UrhG §§ 2, 4, 15, 16, 53, 69a, 87b, 97

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OLG Hamburg, Urteil 22.02.2001 - 3 U 247/00 - *

Sachverhalt: Die Ast. verlegt medizinische Publikationen. In ihrem Verlag erscheint in Buchform und auf CD-ROM das Lexikon "Roche Lexikon Medizin". Die Ast. betreibt unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de" eine Website im Internet, die als Online-Datenbank das Werk "Roche Lexikon Medizin" enthält. Die Ag. entwickelt und vertreibt medizinische Online-Projekte und verwaltet medizinische Datenbanken. Sie betreibt unter der Internet-Domain "www.medizin-forum.de" eine Website im Internet, die eine Plattform für medizinische Informationen und Nachrichten umfasst. Von der Website der Ast. aus ist das von der Ag. ins Internet gestellte Lexikon "Roche Lexikon Medizin" per Link abrufbar. Mit der Beschlussverfügung des LG vom 18.5.2000 ist der Ag. unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden, auf ihrer Website unter der Internet-Domain "www.medizin-forum.de" einen Link zu der von der Ast. unter der Internet-Domain "www.roche-lexikon.de" betriebenen Website zu setzen, wenn nach Aktivierung des Links der Inhalt der Website der Ast. unverändert in einem Fenster auf der Website der Ag. erscheint. Mit Urteil vom 12.7.2000 hat das LG seine einsiweilige Verfügung bestätigt. Hiergegen richtete sich die Berufung der Ag. ohne Erfolg.



Aus den Gründen: II. Der als Hauptantrag geltend gemachte Unterlassungsanspruch ist auch nach Auffassung des Senats aus den §§ 97 1, 4 1-11, 15 1, 16 UrhG begründet.

1. Bei dem von der Ast. ins Internet (abrufbar über ihre Website "www.roche-lexikon.de") gestellten "Roche Lexikon Medizin" handelt es sich um ein Datenbankwerk (§ 4 II UrhG) und insoweit auch um eine persönliche geistige Schöpfung (§ 2 II UrhG). Zugleich handelt es sich insoweit um ein Computerprogramm (§ 69 a UrhG). Die Erläuterungsabschnitte zu einzelnen Suchbegriffen sind Teile des Datenhankwerks, die ihrerseits urheberrechtlich als Sprachwerke, wissenschaftliche Darstellungen und Lichtbilder geschützt sind. Das bedarf verständigerweise keiner vertieften Ausführung.

2. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass das Laden des Lexikons der Ast. in den Arbeitsspeicher des Nurzers eine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung, und zwar eine Vervielfältigung i. 5. des § 16 UrhG darstellt.

Nach zutreffender, übereinstimmender Auffassung in der Literatur handelt es sich bei solchen Vorgängen um eine Vervielfältigung (Schricker/Loewenheim, UrheberR, 2. Aufl.,§ 69 c UrhG Rdnr 9), und zwar auch beim Herunterladen einer solchen Datenbank im Internet (Fromm/Nordemann/Vinck, UrheberR, 9. Aufl., § 69 c UrhG Rdnr. 3).

Zu Unrecht beruft sich die Ag. darauf, es würden bei Aufruf des "Roche Lexikon Medizin" über ihre Website nach Aktivierung des Links nur die Erläuterungen zu einem bestimmten Suchbegriff aufrufbar sein. Auch die Vervielfältigung von Teilen eines Werks, selbst kleinster Teile, die ihrerseits urheberrechtlich geschützt sind, fällt unter § 16 UrhG (Schricker/Loewenheim, § 16 UrhG Rdnr. 14). Insoweit geht es auch nicht etwa die Vervielfältigung "nur eines einzelnen Datensatzes". Wie die Ag. nicht bestreitet, enthält der Erläuterungstext zu einem Suchbegriff als Teil des Datenbankwerks wiederum weiterführende Suchworte, im Regelfall sogar mehrere. Deswegen handelt es sich beim Laden auch nur eines einzelnen Suchbegriffs, von dem aus ein "Weiterblättern" im "Roche Lexikon Medizin" selbstverständlich möglich ist, nicht etwa um nur unwesentliche Teile einer Datenbank i. 5. des § 87 b UrhG.



Zu Unrecht beruft sich die Ag. auf § 53 1 UrhG, wonach zum privaten Gebrauch die Herstellung von Vervielfältigungsstücken erlaubt ist. Nach § 53 V UrhG findet § 53 1 UrhG auf Datenbankwerke, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind, keine Anwendung; das betrifft das Vervielfältigen eines Datenbankwerks oder selbstständig schutzfähige Teile (vgl. Schricker/Loewenheim, § 53 UrhG Rdnr. 51).

3. Die Vervielfältigung des Werks der Ast. unter der beanstandeten Einschaltung des von der Ag. auf ihrer Website gesetzten Links ist widerrechtlich, die Ast. hat dieser Nutzungshandlung nicht zugestimmt.

(a) Eine ausdrückliche Zustimmung hat die Ast. der Ag. unstreitig nicht erteilt. Es hat zwar Gespräche zwischen den Parteien wegen einer Kooperation gegeben, zu einer vertraglichen Vereinbarung ist es aber nicht gekommen, insbesondere der vorliegend in Rede stehenden "Verlinkung" hat die Ast. nicht zugestimmt.

(b) Eine konkludente Zustimmung seitens der Ast. liegt ebenfalls nicht vor. Zu Recht hat das LG dem Umstand, dass die Ast. ihr Lexikon ins Internet auf ihre eigene Website gesetzt und damit den Nutzen im Internet zur "freien" Verfügung gestellt hat, nicht die Bedeutung einer Zustimmung für das hier in Rede stehende Verhalten der Ag. beigemessen. Das Bereitstellen im Internet bedeutet nur, dass die betreffende Website aufgerufen werden kann und soll und deren Inhalt genutzt werden kann. Deswegen greift auch das Argument der Ag, die Ast. habe das "Roche Lexikon Medizin" ohne - ohne weiteres mögliche - technische Sperren installiert, nicht durch; solche Sperren würden der Ast. dienlich sein können, ihr Fehlen kann nicht als Freigabe für jede beliebige Form gewerblicher Drittnutzung verstanden werden.

Dass nach dem Vorbringen der Ag. die Ast. selbst um die Aufnahme eines Hinweises auf das "Roche Lexikon Medizin" im Internet-Dienst der Ag. gebeten hat, ist ebenfalls nicht als konkludente Zustimmung für die hier in Rede stehende Nutzungshandlung zu werten. Es ging ersichtlich nur um Werbung für das Lexikon, nicht aber um ein in die Website der Ag. inkorporiertes Framing.



Etwas anderes ist auch nicht dem Umstand zu entnehmen, dass die Ast. das Schalten von Links (betreffend das "Roche Lexikon Medizin") auf der Website der Ag. - wie auf anderen Websites Dritter - als solches nicht beanstandet, wwenn das Bestätigen des Links zu einem vollständigen Verlassen der Website der AG. führt auf der sich der Link befindet, und der Nutzer so direkt auf die Website der Ast. gelangt. Das Einverständnis erfasst das angegriffene Verhalten der Ag. nicht, die Links auf der Website der Ag. sind so geschaltet, dass das Lexikon der Ast. in die Website der Ag. inkorporiert bleibt.

Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass nach dem Vorbringen der Ag. sämtliche Hilfsfunktionen, die die Ast. bei ihrem Online-Lexikon zur Verfügung stellt und auf die der Nutzer bei direktem Ansteuern der Website der Ast. ohne weiteres zugreifen kann, beim "Umweg" über den Link der Ag. "nur zunächst ausgeblendet", aber über besondere Vorkehrungen wieder aufrufbar sind. Vielmehr zeigt das auf, dass die von der Ag. über ihren Link bereitgestellte Nutzung des "Roche Lexikon Medizin" nicht direkt über die Website der Ast., sondern in einer von der Ag. gestalteten "Umgebung" erfolgt, wobei die Ag. auf ihrer Website auch eine andere Voreinstellung für die Darstellung des Lexikons gewählt hat.

4. Zutreffend hat das LG die (mittelbare) Störereigenschaft der Ag. bejaht. Durch die beanstandete Schaltung des Link auf ihrer Website schafft sie die Voraussetzungen dafür, dass sich die Nutzer in der vorgegebenen Weise verhalten. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Vorbringen der Ag. der Nutzer bei Aufrufen des "Roche Lexikon Medizin" über die Website der Ag. diese auch wieder schließen kann und sich dann unmittelbar auf der Website der Ast. befindet. Maßgeblich ist, dass die Ag. die streitgegenständliche Form der "Verlinkung" bietet. Dass es auch andere Wege gibt, ändert daran nichts.



* Quelle: NJW-RR 2001, 1198