vom 6.2.2012 angekündigte Vorgehensweise keine Einwendungen erhoben.

Das Kind wird in diesem Verfahren durch seine gemeinsam sorgeberechtigten Eltern gem. § 1629 Abs. 1 S.1 BGB vertreten. Der Entziehung der Vertretungsbefugnis der Eltern für dieses Verfahren gem. § 1629 Abs. 2 S.3 BGB und der Bestellung einer Ergänzungspflegschaft für die Wahrnehmung der Beteiligtenstellung des Kindes nach § 7 Abs. 2 Nr.1 FamFG bedarf es nicht. Denn auch wenn ein Interessenkonflikt vorliegt, können die Interessen des Kindes in der Regel ausreichend durch einen nach § 158 FamFG zu bestellenden Verfahrensbeistand wahrgenommen werden (BGH Beschluss v. 7.9.2011 Az. XII ZB 12/11 - Rn 17 ff). Das gilt erst recht, wenn von der Bestellung des Verfahrensbeistandes abgesehen werden kann, weil die Kindesinteressen - wie hier - durch die Ergänzungspflegerin vertreten werden.

Zwar ist die Bestellung eines Verfahrensbeistandes regelmäßig nach § 158 FamFG geboten, um zu gewährleisten, dass die Interessen des Kindes in dem seine Person betreffenden Verfahren eingeführt und vertreten werden. Ohne der rechtliche Vertreter zu sein wird der Verfahrensbeistand als „Anwalt" des Kindes bezeichnet (vgl. BGH Beschluss v. 7.9.2011 - Az. XII ZB 12/11 - Rn 21; Stößer in Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 158 Rn 1). In die gleiche Richtung - und noch darüber hinaus - geht auch die Aufgabe der Ergänzungspflegerin, die nach den §§ 1915 Abs. 1 S.1, 1793 S.1 in dem Teilbereich, für den sie eingesetzt ist, für das Kind zu sorgen hat und zwar nach Möglichkeit im Einvernehmen mit diesem, § 1793 Abs. 1 S.2 i.V.m. § 1626 Abs. 2 BGB. Nach § 1800 BGB stehen ihr insoweit dieselben Pflichten zu wie den sorgeberechtigten Eltern nach den §§ 1631 bis 1633 BGB. Gegenstand dieser Sorge ist die Wahrnehmung der Kindesinteressen. Aufgrund der hier bereits eingerichteten und ausgeübten Ergänzungspflegschaft ist damit die von den Eltern unabhängige Einführung der Kindesinteressen in das Verfahren gewährleistet und die zusätzliche Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht erforderlich. Beiden Instituten liegt gleichermaßen der Gedanke zugrunde, dass die Eltern an der Wahrnehmung ihrer Aufgabe, die Kindesinteressen zu wahren, gehindert sind. Die weitergehende Ergänzungspflegschaft ersetzt in der hier gegebenen Konstellation den Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG (vgl. Stößer a.a.O., § 158 FamFG Rn 26).

Etwas anderes gilt hier auch nicht in Anbetracht der von der Kindesmutter geäußerten Bedenken gegenüber der Ergänzungspflegerin S.. Denn es kommt für die Ergänzungspflegerin ebensowenig wie für einen Verfahrensbeistand darauf an, ob sie im Sinne und Interesse der Kindesmutter handelt. Von diesem hat der Beistand des Kindes sich gerade zu distanzieren. Auch ist hier nicht - wie die Kindesmutter meint - davon auszugehen, dass die Ergänzungspflegerin „zu Lasten des Kindeswohls wissentlich falsch vorträgt" (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter v. 6.2.2012, S. 3, Bl. II 24 d.A.). Mangels Konkretisierung dieses Vorwurfs nimmt der Senat an, dass damit die in dem Schriftsatz vom 11.1.2012 (Bl. I 123, 128) angeführten Abweichungen zwischen Aussagen von Dr. K. und deren Wiedergabe in dem Bericht der Ergänzungspflegerin v. 4.12.2011 zu dem Verfahren 84 F 255/11, S. 5 (Bl. 44 d. Beiakte) gemeint sind. Die Gegenüberstellung verdeutlicht im Wesentlichen eine abweichende Gewichtung der Aussagen durch die Ergänzungspflegerin einerseits und die Kindesmutter bzw. ihre Verfahrensvertreter andererseits. Ferner hat auch das Jugendamt Herrn Dr. K. dahingehend verstanden, dass er in Sorge um den psychischen Zustand der Mutter sei (Schreiben vom 1.2.2012, S. 3 unten, Bl. II 8 d.A.). Auch ein Handeln „zu Lasten des Kindeswohls" ist keinesfalls erkennbar. Vielmehr hat die Ergänzungspflegerin sich nach Lage der Akten mit der gebotenen Sorgfalt der Besonderheiten des ihr übertragenen Falles angenommen. Eine konkrete Maßnahme, die dem Kindeswohl zuwider liefe, ist von ihr nicht ergriffenen worden. Das gilt auch für die angestrebte stationäre Diagnostik. Diese mag zwar nicht den Vorstellungen der Mutter entsprechen, wird aber von fachlicher Seite unterstützt bzw. für vertretbar erachtet (vgl. Schriftsatz der Ergänzungspflegerin vom 27.1.2012, S. 43, Bl. I 178 f) und liegt damit im Rahmen des der Ergänzungspflegerin zustehenden Ermessens. Jedenfalls soweit es auf die Frage ankommt, ob die Interessen des Kindes in dem hiesigen Verfahren sachgerecht von der Ergänzungspflegerin wahrgenommen werden, kann aus der beabsichtigten Diagnostik daher nichts Gegenteiliges geschlossen werden. Ein Rechtsverstoß ihrerseits liegt ebensowenig vor. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zum Zwecke der Durchführung der stationären Maßnahme ist von der Ergänzungspflegerin in dem Verfahren 84 F 401/11 bei dem Amtsgericht Schöneberg beantragt worden und nicht dem Senat mit der hiesigen Beschwerde zur Entscheidung angefallenen. Dass die Ergänzungspflegerin sich über die Grenzen der ihr eingeräumten Kompetenzen hinwegsetzt, ist von der Kindesmutter nicht aufgezeigt worden.

2. Die Gefahr für das Wohl des Kindes, die den Entzug der Gesundheitsfürsorge und seine Übertragung auf einen Ergänzungspfleger erforderlich gemacht hat, besteht weiterhin fort. Eine Aufhebung der Maßnahme nach § 1696 Abs. 2 BGB kommt derzeit nicht in Betracht. Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts nach § 1666 BGB ist das Vorliegen einer gegenwärtigen, in einem solchen Maß vorhandenen Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (BGH Beschluss v. 26.10.2011 - Az. XII ZB 247/11 - Rn 25 m.w.N.). Bei der Entscheidung und der Auswahl des Mittels zur Abwehr einer festgestellten Gefahr ist das verfassungsrechtlich verbürgte Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S.1 GG zu beachten und die Verhältnismäßigkeit zu wahren (VerfGH Berlin Beschluss v. 20.9.2011 - Az. 38/11 - Rn 17). Ein Eingriff durch den Staat darf nicht bereits erfolgen, um dem Kind eine denkbare bessere Position zukommen zu lassen. Vielmehr muss das Wohl des Kindes gemessen an objektiven Kriterien derart gefährdet sein, dass der Staat in der Wahrnehmung seines Wächteramtes nach Art. 6 Abs. 2 S.2 GG zum Einschreiten verpflichtet ist. Das gleiche gilt für die Aufrechterhaltung der Maßnahme.

a. Hier besteht die dringende Notwendigkeit, E. im Hinblick auf die im Raume stehende Transsexualität ärztlich zu behandeln. Dies sehen auch die Kindeseltern, können allerdings keine Einigkeit über die Art und Weise der Behandlung erzielen. Während für die Kindesmutter die Transsexualität des Kindes nicht in Frage steht und sie angesichts der bevorstehenden Pubertät eine Hormonbehandlung befürwortet, lehnt der Vater einen solchen Eingriff derzeit ab und möchte Entscheidungen über irreversible Eingriffe in die Sexualität des Kindes zurückstellen und dem Kind nach Eintritt der Volljährigkeit selbst überlassen. In dieser Situation besteht die konkrete Gefahr, dass die Eltern sich gegenseitig bei der Entscheidung über die einzuleitende Diagnostik oder Therapie blockieren und E. im Ergebnis keinerlei medizinische Unterstützung erhält.

Zu Unrecht geht die Kindesmutter davon aus, dass die abzuwehrende Kindeswohlgefährdung durch die mögliche Transsexualität des Kindes begründet wird. Diese ist auch weder von dem Jugendamt noch dem Amtsgericht oder einem anderen Beteiligten als Begründung für den Entzug der Gesundheitsfürsorge angeführt worden, weshalb die entsprechenden wiederholten Angriffe der Kindesmutter gegen eine solche Gleichsetzung von Transsexualität mit Kindeswohlgefährdung an der Sache vorbeigehen. Abzustellen ist allein auf die - von allen Beteiligten dem Grunde nach gleichermaßen gesehene und bereits von dem Kammergericht in seinem Beschluss vom 1.2.2008, Az. 17 WF 13/08 angeführte - Notwendigkeit einer medizinischen Begleitung des Kindes. Solange die Eltern nicht in der Lage sind, diese zu gewährleisten, ist es Aufgabe des Staates, sie herbeizuführen, da eine Blockade weiterer Diagnostik eine massive Schädigung des Wohls des Kindes mit sich bringen würde. Es ist dringend geboten, die Frage der Transsexualität zu klären und in der gebotenen Form zu behandeln, was auch eine Unterstützung dieser Entwicklung unter Einschluss von Maßnahmen vor Eintritt der Volljährigkeit beinhalten kann. Dabei geht es nicht darum, bereits über einen bestimmten Behandlungsweg zu befinden, sondern dem Kind den Zugang zu einer medizinischen Behandlung überhaupt offen zu halten. Hinzu kommt die Notwendigkeit, E. aus dem Spannungsfeld des zwischen seinen Eltern um seine Behandlung geführten Konflikts, der nach den Angaben der behandelnden Ärzte und des Jugendamtes (vgl. Schreiben vom 1.2.2012, Bl. II 2 ff d.A) derzeit die stärkste Belastung für das Kind darstellt, herauszuholen. Um diese Gefahr - und daran anschließend die Verhältnismäßigkeit der Entzuges der Gesundheitsfürsorge sowie deren Übertragung auf einen Ergänzungspfleger - festzustellen, bedarf es entgegen der Ansicht der Kindesmutter (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten v. 6.2.2012, S. 4, Bl. II 25 d.A.) keines Sachverständigengutachtens. Die Gefahr ist unstreitig und wird von der Mutter selbst angeführt, um die von ihr befürwortete Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf sie allein zu rechtfertigen. Auch sie macht geltend, dass E. „dringend fachliche Hilfe und Unterstützung benötigt" (Antragsschrift v. 14.7.2011 S. 3, Bl. I 3 d.A.). Die Frage der Verhältnismäßigkeit ist eine juristische, die nicht durch ein Gutachten geklärt, sondern vom Senat beantwortet werden muss.

b. Die Entziehung der elterlichen Sorge für den Bereich Gesundheit im Zusammenhang mit der Bestellung einer Ergänzungspflegschaft ist geeignet, die festgestellte Gefahr von dem Kind abzuwenden. Der Eingriff in das elterliche Sorgerecht ist nur zulässig, wenn durch die Maßnahme die Gefahr für das Kind abgewendet werden kann und mit ihr nicht andere Belastungen einher gehen, die schwerer wiegen als der abzuwendende Schaden (vgl. BGH Beschluss v. 26.10.2011 - Az. XII ZB 247/11 - Rn 29). Dabei kommt es nicht darauf an, ob seit dem Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg v. 17.12.2007, Az. 161 F 15498/06, die Aufgabe durch das zunächst eingesetzte Jugendamt Steglitz-Zehlendorf hinreichend wahrgenommen wurde. Dafür spricht allerdings, dass die Eltern sich in der gerichtlichen Verhandlung am 17.2.2009 - Az. 161 F 15498/06, Bl. 222 d. Beiakte - mit der damaligen Ergänzungspflegerin darauf verständigt haben, es zunächst bei einer ambulanten Therapie zu belassen, die Mitte 2011 von E. unter Befürwortung der Kindesmutter abgebrochen wurde. Entgegen der Darstellung durch die Verfahrensbevollmächtigten der Kindesmutter in dem Schriftsatz v. 23.12.2011, S. 7 (Bl. I 81 d.A.), war die Ergänzungspflegerin anschließend bemüht, eine neue Therapie einzurichten, konnte aber keinen Konsens mit der Mutter und E. herstellen (vgl. Schreiben des Jugendamtes v. 8.12.2011, S. 2 (Bl. I 46 b d.A.) und v. 1.2.2012, S. 2, Bl. II 7 d.A.). Jedenfalls ist nun eine neue Ergänzungspflegerin bestellt worden, die sich der Angelegenheit angenommen hat und ihre Aufgabe aktiv wahrnimmt. Die Beurteilung der von ihr befürworteten bzw. ergriffenen Maßnahmen, insbesondere die Einleitung der stationären Diagnostik von E., ist nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Dieses betrifft allein die Frage, ob die Entziehung und Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf einen Ergänzungspfleger nach § 1909 BGB erforderlich ist. Die Überwachung der von dem Ergänzungspfleger ergriffenen Maßnahmen ist nach § 53 Abs. 3 SGB VIII in erster Linie Aufgabe des Jugendamtes, das darauf zu achten hat, dass die eingesetzte Ergänzungspflegerin zum Wohle des Kindes handelt und bei ihren Entscheidung die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens nicht überschreitet.

Bei der Ausübung ihres Amtes ist die Ergänzungspflegerin auf die Kooperation des Kindes und auch der Eltern angewiesen, da eine Vielzahl von Behandlungsmaßnahmen, wie etwa eine Therapie, nur zielführend sein können, wenn das Kind ihnen positiv gegenübersteht. Hier liegt eine wesentliche Schwierigkeit der Maßnahme, da die Kindesmutter in der Vergangenheit wenig kooperativ erschienen ist und Maßnahmen, die mit ihren Vorstellungen über die Behandlung des Kindes nicht zu vereinbaren waren, abgelehnt hat. Dafür sprechen jedenfalls der nicht wahrgenommene Informationstermin am 17.1.2012 in der Charité sowie der ebenfalls ausgelassene Gesprächstermin am 23.1.2012. Auf den Schriftsatz der Ergänzungspflegerin S. vom 27.1.2012, S. 50 ff (Bl. I I 185 d.A.) wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Auch das Jugendamt hat die fehlende Kooperationsbereitschaft beanstandet (vgl. Schreiben vom 1.2.2012, Bl. II 3 d.A.). Die Mutter übt einen so starken Einfluss auf das Kind aus, dass es dem Senat zweifelhaft erscheint, ob es E. - bei Fortbestand der elterlichen Sorge im Übrigen - überhaupt möglich sein wird, zu einer eigenen, von der Mutter unabhängigen Orientierung zu finden. Den Versuch zu unternehmen, dies zugunsten des Kindes sicherzustellen und eine Kooperationsbereitschaft zu erreichen, wird eine der wesentlichen Aufgaben der Ergänzungspflegerin sein, die hierfür ggf. die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausnutzen muss.

Anhaltspunkte für eine überwiegend nachteilige Auswirkung des Entzugs der Gesundheitsfürsorge auf E. liegen nicht vor. Sie können im Beschwerdeverfahren auch nicht mit den Belastungen, die nach Auffassung der Kindesmutter eine stationäre Diagnostik für E. mit sich bringen würde, begründet werden, da Gegenstand dieses Verfahrens nicht einzelne Maßnahmen der Ergänzungspflegerin sind, sondern einzig und allein die Übertragung der Gesundheitsfürsorge als solche.

c. Nach wie vor steht ein milderes Mittel zur Abwendung der Kindeswohlgefährdung nicht zur Verfügung. Ein Entzug der Gesundheitsfürsorge nur für ein Elternteil mit der Folge der partiellen Alleinsorge des anderen Elternteils, § 1680 Abs. 3 BGB, ist gerade unter Berücksichtigung der in Art. 6 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierten Elternrechte derzeit kein geeignetes Mittel. Zwar könnte dadurch die Herbeiführung der anstehenden Entscheidungen ermöglicht werden. Es ist aber - wie oben ausgeführt - davon auszugehen, dass der andere Elternteil aufgrund der diametral entgegengesetzten Haltung der Eltern zu dem Umgang mit der im Raume stehenden Transsexualität diese Entscheidung nicht akzeptieren könnte. Dies wiederum würde den Konflikt zwischen den Eltern verschärfen und sich im Ergebnis negativ auf das Kind auswirken, das bereits jetzt massiv unter dem Streit der Eltern leidet (vgl. Bericht des Jugendamtes v. 1.2.2012, Bl. II 6 d.A.).

Abgesehen davon, dass er keinen entsprechenden förmlichen Antrag gestellt hat, spricht gegen eine Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf den Vater, dass E. derzeit den Kontakt mit ihm verweigert, weshalb er das Kind zu den Arztbesuchen nicht begleiten und E. von dem Vater getroffene Entscheidungen nicht annehmen könnte. Welche Ursache dies hat, muss an dieser Stelle offen bleiben. Denn die Tatsache der Verweigerung des Kindes als solche macht eine Ausübung der Fürsorge durch den Vater unmöglich. Eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Kind und Vater kann nicht abgewartet werden, da nach Meinung aller Beteiligten die bevorstehende Pubertät ein schnelles Handeln erforderlich macht.

Die Übertragung der Gesundheitsfürsorge auf die Mutter allein scheidet schon deshalb aus, weil dem Senat derzeit nicht gesichert erscheint, dass sie diese allein zum Wohle des Kindes ausüben würde. Bereits die Möglichkeit, dass die bereits gelebte Transsexualität von E. auf eine Beeinflussung durch die Mutter zurückzuführen sein könnte, steht dem entgegen. Zwar handelt es sich hierbei derzeit nur um eine nicht auszuschließende Ursache unter mehreren anderen, der eine länger zurückliegende ärztliche Einschätzung (Schreiben der Charitè vom vom 29.6.2007 (Bl. 75 der Beiakte 161 F 15498/06) und vom 25.6.2008), eine ausführlich begründete Besorgnis der Ergänzungspflegerin S. (vgl. ihr Schriftsatz vom 27.1.2012, S. 15 ff, Bl. I 150 d.A.) sowie eine Stellungnahme des Jugendamtes (Schreiben von Frau Peters v. 1.2.2012, Bl. II 6 dA.) zugrunde liegen. Auf der anderen Seite stehen die dem widersprechende ärztliche Stellungnahme von Prof. M. sowie der Bericht des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf v. 12.6.2007 (Bl. 81 der Beiakte 161 F 15498/06), nach denen keine Anzeichen für eine induzierte Transsexualität vorliegen. Betrachtet man aber die Schäden durch einen irreversiblen Eingriff in die Sexualität des Kindes, die drohen, sofern sich eine Induzierung durch die Mutter bestätigen sollte, genügt bereits eine geringe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Vermutung, um der drohenden Gefahr entgegen zu treten. Auch im Verhältnis zur Mutter gilt wiederum, dass eine Aufklärung der möglichen Beeinflussung des Kindes oder gar die Herbeiführung einer etwaigen Änderung der Einstellung der Mutter nicht abgewartet werden kann, da aktuell Handlungsbedarf zugunsten des Kindes besteht. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach den gegenwärtig aktenkundigen Anhaltspunkten eine Festlegung der Mutter auf die Transsexualität des Kindes nicht ausgeschlossen werden kann. Es besteht daher die ausreichend konkrete Gefahr, dass sie die Möglichkeit einer anderen Entwicklung, insbesondere die von ärztlicher Seite wiederholt geäußerte Option einer Änderung der geschlechtlichen Ausrichtung des Kindes in der Pubertät, nicht hinreichend berücksichtigt und sich Hinweisen, die nicht ihrer Überzeugung entsprechen, verschließen könnte. Dafür spricht jedenfalls ihre bisherige Haltung, trotz des Entzuges der Gesundheitsfürsorge einerseits eigenmächtig ärztliche Termine für E. zu vereinbaren und wahrzunehmen und auf der anderen Seite die Maßnahmen der Ergänzungspflegerin, die sie nicht befürwortet, zu boykottieren. Eine zum Wohle von E. mit der Ergänzungspflegerin gebotene Kooperation findet gegenwärtig nicht statt. Nachdrücklich strebt die Mutter stattdessen die nach ihrer Auffassung gebotene ambulante Therapie an (vgl. noch das Schreiben der Kindesmutter vom 22.1.2012, Anlage zu dem Schriftsatz der Ergänzungspflegerin S. vom 27.1.2012). Die Kooperation der Kindesmutter mit der Presse lässt zudem die Befürchtung zu, dass sie für die Verfolgung des aus ihrer Sicht einzig richtigen Weges bereit ist zu Mitteln zu greifen, die nicht angemessen sind und nicht dem Kindeswohl gerecht werden. Denn selbst wenn die Berichterstattung in der taz vom 19.1.2012 nicht von ihr selbst initiiert gewesen ist, hätte es doch nahegelegen, jedenfalls das Kind in seinem eigenen Interesse nicht in ein Interview einzubeziehen, durch das ihm der Streit zwischen den Eltern sowie der Mutter und der Ergänzungspflegerin erneut vor Augen geführt wird. Nicht von der Hand zu weisen ist demnach die Befürchtung des Jugendamts, dass die Mutter E. damit in einen Loyalitätskonflikt bringt und das Kind an sich bindet (vgl. Schreiben des Jugendamts v. 1.2.2012, Bl. II 4 d.A.). Geboten wäre dagegen eine zurückhaltende Einstellung und eine Förderung des Kindes dahingehend, dass es sich seine eigene Meinung unter ernstlicher Abwägung auch anderer Auffassungen als der der Mutter bilden kann.

Der Hinweis der Kindesmutter auf die Erforderlichkeit von zwei ärztlichen Gutachten, die eine Hormonbehandlung befürworten, um diesen schwerwiegenden und folgenreichen Schritt einzuleiten, ist nicht geeignet, die Bedenken gegen die Ausübung der Gesundheitsfürsorge durch sie allein auszuräumen. Den von ihren Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Leitlinien ist schon nur eine Soll-Vorschrift zu entnehmen (vgl. Ziff. 4.3. der Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings, Kindes- und Jugendalter, Störung der Geschlechtsidentität, Bl. I 105 d.A.). Entscheidend ist überdies die Befürchtung, dass es der Mutter freistünde, für diese Diagnostik zwei medizinische Einrichtungen aufzusuchen, von denen sie aus den bereits gesammelten Erfahrungen annehmen dürfte, dass dort ihr Standpunkt geteilt wird. Diese Befürchtung ist keine theoretische Erwägung. Denn die Mutter hat die Absicht geäußert, E. zu diesem Zwecke an den Kliniken in Frankfurt/M und Hamburg-Eppendorf vorzustellen (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 9.12.2011m Bl. I 47 d.A.), von denen sie weiß, dass dort insbesondere der Verdacht einer induzierten Transsexualität nicht geteilt wird. Eine Begutachtung in Berlin, München oder Kiel wird abgelehnt (Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten v. 6.2.2012, S. 11 unten, Bl. II 32). Die Einrichtungen in diesen Städten sind diejenigen, die einer Hormonbehandlung eher kritisch gegenüberstehen. Zutreffend hat daher bereits das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass die Kindesmutter demnach keinerlei Bereitschaft erkennen lässt, auch den kritischen Stimmen nachzugehen. Im Gegenteil hat sie auch in der Vergangenheit versucht, auf die Therapie bei Herrn W. Einfluss zu nehmen und auf eine hormonelle Behandlung hinzuwirken (vgl. Schreiben des Jugendamtes v, 8.12.2011, S. 3, Bl. 46 c d.A.). Selbst wenn es der Mutter trotz dieser Bedenken nicht gelingen sollte, durch zwei Ärzte eine Hormonbehandlung befürworten zu lassen, würde sie umgekehrt möglicherweise auch nichts unternehmen, was die Diagnose der Transsexualität ausräumen oder dem Kind andere Wege eröffnen könnte.

Als milderes Mittel kommt es schließlich nicht in Betracht, lediglich einzelne Maßnahmen im Bereich der Gesundheitsfürsorge anzuordnen. Es geht hier nicht um die Frage der Notwendigkeit einer einzelnen medizinischen Maßnahme, wie etwa der stationären Diagnostik, sondern um eine längerfristige medizinische Begleitung des Kindes. Würde die Gesundheitsfürsorge bei den Eltern bleiben, wäre bereits jetzt absehbar, dass das Familiengericht wiederholt für Einzelentscheidungen eingeschaltet werden müsste. Selbst wenn die stationäre Diagnostik aufgrund einer Einzelentscheidung angeordnet würde, ist davon auszugehen, dass sich ein Elternteil der daran anschließenden, auf dem Ergebnis der Diagnostik beruhenden Behandlung verschließen würde. Die Kontinuität in der Behandlung, die für eine Stabilisierung von E. dringend geboten ist, könnte auf diesem Wege nicht erreicht werden. Ebenso wie die elterliche Sorge insgesamt einer sozialen Basis und Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern bedarf (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, FamR, 5. Aufl. 2010, § 1671 BGB, Rn 63 m.w.N.), gilt dies für Teilbereiche. Da der Konflikt zwischen den Eltern sich in dem Bereich der Gesundheitsfürsorge zugespitzt hat, kann das Problem nur für diesen Bereich insgesamt und nicht durch singuläre Maßnahmen gelöst werden.

d. Der mit dem Entzug der Gesundheitsfürsorge verbundene Eingriff in das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 S.1 GG ist letztendlich auch angemessen im Verhältnis zu der hierdurch abzuwehrenden Gefahr für das Kind. Die medizinische Versorgung hat für E. eine über das normale Maß hinausgehende existentielle Bedeutung, der so großes Gewicht zu kommt, dass für die Eltern der sachlich beschränkte Eingriff in ihr Elternrecht hinzunehmen ist. ..."

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Bis zu einer Regelung des Verfahrens durch den Gesetzgeber können auf Antrag des bislang nicht an der elterlichen Sorge beteiligten nichtehelichen Kindesvaters auch lediglich Teile der elterlichen Sorge auf beide Elternteile gemeinsam übertragen werden, wenn die Kindeseltern eine dahingehende Vereinbarung geschlossen haben. Eine Vereinbarung der Eltern, die Grundlage einer derartigen gerichtlichen Entscheidung über die elterliche Sorge geworden ist, ist einer „Aufkündigung" oder „Anfechtung" nicht zugänglich. Eine Änderung der auf Grundlage einer einvernehmlichen Erklärung der Eltern getroffenen gerichtlichen Entscheidung kommt nur unter den Voraussetzungen des § 1696 BGB in Betracht; dies gilt insbesondere auch, wenn von Seiten des Kindesvaters erstmals eine über die Vereinbarung hinausgehende Beteiligung an weiteren Teilen der elterlichen Sorge in Form einer gegen die erstinstanzliche Entscheidung gerichteten Beschwerde geltend gemacht wird (OLG Celle, Beschluss vom 12.08.2011 - 10 UF 270/10).

Bindet ein Elternteil zwölfjährige Kinder derart eng und übermächtig an sich, dass diese im Verhältnis zu ihm kaum die Möglichkeit haben, sich eigenständig zu entwickeln, so ist dies ein das Wohl der Kinder nachhaltig berührender Grund i.S. des § 1696 I BGB. Er gibt Anlass, die Regelung des Sorgerechts zu überprüfen. Bei einem von einem Elternteil induzierten Willen eines Kindes ist zu bedenken, ob das Kind ihn sich selbst zu eigen gemacht hat. In diesem Fall ist zu prüfen, ob es mit dem Kindeswohl vereinbar ist, ihn zu übergehen oder ob dies dann zu einer für das Kind schädlichen Entwicklung führen würde. Mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Ergänzungspfleger kann die Verpflichtung verbunden sein, mit dem sorgeberechtigten Elternteil Kontakt zu halten und ihn zu informieren, damit er für die Kinder anstehende Entscheidungen treffen kann. Der Ergänzungspfleger ist dann gehalten, das Aufenthaltsbestimmungsrecht so auszuüben, dass die Entscheidungen des sorgeberechtigten Elternteils beachtet werden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 11.05.2005 - 1 UF 94/03, FamRZ 2005, 1700).

Gem. § 1696 I BGB haben das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Ein solcher triftiger Grund liegt vor, wenn die Vorteile einer Änderung der getroffenen Sorgerechtsentscheidung des Familiengerichts die mit einer Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen. Allein der Umstand, dass die sorgeberechtigte Mutter ihr Kind über längere Zeit im Ausland bei Verwandten aufwachsen lässt, rechtfertigt noch nicht die Annahme eines solchen triftigen Grundes. Entscheidend ist, ob das Kind bei den Verwandten im Ausland in geordneten Verhältnissen aufwächst und die Kindesmutter so in Ausübung des ihr übertragenen Sorgerechts eine Entscheidung getroffen hat, die dem Kindeswohl dient (OLG Köln, Beschluss vom 19.10.2004 - 4 UF 123/03, FamRZ 2005, 1276).

Eine Abänderung der Sorgerechtsentscheidung ist wegen fehlender Erziehungseignung des betreuenden Elternteils zum Wohl des Kindes erforderlich, wenn er hartnäckig bestrebt ist, das Kind dem anderen Elternteil zu entfremden, beharrlich das Umgangsrecht zwischen dem anderen Elternteil und dem Kind verweigert sowie den Vorwurf sexuellen Mißbrauchs aufrechterhält, obwohl eine eingehende Beweisaufnahme den Verdacht nicht bestätigt hat. Dem zwischenzeitlich dem Kleinkindalter weitgehend entwachsenen Kind ist der Wechsel der primären Bezugsperson und des persönlichen Umfeldes zuzumuten, weil nur so sein Recht auf Aufrechterhaltung von persönlichen Beziehungen zu beiden Elternteilen verwirklicht werden kann (OLG Celle, Beschluss vom 12.06.1995 - 10 UF 195/94, FamRZ 1998, 1045).

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§ 1747 Einwilligung der Eltern des Kindes (n.F. ab 19.05.2013)

(1) Zur Annahme eines Kindes ist die Einwilligung der Eltern erforderlich. Sofern kein anderer Mann nach § 1592 als Vater anzusehen ist, gilt im Sinne des Satzes 1 und des § 1748 Abs. 4 als Vater, wer die Voraussetzung des § 1600d Abs. 2 Satz 1 glaubhaft macht.

(2) Die Einwilligung kann erst erteilt werden, wenn das Kind acht Wochen alt ist. Sie ist auch dann wirksam, wenn der Einwilligende die schon feststehenden Annehmenden nicht kennt.

(3) Steht nicht miteinander verheirateten Eltern die elterliche Sorge nicht gemeinsam zu, so

1. kann die Einwilligung des Vaters bereits vor der Geburt erteilt werden;
2. kann der Vater durch öffentlich beurkundete Erklärung darauf verzichten, die Übertragung der Sorge nach § 1626a Absatz 2 und § 1671 Absatz 2 zu beantragen; § 1750 gilt sinngemäß mit Ausnahme von Absatz 1 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1;
3. darf, wenn der Vater die Übertragung der Sorge nach § 1626a Absatz 2 oder § 1671 Absatz 2 beantragt hat, eine Annahme erst ausgesprochen werden, nachdem über den Antrag des Vaters entschieden worden ist.

(4) Die Einwilligung eines Elternteils ist nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist.

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§ 1747 Einwilligung der Eltern des Kindes (a.F. bis zum 18.05.2013)

(1) Zur Annahme eines Kindes ist die Einwilligung der Eltern erforderlich. Sofern kein anderer Mann nach § 1592 als Vater anzusehen ist, gilt im Sinne des Satzes 1 und des § 1748 Abs. 4 als Vater, wer die Voraussetzung des § 1600d Abs. 2 Satz 1 glaubhaft macht.

(2) Die Einwilligung kann erst erteilt werden, wenn das Kind acht Wochen alt ist. Sie ist auch dann wirksam, wenn der Einwilligende die schon feststehenden Annehmenden nicht kennt.

(3) Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet und haben sie keine Sorgeerklärungen abgegeben,

1. kann die Einwilligung des Vaters bereits vor der Geburt erteilt werden;
2. darf, wenn der Vater die Übertragung der Sorge nach § 1672 Abs. 1 beantragt hat, eine Annahme erst ausgesprochen werden, nachdem über den Antrag des Vaters entschieden worden ist;
3. kann der Vater darauf verzichten, die Übertragung der Sorge nach § 1672 Abs. 1 zu beantragen. Die Verzichtserklärung muss öffentlich beurkundet werden. § 1750 gilt sinngemäß mit Ausnahme von Absatz 4 Satz 1.

(4) Die Einwilligung eines Elternteils ist nicht erforderlich, wenn er zur Abgabe einer Erklärung dauernd außerstande oder sein Aufenthalt dauernd unbekannt ist.

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FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
ZPO (Zivilprozessordnung)

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Sorgerecht (Elterliche Sorge - Grundlagen - zum Teil überholt und veraltet)

Alleinsorge in anderen Fällen
Aufenthaltsbestimmungsrecht
Ausgestaltung der gemeinsamen Sorge
Beistandschaft
Checkliste zum Sorgerecht
Elterliche Sorge nach Trennung oder Scheidung
Gemeinschaftliche elterliche Sorge ist Regelfall
Gericht an Elternwillen gebunden
Im Zweifel das gemeinsame Sorgerecht
Nichteheliche Kinder
Trennung unverheirateter Eltern


Nichteheliche Kinder

Nach dem neuen Recht (§1626 a Abs. 1 Nr.1 BGB) können auch nicht miteinander verheiratete Eltern die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind herbeiführen. Hierzu bedarf es einer entsprechenden übereinstimmenden Sorgeerklärung der Eltern, die öffentlich beurkundet werden muß (§1626 d Abs. 1 BGB). Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (= KJHG) kann die Beurkundung auch vom Jugendamt vorgenommen werden.

Weitere Bedingungen als die Sorgeerklärung beider Elternteile werden für die gemeinsame elterliche Sorge nicht gefordert. Es findet keine vorausgehende gerichtliche Prüfung statt, ob die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl dient oder schadet. Es spielt keine Rolle, ob die Eltern des Kindes zusammenleben. Ein Elternteil kann auch mit einem Dritten verheiratet sein. Gleichwohl kann die gemeinsame Sorge für ein nichteheliches Kind ausgeübt werden.

Eine übereinstimmende Sorgeerklärung von Vater und Mutter ist allerdings unbedingt notwendig. Gegen den Willen der Mutter gibt es daher bei nichtehelichen Kindern kein gemeinsames Sorgerecht. Hier besteht weiterhin ein Unterschied zum Recht der ehelichen Kinder.

Für ein nichteheliches Kind hat ohne eine entsprechende übereinstimmende Sorgeerklärung die Mutter die alleinige elterliche Sorge (§1626 a Abs. 2 BGB). Um dieser die Möglichkeit zu geben, ihre alleinige elterliche Sorge nachzuweisen, kann sie von dem für den Geburtsort des Kindes zuständigen Jugendamt die Ausstellung eines »Negativattestes« verlangen, womit der Mutter bescheinigt wird, dass Sorgeerklärungen nach § 1626 a Abs. 1 Nr.1 BGB nicht vorliegen (§ 58 a SGB VIII). Deshalb hat die eine Sorgeerklärung beurkundende Stelle die Sorgeerklärung dem für den Geburtsort des Kindes zuständigen Jugendamt mitzuteilen (§1626d Abs. 2 BGB)

Liegen keine übereinstimmenden Sorgeerklärungen vor, kann der Vater nur dann Inhaber der elterlichen Sorge für das nichteheliche Kind werden, wenn zuvor der Mutter die Sorge entzogen wurde (§1680 Abs. 3 und 2 BGB).

Wenn Eltern eines nichtehelichen Kindes einander heiraten, erlangen sie kraft Gesetzes die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind (§1626 a Abs. 1 Nr.2 BGB).

Elterliche Sorge nach Trennung oder Scheidung

Künftig gilt § 1671 BGB unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind bzw. waren oder nicht. Jeder Elternteil kann beim Familiengericht beantragen, dass ihm die elterliche Sorge oder ein Teil davon allein übertragen wird.

Dem Antrag ist gern. § 1671 Abs. 2 BGB stattzugeben, soweit der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, das Kind hat das vierzehnte Lebensjahr vollendet und widerspricht der von den Eltern begehrten Sorgerechtsübertragung, oder soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Dem Antrag ist nach § 1671 Abs. 3 BGB zurückzuweisen, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften (z.B. aus Gründen der Gefährdung des Kindeswohls i.S. von § 1666 BGB) abweichend geregelt werden muß.


Gemeinschaftliche elterliche Sorge ist Regelfall

Künftig wird die Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts nach Trennung und Scheidung die Regel sein. Die Alleinsorge wird wohl die Ausnahme sein.

Im Falle der Scheidung gilt der sog. »Antragsverbund«. Das Gericht trifft mit der Scheidung nur dann eine Regelung über die elterliche Sorge, wenn eine solche Entscheidung von einem Elternteil beantragt wird. Stellen die Eltern keine Antrags, so hat dies künftig die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge zur Folge.

Die Entscheidung, ob es im Rahmen der Scheidung zu einer Regelung der elterlichen Sorge kommt, bleibt ausschließlich den Eltern überlassen. Etwas anderes gilt nur in den Fällen, in denen das Kindeswohl im Sinne von § 1666 BGB gefährdet ist.

Die Eltern nur noch auf Grund der Neufassung des § 613 ZPO im Rahmen der Scheidung vom Gericht zur elterlichen Sorge angehört und auf bestehende Möglichkeiten und Dienste der Jugendhilfe hingewiesen (§ 52 Abs. 1 FGG).

Über Scheidungsanträge, bei denen gemeinschaftliche Kinder von der Scheidung betroffen werden, setzen die Gerichte auch künftig die Jugendämter in Kenntnis. Diese sind verpflichtet, die Eltern über das Angebot der Trennungs- und Scheidungsberatung zu informieren. Auf diese Trennungs- und Scheidungsberatung haben die Eltern gem. § 17 Abs. 2 SGB VIII (- KJHG) einen Anspruch.

Im Zweifel das gemeinsame Sorgerecht

Auch wenn das Sorgerecht zwischen den Eltern streitig ist, soll das Gericht im Zweifel das gemeinsame Sorgerecht beibehalten. Nur dann, wenn die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und ihre Übertragung auf den Antragsteller dem Kindeswohl am besten entspricht, kann bei streitigem Sorgerecht die Alleinsorge auf diesen übertragen werden (§ 1671 II Nr. 2 BGB)

Bei Trennung oder Scheidung der Eltern ist es daher möglich, die gemeinsame Sorge auch gegen den Willen eines Sorgerechtsmitinhabers beizubehalten.

Getrenntlebende Eltern sind verpflichtet, im Rahmen der elterlichen Sorge Konsens zu suchen und zu finden. Aus dieser Pflicht können Eltern nicht entlassen werden, solange ihnen ein gemeinsames Erziehungshandeln zum Wohle des Kindes zumutbar und die darauf gerichtete Erwartung nicht unbegründet erscheint (OLG Zweibrücken NJW 98, 3786).

Ausgestaltung der gemeinsamen Sorge

Auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge obliegt künftig die Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB allein dem Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens sind nach der Definition des § 1687 Abs. 1 Satz 3 BGB in der Regel solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben.

Für einmalige Entscheidungen und bei Entscheidungen mit erheblicher Bedeutung für die Entwicklung des Kindes - auch wenn sie häufig vorkommen - ist es notwendig, eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen.

Bei Gefahr im Verzug ist jeder mitsorgeberechtigte Elternteil gemäß § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind. Der andere Elternteil ist dann unverzüglich über die vorgenommenen Rechtshandlungen zu unterrichten.

Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann jeder Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil (gerichtlich und/oder außergerichtlich) geltend machen.

Gericht an Elternwillen gebunden

Das Gericht ist bei Trennung und Scheidung der Eltern weitgehend an den Willen der Eltern gebunden. Ohne abweichenden Antrag bleibt das gemeinsame Sorgerecht kraft Gesetzes bestehen.

Beantragt ein Elternteil die Alleinsorge, so ist auch insoweit das Gericht an einen diesbezüglichen Konsens der Eltern gebunden. Nur, wenn ein mindestens 14 Jahre altes Kind wiederspricht, kann das Gericht eine andere Entscheidung treffen und vom Elternkonsen abweichen (§1671 Abs. 2 Nr.1 BGB).

Einstweilige Anordnungen zur elterlichen Sorge können als summarisches Eilverfahren nach der ab 1.7.1998 geltenden Rechtslage üblicherweise nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht regeln (OLG München MDR 98, 1353).

Ein nach § 1672 BGB a. F. eingeleitetes (hier: in der Beschwerdeinstanz befindliches) Sorgerechtsverfahren ist im Hinblick auf das Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.7.1998 in der Hauptsache erledigt, wenn gleichzeitig ein Verbundverfahren alten Rechts mit der Folgesache elterliche Sorge (hier: in erster Instanz) anhängig ist (OLG Hamm FamRZ 98, 1136).

Fand die mündliche Verhandlung in einer Sorgerechtssache vor dem 1.7.1998 statt, ist die Sache in zweiter Instanz ohne Abtrennung weiterhin als isoliertes Verfahren zu behandeln (OLG Frankfurt NJW 98, 3206).

Eine nach § 1671 BGB (a.F.) eingeleitetes und gemäß Art. 15 § 2 IV KindRG fortgeführtes Sorgerechtsverfahren ist auch dann nach § 1671 BGB (n.F.) (und nicht nach § 1696 BGB) zu beurteilen, wenn einem Elternteil durch eine bestandskräftige Entscheidung nach § 1672 BGB (a.F.) die elterliche Sorge übertragen worden war. In derartigen Übergangsfällen muß auf das Erfordernis der bisher gemeinsam ausgeübten elterlichen Sorge (1671 I BGB n.F.) verzichtet werden (OLG Hamm NJW 99, 68).

Die Anordnung der Einholung eines kinderpsychologischen Gutachtens im familiengerichtlichen Sorgerechtsverfahren kann mit der einfachen Beschwerde anfechtbar sein. Im familiengerichtlichen Sorgerechtsverfahren darf die psychologische Begutachtung des Kindes grundsätzlich nur mit Zustimmung des Sorgerberechtigten angeordnet und durchgeführt werden. Gem. § 1666 BGB (n. F.) kann das Familiengericht aber die Zustimmung ersetzen (OLG Zweibrücken NJWE-FER 98, 271).

Trennung unverheirateter Eltern

Stand die elterliche Sorge im Zeitpunkt der Trennung der Mutter gemäß § 1626 a Abs. 2 BGB alleine zu, gilt für eine Sorgeregelung nach Trennung der Eltern § 1672 BGB. In dieser Bestimmung geht es um den Wechsel von der originären Alleinsorge der Mutter zu einer Alleinsorge des Vaters. Hierzu bedarf es nach § 1672 Abs. 1 BGB der Zustimmung der Mutter. Diese ist bereits für den Antrag selbst erforderlich. Ohne sie ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen.

Für die Übertragung der Alleinsorge auf den Vater verlangt § 1672 Abs. 1 BGB zudem, dass dies dem Kindeswohl dient. Bestehen aufgrund der notwendigen Abwägung Zweifel über die Auswirkungen eines Sorgewechsels auf das Kindeswohl, soll ein Wechsel des alleinigen Sorgerechts von der Mutter auf den Vater nicht durchgeführt werden.

§ 1672 Abs. 2 BGB regelt den Fall, dass zunächst die Alleinsorge nach § 1672 Abs. 1 BGB von der Mutter auf den Vater übertragen wurde und später von den Eltern die gemeinsame elterliche Sorge angestrebt wird. Da nach vorausgegangener Entscheidung nach § 1672 Abs. 1 BGB die gemeinsame elterliche Sorge nicht mehr durch Sorgeerklärung i.S. von § 1626 a BGB herbeigeführt werden kann (§1626 b Abs. 3 BGB), bedarf es für die Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge nunmehr einer gerichtlichen Entscheidung. Das Gericht ist an den Elternwillen insoweit gebunden, als es die Alleinsorge nur beibehalten darf, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl widerspricht.

Siehe auch das Urteil des BVerfG, 1 BvL 20/99 vom 29.1.2003 zu der Frage, ob dem Vater eines nichtehelichen Kindes ein Zugang zur gemeinsamen Sorge zu gewähren ist.

Alleinsorge in anderen Fällen

Der Vater hat keine ihm von Geburt des Kindes an zustehende Alleinsorge. Er kann zur Alleinsorge nur dadurch gelangen, daß sie ihm vom Gericht übertragen wird.

Fällt die kraft Gesetzes alleinsorgeberechtigte Mutter aus - z.B. durch Tod, Ruhen der elterlichen Sorge oder Sorgerechtsentzug -, kann das Familiengericht die elterliche Sorge dem Vater übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient (§§ 1678 Abs. 2, 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Stand die elterliche Sorge den Eltern gemeinsam zu, so wandelt sie sich mit dem Tod eines Mitsorgeinhabers automatisch in die Alleinsorge des anderen Elternteils um (§ 1680 BGB).



Aufenthaltsbestimmungsrecht

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist das Recht der/des Sorgeberechtigten, den Wohnort und die Wohnung des Kindes zu bestimmen. Es ist Bestandteil des Sorgerechtes. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann von der Personensorge abgetrennt werden, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Dabei kann es im übrigen bei der bisherigen Sorgerechtsregelung bleiben, d. h. das Sorgerecht kann einem Elternteil allein übertragen worden sein oder beide Eltern sind Inhaber des gemeinsamen Sorgerechts.

Die Abspaltung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kommt insbesondere in Betracht, wenn die Gefahr besteht, dass ein Elternteil das Kind in das Ausland bringt oder der sorgeberechtigte Elternteil die Herausgabe des Kindes zur Ausführung des Umgangsrechts des Kindes verweigert. Die Entscheidung über eine Abspaltung des Aufenthaltsbestimmungsrechts kann mit der erstmaligen Sorgerechtsentscheidung ergehen oder eine Sorgerechtsentscheidung nachträglich gemäß § 1696 BGB abändern.

Das Aufenthaltsbestimmungsrecht kann auch auf einen Pfleger übertragen werden.


Beistandschaft

An Stelle der bisherigen Amtspflegschaft tritt nun die freiwillige Beistandschaft (§§ 1712 ff. BGB). Sie kann von jedem Elternteil beantragt werden, dem für den Aufgabenkreis der beantragten Beistandschaft die alleinige elterliche Sorge zusteht oder in dessen Obhut sich das Kind befindet (§1713 BGB):

(1) Den Antrag kann ein Elternteil stellen, dem für den Aufgabenkreis der beantragten Beistandschaft die alleinige elterliche Sorge zusteht oder zustünde, wenn das Kind bereits geboren wäre. Steht die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam zu, kann der Antrag von dem Elternteil gestellt werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet. Der Antrag kann auch von einem nach § 1776 berufenen Vormund gestellt werden. Er kann nicht durch einen Vertreter gestellt werden.

(2) Vor der Geburt des Kindes kann die werdende Mutter den Antrag auch dann stellen, wenn das Kind, sofern es bereits geboren wäre, unter Vormundschaft stünde. Ist die werdende Mutter in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so kann sie den Antrag nur selbst stellen; sie bedarf hierzu nicht der Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Für eine geschäftsunfähige werdende Mutter kann nur ihr gesetzlicher Vertreter den Antrag stellen.

(Anm. der KDR: Vielen Dank für den Hinweis vom 30.11.2012!)

Aufgabenkreis der beantragten Beistandschaft kann die Feststellung der Vaterschaft und/oder die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes sein (§1712 BGB).

Der Antrag auf Beistandschaft - der auch bereits vor der Geburt des Kindes gestellt werden kann - ist an das Jugendamt zu richten. Die Beistandschaft tritt ein, sobald der Antrag dem Jugendamt zugeht (§1714 BGB).

Der Beistand ist in seinem Aufgabenkreis neben dem Inhaber der elterlichen Sorge gesetzlicher Vertreter des Kindes (§1716 BGB). Die elterliche Vertretungsmacht wird durch die Beistandschaft somit nicht eingeschränkt, sondern Jugendamt und alleinerziehender Elternteil vertreten das Kind jeweils allein und nebeneinander. Für die Vertretung des Kindes in einem Prozeß ist allerdings nach § 53 a ZPO die Vertretung durch den sorgeberechtigten Elternteil ausgeschlossen, soweit für den Aufgabenkreis Beistandschaft besteht.

Die Beistandschaft endet, wenn der Elternteil dies schriftlich beim Jugendamt beantragt, der Elternteil das alleinige Sorgerecht verliert, die Aufgabe des Beistandes erfüllt ist, oder das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründet (§1717 BGB).



Kommentare:

Kommentar vom 10.02.2014

„... Sehr geehrte Damen und Herren,

sie stellen die gesetzliche Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 19.04.2013 nicht richtig dar. Ihre Aussage:

"Dieser darf nur abgelehnt werden, wenn durch die gemeinsame Sorge das Kindeswohl gefährdet würde."

Richtig muss es heißen: "Wenn es dem Kindeswohl nicht widerspricht."

Anscheinend kursiert dieser Schlussatz mit der Kindeswohlgefährdung anstelle des Kindeswohlwiderspruchs in sehr vielen Medien, Jugendhilfeeinrichtungen, Jugendämtern und nun auch Rechtsanwaltskanzleien quer durch die Bundesrepublik.

Wenn hier schon Juristen am Werke sind, sollte richtigerweise nicht von Ablehnung, sondern von Abweisung, abgewiesen gesprochen werden.

Es besteht hier ein erheblicher Unterschied. In den Verfahren der Kindeswohlgefährdung ist immer das Jugendamt zu beteiligen. Bei den Verfahren nach dem § 1626a BGB muss das Jugendamt beteiligt werden, wenn es hierzu einen Antrag auf Beteiligung stellt.

Hierbei kommt es zwischen Familiengericht und Jugendamtsbehörde zu recht konfusen Auswüchsen.

Das Familiengericht stellt Sachstandsanfrage beim Jugendamt. Diese Sachstandsmitteilung wird auch bei Anmahnung des Gerichtes nicht abgesandt. Stattdessen kommt irgendwann ein Antrag auf Beteiligung und man begehre den Bericht der Erziehungsberatungsstelle.

Die Entbindung der Schweigepflicht gilt nur vor dem Gericht und wenn das Jugendamt am Verfahren beteiligt ist, so ist es Bestandteil des Gerichtes. Das Jugendamt fertigt nun aus dem Inhalt einen Sachstandsbericht, obwohl es mit den Eltern selbst kein Gespräch geführt hatte und der Bericht der Erziehungsberatungsstelle auch nicht an das Jugendamt adressiert ist. Das Jugendamt hat diesen Bericht somit auch nicht auszulegen.

Nachdem das Gericht:

das Ergebnis der Erziehungsberatungsstelle erhalten hat,

der Verfahrensbeistand des Kindes nach der Negativwohlprüfung seinen Antrag auf gemeinsame elterliche Sorge gestellt hat. Er muss jetzt mit der Mutter kein Gespräch führen, wenn sie sich nicht von sich aus meldet und

den Sachstandsbericht des Jugendamtes erhalten hat, setzt es einen Termin auf Anhörung für Kind, Verfahrensbeistand und Jugendamt zum nächsten Monat. Jetzt kommte es zu folgende, Chaoszustand:

Die Eltern werden vom Jugendamt zu einem Termin noch eine Woche vor dem Gerichtstermin eingeladen. Eine Woche vor dem Gerichtstermin, wo die Nerven der Eltern ohnehin schon bei der geringsten Störung blankliegen. Den Eltern ist zunächst unbekannt in welcher Absicht dieses Gespräch mit dem Jugendamt geführt wird. Sachstandsermittlung oder Gespräch auf Einvernehmen um möglich Konfliktstoff aus dem Verfahrensprozess herauszuhalten. Die Mutter, die hier Antragsgegnerin ist, äußert sich zu einem Thema, was den Vater betrifft. Das Jugendamt unterbreitet Lösungsangebote in dem sie den Eltern Empfehlungen erteilt. Der Vater äußert sich zu einem Thema, was die Mutter betrifft. Jetzt stellt das Jugendamt fest, dass sich die Eltern nicht einig sind.

Bei dem Anhörungstermin stellt der Vater den Antrag auf gemeinsame Sorge, die Antragsgegnerin auf Abweisung, der Verfahrensbeistand den Antrag, die elterliche Sorge auf die Eltern gemeinsam zu übetragen.

Der Richter spricht das Jugendamt an, es sei zwar an diesem Verfahren nicht beteiligt, es solle sich aber mal äußern. Die Mitarbeiterin des Jugendamtes versucht eine Erklärung zu formulieren: "Es fand ein Gespräch statt, da wurde deutlich, dass sich die Eltern nicht einig sind und eine gestörte Kommunikation vorläge aber bei einer gemeinsamen Sorge, keine Kindeswohlgefährdung vorliege. Der Richter belehrt die Jugendamtsmitarbeiterin auf die geänderte Schlussformel zum Kindeswohlwiderspruch. Das Jugendamt möchte so zustmmen. Aber der Richter fordert das Jugendamt noch einmal auf, ob sie den Gründe nennen könne oder wisse, die bei einer gemeinsamen Sorge der Eltern dem Kindeswohl widersprechen? Jetzt ergreift die Mitarbeiterin ihre Chance und stellt inhaltlich Fragen zu einem Vortrag einer Parteil. Jetzt wird sie als nicht rechtlich Beteiligte des Verfahrens an einem Erörterungssitzung beteiligt. Das Chaos ist jetzt bei allen angekommen. Einen solchen Ausgang kann man sich vorstellen. Von einhundert Antragstellern auf gemeinsame Sorge werden nur 6 entsprochen. ..."

(Anmerkung: Der Name des Verfassers ist der KD-Redaktion bekannt.)

***

WICHTIGER - zum Teil zeitlich überholter - HINWEIS: In Reaktion auf die vielen telefonischen und schriftlichen Anfragen, die leider nicht alle beantwortet werden können, wird darauf aufmerksam gemacht, dass die gesetzliche Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern vom 19.04.2013 erst am 19.05.2013 in Kraft treten wird. Sie sind auf dieser Seite schon zum Teil eingearbeitet. Zur Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts muss aber weiterhin ein Antrag gestellt werden. Dieser darf nur abgelehnt werden, wenn durch die gemeinsame Sorge das Kindeswohl gefährdet würde (dazu ein Kommentar vom 10.02.2014 unten). Praktiker wissen um die bedenklichen Verbindungen zwischen Jugendämtern, Sachverständigen-Fabriken und Teilen der Anwaltschaft sowie der Familiengerichte. Es bedarf daher keiner großen Phantasie, um zu ahnen, was Zweck dieser Reform ist. Es geht darum, unter Umgehung verfassungs- und menschenrechtlicher Vorgaben alles beim Alten zu lassen. In der Zwischenzeit gelten „Übergangsregelungen", die sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte orientieren (siehe die leitsatzkommentierten Gesetzestexte) sollen. Es wird die Ansicht vertreten, dass betroffene Väter schon jetzt entsprechende Anträge bei den Familiengerichten stellen können und sollten.

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Links

http://www.das-beratungsnetz.de (Hilfe für Väter)
http://www.eltern.de (Familienzeitschrift)
http://www.famrz.de (Zeitschrift für Familienrecht)
http://www.fernuni-hagen.de (Qualitätsmerkmale in der familienrechtspsychologischen Begutachtung - Gutachten unbrauchbar)
http://www.profamilia.de (Hilfe für Väter)
http://www.vaeternotruf.de (Väternotruf - Information - Erste Hilfe)
http://www.vaeterradio.de
http://www.vafk.de (Väteraufbruch für Kinder)


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