UWG § 1, 3

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OLG München, Urteil vom 18.04.2002 - 29 U 1573/02 *

Tatbestand: Die Parteien streiten über die Benutzung einer Domain-Bezeichnung seitens der Bekl. Der Kl., ein Rechtsanwalt, und die Bekl., ebenfalls Rechtsanwälte, betreiben in Dachau jeweils eine Anwaltskanzlei. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Rechtsanwaltskanzleien in der Großen Kreisstadt Dachau und im Landkreis Dachau. Die Bekl. präsentieren ihre Kanzlei im Internet unter der Domainbezeichnung www.rechtsanwaelte-dachau.de. Dort befindet sich eine Homepage unter anderem mit dem Text "Willkommen auf der homepage Ihrer Anwalts- und Steuerkanzlei W' mit einem Gruppenfoto der Bekl. sowie verschiedenen Links. Der Kl. forderte die Bekl. erfolglos auf, die Werbung mit der Bezeichnung www.rechtsanwaelte-dachau.de zu unterlassen. Die Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg.

Entscheidungsgründe: Dem Kl. steht gegen die Bekl. der vom LG ausgeurteilte Unterlassungsanspruch nach § 3 UWG wegen irreführender Werbung zu.

1. Einem Rechtsanwalt ist es allerdings generell nicht verboten, für sich Werbung zu betreiben (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 950 = MDR 1997, 792 - Schwerpunktgebiete). Die Zulässigkeit von Werbemaßnahmen eines Rechtsanwalts findet ihre Grenzen indes unter anderem in § 3 UWG (vgl. BGH, NJW-RR 1997, 950). Dies gilt auch für die Werbung im Internet. Grundsätzlich kann ein Rechtsanwalt sein Angebot auch im Internet darstellen (vgl. Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 6 BO Rdnr. 37). Auch die Werbung eines Rechtsanwalts im Internet und insbesondere die Verwendung von Domain-Bezeichnungen, unter denen sich Rechtsanwaltskanzleien im Internet präsentieren, findet ihre Grenzen unter .anderem in § 3 UWG (vgl. OLG Celle, NJW 2001, 2100 www.anwalt-hannover.de; Müller, WRP 2002, 160 [162 ff.]; Hermann, in: Moritz1Dreier, Rechts-Handbuch zum E-Commerce, 2002, D Rdnr. 335).



2. Die Aktivlegitimation des Kl. für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch folgt aus seiner Stellung als so genannter unmittelbar Verletzter. (Wird ausgeführt.)

3. Bei der angegriffenen Domainbezeichnung handelt es sich um eine Angabe i.S. von § 3 UWG, da diese dazu geeignet ist, beim Verkehr bestimmte Vorstellungen über den Inhalt der Domain hervorzurufen (vgl. Senat, ZUM 2001, 602 [603] - autovermietung.com).

4. Die Domainbezeichnung www.rechtsanwaelte-dachau.de ist irreführend, weil sie bei einem nicht unbeachtlichen Teil der situationsadäquat durchschnittlich aufmerksamen, informierten und verständigen Internetnutzer (Verbraucher) (vgl. zum maßgeblichen Verbraucherleitbild BGH, NJW 2002, 1718 - Elternbriefe; BGH, NJW 2001, 3262 [3263] Mitwohnzentrale.de) die Vorstellung hervorrufen kann, unter dieser Domainbezeichnung sei ein örtliches Anwaltsverzeichnis, etwa die Homepage des örtlichen Anwaltsvereins, mit der Auflistung sämtlicher Rechtsanwaltskanzleien im Raum Dachau oder jedenfalls in der Stadt Dachau zu finden (vgl. LG Köln, Urt. v. 7. 9. 1998 - 31 0 723/98 rechtsanwaelte-koeln.de, zitiert nach Hermann in: Moritzl Dreier, Rechts-Handbuch zum E-Commerce, 2002, D Rdnr. 335; Müller, WRP 2002, 160 [163]). Eine Angabe ist irreführend i. S. von § 3 UWG, wenn sie die Wirkung einer unzutreffenden Angabe hat, das heißt, den von ihr angesprochenen Verkehrskreisen einen unrichtigen Eindruck vermittelt. Für den Begriff der Irreführung ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Angabe zur Täuschung des Verkehrs und zur Beeinflussung seiner Entschließung geeignet ist; es genügt die Gefahr einer Täuschung.



Die Feststellungen zur Verkehrsauffassung kann der Senat, dessen Mitglieder das Internet sowohl beruflich als auch privat nutzen, auf Grund eigener Sachkunde und Lebenserfahrung im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu dem angesprochenen Verkehrskreis treffen (vgl. BGH, NJW 2002, 1718 - Elternbriefe). Der situationsadäquat durchschnittlich aufmerksame, informierte und verständige Internetnutzer (Verbraucher), der nach Rechtsanwälten im Raum Dachau per Internet sucht, wird wegen der Kombination des Bestandteils "redhtsanwaelte" mit dem Städtenamen "dachau" unter dieser Domainbezeichnung nicht eine einzelne Kanzlei, sondern ein örtliches Anwaltsverzeichnis mit einer Auflistung sämtlicher Rechtsanwälte im Raum Dachau oder jedenfalls in der Stadt Dachau vermuten. Dies gilt unabhängig davon, ob der Internetnutzer die angegriffene Domainbezeichnung bereits kennt, etwa auf Grund einer vorangegangenen Suche mit einer Suchmaschine, oder ob er den Zugang direkt durch Eingabe der betreffenden Internetadresse versucht (vgl. BGH, NJW 2001, 3262 [3263] Mitwohnzentrale.de). Für die Irreführung (Irreführungsgefahr) reicht es aus, dass sich der angesprochene Verkehr auf Grund der irreführenden Angaben überhaupt erst oder näher mit dem Angebot befasst (vgl. B GH, NJW 2000, 5 8 8 = GRUR 2000, 239 [241] - Last-Minute-Reisen; NJW 1995, 3124 = _RUR 1995, 610 [6111 - Neues Informationssystem). Schon das Anlocken durch irreführende Angaben, das dem Werbenden einen wettbewerblichen Vorsprung verschafft, ist unzulässig (vgl. Baumbach/Hefermehl, WettbewerbsR, 22. Aufl., § 3 Rdnr. 89 a). Insoweit ist es für § 3 UWG ausreichend, dass potenzielle Mandanten durch die Domainbezeichnung www.rechtsanwaelte-dachau.de veranlasst werden, die Homepage der Bekl. aufzurufen und sich mit dieser zu beschäftigen (vgl. OLG Celle, NJW 2001, 2100 - www.anwalt.hannover-de). Darauf, ob die Irreführungsgefahr nach Eingabe der betreffenden Internetadresse durch den Inhalt der aufgerufenen Homepage der Bekl. und die Gestaltung dieser Homepage beseitigt wird, kommt es nicht an (vgl. KöhlerIPiper, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 106).



5. Die vorstehende Beurteilung steht nicht im Widerspruch dazu, dass nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 2001, 3262 [3263] - Mitwohnzentrale.de) mit der Verwendung des DomainNamens www.rechtsanwaelte.de keine Irreführungsgefahr verbunden ist. Bei der Domainbezeichnung www.rechtsanwaelte.de erkennt der Verkehr von vornherein, dass unter der betreffenden Internetadresse nicht das gesamte Angebot an Rechtsanwaltskanzleien in Deutschland repräsentiert wird (vgl. BGH, NJW 2001, 3262). Anders liegt der Fall hier durch den örtlichen Bezug infolge des Bestandteils "dachau". Die Zahl der Rechtsanwälte in der Großen Kreisstadt Dachau bzw. im Landkreis Dachau ist erheblich kleiner als die Zahl aller Rechtsanwälte in Deutschland.

Die vorstehende Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. 5. 2001 - 29 U 1594/01), wonach die Verwendung der Domain www.rechtsanwalt-kempten.de für die Homepage einer in Kempten ansässigen Rechtsanwaltskanzlei unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht beanstandet werden kann; durch die Verwendung des Singulars "rechtsanwalt" wird hinreichend deutlich, dass unter dieser Adresse kein Verzeichnis aller in Kempten ansässigen Rechtsanwälte, sondern die Homepage einer Rechtsanwaltskanzlei erreicht wird (a. M. OLG Celle, NJW 2001, 2100 - www.anwalthannover.de). Der vorliegende Fall liegt anders. Durch den Plural "rechtsanwaelte" in Verbindung mit der Ortsangabe "dachau" kann hier der Eindruck hervorgerufen werden, unter der betreffenden Internetadresse werde ein Verzeichnis aller im Raum Dachau oder jedenfalls in der Stadt Dachau ansässigen Rechtsanwälte erreicht.



* Quelle: NJW 2002, 2112 f