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Arbeitsrecht

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Stand: 12. August 2014

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Bundesurlaubsgesetz - Kündigungsschutzgesetz - Insolvenzordnung

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Rechtsprechung des BAG im Jahr - 1998 - 1999 - 2000 - 2001 - 2002 - 2003 - 2004 - 2005 - 2006
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Bundesarbeitsgericht
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte
EuGH zur EWG-Richtlinie 93/104 (Arbeitszeit - Bereitschaft - Ärzte)
Fragebogen der AOK zur Scheinselbständigkeit
Geringfügige Beschäftigung
Geringfügige Beschäftigung - Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer
Kündigungsfristen nach § 622 BGB
Kündigungsschutzgesetz mit Leitsätzen
Landesarbeitsgerichte

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http://www.arbeitsrecht.de (Verlagsportal - Bund Media Gruppe)
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http://www.aus-portal.de (Internetportal für Arbeits- und Sozialrecht)
http://www.jura.uni-sb.de/FB/LS/Weth/InfEA/index.html (Orientierungshilfen zum europäischen Arbeitsrecht)
http://www.soliserv.de/nationales_arbeitsrecht.htm (Linksammlung Arbeitsrecht)
http://www.teilzeit-info.de

Tarifverträge

http://www.bmwa.bund.de (Verzeichnis allgemeinverbindlicher Tarifverträge)
http://www.bmas.de (Verzeichnis allgemeinverbindlicher Tarifverträge)
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http://www.rechtsrat.ws/tarif/liste.htm (Zusammenfassungen pp.)
http://www.tarifvertrag.de (Historien, Suchfunktionen, Übersichten, Regelungen)
http://www.uni-regensburg.de (Linkliste Tarifverträge im Internet)
http://www.verdi.tarifpolitik (Verdi)
http://www.igmetall.de (IG Metall)



Geringfügige Beschäftigung

Bundesfinanzministerium
Guckmal- Info








Geringfügige Beschäftigung - Änderungen ab dem 01.04.2003

(1) Die Verdienstgrenze für geringfügige Beschäftigte wird von 325 EUR auf 400 EUR angehoben.
(2) Die Begrenzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 15 Stunden entfällt.
(3) Die Stundenlohngrenze von 12 EUR je Arbeitsstunde wird aufgehoben.
(4) Die Freistellungsbescheinigungen des Finanzamtes werden überflüssig.
(5) Der Arbeitgeber muss künftig für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis insgesamt Pauschalabgaben in Höhe von 25 % leisten, der Arbeitnehmer kann also künftig wieder eine Nebenbeschäftigung bis 400 EUR " brutto für netto" aufnehmen.
(6) Arbeitnehmer können neben ihrer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung eine geringfügige Beschäftigung bis 400 EUR neben ihrer Haupttätigkeit ausüben.
(7) Bei Minijobs bis 400 EUR monatlich in "Privathaushalten" betragen die Pauschalabgaben des Arbeitgebers sogar nur 12 %.
(8) Darüber hinaus kann der private Arbeitgeber bis zu 510 EUR im Jahr seine Steuer ermäßigen.

Das Arbeitsgericht Gießen zieht um. Neue Adresse ab 26.01.2012:

Arbeitsgericht Gießen (vormals Arbeitsgericht Wetzlar, Arbeitsgericht Marburg)
Aulweg 45
35390 Gießen
(weniger als 1000 m entfernt von der Kanzlei Döhmer)

Geringfügige Beschäftigung - Abwälzung der pauschalen Lohnsteuer

„ ... Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt war, pauschalierte Lohnsteuer im Innenverhältnis auf die Klägerin abzuwälzen.

Die verheiratete Klägerin war vom 17. Juli 2000 bis zum 30. September 2003 bei der Beklagten in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis als Reinigungskraft beschäftigt. Im Arbeitsvertrag der Parteien vom 20. Juli 2000 ist ua. geregelt:

"2. Arbeitsentgelt

2. 1 Der/ die Arbeitnehmer/ in erhält den Tariflohn von zur Zeit DM 627, - brutto mtl. …

2. 2 Die Vertragsparteien vereinbaren ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nach § 8 Abs. 1 SGB IV. Der/ die Arbeitnehmer/ in hat kein weiteres Arbeitsverhältnis, mit dem die Verdienstgrenze von DM 630, 00 insgesamt überschritten wird. …

2. 3 Die Vertragsparteien vereinbaren ein geringfügiges Nebenarbeitsverhältnis (Zweitarbeitsverhältnis).

Das Arbeitsverhältnis wird nach der vorgelegten Steuerkarte abgerechnet. Alternativ kann der/ die Arbeitnehmer/ in unter den gesetzlichen Voraussetzungen eine Pauschalversteuerung verlangen (s. 2. 4).

2. 4 Sofern das Beschäftigungsverhältnis steuerpflichtig abgerechnet wird, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, die Pauschalbesteuerung zu wählen. Für diesen Fall vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, daß die pauschale Lohn- und Kirchensteuer sowie ein etwaiger Solidaritätszuschlag im Innenverhältnis vom/ von der Arbeitnehmer/ in getragen wird. Im steuerlichen Außenverhältnis trägt der Arbeitgeber die pauschale Lohn- und Kirchensteuer sowie einen etwaigen Solidaritätszuschlag. Dies geschieht ab dem folgenden Monat und kann im laufenden Kalenderjahr nicht nochmals geändert werden.

Der/ die Arbeitnehmer/ in wählt die Pauschalbesteuerung.

3. Geringfügige Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB IV

3. 1 Der/ die Arbeitnehmer/ in erklärt, daß er/ sie

a) bereits in einem steuer- und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht und insoweit krankenversichert ist bei der … trifft nicht zu

b) eine/ mehrere geringfügig entlohnte Beschäftigungen nach § 8 SGB IV bei anderen Arbeitgebern ausübt: Monatslohn: …, Jahreslohn: … trifft nicht zu …"

Bis zum 31. März 2003 zahlte die Beklagte den vereinbarten Lohn von zuletzt 322, 11 Euro abzugsfrei an die Klägerin aus. Im März 2003 wies die zuständige Objektleiterin auf die ab 1. April 2003 eintretende Steuerpflicht für das Arbeitsverhältnis sowie darauf hin, dass ein von der Beklagten angeschafftes Lohnprogramm die zwei Prozent Pauschalsteuer auf den Arbeitnehmer abwälze. Zum Ausgleich werde der Bruttolohn um zwei Prozent erhöht, so dass die Klägerin annähernd den gleichen Nettolohn erhalten werde.

Am 11. April 2003 gab die Klägerin auf einem mit "Auskunftshilfe für geringfügig entlohnte Beschäftigte und Ergänzung zum Arbeitsvertrag" überschriebenen Formular an, in keinem weiteren Beschäftigungsverhältnis zu stehen und in einer gesetzlichen Krankenkasse im Wege der Familienversicherung versichert zu sein. Die im Formular vorgesehenen Regelungen zur Vereinbarung eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses und über die Tragung der pauschalen Lohnsteuer nach § 40a Abs. 2 bzw. Abs. 2a EStG durch den Arbeitnehmer, alternativ über die individuelle Besteuerung nach Lohnsteuerkarte, wurden von der Klägerin gestrichen.

Ab April 2003 belastete die Beklagte die Klägerin intern mit der Pauschalsteuer in Höhe von zwei vom Hundert. Ab Mai 2003 rechnete sie den Lohn der Klägerin auf der Basis von 328, 55 Euro brutto ab.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Nachzahlung der abgeführten Lohnbestandteile für die Monate April bis September 2003. Sie hat geltend gemacht, der Lohneinbehalt sei unzulässig, da die Beklagte nach den gesetzlichen Bestimmungen alleinige Schuldnerin der Pauschalsteuer sei. Eine Parteivereinbarung, die es ermöglicht hätte, die Steuer abzuwälzen, liege nicht vor. Eine solche Vereinbarung wäre zudem wegen Verstoßes gegen § 4 TVG unwirksam.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34, 41 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Oktober 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Bruttolohnabrede schließe die Befugnis zur Abwälzung der Pauschalsteuer ein. Jedenfalls sei der Nr. 2. 4 des Arbeitsvertrags zu entnehmen, dass im Falle einer steuerpflichtigen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer die Pauschalbesteuerung zu tragen habe. Die Klägerin könne im Übrigen allenfalls Zahlungen in dem Umfang verlangen, in dem die Lohnabzüge nicht durch die Lohnerhöhung ausgeglichen worden seien.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe: Die Revision ist nicht begründet.

I. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf restlichen Lohn nicht zu.

1. Soweit die Klageforderung einen Betrag von 8, 65 Euro übersteigt, ist die Klage schon deswegen unbegründet, weil die Beklagte die Bruttovergütung mit Rücksicht auf die Einführung der pauschalierten Lohnsteuer erhöht hat. Die Erhöhung sollte den Steuerabzug ab Mai 2003 ausgleichen. Der monatliche Lohnanspruch betrug damit weiterhin jedenfalls nicht mehr als 322, 11 Euro netto. War der Steuerabzug unzulässig, erhielt die Klägerin ab Mai 2003 monatlich gerade 0, 13 Euro zu wenig.

2. Die Abwälzung der pauschalierten Lohnsteuer auf die Klägerin ist darüber hinaus insgesamt nicht zu beanstanden.

a) Das maßgebliche Steuerrecht verpflichtet den Arbeitgeber nicht, die Pauschalsteuer wirtschaftlich zu tragen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart war. Nach § 40a Abs. 2 EStG in der Fassung des Zweiten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4621) kann der Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte die Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern für das Arbeitsentgelt aus geringfügigen Beschäftigungen iSd. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV mit einem einheitlichen Pauschsteuersatz in Höhe von insgesamt zwei vom Hundert des Arbeitsentgelts erheben. Nach § 40 Abs. 3 in Verb. mit § 40a Abs. 5 EStG hat der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen. Er ist Schuldner der pauschalen Lohnsteuer; auf den Arbeitnehmer abgewälzte pauschale Lohnsteuer gilt als zugeflossener Arbeitslohn und mindert nicht die Bemessungsgrundlage. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben bei der Veranlagung zur Einkommensteuer und beim Lohnsteuerjahresausgleich außer Ansatz. Die pauschale Lohnsteuer ist weder auf die Einkommensteuer noch auf die Jahreslohnsteuer anzurechnen. Danach hatte die Beklagte steuerrechtlich die Wahl zwischen Pauschalbesteuerung und Abzugsverfahren.

Die durch § 40 Abs. 3 EStG begründete Verpflichtung zur Übernahme der Steuerschuld sagt nichts darüber aus, wer die Steuer wirtschaftlich zu tragen hat (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/ 02 - BAGE 106, 345, 349, zu A II 2 b der Gründe). Zu unterscheiden ist zwischen dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis und dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. § 40 Abs. 3 EStG schließt nur die Inanspruchnahme des Arbeitnehmers durch die zuständige Einzugsstelle des Steuergläubigers aus. Es handelt sich um eine spezifisch einkommensteuerrechtliche Regelung, die keine arbeitsrechtlichen Ziele verfolgt (Senat 5. August 1987 - 5 AZR 22/ 86 - BAGE 56, 14, 17, zu 2 der Gründe; BAG 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/ 77 - AP EStG § 40a Nr. 1 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4, zu 2 b der Gründe). § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG lässt vielmehr ausdrücklich zu, die pauschale Lohnsteuer im Arbeitsverhältnis auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Das folgt auch aus den Lohnsteuerrichtlinien (H 127 und H 128 LStR zu § 40 EStG).

Diese Rechtslage entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, die die pauschale Lohnsteuer als eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer behandelt (BFH 30. November 1989 - I R 14/ 87 - BFHE 159, 82, 85 f., zu A 3 der Gründe). Der Arbeitgeber ist danach nicht originärer Steuerschuldner. Vielmehr entsteht die Lohnsteuer in individualisierbarer Form als Anspruch aus dem Steuerverhältnis gegenüber dem Arbeitnehmer. Erst mit der Übernahme der Steuer im Pauschalierungsverfahren wird der Arbeitgeber gegenüber der Finanzverwaltung in formeller Hinsicht, dh. für das Erhebungsverfahren, alleiniger Steuerschuldner. Der Arbeitgeber übernimmt diese Lohnsteuer als eigene Schuld, die sich in seiner Person nicht dem Grunde nach, sondern lediglich der Höhe nach ändert (BFH 30. November 1989 - I R 14/ 87 - aaO, S. 86; 6. Mai 1994 - VI R 47/ 93 - BFHE 174, 363, 365, zu 1 der Gründe; 7. Februar 2002 - VI R 80/ 00 - BFHE 197, 554, 558, zu II 1 c bb der Gründe). Dem Gesetzgeber geht es bei der Besteuerung des Arbeitslohns mit festen Sätzen auch um eine Verfahrensvereinfachung zu Gunsten des Arbeitgebers. Die festen Steuersätze und die vereinfachte Berechnung eines Durchschnittssteuersatzes sollen übermäßigen Verwaltungsaufwand in einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle vermeiden (vgl. BAG 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/ 77 - AP EStG § 40a Nr. 1 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4, zu 2 b der Gründe). Darüber hinaus dient § 40a Abs. 2 EStG in der seit dem 1. Januar 2003 geltenden Fassung dazu, die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse mit ihrer Gesamtbelastung von Rentenversicherungsbeiträgen und Steuern im Interesse einer Förderung des Arbeitsmarktes attraktiv zu gestalten (vgl. Wagner in Herrmann/ Heuer/ Raupach Stand August 2005 § 40a EStG Anm. 3). Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Gläubiger und Schuldner der Lohnforderung wird hierdurch nicht berührt.

b) Die Belastung der Klägerin mit der pauschalen Lohnsteuer verstößt nicht gegen den auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden allgemeinverbindlichen Lohntarifvertrag. Der tarifliche Bruttolohn wird hierdurch nicht unterschritten (vgl. nur Senat 5. August 1987 - 5 AZR 22/ 86 - BAGE 56, 14, 18, zu 5 der Gründe). Zudem hat die Klägerin zur Höhe des ihr zustehenden Tariflohns keine Einzelheiten vorgetragen.

c) Die Vorinstanzen haben zutreffend erkannt, dass die Parteien eine Bruttolohnabrede getroffen haben und dass das vereinbarte Arbeitsentgelt die steuerrechtlichen Abzugsbeträge enthält (vgl. BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/ 02 - BAGE 106, 345, 349, zu A II 2 c aa der Gründe mwN).

Bei dem Arbeitsvertrag der Parteien handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren § 305 Abs. 1 BGB (Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen hat nach allgemeinen Grundsätzen zu geschehen, wie sie auch für die Auslegung von Rechtsnormen gelten. Sie unterliegt der uneingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht (BAG 24. Juni 2003 - 9 AZR 302/ 02 - BAGE 106, 345, 349, zu A II 2 c der Gründe; 25. September 2002 - 4 AZR 294/ 01 - BAGE 103, 9, 12, zu II 2 a der Gründe; Senat 31. August 2005 - 5 AZR 545/ 04 - AP ArbZG § 6 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 a, b der Gründe).

Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien entgegen der eindeutigen Regelung zu Nr. 2. 1 des Arbeitsvertrags in Wahrheit eine Nettolohnvereinbarung getroffen haben, liegen nicht vor. Die Parteien haben ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nicht "extra" vereinbart, so dass dahinstehen kann, ob einer solchen Regelung unter Berücksichtigung der bei Abschluss des Arbeitsvertrags bestehenden Gesetzeslage eine Nettolohnvereinbarung zu entnehmen wäre. Soweit die Klägerin erstmals in der Revision anführt, die Parteien seien bei Abschluss des Vertrags übereinstimmend davon ausgegangen, bei dem vereinbarten Monatslohn habe es sich um einen Betrag "brutto gleich netto" gehandelt, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil es sich um neuen Tatsachenvortrag handelt, der in der Revision keine Berücksichtigung finden kann (§ 559 Abs. 1 ZPO). Im Übrigen kann aus diesem Umstand keine Nettolohnvereinbarung gefolgert werden (vgl. auch Senat 16. Juni 2004 - 5 AZR 521/ 03 - BAGE 111, 131, 133, zu II 2 der Gründe); denn gem. § 3 Nr. 39 EStG in der ab dem 1. April 1999 geltenden Fassung waren die Einkünfte des Arbeitnehmers aus einer geringfügigen Beschäftigung in der Tat steuerfrei, wenn die Summe der anderen steuerpflichtigen Einkünfte des Arbeitnehmers nicht positiv war.

Liegt eine Bruttolohnvereinbarung vor, kann der Arbeitgeber, dem steuerrechtlich das Wahlrecht zwischen einer Pauschalbesteuerung und einer Besteuerung nach individuellen Merkmalen zusteht, den Arbeitnehmer intern mit der Pauschalsteuer belasten (vgl. BAG 22. Juni 1978 - 3 AZR 156/ 77 - AP EStG § 40a Nr. 1 = EzA BGB § 611 Nettolohn, Lohnsteuer Nr. 4, zu 1 a der Gründe); denn auch die Pauschalbesteuerung geht auf einen Steuertatbestand zurück, der sich in der Person des Arbeitnehmers in Form des Zuflusses von Arbeitslohn verwirklicht. Einer besonderen Vereinbarung hierzu bedarf es nicht. Die Abwälzungsbefugnis des Arbeitgebers besteht so lange, wie dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten bleibt, unter Vorlage der Lohnsteuerkarte eine Besteuerung nach seiner individuellen Steuerklasse zu verlangen. Kommt der Arbeitgeber einem solchen Wunsch des Arbeitnehmers nicht nach, hat er die Pauschalbesteuerung auch im Innenverhältnis zu tragen.

Eine die Abwälzung der Pauschalsteuer ausschließende Vereinbarung liegt nicht vor. Nr. 2. 4 des Arbeitsvertrags enthält keine Regelung dahin, das Wahlrecht liege stets bei der Klägerin und eine Abwälzung der Pauschalsteuer solle nur bei entsprechender Wahl oder ausdrücklicher Vereinbarung möglich sein. Vielmehr wird der Fall, dass der Arbeitgeber nach der gesetzlichen Aufhebung der Steuerfreiheit die neu geregelte Pauschalbesteuerung wählt und der Arbeitnehmer dem nicht widerspricht, nicht erfasst. Eine Schlussfolgerung, die Abwälzung sei nur bei einer ausdrücklichen Wahl der Pauschalbesteuerung durch den Arbeitnehmer zulässig, ist vor dem Hintergrund des § 3 Nr. 39 EStG idF vom 24. März 1999 jedenfalls nicht erlaubt. Für von dieser Bestimmung erfasste Beschäftigungsverhältnisse, zu denen auch das Arbeitsverhältnis der Parteien zählte, war die vertragliche Regelung ersichtlich bedeutungslos. Daraus, dass im April 2003 eine Ergänzung zum Arbeitsvertrag nicht zustande gekommen ist, lässt sich zu Gunsten der Klägerin nichts herleiten. Hierbei hätte es sich nur um eine Klarstellung gehandelt. Die angebotene individuelle Besteuerung hat die Klägerin ausgeschlagen.

Der Gesichtspunkt der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Eine Angemessenheitskontrolle der Pauschalsteuerabwälzung nach Maßgabe des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB findet gem. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt; denn die Vereinbarung betrifft eine Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, die nicht durch Rechtsvorschriften bestimmt wird (vgl. Senat 31. August 2005 - 5 AZR 545/ 04 - AP ArbZG § 6 Nr. 8, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 3 a der Gründe). Das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt nicht, Rechte, die aus dem Gesetz oder aus der Rechtsnatur einer Vereinbarung wie der hier getroffenen Bruttolohnabrede folgen, ausdrücklich zu regeln oder den Vertragspartner darüber zu belehren (vgl. BGH 22. März 2000 - IV ZR 23/ 99 - NJW 2000, 2103, 2106, zu II 4 a der Gründe mwN).

d) Die Abwälzung der Pauschalsteuer auf die Klägerin verstößt nicht gegen § 4 Abs. 1 TzBfG. Nach dieser Bestimmung darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Bei einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer kommt eine pauschale Besteuerung regelmäßig nicht in Betracht. Ob die Klägerin auf Grund der Pauschalbesteuerung beurteilt nach dem Netto-Zufluss schlechter als bei einer individuellen Besteuerung stand (was sie nicht konkret dargelegt hat), kann dahingestellt bleiben; denn sie hatte jederzeit die Möglichkeit, die Einzelbesteuerung zu verlangen. Damit war sie gegenüber einem vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mit individueller Besteuerung nicht benachteiligt. ..." (BAG, Urteil vom 01.02.2006 - 5 AZR 628/ 04)

Arbeitszeit und Bereitschaft

Am 09.09.2004 entschied der Europäische Gerichtshof im Vorabentscheidungsverfahren C-151/02, dass der Bereitschaftsdienst, der an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort geleistet wird, als Arbeitszeit anzusehen ist. Dem Fall lag die Klage eines deutschen Arztes gegen Regelungen des deutschen Arbeitszeitgesetzes zugrunde, nach denen der Bereitschaftsdienst von Ärzten in Krankenhäusern - mit Ausnahme der Zeiten, in denen tatsächlich berufliche Aufgaben wahrgenommen werden - als Ruhezeit gilt. Diese Regelungen sind nach Ansicht des EuGH unvereinbar mit der Richtlinie 93/104/EG des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (im Internet unter http://europa.eu.int/smartapi/cgi/sga_doc?smartapi!celexapi!prod!CELEXnumdoc&lg=DE&numdoc=31993L0104&model=guichett ). Das Urteil ist unter Eingabe des Aktenzeichens in die Suchmaske des EuGH im Internet abrufbar: http://www.curia.eu.int/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de.

Zur Arbeitsbereitschaft und verlängerten Arbeitszeiten beim Deutschen Roten Kreuz ist eine Entscheidung des BAG veröffentlicht worden: Mit seiner Klage wendete sich ein Rettungsassistent eines Kreisverbandes des Deutschen Roten Kreuzes gegen die von seinem Arbeitgeber angeordnete Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 49 Stunden. Weiterhin machte er Ansprüche auf Bezahlung von Überstunden für die über die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich hinaus geleisteten Arbeitsstunden geltend.

Die angeordnete Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit auf 49 Stunden/Woche war unwirksam. Die tarifvertraglichen Voraussetzungen für eine solche Verlängerung lagen im Streitfall nicht vor. Der Arbeitgeber hat nicht dargelegt, dass in die tägliche Arbeitszeit regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fiel. Es bedurfte deshalb keiner Entscheidung, ob die nach dem TV-DRK mögliche Anordnung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 49 Stunden/Woche mit dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union vereinbar ist.

Die vom Kläger erhobenen Ansprüche auf Überstundenvergütung sind zum Teil verfallen, weil der Kläger sie nach dem Entstehen nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht hat. Nach dem TV-DRK entstehen Ansprüche auf Überstundenvergütung erst, wenn nach Ablauf eines Ausgleichszeitraums von 26 Wochen feststeht, dass die regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden überschritten ist. Eine vor Ablauf dieses Zeitraums erfolgte Geltendmachung von Überstundenvergütung wahrt die Ausschlussfrist nicht. Der Senat hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit die notwendigen Feststellungen zur Höhe der noch nicht verfallenen Ansprüche auf Überstundenvergütung getroffen werden können (BAG, Urteil vom 09.03.2005 - 5 AZR 385/02 - Pressemitteilung Nr. 15/05).



Ausschlussfrist - Vereinbarung

Zur Wirksamkeit einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist hat das BAG folgende wichtige Pressemitteilung veröffentlicht:

Die Klägerin war bei dem beklagten Rechtsanwalt als Rechtsanwaltsfachangestellte beschäftigt. In § 10 des Arbeitsvertrags hatten die Parteien Folgendes

"Ausschlussfrist
Alle Ansprüche, die sich aus dem Angestelltenverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von 6 (sechs) Wochen seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Frist von 4 (vier) Wochen einzuklagen".

Die Klägerin war vom 9. bis zum 30. April 2002 arbeitsunfähig krank. Ihren Entgeltfortzahlungsanspruch machte sie mit Schreiben vom 14. Mai 2002 geltend. Nachdem der Beklagte im Juni 2002 eine Zahlung abgelehnt hatte, erhob die Klägerin erst im August 2003 Zahlungsklage. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Der Verfall des Anspruchs hängt davon ab, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB vorliegen. Zwar können zweistufige Ausschlussfristen (das sind solche, die nach einer formlosen oder schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs zusätzlich die gerichtliche Geltendmachung innerhalb bestimmter Fristen erfordern) einzelvertraglich auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Der Senat hält aber in Anlehnung an § 61b ArbGG für die zweite Stufe eine Mindestfrist von drei Monaten für geboten. Dasselbe gilt, falls die - unstreitig von dem Beklagten vorformulierte - Ausschlussfrist nur zur einmaligen Verwendung bestimmt war, sofern die Klägerin aufgrund der Vorformulierung keinen Einfluss nehmen konnte; denn es liegt ein Verbrauchervertrag gem. § 310 Abs. 3 BGB vor. Die zu kurz bemessene Klagefrist ist in diesen Fällen unwirksam mit der Folge, dass eine Klage zum Erhalt des Anspruchs überhaupt nicht erhoben werden musste. Dagegen kommt entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine Überprüfung der Dauer der Ausschlussfrist an dem Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dann nicht in Betracht, wenn es sich um eine im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelte Klausel handeln sollte. Das Landesarbeitsgericht muss diese Frage noch in tatsächlicher Hinsicht aufklären (BAG, Urteil vom 25.05.2005 - 5 AZR 572/04 - Pressemitteilung Nr. 31/05).



Drittschuldnerklage - verschleiertes Einkommen

„ ... Der Anspruch der Klägerinnen und Kläger kann aus § 850h Abs. 2 ZPO begründet sein. Die Pfändung eines "verschleierten Arbeitseinkommens" nach dieser Vorschrift durch den Gläubiger setzt voraus, dass der Schuldner dem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste leistet, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, die insoweit als üblich anzusehende Vergütung aber nicht oder nur in geringerem Umfang gezahlt wird. Die Darlegungs- und Beweislast bezüglich dieser Voraussetzungen obliegt der klagenden Partei.

b) Nach allgemeinen Grundsätzen ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Klageanspruchs dann schlüssig, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen ( st. Rspr., zB BAG 23. Februar 2005 - 10 AZR 413/04 - zur Veröffentlichung vorgesehen; BGH 23. April 1991 - X ZR 77/89 - NJW 1991, 2707). Dabei ist die Klagepartei nicht verpflichtet, den streitigen Lebenssachverhalt in allen Einzelheiten darzustellen; vielmehr genügt eine Prozesspartei ihrer Darlegungspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie diejenigen Umstände vorträgt, aus denen sich die gesetzlichen Voraussetzungen der begehrten Rechtsfolge ergeben ( BGH 8. Mai 2002 - I ZR 28/00 - NJW-RR 2002, 1433) . Bezogen auf die vom Gläubiger darzulegenden Tatbestandsmerkmale der regelmäßigen Arbeit für den Drittschuldner und der Unangemessenheit der Vergütung gem. § 850h Abs. 2 ZPO folgt daraus die Verpflichtung der Klagepartei, Art und zeitlichen Umfang der Arbeitsleistungen des Schuldners darzulegen. Der Gläubiger muss ferner mit seinem Sachvortrag dem Gericht einen Vergleich zwischen der für die behauptete Arbeitsleistung angemessenen Vergütung und der tatsächlich gezahlten Vergütung ermöglichen, um das Merkmal der Unangemessenheit des vom Drittschuldner geleisteten Entgelts zu überprüfen (BAG, Urteil vom 03.08.2005, 10 AZR 585/04).



Entgeltfortzahlung - Fortsetzungserkrankung

Der Arbeitnehmer hat die anspruchsbegründenden Tatsachen eines Entgeltfortzahlungsanspruchs darzulegen und ggf. zu beweisen. I st er innerhalb der Zeiträume des § 3 Abs 1 Satz 2 EFZG (Juris: EntgFG) länger als sechs Wochen arbeitsunfähig, muss er darlegen, dass keine Fortsetzungserkrankung vorliegt. Wird dies vom Arbeitgeber bestritten, obliegt dem Arbeitnehmer die Darlegung der Tatsachen, die den Schluss erlauben, es habe keine Fortsetzungserkrankung vorgelegen. Der Arbeitnehmer hat dabei den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden. Die objektive Beweislast für das Vorliegen einer Fortsetzungserkrankung hat der Arbeitgeber zu tragen (teilweise Aufgabe von Senat 4. Dezember 1985 - 5 AZR 656/84 - AP Nr 42 zu § 63 HGB = EzA § 63 HGB Nr 40; BAG, Urteil vom 13.07.2005, 5 AZR 389/04).

Entgeltfortzahlung bei Schwangerschaft

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, wenn eine nationale Regelung zum Krankheitsurlaub Arbeitnehmerinnen, die bereits vor dem Mutterschaftsurlaub wegen einer mit ihrer Schwangerschaft zusammenhängenden Krankheit fehlen und Arbeitnehmer, die infolge irgendeiner Krankheit fehlen, gleich behandelt und für beide eine Kürzung der Vergütung vorsieht, sobald die Fehlzeit eine bestimmte Dauer überschreitet. Dies gelte jedoch nur, wenn die gezahlten Leistungen nicht so niedrig sind, dass dadurch die schwangere Arbeitnehmerin in finanzielle Bedrängnis gerät. Entsprechendes gilt bei einer Regelung, die vorsieht, dass krankheitsbedingte Fehlzeiten unabhängig davon, ob die Krankheit mit einer Schwangerschaft zusammenhängt, auf die Gesamtzahl bezahlter Krankheitsurlaubstage, die ein Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums höchstens beanspruchen kann, angerechnet werden (EuGH vom 09.09.2005 - C-191/03).

Schwangersschaft - Sonderkündigungsschutz

Die schwangere Klägerin arbeitete seit dem 15. September 2002 in der Rechtsabteilung der Beklagten. Der voraussichtliche Entbindungstermin sollte der 1. Mai 2003 sein. Anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung im Dezember 2002 wurde eine Funktionsstörung der Nieren des ungeborenen Kindes festgestellt (sog. Potter-Syndrom), die zum sicheren Tod des Kindes noch während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt geführt hätte. Auf ärztlichen Rat wurden am 26. Dezember die Wehen medikamentös eingeleitet. Am 28. Dezember brachte die Klägerin einen toten Jungen mit einem Gewicht von 600 Gramm zur Welt. In der Todesbescheinigung ist angegeben, dass das Kind in der Geburt verstorben ist. Die Klägerin teilte am 30. Dezember 2002 der Beklagten mit, die Schwangerschaft sei abgebrochen worden und das Kind gestorben. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 5. März 2003 das Arbeitsverhältnis der Klägerin fristgemäß. Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen diese Kündigung mit dem Hinweis gewandt, diese sei nach § 9 Abs. 1 MuSchG unzulässig. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Sonderkündigungsschutz für Mütter finde vorliegend keine Anwendung, weil auch ein medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbruch keine "Entbindung" im Sinne des Gesetzes sei. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat das Bundesarbeitsgericht der Klage stattgegeben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während einer Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig. Eine Entbindung im Sinne der Norm ist ua. in Anlehnung an entsprechende personenstandsrechtliche Bestimmungen (§ 21 Abs. 2 PStG iVm. § 29 Abs. 2 PStV) dann anzunehmen, wenn die Leibesfrucht ein Gewicht von mindestens 500 Gramm hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Kind lebend oder tot geboren wird. Das gilt auch bei einer medizinisch indizierten vorzeitigen Beendigung der Schwangerschaft. Dies entspricht dem Sinn und Zweck von § 9 Abs. 1 MuSchG, ua. einen Schutz für die durch die Schwangerschaft und den Geburtsvorgang entstehenden Belastungen der Frau zu gewähren (BAG, Urteil vom 15.12. 2005 - 2 AZR 462/ 04).



Feststellungsklage - Zulässigkeit

Gemäß § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Rechtsverhältnis ist eine aus dem vorgetragenen Sachverhalt abgeleitete rechtliche Beziehung von Personen untereinander oder zu einer Sache. Zwar können Gegenstand einer Feststellungsklage nicht bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses sein. Jedoch kann sich die Feststellungsklage auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr., vgl. nur BAG 25. Oktober 2001 - 6 AZR 718/00 - BAGE 99, 250, 252 f.; BGH 19. April 2000 - XII ZR 332/97 - NJW 2000, 2280, zu 1 a der Gründe, jeweils mwN) . Die Feststellung muss grundsätzlich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis gerichtet sein (BGH 13. März 2001 - VI ZR 290/00 - MDR 2001, 829, zu II 1 der Gründe; 7. Juni 2001 - I ZR 21/99 - NJW 2001, 3789, zu II 1 der Gründe) . Dieses muss so genau bezeichnet sein, dass über seine Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann. Ein Feststellungsantrag, der diesem Erfordernis nicht genügt, ist unzulässig (BGH 4. Oktober 2000 - VIII ZR 289/99 - NJW 2001, 445, zu II 3 a der Gründe; BAG, Urteil vom 31.08.2005, 5 AZR 136/05).

Hinweispflichten bei Kündigung - Schadensersatz

Unterlässt der Arbeitgeber den nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III gebotenen Hinweis an den Arbeitnehmer über dessen Pflicht, sich vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses unverzüglich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden, so begründet dies keinen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber (BAG, Urteil vom 29.09.2005, 8 AZR 571/04).



Kündigungsfrist - Dauer

Vereinbaren die Parteien unter Verstoß gegen § 622 Abs 6 BGB für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eine längere Frist als für die Kündigung durch den Arbeitgeber, muss auch der Arbeitgeber bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses die für den Arbeitnehmer vereinbarte (längere) Kündigungsfrist einhalten (§ 622 Abs 6 BGB iVm § 89 Abs 2 HGB analog; BAG, Urteil vom 02.06.2005, 2 AZR 296/04).

Schriftformerfordernisse

In das Bürgerliche Gesetzbuch ist mit Wirkung zum 01.05.2000 eine neue Bestimmung eingefügt worden. Es handelt sich um § 623 BGB. Nach dieser Bestimmung bedürfen die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder der Auflösungsvertrag sowie die Befristung von Arbeitsverhältnissen zur ihrer Wirksamkeit der Schriftform (vgl. Rolfs, NJW 2000, 1227 ff.; Richardi/Annusz, NJW 2000, 1231 ff.).

Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigung oder Auflösungsvertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform; die elektronische Form ist ausgeschlossen (§ 623 BGB).

Für die Einhaltung der Schriftform der Kündigung (§ 623 BGB) ist es erforderlich, dass der Kündigende die Kündigung unterzeichnet. Wird die Kündigung durch einen Vertreter unterschrieben, muss dies in der Kündigung durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen. Sind in dem Kündigungsschreiben einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) alle Gesellschafter sowohl im Briefkopf als auch maschinenschriftlich in der Unterschriftszeile aufgeführt, so reicht es zur Wahrung der Schriftform nicht aus, wenn lediglich ein Teil der GbR-Gesellschafter ohne weiteren Vertretungszusatz das Kündigungsschreiben handschriftlich unterzeichnet. Eine solche Kündigungserklärung enthält keinen hinreichend deutlichen Hinweis darauf, dass es sich nicht lediglich um den Entwurf eines Kündigungsschreibens handelt, der versehentlich von den übrigen Gesellschaftern noch nicht unterzeichnet ist.

***

Die Aufhebung eines Umschulungsvertrags iSv. § 1 Abs. 4, § 47 BBiG nF bedarf nicht gem. § 623 BGB der Schriftform. Durch die Beschränkung dieser Vorschrift auf das Arbeitsverhältnis erfasst sie nicht ein Dienstverhältnis, das nicht die Merkmale eines Arbeitsverhältnisses aufweist. § 623 BGB findet auf einen solchen Umschulungsvertrag auch keine entsprechende Anwendung. Die Klägerin absolvierte eine Umschulung zur "Berufskraftfahrerin Personenverkehr". Die Maßnahme sollte in der Zeit vom 17. Dezember 2001 bis zum 12. September 2003 erfolgen. Die Klägerin erhielt für die Dauer der Umschulung von der Agentur für Arbeit Unterhaltsgeld. Am 4. Juli 2002 fand ein Gespräch statt, dessen Inhalt streitig ist. Mit der Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien auch über den 6. Juli 2002 hinaus ein Umschulungsverhältnis bestanden hat. Sie behauptet, das Umschulungsverhältnis sei nicht am 4. Juli 2002 zum 5. Juli 2002 einvernehmlich aufgehoben worden. Eine mündliche Aufhebung des Umschulungsvertrags sei überdies formwidrig und daher nichtig. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Sechsten Senat Erfolg. Da streitig geblieben ist, ob in dem Gespräch am 4. Juli 2002 mündlich die Aufhebung des Umschulungsvertrags vereinbart wurde und hierzu keine tatrichterlichen Feststellungen vorliegen, war das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (BAG, Urteil vom 19.01.2006 - 6 AZR 638/ 04).

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Die Klägerin war seit 01.11.2001 bei der in Form einer GbR betriebenen Gemeinschaftspraxis dreier Zahnärzte als Zahntechnikerin beschäftigt. Mit Schreiben vom 26.04.2002 erhielt sie eine Kündigung zum 10.05.2002. Das Kündigungsschreiben war nur von zwei Zahnärzten unterschrieben. Über dem maschinenschriftlich aufgeführten Namen des dritten Zahnarztes fehlte die Unterschrift. Die Klägerin hält die Kündigung mangels Schriftform für unwirksam und macht Zahlungsansprüche geltend. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Vor dem Bundesarbeitsgericht hatte die Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst auf Grund einer Eigenkündigung der Klägerin mit dem 30.09.2002 sein Ende gefunden hat und auf Zahlung des Annahmeverzugslohns bis 30.09.2002 Erfolg (BAG, Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 162/04 - Pressemitteilung Nr. 22/05).



Nach § 623 BGB in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (seit 01.01.2001: § 14 Abs. 4 TzBfG) bedurfte die Befristung eines Arbeitsvertrags der Schriftform. Diese ist nicht gewahrt, wenn die Parteien zunächst nur mündlich einen befristeten Arbeitsvertrag vereinbaren und sie diesen Vertrag einschließlich der Befristungsabrede nach Antritt der Arbeit schriftlich niederlegen. Die nur mündlich vereinbarte Befristung ist mangels Schriftform nach § 125 Satz 1 BGB nichtig mit der Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Die spätere schriftliche Niederlegung des Vertrags führt nicht zur Wirksamkeit der Befristung. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu einer zunächst nur mündlich vereinbarten und zehn Tage nach Arbeitsantritt schriftlich festgehaltenen Befristung entschieden.

Der Kläger war vom 01.11.2000 bis zum 31.10.2002 als Sachbearbeiter im Bundesvermögensamt beschäftigt. In dem Vorstellungsgespräch im Oktober 2000 hatte ihm der Amtsvorsteher mitgeteilt, dass das Arbeitsverhältnis für zwei Jahre befristet sei. Nachdem der Kläger die Arbeit am 01.11.2000 aufgenommen hatte, unterzeichneten die Parteien am 10.11.2000 einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der die befristete Beschäftigung bis 31.10.2002 vorsah. Die gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Befristung gerichtete Klage hatte beim Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Auf Grund der vor Beginn der Beschäftigung nur mündlich vereinbarten Befristung ist zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entstanden. Am 10.11.2000 haben die Parteien keinen neuen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, sondern nur den bisherigen mündlichen Arbeitsvertrag schriftlich niedergelegt. Darin liegt weder die nachträgliche Befristung des bislang unbefristeten Arbeitsvertrags, noch eine Bestätigung der formnichtigen Befristung iSv. § 141 BGB (BAG, Urteil vom 01.12.2004 - 7 AZR 198/04 - Pressemitteilung Nr. 88/04).



Rücksichtnahmepflicht

„ ... Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs-, sondern auch Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils. Diese nunmehr in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich normierten Pflichten waren bereits vor In-Kraft-Treten dieser Norm aus § 242 BGB abgeleitet worden. Diese Pflichten können sich ua. auch auf Aufklärung richten. Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht beinhaltet dabei eine Pflicht zur Aufklärung dahin gehend, dass die eine Vertragspartei die andere unaufgefordert über die Umstände informieren muss, die dieser unbekannt, aber für ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Zustandekommen oder der Durchführung des Arbeitsverhältnisses erheblich sind (BAG 6. März 2003 - 2 AZR 50/02 - ZTR 2004, 107; LAG Hamm 14. Januar 2005 - 10 Sa 1278/04 - AuA 2005, 305; Palandt/Heinrichs BGB 64. Aufl. § 242 Rn. 37) . Der Schuldner ist dann zur Aufklärung verpflichtet, wenn Gefahren für das Leistungs- oder Integritätsinteresse des Gläubigers bestehen, von denen dieser keine Kenntnis hat. Das Verschweigen von Tatsachen begründet eine Haftung, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise Aufklärung erwarten durfte (Palandt/Heinrichs BGB § 242 Rn. 37, § 311 Rn. 42) . Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht anerkannt, dass ein Arbeitgeber, der Vertragsverhandlungen eingeht, bestehende Umstände, gleich welcher Art, die die vollständige Durchführung des Rechtsverhältnisses in Frage stellen können, nicht verschweigen dürfe, soweit sie ihm bekannt sind oder bekannt sein müssen. Eine schuldhafte Verletzung dieser Aufklärungspflicht begründet einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo, wenn sich die verschwiegene Gefahr später realisiert und zur Beendigung des Rechtsverhältnisses führt. Zu ersetzen ist dann der Vertrauensschaden. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er stünde, wenn er auf die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages nicht vertraut und sich auf einen Vertragsabschluss gar nicht eingelassen hätte. Der Vertrauensschaden ist nicht auf das Erfüllungsinteresse, dh. die Vergütung begrenzt (BAG 17. Juli 1997 - 8 AZR 257/96 - AP BBiG § 16 Nr. 2 = EzA BBiG § 16 Nr. 2; 8. März 1977 - 4 AZR 700/75 - EzB [alte Fassung] BBiG § 15 Abs. 1 Nr. 5; 2. Dezember 1976 - 3 AZR 401/75 - AP BGB § 276 Verschulden bei Vertragsabschluss Nr. 10 = EzA BGB § 276 Nr. 35) . Der Arbeitgeber muss gegenüber einem Arbeitnehmer schon bei den Einstellungsverhandlungen auf dessen besondere Interessen Rücksicht nehmen und ihn insbesondere über künftige Verhältnisse aufklären, wenn er erkennt, dass der Arbeitnehmer besondere Wünsche oder Erwartungen hat. Er darf dann nicht den Eindruck erwecken, der Arbeitnehmer könne ohne größeres Risiko sein bisheriges Arbeitsverhältnis kündigen, um sich für die Aufnahme der Tätigkeit bei dem verhandelnden Arbeitgeber freizumachen (BAG 7. September 1995 - 8 AZR 695/94 - ArbuR 1996, 30; 7. Juni 1963 - 1 AZR 276/62 - BAGE 14, 206 = AP BGB § 276 Verschulden bei Vertragsabschluss Nr. 4 = EzA BGB § 276 Nr. 8) ..." (BAG, Urteil vom 14.07.2005, 8 AZR 300/04).




Scheinselbständigkeit

Die maßgeblichen Bestimmungen befinden sich in den §§ 7, 7 a, 7 b, 7 c SGB IV.

Scheinselbstständig ist, wer tatsächlich wie ein Arbeitnehmer tätig ist, obwohl er formal selbstständig, d.h. nicht angestellt ist.

Die ursprünglich seit dem 01.01.1999 geltende Regelung, nach der eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, wenn zwei der gesetzlich aufgestellten vier Vermutungen zutrafen, ist durch das am 12.12.1999 im Bundestag verabschiedete und größtenteils rückwirkend zum 01.01.1999 in Kraft getretene "Gesetz zur Förderung der Selbstständigkeit" abgeändert worden. Das gesamte Gesetz ist seit dem 01.04.2000 in Kraft.

Bei der Entscheidung, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, d.h. der Selbstständige tatsächlich wie ein Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig ist, ist in einem ersten Schritt anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu prüfen, ob eine abhängige Beschäftigung vorliegt.

Indizien sind insbesondere eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Es gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, d.h. die Sozialversicherungsträger müssen von sich aus auch versuchen, einen zu Gunsten des Auftragnehmers sprechenden Sachverhalt zu ermitteln.

Verletzt der Selbstständige seine Mitwirkungspflichten (Auskunftspflichten), sind zur Entscheidungsfindung dann in einem zweiten Schritt die im Gesetz genannten Kriterien ausschlaggebend.



Neu ist, dass von einer Scheinselbstständigkeit dann auszugehen ist, wenn drei der folgenden fünf Kriterien bejaht werden können (bisher zwei von vier):

1) Der Auftragnehmer beschäftigt keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis 325 EUR übersteigt. Die Beschäftigung von Familienangehörigen, sofern sie sozialversicherungspflichtig ist, ist zur Verneinung ausreichend.

2) Er ist auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig.

3) Ähnliche Tätigkeiten werden im Betrieb des Arbeitgebers oder eines vergleichbaren Arbeitgebers regelmäßig von einem angestellten Arbeitnehmer verrichtet

4) Er tritt nicht wie ein Unternehmer am Markt auf.

5) Die Tätigkeit entspricht der Tätigkeit, die der Auftragnehmer zuvor auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.



Dem Selbstständigen und dem Auftraggeber bleibt die Möglichkeit die nach diesen Kriterien vermutete Scheinselbstständigkeit zu widerlegen. Dazu muss entweder ein Irrtum des Sozialversicherungsträgers dargelegt werden oder bewiesen werden dass durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls doch eine selbstständige Tätigkeit vorliegt.

Gelingt dies nicht, wird der Auftragnehmer - auch rückwirkend - voll sozialabgabenpflichtig.

Neu ist, dass Selbstständige bzw. ihre Auftraggeber durch einen schriftlichen Antrag eine Entscheidung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte herbeiführen können. Die Entscheidung der BfA ist nach den oben dargestellten Grundsätzen zu

Die Sozialversicherungspflicht beginnt erst am Tage der Entscheidungsverkündung, wenn der Selbstständige/Beschäftigte zustimmt und er in der Zwischenzeit eine der Kranken- und Rentenversicherung entsprechende Absicherung getroffen hatte. Auch dürfen weder der nunmehr Beschäftigte noch sein Arbeitgeber grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sein.

Dies gilt auch für die Fälle, in denen die Sozialversicherungspflicht durch die BfA festgestellt werden soll. Zur ex-nunc-Wirkung der Sozialversicherungspflicht ist es hier aber zusätzlich erforderlich, dass der Antrag innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt wurde.

Allgemein wird der Sozialversicherungsbeitrag erst fällig, wenn die Entscheidung rechtskräftig geworden ist. Widerspruch und Klageerhebung haben aufschiebende Wirkung.

Handelsvertreter, die im Wesentlichen ihre Tätigkeit und ihre Arbeitszeit frei gestalten sind von der Prüfung einer Scheinselbstständigkeit generell ausgeschlossen.

Ist im Laufe des Jahres 1999 die Sozialversicherungspflicht eines Erwerbstätigen unanfechtbar festgestellt worden, kann der Bescheid seit dem 01.01.2000 wieder aufgehoben werden.



Sonntagsarbeit

Nach § 9 Abs. 1 ArbZG dürfen Arbeitnehmer an Sonntagen nicht beschäftigt werden. Hiervon gelten nach § 10 Abs. 1 ArbZG verschiedene Ausnahmen, ua. für das Austragen von Presseerzeugnissen. Werden Arbeitnehmer ausnahmsweise sonntags beschäftigt, müssen sie nach § 11 Abs. 3 ArbZG einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb der nächsten zwei Wochen zu gewähren ist. Kann der Ersatzruhetag nicht gewährt werden, darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer sonntags nicht beschäftigen. Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer ausschließlich sonntags beschäftigt, der vorgeschriebene Ersatzruhetag jedoch deshalb nicht gewährt werden kann, weil der Arbeitnehmer von Montag bis Samstag in einem anderen Arbeitsverhältnis tätig ist. In diesem Fall besteht für den Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für die Sonntagsarbeit eingestellt hat, in der Regel ein Grund zur ordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die Beklagte als Arbeitgeberin die Klägerin zum Austragen von Sonntagszeitungen in den Morgenstunden eingestellt. Bei einem weiteren Arbeitgeber trug die Klägerin von Montag bis Samstag ebenfalls Zeitungen aus. Nachdem das Gewerbeaufsichtsamt der Beklagten mit einem Bußgeld gedroht hatte, weil sie den Ersatzruhetag nicht gewähren konnte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos. Da die Klägerin von Montag bis Samstag arbeitet, kann die Beklagte ihre gesetzliche Verpflichtung zur Gewährung eines Ersatzruhetages nicht erfüllen. Deshalb darf sie die Klägerin nicht beschäftigen. Dass die Arbeit von Montag bis Samstag bei einem anderen Arbeitgeber geleistet wird, steht dem nicht entgegen. Die gesetzlichen Vorschriften über Sonntagsarbeit gelten arbeitgeberübergreifend (BAG, Urteil vom 24.02.2005 - 2 AZR 211/04 - Pressemitteilung Nr. 11/05).

Streikteilnahme während Freizeit

Hat sich ein Arbeitnehmer im Rahmen einer Gleitzeitregelung in zulässiger Weise aus dem betrieblichen Zeiterfassungssystem abgemeldet und anschließend an einer Warnstreikkundgebung teilgenommen, vermindert sich seine vertragliche Sollarbeitszeit nicht um die Zeit der Kundgebungsteilnahme. Dementsprechend verringert sich der Lohnanspruch nicht (BAG, Urteil vom 26.07.2005, 1 AZR 133/04).



Surfen im Internet

„... Tatbestand: Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen unerlaubter privater Nutzung des Internets während der Arbeitszeit mit Zugriff auf pornografische Seiten.Der am 28. Juni 1962 geborene, geschiedene und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 3. Januar 1985 beschäftigt.Zuletzt arbeitete der Kläger als Chemikant und sog. Erstmann (Schichtführer) in der T-Fabrik. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung vertritt der Erstmann bei Abwesenheit den Vorarbeiter. Zu den Aufgaben des Klägers gehört ua. die Überwachung und Kontrolle der Anlagen. Der Kläger war in vollkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt. Je 12-Stunden-Schicht beträgt die Pausenzeit eine Stunde, wobei die Lage der Pausen nicht festliegt.Seit September 1999 befindet sich auf der Intranet-Startseite der Beklagten oben links ein rot unterlegter Hinweis "Intranet und Internet nur zum dienstlichen Gebrauch". Wird dieser Hinweis angeklickt, erfolgt eine Warnung, dass jeder Zugriff auf Internetseiten mit pornografischem, gewaltverherrlichendem oder rassistischem Inhalt registriert und gespeichert wird und Mitarbeiter, die entsprechende Internetseiten aufrufen, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Die Beklagte hatte über die Werkszeitung und den sog. Online-Reporter auf dieses Verbot hingewiesen.Anfang 2002 wurde für die Mitarbeiter der T-Fabrik der Zugang zum Internet freigeschaltet. Eine Schulung für die Internetnutzung fand aus diesem Anlass nicht statt.Im Oktober 2002 fielen dem Betriebsleiter der T-Fabrik die gestiegenen Internet-Nutzungskosten des Betriebs von 13,83 Euro im Juni 2002 auf über 400,00 Euro im Oktober 2002 auf. Der werkseigene Ermittlungsdienst stellte für den Zeitraum September bis November 2002 einen Zugriff auf Internetseiten mit erotischen und pornografischen Inhalten von den Schichtführer-Zimmern D 3 und D 3 fest, und zwar in Zeiten, in denen der Kläger und/oder der stellvertretende Schichtführer R. bzw. der Schichtführer C. im Betrieb anwesend waren. Es wurde weiter festgestellt, dass die vom System automatisch angelegte Liste der im Internet angewählten Seiten gelöscht worden war.Bei einer ersten Befragung durch den Ermittlungsdienst am 26. November 2002 räumte der Kläger ein, den Rechner im Schichtführer-Zimmer D 3 vor allem in den Pausenzeiten in unregelmäßigen Abständen öfter privat genutzt zu haben. Er habe im Internet gesurft und vorrangig Seiten mit erotischem Inhalt, manchmal aber auch Seiten, die man als pornografisch bezeichnen könne, aufgerufen.In einer zweiten Befragung am 16. Dezember 2002 gab er auf Vorhalt an, er habe sich zeitweise per Internet kurze Videosequenzen mit pornografischem Inhalt sowie einzelne pornografische Bilder angeschaut. Auf die Seiten mit den Videosequenzen sei er mehr oder weniger zufällig gelangt, aus Neugierde habe er sich die Videos mehrmals angeschaut.Der Ermittlungsdienst vermerkte in seinem Abschlussbericht vom 17. Dezember 2002, der Kläger habe nicht abgestritten, von den Anweisungen und Bestimmungen der Beklagten über die Internetnutzung gewusst zu haben.Mit Schreiben vom 17. Dezember 2002 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 erhob der Betriebsrat Bedenken gegen die beabsichtigte fristlose Kündigung und widersprach auch der hilfsweisen ordentlichen Kündigung.Mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 31. März 2003.



Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, sein Verhalten rechtfertige ohne Abmahnung nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Er habe nicht gewusst, dass der Zugang zum Internet den Mitarbeitern nur zu dienstlichen Zwecken gestattet gewesen sei. Er habe keine Kenntnis von den von der Beklagten hinterlegten Warnhinweisen auf der Intranet-Startseite gehabt. Er sei grundsätzlich über die Windows-Schaltfläche und damit über einen anderen Weg in das Internet gelangt. Hinweise, Schulungen oder andere ausdrückliche Anweisungen der Beklagten bezüglich der Internetnutzung habe es nicht gegeben. Das Internet habe er nicht umfangreich privat genutzt; er habe lediglich etwa 5 bis 5 ½ Stunden privat im Internet gesurft und dabei maximal zwischen 55 und 70 Minuten Seiten mit pornografischem Inhalt aufgerufen. Darüber hinausgehende Zeiten seien ihm nicht zuzurechnen. Der Beklagten sei durch seine private Nutzung des Internets kein finanzieller Schaden entstanden. Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Dezember 2002 nicht aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Chemikant weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags vorgetragen: Es liege ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor. Der Kläger habe in einem nicht mehr tolerierbaren Ausmaß und gegen eindeutige Verbote sich Zugang zu Internetseiten mit erotischem und pornografischem Inhalt während der Arbeitszeit verschafft und damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblichem Umfang verletzt. Der Kläger habe ohne weiteres erkennen können, dass ein exzessiver Zugriff auf das Internet verboten sei. Deshalb habe es keiner Abmahnung vor dem Ausspruch der Kündigung bedurft. Er habe in der Zeit vom 9. September 2002 bis zum 31. November 2002 insgesamt 18 Stunden und 14 Minuten vom Rechner des Schichtführerzimmers D 3 und 22 Minuten vom Rechner des Schichtführerzimmers D 3 zu privaten Zwecken auf das Internet zugegriffen. Davon entfielen 4 Stunden und 53 Minuten auf Seiten mit pornografischem Inhalt. Alle Mitarbeiter der T-Fabrik seien im Rahmen einer Schulung eines Anwendungsprogramms auf die Warnhinweise der Intranet-Startseite und das Verbot des Zugriffs auf Internetseiten mit pornografischen Inhalten durch den zuständigen EDV-Verantwortlichen ausdrücklich hingewiesen worden. Anlässlich der erstmaligen Freischaltung des Internets im Jahre 2002 sei die Internetnutzung auch allgemeines Gesprächsthema im Betrieb gewesen. Der Kläger könne nicht ernsthaft behaupten, er habe als einziger diese Diskussion nicht mitbekommen. Im Übrigen habe der Kläger mit seiner privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit massiv gegen die Sicherheitsbestimmungen der Beklagten verstoßen und die ihm obliegende Aufsichtspflicht über die ihm anvertrauten Anlagen erheblich missachtet.

Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Kündigungsschutzklage des Klägers stattgegeben und die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.



Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht konnte mit der gegebenen Begründung die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner der Klage stattgebenden Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Es liege kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung iSv. § 626 Abs. 1 BGB vor. Nutze der Arbeitnehmer entgegen einer einschlägigen Abmahnung oder einem ausdrücklichen Verbot des Arbeitgebers das Internet für private Zwecke, stelle dies eine die außerordentliche Kündigung rechtfertigende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Genehmige oder dulde der Arbeitgeber eine private Nutzung des Internets, komme eine Kündigung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Nutzung in einem solchen Ausmaß erfolge, dass der Arbeitnehmer nicht mehr annehmen könne, sie sei vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt. Der Kläger habe vorliegend bisher weder eine Abmahnung erhalten noch habe die Beklagte nachgewiesen, dass er von der Anweisung, das Internet nur dienstlich zu nutzen, und dem Verbot, keine Seiten mit pornografischem Inhalt aufzurufen, eine positive Kenntnis gehabt habe. Auch wenn ein vernünftiger Arbeitnehmer nicht annehmen könne, ein Arbeitgeber werde Ausflüge in das Internet von bis zu 134 Minuten hinnehmen, erfordere die bestehende betriebliche Unklarheit über die berechtigte Internetnutzung und der Umstand, dass die private Internetnutzung auch während der Arbeitszeit inzwischen sozialadäquat sei, vor dem Ausspruch einer Kündigung eine eindeutige Klarstellung durch den Arbeitgeber bzw. eine vergebliche Abmahnung. Da beides nicht vorliege, sei ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gegeben. Ob durch die private Nutzung des Internets der Beklagten ein Schaden entstanden sei, sei angesichts der bestehenden Unklarheiten unbeachtlich. Unter Abwägung dieser Umstände sei auch die ordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt.

B. Dem folgt der Senat nicht. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO). Die Revision rügt zu Recht eine fehlerhafte Anwendung von § 626 Abs. 1 BGB und § 1 KSchG. Mit der bisherigen Begründung kann die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wie auch der hilfsweise ordentlichen Kündigung nicht begründet werden.



I. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Da der in § 626 Abs. 1 BGB verwendete Begriff des wichtigen Grundes ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, kann seine Anwendung durch die Tatsachengerichte im Revisionsverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für oder gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, widerspruchsfrei beachtet hat (st. Rspr. des Senats, vgl. beispw. 4. Juni 1997 - 2 AZR 526/96 - BAGE 86, 95; 13. April 2000 - 2 AZR 259/99 - BAGE 94, 228; 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - BAGE 99, 331; zuletzt: 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BG 2002 § 626 Nr. 6) . Ebenfalls ist die Prüfung, ob auf Grund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vor Ausspruch einer Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, weitgehend Aufgabe der Tatsacheninstanz und unterliegt nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfung (vgl. beispw. zuletzt 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 - aaO) .

II. Dieser eingeschränkten Prüfung hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Beurteilung des wichtigen Grundes nicht alle fallrelevanten Umstände berücksichtigt.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Landesarbeitsgericht von einer zweistufigen Prüfung des wichtigen Grundes aus (vgl. beispw. Senat 17. Mai 1984 - 2 AZR 3/83 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 14 = EzA BGB § 626 nF Nr. 90; 2. März 1989 - 2 AZR 280/88 - AP BGB § 626 Nr. 101 = EzA BGB § 626 nF Nr. 118; 14. September 1994 - 2 AZR 164/94 - BAGE 78, 18) . Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist. Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht.

2. Schon bei der Prüfung des wichtigen Grundes "an sich" hat das Landesarbeitsgericht nicht alle fallrelevanten Aspekte berücksichtigt.

a) Das Landesarbeitsgericht will einen wichtigen Grund "an sich" annehmen, wenn ein Arbeitnehmer entgegen einem ausdrücklichen Verbot oder nach einer einschlägigen Abmahnung das Internet für private Zwecke genutzt habe. Darüber hinaus kommt nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts eine außerordentliche Kündigung bei einer privaten Nutzung des Internets nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn eine Nutzung in einem solchen Ausmaß erfolge, dass der Arbeitnehmer nicht annehmen könne, sie sei vom Einverständnis des Arbeitgebers gedeckt.



Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kommt eine kündigungsrelevante Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten jedoch nicht nur in den von ihm skizzierten Fallgestaltungen in Betracht. Eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht sowie anderer vertraglicher Nebenpflichten kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Neben den vom Berufungsgericht genannten Pflichtverletzungen kommen bei einer privaten Nutzung des Internets allgemein und im vorliegenden Fall im Besonderen ua. in Betracht:

- das Herunterladen einer erheblichen Menge von Daten aus dem Internet auf betriebliche Datensysteme ("unbefugter download"), insbesondere wenn damit einerseits die Gefahr möglicher Vireninfizierungen oder anderer Störungen des - betrieblichen - Betriebssystems verbunden sein können oder andererseits von solchen Daten, bei deren Rückverfolgung es zu möglichen Rufschädigungen des Arbeitgebers kommen kann, beispielsweise weil strafbare oder pornografische Darstellungen heruntergeladen werden ( Hanau/Hoeren Private Internetnutzung durch Arbeitnehmer, S. 31; Mengel NZA 2005, 752, 753 );

- die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internetanschlusses als solche, weil durch sie dem Arbeitgeber - zusätzliche - Kosten entstehen und der Arbeitnehmer die Betriebsmittel - unberechtigterweise - in Anspruch genommen hat;

- die private Nutzung des vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Internets während der Arbeitszeit, weil der Arbeitnehmer während des Surfens im Internet zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringt und dadurch seine Arbeitspflicht verletzt ( Kramer NZA 2004, 457,459; Mengel NZA 2005, 752, 753 ).

Das Landesarbeitsgericht hat sich lediglich mit dem Aspekt der privaten Nutzung des Internets an sich näher auseinander gesetzt. Eine umfassende Prüfung der weiteren Aspekte hat es unterlassen, obwohl die Beklagte hierzu - teilweise streitig - vorgetragen hat.

b) Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere dem Umstand, dass der Kläger das Internet während der Arbeitszeit privat genutzt und damit seine arbeitsvertragliche Leistungspflicht verletzt hat, keine hinreichende Beachtung geschenkt.

Bei einer privaten Internetnutzung während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer grundsätzlich seine (Hauptleistungs-) Pflicht zur Arbeit (Balke/Müller DB 1997, 326; Beckschulze DB 2003, 2777, 2781; Kramer NZA 2004, 457, 461; Mengel NZA 2005, 752, 753) . Die private Nutzung des Internets darf die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen (Däubler Internet und Arbeitsrecht 3. Aufl. Rn. 189; Hanau/Hoeren Private Internetnutzung durch Arbeitnehmer S. 29; Kramer NZA 2004, 457, 460) . Die Pflichtverletzung wiegt dabei um so schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt.



aa) Unstreitig ist der Kläger mehrfach seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen. Er hat eingeräumt, 5 bis 5 ½ Stunden privat im Internet gesurft zu haben. Er hat weiter eingeräumt, am 3. Oktober 2002 von 7.05 Uhr bis 8.32 Uhr, am 16. Oktober 2002 von 23.06 Uhr bis 1.20 Uhr, am 2. November 2002 von 11.24 Uhr bis 12.12 Uhr und am 10. November 2002 von 0.18 Uhr bis 0.38 Uhr das Internet für private Zwecke genutzt zu haben. Selbst wenn man unterstellt und zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er täglich eine einstündige Pause hat und zumindest der ganz überwiegende Teil der privaten Internetnutzung in seinen Pausenzeiten erfolgte, liegt zumindest am 3. Oktober 2002 und 16. Oktober 2002 ein über die - maximale tägliche - Pausenzeiten hinausgehende zeitlich ungewöhnliche umfangreiche private Nutzung des Internets vor, die mit den arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers zwingend nicht zu vereinbaren ist.

bb) Ob, wie die Beklagte behauptet, der Kläger auch an anderen Tagen und in noch weit erheblicherem Umfange seine vertragliche Leistungspflicht verletzt hat, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt.

cc) Selbst unter Berücksichtigung möglicher Pausenzeiten des Klägers lässt sich im Ergebnis jedenfalls festhalten, dass der Kläger zumindest an zwei Tagen nicht nur kurzfristig und unerheblich, sondern in einem beträchtlichen zeitlichen Umfang seiner Arbeitspflicht nicht nachgekommen ist, indem er während der Arbeitszeit privat im Internet gesurft hat. Diese Arbeitsvertragspflichtverletzung wird auch nicht dadurch relativiert, dass die Beklagte dem Kläger die private Nutzung des Internets - was im Übrigen vom Kläger zunächst näher darzulegen gewesen wäre - gestattet bzw. diese geduldet hätte. Eine solche Gestattung oder Duldung würde sich nämlich - ohne weitere Erklärungen - allenfalls auf eine private Nutzung im normalen bzw. angemessenen zeitlichen Umfang erstrecken (Hanau/Hoeren Privat Internetnutzung durch Arbeitnehmer S. 24 und 29; Kramer NZA 2004, 457, 459) . Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Kläger in dem konkreten Zeitraum, in dem er das Internet privat genutzt hat, mangels Arbeitsanfall ohnehin untätig gewesen wäre (siehe hierzu: Mengel NZA 2005, 752, 753) . Dies wäre aber vom Kläger ggf. zunächst näher darzulegen gewesen.

dd) Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Leistungspflicht umso schwerer wiegt, als zur Tätigkeit des Klägers als Erstmann auch wesentlich eine Aufsichtsfunktion gehört. Er hat die Einhaltung von sicherheitsrelevanten Standards zu überwachen. Die Außerachtlassung dieser Aufsichtsfunktion an den genannten Tagen hat das Landesarbeitsgericht nicht einmal erwähnt.



c) Die unzureichende Berücksichtigung der verletzten Arbeitspflicht bei der Prüfung des wichtigen Grundes durfte das Landesarbeitsgericht nicht mit dem Hinweis auf eine "sozialadäquate" Nutzung des Internets zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit herunterspielen. Zum einen ist nicht ersichtlich, woraus sich eine solche "Sozialadäquanz" ergeben soll. Zum anderen mag allenfalls eine kurzfristige private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit allgemein gerade noch als hinnehmbar angesehen werden, wenn keine ausdrücklichen betrieblichen Verbote zur privaten Nutzung existieren. Bei einer solchen exzessiven privaten Nutzung des Internets während der Arbeitszeit wie hier lässt sich jedoch auf keinen Fall noch von einem "sozialadäquanten" Verhalten sprechen und eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung negieren.

d) Ähnliches gilt für die vom Landesarbeitsgericht angeführten Unklarheiten zur privaten Nutzungsberechtigung des Internets. Aus einer möglichen Berechtigung zur privaten Nutzung des Internets - die im Übrigen vom Landesarbeitsgericht auch nicht positiv festgestellt worden ist - folgt noch nicht, dass der Arbeitnehmer das Medium intensiv während der Arbeitszeit nutzen darf. Selbst wenn im Betrieb der Beklagten eine private Nutzung des Internets an sich erlaubt bzw. geduldet wäre, lässt sich daraus nicht zwingend schließen, diese Nutzung dürfe auch während der Arbeitszeit zeitlich unbegrenzt bzw. in erheblichem Umfang und nicht nur außerhalb der Arbeitszeit, beispielsweise während der Pausen, erfolgen (so auch Kramer NZA 2004, 457, 460) . Dies gilt umso mehr, als die Tätigkeit des Klägers nicht zwangsläufig - wie beispielsweise bei einem Außendienstmitarbeiter - zumeist mit einer Nutzung des Internets verbunden ist.

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die außerordentliche Kündigung vom 20. Dezember 2002 ist nicht schon unwirksam, weil die Beklagte - wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat - den Kläger vor ihrem Ausspruch nicht abgemahnt hat.

1. Nicht in allen Fällen einer privaten Nutzung des Internets und damit im Zusammenhang stehender vertraglichen Pflichtverletzungen muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher abgemahnt haben. Es sind zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, in denen es einer Abmahnung nicht bedarf.



2. Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit das Internet in erheblichem zeitlichen Umfang ("ausschweifend": Däubler Internet und Arbeitsrecht Rn. 189) privat, so kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Er muss damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht. Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitgeber keine klarstellende Nutzungsregelungen für den Betrieb aufgestellt hat. Bei einer fehlenden ausdrücklichen Gestattung oder Duldung des Arbeitgebers ist eine private Nutzung des Internets grundsätzlich nicht erlaubt (Beckschulze DB 2003, 2777; Ernst NZA 2002, 585, 586; Dickmann NZA 2003, 1010; Kramer NZA 2004, 458, 461; Mengel NZA 2005, 752, 753) . Weist in diesen Fällen die Nichtleistung der vertraglich geschuldeten Arbeit einen erheblichen zeitlichen Umfang, wie hier vor allem am 3. und 16. Oktober 2002, auf, kann der Arbeitnehmer in keinem Fall mit einer Duldung bzw. Gestattung durch den Arbeitgeber ernsthaft rechnen.

Der Arbeitnehmer kann weiter auch nicht damit rechnen, der Arbeitgeber sei, selbst wenn er prinzipiell eine private Nutzung des Internets duldet, damit einverstanden, dass er sich umfangreiche pornografische Dateien aus dem Internet herunterlädt (ArbG Frankfurt a.M. 2. Januar 2002 - 2 Ca 5340/01 - NZA 2002, 1093) . Der Arbeitgeber hat ein Interesse daran, von Dritten nicht mit solchen Aktivitäten seiner Mitarbeiter in Verbindung gebracht zu werden (BAG 6. November 2003 - 2 AZR 631/02 - AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 39 = EzA BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 2, sog. Integritätsinteresse; aA Däubler Internet und Arbeitsrecht Rn. 192) .

Deshalb muss es jedem Arbeitnehmer klar sein, dass er mit einer exzessiven Nutzung des Internets während der Arbeitszeit seine arbeitsvertraglichen Haupt- und Nebenpflichten erheblich verletzt. Es bedarf daher in solchen Fällen auch keiner Abmahnung. Mit dem Erfordernis einer einschlägigen Abmahnung vor Kündigungsausspruch soll vor allem dem Einwand des Arbeitnehmers begegnet werden, er habe die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens nicht erkennen bzw. nicht damit rechnen können, der Arbeitgeber werde sein vertragswidriges Verhalten als so schwerwiegend ansehen (KR-Fischermeier 7. Aufl. § 626 BGB Rn. 273 mwN) . Dementsprechend bedarf es einer Abmahnung, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Fehlverhalten angesehen (Senat 9. Januar 1986 - 2 ABR 24/85 - AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 20 = EzA BGB § 626 nF Nr. 98; zuletzt: 25. März 2004 - 2 AZR 341/03 - AP BGB § 626 Nr. 189 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 6) .

IV. Der Rechtsstreit war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache selbst noch nicht abschließend entscheiden. Es steht noch nicht fest, ob ein wichtiger Grund nach § 626 Abs. 1 BGB bzw. ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund nach § 1 Abs. 2 KSchG zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vorliegt.



Auf Grund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist zwar eine hinreichende kündigungsrelevante Pflichtenverletzung des Klägers und damit ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung an sich bzw. ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund im Prinzip gegeben. Denn unstreitig hat der Kläger an zwei Tagen seine Hauptleistungspflicht in erheblichem zeitlichen Umfang verletzt und seine Aufsichtsfunktion während der privaten Nutzung des Internets erheblich vernachlässigt.

Allerdings muss das Landesarbeitsgericht noch die notwendige umfassende Interessenabwägung vornehmen. Dabei wird es vor dem Hintergrund der - offensichtlich im Wesentlichen beanstandungsfreien - bisherigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und der Position des Klägers als Erstmann mit Aufsichtsfunktionen zunächst die Schwere der Pflichtverletzung zu berücksichtigen haben. Sollte das Landesarbeitsgericht auf Grund der durchzuführenden Interessenabwägung zu dem Ergebnis kommen, die unstreitigen Pflichtverletzungen reichten in Anbetracht der abzuwägenden Interessen noch nicht als ein Kündigungsgrund für eine außerordentliche oder eine ordentliche Kündigung aus, wird es weiter aufklären müssen, ob der Kläger nicht auch noch an weiteren Tagen - wie die Beklagte behauptet - seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat, in dem er während der Arbeitszeit das Internet privat genutzt hat. Auch wäre weiter festzustellen, in welchem Umfang er an den entsprechenden Tagen zu welchen Zeiten Pause gemacht hat. Des weiteren müsste das Landesarbeitsgericht der Frage vertieft nachgehen, ob und in welchem Umfang der Kläger seine Aufsichtsfunktion während der privaten Nutzung des Internets vernachlässigt hat.

Das Landesarbeitsgericht wird bei der vorzunehmenden Interessenabwägung weiter zu berücksichtigen und abzuwägen haben, dass die Beklagte die Nutzungsbedingungen für das Internet zwar nicht eindeutig festgelegt hat, ihr aber durch das Herunterladen von pornografischem Bildmaterial nicht nur Kosten bzw. ein Schaden entstanden sein könnte, sondern sie sich der Gefahr ausgesetzt sehen könnte, in der Öffentlichkeit in ein problematisches Licht gesetzt zu werden. Schließlich wird das Landesarbeitsgericht auch den Umstand würdigen müssen, dass der Kläger das Internet nicht für unverfängliche private Zwecke genutzt (vergleichbar dem Lesen einer Tageszeitung), sondern sich mit pornografischen Bildern und Videosequenzen während der Arbeitszeit versorgt hat. ..." (BAG, Urteil vom 07.07.2005, 2 AZR 581/04).



Verschweigen der Insolvenzreife

„... Der Kläger hat keinen Erfüllungsanspruch. Der Beklagte ist nicht passiv legitimiert, denn er ist persönlich nicht Arbeitgeber. Auch fehlt es an einer Erklärung des Beklagten, für die Vergütungsverpflichtung der A AG gegenüber dem Kläger persönlich einstehen zu wollen. Insbesondere kann auf Grund der vom Kläger behaupteten Erklärung des Beklagten im Zuge der Arbeitsvertragsverhandlungen, "er unterschreibe nur Verträge, die er auch bezahlen könne", nicht auf einen Schuldbeitritt oder eine Garantie des Beklagten für die Zahlung der Arbeitsvergütung geschlossen werden.

Der Senat kann die vom Landesarbeitsgericht unterlassene Auslegung dieser atypischen Erklärung des Beklagten selbst vornehmen, da der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und kein weiteres tatsächliches Vorbringen zu erwarten ist (für alle: BAG 23. April 2002 - 3 AZR 224/ 01 - BAGE 101, 122 = AP BetrAVG § 1 Berechnung Nr. 22 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 2, zu B II der Gründe; Müller-Glöge in Germelmann/ Matthes/ Prütting/ Müller-Glöge ArbGG 5. Aufl. § 73 Rn. 16 f. mwN). Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Beklagte die Vertragsverhandlungen mit dem Kläger als gesetzlicher Vertreter der und damit für die A AG geführt hat. Verpflichtet und berechtigt werden sollte also gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG die A AG. Daran ändert auch nichts, das der Beklagte im Zuge der Vertragsverhandlungen von der A AG als "ich" gesprochen hat. Es müssten weitere, besondere Umstände hinzutreten, um den Schluss zu rechtfertigen, es habe dem Parteiwillen entsprochen, dass sich der Beklagte persönlich neben der A AG für die Erfüllung des Arbeitsvertrages verpflichte. Daran fehlt es aber.

b) Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten auch kein Schadensersatzanspruch, gleich ob aus Vertrag (§ 280 Abs. 1 iVm. § 311 Abs. 3 BGB) oder Delikt (insbesondere § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 92 Abs. 2 AktG), zu. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Eigenhaftung von Vertretern, Vermittlern und Sachwaltern wegen Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens für ein Verschulden bei Vertragsabschluss persönlich haftet (vgl. BGH 24. Mai 2005 - IX ZR 114/ 01 - NJW-RR 2005, 1137 mwN; auch Senat 24. November 2005 - 8 AZR 1/ 05 -, zu II 1 c aa der Gründe). Jedenfalls fehlt es an einem Schaden des Klägers, wovon auch das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen ist.

aa) Gemäß § 249 BGB hat der Schädiger den von ihm verursachten Schaden grundsätzlich voll zu ersetzen. Der Geschädigte ist so zu stellen, wie er ohne die Pflichtwidrigkeit des anderen Teils gestanden hätte. Welcher Schaden dabei erstattungsfähig ist, richtet sich angesichts der Vielgestaltigkeit, in der ein Verschulden bei Vertragsschluss (nunmehr: § 280 Abs. 1 iVm. § 311 Abs. 2 und 3 BGB) in Betracht kommen kann, nach der Ursächlichkeit des schadenstiftenden Verhaltens für den eingetretenen Schaden im Einzelfall. Der Anspruch geht in aller Regel auf Ersatz des sog. negativen Interesses. Der Kläger ist so zu stellen, wie er bei Erfüllung der den Beklagten treffenden Offenbarungspflicht gestanden hätte. Hätte er dann ein anderes Geschäft abgeschlossen, so kann er ersetzt verlangen, was ihm aus diesem Geschäft zugeflossen wäre (BGH 2. März 1988 - VIII ZR 380/ 86 - NJW 1988, 2234, zu III 2 a der Gründe mwN). Bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 823 Abs. 2 BGB, § 64 GmbHG - letztgenannte Vorschrift entspricht inhaltlich § 92 AktG - hat der neue Gläubiger einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte er den Vertrag mit dem konkursreifen Unternehmen nicht geschlossen (BGH 7. November 1994 - II ZR 108/ 93 - NJW 1995, 398 f., zu 2 der Gründe; vgl. auch 6. Juni 1994 - II ZR 292/ 91 - BGHZ 126, 181, zu II 2 f der Gründe).

bb) Danach ist dem Kläger hier, unter Berücksichtung dessen, dass er Involvenzgeld für Januar 2003 erhalten hat, kein Schaden entstanden.

Der Kläger steht nach der jetzigen Sachlage (Arbeitsverhältnis mit der A AG im Januar 2003) nicht schlechter, als er stünde, wenn er für Januar 2003 das Angebot des m angenommen hätte. Die Regeln der Vorteilsausgleichung gelten dann, wenn das schädigende Ereignis das Vermögen des Betroffenen durch Einwirkung auf einen bestimmten Gegenstand, durch Abfluss von Geldmitteln oder durch Belastung mit einer Verbindlichkeit geschmälert hat und es darum geht, ob dieser Beeinträchtigung ein anderweitiger, auf das Schadensereignis zurückzuführender Vermögensvorteil gegenübersteht. Ist dagegen zu ermitteln, ob eine Vermögensdisposition, die jemand im Vertrauen auf den Rat oder die Auskunft eines anderen getroffen hat, sich für ihn als günstig oder ungünstig erwiesen hat, so lässt sich ein etwaiger Schaden erst dann feststellen, wenn sich die Vermögenslage "unter dem Strich" schlechter darstellt, als sie es sein würde, wenn die Maßnahme unterblieben wäre (BGH 20. November 1997 - IX ZR 286/ 96 - NJW 1998, 982 f., zu 3 der Gründe mwN). Hier hat der Kläger infolge der behaupteten Pflichtwidrigkeit des Beklagten (falsche Darstellung der wirtschaftlichen Lage der A AG, unterlassene Insolvenzantragstellung) einen Arbeitsvertrag mit der A AG geschlossen, was er anderenfalls nicht getan hätte. In diesem Fall hätte er beim m abgeschlossen. In beiden Fällen stellt sich indessen seine wirtschaftliche Lage gleich dar. Er hat bzw. hätte 9. 000, 00 Euro für Januar 2003 erhalten. Es geht dabei um die Frage, ob sich der Kläger bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten besser stellen würde als bei pflichtwidrigem. Daran fehlt es aber. Daran ändert auch der Einwand der Revision nichts, der Beklagte dürfte durch die Zahlung von Insolvenzgeld an den Kläger nicht entlastet und sein rechtswidriges Verhalten letztlich nicht über den Steuerzahler finanziert werden. Erweist sich Vorbringen des Klägers zum Haftungsgrund als zutreffend, mag ein eigener Schadensersatzanspruch der Bundesagentur für Arbeit gegen den Beklagten in Betracht kommen. Es gibt aber keine Rechtfertigung dafür, dass der Kläger für den Monat Januar 2003 sowohl Insolvenzgeld als auch Schadensersatz erhalten soll.

2. Der Kläger kann auch keine Zahlung an die Bundesagentur für Arbeit verlangen, wie er hilfsweise fordert. Es sind keine Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten auf Erfüllung oder auf Schadensersatz auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen.

a) Der Kläger macht einen Forderungsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit gem. § 187 Satz 1 SGB III geltend. Nach dieser Vorschrift gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über. Da der Beklagte aber nicht persönlich zur Zahlung der Vergütung für Januar 2003 an den Kläger verpflichtet war (siehe oben unter II 1 a), konnte ein gegen den Beklagten gerichteter Vergütungsanspruch auch nicht nach § 187 Satz 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen.

b) Das Zahlungsbegehren an die Bundesagentur für Arbeit kann auch nicht auf § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten, der durch die Zahlung von Insolvenzgeld für den Monat Januar 2003 am Schaden des Klägers scheitert (siehe oben unter II 1 b), ist nicht nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen. Nach dieser Vorschrift geht ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens auf die Bundesagentur für Arbeit über, soweit diese auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, fehlt es jedenfalls an dem Erfordernis der inhaltlichen Kongruenz zwischen dem (unterstellten) Schadensersatz, den der Beklagte zu leisten hätte und dem Insolvenzgeld. Die Bundesagentur für Arbeit hat nicht auf Grund des Schadensereignisses (Täuschung über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers) Sozialleistungen erbracht, sondern hat Insolvenzgeld wegen des Ausfalls des Vergütungsanspruchs des Klägers gezahlt. Die Insolvenz-Versicherung dient dem Schutz des Arbeitsentgeltanspruchs des Arbeitnehmers bei Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers (für alle: Roeder in Niesel SGB III 3. Aufl. § 183 Rn. 4). Der Schaden, den der Kläger geltend macht, besteht aber nicht darin, dass er mit seinem Gehaltsanspruch für Januar 2003 gegen die A AG ausgefallen ist, sondern im entgangenen Honorar aus einem Vertrag mit dem m. Damit steht das vom Kläger bezogene Insolvenzgeld in keinem Zusammenhang. ..." (BAG, Urteil vom 15.12. 2005 - 8 AZR 106/05)



Zeugnistext

Jeder Arbeitnehmer kann bei der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Entspricht das erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt nicht den tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein "neues" Zeugnis auszustellen. Bei der Erstellung dieses Zeugnisses ist der Arbeitgeber an den bisherigen, vom Arbeitnehmer nicht beanstandeten Zeugnistext gebunden. Eine Ausnahme greift nur für den Fall ein, dass dem Arbeitgeber nachträglich Umstände bekannt werden, die die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Die klagende Arbeitnehmerin hatte das ihr erteilte Zeugnis wegen eines Rechtschreibfehlers und einer falschen Angabe ihres Geburtsortes dem Arbeitgeber mit der Bitte um Korrektur zurückgereicht. Das zunächst als "stets einwandfrei" bezeichnete Verhalten der Klägerin beurteilte die beklagte Stiftung in dem berichtigten Zeugnis nunmehr nur als "einwandfrei". Das hat die Klägerin nicht hingenommen. Ihre Klage hatte vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat diese Entscheidungen bestätigt (BAG, Urteil vom 21.06.2005 - 9 AZR 352/04 - Pressemitteilung Nr. 39/05).



Zugangsvereitelung - Kündigung

Besteht das Arbeitsverhältnis eines schwerbehinderten Arbeitnehmers bei Zugang der Kündigung ohne Unterbrechung noch nicht länger als sechs Monate, so bedarf die Kündigung nicht der Zustimmung des Integrationsamtes (§ 90 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) und ist nicht auf ihre soziale Rechtfertigung zu überprüfen (§ 1 Abs. 1 KSchG). Einem Zugang der Kündigung in den ersten sechs Monaten steht es gleich, wenn der Arbeitnehmer den Zugang vor Ablauf von sechs Monaten treuwidrig vereitelt hat. Der Empfänger einer Kündigung kann sich nach Treu und Glauben nicht auf den verspäteten Zugang der Kündigung berufen, wenn er die Zugangsverzögerung selbst zu vertreten hat. Er muss sich dann so behandeln lassen, als habe der Kündigende die entsprechenden Fristen gewahrt. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Kündigende alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan hat, damit seine Kündigung den Adressaten erreichen konnte.

Die Voraussetzungen einer treuwidrigen Zugangsvereitelung hat das Bundesarbeitsgericht in dem zu entscheidenden Fall bejaht. Dem Arbeitgeber war während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses die richtige Anschrift des Arbeitnehmers nicht bekannt. Der Arbeitnehmer hatte vielmehr, nachdem er von der Absicht, ihm zu kündigen, erfahren hatte, dem Arbeitgeber erneut als seine Anschrift eine Wohnung angegeben, aus der er schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses ausgezogen war und unter der die Zustellung des Kündigungsschreibens erfolglos blieb (BAG, Urteil vom 22. September 2005 - 2 AZR 366/04 - PM 57/05).