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Döhmer - Die Fiktionen des § 5a VVG

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Stand: 4. April 2013

Diese Seite enthält den Aufsatz des Kanzleiinhabers mit dem obigen Titel. Das Gesetz ist inzwischen geändert worden. Kürzlich machte mich ein junger Kollege darauf aufmerksam, dass die Neufassung der Regelungen wieder misslungen sein soll und noch immer nicht den EU-rechtlichen Vorgaben genügt. Ich habe es nicht überprüft, da mir dazu bisher die Zeit fehlte. Nachvollziehbar ist, dass sich die Lobby der Versicherungswirtschaft im Gesetzgebungsverfahren wieder mal gegen die Verbraucher und deren Interessen durchsetzen konnte.

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Döhmer - Die Fiktionen des § 5a VVG

Einführung
Problemstellung
Inhalt des § 5a VVG
Dogmatische Einordnung
Theorie des unwirksamen Antrages
Schwebetheorie
Rumpftheorie
Ergebnis: „schwebend wirksam"
Rechtsfolgen: Darstellung der Einzelfälle und Unterfälle
Folgen der Verletzung der Aufklärungspflicht
Prämienzahlungspflicht
Schadensersatz
culpa in contrahendo
Gewohnheitsrechtliche Vertrauenshaftung
Staatshaftung
Nachbetrachtung

LG Essen, 26.02.97, 2 S 139/96 (VersR 1997, 993) - mit Kommentar
OLG Köln, Urt. v. 4.8.1998, 9 U 17/98 (zfs 1999, 64 f.) - mit Anmerkung
OLG Köln, Urt. v. 22.10.1999, 6 U 35/99 (r+s 2000, 137 f.) - mit Anmerkung
OLG Düsseldorf, Urt. u 5.12.2000 - 4 U 32/00 (NVersZ 2001, 156 ff) - mit Anmerkung
BGH, Urteil vom 26.09.2007 - IV ZR 321/05
Rechtsanwalt Tronje Döhmer, Gießen

I. Einführung

Die Bestimmungen des § 5a VVG sind durch das Gesetz vom 21.07.1994(1) aufgenommen worden. Das Gesetz ist am Tage seiner Verkündung in Kraft getreten.(2) Seit dem Inkrafttreten der Bestimmung bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, wie diese gesetzgeberische Leistung zu bewerten ist.

1. Problemstellung

Wenn der Gesetzgeber in die Position gedrängt wird, vermittels einer neuen gesetzlichen Bestimmung eine verwickelte Rechtslage zu schaffen, so kann ihm kein böser Wille unterstellt werden. Er muß sich wohl in einer Zwickmühle befunden haben. Und diese Zwickmühle kann sich aus einem Recht ergeben, das für alle in Deutschland ansässigen Rechtssubjekte immer größere Bedeutung erlangt. Ein Beispiel dafür ist § 5a VVG.

Diese Bestimmung ist eine Folge der Dritten Richtlinie Lebensversicherung (3) und der Dritten Richtlinie Schadenversicherung (4).

Artikel 31 (1) der Lebensversicherungsrichtlinie schreibt vor, daß dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des Versicherungsvertrags mindestens die in Anhang II A aufgeführten Angaben mitzuteilen sind. In Artikel 31 (1) der Schadensversicherungsrichtlinie heißt es, daß dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des Versicherungsvertrags im einzelnen aufgeführte Informationen zur Verfügung zu stellen sind.

Die genannten Richtlinien haben sogenannte Erwägungsgründe. Der Erwägungsgrund 23 der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie lautet wie folgt:

"Im Rahmen eines einheitlichen Versicherungsmarktes wird den Verbrauchern eine größere und weitergefächerte Auswahl von Verträgen zur Verfügung stehen. Um diese Vielfalt und den verstärkten Wettbewerb voll zu nutzen, muß er im Besitz der notwendigen Informationen sein, um den seinen Bedürfnissen am ehesten entsprechenden Vertrag auszuwählen. Da die Dauer der Verpflichtungen sehr lang sein kann, ist diese Information für den Verbraucher noch wichtiger. Folglich sind die Mindestvorschriften zu koordinieren, damit er klare und genaue Angaben über die wesentlichen Merkmale der ihm angebotenen Produkte und über die Stellen erhält, an die etwaige Beschwerden der Versicherungsnehmer, Versicherten oder Begünstigten des Vertrags zu richten sind."

Der Erwägungsgrund 21 der Dritten Schadensversicherungsrichtlinie hat folgenden Wortlaut:

"Es ist wünschenswert, daß der Versicherungsnehmer, wenn es sich um eine natürliche Person handelt, von dem Versicherungsunternehmen über das auf den Vertrag anwendbare Recht sowie über die Bestimmung zur Bearbeitung von den Vertrag betreffenden Beschwerden unterrichtet wird."

Aus den genannten Richtlinien und den dazu vorliegenden Erwägungsgründen ergibt sich, welchen Beitrag der Gesetzgeber zur Vollendung des Europäischen Binnenmarktes im Bereich des Versicherungswesens zum 01.07.1994 zu leisten hatte.

Die europarechtlichen Vorgaben waren zu erfüllen. Dabei hatte der Gesetzgeber die schwierige Aufgabe, den Interessen der Versicherungswirtschaft und den Interessen der betreffenden Verbraucher Rechnung zu tragen.

Europarechtlich bestand lediglich der gesetzgeberische Auftrag, im Bereich des nationalen Rechts sicherzustellen, daß der Verbraucher die erforderlichen Informationen erhält. Außerdem ist der nationale Gesetzgeber unmißverständlich angewiesen worden, zu regeln, daß der Versicherungsnehmer die Informationen vor Abschluß des Versicherungsvertrags erhält.

Die beiden Richtlinien vom 18.06.1992 und 10.11.1992 enthalten keinen Hinweis darauf, daß es insoweit auch darum gegangen sein könnte, eine Privilegierung der Versicherungsunternehmen herbeizuführen(5).

Wenn weitere Zielsetzungen hinzugekommen sind, beruht dies nicht auf den einschlägigen Richtlinien zur Lebensversicherung und zur Sachversicherung. Hier hat sich die Einflußnahme von Interessengruppen ausgewirkt. Den diesbezüglichen Einflüssen konnte sich der Gesetzgeber nicht entziehen.

Wird davon ausgegangen, daß europäische Richtlinien keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten entfalten, so sollte in einer Zeit vor dem Jahrtausendwechsel doch zumindest akzeptiert werden, daß europäische Richtlinien bei der Auslegung von gesetzlichen Bestimmungen beachtet werden können(6). Der BGH nennt es das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung nationaler Vorschriften, die zur Umsetzung einer EG-Richtlinie erlassen worden sind(7). Es wird die Auffassung vertreten, es bestehe eine Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung. Die Grundlage für diese Verpflichtung soll sich aus Artikel 189 III EGV und aus Artikel 5 EGV ergeben(8).

2. Inhalt des § 5a VVG

Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung ist ein Unterlassen des Versicherers. Er ist nach Auffassung des Gesetzgebers verpflichtet, die Versicherungsbedingungen zu übergeben. Außerdem hat er Verbraucherinformationen zu erteilen. Übergibt der Versicherer die Versicherungsbedingungen nicht und wird die Information des Versicherungsnehmers unterlassen, knüpft der Gesetzgeber an dieses Fehlverhalten eine Rechtsfolge. Diese Rechtsfolge besteht darin, daß der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen gilt.

Der Gesetzgeber hätte eine solche Regelung nicht getroffen, falls er der Meinung gewesen wäre, daß ein Versicherungsvertrag nicht zustande kommen kann, wenn der Versicherer es unterläßt, die Versicherungsbedingungen zu übergeben und die notwendige Verbraucherinformation zu erteilen.

Der Gesetzgeber hat vielmehr konservativ im Sinne der alten Rechtslage gedacht(9). Der Versicherungsnehmer stellt einen Antrag. An diesen Antrag ist er eine gewisse Zeit gebunden. Der Versicherer nimmt den Antrag regelmäßig durch Übersendung der Police unter Beifügung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen an. Es kann formuliert werden, daß der Versicherungsvertrag wie jeder andere Vertrag durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt. Mit § 5a VVG hat der Gesetzgeber klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sich daran auch dann nichts ändert, wenn die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und die Verbraucherinformation nicht erteilt wird.

Die europarechtlichen Vorgaben haben den Gesetzgeber allerdings in Zugzwang gesetzt, da die notwendigen Informationen dem Versicherungsnehmer vor Abschluß des Vertrags zu erteilen sind.

Diese Vorgabe veranlaßte den Gesetzgeber dazu, einen Fall zu konstruieren, in dem ein Versicherungsvertrag nur als abgeschlossen gilt. Denn nach zutreffender Ansicht kommt ein Versicherungsvertrag auch dann zustande, wenn der Versicherungsnehmer keine Versicherungsbedingungen und keine Verbraucherinformation erhält.(10)

Der Gesetzgeber war der Meinung, daß er nicht vom Zustandekommen eines Versicherungsvertrags ausgehen darf, wenn der Versicherungsnehmer nicht vor Abschluß des Vertrags die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhält. Auf das Unterlassen des Versicherers mußte daher gesetzestechnisch mit einer Fiktion reagiert werden.

Tatsächlich hat der Gesetzgeber einen nicht wirklichen Fall unterstellt, um daraus eine Rechtsfolge abzuleiten. Es wurde unterstellt, ein Vertrag könne nicht abgeschlossen werden, wenn der Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nicht vor Abschluß des Vertrags erhält.

Diesen Fall darf es strenggenommen nicht geben. Der Gesetzgeber hat sich diesen ausgedacht, um nicht in Konflikt mit den maßgeblichen EG-Richtlinien zu geraten. Eigentlich entspricht er nämlich nicht deutschem Recht. Der Versicherungsvertrag soll und darf auch ohne die Verbraucherinformation und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zustande kommen können. Es wird eben nur so getan, als sei dies nicht - mehr - möglich.

Es mußte folgerichtig angeordnet werden, daß der Vertrag in einem solchen Fall dennoch als abgeschlossen gilt. Diese - fingierte - Rechtsfolge tritt nur ein, wenn die dafür vorgesehene Bedingung eingetreten ist. Der Vertrag gilt als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen schriftlich widerspricht.

Die gesetzliche Fiktion kann nur Wirkungen entfalten, wenn diese Bedingung vorliegt. Der unterlassene Widerspruch ist die gesetzliche Voraussetzung für den Eintritt der Fiktion.

3. Dogmatische Einordnung

Die Regelungen des § 5a VVG sind nicht klar und verständlich. Es gibt deshalb auch unterschiedliche Auffassungen darüber, wie diese Bestimmungen auszulegen sind.

3.1. Theorie des unwirksamen Antrages

Es wird die Ansicht vertreten, der Gesetzgeber sehe einen Antrag als unvollständig und deshalb als nicht mehr wirksam im Sinne des § 145 BGB an, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Versicherungsbedingungen nicht übergeben und eine Verbraucherinformation nicht erteilt hat.(11)

Der zur Begründung dieser Auffassung häufig zu findende Hinweis auf Aufbau und Konstruktion des § 5 VVG überzeugt nicht. Beide Bestimmungen haben unterschiedliche Regelungsgegenstände. Die Wortwahl stimmt nicht überein.

§ 5 VVG regelt nicht, daß der Versicherungsvertrag unter bestimmten Voraussetzungen als abgeschlossen gilt. Vielmehr befaßt sich diese Bestimmung lediglich mit der Genehmigung einer Abweichung des Inhaltes des Versicherungsscheins von dem Antrag des Versicherungsnehmers.

§ 5a VVG regelt nach seinem Wortlaut nicht die Wirksamkeit des Antrages des Versicherungsnehmers. Vielmehr arbeitet diese Bestimmung mit einer Unterstellung. Diese Unterstellung besteht wie bereits ausgeführt darin, daß die Willenserklärungen der Vertragsparteien auch dann als wirksam angesehen werden, wenn das Bedingungswerk nicht übergeben und die Verbraucherinformation nicht erteilt worden ist.

Die Regelung des § 5a I VVG macht überhaupt nur im Falle der Unterstellung einen Sinn, daß der Antrag des Versicherungsnehmers wirksam ist, wenn der Versicherer das von ihm geforderte Verhalten unterläßt. Der Gesetzgeber hätte keine Veranlassung gehabt, mit der Fiktion des § 5a VVG zu arbeiten, wenn er der Ansicht gewesen wäre, im Falle des Fehlverhaltens des Versicherers könnten keine wirksamen Willenserklärungen abgegeben werden.

3.2. Schwebetheorie

Die Vertreter dieser Theorie wollen offenbar von einer wirksamen Willenserklärung des Versicherungsnehmers auch in dem Fall ausgehen, daß er die erforderlichen Informationen und die erforderlichen Unterlagen nicht erhalten hat. Sie sind der Meinung, der "Vertrag" sei wegen des Widerspruchsrechtes des Versicherungnehmers schwebend unwirksam.(12)

Gegen die Richtigkeit der Schwebetheorie spricht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes. Der Vertrag gilt auch in dem Fall als abgeschlossen, in dem der Versicherungsnehmer die Information und die Unterlagen nicht erhalten hat.

Es lassen sich eine Vielzahl von gesetzlichen Bestimmungen aufführen, in denen der Gesetzgeber einen ähnlichen Sprachgebrauch gewählt hat. Der Gesetzgeber bringt in solchen Fällen zum Ausdruck, daß er verschiedene Lebenssachverhalte in der gleichen Art und Weise regeln möchte (vgl. aus dem Versicherungsvertragsgesetz: § 8 I, § 37 I, § 43, § 139, § 158n, § 170, § 181).

Im übrigen verwendet der Gesetzgeber das Wort "gilt" nicht einheitlich. Häufig wird dieses Wort in Verbindung mit anderen Worten genutzt. So heißt es sehr oft in dem Gesetzestext "das gleiche gilt" oder "so gilt". In diesen Fällen verbindet der Gesetzgeber mit dem Wort "gilt" eine konkrete Regelung. Zumeist ist damit gemeint, daß etwas entsprechend anzuwenden ist. Häufig wird damit auch zum Ausdruck gebracht, daß ein anderer Fall gleichbehandelt werden soll.

Schließlich benutzt der Gesetzgeber das Wort "gilt" auch noch als Mittel der Definition anstelle des Wortes "ist".

Gesetzestechnisch ist die Einordnung und Abgrenzung des § 5a I VVG einfach. Man wird nicht ernsthaft in Abrede stellen können, daß der Gesetzgeber hier mit einer gesetzlichen Fiktion gearbeitet hat.

Die Unterstellung des Gesetzgebers besteht darin, daß der Vertrag wirksam ist, auch wenn der Versicherungsnehmer die Information und die Unterlagen nicht erhalten hat.

Wenn der Gesetzgeber jedoch in diesem Fall die Wirksamkeit des Vertrags geregelt hat, so ist es gewagt, einen solchen Vertrag als schwebend unwirksam anzusehen. Es handelt sich um einen Wertungswiderspruch, der mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar ist.

Bedenklich erscheint die Auffassung, wonach sich die Richtigkeit der Schwebetheorie aus den Gesetzesmaterialien ergeben soll. Hier werden insbesondere die Beschlußempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses vom 18.05.1994(13) angeführt. Mir scheint die Wortfassung des im Bundesgesetzblatt verkündeten Gesetzes eher ein Beleg dafür zu sein, daß die - nicht ganz eindeutigen und eher widersprüchlichen - Vorstellungen des Finanzausschusses nicht umgesetzt worden sind. Die Kenntnis der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist nach dem Gesetz keine notwendige Voraussetzung für eine wirksame, auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung des Versicherungsnehmers. Er kann vielmehr lediglich die Folgen seines "Versicherungsantrages" durch seinen rechtzeigigen Widerspruch rückwirkend beseitigen.

Die gesetzliche Fiktion des § 5a VVG läßt es gerechtfertigt erscheinen, die schwebende Wirksamkeit des Vertrags anzunehmen. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung wird dieser Versicherungsvertrag unwirksam, wenn der Versicherungsnehmer sein Widerspruchsrecht rechtzeitig ausübt.

Die Schwebetheorie, wonach der Versicherungsvertrag unter den hier in Rede stehenden Umständen schwebend unwirksam sein soll, ist somit abzulehnen.

3. 3. Rumpftheorie

Ausgangspunkt dieser Theorie ist, daß der Versicherungsvertrag wie gewöhnlich durch das Angebot des Versicherungsnehmers und die Annahmeerklärung des Versicherers zustande kommt. Dies soll auch gelten, wenn der Versicherer seine Aufklärungspflichten verletzt. Soweit denn der Vertragsinhalt hinreichend bestimmbar ist, wird davon ausgegangen, daß ein Rumpfvertrag zustande kommt(14)

Ziel dieser Theorie ist es offenbar, zu einem Wahlrecht des Versicherungsnehmers zu gelangen. Er soll entweder unter Belassung der entrichteten Prämien vom Versicherer nach Maßgabe des Rumpfvertrags Leistungen verlangen können. Tut er dies nicht, wird er für befugt gehalten, aus c.i.c. in Verbindung mit § 249 Satz 1 BGB eine Rückabwicklung des Vertrages zu erreichen.

Für diese Theorie spricht im Ansatz die Fiktion des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat angeordnet, daß der Versicherungsvertrag auch wirksam sein soll, wenn der Versicherer zunächst seine Aufklärungspflichten verletzt.

Der Gesetzgeber hat aber diese Fiktion an ein Unterlassen des Versicherungsnehmers geknüpft. Der Vertrag gilt als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht widerspricht. Bedingung für den Fortbestand des schwebend unwirksamen Versicherungsvertrages ist, daß der Widerspruch des Versicherungsnehmers unterbleibt. Widerspricht der Versicherungsnehmer, so entfällt die Grundlage der vom Gesetzgeber angeordneten Fiktion.

Widerspricht der Versicherungsnehmer nach Erhalt der Information und der Versicherungsbedingungen, weil er zum Beispiel bei pflichtgemäßer Information über den Vertragsinhalt mit diesem Versicherer keinen Vertrag abgeschlossen hätte, so tritt damit eine auflösende gesetzliche Bedingung ein.

Dies führt zur Beseitigung des schwebend wirksamen Vertrages. Diese Folgen lassen sich schon aus dem Wortlaut des Gesetzes herleiten. Bedingung dafür, daß der Versicherungsvertrag im Falle der Verletzung der Aufklärungspflicht als abgeschlossen gilt, ist, daß der Versicherungsnehmer nicht widerspricht. Widerspricht der Versicherungsnehmer nach Überlassung der notwendigen Unterlagen, so entfällt die Voraussetzung für die gesetzliche Fiktion.

Der Widerspruch des Versicherungsnehmers ist eine auflösende - gesetzliche - Bedingung. Als Hilfserwägung sei insoweit ein Hinweis auf § 158 II BGB erlaubt. Die Bestimmung bezieht sich auf Rechtsgeschäfte, die unter einer auflösenden Bedingung stehen. Die Wirkung des Rechtsgeschäftes endet mit dem Eintritt der Bedingung. Mit dem Eintritt der auflösenden Bedingung tritt der frühere Rechtszustand wieder ein.

Ebenso wie unter Geltung dieser Bestimmung wird auch bei § 5a I VVG der Versicherungsvertrag rückwirkend beseitigt, wenn der Versicherungsnehmer sein Widerspruchsrecht rechtzeitig ausübt.

Der Rumpftheorie kann also insoweit gefolgt werden, als von der Annahme eines Versicherungsvertrags ausgegangen wird, auch wenn der Versicherungsnehmer nicht aufgeklärt worden ist. Widerspricht der Versicherungsnehmer jedoch, so werden die Folgen dieses Rechtsgeschäftes rückwirkend beseitigt. Vom Fortbestand eines Versicherungsvertrags in Gestalt eines Rumpfvertrags kann nicht ausgegangen werden, wenn der Versicherungsnehmer von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch macht.

4. Ergebnis

Nach § 5a I VVG kommt ein Versicherungsvertrag zustande, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergibt oder eine Verbraucherinformation nach § 10a VAG nicht erteilt. Dieser Versicherungsvertrag ist schwebend wirksam. Die Folgen dieses Rechtsgeschäftes werden rückwirkend beseitigt, wenn der Versicherungsnehmer fristgemäß widerspricht.

Die gesetzliche Regelung scheint vor allem in Verbindung mit § 5a II Satz 4 VVG nicht richtlinienkonform zu sein. Das Recht zum Widerspruch erlischt ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie. Der Vertrag besteht, wobei der Versicherungsnehmer weder die Verbraucherinformationen noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen erhalten hat. Es droht ein Eingreifen des Europäischen Gerichtshofes.

II. Rechtsfolgen

Die Vorschrift, die Gegenstand der bisherigen Ausführungen gewesen ist, beschert eine Reihe von Fallvarianten. Nachfolgend wird der Versuch unternommen, eine gewisse Ordnung hineinzubringen.

Es können vier Hauptfälle unterschieden werden. Im ersten Fall erhält der Versicherungsnehmer bei Antragstellung weder die Verbraucherinformation noch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Fall A). In den beiden weiteren Fällen bekommt der Versicherungsnehmer entweder nur die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Fall B) oder nur die Verbraucherinformation (Fall C). Der unproblematische Fall, der wie bisher behandelt werden kann, ist derjenige, daß der Versicherungsnehmer mit dem Antrag die Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhält (Fall D).

In den Fällen A, B und C kommen weitere Unterfälle hinzu.

Bei den weiteren Ausführungen soll von folgendem Grundsachverhalt ausgegangen werden:

Der Versicherungsnehmer stellt den Antrag am 15.01.1996. Der Versicherer übersendet am 15.02.1996 die Police. Nach dem Antrag und der Police soll die materielle Versicherungsdauer am 01.03.1996 beginnen. Die Erstprämie wird am 15.03.1996 gezahlt.

Fall A

Der Fall A kann verschiedene Entwicklungen nehmen. Es können vier Unterfälle unterschieden werden. Der Versicherer übersendet die Police ohne die Verbraucherinformation und ohne Allgemeine Versicherungsbedingungen (Unterfall 1). Es kann auch vorkommen, daß der Versicherer zusammen mit der Police nur die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Unterfall 2) oder nur die Verbraucherinformation (Unterfall 3) übersendet. Schließlich ist der Fall zu berücksichtigen, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer die Police mit allen erforderlichen Unterlagen überläßt (Unterfall 4).

Unterfall 1

Der Vertrag ist schwebend wirksam. Es werden zunächst keine Fristen in Gang gesetzt. Insbesondere kann die Widerspruchsfrist nicht laufen. Der Lauf der Frist beginnt erst, wenn dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a I VVG vollständig vorliegen und der Versicherungsnehmer bei Aushändigung des Versicherungsscheines schriftlich, in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer der Frist belehrt worden ist (§ 5a II Satz 1 VVG).

Der Versicherer ist für den Zugang der Unterlagen beweispflichtig (§ 5a II Satz 2 VVG). Dies kann erhebliche praktische Bedeutung erlangen.(15) Es ist bislang nicht üblich, den Zugang des Versicherungsscheins durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Dieser wird in der Regel mit einem einfachen Brief versandt.

Beweisschwierigkeiten können vermieden werden, wenn der Versicherungsschein als Einschreiben mit Rückschein abgesandt wird.(16) Wenn der Versicherungsschein weiterhin und regelmäßig mit einem einfachen Brief versandt wird, so dürften Kostengründe maßgeblich sein. Die diesbezügliche Praxis sollte überdacht werden.

Im vorliegenden Unterfall beginnt die Versicherung am 01.03.1996. Zu diesem Zeitpunkt hat der Versicherungsnehmer nur die Police und gegebenenfalls eine Durchschrift seines Antrages in der Hand.

Wenn er am 15.03.1996 seine Erstprämie zahlt, beginnt damit die Jahresfrist des § 5a II Satz 4 VVG. Das Recht zum Widerspruch erlischt ein Jahr nach Zahlung der Erstprämie. Im Ausgangsfall würde das Widerspruchsrecht am 15.03.1997 erlöschen.

Im Unterfall 1 müssen weitere Fallvarianten unterschieden werden. Der Sachverhalt kann so gelagert sein, daß der Versicherungsnehmer weiterhin keine Unterlagen erhält (Unter-Unterfall 1). Darüber hinaus kann unterstellt werden, daß der Versicherungnehmer am 15.04.1996 entweder nur die Information (Unter-Unterfall 2) oder nur die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Unter-Unterfall 3) erhält. Erfüllt der Versicherer seine Aufklärungspflicht vollständig, so liegen dem Versicherungsnehmer die erforderlichen Unterlagen vor (Unter-Unterfall 4).

Unter-Unterfall 1

Der Vertrag bleibt schwebend wirksam. Widerspricht der Versicherungsnehmer innerhalb der Jahresfrist, führt dies zu einer rückwirkenden Beseitigung des Versicherungsverhältnisses.

Verstreicht die Jahresfrist, ohne daß der Versicherungsnehmer einen Widerspruch erhebt, wird der Vertrag wirksam.

Dies ist der häufig diskutierte Fall, in dem untersucht werden muß, mit welchem Inhalt der Versicherungsvertrag zustande gekommen ist.

Es ist zu prüfen, ob der Versicherungsvertrag nur unter Berücksichtigung der Regelungen des § 5a VVG als wirksam anzusehen ist. Dabei kann in Betracht kommen, daß gleichwohl nicht von einem bestehenden Versicherungsverhältnis auszugehen ist, weil ein solches nach anderen Regeln nicht wirksam zustande kommen konnte. Es kann eine Rolle spielen, daß die vom Versicherer zu erbringende Leistung allein auf der Grundlage des Versicherungsscheins nicht hinreichend bestimmt ist.

Bei der Auslegung von Versicherunsgbedinungen soll nicht auf den Empfängerhorizont des Vertragspartners und dessen individuelle Erkenntnismöglichkeit abzustellen sein. Auslegungsmaßstab soll die Verständigungsmöglichkeit des vernünftigen und "rechtlichen" Durchschnittskunden sein, der rechtstechnische Begriffe entsprechend der juristischen Fachbedeutung auslegt.(17)

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind - vorhandene - Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer die Allgemeinen Bedingungen bei verständiger Würdigung(18), aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs(19) verstehen muß. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit - auch - auf seine Interessen an.(20)

Ob diese Auslegungsmaßstäbe ausreichen, um ein Versicherungsverhältnis zu konkretisieren, wenn der Versicherungsnehmer nur den Versicherungsschein und keine Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten hat, ist zweifelhaft. Soweit das Massengeschäft betroffen ist, wird sich der Inhalt des Versicherungsvertrags in der Regel durch die im Versicherungsschein enthaltene Kurzbeschreibung durch Auslegung ermitteln lassen. Die Bedingungswerke bedürfen aber keiner Genehmigung mehr durch das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Die Versicherer können sich weiterhin standardisierter Bedingungen bedienen. Sie müssen es aber nicht. Dies wird auf Dauer zu einer Bedingungsvielfalt führen, weshalb eine Bestimmung des Inhaltes des Versicherungsverhältnisses nur aufgrund des Inhaltes des Versicherungsscheines nicht einfach sein wird.

Wie in den Fällen einer fortbestehenden Unklarheit über den Versicherungsumfang zu verfahren ist, ist ungeklärt. Ob eine Unklarheitenregelung zu Lasten des Versicherungsnehmers aufzustellen ist, erscheint zweifelhaft. Es läßt sich schon nicht festlegen, welchen Inhalt eine solche Regel haben sollte. Sie müßte ggf. dahin gehen, daß im Zweifel das eine oder andere Risiko nicht als versichert anzusehen ist. Bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen müssen aber die in den Richtlinien enthaltenen Zielsetzungen beachtet werden. Sie dienen dem Schutz des Verbrauchers. Wenn der Versicherer die erforderlichen Informationen unterläßt, so kann dies nicht zum Nachteil des Verbrauchers gereichen, der durch die maßgeblichen Bestimmungen geschützt werden soll. Dies wäre ein Wertungswiderspruch.

Es kann also davon ausgegangen werden, daß Zweifel zu Lasten des Versicherers gehen. Praktische Beispiele dafür gibt es bereits. Bleibt z.B. nach Übersendung des Versicherungsscheins mangels Vorlage der Bedingungen zweifelhaft, ob in einer Hausratversicherung Überspannungsschäden versichert sind, so ist zu Gunsten des redlichen und gutgläubigen Versicherungsnehmers davon auszugehen, daß dies der Fall ist.(21)

Unter-Unterfall 2

Wenn der Versicherungsnehmer lediglich die Verbraucherinformationen erhält, so unterscheidet sich dieser Fall nicht vom Unter-Unterfall 1. Der Vertrag bleibt schwebend wirksam. Im Falle des Widerspruchs ergibt sich eine rückwirkende Beseitigung des Versicherungsverhältnisses. Verstreicht die Jahresfrist, ohne daß der Versicherungsnehmer innerhalb dieser Frist den Widerspruch erhebt, so wird der Versicherungsvertrag wirksam. Das Problem der inhaltlichen Gestaltung des Versicherungsvertrags entspricht dem des Unter-Unterfalls 1.

Unter-Unterfall 3

Dieser Fall nimmt eine Sonderstellung ein, weil sich der Inhalt des Versicherungsverhältnisses in der Regel ermitteln läßt, wenn der Versicherungsnehmer noch innerhalb der Jahresfrist die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhält. Im übrigen ergeben sich keine Unterschiede. Bis zum Ablauf der Jahresfrist ist der Vertrag schwebend wirksam. Erhebt der Versicherungsnehmer Widerspruch, erfolgt die rückwirkende Beseitigung des Versicherungsverhältnisses. Ohne Widerspruch innerhalb der Jahresfrist ist von einem wirksamen Versicherungsverhältnis auszugehen, das auch inhaltlich ausreichend bestimmt ist.

Unter-Unterfall 4

Erhält der Versicherungsnehmer am 15.04.1996 sowohl die Allgemeinen Versicherungsbedingungen als auch die Verbraucherinformation und liegen überdies zusätzlich die Voraussetzungen des § 5a II Satz 1 VVG vor, beginnt der Lauf der Widerspruchsfrist. Der Versicherungsnehmer hat die Möglichkeit, bis zum 29.04.1996 Widerspruch zu erheben. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, wird das Versicherungsverhältnis rückwirkend beseitigt. Bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist ist der Versicherungsvertrag schwebend wirksam. Versäumt der Versicherungsnehmer die Widerspruchsfrist, ist der Versicherungsvertrag endgültig wirksam.

Unterfall 2

Der Versicherungsnehmer erhält am 15.02.1996 nur die Police mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Wenn der Versicherer in diesem Fall seine Aufklärungspflicht nur teilweise erfüllt, bleibt der Vertrag schwebend wirksam. Fristen laufen nicht.

Wenn der Versicherungsnehmer am 15.03.1996 die Erstprämie zahlt, beginnt die Jahresfrist. Diese Jahresfrist kann der Versicherer abkürzen, wenn er dem Versicherungsnehmer am 15.04.1996 die noch fehlenden Informationen zukommen läßt. Der Versicherungsvertrag bleibt dann zwar schwebend wirksam. Durch die Übersendung der fehlenden Unterlagen wird jedoch die Widerspruchsfrist in Gang gesetzt, die in diesem Fall am 29.04.1996 abläuft.

Erhebt der Versicherungsnehmer innerhalb der Widerspruchsfrist keinen Widerspruch, ist der Vertrag wirksam. Andernfalls erfolgt die rückwirkende Beseitigung des Versicherungsverhältnisses.

In dieser Konstellation taucht die Frage auf, welche wechselseitigen Ansprüche bestehen, wenn der Versicherungsnehmer widersprochen hat und in der Zeit, in der der Vertrag schwebend wirksam gewesen ist, ein Versicherungsfall eingetreten ist. Es ist zu klären, ob sich Besonderheiten daraus ergeben, daß der Versicherungsnehmer zusammen mit der Police bereits die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhalten hat.

Unterfall 3

In diesem Unterfall erhält der Versicherungsnehmer mit der Police zunächst nur die Verbraucherinformation. Im übrigen unterscheidet sich dieser Unterfall kaum vom Unterfall 2. Der Versicherungsnehmer erhält die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erst später. Zunächst hat er nur die Police mit der Verbraucherinformation. Auf welcher materiellen Grundlage das Versicherungsverhältnis durchgeführt werden soll, erfährt der Versicherungsnehmer erst am 15.04.1996. Versäumt der Versicherungsnehmer die Widerspruchsfrist, ist der Vertrag wirksam. Andernfalls erfolgt die rückwirkende Beseitigung des Versicherungsverhältnisses.

Die Zeitspanne, in der das Versicherungsverhältnis im Falle des Widerspruchs eine nähere Konkretisierung erfahren hat, ist kurz. Sie beträgt lediglich 2 Wochen. In dieser Konstellation kann es darauf ankommen, ob der Versicherungsfall vor Übersendung der Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder danach eingetreten ist, wenn der Versicherungsnehmer mit seinem Widerspruch das Versicherungsverhältnis rückwirkend beseitigt hat.

Unterfall 4

Dieser Fall scheint dem bereits erörterten Unter-Unterfall 4 zu entsprechen. Kommt der Versicherer mit der Übersendung der Police seinen Aufklärungspflichten vollständig nach, kann er dadurch die zweiwöchige Widerspruchsfrist in Gang setzen. Der Vertrag ist schwebend wirksam. Der Versicherungsnehmer muß seinerseits aktiv werden und den Widerspruch erheben. Läßt der Versicherungsnehmer die Widerspruchsfrist verstreichen, ist der Vertrag wirksam. Der formelle Beginn liegt hier vor dem materiellen Beginn der Versicherung.

Dies ist gleichzeitig die Besonderheit dieses Unterfalles. Wenn der Versicherungsnehmer sich in dieser Konstellation dazu entscheidet, den Widerspruch zu erheben, beseitigt er damit das Versicherungsverhältnis rückwirkend.

Im Falle des Widerspruchs und bei Eintritt eines Versicherungsfalles innerhalb der Widerspruchsfrist läßt sich die Frage nach den wechselseitigen Ansprüchen leicht beantworten. Tritt in diesem Zeitraum ein Versicherungsfall ein, ist der Versicherungsnehmer nicht schutzwürdig. Für den Versicherungsnehmer war von vornherein erkennbar, daß der Versicherer nur für Versicherungsfälle eintreten wird, die ab dem 01.03.1996 eintreten.

Fall B

Dieser Fall unterscheidet sich nicht wesentlich vom Unterfall 4. Dem Versicherungsnehmer hat im übrigen nur die Verbraucherinformation gefehlt, wenn der Versicherer mit der Übersendung der Police seine übrigen Aufklärungspflichten erfüllt hat. Die Widerspruchsfrist läuft am 29.02.1996 ab. Bis dahin ist der Vertrag schwebend wirksam. Der Versicherungsnehmer kann widersprechen und damit vor dem materiellen Beginn der Versicherung die Folgen der von ihm abgegebenen Erklärung beseitigen. Versäumt der Versicherungsnehmer die Widerspruchsfrist, ist der Versicherungsvertrag spätestens am 01.03.1996 formell und materiell wirksam.

Unproblematisch ist auch hier der Fall, daß der Versicherungsfall in der Zeit vom 15.01.1996 -29.02.1996 eingetreten ist. In diesem Fall wäre der Versicherer ohnehin nicht eintrittspflichtig gewesen.

Fall C

In dieser Konstellation erhält der Versicherungsnehmer, nachdem er sich bereits im Besitz der Verbraucherinformation befindet, zusammen mit der Police am 15.02.1996 auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Dieser Fall unterscheidet sich nicht vom Fall B. Weitere Differenzierungen sind insoweit nicht erforderlich.

Fall D

Dieser Fall ist der klassische Fall, der im Zusammenhang mit § 5a VVG keine Probleme aufwirft.

III. Folgen der Verletzung der Aufklärungspflicht

Bei den verschiedenen in Betracht kommenden Fall-Konstellationen stellt sich die Frage, welche wechselseitigen Forderungen den Vertragsparteien zustehen. Zu klären ist, welchen Einfluß eine Verletzung der Aufklärungspflicht auf die Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers hat. Für beide Vertragsparteien kann die Frage zentrale Bedeutung gewinnen, unter welchen Voraussetzungen der Versicherer verpflichtet ist, bei Eintritt eines Versicherungsfalles Leistungen zu erbringen.

1. Prämienzahlungspflicht

Der Versicherungsnehmer hat es in der Hand, seine Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsprämie zu Fall zu bringen, wenn er innerhalb der Widerspruchsfrist bzw. innerhalb der Jahresfrist Widerspruch erhebt. Wenn der Versicherungsnehmer den Widerspruch innerhalb der ihm eingeräumten Fristen erhoben hat, entfällt damit im nachhinein der Rechtsgrund für die von ihm geleistete Zahlung. Er kann die Rückzahlung bereits geleisteter Prämien verlangen.

Die rückwirkende Beseitigung der Prämienzahlungspflicht des Versicherungsnehmers ist eine unmittelbare Folge der gesetzlichen Fiktion. Damit wird die Verletzung der Aufklärungspflicht durch den Versicherer sanktioniert.

Ob sich am rückwirkenden Fortfall der Prämienzahlungspflicht etwas ändert, wenn der Versicherungsnehmer trotz rechtzeitiger Erhebung des Widerspruchs Leistungen wegen eines Versicherungsfalles beansprucht, kann hier nicht abschließend untersucht werden. Es spricht einiges dafür, den Versicherern in diesem Fall den Prämienzahlungsanspruch zu belassen. Es ist nur schwer nachvollziehbar, warum der Versicherer Leistungen aufgrund eines gescheiterten Versicherungsverhältnisses erbringen soll, ohne einen Anspruch auf die Prämie zu haben.

Wenn der Versicherungsnehmer keinen Widerspruch erhebt, so stellt sich die Frage, welchen Einfluß es auf die Prämienzahlungsverpflichtung hat, wenn die Widerspruchsfristen noch nicht abgelaufen sind. Auf der Grundlage der Auffassung, daß der Versicherungsvertrag schwebend wirksam ist, solange der Versicherer seine Aufklärungspflichten nicht erfüllt hat, ist grundsätzlich davon auszugehen, daß der Versicherungsnehmer mit dem formellen Beginn des Versicherungsverhältnisses zur Zahlung der Prämie verpflichtet ist. Der Versicherungsnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen, solange der Versicherungsvertrag schwebend wirksam ist.

Indes kann dem Versicherungsnehmer entsprechend § 35 VVG ein Zurückbehaltungsrecht zustehen. Ein solches Zurückbehaltungsrecht wird dem Versicherungsnehmer zugestanden, wenn ihm der Versicherungsschein noch nicht ausgehändigt worden ist.22) Zu beachten ist, dass die Erstprämie bei einem Vertragsschluss nach dem Policenmodell erst nach dem Ablauf der Widerspruchsfrist fällig wird. 22a)

Die Zubilligung eines Zurückbehaltungsrechtes entspricht den Vorgaben des § 5a VVG. Würde die Bestimmung in Verbindung mit § 35 VVG entsprechend ausgelegt, wäre dies im Sinne der einschlägigen Richtlinien.

Mit dem Zurückbehaltungsrecht wird dem Versicherungsnehmer ein Mittel in die Hand gegeben, den Versicherer zur Erfüllung seiner Aufklärungsverpflichtungen anzuhalten.

Solange der Versicherer seine Aufklärungspflicht nicht vollständig erfüllt hat, kann er sich auch nicht auf die Einlösungsklausel des § 38 II VVG berufen. Steht dem Versicherungsnehmer ein Zurückbehaltungsrecht an der Prämie zu, wird diese erst fällig, wenn der Versicherer seine Aufklärungspflicht vollständig erfüllt hat.

Diese Einsicht beschert den nicht unwahrscheinlichen Sonderfall, daß der Versicherungsnehmer innerhalb der Jahresfrist nicht von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch gemacht hat und der Versicherer seinerseits auch nach Ablauf der Jahresfrist noch immer nicht seine Aufklärungspflichten erfüllt hat. Ob dem Versicherungsnehmer auch nach Ablauf der Jahresfrist ein Zurückbehaltungsrecht an der Prämie zugestanden werden kann, ist nach dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft und wirft erneut das Problem der Richtlinientreue auf.

2. Schadensersatz

Nicht unerhebliche Bedeutung hat die Frage, inwieweit eine Haftung des Versicherers aus c. i. c. in Betracht kommt, wenn der Versicherungsnehmer die Folgen des Versicherungsverhältnisses durch seinen rechtzeitigen Widerspruch rückwirkend beseitigt hat. Von besonderem Interesse ist der Fall, daß der Versicherungsfall in der Zeit nach dem geplanten materiellen Versicherungsbeginn und innerhalb der Widerspruchsfrist bzw. innerhalb der Jahresfrist eintritt.

Verzögert der Versicherer die Aushändigung des Versicherungsscheins und tritt in der Zwischenzeit der Versicherungsfall ein, so soll er verpflichtet sein, dem Versicherungsnehmer nach schadensrechtlichen Gesichtspunkten Versicherungsschutz zu gewähren.(23) Eine solche Haftung kann bei entsprechender Sachlage gegeben sein, wenn der Versicherer die Aushändigung der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen verzögert oder unterläßt.

3. culpa in contrahendo

Es kann eine Haftung des Versicherers für einen eingetretenen Versicherungsfall aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß in Betracht kommen. Bei Verhandlungen über den Abschluß eines Vertrags besteht regelmäßig die Verpflichtung, den anderen Teil über die Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Partners von wesentlicher Bedeutung sein können.(24)

Wird die erforderliche Aufklärung schuldhaft unterlassen, muß der Versicherungsnehmer so gestellt werden, wie wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre und sich entsprechend verhalten hätte.(25)

Es ist geklärt, daß der Versicherer auch für das Verschulden der von ihm bei den Verhandlungen herbeigezogenen Hilfspersonen, insbesondere Versicherungsagenten haftet. Es kommt nicht darauf an, ob die zugezogene Hilfsperson zum Abschluß bevollmächtigt war.(26)

Ob die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches aus c.i.c. vorliegen, wird nur im Einzelfall festgestellt werden können. Es muß ermittelt werden, ob es um Umstände geht, die den Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Partners von wesentlicher Bedeutung sein können.

Im Vordergrund steht das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wird dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu einer besonders günstigen Prämie angeboten, kann der Versicherungsnehmer aber andererseits nicht erkennen, daß für ihn wesentliche Risiken nicht versichert sind, so sind dies Umstände, über die der Versicherungsnehmer vorher aufgeklärt werden muß. Ein nicht versichertes Risiko gefährdet aus der Sicht des Versicherungsnehmers den Vertragszweck. Für die Entschließung des Versicherungsnehmers ist von wesentlicher Bedeutung, ob er für die von ihm zu entrichtende Prämie den benötigten Versicherungsschutz erhält.

Ob der Vertragszweck in der überwiegenden Mehrzahl der in Betracht kommenden Fälle als gefährdet angesehen werden kann, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer weder die Verbraucherinformation noch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen überlassen hat, erscheint zweifelhaft. Eine Haftung aus culpa in contrahendo wird oft ausscheiden.

Überdies haftet der Versicherer nicht ohne weiteres, wenn er seine Aufklärungspflichten verletzt. Eine Haftung soll vielmehr erst bejaht werden können, wenn der Versicherungsnehmer für den Versicherer bzw. seinen Agenten erkennbar über den einen oder anderen Punkt der abzuschließenden Versicherung irrige oder jedenfalls unklare Vorstellungen hat bzw. dies als naheliegende Möglichkeit für den Agenten bzw. den Versicherer erkennbar ist.(27)

Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles. Grundsätzlich wird man die Frage, ob der Versicherungsnehmer irrige oder jedenfalls unklare Vorstellungen über den Umfang des Versicherungsschutzes hat, bejahen dürfen. Der Versicherungsnehmer geht in der Regel von einem vollständigen Versicherungsschutz für den zu versichernden Bereich aus. Welche konkreten Vorstellungen sich der Versicherungsnehmer bei Antragstellung über den später zu gewährenden Versicherungsschutz macht, ist weder für den Versicherer noch für den Agenten ohne weiteres erkennbar.

Der Versicherer darf davon ausgehen, daß der Versicherungsnehmer sein Schutzgut in dem für diese Sparte üblichen und typischen Umfang gegen Gefahren versichern will. Diesen Versicherungsschutz wird der Versicherungsnehmer in der Regel auch erhalten. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer zuvor die Verbraucherinformation und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen ausgehändigt hat.

Wird diese Linie konsequent weiterverfolgt, so kann eine Haftung des Versicherers nur in Betracht kommen, wenn der Versicherungsnehmer außergewöhnlichen Versicherungsschutz begehrt und dies dem Versicherer bzw. seinem Agenten erkennbar gemacht worden ist.

Liegt im konkreten Fall tatsächlich einmal eine Versicherungslücke vor, so hängt die Haftung des Versicherers von weiteren Voraussetzungen ab. So muß die Aufklärungspflicht gerade gegenüber dem Versicherungsnehmer bestanden haben. Dies kann der Fall sein, wenn dieser nicht sachkundig war. Dies ist der Fall, wenn er nicht in der Lage war, die Lücke im Versicherungsschutz zu erkennen und deshalb die Zweckmäßigkeit des konkreten Abschlusses mangels spezieller Kenntnisse des Versicherungsrechts nicht beurteilen konnte.(28)

Der Versicherer bzw. sein Agent müssen außerdem schuldhaft gehandelt haben. Dies setzt die Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Notwendig ist es, daß der Agent bzw. der Versicherer im konkreten Fall die Lücke erkennen und vermeiden konnten.

Die Durchsetzung von Haftungsansprüchen gegen den Versicherer kann dadurch erschwert werden, daß der Versicherungsnehmer nicht in der Lage ist, den ihm obliegenden Beweis zu führen, daß bei vollständiger und korrekter Aufklärung eine andere Entscheidung getroffen worden wäre, die zu dem gewünschten Versicherungsschutz geführt hätte.

Allerdings soll in den Fällen der Verletzung einer Aufklärungspflicht eine Beweislaständerung eintreten. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Geschädigte im Regelfall den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem eingetretenen Schaden zu beweisen hat. Im Falle der Aufklärungspflichtverletzung soll jedoch dem Versicherer das Risiko der Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs jedenfalls insoweit treffen, als es um die Frage geht, wie der andere Teil gehandelt hätte, wenn er pflichtgemäß ins Bild gesetzt worden wäre.(29)

Praktisch bedeutet dies, daß der Versicherungsnehmer im Prozeß lediglich vortragen muß, er hätte anders gehandelt, wenn er die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation erhalten hätte. Diesen Vortrag muß er substantiieren. Er muß vortragen, daß der Versicherungsschutz, den er erhalten hätte, unzureichend gewesen wäre. Er muß mitteilen, daß er bei einer anderen Versicherung besseren Versicherungsschutz erhalten hätte. Erforderlich ist der Vortrag, daß der andere Versicherer das Risiko versichert hätte, auf das es dem Versicherungsnehmer grundsätzlich ankam. Zweifelhaft ist, ob es bereits ausreicht, wenn der Versicherungsnehmer vorträgt, er habe das gleiche Risiko bei einem anderen Versicherer günstiger versichern können. Es kann die Ansicht vertreten werden, daß insoweit bereits eine relevante Aufklärungspflichtverletzung nicht vorliegt.

4. Gewohnheitsrechtliche Vertrauenshaftung

Wird der Versicherungsnehmer durch den Versicherer oder einen Versicherungsagenten über einen vertragswesentlichen Punkt fehlerhaft oder pflichtwidrig nicht aufgeklärt, so kommt nach der Rechtsprechung eine Einstandspflicht aus gewohnheitsrechtlicher Vertrauenshaftung in Betracht. Betrifft die Aufklärungspflicht den Umfang des Versicherungsschutzes, kann die Vertrauenshaftung dahin gehen, dem Versicherungsnehmer gemäß seinen in diesem Zeitpunkt unzutreffenden Vorstellungen Versicherungsschutz zu gewähren, ihn also so zu stellen, wie er bei einem Versicherungsvertrag mit dem von ihm gewünschten Inhalt stehen würde. Diese Erfüllungshaftung setzt kein Verschulden voraus.(30)

Es wird nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden können, daß die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation vertragswesentliche Punkte enthalten. Der Versicherungsnehmer soll bei Antragstellung vollständig über Inhalt und Umfang des "Versicherungsschutzes" und die sonstigen, das Vertragsverhältnis bestimmenden Umstände unterrichtet sein.(31) Es spricht aufgrund der Fiktion des § 5a VVG einiges dafür, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation schlechthin als vertragswesentlich anzusehen. Dies wäre eine richtlinienkonforme Auslegung.

Nach der Rechtsprechung würde eine gewohnheitsrechtliche Vertrauenshaftung in der Form einer Erfüllungshaftung ausscheiden, wenn der Versicherungsnehmer die Verbraucherinformation nicht erhalten hat und dies folgenlos geblieben ist. Die Verbraucherinformation betrifft nicht den Umfang des Versicherungsschutzes. Der Umfang des Versicherungsschutzes ergibt sich regelmäßig allein aus der Versicherungspolice in Verbindung mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Eine Erfüllungshaftung könnte daher nur in Betracht kommen, wenn der Versicherer seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt hat, daß er dem Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht zukommen läßt.

5. Staatshaftung

Zweifel an der Richtlinienkonformität des § 5a VVG sind angebracht, weil Fälle denkbar sind, in denen ein Versicherungsvertrag zustande kommt, ohne daß der Versicherungsnehmer die Verbraucherinformation oder die Allgemeinen Versicherungsbedingungen erhält. Der Versicherer kann seine Aufklärungspflichten verletzen. Gleichwohl ist es möglich, daß ein Versicherungsvertrag zustandekommt. Nach den Richtlinien hat der Versicherer jedoch seine Informationspflichten vor Abschluß des Vertrags zu erfüllen.

Der Versicherungsnehmer kann unmittelbare Rechte aus der Dritten Lebensversicherungsrichtlinie und der Dritten Schadensrichtlinie nicht herleiten. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß das nach der Richtlinie vorgeschriebene Ergebnis durch Auslegung erreicht werden kann.

Unter diesen Bedingungen kommt eine Haftung des Mitgliedsstaates in Betracht. Nach dem Gemeinschaftsrecht sind die Mitgliedsstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet, die sie dem einzelnen durch die mangelnde Umsetzung einer Richtlinie verursacht haben. Allerdings müssen drei Voraussetzungen vorliegen.

Die Richtlinie muß die Verleihung von Rechten an einzelne bezwecken. Der Inhalt dieser Rechte muß auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie ermittelt werden können. Schließlich muß zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende Verpflichtung und dem eingetretenen Schaden ein Kausalzusammenhang bestehen.(32)

Ausdrücklich ergibt sich aus den genannten Richtlinien nicht, daß diese auch die Verleihung von Rechten an einzelne bezwecken. Es kann aber nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden, daß die Richtlinien unter Beachtung der Erwägungsgründe das Ziel haben, die Position des Verbrauchers zu stärken. Ziel ist es, dem Versicherungsnehmer die notwendigen Informationen zu verschaffen, die für seine Entscheidung über den Abschluß des Versicherungsvertrags von Bedeutung sein können. Zweck der Richtlinien ist es, dem Versicherungsnehmer ein Informationsrecht einzuräumen. Wird dieses Informationsrecht nicht erfüllt, kann ein Versicherungsvertrag nicht zustande kommen. Dies dient dem Schutz des Versicherungsnehmers.

Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß der Inhalt der Rechte auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie ermittelt werden kann. Es ist eindeutig, daß der Versicherer seine Informationspflichten vor Abschluß des Versicherungsvertrags zu erfüllen hat.

Die Kausalitätsfrage wird sich nur auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalles beantworten lassen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber gegen die Richtlinien verstoßen hat. Entgegen der Richtlinie gilt ein Vertrag als zustande gekommen, auch wenn der Versicherungsnehmer die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation nicht erhalten hat. Dadurch kann der einzelne Versicherungsnehmer einen Schaden erleiden. Er schließt entweder eine zu teure Versicherung ab. Oder aber er erhält nicht den begehrten Versicherungsschutz, was er hätte feststellen können, wenn er ordnungsgemäß aufgeklärt worden wäre.

Inwieweit dem Versicherungsnehmer in diesem Punkt Beweiserleichterungen zugebilligt werden können, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden.

IV. Nachbetrachtung

Regelungsgegenstand des § 5a VVG ist der Abschluß des Versicherungsvertrags. Außerdem enthält diese Bestimmung ein Abwehrrecht des Versicherungsnehmers. Ihm wird unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerspruchsrecht eingeräumt.

Die Vorschrift des § 5a VVG verursacht - nicht nur - Versicherungsjuristen heftige Bauchschmerzen. Bislang hat noch niemand die Ansicht vertreten, diese am 21.07.1994 in Kraft getretene Regelung sei gelungen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß die in diesem Gesetz enthaltenen Regelungen klar und verständlich sind. Es kann salopp dahingehend argumentiert werden, daß ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vorliegt.

Damit hat der Gesetzgeber in einem wirtschaftlich bedeutenden Zweig eine unsichere Lage geschaffen. Dies darf man um so mehr mit Befremdung zur Kenntnis nehmen, als ein Massengeschäft des Alltags betroffen ist. Es gibt heute praktisch keinen Haushalt mehr, der nicht einen oder mehrere Versicherungsverträge unterhält. Ständig werden neue Versicherungsverträge abgeschlossen. In einem solchen Geschäftsbereich, der eine Vielzahl von Rechtssubjekten betrifft, sollte der Gesetzgeber nach Möglichkeit keine Regelungen treffen, die Verwirrung schaffen.

Es ist bemerkenswert, daß die erörterten Probleme gegenwärtig noch keine bedeutende praktische Relevanz haben. Die Rechtsprechung hatte noch keine bzw. nur geringe Gelegenheit, sich mit den zum Teil schwierigen Rechtsfragen des § 5a VVG auseinanderzusetzen. Entwarnung ist deshalb nicht angesagt. Zu vielfältig sind die Interessen der betroffenen Kreise. Es läßt sich absehen, daß die Bestimmung des § 5a VVG zukünftig eine erhebliche praktische Bedeutung erlangen kann.

Versicherungsagenten und Versicherungsmakler werden die Möglichkeiten, die sich aus dieser Vorschrift ergeben, in nicht allzu langer Zeit erkennen und die Erhebung von Widersprüchen anregen. In vielen Fällen wird der Widerspruch Erfolg haben und zu einer rückwirkenden Beseitigung des Versicherungsvertrags führen. Damit ist der Weg frei für den Abschluß eines anderen provisionspflichtigen Geschäfts.

Der Versicherungsnehmer wird die Chance nutzen, übereilte Entscheidungen rückgängig zu machen. Sei es, weil er sich finanziell übernommen hat, oder sei es, weil er ein günstigeres Angebot gefunden hat, um seine Risiken zu versichern.

Der Versicherer wird im Einzelfall überlegen müssen, wie er auf den Eingang eines Widerspruchs zu reagieren hat, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß schon ein Versicherungsfall eingetreten ist.

In einer schwierigen Situation befindet sich auch der Anwalt, dessen Mandant den Auftrag zur Erhebung eines Widerspruchs erteilt, wenn sich nicht klären läßt, ob der Versicherungsfall schon eingetreten ist. Die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wird nicht leicht sein und nicht selten an tatsächlichen Fragen scheitern. Das Haftungsrisiko ist beachtlich.

Es gibt sonach viele Gründe, sich mit der schwierigen Rechtslage zu befassen. Ergebnisse, die den Bedürfnissen der Praxis gerecht werden, sind bei der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht zu erwarten. Am Ende sollte eine baldige Überarbeitung des § 5a VVG durch den Gesetzgeber stehen. Es wäre ein erneuter Drahtseilakt, das Zustandekommen von Versicherungsverträgen entgegen den Vorgaben der Richtlinien regeln zu wollen.

1. BGBl. I S. 1630.
2. Auf Versicherungsverträge, die bis zum 31.12.1994 zu den von der Aufsichtsbehörde genehmigten Versicherungsbedingungen geschlossen worden sind, findet § 5a VVG keine Anwendung.
3. Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10.11.1992.
4. Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18.06.1992.
5. So aber offenbar Dörner/Hoffmann, Der Abschluß von Versicherungsverträgen nach § 5a VVG, NJW 1996, 153 ff., 154.
6. EuGH NJW 1996, 1401, 1402 Nr. 22.
7. BGH NJW 95, 1615, 1616.
8. Vgl. Heinrich, Umsetzung der EG-Richtlinien über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen durch Auslegung - Erweiterung des Anwendungsbereichs der Inhaltskontrolle, NJW 95, 153 ff..
9. Vgl. Lorenz, Zum Abschluß eines Versicherungsvertrags nach § 5a VVG, VersR 95, 616 ff..
10. Dörner/Hoffmann, NJW 1996, 155.
11. Ringer, Stand, Inhalt und Probleme des neuen Versicherungsrechts - Bemerkungen zum 3. Gesetz zur Durchführung versicherungsrechtlicher Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaften -, VersR 1994, 753 ff..
12. Lorenz, VersR 1995, 616 ff., 619 f.; Präwe, ZfV 1994, 375 (381 ff.); Wandt, Verbraucherinformation und Vertragsschluß nach neuem Recht - Dogmatische Einordnung und praktische Handhabung, 1995 S. 19 ff..
13. BT-Drucksache 12/7595 S. 111.
14. Dörner/Hoffmann, NJW 1996, 155 ff..
15. Vgl. dazu Prölls/Martin-Knappmann, VVG, 25. A., Anm. 2 c zu § 39 VVG.
16. Vgl. OLG Hamm, VersR 92, 1205.
17. Vgl. LG Karlsruhe, VersR 77, 1121; LG Hamburg, VersR 85, 329; BGH, VersR 89, 82; BGH VersR, 90, 1124.
18. BGH NJW-RR 1992, 469.
19. BGH NJW-RR 1989, 1251.
20. BGH NJW 1982, 2776; BGH NJW 1993, 2369.
21. Vgl. AG Bad Homburg NJWE-VHR 96, 60: grundsätzlich kein Versicherungsschutz bei Einbeziehung der VHB.
22. Prölss/Martin-Knappmann, Versicherungsvertragsgesetz, 25. Auflage, Anm. 3 zu § 35 VVG.
22a. OLG Köln, zfs 2000, 447, 449.
23. OLG Karlsruhe VersR 91, 1125.
24. Vgl. BGH VersR 1979, 709; OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904.
25. Vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904, 905.
26. BGH VersR 1979, 709 ff. mit weiteren Nachweisen.
27. OLG Saarbrücken NJW-RR 1993, 36, 37.
28. Vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904, 905.
29. OLG Stuttgart NJW-RR 1986, 904, 905 mit weiteren Nachweisen.
30. Vgl. BGH NJW 1989, 3095, 3096.
31. BT-Drucksache 12/7595 S. 111.
32. EuGH NJW 1996, 1401, 1402 - Nr. 22.